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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

944. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. Juli 2022

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

944. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. Juli 2022

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. Juli 2022: 9.00 – 22.22 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (GuKG-Novelle 2022)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Ausbildung von Pflegeberufen (Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz – PAusbZG) erlassen wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege (Entgelt­erhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG) erlassen wird

5. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tier­schutzgesetz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und da­mit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maß­nahmengesetz geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die COVID-19-Impf­pflichtverordnung und die Verordnung betreffend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung aufgeho­ben werden und das Epidemiegesetz 1950 geändert wird

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Kunst, Sport, Frauen, Jugend und Tou­rismus

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 und das Bildungs­investitionsgesetz geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 2

12. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sonder­vorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen auf­grund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Ein­kommensteuergesetz 1988 geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kom­munikationsbehörde Austria („KommAustria“) (KommAustria-Gesetz – KOG) geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gasdiversifizierungsgesetz 2022 geändert wird

18. Punkt: 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Län­dern Niederösterreich, Oberösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwasserschut­zes im Bereich der österreichischen Donau

19. Punkt: Zusatzvereinbarung zur 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwas­serschutzes im Bereich der österreichischen Donau

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (22. FSG-No­velle)

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (33. StVO-Novelle)

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 und das Straßen­tunnel-Sicherheitsgesetz geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­haltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsge­setz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftli­che Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2022)

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlord­nung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsge­setz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018, das Europa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungs­gesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2022)

25. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der insbesondere eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungsvereinbarung sowie eine Erstversorgungspauschale festgelegt werden

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Sicherheitspolizei­gesetz, das IPR-Gesetz, das Außerstreitgesetz und die Notariatsordnung geändert wer­den (Unterbringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 – UbG-IPRG-Nov 2022)


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 3

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Übernahmegesetz und das Gerichtsgebühren­gesetz geändert werden (Übernahmegesetz-Novelle 2022 – ÜbG-Nov 2022)

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Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache der Präsidentin Korinna Schumann ........................................... 12

Erklärung des Landeshauptmannes von Wien Dr. Michael Ludwig gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Entschlossen handeln. Zukunft sichern“ – Bekannt­gabe ................................. 16

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ...................... 16

Landeshauptmann Dr. Michael Ludwig ..................................................................... 16

Debatte:

Stefan Schennach ........................................................................................................ 23

Elisabeth Wolff, BA ...................................................................................................... 26

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................... 28

Marco Schreuder .......................................................................................................... 33

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 36

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 38

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 41

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 44

MMag. Elisabeth Kittl, BA ............................................................................................ 47

Landeshauptmann Dr. Michael Ludwig ..................................................................... 49

Ersuchen des Bundesrates Karl Bader um Sitzungsunterbrechung ........................ 124

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 124

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsidentin Korinna Schumann ............................................................................... 212

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 212

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Ruf zur Sache ............................................................................................................... 184

Aktuelle Stunde (98.)

Thema: „Tierschutzstandards verbessern, Tierhaltung zukunftsfest gestal­ten“                     54

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................... 55

Martin Preineder ........................................................................................................... 57

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 58

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 60

Bundesminister Johannes Rauch .......................................................................  62, 69

Dr. Peter Raggl ............................................................................................................. 63


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 4

David Egger .................................................................................................................. 65

Christoph Steiner ......................................................................................................... 66

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ............................................................................ 68

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 70

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 70

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  69, 212

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (GuKG-Novelle 2022) (2653/A und 1616 d.B. sowie 11034/BR d.B.) .................................................................................................... 70

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .............................................................. 71

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Ausbildung von Pflegeberufen (Pfle­geausbildungs-Zweckzuschussgesetz – PAusbZG) erlassen wird (2654/A und 1617 d.B. sowie 11035/BR d.B.) ............................................................... 70

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .............................................................. 71

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (2655/A und 1618 d.B. sowie 11004/BR d.B. und 11036/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 70

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .............................................................. 71

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege (Entgelter­höhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG) erlassen wird (2656/A und 1619 d.B. sowie 11006/BR d.B. und 11037/BR d.B.) .................................................... 70

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .............................................................. 71

RednerInnen:

Andrea Kahofer ............................................................................................................ 72

Dr. Karlheinz Kornhäusl .............................................................................................. 74

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 76

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................... 79

Bundesminister Johannes Rauch .............................................................................. 81

Ernest Schwindsackl ................................................................................................... 82

Ingo Appé ...................................................................................................................... 84

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Pflegereform statt türkis-grüner Überschriftenschmäh“ – Ablehnung ...........  77, 85


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 5

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 84

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 84

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 84

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 84

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit (1523 d.B. und 1625 d.B. sowie 11038/BR d.B.) .................................................................................... 85

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .............................................................. 85

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 85

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusam­menhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert wer­den (2586/A sowie 11007/BR d.B. und 11017/BR d.B.) ....... 86

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 86

RednerInnen:

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 86

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................... 88

Markus Leinfellner ........................................................................................................ 89

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 92

Günter Kovacs .............................................................................................................. 94

Johanna Miesenberger ................................................................................................ 95

Bundesminister Johannes Rauch .............................................................................. 97

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzungsstrategie für die Anliegen und Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens für das Jahr 2022“ – Ablehnung ..................................................................................................  91, 98

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 98

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2652/A sowie 11008/BR d.B. und 11018/BR d.B.) ............................................................................... 98

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 99

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2659/A so­wie 11009/BR d.B. und 11019/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 98

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 9


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 6

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9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die COVID-19-Impfpflichtverord­nung und die Verordnung betreffend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung aufge­hoben werden und das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (2676/A sowie 11020/BR d.B.) ............................................................................................................... 98

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ................................................. 99

RednerInnen:

Ingo Appé ...................................................................................................................... 99

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................. 102

Josef Ofner .................................................................................................................. 103

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 106

Markus Leinfellner ............................................................................................  108, 114

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 110

Dr. Karlheinz Kornhäusl (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 113

Karl Bader (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 114

Bundesminister Johannes Rauch ...................................................................  115, 121

Christoph Steiner ..............................................................................................  116, 122

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 122

Dr. Karlheinz Kornhäusl (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 123

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „rasche Maßnahmen zur Erhöhung der Impfbereitschaft“ – Ableh­nung .........................  101, 125

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringend notwendige Reformen in der Kinder- und Ju­gendpsychiatrie“ – Ablehnung  112, 124

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 124

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 124

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 124

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über die Zusam­menarbeit in den Bereichen Kultur, Kunst, Sport, Frauen, Jugend und Tourismus (1478 d.B. und 1597 d.B. sowie 11051/BR d.B.)                125

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger ................................................................ 125

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ............................. 126

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 und das Bildungsinvestitions­gesetz geändert werden (1493 d.B. und 1644 d.B. sowie 11029/BR d.B.) .................................................................................. 126


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 7

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger .............................................................. 126

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend eine Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 (1494 d.B. und 1645 d.B. sowie 11030/BR d.B.) ....................... 126

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger .............................................................. 126

RednerInnen:

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 127

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................... 129

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................... 130

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ..................................................................... 132

Markus Leinfellner ...................................................................................................... 134

Korinna Schumann .................................................................................................... 135

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................... 137

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kollegen und Kolleginnen betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreuungs-Förder­konzeptes nach dem Berndorfer Modell“ – Ablehnung ...........................................................................................................  134, 139

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 139

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 139

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) geändert wird (2524/A und 1610 d.B. sowie 11039/BR d.B.) ...................................... 139

Berichterstatterin: Barbara Tausch ............................................................................ 140

RednerInnen:

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 140

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................................................. 140

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 141

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 141

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 142

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria (1524 d.B. und 1611 d.B. sowie 11040/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 142

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................... 142

RednerInnen:

Stefan Schennach ...................................................................................................... 143

Mag. Franz Ebner ....................................................................................................... 143

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................... 145

Bundesminister Dr. Martin Polaschek ..................................................................... 146

Günter Pröller ............................................................................................................. 148

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 149


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 8

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 150

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuer­gesetz 1988 geändert werden (2678/A und 1633 d.B. sowie 11015/BR d.B. und 11050/BR d.B.) ........................................... 150

Berichterstatterin: Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................... 150

RednerInnen:

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................... 150

Barbara Tausch .......................................................................................................... 152

Mag. Sandra Gerdenitsch .......................................................................................... 153

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................... 154

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Indexierung der Familienbeihilfe“ – Ablehnung .................................................  151, 155

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 155

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikations­behörde Austria („KommAustria“) (KommAustria-Gesetz – KOG) geändert wird (2575/A und 1580 d.B. sowie 11014/BR d.B. und 11025/BR d.B.) ............................................................................................................. 155

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner ............................................................................ 155

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................. 155

Sebastian Kolland ...................................................................................................... 156

Eva Prischl .................................................................................................................. 157

Marco Schreuder ........................................................................................................ 158

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 159

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gasdiversifizierungsgesetz 2022 geändert wird (2679/A und 1594 d.B. sowie 11001/BR d.B. und 11066/BR d.B.) ............................................................................................................. 159

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 159

RednerInnen:

Günther Novak ..................................................................................................  160, 171

Martin Preineder ......................................................................................................... 162

Michael Bernard ......................................................................................................... 162

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 164

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ....................................................  166, 171

Josef Ofner .................................................................................................................. 168

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 171

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend eine 3. Ver­einbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Nie-


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 9

derösterreich, Oberösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwasserschut­zes im Bereich der österreichischen Donau (1536 d.B. und 1538 d.B. sowie 11054/BR d.B.) .................................................................................................. 171

Berichterstatter: Martin Preineder .............................................................................. 172

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend eine Zusatz­vereinbarung zur 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwasser­schutzes im Bereich der österreichischen Donau (1537 d.B. und 1539 d.B. sowie 11055/BR d.B.) .................................................................................. 171

Berichterstatter: Martin Preineder .............................................................................. 172

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 172

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 174

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 175

Günter Pröller ............................................................................................................. 176

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 177

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 177

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (22. FSG-Novelle) (1533 d.B. und 1540 d.B. sowie 11002/BR d.B. und 11056/BR d.B.) ............................................................................................................. 177

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger .............................................................. 178

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 178

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (33. StVO-Novelle) (1535 d.B. und 1541 d.B. sowie 11003/BR d.B. und 11057/BR d.B.) ............................................................................. 178

Berichterstatter: Florian Krumböck, BA .................................................................... 178

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 178

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 181

Mag. Elisabeth Grossmann (tatsächliche Berichtigung) ........................................... 183

Michael Bernard ......................................................................................................... 183

Silvester Gfrerer ......................................................................................................... 185

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................................. 187

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................. 189

Markus Leinfellner ...................................................................................................... 190

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Lkw-Mautflucht beenden und § 43 StVO reformie­ren!“ – Ablehnung  180, 191

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 191


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 10

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 und das Straßentunnel-Sicher­heitsgesetz geändert werden (1531 d.B. und 1543 d.B. sowie 11058/BR d.B.) .................................................................................. 191

Berichterstatterin: Barbara Tausch ............................................................................ 192

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 192

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Lan­desvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Lan­desvertragslehrpersonengesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2022) (2658/A und 1576 d.B. sowie 11013/BR d.B. und 11026/BR d.B.) .................................................. 192

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................. 192

RednerInnen:

Elisabeth Grimling ...................................................................................................... 192

Florian Krumböck, BA ............................................................................................... 194

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................... 196

Marco Schreuder ........................................................................................................ 198

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ....................................................................... 199

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Elisabeth Grimling, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienstrechts, Stär­kung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes“ – Ablehnung ........................................................................................  193, 199

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 199

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wähler­evidenzgesetz 2018, das Europa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungsge­setz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2022) (2574/A und 1577 d.B. sowie 11027/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 200

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................... 200

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 200

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend eine Verein­barung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der insbesondere eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungsvereinbarung sowie eine Erstversorgungspauschale festgelegt werden (1584 d.B. und 1656 d.B. sowie 11028/BR d.B.) ........................... 200

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger ................................................................ 200

RednerInnen:

Josef Ofner .................................................................................................................. 201

Silvester Gfrerer ......................................................................................................... 203

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................... 204


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 11

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................. 205

Bundesminister Mag. Gerhard Karner ..................................................................... 207

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 208

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das IPR-Gesetz, das Außerstreitgesetz und die Notariatsordnung geändert werden (Unter­bringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 – UbG-IPRG-Nov 2022) (1527 d.B. und 1561 d.B. sowie 11016/BR d.B. und 11052/BR d.B.) ........ 208

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................... 208

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 208

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Übernahmegesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Übernahmegesetz-Novelle 2022 – ÜbG-Nov 2022) (1526 d.B. und 1562 d.B. sowie 11053/BR d.B.) ................................. 209

Berichterstatterin: Barbara Tausch ............................................................................ 209

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ....................................................................................... 209

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................................................. 210

Christoph Steiner ....................................................................................................... 211

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 211

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Preise runter statt Einmalzahlungen, die verpuffen, bevor Sie ankommen, Herr Bundeskanzler!“ (353/A(E)-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlingsförderung sicher­stellen – Keine Kürzungen bei der Lehrlingsförderung im Budget 2023 (354/A(E)-BR/2022)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung (355/A(E)-BR/2022)

Anfragen der BundesrätInnen

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend kommunale Impfkampagne als Totgeburt – wo sind die Mittel sinnvoller einge­setzt? (4024/J-BR/2022)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verwendung von in ihrer Haltbar­keit nachträglich verlängerten Impfdosen (4025/J-BR/2022)


 


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 12

09.00.13Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Korinna Schumann, Vizepräsident Bernhard Hirczy, Vizeprä­sident Günther Novak.

09.00.14*****


Präsidentin Korinna Schumann: Guten Morgen, ich eröffne die 944. Sitzung des Bun­desrates.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Horst Schachner und Andrea Michaela Schartel.

Ganz herzlich im Bundesrat begrüßen darf ich die mehrfache Präsidentin des Bundes­rates Anneli Haselbach. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf auch Kollegin Claudia Peska und die Bundesfrauensekretärin des ÖGB Karin Zimmermann ganz herzlich begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

Meine besondere Begrüßung gilt natürlich dem Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien Dr. Michael Ludwig. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

09.01.35Antrittsansprache der Präsidentin


Präsidentin Korinna Schumann: Wie alle Bundesrätinnen und Bundesräte, die hier im Plenarsaal sind, bin ich dankbar und stolz, Mitglied des Bundesrates sein zu dürfen, und ich darf meiner großen Freude Ausdruck verleihen, dass ich für mein Heimatland Wien die Bundesratspräsidentschaft in diesem Halbjahr übernehmen durfte.

Ich darf mich bei der vorherigen, der Vorarlberger Bundesratspräsidentin Schwarz-Fuchs für ihre wertschätzende Präsidentschaft neuerlich bedanken. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Den Bundesrat stärken, das muss ein wesentliches Ziel unserer Arbeit sein, zu sehr ist er oft Angriffsfläche von unqualifizierten Wortspenden und Analysen, und da gilt es da­gegenzuhalten, insbesondere auch im Interesse der Stärkung der Demokratie.

Ich bin Landeshauptmann Dr. Ludwig sehr dankbar dafür, dass er wirklich bei jeder Gele­genheit, die sich bietet, die Bedeutung des Bundesrates hervorhebt und die Arbeit der BundesrätInnen, und zwar aller Bundesrätinnen und Bundesräte, wertschätzt. Das ist ganz wichtig für uns – vielen Dank! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Gemeinsam aus dem Bundesrat heraus Impulse zur Weiterentwicklung des Bundesra­tes setzen, dafür ist es jetzt, denke ich, an der Zeit, es währt hier der Stillstand sonst zu lange. Wir haben gerade erlebt, dass ein Gesetz vom Nationalrat zum Bundesrat kam, bei dem es dann technische Probleme gab, und wir mussten es wieder in den Nationalrat zurückschicken, weil dem Bundesrat das Korrekturrecht nicht gegeben ist. Es wäre wohl an der Zeit, da und bei weiteren Punkten anzusetzen. Vielleicht gelingt es, ein wenig Bewegung in diese Fragen zu bringen – versuchen will ich es wohl.

Verbindungen schaffen zwischen Stadt und dem ländlichen Raum – die beiden bedingen einander und beide haben besondere Herausforderungen, in den Krisenzeiten jetzt be­sonders; in den Krisenzeiten, die wir erlebt haben, in denen wir uns jetzt befinden und auf die wir in diesem Herbst noch in vermehrtem Ausmaß wohl zugehen werden.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 13

Es gibt aber Themenbereiche, die die Menschen in den Städten genauso betreffen wie jene im ländlichen Raum. Für meine Präsidentschaft habe ich bewusst ein Thema ge­wählt, das nicht zur weiteren Trennung oder Konkurrenz zwischen Stadt und Land führt, sondern das Verbindende sucht: „verlässliche öffentliche Strukturen als Basis des ge­sellschaftlichen Zusammenhalts“. Die inhaltliche Auseinandersetzung im Bundesrat, und dazu ist der Bundesrat wirklich fähig als Zukunftskammer, kann gerade in der derzeitigen Situation zu diesem Thema neue Blickwinkel eröffnen.

Wir haben eine Pandemie erlebt, die noch nicht vorbei ist, einen schrecklichen Krieg mit seinen furchtbaren Auswirkungen, eine Teuerung, die die Menschen ganz hart trifft, und zwar alle Menschen, insbesondere jene, die bisher schon Probleme hatten, ihre Existenz zu fristen, und wir haben eine Energiekrise, deren Auswirkungen sich noch mehr im Win­ter potenzieren werden. Und wir haben gelernt, dass der Spruch: Der Markt regelt alles!, sich nicht bewahrheitet hat. Wir haben die Bedeutung staatlichen Handelns erkannt und vor allem die Bedeutung des Sozialstaats als Schutz für die Menschen, die in Österreich leben, vor Auswirkungen dieser Krise.

Aber der Sozialstaat schützt auch vor großen Lebensein- und -umbrüchen, die jeder und jede in seinem Leben sehr rasch erleben kann, sei es die Frage der Arbeitslosigkeit, des Älterwerdens, der Pflegebedürftigkeit, der Krankheit. Aber auch positive Punkte wie die Geburt eines Kindes oder die Frage: Kann ich mir Bildung leisten?, sind ganz, ganz we­sentlich, denn der Sozialstaat ist das Vermögen derer, die kein Vermögen haben. Wir brauchen dieses starke sichere Netz des Sozialstaates.

Ein starker Staat hat auch die Verpflichtung einzugreifen, wenn zum Beispiel aus Krisen­umständen noch Übergewinne, Spekulationsgewinne gezogen werden und große Teile der Bevölkerung nicht mehr wissen, wie sie die Rechnungen zahlen sollen, die Verpflich­tung zu handeln zum Schutz der Menschen vor Existenzgefährdung, ohne zu zögern, sofort zu handeln, es geht um den Wohlstand der Menschen und es geht um den so­zialen Frieden.

Wir haben in der Pandemie gesehen, wie bedeutend die Sozialpartnerschaft ist. Die So­zialpartnerschaft hat mit dem Modell der Kurzarbeit binnen Kürze ein Rettungsmodell für Arbeitsplätze aufgestellt. Das heißt, die Kraft der Sozialpartnerschaft hat sich gezeigt. Die Sozialpartnerschaft hat auch die Kurzarbeit weiterentwickelt und ist ein wesentlicher Faktor für unseren Staat.

Ich darf mich auch hier bei Landeshauptmann Ludwig dafür bedanken, dass er die So­zialpartnerschaft in jener Form lebt, wie sie gut gedeihen kann, nämlich auf Augenhöhe. Das ist sicher auch eines der großen Erfolgsgeheimnisse der Stadt Wien. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Gleichzeitig muss staatliches Handeln immer transparent und begleitet von starker in­terner Kontrolle erfolgen. Das Vertrauen in die Politik ist in den letzten Jahren in sehr starkem Ausmaß in unserem Land verloren gegangen. Zum Schutz der Demokratie ist hier anzusetzen, sonst werden jene Kräfte, die die demokratischen Strukturen schwä­chen wollen, noch mehr die Entwicklung nutzen, um verunsicherte oder verzweifelte Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten.

Aber nicht nur die schweren Krisen haben ihre Auswirkungen, wir sind mitten in großen Wandelprozessen, sie finden gleichzeitig zu den Krisen statt: Klimakrise, Digitalisie­rungsschub und die demografische Entwicklung einer älter werdenden Gesellschaft. Öf­fentliche Investitionen sind ein bestimmender wirtschaftlicher Motor für unser Land und können die Triebfeder für private Investitionen sein: Investitionen in die öffentliche Infra­struktur, sei es in Krankenhäuser, Straßen, den sozialen Wohnbau, aber vor allen Din­gen in die Bildung, in Schulen und Universitäten sind Investitionen, die sich auf ganz lange Zeit rentieren und ganz wesentlich sind.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 14

Aber auch die so notwendigen Investitionen durch Länder und Gemeinden sind von der extremen Teuerung belastet, wenn nicht sogar gefährdet. Hier gilt es im Interesse der Bevölkerung zu handeln und auszugleichen – ein starker Staat als Gestalter in den Wandlungsprozessen, denn sowohl jedes jetzt wirklich wichtige Klimaziel, um den Kli­mawandel zu bekämpfen, als auch jeder Veränderungsschritt in der digitalen Transfor­mation werden nicht nur die Menschen, sondern auch die österreichischen Unternehmen und die Industrie fordern, aber auch staatlicher Impulsgebung bedürfen.

Denn immer ist die Frage zu stellen: Was sind die sozialen Auswirkungen einer Maß­nahme, einer Entwicklung? Lassen wir niemanden zurück! Die Grundlage des staatli­chen Handelns muss sein: Chancen geben, Ungerechtigkeiten verringern und Qualifizie­rungen ermöglichen. Und da darf ich die besondere Rolle der Beschäftigten im öffentli­chen Dienst hervorheben. Sie sind der Schlüssel für starke öffentliche Strukturen und sie leisten, und das haben wir nicht nur in der Pandemie gesehen, wirklich Großartiges, aber der öffentliche Dienst steht ebenfalls vor großen Herausforderungen. Es muss alles getan werden, um ihn als attraktiven Dienstgeber weiter zu bewerben, gerade jetzt, um starke öffentliche Strukturen zu erhalten.

Rahmenbedingungen zu schaffen, die Chancen geben, gerade in der Frauenpolitik, das ist ganz, ganz wesentlich. Und ich freue mich sehr, dass ich im Rahmen meiner Präsi­dentschaft ein Vernetzungstreffen der Frauen über alle Ländergrenzen, über alle Frak­tionsgrenzen hinweg gemeinsam mit den Sozialpartnerinnen organisieren darf, denn Frauen sind in diesen Krisenzeiten besonders belastet, und hier bedarf es ganz dringend eines politischen Kraftaktes zur Chancengleichheit für Frauen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der Grünen.)

Fast 18,5 Prozent Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern und 42 Pro­zent Pensionsunterschied und durch Corona eine noch höhere Rate an Teilzeitarbeit bei Frauen sind politischer Handlungsauftrag.

Es braucht auch, da sind wir uns gerade im Bundesrat ja sehr einig, den flächende­ckenden Ausbau der elementaren Bildungseinrichtungen mit einem echten Booster. Das ist das Gebot der Stunde: beste Bildung für die Kinder, Chancen für die Frauen, zu ent­scheiden, wie viele Stunden sie arbeiten, Sorgenfreiheit für die Eltern, weil einfach ein Kinderbildungsplatz da ist. Hier darf ich Wien wieder erwähnen mit seinem ganz, ganz tollen und gut ausgebauten Angebot an Kinderbildungsplätzen, was einerseits das ele­mentarpädagogische Angebot angeht, das seit zehn Jahren bereits in Wien gratis ist, aber beispielgebend ist auch das Ganztagsschulangebot in verschränkter Form, auch das ist gratis.

Gerade aus dem Bundesrat heraus ist es ganz wichtig, die Bedeutung der Länder in ihrer Gestaltungskraft hervorzuheben. Städte und Gemeinden sind die Grundpfeiler un­seres Landes. Hier haben die Bürgerinnen und Bürger den wesentlichen Kontakt zu ihren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und den Bezug zu ihrer Stadt, zu ihrer Gemeinde, ihrem unmittelbaren Lebensumfeld. Damit sind wir beim Bereich der Da­seinsvorsorge, und dieser Bereich hat im Rahmen meiner Präsidentschaft natürlich ei­nen herausragenden Stellenwert, nicht umsonst ist der Titel: starke öffentliche Struk­turen.

Auch da ist die Bundeshauptstadt Wien ganz besonders hervorzuheben: Wien als ein­zige Großstadt in Österreich mit fast zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, die fünftgrößte Stadt Europas ist beispielgebend für die hohe Qualität der Daseinsvor­sorge und damit auch, und das zeigt sich immer wieder, für die hohe Lebensqualität.

Daseinsvorsorge ist ein bisschen ein sperriger Begriff, aber das heißt einfach: funktio­nierende gute Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung, beste Gesundheits­versorgung, starke Dienstleistungen, ein extrem guter und leistbarer öffentlicher Ver­kehr. All das ist grundlegend für die Menschen in ihrer Gemeinde und in ihrer Stadt.


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Wesentlich ist auch, weil die Mietfrage so wichtig ist, der soziale Wohnbau. Ich darf be­tonen, dass zwei Drittel der Wienerinnen und Wiener im sozialen oder geförderten Wohnbau wohnen. Wien hat auch eine Besonderheit, weil Wien auf die Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer schaut: Es gibt den Waff, den Wiener ArbeitnehmerInnen-För­derungsfonds, und dieser ist eine Besonderheit, denn der Auftrag und das Ziel sind es, Wienerinnen und Wiener zu qualifizieren, bei der Arbeitssuche zu unterstützen und gleichzeitig eng mit den Unternehmen zusammenzuarbeiten; alles das, damit die Wett­bewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Wien erhalten und ausgebaut wird.

Wien macht Zukunftsinvestitionen in den Klimaschutz. Schon seit vielen Jahrzehnten sind wir hier Vorreiter.

Es ist noch eine Besonderheit, die Wien so ausmacht: Wir haben jetzt Sommer und es geht um das Freizeitangebot. Das Freizeitangebot für die Menschen ist umfassend und es ist in vielen, vielen Fällen kostenlos oder für einen ganz geringen Beitrag zu nützen. Das ist etwas Besonderes. Ich darf nur an das Donauinselfest erinnern, das größte Openairfestival Europas, bei dem man keinen Eintritt zahlen muss. Wir haben in Wien 1 000 Parkanlagen und Bäder, wir haben die Summer City Camps für die Kinder, die können dort spielen und dabei ein bisschen lernen und Sport betreiben. Und wir haben eine Einrichtung, die mich schon so lange begleitet, das sind die Wiener Büchereien.

Ich komme aus einer Familie mit vier Kindern, und es war nicht immer Geld da, um Bücher zu kaufen, aber ich habe die Chance gehabt, in den Büchereien so viele Bücher auszuborgen, welche mit hohem Niveau, welche mit Unterhaltungswert, aber es war immer toll, in die Bücherei zu gehen und ein neues Werk mitzunehmen. Das wurde bei uns weitergegeben, auch mit meinem Sohn sind wir immer in die Büchereien gegangen, haben neue Bilderbücher oder Spannendes ausgeborgt, bei 1,5 Millionen Büchern, die es dort gibt, ist das ja keine Schwierigkeit. Also das ist etwas Besonderes und das be­gleitet mich in großem Ausmaß.

Ich bin Gewerkschafterin und damit ist natürlich die Frage der Lehre für mich eine ganz, ganz wichtige und das Werben für die Lehre, für die Bedeutung der Lehre. Ich freue mich sehr, dass es möglich ist, für 8. September eine Veranstaltung rund um die Lehre hier im Bundesrat zu organisieren unter dem Titel: „Deine Lehre – Deine Zukunft!“. Da werden Schülerinnen und Schüler diskutieren, Lehrlinge, da werden die jungen Sozialpartner und -partnerinnen kommen, die Bundesjugendvertretung, und es wird die Möglichkeit ge­ben, über die Lehre und über die Bedeutung der Lehre zu sprechen. Der Bundesrat ist dafür ein guter Raum. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Starke öffentliche Strukturen als Basis für den gesellschaftlichen Zusammenhalt – dazu gehört auch die Gedenk- und Erinnerungskultur. Es ist möglich, für Dezember eine Ver­anstaltung zum Gedenken an die Kindertransporte im Jahr 1938 im Bundesrat zu orga­nisieren. Dieses Gedenken gerade im Bundesrat ist, glaube ich, wesentlich, vor allen Dingen deshalb, weil der Bundesrat einen Ausschuss hat, den der Nationalrat nicht hat, nämlich den Kinderrechteausschuss, einen sehr aktiven und wichtigen Ausschuss. Und hier dieses Gedenken zu vollführen ist aus meiner Sicht ganz, ganz wichtig.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist ein wesentlicher Faktor für den Schutz unserer De­mokratie. Die Gewichtungen dürfen nicht zu weit auseinandergehen. Es geht um Ge­rechtigkeit. Ein gutes Leben für alle muss das Ziel sein, Ausgleich schaffen, die großen Leistungen der Menschen im Alltag und im Berufsleben anerkennen, gegenseitiger Re­spekt und Wertschätzung, nicht wegschauen, wenn die Lasten der Menschen zu schwer werden, sondern schnell und ganz aktiv helfen.

Ich darf mit der Hoffnung schließen, mit der Wiener Präsidentschaft Anregungen zum Diskurs geben zu können, und sage vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.17


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 16

09.17.15Erklärung des Landeshauptmannes von Wien zum Thema
„Entschlossen handeln. Zukunft sichern“


Präsidentin Korinna Schumann: Ich begrüße noch einmal den Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien Dr. Michael Ludwig sehr herzlich bei uns im Bundesrat und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Entschlossen handeln. Zukunft si­chern“ abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 GO-BR vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Landeshauptmann zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte.


9.17.58

Landeshauptmann von Wien Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrte Frau Bundesratsprä­sidentin! Hochgeschätzte Mitglieder des Bundesrates! Werte Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter der Parlamentsdirektion! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich freue mich sehr, dass ich wieder im Bundesrat sein darf. Ich habe als eine meiner ersten Tätigkeiten – ich glaube, mich erinnern zu können, es war überhaupt die erste Rede als neuer Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien – meine Antrittsrede im Bundesrat gehalten, auch deshalb, weil ich sehr schöne Erinnerungen an den Bundesrat habe, als Mitglied. Ich war von Jänner 1996 bis September 1999 Mitglied des Bundesra­tes, und ich habe das Klima, das damals im Bundesrat geherrscht hat, sehr geschätzt. Es war ein sehr kontroversielles Klima, aber eines, das sehr sachorientiert war und sich sehr stark an der Lösung von Herausforderungen, die es damals natürlich auch gegeben hat, orientiert hat.

Ich freue mich sehr, dass die frühere Präsidentin beziehungsweise Vizepräsidentin An­neli Haselbach auch unter uns ist, die sich an diese Zeiten noch sehr gut erinnern kann.

Gerade diese Tätigkeit über die Bundesländer- und Fraktionsgrenzen hinweg hat eigent­lich den Bundesrat immer sehr stark als wichtigen Teil des Föderalismus ausgezeichnet. Der Föderalismus ist so wie andere Bereiche unseres Lebens, unserer Gesellschaftsord­nung ein unverzichtbares Element der Republik Österreich.

Von daher ist es bewundernswert, dass es dem Bundesrat gelungen ist, auch in den letzten Jahren sehr viele Gesetzesinitiativen auf den Weg zu bringen beziehungsweise auch an der Gesetzgebung insgesamt mitzuwirken, aber auch die Kontrolle auszuüben, nämlich als Kontrolle der Bundesländer im Zuge der Bundesgesetzgebung. Diese Tätig­keit ist ganz, ganz wichtig. Das sage ich nicht nur, weil ich heute hier vor Ihnen reden darf, sondern das sage ich auch bei vielen anderen Gelegenheiten, Ansprachen, Inter­views, und ich glaube, es wäre ein gemeinsames Anliegen, immer wieder zu betonen, dass der Bundesrat neben dem Nationalrat und anderen wichtigen Einrichtungen der Republik ein sehr, sehr starkes Element der österreichischen Demokratie darstellt. (Bei­fall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich freue mich, dass Korinna Schumann jetzt diese Funktion als Präsidentin des Bundes­rates übernimmt, auch deshalb, weil sie sehr viel Erfahrung einbringt. Als Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende des Österreichischen Gewerkschaftsbundes hast du in vielen sozial-, aber auch frauenpolitischen Bereichen Maßnahmen gesetzt. Das kann der Tätigkeit des Bundesrates nur guttun, auch als sichtbares Zeichen nach außen, dass die Themenfelder Sozial- und Frauenpolitik in dieser krisenhaften Zeit auch einen beson­deren Schwerpunkt erfordern.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 17

Es ist auch ein Zeichen dafür, dass die Sozialpartnerschaft ein unverzichtbares Element unserer Republik und auch ein Garant für den sozialen Frieden ist. Gerade wenn inter­nationale Delegationen zu uns nach Österreich kommen, spielt die Sozialpartnerschaft immer eine besondere Rolle. Ich habe es selbst erlebt, auch in vielen internationalen Konferenzen und Dialogforen, dass die österreichische Sozialpartnerschaft von anderen Ländern fast mit einem gewissen Neid betrachtet wird. Wenn man sich Konflikte in an­deren Ländern ansieht, Konflikte, die ihre Wurzeln im Wirtschafts- und Sozialpolitischen haben, sieht man, wie wichtig die Sozialpartnerschaft in diesem Bereich ist. Ich finde es als einen sehr, sehr guten Themenschwerpunkt, den die neue Präsidentin Korinna Schu­mann setzt: „verlässliche öffentliche Strukturen als Basis des gesellschaftlichen Zusam­menhalts“.

Beides werden wir in diesen Zeiten, in denen sich Krisen am Horizont anbahnen, beson­ders brauchen: verlässliche öffentliche Strukturen, aber vor allem auch den gesellschaft­lichen Zusammenhalt. Ich kann dir, sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Korinna, nur versichern, dass ich als Bürgermeister, Landeshauptmann, aber auch als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz beziehungsweise auch als Präsident des Österreichi­schen Städtebundes diesen Schwerpunkt sehr gerne unterstützen werde, denn es geht da um ganz wichtige Elemente in der Bewältigung der derzeitigen Herausforderungen, und von daher wünsche ich dir nicht nur viel Erfolg als Präsidentin des Bundesrates, sondern vor allem auch viel Erfolg beim Durchsetzen dieser Schwerpunktthemen. – Alles Gute! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich halte diesen Schwerpunkt auch deshalb für wichtig, weil das Miteinander zwischen Städten und Gemeinden, aber auch den ländlichen Regionen von zentraler Bedeutung ist. Wir haben erst vor Kurzem eine große Konferenz der Österreichischen Raumord­nungskonferenz gehabt, und es hat sich gezeigt, dass das Gegeneinanderausspielen von Stadt und Land keinen Sinn hat, sondern dass das Miteinander, die Entwicklung von urbanen Regionen gemeinsam mit dem ländlichen Umfeld und die Zusammenarbeit zwischen ländlichen Regionen und urbanen Zentren sehr wichtig sind.

In Fragen wie beispielsweise Maßnahmen gegen den Klimawandel, aber auch umwelt­politischen Maßnahmen ist das nur scheinbar ein Widerspruch. Die Fragen, wie man mit Bodenverbrauch umgeht oder wie die Siedlungsstruktur aussehen soll und trotzdem dem Bedarf an Wohnraum gerecht wird und die nötigen Arbeitsplätze sicherstellt, dass auch die Landwirtschaft gut funktioniert und man immer stärkere Schwerpunkte im bio­logischen Landbau setzt, sind eine Herausforderung, die Städte, Gemeinden, aber auch Verantwortungsträger in der Landwirtschaft gemeinsam betrifft.

Das ist für uns in Wien, einer Metropole, eine besondere Herausforderung. Trotzdem bin ich stolz, Bürgermeister einer Millionenstadt zu sein, wo 14 Prozent der gesamten Grundfläche landwirtschaftlich genutzt werden, und das gilt nicht nur für den bekannten Wiener Wein und den Wiener Gemischten Satz, den wir auch international vermarkten, sondern weil auch die Weinberge in Wien ein wichtiges Naherholungsgebiet sind und einen Beitrag zur Ökologisierung der Metropole leisten.

Wir produzieren aber (Bundesrat Steiner: Alkohol!) – nicht nur Alkohol, auch wenn wir beispielsweise, lieber Kollege, 80 Prozent der Braugerste für das Wiener Bier auf Wiener Grundfläche produzieren, sondern darüber hinaus auch Brotgetreide, und zwar mehr als drei andere Bundesländer zusammengerechnet. Damit spiele ich jetzt nicht die Tätigkeit Wiens gegen andere Bundesländer aus, möchte aber zeigen, dass es durchaus möglich ist, auch im urbanen Raum eine sinnvolle Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft ein­zugehen.

Warum? – Wenn wir davon sprechen, dass eine Großstadt eine intelligente Stadt der Zukunft sein soll, eine Smartcity, dann ist ein wichtiges Element, eine Stadt der kurzen


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 18

Wege herzustellen. Dass es in Wien möglich ist, dass Sie sich Gemüse beispielsweise quasi vom Landwirt direkt mit der Straßenbahn, mit dem Fahrrad oder zu Fuß abholen können, ohne dass große Transportwege notwendig sind, ist ein Zeichen hoher Lebens­qualität und auch eine sinnvolle Maßnahme, um ein solches Smartcity-Konzept umzu­setzen. Eine Stadt der kurzen Wege, wo die Menschen eingebunden sind und auch ein Verhältnis zur landwirtschaftlichen Produktion entwickeln, das halte ich für wichtig, auch als deutliches Signal dafür, dass Stadt und Land keinen Widerspruch darstellen müssen, sondern ein sinnvolles Miteinander zu finden ist. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Von daher, denke ich, sind gerade die Erkenntnisse, die wir auch im Rahmen der Öster­reichischen Raumordnungskonferenz gemeinsam mit Mitgliedern der Bundesregierung, Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer, der Städte, Gemeinden, der Sozialpart­ner und der Interessenvertretungen erlangt haben, eine wichtige Leitorientierung auch für die weitere Entwicklung unseres Landes.

Das bedeutet natürlich auch, dass wir die Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, unterstützen. Wir haben beispielsweise alleine in Wien 700 landwirtschaftliche Betriebe mit Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hervorragende, hochqualifizierte Arbeit gerade auch im biologischen Landbau leisten. Wir produzieren beispielsweise 260 Prozent der Gurken, die wir in Wien brauchen, wir exportieren also Gurken in andere Bundesländer und bis nach Deutschland. Da kenne ich ehrlich gesagt nicht viele Metro­polen, die unterschiedliche Gemüse- und Obstsorten, aber auch andere landwirtschaftli­che Produkte in andere Regionen liefern, um die Versorgung auch dort abzudecken.

Ich glaube, zu zeigen, dass wir in verschiedenen Regionen Österreichs in der Lage sind, unterschiedliche Wirtschaftsbereiche miteinander in Einklang zu bringen – neben der Landwirtschaft beispielsweise Industrie, Handel, Gewerbe –, all das, was notwendig ist, um eine flexible Wirtschaft aufzubauen, das halte ich für einen großen Vorteil, und es zeigt auch, dass Österreich in manchen Bereichen besser durch die krisenhaften Er­scheinungen gekommen ist als andere Länder, die ausschließlich auf einen Bereich der Wirtschaft setzen.

Wie fragil, verletzbar und unsicher unsere Gesellschaft geworden ist, zeigt sich ja an den verschiedenen Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben. Dass es beispielsweise eine Kriegssituation in Europa gibt, die wir uns in diesem Ausmaß nicht mehr vorstellen konnten, und es erstmals seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien in Europa wieder einen Krieg, eine bewaffnete Auseinandersetzung mit Hunderten Toten gibt – und zwar unter Soldaten genauso wie unter der Zivilbevölkerung –, das erschreckt. Es bedeutet, dass unsere Ausrichtung in der Friedensordnung, die wir für ein gemeinsames Europa vorgesehen haben, dadurch in vielen Bereichen infrage gestellt ist.

Aber auch in der Wirtschaft sehen wir, dass durch eine Inflationsrate, die wir seit den Achtzigerjahren nicht mehr gewohnt waren, völlig neue Herausforderungen auf uns zu­kommen, und das zusätzlich zu den Schwerpunkten, die wir auch hier im Haus schon lange vorher diskutiert haben: Fragen, wie man mit den Auswirkungen des Klimawandels umgeht und wie man Maßnahmen setzen kann, um Klimaschutz umzusetzen.

Das gilt aber auch für den Prozess der Digitalisierung. Ich bin der Meinung: Wenn wir im internationalen Wettbewerb auch in Zukunft eine Rolle spielen wollen, wird das nur in einem gemeinsamen Europa möglich sein. Es zeigt sich jetzt schon, dass die internatio­nale Wirtschaft von großen Wirtschaftseinheiten dominiert wird, und daher werden wir unsere Wirtschaft auch ganz stark ausrichten müssen, um in diesem internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Das wird natürlich auch Modernisierung in vielen Be­reichen bedeuten: Digitalisierung beispielsweise, und da ist mir wichtig, dass wir gerade in diesem Digitalisierungsprozess darauf achten, dass die Digitalisierung den Menschen dient und nicht die Menschen Instrumente einer Technisierung werden, die dann in man­chen Bereichen als nicht beherrschbar gilt.


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Daher werden wir da einen großen Schwerpunkt setzen, auch im humanen Digitalisie­rungsprozess, um diese gesellschaftspolitischen Auswirkungen zu begleiten; denn neue Technologien bedeuten auch immer eine große Gefahr, dass es eine Spaltung in der Gesellschaft gibt: in Menschen, die diese neuen Technologien nutzen können, und jene, die an dieser Entwicklung keine oder zu wenig Teilhabe finden. Daher ist es nicht nur eine technische Herausforderung, wie wir im internationalen Wettbewerb bessere, digita­lisierte Möglichkeiten auf den Weg bringen können, sondern es wird vor allem auch eine große Herausforderung sein, die Menschen in diesen Prozess mitzunehmen: in der Erst­ausbildung, im lebensbegleitenden Lernen, aber auch in der Frage, welche gesell­schaftspolitischen Schwerpunkte wir in diesem Bereich setzen.

Österreich ist ein neutrales Land. Das ist ein Bereich, der gerade jetzt, bedingt durch den Krieg in der Ukraine, in Diskussion geraten ist. Wir sehen aber auch, dass es in der österreichischen Bevölkerung eine hohe Zustimmung zur Neutralität gibt, auch deshalb, weil sie ein sinnstiftendes Element in der gesamten Zweiten Republik war und ist. Es ist ja kein Zufall, dass der österreichische Nationalfeiertag der 26. Oktober ist, aus Anlass der Beschlussfassung der immerwährenden Neutralität im österreichischen Nationalrat. Man hätte ja auch andere Tage wählen können, die sich damals angeboten hätten, aber es war ein ganz bewusster Akt, um deutlich zu machen, dass das ein wertvolles Element der Identität Österreichs ist.

Wenn jetzt Schweden und Finnland der Nato beitreten, dann wird Österreich das einzige Land der Europäischen Union auf dem Festland sein, das diesen Status als neutrales Land beibehält. Ich halte das für eine große Möglichkeit, Österreich – ich darf Wien hier vielleicht besonders erwähnen - - (Bundesrat Schreuder: Schweiz?!) – Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union, auch wenn es ganz enge bilaterale Verbindungen gibt. Daher, glaube ich, haben wir die Möglichkeit, als neutrales Land zu agieren und Wien als eine Stadt mit Sitz von 50 internationalen Organisationen, beispielsweise der UNO, im Zentrum zu sehen.

Ich habe erst vor wenigen Wochen Generalsekretär António Guterres zu Gast im Wiener Rathaus gehabt, der Wien besonders gelobt hat als einen Standort, an dem es möglich ist, friedenssichernde, friedensschaffende Maßnahmen zu setzen, als eine Plattform, ei­ne räumliche Möglichkeit, Konfliktparteien zusammenzuführen und kombiniert mit einer aktiven Außenpolitik die Möglichkeit zu nutzen, die Stadt Wien, die Republik Österreich als neutralen Ort von Gesprächen auch international zu determinieren. Das halte ich für eine Chance.

Ich glaube, es würde kein großer Ruck durch die Nato gehen, wenn wir als Republik Österreich unsere militärische Kompetenz einbringen würden. Wir können als neutrales Land aber eine hohe internationale Kompetenz einbringen, als Stadt, die auch interna­tional große Reputation genießt, und von daher, denke ich, ist das sicher ein wichtiger Punkt, der zweifellos auch in den politischen Diskussionen in den nächsten Wochen und Monaten eine Rolle spielen wird.

Das Motto meines Vorsitzes bei den Landeshauptleuten heißt „Entschlossen handeln. Zukunft sichern“. – Wie jedes Motto ist es relativ allgemein, hat aber, wie ich meine, gerade jetzt eine besondere Bedeutung, denn es wird notwendig sein, entschlossen zu handeln. Die Bevölkerung erwartet sich von uns, als politische Entscheidungsträger vo­ranzugehen, auch wenn es manchmal notwendig ist, Entscheidungen zu treffen, die viel­leicht nicht von allen hundertprozentig goutiert werden. Entscheidungen zu treffen ist aber der Erwartungshorizont in der Politik. Daher gilt es, nicht zu zaudern, sondern nach intensiven Diskussionen, intensiven Gesprächen unter Einbeziehung möglichst vieler – auch unterschiedlicher – politischer Gruppierungen am Ende auch Maßnahmen durch­zusetzen, die notwendig sind, um die Zukunft zu sichern.


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Wir bewegen uns wirklich, so wie der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz das auch genannt hat, in einer Zeitenwende, und es wird wichtig sein, jetzt die richtigen Maßnah­men zu setzen, um in dieser Zeitenwende unser Land durch sich am Horizont aufbau­ende Krisen zu bringen. Dazu gehört natürlich die Frage, wie wir mit den steigenden Energiepreisen umgehen. Das ist keine Herausforderung, die uns in Österreich alleine betrifft. Das ist eine Herausforderung, die ganz Europa zu schultern hat.

Ich habe aus diesem Grund in den letzten Tagen vorgeschlagen, ob es nicht sinnvoll wäre, dass die unterschiedlichen Vorschläge, die zum Thema Energiepreise gemacht worden sind, auf den Tisch gelegt werden, und man eine gemeinsame Lösung findet. Es gibt gute Vorschläge, die aus der Bundesregierung kommen, es gibt gute Vorschläge, die aus den Ländern kommen, aus den Parteien, von den Sozialpartnern. Es gibt auch Vorschläge aus der Europäischen Kommission, und es wäre sinnvoll, sich anzuschauen, was national überhaupt möglich ist: Wo ist es notwendig, Kooperationen zu finden – mit Nachbarländern beispielsweise –, um Energieverbünde zu schaffen? Wo gibt es die Möglichkeit, dass wir als Republik Österreich einen eigenständigen Weg finden? (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Das wird eines der zentralen Themen sein, auch in Europa. Wir sehen, dass auch in­nerhalb der Europäischen Union die Art und Weise, wie Energie produziert oder bezogen wird, ganz unterschiedlich ist, nicht nur beim Gas, das aus Russland bezogen wird. Das sind auch die Fragen, wie Atomstrom in die Netze eingespeist wird, wie sich alternative Energieformen durchsetzen können, wie wir auch im internationalen Wettbewerb mög­lichst preiswert Rahmenbedingungen schaffen können, um diese Ideen für alternative Energieformen auch umzusetzen.

Die Inflation, die derzeit die Haushalte, aber auch die Wirtschaft stöhnen lässt, ist natür­lich ganz stark durch die steigenden Energiepreise importiert. Sie hat Auswirkungen auf alle anderen Lebensbereiche, von landwirtschaftlichen Produkten bis hin zu Dienstleis­tungen, die damit natürlich die Inflation noch weiter anheizen. Daher wird es sinnvoll sein, gemeinsam zu überlegen – Bund, Länder, Städte, Gemeinden, Sozialpartner –, ein umfassendes Antiteuerungspaket zu schnüren, um die Haushalte, aber auch die Wirt­schaft zu entlasten, oder auch Bereiche, über die man interessanterweise ganz wenig spricht – was ich sehr bedaure –: Die stark steigenden Energiepreise wirken sich bei­spielsweise auch im ehrenamtlichen Bereich aus: Blaulichtorganisationen. All jene, die beispielsweise bei freiwilligen Feuerwehren oder Rettungsdiensten tätig sind, spüren, dass sich die steigenden Energiepreise auch dort gerade dramatisch auswirken. Wir sind aufgerufen, zu überlegen, wie wir diesen wichtigen Teil der ehrenamtlichen Tätigkeit un­terstützen, sodass nicht immer mehr Menschen ihre Funktionen dort beenden, weil die finanziellen Rahmenbedingungen einfach immer schwieriger werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Es wird wichtig sein, dass wir den Ausbau erneuerbarer Energien weiter vorantreiben. Es gibt ja ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das in Begutachtung ist. Es fehlen noch die Umsetzungsverordnungen. Da wird es wichtig sein, dass die Bundesregierung auch die Interessen der Bundesländer stark miteinbezieht, denn es gibt bundeslandspezifische Besonderheiten, verschiedene Rahmenbedingungen, die die Bundesländer haben, und die müssen natürlich auch ihre Berücksichtigung finden.

Ich denke, dass wir auch voneinander lernen können. Es gibt Bundesländer, die im Be­reich Solartechnologie weit voraus sind, es gibt Bundesländer, die da und dort mit Wind­energie große Erfahrungen gemacht haben, auch Geothermie. Wir versuchen in Wien, mit dem Forschungsprojekt GeoTief bis 2030 die Fernwärme mit Geothermie zu versor­gen, für rund 135 000 Haushalte, um damit die Raumwärme und das Warmwasser zu schaffen. Das ist also sicher eine Zukunftstechnologie, allerdings noch mit einem großen


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Investitionsaufwand verbunden. Ich denke, wenn wir uns da wechselseitig über die Bun­desländergrenzen hinweg miteinander austauschen, hilft es zweifellos, Kosten bei der Entwicklung dieser Technologien einzusparen. Wir haben uns vorgenommen, dass wir bis 2040 60 Prozent des Wärmebedarfs in Wien über die Fernwärme decken, und mit Geothermie und Großwärmepumpen sollte die Hälfte der Fernwärme produziert werden.

Ich habe mich sehr gefreut, dass jetzt Wirtschaftsminister Habeck aus Deutschland beim Besuch in Wien – sich leider nicht nur angesteckt hat (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP), sondern auch interessante Projekte besucht hat, beispielsweise in der ebswien, in der Kläranlage Simmering zu Besuch war. Das ist eine der größten Wärmepumpenanla­gen Europas, auf die ich sehr stolz bin. Das hat uns wirklich viel Geld gekostet: in der Ent­wicklung, aber auch in der Umsetzung. Wenn immerhin der deutsche Wirtschaftsminister sagt: So etwas haben wir in Deutschland nicht!, dann, muss ich sagen, erfüllt mich das schon mit einem gewissen Stolz, dass wir da voranschreiten und dass das ein sichtbares Zeichen dafür ist, dass das Klimaschutzprogramm, das wir in Wien seit über 20 Jahren sehr konsequent umsetzen, auch zeigt, dass wir an den großen Schrauben drehen und uns nicht nur mit Klein-Klein beschäftigen, sondern auch in der Lage sind, einen großen Wurf durchzusetzen, um die Dekarbonisierung des Wärmesektors konkret umzusetzen.

Von daher sind das Maßnahmen, die wichtig sind, um eine Umstellung im Energiewesen herbeizuführen. Jetzt ist natürlich eine große Herausforderung: Wie können wir Haushal­te – auch die Wirtschaft, aber jetzt einmal ganz besonders die privaten Haushalte – bei diesen stark steigenden Energiepreisen unterstützen? Wir haben deshalb in Wien schon im März eine Wiener Energieunterstützung für 260 000 Haushalte auf den Weg ge­bracht, die 200 Euro direkt überwiesen bekommen, Alleinerzieherinnen und Alleinerzie­her 300 Euro. Das Wichtige ist, dass das schnell passiert und ohne großen bürokrati­schen Aufwand, denn wir wissen: Gerade jene Haushalte, die es wirtschaftlich beson­ders benötigen, sind auch jene, die oft an bürokratischen Hürden scheitern. Wir haben bis gestern schon 192 000 Haushalte damit versorgen können. Die restlichen bekom­men das Geld in den nächsten Tagen überwiesen.

Wir haben auch schon mit einer weiteren Energieunterstützung Plus, die wir auf den Weg gebracht haben, sichergestellt, dass diese Maßnahmen im Herbst fortgesetzt werden, er­gänzt werden und dass manche Haushalte bis zu 1 000 Euro Unterstützung bekommen.

Es ist mir völlig bewusst, dass das nur ein Teil sein kann. Wir wissen noch nicht, wie sich die Energiepreise in den nächsten Monaten weiterentwickeln werden. Es ist zu befürch­ten, dass es nicht so schnell eine Stabilisierung geben wird. Daher wird es wichtig sein, gemeinsam darüber nachzudenken, aber dieses Nachdenken auch in Handeln umzu­münzen, damit da sehr schnell geholfen wird, denn es gibt viele Haushalte, die in der Tat ganz dramatisch unter dieser Entwicklung leiden. Daher kann ich nur dieses Angebot wiederholen, dass wir möglichst schnell gemeinsam – Bund, Länder, Sozialpartner, viel­leicht auch unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, auch aus der Europäischen Union, die ja auch ihre Überlegungen haben und wertvolle Vorarbeiten geleistet haben – zu einer Lösung, zu einem Maßnahmenpaket kommen. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ich möchte noch ein Thema ansprechen, das die Präsidentin in ihrer Antrittsrede völlig zu Recht thematisiert hat: Das ist der gesamte Bildungsbereich, auch mit dem beson­deren Schwerpunkt der Lehrlingsausbildung. Wir sehen in ziemlich allen Branchen – und das ist österreichweit ähnlich und auch in Europa in den allermeisten Ländern ein Thema –, dass wir einen ganz dramatischen Fachkräftemangel haben. Auslöser ist si­cher auch die sogenannte demografische Entwicklung, auf die ich schon vor Jahren hin­gewiesen habe, weil das einfach statistisch auszurechnen ist. Wenn man sich die demo­grafische Entwicklung von den Fünfzigerjahren bis heute anschaut, sieht man beispiels­weise, dass Wien, früher einmal das mit Abstand älteste Bundesland, mittlerweile zum


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mit Abstand jüngsten Bundesland geworden ist. Das bedeutet aber nicht, dass wir in Wien immer jünger werden, auch wenn ich immer jünger ausschaue, der Kollege (in Richtung Bundesrat Himmer) wird mir da recht geben. (Heiterkeit bei der ÖVP.) – Oder nicht?

Das Durchschnittsalter der Wiener Bevölkerung ist von den Fünfzigerjahren bis heute ziemlich gleichgeblieben. Wir sehen allerdings in den anderen Bundesländern beim Durchschnittsalter eine starke Aufwärtsentwicklung. Das ist verständlich und auch er­freulich. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Menschen, auch aufgrund unseres Sozial- und Gesundheitssystems, erfreulicherweise älter werden. Das ist gut so. Für den Ar­beitsmarkt bedeutet das nur, dass jetzt die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen. (In Richtung Bundesrat Himmer:) Da sind wir wieder bei den jung Aussehenden, aber trotzdem schon lange hier Seienden. Es gibt nur mehr wenige, die mit mir gemein­sam im Bundesrat waren. (Heiterkeit der BundesrätInnen Zwazl und Schennach.)

Von daher ist es eine dramatische Entwicklung, dass viele der geburtenstarken Jahrgän­ge jetzt in Pension gehen und weniger Menschen am Arbeitsmarkt nachkommen, in ziemlich allen Branchen. Das wird eine große Herausforderung sein. Ich denke, wir sind gut beraten, dass wir jetzt natürlich die universitäre Ausbildung vorantreiben. Wien ist im deutschsprachigen Raum die zweitgrößte Stadt, aber die wichtigste Universitätsstadt: mit neun Universitäten, fünf Privatuniversitäten, fünf Fachhochschulen und fast 200 000 Stu­dierenden. Das ist auch ganz wichtig für die Wirtschaft. Wir siedeln in Wien verstärkt pharmazeutische Bereiche an oder Expertinnen und Experten, die international sehr re­nommiert sind, zum Beispiel jetzt mit dem Institut für Präzisionsmedizin.

Wir müssen aber auch schauen, dass wir in der Lehrlingsausbildung ganz deutliche Schritte setzen. Wir werden deshalb die modernste Schule in Wien als eine Zentralbe­rufsschule errichten – in der Seestadt Aspern –, um deutlich zu machen, dass wir mit besonderer Wertschätzung junge Menschen ansprechen wollen, die in Zukunft auch eine Lehre machen wollen, denn das wird sehr, sehr notwendig sein, in allen Wirtschafts­bereichen.

Aber auch dann, wenn wir zum Beispiel sagen, wir wollen klimaschutzrelevante Maßnah­men umsetzen, und dann feststellen, dass wir für die Fotovoltaikanlagen, die wir durch die Unterbrechung der internationalen Lieferketten ohnehin schon schwer nach Öster­reich bringen, zwar die Materialien haben, aber unter Umständen zu wenige Techniker, die in der Lage sind, diese dann auf dem Dach zu montieren, denke ich mir, sollten wir gemeinsam – die Sozialpartner sind schon angesprochen worden, und die Frau Präsi­dentin hat den Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds angesprochen – darüber nachdenken, wie es möglich ist, dass wir gezielt junge Menschen gewinnen, um den Lehrberuf anzustreben, verschiedene Lehrberufe anzustreben, und zu erkennen, dass das nicht, wie das manchmal formuliert worden ist, eine Sackgasse ist, sondern dass das ganz im Gegenteil eine Möglichkeit ist, in der Wirtschaft zu reüssieren, die aber auch ganz großartige persönliche Entfaltungsmöglichkeiten bietet.

Ich würde wirklich dazu einladen, dass wir das nächste halbe Jahr besonders nutzen, um uns über die Bundesländergrenzen hinweg auszutauschen, wie die Erfahrungen sind, welche Projekte wir konkret, vielleicht auch flächendeckend, umsetzen können.

Wir haben beispielsweise in der Coronapandemie bei der Lehrlingsausbildung starke Einbrüche gehabt. Ich möchte ein Beispiel erwähnen. Das war in der Gastronomie und in der Hotellerie. Das war bei uns in Wien ein Riesenproblem, wahrscheinlich mehr als in anderen Bundesländern, weil wir mit dem Konferenz- und Kongresstourismus eine Form des Tourismus haben, der besonders von der Coronapandemie betroffen war. Die Schwierigkeit war: Während die Hotels gesperrt hatten, war es natürlich für Lehrlinge ganz schwer, ihre Lehre abzuschließen. Die waren im zweiten oder dritten Lehrjahr, das


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Hotel war geschlossen – weil keine Touristen da waren –, und die Frage war: Wie schaf­fen die trotzdem einen Lehrabschluss?

Ich muss sagen, da hat die Sozialpartnerschaft in Wien wirklich gut funktioniert, da danke ich der Wirtschaftskammer, die da wirklich großartig innovativ unterwegs war, der Arbei­terkammer, den Gewerkschaften, dass man überlegt hat, wie wir mit dem Problem um­gehen. Wir haben es dann gemeinsam mit überbetrieblichen Lehrwerkstätten, aber auch mit engagierten Hoteliers und Gastronomen geschafft, dass die Lehrlinge ihren Lehrab­schluss machen, auch wenn alles geschlossen war. Das war deshalb gut, weil wir jetzt gut ausgebildete Arbeitskräfte haben, die natürlich sofort nachgefragt waren. Die haben sich gar nicht viel bewerben müssen, die sind natürlich blitzartig mit tollen Jobs versehen worden.

Also das möchte ich nur als Beispiel anführen: Wenn sich ein paar gescheite Leute zu­sammensetzen und auch willens sind, eine Lösung herbeizuführen, ist das durchaus auch möglich. Ich würde vorschlagen, dass wir das im nächsten halben Jahr als ganz massiven Schwerpunkt sehen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Arlamovsky.)

Einen Punkt noch, weil der jetzt erfreulicherweise von der Bundesregierung umgesetzt worden ist, auch mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission, durch das Investitionsprogramm Next Generation: Das war der Reparaturbonus, der vielen Klein- und Mittelbetrieben einen Schub gebracht hat. Ich kann nur sagen, ich freue mich immer, wenn solche Projekte umgesetzt werden, weil ich dann immer zart darauf verweisen darf, dass wir das vorher schon in Wien umgesetzt haben. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.) – Freut mich ja! Ich finde das ja gescheit. Das ist in der Politik sehr vernünftig, dass man sagt: Wenn etwas funktioniert, sollten wir es übernehmen und vielleicht auf eine noch größere Ebene bringen.

Ich kann nur sagen, wir haben in der Zeit mit dem Reparaturbonus in Wien 35 000 Pro­dukte wieder in die Kreislaufwirtschaft gebracht – 35 000 Produkte, vom Fernseher bis zu einem Paar Schuhe, was auch immer. Dadurch sind Ressourcen geschont worden, es ist auch der ökologische Fußabdruck verbessert worden, es sind Klein- und Mittel­betriebe unterstützt worden, das ist auch ein Impuls für den Arbeitsmarkt. Also von daher bin ich immer einer, der über Parteigrenzen, über Bundesländergrenzen hinweg sagt: Wenn etwas gut funktioniert, machen wir es, egal, wer die Idee gehabt hat oder wer das vorgeschlagen hat! Ich glaube, wir sollten sehen, Politik ist kein Selbstzweck, sondern wir sollten ja den Menschen dienen und gerade jetzt, in einer so krisenhaften Zeit, ge­meinsam Maßnahmen setzen.

Also das war nur ein kleiner Ausblick. Da ihr eine so umfassende Tagesordnung habt, wie ich gesehen habe (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), mache ich da jetzt einmal einen kurzen Break. (Bundesrat Steiner: Lang genug ...!) Ich würde mich freuen, wenn wir in der Diskussion vielleicht das eine oder andere vertiefend diskutieren können, bedanke mich noch einmal ganz herzlich, dass ich bei Ihnen, bei euch reden durfte, und freue mich, wenn wir in diesem Sinne entschlossen handeln und die Zukunft sichern. – Danke, Glück auf! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.51


Präsidentin Korinna Schumann: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann und Bürger­meister von Wien für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.


9.51.40

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin – wow, wie das klingt! Es ist eine große Freude – ich glaube, ich spreche da für fast alle Fraktionen –,


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dass es möglich war, dass du, liebe Korinna Schumann, heute hier bei uns bist und deine Eröffnungsrede halten konntest – ein schöner Tag. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Lieber Herr Bürgermeister, lieber Herr Landeshauptmann! Es ist immer eine Wohltat, wenn jemand in einer so hohen Position hier im Bundesrat spricht, der selbst Mitglied des Bundesrates war. Zu seiner Überraschung: Wir haben uns quasi in der Drehtür da­mals die Sessel übergeben. Michael Ludwig ist damals als Wohnbaustadtrat nach Wien gegangen, und ich bin für Wien in den Bundesrat eingezogen. (Bundesrat Steiner: Als Grüner! Heiterkeit bei der FPÖ.) – Ja, und? Hast du ein Problem? (Bundesrätin Zwazl: Das weiß er! Bundesrat Preineder: Ideologie ist in der Politik nicht wichtig!) Ich kenne meine Geschichte. Ich hoffe, du kennst deine Geschichte auch. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute werden seitens unserer Fraktion mit Daniela Gruber-Pruner und mir zwei Perso­nen reden, die in diese Stadt zugewandert sind: Daniela aus Vorarlberg und ich aus Tirol. Was uns als Zugewanderte und Integrierte verbindet, ist das, was man als Wienliebe bezeichnet, denn wenn man einmal in diese wunderschöne Stadt zugewandert ist, dann erwächst die Liebe zu dieser Stadt.

Was kann und was muss eine Stadt wie Wien leisten? – Erstens einmal: niemanden zurücklassen. Das hat der Bürgermeister heute gesagt. Dieses Niemanden-Zurücklas­sen umfasst ganz viele Bereiche; erstens den Bereich, dass sich alle Menschen, die sich in dieser Stadt aufhalten, sicher fühlen: durch ein soziales Netz abgesichert zu sein, aber auch integriert in diese Stadt zu gehören. Diese Stadt leistet aber auch für die Menschen, dass sie Arbeit finden, und nicht nur die Menschen, die in Wien wohnen, sondern auch jene, die jeden Tag aus Niederösterreich, aus dem Burgenland einpendeln oder die wö­chentlich von Osttirol nach Wien pendeln.

Was ist eines der wichtigsten Dinge? – Der Bürgermeister, Landeshauptmann hat das auch gesagt: Was wir in einer Stadt brauchen, ist, dass man sich das Wohnen leisten kann. Entscheidend ist auch, wie man wohnt und dass Wohnen und Lebensqualität ei­nen ganz engen Zusammenhang haben.

Worauf die Stadt enorm stolz ist, ist das Bildungsangebot, das bei den Kleinsten be­ginnt – vom Kindergarten mit der Elementarpädagogik über vielfältige Angebote – und bis zur größten Universität im deutschsprachigen Raum geht. Das sind Dinge, die ganz, ganz wichtig sind, aber es kommt noch dazu, dass in dieser Stadt pro Nacht Menschen in ungefähr 160 Sprachen träumen, wenn man Sprache und träumen zusammenbringt.

Da geht es auch darum, nicht auszugrenzen, es geht darum, diese Menschen zu in­tegrieren. Die Integrationsbemühungen sind ein ganz, ganz wichtiger Bestandteil, was die Wiener Stadtregierung und diese Stadt täglich unterstreichen, denn es geht um das Zusammenleben und Teilen und nicht um das Trennen, deshalb kann ich das nur wieder­holen: Was in Wien geleistet wird, ist vorbildlich. Irgendwann – jetzt ist der Oberagrarier ganz nach hinten marschiert – müssen wir mit unseren ÖVP-Agrariern einmal einen klei­nen Ausflug nach Simmering und nach Floridsdorf machen, damit die einmal sehen, wie Landwirtschaft in Wien ausschaut, denn ich glaube, Herr Preineder war etwas überrascht von deinen Ausführungen, nämlich darüber, wie hoch der Selbstversorgungsgrad der Stadt Wien ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Schreuder und Arlamovsky.)

Wien ist ja auch eine Ökomusterstadt ich sage zum Beispiel nur Solarberufsschule. Herr Habeck aus Deutschland war jetzt in Wien, und Frau Bundesministerin Gewessler wollte ein Projekt herzeigen. Was macht man da? – Da ruft man einmal in der Stadt Wien an und fragt: Können wir diese fantastische Wärmepumpe in Simmering herzeigen? Der Bürgermeister hat schon gesagt, dass Habeck wirklich überrascht war, was wir da ha­ben.


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Ich kann mich noch erinnern, als ich Vorsitzender der Union für das Mittelmeer war, habe ich die Abgeordneten rund um das Mittelmeer eingeladen. Eine der ganz großen Ener­giesünden rund um das Mittelmeer sind die Klimaanlagen, deshalb habe ich gesagt: Jetzt zeige ich euch, wie das Wien macht. Wir sind in die Spittelau gegangen, und ich habe gesagt, ihr könnt mit der Sonne heizen, ihr könnt genauso mit der Sonne kühlen: cooling mit Sonne und Wastemanagement, also Müllverbrennung. Denen sind fast die Augen herausgefallen, als sie das Werk in der Spittelau gesehen haben. Das zeigt ein­fach, wo Wien da steht.

Selbst wenn ein neuer Stadtteil wie zum Beispiel die Seestadt  errichtet wird, weil Wien wächst, dann gibt es natürlich sofort die Überlegung: Wie schaffen wir das zum Beispiel mit der Verkehrsanbindung? Bevor dort überhaupt gebaut wurde, ist schon die U-Bahn hingefahren. Das sind alles Überlegungen, die, gerade was den öffentlichen Verkehr betrifft, wichtig waren.

Ich komme zurück: Herr Bürgermeister, Herr Landeshauptmann, ich glaube, in ganz Ös­terreich wird Ihnen dafür Respekt gezollt, wie konsequent Sie in der Pandemie diese Stadt geführt haben, mit welchem Selbstverständnis kommuniziert worden ist und keine Risken eingegangen worden sind. Die Wiener und Wienerinnen und alle Menschen, die in Wien wohnen, haben sich ausgekannt und haben das mitgetragen, wenn der Bürger­meister gesagt hat: Nein, das ist noch zu früh! Heute Nacht hat ja der Gesundheits­stadtrat zur aktuellen Situation und einer gewissen Planlosigkeit gemeint: Eine Stadt mit zwei Millionen Einwohnern ist kein Versuchslabor.

Das heißt, da bedarf es klarer Worte. Wenn man nicht ständig herumhüpft und Lichter am Ende von Tunneln sieht, dann schaut das ein bisschen anders aus. (Bundesrat Spanring: Ich werde dann meine Sicht der Dinge auch noch sagen!) – Ja, ich weiß, ihr wärt in die Krise auf Teufel komm raus hineinmarschiert. (Bundesrat Spanring: Was ist mit Schweden?) – Ja, Schweden, Kollege Spanring, Sie werden sich ja noch ausführlich dazu äußern, wir werden da ja einiges zu hören bekommen. (Bundesrat Steiner: Rich­tig!) Ich sage nur so viel: Diese Geschichten sind Vergangenheit (Bundesrat Steiner: Na, na, na! Psychologische Schäden und ... !), und wir haben eine ganz klare Situation vor uns, die es zu bewältigen gibt. (Bundesrat Steiner: ... ist nicht okay!)

Eines muss man sagen: Wien ist immer kritisiert worden – ja, Kollege Steiner, es ist okay (Bundesrat Steiner: Ist nicht okay!) – für das hohe Bettenangebot in den Spitälern. Am Höhepunkt der Pandemie waren auch andere Bundesländer froh, dass Wien dieses Bet­tenangebot hatte. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Schreuder und Zwazl.)

Worüber Wien nicht froh war: dass wir zu diesem Zeitpunkt eine Bundesministerin hatten, die die Bundesgärten in Wien zugesperrt hat. In Wiener Neustadt waren sie offen, aber in Wien hat man als Schikane für die Bevölkerung, als Schikane gegen ältere Menschen, Mütter mit Kindern  die Gärten zugesperrt. (Beifall bei der SPÖ.)

Interessant ist aber auch, wie viel Stolz diese Wiener Stadtverwaltung den Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern gibt. Ich kann nur sagen, die MA 48 in Wien, die sich als Kehrforce bezeichnet, ja, zeigt Stolz, die MitarbeiterInnen sind stolz darauf, eine Stadt sauber zu halten, eine Stadt zu reinigen. Hier in Wien funktionieren die Daseinsvorsorge und der Alltag. Wenn irgendwo ein Müllkübel umgeschmissen wird, ist die Kehrforce innerhalb weniger Stunden dort und behebt dieses Problem. Reden Sie einmal mit de­nen, wie stolz sie auf ihren Job sind, da kann man nur sagen: großartig, weiter so! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Kittl und Schreuder.)

Frau Präsidentin, wir haben hier im Bundesrat öfters schon die Diskussion über die Lehrlinge gehabt (Bundesrätin Zwazl nickt)  die Frau Wirtschaftskammerpräsidentin nickt –, und ich freue mich, dass das ein ganz wichtiger Schwerpunkt wird, dass wir am 8. September eine Superkonferenz haben werden. Ich glaube, dass das etwas ganz,


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ganz Entscheidendes sein wird, denn es fehlen uns  wie der Herr Bürgermeister gesagt hat die Facharbeiterinnen und Facharbeiter. Wir können neue Berufe kreieren (Bun­desrat Preineder: Wir brauchen für die alten Berufe welche, nicht für die neuen!)  Öko­solarinstallateurin, -installateur. All das sind Zukunftsgeschichten, Berufe, die man einer­seits als Lehrberuf machen kann, andererseits wissenschaftlich begleiten kann. Das sind wichtige Dinge. Dieser Schwerpunkt ich glaube, das kann ich heute schon sagen  wird hier im Bundesrat sicher mit ganz großer Freude aufgenommen werden. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.02


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich erteile ihr dieses.


10.03.23

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, sehr geehrter Herr Bürgermeister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst möchte ich hier meine Zeit am Pult nutzen und unserer neuen Präsidentin ganz herzlich im Namen der gesam­ten Fraktion gratulieren. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit während Ihrer Präsidentschaft im nächsten Halbjahr. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ja, Wien ist zum wiederholten Male zur lebenswertesten Stadt ernannt worden. Als Wie­nerin kann ich sagen, das macht Sinn. Man sieht das in ganz vielen Teilen Wiens, bei den U-Bahnen, die weiter ausgebaut werden, bei der Sauberkeit in Wien, beim Wiener Wasser, bei den verschiedenen Freizeitmöglichkeiten und Events, die schon angespro­chen worden sind, von der Klassik bis zur Moderne, von der Oper, dem Theater bis zu den verschiedensten Konzerten. Wir haben eine große gastronomische Kultur und Tra­dition. In den Wiener Kaffeehäusern, beim Wiener Heurigen oder dem Wiener Würstel­stand kann man wirklich die gesamte Bandbreite an guten Dingen verkosten. Wir haben das Wienerlied, wir haben die unterschiedlichsten Bälle, die auch hier in der Hofburg stattfinden.

Etwas ist mir – wie Ihnen – ganz besonders wichtig, das ist die Wiener Stadtlandwirt­schaft, die regionale Versorgung und auch der Erholungsraum, der dadurch geschaffen wird.

Es gibt wirklich Tausende Facetten, die Wien so lebenswert und liebenswert machen, ganz nach dem Lied: „Wien, Wien, nur du allein, sollst stets die Stadt unserer Träume sein“. (Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Leider ist es aber auch so, dass vieles mittlerweile manchmal leider selbstverständlich erscheint.

Wie Sie auch schon gesagt haben: Wir haben eine sehr ausgeprägte Stadtlandwirtschaft mit rund 5 700 Hektar, die in Wien bewirtschaftet werden. Wir haben viele Gärtner, Win­zer und Bauern, die in Wien tätig sind. Viele gehen vielleicht gerne am Wochenende in Wiens Weingärten spazieren, trinken ein gutes Achterl Wiener Wein. Viele gehen in den Supermarkt und kaufen das Wiener Gemüse, wie die Wiener Minigurken, trinken das Wiener Bier oder essen die Wiener Semmel, um nur wenige Produkte zu nennen, die in Wien produziert werden.

Es sind alles Dinge, die zur regionalen Versorgung beitragen, die den Grünraum in der Stadt schaffen, die wie eine grüne Lunge für die Stadt funktionieren. Trotzdem wird den Betrieben leider manchmal das Leben unnötig schwer gemacht. So werden zum Beispiel gepachtete Bewirtschaftungsflächen manchmal umgewidmet und von einem Tag auf den anderen wird dort Wohnraum geplant. Das macht das Leben für die Betriebe natür­lich nicht unbedingt leichter, denn so wird ihnen die Existenzgrundlage genommen.


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Monsterbauten, Wohnbauten werden direkt neben Betriebe gestellt, wodurch das Wirt­schaften am Hof einfach extrem erschwert wird. Natürlich gibt es da einen gewissen Konkurrenzkampf zwischen Wohnraum und Landwirtschaft. Die Wohnungen werden dann zu irrsinnigen Preisen verkauft, die Einwohner denken sich: Super, ich wohne mit­ten im Grünen!, aber leider ist es dann halt auch so, dass dort, auch außerhalb der Bü­rozeiten gewirtschaftet wird, was dann immer wieder zu Problemen führt.

In Heurigenorten hat man sich dann dazu entschlossen, Schutzzonen zu schaffen, um einfach das Ortsbild zu wahren, um den ortsüblichen Charakter zu erhalten. Ich denke da an die Stammersdorfer Kellergasse, ich denke an Grinzing, ich denke an Neustift am Walde. Leider ist es dann auch so, dass seitens der Stadt Wien Schutzzonen manchmal einfach kurzfristig aufgehoben werden, um Bauten abzureißen, die mitten in der Schutz­zone stehen würden, um dort dann Wohnungen zu bauen – wieder im Luxussegment und leider auch wieder neben Heurigenbetrieben. Man kann sich schon vorstellen, was dann weiter passiert, und zwar: Lärmstörungsklagen werden an die Polizei gerichtet und die Heurigengäste können dann eventuell nicht mehr so gut im Gastgarten sitzen.

Die Fernwärme wurde auch schon angesprochen, sie hat in Wien quasi Monopolstellung hinsichtlich der Energieversorgung, es gibt ja die Anschlusspflicht, und funktioniert an sich ganz gut. Es trifft die Privaten genauso wie die Betriebe und genauso auch die Landwirtschaft. Wie wir schon gehört haben, sind die Preissteigerungen in der Energie­versorgung kein nationales Problem. Auch in der Landwirtschaft gibt es Preissteigerun­gen von bis 120 Prozent. Da sage ich ganz ehrlich: Die so oft angesprochenen Gärt­nerinnen und Gärtner in Simmering oder auch in der Donaustadt müssen sich schon überlegen, bis zu welchem Grad sie es sich leisten können, das Glashaus zu heizen, um zu produzieren. Wir sind auf der einen Seite so stolz auf unsere regionale Versorgung, aber auf der anderen Seite müssen wir uns dann auch überlegen, wie wir den Betrieben unter die Arme greifen können, um sie zu erhalten, denn sonst wird es sie einfach nicht mehr lange geben. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Mit unseren Wiener Gärtnerinnen und Gärtnern schaffen wir es im Gemüsebau, den Bedarf von regionalem Gemüse zu de­cken, bei den Gurken, wie schon angesprochen, beim Paprika, aber es muss den Betrie­ben eben möglich sein, zu produzieren.

Ich selber komme zum Beispiel aus einem Wiener Außenbezirk, und es wurde letztlich auch das wienweite Parkpickerl und die Parkraumbewirtschaftung eingeführt. So zahlt man jetzt täglich, also Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 22 Uhr in einer Kurzparkzone oder kann das Parkpickerl beantragen. Leidtragend sind leider auch da hauptsächlich die ansässigen Betriebe in den Außenbezirken. Ich habe mich ein bisschen umgehört, es gibt wirklich kaum Betriebe, die nicht von massiven Umsatzeinbrüchen berichten. In Zeiten wie diesen, wenn alles teurer wird, alles schwieriger wird, ist das natürlich beson­ders schlimm für die Betriebe.

Bei uns im Bezirk zum Beispiel haben wir es daher so gemacht, dass wir regelmäßig Anträge stellen, um den öffentlichen Verkehr, wie Sie es auch schon gesagt haben, aus­zubauen, um zu schauen, wie man mehr Leute über Querverbindungen in den Bezirk bringt. Ich zum Beispiel wohne in Neustift am Walde. Bei uns fahren zwei Busse, einer im Halbstundentakt, einer im 10-Minuten-Takt. In 20 Minuten bin ich bei der nächsten Anschlussstelle, in 40 bis 50 Minuten wäre ich dann zum Beispiel in der Stadt. Wenn ich jetzt in meine Nachbarbezirke will – in den 17. oder 18. Bezirk, genauso in den 20. oder 21. Bezirk –, fahre ich je nach Zieldestination oft länger als eine Stunde. Genauso lange fahre ich ans andere Ende von Wien. Da besteht einfach eine große Ausbaumöglichkeit.

Wir haben wirklich schon viele Anträge gestellt, von den Magistratsabteilungen kommt dann aber immer die Antwort, die Nachfrage wäre nicht da. Das ist halt, denke ich, das ewige Henne-Ei-Problem: Was muss zuerst da sein: die Nachfrage oder die Verbin­dung?


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Jetzt werden wienweit zum Beispiel die Radwege ausgebaut, was ich auch sehr positiv finde – Radfahren ist gesünder, man ist besser unterwegs –, ich verstehe aber einfach nicht, warum nicht auch beim öffentlichen Verkehr ein bisschen mehr Geld in die Hand genommen werden kann, sodass die Leute in den Außenbezirken wirklich das Auto ste­hen lassen könnten. Ich denke, das wäre sehr wichtig.

Das alles sind Themen, die Sie, Herr Landeshauptmann, Herr Bürgermeister, auch schon in Ihrer Rede angesprochen haben und die Ihnen, denke ich, auch durchaus be­wusst und auch schon bekannt sind. Das nächste Halbjahr steht ja unter dem Motto: „Entschlossen handeln. Zukunft sichern“. Ich denke, wenn ganz Wien wirklich so le­benswert bleiben soll, wie es derzeit ist, sollten die angesprochenen Themen – darum möchte ich Sie bitten – eventuell doch berücksichtigt werden. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

10.11


Präsidentin Korinna Schumann: Ich darf auf der Galerie die Zweite Landtagspräsiden­tin des Oberösterreichischen Landtages, Frau Sabine Binder, und den ehemaligen Kol­legen des Bundesrates Thomas Schererbauer ganz herzlich begrüßen. – Herzlich will­kommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses.


10.11.34

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Auch meinerseits herzlichen Glückwunsch zur Übernahme dieser wichtigen Funktion als Präsidentin unse­res Bundesrates. Liebe Damen und Herren Kollegen! Herr Bürgermeister und Landes­hauptmann! Auch ich bin, wie Kollegin Wolff, gebürtig und aufgewachsen in Wien, wo ich  schon ein bissel länger als Kollegin Wolff (Bundesrätin Zwazl: Sicher! Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP ständig wohne; ich kann auch verraten, es sind 65 Jah­re. (Bundesrat Preineder: Sicher! Das war aufgelegt!) Das ist kein Verdienst, aber ich erlaube mir aus dieser Kurzbiografie, die ich gegeben habe, meine Sicht der Dinge dar­zulegen.

Ich darf eines vielleicht hinzufügen: Ich bin 65 Jahre hier und liebe die Stadt mit all ihren Facetten. Ich bin heute in der Früh wieder einmal durch die Altstadt gegangen, da merkt man einfach  von den Füßen her , was für ein schöner Boden das ist.

Das ist aber kein Grund, die Dinge, die aus dem Ruder laufen und die schlecht sind, zu verschweigen, zu verharmlosen oder schönzureden, denn es heißt ja in der Geschäfts­ordnung des Bundesrates, dass der Landeshauptmann und Bürgermeister eine Erklä­rung abgibt, und im Deutschen gibt es eine große Unterscheidung zwischen Erklärung und Verklärung.

Das eine ist, den Leuten klarzumachen, worum es geht, und das andere ist, die Wahrheit zu entklaren, hinter einem Wust von schönen, politisch korrekten Reden und Formeln zu verbergen, wie auch in der Überschrift, unter die diese Vorsitzführung gestellt wird: „Ent­schlossen handeln. Zukunft sichern“. Ich werde mich ein bissel mit der Entschlossenheit in Ihrer Rede und der Entschlossenheit, für die Bürger etwas zu tun, auseinandersetzen.

Fangen wir einmal mit der Teuerung an! Ich habe jetzt genau aufgepasst, was Sie Entschlossenes dazu gesagt haben. Das Entschlossenste, was ich gehört habe, da wir ja mittlerweile bei 8,7 Prozent Teuerung im Juni angelangt sind (Zwischenruf bei der SPÖ), ist, dass es sinnvoll wäre, sich mit den anderen Akteuren anzuschauen, was da zu tun ist.

Also das war das Entschlossenste, was ich gehört habe. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Vielleicht habe ich irgendetwas noch Entschlosseneres überhört, aber ich glaube, da kann man schon ein bisschen entschlossener sein. (Beifall bei der FPÖ.) Vor


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allem, wenn man als Wiener Stadtoberhaupt eine einzigartige Machtfülle hat, die es in keinem anderen Bundesland gibt: Man ist nämlich gleichzeitig Gemeindevorsteher, Bür­germeister, und Landeshauptmann, das heißt, alle Kompetenzen, die nicht ausdrücklich dem Bund vorbehalten sind, liegen in der Hand des Bürgermeisters und Landeshaupt­mannes, in dem Fall bei Michael Ludwig. Also da kann man etwas tun.

Wenn man noch dazu in der größten Oppositionspartei, der SPÖ, ein Gewicht hat, wie wahrscheinlich die anderen sieben Länder zusammen nicht – wahrscheinlich (Bundesrat Schennach: Wahrscheinlich!), das ist eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht so falsch –, wenn man also dieses Gewicht hat (Zwischenruf des Bundesrates Himmer), dann hat man eine besondere Verpflichtung, mehr zu tun, als fünf Monate nach dem Beginn einer galoppierenden Inflation zu sagen, es wäre sinn­voll, sich anzuschauen, was man da tun kann.

Was man zum Beispiel tun könnte - - (Bundesrätin Hahn: Das ist eine andere Baustel­le!) Was meinen Sie, Kollegin? (Bundesrat Schennach: Andere Baustelle! Bundes­rätin Hahn: Das ist eine andere Baustelle!) Na, das ist genau die Baustelle, und ich werde mir aussuchen, welche Baustelle ich hier thematisiere. (Beifall bei der FPÖ.) Mit anderen Baustellen werden Sie keinen Themenwechsel erreichen, die Baustelle suche ich mir aus.

Was hat jetzt die Stadt Wien entschlossen gegen die Teuerung gemacht? Sie hat ein­mal, sobald es gesetzlich möglich war, die Mieten in den Gemeindebauten um das ge­setzlich mögliche Maximum erhöht. Sie hat zweitens in der Fernwärme Wien, einen Mo­nopolbetrieb, wie wir schon gehört haben, einen Betrieb, bei dem man sich teilweise anschließen muss, wenn die Möglichkeit besteht, egal ob Gewerbebetrieb oder Privater, die Energiepreise um mehr als 100 Prozent erhöht beziehungsweise solche Erhöhungen angekündigt. Dies bei einer Energieform, die angeblich nachhaltig ist, die grün ist, die Geothermie und alles Mögliche hat, und bei einer Gesellschaft, die natürlich langfristige Abnahme- beziehungsweise Bezugsverträge mit ihren Subenergielieferanten hat.

Die Wien Energie – sie ist kein Monopolist, aber sie versorgt uns zu einem großen Teil mit Gas und Strom  hat ihre Preise je nach Vertrag und nach Art des Beziehers um 100, 120, 70, 150 Prozent erhöht  interessant.

Die Wien Energie – wir haben es hier schon einmal besprochen – hat bereits im Jahr 2021 bei einem Umsatz von knapp 3 Milliarden Euro fast 1 Milliarde, nämlich 985 Millionen Euro Gewinn gemacht – im Jahr 2021, als noch keine Rede von diesen Preisexplosionen war. Solch ein Unternehmen, das zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Wien steht, erhöht jetzt die Preise um weitere 100 Prozent.

Wo ist die Offenlegung der Kalkulation, Herr Bürgermeister? Wenn man das tut, dann wäre es in einer Erklärung wie heute das Mindeste, zu sagen: Liebe Bürger, vor allem liebe Wiener Bürger, es tut mir leid, dass ich das nicht verhindert habe! Es tut mir leid, dass das in Wien passiert. Es tut mir leid, dass wir euch bis zum Gehtnichtmehr schröp­fen. Es tut mir leid, dass wir mit 1 Milliarde Gewinn in der Wien Energie nicht zufrieden sind, weil wir, was weiß ich alles, gegenfinanzieren müssen. Wo ist das? (Beifall bei der FPÖ.) Wir werden uns mit anderen Akteuren anschauen, was hier zu tun ist. Das kann es nicht sein!

Ihre Leute hier im Bundesrat also Ihre Leute sind es ja nur teilweise, die sozialdemo­kratischen Bundesräte sind ja nicht lauter Wiener (Zwischenbemerkung von Landes­hauptmann Ludwig – Zwischenruf des Bundesrates Schennach), aber es ist der Lö­wenanteil, der größte Teil der Bundesräte, die größte Fraktion bilden die sozialdemokra­tischen Wiener Bundesräte kritisieren zu Recht, dass die Maßnahmen, die gegen die Teuerung gesetzt werden, Einmalmaßnahmen sind, die gleich wieder verpuffen, irgend­welche Zahlungen, Gutscheine. Ja was hat Wien gemacht? Was haben Sie heute so


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gelobt?  200- und 300-Euro-Gutscheine für die Bedürftigen. Sie machen in Wien genau dasselbe, lassen aber hier durch Ihre Kollegen zu Recht das kritisieren, was die Regie­rung macht. Was ist denn das für eine Oppositionspolitik? (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist denn das für eine Vertretung der Leute, das Gleiche zu kritisieren, was man zu Hause macht, wo man die absolute Macht hat? Und die hat die Sozialdemokratie in Ös­terreich seit 1918, mit einer Unterbrechung, auch wenn es einmal die Sozialdemokrati­sche Arbeiterpartei Deutschösterreichs (Landeshauptmann Ludwig: ... dass Sie das an­sprechen, mit der Unterbrechung!) ja, mit der Unterbrechung, ja, ist ja so , wie Sie sich von 1918 bis 1934 genannt haben, war, dann waren es die Sozialisten, 1945, jetzt sind es die Sozialdemokraten. (Zwischenbemerkung von Landeshauptmann Ludwig.) – Na, das hat ja niemand behauptet, ich habe ja gesagt, mit einer Unterbrechung. Trotz­dem ist es im eigenen Verständnis einer Stadt, die seit dem Ende der Doppelmonarchie 1918 von den Sozialdemokraten, Sozialisten (Zwischenrufe bei der SPÖ), von den So­zialdemokratischen Arbeiterparteilern Deutschösterreichs oder wie immer sie geheißen haben, geführt wird, deswegen tragen Sie hier die Verantwortung.

Ich will aber jetzt nicht ewig bei der Teuerung bleiben, ich glaube, das spricht für sich. Da hätte ich eine Erklärung erwartet und keine Verklärung, indem man herumredet und sagt, man wird schauen, was man tut. (Beifall bei der FPÖ. Ruf bei der FPÖ: Kindes­weglegung!)

Verzeihen Sie diese klaren Worte, aber ich war jetzt persönlich etwas aufgebracht durch die Art, wie Sie hier den Bürgern Wien und die Wiener Politik erklärt haben.

Das Zweite, was Sie mit keinem Wort erwähnt haben, ist die Zuwanderungsproblematik in Wien. (Bundesrätin Grimling: No geh! – Bundesrat Schennach: No!) Ich werde das sehr wohl erwähnen. Dass es Ihnen unangenehm ist, verstehe ich, dass Sie das nicht wollen (Bundesrat Schennach: Was ist unangenehm?), dass Sie sagen, das ist eine andere Baustelle – ich wähle das aber. Es ist Ihnen offenbar unangenehm, weil es sofort heißt, na ja, und so. Das wird jetzt hier besprochen werden. (Beifall bei der FPÖ. Bun­desrat Steiner: Bravo, Johannes!)

Da gibt es kein grünes Lamperl, das das verhindert. (Bundesrat Schreuder: Das ist nicht grün, das ist rot! – Bundesrätin Grimling: Bei mir ist das rot! – Bundesrat Schennach: Rot! Haben Sie eine Farbschwäche?) – Ja, das ist jetzt kein rotes Lamperl. (Allgemeine Heiterkeit.) – Ich sehe immer Kollegen vor mir, und ich schaue immer grün. Ich weiß, er kommt nach mir, er kann dann auf alles replizieren. (Bundesrat Schreuder: Nein, nicht auf alles!) – Ja, wenn er will, kann er auch seine vorbereitete Rede halten. Das ist jetzt nicht mein Thema. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Übri­gens: auch zugewandert! – Bundesrätin Grimling: Machen wir es ernsthaft oder machen wir ein ...!?) – Ja, ja, ja, das ist genau die Zuwanderung, die wir meinen. (Bundesrat Schennach: Ach so!)

Wir haben in Wien in den letzten Jahrzehnten circa 40 Prozent aller Zuwanderer Öster­reichs aufgenommen, das schwankt, zwischen 39,7, 40, 41 Prozent aller Zuwanderer in Österreich lassen sich in Wien nieder. Wir machen alles, damit diese Zuwanderung mög­lichst groß ist. Wir aktivieren in Wien fast alle möglichen Pullfaktoren. Wir haben vor über 20 Jahren den sozialen Wohnbau für nicht österreichische Staatsbürger geöffnet, um die Inländer vom sozialen Wohnbau möglichst fernzuhalten (Bundesrätin Hahn: Die Polemik ist ...!), um es schwierig zu machen, einen solchen sozialen Wohnbau beziehen zu kön­nen, um es attraktiv zu machen, nach Wien einzuwandern und dort in den sozialen - - (Bundesrat Schennach: Aber geh! Geh bitte, das stimmt doch nicht! Das hat so einen Bart!) – Natürlich! Die Öffnung des sozialen Wohnbaus, meint Kollege Schennach, wäre ein Mittel, die Zuwanderung nicht attraktiv zu machen, oder wäre ein Mittel, das Erlangen einer Sozialwohnung für Inländer leichter zu machen. (Bundesrat Schennach: Die sitzen


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in Pakistan und lesen die Zeitung und lesen über den Gemeindebau!) – Kollege, die lesen das sehr wohl. Ich darf darauf hinweisen, dass es auch in Pakistan, im Südsudan oder im Senegal mittlerweile Mobiltelefone und Internet gibt – und das seit mehr als 20 Jahren. Die wissen ganz genau, was los ist. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Novak: Die Zeit ist vorbei! – Bundesrätin Grimling: Rot, es ist rot!)

Es ist ja kein Zufall, dass das 40 Prozent aller Zuwanderer in Österreich sind. Mittlerweile haben 50 Prozent der Wiener Bevölkerung Migrationshintergrund. In weiten Teilen des Schulbereichs gibt es Klassen – 10., 11., 5., 15. Bezirk –, in denen teilweise kein einzi­ges Kind mit deutscher Muttersprache sitzt. (Bundesrat Novak: Schlusssatz!) Dann wer­den Krokodilstränen über die Pisa-Studien vergossen, dass angeblich die Ergebnisse im Wiener Schulwesen so schlecht sind. (Bundesrat Schennach: Bitte den Schlusssatz!) – Das werden Sie mir vorschreiben, Kollege, wann ich den Schlusssatz mache. (Bundesrat Novak: Ja, 10 Minuten! 10 Minuten sind ausgemacht! 10 Minuten sind ausgemacht!) – Ja, ja, das haben Sie ausgemacht, aber nicht mit mir. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hahn: Das ist fehlende Wertschätzung gegenüber dem Präsi­dium! – Bundesrätin Grimling: Genau!) – Ich werde mir erlauben, alles, was ich hier für erforderlich erachte, anzusprechen.

Gehen wir weiter zu den Coronamaßnahmen! Da habe ich wenig gehört, außer dass Kollege Schennach bejubelt hat, wie konsequent Wien gewesen ist. Ja, insoweit ist Wien konsequent, als es die Maßnahmen, so sinnlos sie auch sind, bis zum Letzten aus­schöpft. Wien ist ja mittlerweile die einzige Großstadt in Europa, die darauf baut, Masken im öffentlichen Verkehr einzusetzen. (Bundesrätin Grimling: Gott sei Dank! – Bundesrat Schennach: So soll es sein! – Bundesrätin Grimling: Bei zwei Millionen Einwohnern!) Alle Staaten und Städte, die diese Maßnahmen gehabt und nicht gehabt haben, haben uns bewiesen, dass sie völlig sinnlos sind. (Bundesrätin Hahn: Sie übernehmen die Ver­antwortung sowieso nicht! – Bundesrätin Grimling: Ja, euch ist das ja wurscht, ob es den Leuten schlecht geht oder nicht! Corona gibt es ja nicht! Die Pandemie gibt es bei euch nicht!) Wir sehen heute, dass Städte, ob sie Masken haben, ob sie Abstand haben, ob sie Homeschooling haben, keinerlei Änderungen in der Verbreitung des Coronavirus aufweisen.

Wien ist keinesfalls dadurch eine Musterstadt Österreichs, dass wir in der U-Bahn Mas­ken tragen, dass wir in den ÖBB, wenn wir die Stadtgrenze überfahren, 5 Minuten Maske tragen. Glauben Sie, das hilft etwas? Darauf sind Sie stolz? (Bundesrat Schennach: Ja, damit Sie als 65-Jähriger geschützt sind!) Wien hat den maximalen Schaden für die Wirtschaft und die Bürger herbeigeführt, indem es die Maßnahmen selbst dann, wenn sie auf Bundesebene aufgehoben wurden, noch weiter aufrechterhalten hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt wird gesagt, das ist ein Problem und so weiter. Ja, Sie arbeiten ja weiter an der Vergrößerung dieses Problems. Das möchte ich sehen, dass Sie mir wissenschaftlich darstellen, welchen Unterschied es macht, Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragen. Ziehen Sie Städte heran, die das haben, und dann nehmen Sie Wien und andere Städte, aber nicht zwei Städte, sondern nehmen Sie 20 Städte heraus! Nehmen Sie Stockholm oder andere Städte, die die Maskenpflicht nie gehabt haben, und dann schau­en Sie sich die Coronazahlen bei uns und dort an!

Das, was Sie machen, wäre vor zwei Jahren noch verständlich gewesen, als man über den Coronavirus nichts gewusst hat, aber zweieinhalb Jahre nach Ausbruch dieser Pan­demie, wenn man alles weiß, wenn man bloß Zeitung lesen muss, wenn man bloß in anderen Städte schauen muss, sich damit zu rühmen, dass man die Leute maximal schi­kaniert, erachte ich nicht für eine Großtat, Herr Bürgermeister. (Beifall bei der FPÖ.)

Zuletzt: Man kann auch dieses Nichthandeln oder dieses Nichtstun oder dieses Falsch­tun wegreden, indem man politisch korrekte Kampfvokabeln verwendet, indem man


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davon redet, dass man das Klima rettet. (Bundesrat Schennach: „Kampfvokabeln“!) Wenn einem gar nichts mehr einfällt, dann macht man Klimaschutzmaßnahmen, dann rettet man das Klima, dann dekarbonisiert man und so weiter. (Bundesrätin Hahn: Beim Kampf haben Sie die Expertise, aber nicht wir!)

Oder dann macht man – ganz wichtig, ganz wichtig, Wiener! – Regenbogenzebrastrei­fen. Das ist etwas ganz Wichtiges, da haben die Bürger wirklich etwas davon. Ich weiß nicht, wie viel es gekostet hat, das hat man nirgends gesehen. Es ist nicht nur gesetzes­widrig, weil es in der StVO heißt, die müssen schwarz-weiß sein, sondern es ist auch völlig absurd. (Bundesrat Novak: Eure Sorgen möchte ich haben!) Da macht man Re­genbogenwochen! Der Kollege findet das sicher gut. Es soll ja sein. Wenn man keine anderen Sorgen hat, kann man Regenbogen machen. (Bundesrätin Hahn: Die Welt ist halt nicht nur blau! – Bundesrätin Grimling: Gott sei Dank ist sie nicht nur blau!) Dann wird man am Stadteingang mit „Lebe deine Liebe!“ begrüßt, wo sich zwei Männer und zwei Frauen küssen. Das ist ja alles schön, aber haben wir keine anderen Sorgen? Oder meinen Sie, dass die LBGT-Gemeinschaft in Österreich so eine verfolgte Minderheit ist, dass sie eine Woche eine eigene Kampagne für Regenbogenfarben und so weiter ma­chen muss? Ich meine das nicht, ich meine, das ist eine klassische Ablenkung von den Problemen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das wird nur noch durch die Errichtung eines Holzüberdenkmals über das Lueger-Denk­mal am Lueger-Platz getoppt. Das ist ja das Einzige, was die Regenbogenzebrastreifen noch toppt. (Bundesrätin Hahn: Warum ziehen Sie dann nicht weg? – Bundesrat Schen­nach: Er wohnt ja eh in Hietzing!) Jetzt auf einmal – Karl Lueger ist 110 Jahre tot! Ich glaube, gerade die Sozialdemokratie in Wien hätte allen Grund, Karl Lueger dankbar zu sein. (Bundesrätin Grimling: Warum bleiben Sie in Wien? – Bundesrätin Hahn: Zieh nach Ungarn, nach Budapest!) Alles das, was wir in Wien an öffentlichen Einrichtungen haben, die Wien Energie, die Stadtwerke, die Verkehrsbetriebe, geht auf Lueger zurück. Die großen Spitalstädte rundherum, egal ob Steinhof, jetzt heißt es, glaube ich, Otto-Wagner-Klinik, oder das Krankenhaus Lainz, jetzt Klinik Hietzing, und so weiter, alles das geht auf ihn zurück. Die Zweite Wiener Hochquellenwasserleitung, die Wasser­schlösser auf den Bergen, die uns unabhängig vom Pumpsystem machen, der Aufbau eines Sozialstaates, das alles ist von Ihren Vorgängern in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs sehr geschätzt worden.

Man hat genau gewusst, was er gesagt hat, aber damals hat man die Leute an den Taten gemessen. Da hat man geschaut, was Karl Lueger gemacht hat, was er für die Bürger gemacht hat, und nicht, was er im Jahr 1889 oder 1887 für einen Ausspruch gemacht hat, damit man sagt, er ist jetzt doch ein Antisemit und deswegen müssen wir ihn schief machen und ein Holzdenkmal darüber errichten. Das sind Ablenkungen, das sind die Dinge, die uns lähmen, für die Bürger sachgerecht zu diskutieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt muss ich noch ein Beispiel bringen, weil der Kollege hier sitzt. Das ist ja auch etwas, was Sie selbst in Ihrer politischen Arbeit lähmt. Kollege Schennach hat sicher viele an­dere politischen Ansichten als ich, und wir sind bei Weitem nicht mit ihm einverstanden und einer Meinung, Kollege Schennach ist aber einer, der sich mit den Dingen beschäf­tigt, der ein umfassendes Wissen hat und der 22 Jahre im Bundesrat und so lange in der Politik ist. (Bundesrätin Grimling: Jetzt wird es gefährlich, Stefan! Aufpassen!) Er hat in der letzten Sitzung im Juni sehr richtig, nachdem er sich damit beschäftigt hat, eine Pro­pagandabroschüre der Frau Europa- und Verfassungsministerin Edtstadler als das ent­larvt und dargestellt, was sie ist: ein Elaborat – anders kann ich das nicht sagen –, mit dem eine völlig unsinnige Zukunftskonferenz der EU bejubelt wird, kritiklos EU-Propa­ganda wiedergegeben wird. Und in dieser Broschüre ist 64-mal ihr eigenes Bild drinnen, mit wechselnder Kleidung, mit Hund und ohne Hund. Der Kollege hat das offengelegt und gesagt, das ist eine Vorstellungsunterlage (Bundesrat Schennach: Eine Bewer­bungsunterlage!), eine Bewerbungsunterlage, sehr richtig.


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Und was macht Frau Ministerin Edtstadler? – Statt zu sagen, das ist mir schon ein biss­chen peinlich, es tut mir leid, dass wir Steuergeld für so etwas verbrauchen, steht sie hier auf und sagt: Das ist antifeministisch, das ist diskriminierend (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Stimmt auch! Stimmt auch!), denn Sie spielen auf meine Kleidung an. Ich spiele ja auch nicht auf die Krawatten der Männer an! – Was passiert daraufhin in Ihrer eigenen Fraktion? (Bundesrätin Zwazl: Was hat das jetzt mit Wien zu tun?) Angst – und der Kollege muss hier herauskommen und muss sich bei der Frau Minister für diese Kühnheit, die sie hat, statt sich zu rechtfertigen und zu entschuldigen, sofort mit dem Totschlagargument diskriminierend zu kommen, für seine richtige und korrekte Analyse und für seine Kritik entschuldigen, weil ihm die eigenen Leute nicht den Rücken freihal­ten. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Das ist seine Entscheidung gewesen!)


Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesrat Hübner, ich darf Sie darauf hinwei­sen, dass Sie Ihre Redezeit um 8 Minuten überschritten haben.


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Mit diesem Hinweis endet auch meine Rede. Ich glaube, ich habe die wichtigsten Dinge angebracht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.29


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreu­der. Ich erteile ihm dieses.


10.30.14

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Natürlich auch von un­serer Fraktion alles, alles Gute für Ihre Vorsitzführung! Als Wiener kann ich Wien natür­lich nur alles Gute für dieses halbe Jahr wünschen. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Wie Kollege Schennach bei der Rede des Herrn Kollegen Hübner richtigerweise festge­stellt hat: Ich bin so ein Zuwanderer, der nach Wien gekommen ist (Bundesrat Schen­nach: Ja, sicher!), eigentlich zuerst nach Österreich, nach Bad Ischl, und dann nach Wien, weil Wien eine Stadt ist, die so viel verspricht, weil Wien eine Stadt ist, die so viele Möglichkeiten schafft und auch so viel Schutz bietet. Ich möchte das schon auch in Richtung Kollegen Hübner sagen: Derzeit suchen ganz viele ukrainische Frauen und Kinder Schutz in dieser Stadt. Sie finden Schutz in dieser Stadt, und ich bin stolz darauf, dass sie Schutz in dieser Stadt finden. Das ist kein Grund, sich irgendwie zu schämen. Das ist das Wiener Herz, und ich finde es gut, dass es dieses gibt. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich habe Sie gar nicht begrüßt, Herr Landeshauptmann: Herzlich willkommen im Bun­desrat! Eines wollte ich noch zu Kollegin Präsidentin Schumann sagen, weil sie zum Beispiel die Büchereien Wien erwähnt hat, wie wichtig diese sind und dass sie Mitglied der Büchereien Wien ist. Ich bin auch Mitglied der Büchereien Wien. Meine Mitglieds­karte ist mir ein besonders wichtiges Anliegen, ich kann eine solche nur jedem emp­fehlen. Um 31 Euro im Jahr kann man sogar digital alle Zeitungen lesen, man kann Bü­cher lesen. Das ist so eine tolle Einrichtung! Das gibt es übrigens auch in fast allen Lan­desbüchereien, das möchte ich auch dazu sagen, ich fand es aber wichtig, hier Werbung für die Büchereien zu machen.

Ich habe gesagt, Wien ist eine Stadt voller Versprechen. Wien ist die einzige Millio­nenstadt Österreichs, Wien ist ein Ort, an dem viele Menschen sein wollen, wohin sehr viele ziehen, sie ist ein Zufluchtsort für viele Menschen. Es ist zum Beispiel auch, Herr Kollege Hübner, ein Ort, wo auch sehr viele junge Menschen aus den Bundesländern hinziehen, zum Beispiel weil sie hier Communities vorfinden, die Vernetzung bieten, die Möglichkeiten bieten, dass sie sich nicht alleine fühlen, die die Möglichkeit bieten, dass man sich hier wohlfühlt.


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Das gilt auch für die LGBTIQ-Community. Die LGBTIQ-Community hat auch Sorgen we­gen der Teuerung, hat auch Sorgen wegen des Krieges, hat auch Sorgen wegen des Klimaschutzes, aber sie will trotzdem das Gefühl haben, geschützt zu sein. Deswegen kann ich nur sagen, auch wenn es ein kleines Symbol ist: Ja, wir haben andere Sorgen, aber auch die dürfen gehört werden und auch diesen Menschen darf man sagen: Ja, die Stadt ist an eurer Seite. Ja, dieses Land ist auch an eurer Seite. (Beifall bei Grünen und SPÖ, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Natürlich möchte ich auch über ein Wien reden, das es sein kann. Ich bin sehr froh: Herr Landeshauptmann, Sie haben auch den Klimaschutz ganz stark in den Vordergrund Ihrer Rede gerückt. Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass wir auch als grüne Fraktion hier unser Hauptaugenmerk besonders darauf legen und dem eine besondere Bedeutung beimessen. Die zunehmende Hitze ist vor allem in der Stadt besonders spür­bar. Ich glaube, die vielen Hitzewellen – gerade die, die wir jetzt in diesem Sommer schon erleben mussten – sind ein Zeichen dafür, wie wichtig dieses Thema ist.

Wir stehen jetzt vor dem Sommer. Wenn man früher gesagt hat, der Sommer steht vor der Tür, war das ein Versprechen. Das war ein schönes Versprechen, Sommer war ein Glücksgefühl, Sommer war ein Gefühl, bei dem man sich auf Freizeit freut, auf Bade­spaß, auf Erholung. Für viele Leute ist Sommer jetzt aber auch ein Schreckgespenst geworden: die Angst vor Hitze, die Angst vor großer Hitze und die Angst wegen des Klimawandels. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Herr Kollege Hübner, es gibt nicht nur Erklärung, ist gibt nicht nur Verklärung, es gibt auch Aufklärung. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Hübner.) Wenn Sie die wissenschaftliche Basis, wenn Sie die Wissenschaft an­hören, was den Klimaschutz betrifft, dann wissen Sie: Es ist eine menschengemachte Sache, und dagegen kann man nur vorgehen, indem wir entschlossen für die Zukunft handeln. So gesehen ist es ein völlig richtiges Zitat. (Bundesrat Steiner: Hört mir auf mit eurer Wissenschaft!) – Es ist nicht unsere Wissenschaft, Herr Kollege Steiner, das sind 99,9 Prozent der WissenschaftlerInnen. Dass Sie dann 0,1 Prozent der Wissenschaftler zuhören wollen (Bundesrat Steiner – erheitert –: Wie bei Corona! Wie bei Corona! Su­per!) – wie bei Corona, ganz genau, Herr Kollege Steiner –, ist dann wirklich Ihr Problem, aber nicht unseres. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Hat sich ja bewahrheitet! Hat sich ja bewahrheitet!)

Es gibt eine junge Generation in Wien, die sich große Sorgen macht. Wir wissen auch, dass es hier aufgrund einer Straße, die in Wien gebaut werden sollte, zu einem Konflikt gekommen ist und diese junge Generation das Gefühl hat, dass Wien dabei drüberfährt, dass in Fragen der Mobilität der Autoverkehr nach wie vor ins Zentrum gerückt wird und moderne Mobilität zu wenig gesehen wird. (Bundesrat Schennach: Aber jetzt nicht Kin­desweglegung machen!) Wir sind stolz darauf, was in Wien erreicht worden ist, vor allem auch zwischen 2010 und 2020. (Bundesrat Schennach: Ihr habt ja mitgestimmt damals! Ihr habt mitgestimmt!) – Wir haben aber auch mitgestimmt, dass es dann eine Evaluie­rung und eine Umweltprüfung gibt und auf neue Arten der Mobilität und nicht nur auf Autoverkehr Wert gelegt werden muss, Herr Kollege Schennach. (Bundesrat Schen­nach: Deshalb ist ja die U-Bahn schon dort!) Das ist eine ganz, ganz wichtige Sache. Ich halte es für ganz wichtig, dass Wien diesen jungen Leuten, die Angst um ihre Zukunft haben, die Angst davor haben, dass ihre Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes dahin­schmilzt, die das Gefühl haben, dass wir jetzt ihre Zukunft verspielen, etwas signalisiert und als Stadt auch auf diese Jugend zugeht und auch neue Mittel und neue Mobilitäten in den Vordergrund rückt.

Wien ist zu Recht die Stadt, die von – das muss man dazusagen – Managern und Ma­nagerinnen als die Stadt mit der höchsten Lebensqualität gesehen wird. Dass wir das verteidigen, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern auch ein Auftrag. Lebensqualität


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bedeutet immer auch, die Lebensqualität von morgen zu sichern, und der Klimaschutz wird dabei sicherlich ein ganz wesentliches Mittel sein und eine ganz wichtige Frage sein, so wie auch – und das finde ich auch richtig und wichtig – die Sozialpartnerschaft. Sie wurde in den Reden der Bundespräsidentin (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl und des Redners) – Bundespräsidentin, sage ich schon –, der Bundesratspräsidentin als auch des Herrn Landeshauptmannes in den Vordergrund gerückt. (Bundesrat Schen­nach: Sie wäre auch eine gute Bundespräsidentin! Da hast du recht!)

Ich bin ja auch in der Wirtschaftskammer als Stellvertretender Obmann einer kleinen Fachgruppe – na ja, so klein ist sie auch wieder nicht, es sind 12 000 Unternehmerinnen und Unternehmer Wiens, die wir vertreten – tätig. Es ist ja auch interessant, dass nur wir in Wien einen Kollektivvertrag in der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation ha­ben, während die anderen Bundesländer das noch nicht haben. Das ist auch ein gutes Zeichen dafür, wie wichtig das soziale Miteinander und die Sozialpartnerschaft sind. Das halte ich für eine ganz wichtige Sache.

Umso mehr würde ich es auch begrüßen, wenn zum Beispiel in Ausschreibungen der Stadt Wien auch soziale Fragen ganz stark in den Mittelpunkt gestellt würden. Wenn ich nur ein kleines Beispiel nennen darf, bei dem ich mir ein bisschen mehr Engagement gewünscht hätte: Es gab und gibt Schafe auf der Donauinsel. Das ist eine gute Sache, denn die pflegen dort den Rasen und die Grasflächen. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Es gab ein sehr schönes Projekt mit dem WUK auf der Donauinsel, wo Langzeitarbeitslose die Möglichkeit hatten, mit Schafen das dort zu pflegen. Dann muss­te das neu ausgeschrieben werden, es wurden aber keine sozialen Komponenten hinein­geschrieben. Es gab dann einen anderen Billigstbieter – sicher ein ehrenwertes Unter­nehmen, ich möchte das auch sagen –, aber da hätte man in der Ausschreibung gerade auch solche Sachen hineinschreiben können, dann hätten wir nach wie vor ein Projekt für Arbeitslose auf der Donauinsel mit Schafen. Das hätte ich begrüßt.

Das Lamperl leuchtet schon – ich habe eigentlich noch sehr viele Punkte, die ich nennen wollte. (Bundesrat Schennach: Staccato!) Die Digitalisierung haben Sie schon genannt, da waren wir ja auch gemeinsam sehr lange für die Stadt sehr aktiv. Wir haben ja auch eine gemeinsame Geschichte: Wir waren fünf Jahre lang gemeinsam im Kulturaus­schuss des Wiener Gemeinderates. Kulturpolitisch hätte ich hier noch sehr viel zu sagen. Die Wiener Kultur ist einfach großartig! Das muss man einfach einmal sagen. Hier spie­len Bund und Länder auch wunderbar zusammen. Ich finde, wie das Kulturleben in Wien funktioniert, ist ein ganz wichtiges Zeichen dafür, dass Bund und Land ganz toll mitein­ander arbeiten können.

Die Kulturpolitik wird nämlich in den letzten Jahren, finde ich, manchmal nicht mehr ganz so beachtet, wie sie vielleicht Beachtung verdient hätte. Die Kultur hat aber auch Kraft für die Stadt, um sich mit den aktuellen Ereignissen, mit gesellschaftlichen Brüchen, die derzeit stattfinden, auseinanderzusetzen. Sie schafft Reflexionsräume und lädt gleich­zeitig natürlich aber auch Menschen ein, in diese schöne Stadt zu kommen, um hier die Kultur zu genießen.

Mozart kam als Salzburger nach Wien und hat hier auch seinen Platz gefunden. Mahler kam hierher, und hätte es keine Sommerfrische im Salzkammergut gegeben, hätte er die 1. Symphonie nicht so komponiert, wie er sie komponiert hat. Trotzdem war Wien der Ort, wo er sich entfalten konnte.

Heute sind es auch syrische Rapper oder türkische Migranten, die hier eine Kultur feiern und diese Stadt kulturell bereichern, und manchmal ist es möglicherweise auch ein in Holland geborener Bundesrat – ich weiß es nicht, aber das macht Wien einfach aus. Wien ist eine Stadt der Vielfalt. Ich feiere sie, ich freue mich und ich bin auch stolz darauf, ein halbes Jahr sozusagen als Wiener Bundesrat hier teilhaben zu dürfen. Ich wünsche


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Ihnen, Österreich und Wien alles Gute für diese schwierige Zeit. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

10.41


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank. Ich darf an die freiwillige Redezeitbe­schränkung erinnern.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.41.36

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bürgermeister und Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass ich in viereinhalb Jahren – ich rede ja zu jeder Landeshauptmannre­de – heute hier einmal tatsächlich auch zu meinem Heimatbundesland reden kann. Es ist sozusagen ein Heimspiel. NEOS ist bekanntlich Bestandteil der Wiener Fortschritts­koalition. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Ich möchte die Punkte heraushe­ben, woran man merkt, dass es gut ist, dass NEOS in einer Regierung ist.

Ich fange mit einem Punkt an, den auch schon die Frau Präsidentin angesprochen hat, nämlich jenem der Kindergärten. Wir in Wien geben heuer 1 Milliarde Euro für die Kin­dergärten aus. Das ist bereits rund 1 Prozent des BIP. Wir verdoppeln die Stunden der Assistenzkräfte in den Wiener Kindergartengruppen. Das heißt, dass ab kommendem Herbst alle Kindergartengruppen nicht mehr 20 Stunden eine Assistenzkraft haben, son­dern 40 Stunden. (Bundesrätin Hahn: Das schafft Niederösterreich nicht!)

Dazu kommen weitere Erfolge beziehungsweise Vorhaben wie die Ausbildungsinitiative, die Ausbildungsgeld für Kindergarten- und Assistenzpädagoginnen und -pädagogen bringt, es wird eine neue Ausbildungseinrichtung für Elementarpädagoginnen und ‑päda­gogen, die Bafep 21, gebaut, die Sprachförderkräfte in den Kindergärten werden von 200 auf 500 aufgestockt und schließlich gibt es eine Digitalisierungsoffensive in den Wie­ner Kindergärten. Wenn ich jetzt immer wir sage, dann heißt das wir als Fortschrittskoa­lition in Wien. (Beifall bei der SPÖ.)

Der zweite wichtige Punkt ist das Wiener Bildungsversprechen. Die Fortschrittskoalition hat es sich zum Ziel gesetzt, das Wiener Bildungssystem so weiterzuentwickeln, dass unseren Kindern alle Zukunftschancen offenstehen. Vor mehr als zehn Jahren – das wurde bereits angesprochen – wurde in Wien der Gratiskindergarten eingeführt. Diesen Herbst wurde an 70 Standorten die Gratisganztagsschule eingeführt. Pro Jahr kommen nun bis zu zehn weitere Standorte hinzu. Mit dem Programm Wiener Bildungsverspre­chen werden Großstadtschulen mit besonderen Herausforderungen zu Startrampen für ein gelungenes Leben. Die Zahl der Schulpsychologinnen und ‑psychologen wird massiv aufgestockt und an jeder Wiener Pflichtschule wird eine zusätzliche Verwaltungskraft für Unterstützung sorgen.

Das Wiener Bildungssystem soll junge Menschen auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit, in die Selbstverantwortung für ihr Leben und in die Mitverantwortung für unsere Gesell­schaft begleiten und stärken. Damit das gelingen kann, braucht es transparente und faire Rahmenbedingungen, die in unserem althergebrachten Bildungswesen so nicht vorhan­den sind. Es gibt ein neues, transparentes Zuteilungsverfahren für Lehrerinnen- und Lehrerdienstposten an den Wiener Pflichtschulen. Es gibt Unterstützung für zugewan­derte Eltern am Weg durch das österreichische Schulsystem, das ist der Fördercall El­ternarbeit.

Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine erhalten kostenlose Unterstützung zur Ab­solvierung des Pflichtschulabschlusses, und es gibt – es war diese Woche in den Me­dien – in Zusammenarbeit mit einer Bank ein ukrainisches Bildungszentrum für ukraini­sche Maturantinnen und Maturanten.


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Der nächste Punkt ist die Wirtschaft. Punkt eins: Gebrauchsabgaben beziehungsweise Teile der Gebrauchsabgaben, wie die sogenannte Luftsteuer und diverse andere Baga­tellabgaben wie Abgaben für Windfang, Zierverputz und Stufenanlagen, waren aus Sicht der NEOS nie notwendig. In Zeiten der Pandemie sowie der drastisch gestiegenen Ener­giepreise setzt nun die Fortschrittskoalition mit der Abschaffung dieser Abgaben die richtigen Maßnahmen, um Wiens Unternehmerinnen und Unternehmer zu entlasten. Wir motivieren zudem mit zielgerichteten Förderungen den Weg zur Selbstständigkeit und schaffen bürokratische Hürden ab.

Um den Leerstand von Geschäftslokalen zu reduzieren und damit neuen Schwung in die Grätzel zu bringen, rief die Stadt bereits im Vorjahr die Initiative Geschäftsbelebung Jetzt! ins Leben. Mit der Förderschiene, die durch die Wirtschaftsagentur Wien abgewi­ckelt wird, wird gezielt die Wiederbelebung leer stehender Geschäftslokale unterstützt. Die maximale Fördersumme beträgt pro Projekt 25 000 Euro. Das ermöglicht den Unter­nehmerinnen und Unternehmern beispielsweise den Einbau einer Heizung oder die Er­neuerung des Fußbodens. Zusätzlich setzen wir dabei auf Entbürokratisierung durch Digitalisierung.

Punkt zwei in der Wirtschaft sind die Wiener Märkte. Wien ist eine Stadt, die Genuss lebt, daher beleben wir Wiens Märkte. Wir wollen mehr Freiheiten für die Gastrobetriebe auf den Märkten und auch mehr Konkurrenzfähigkeit. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, dass die Sonntagsöffnung für Gastronomiebetriebe auf den Wiener Märkten umgesetzt wurde. Es werden die Marktstände am Wiener Christkindlmarkt nunmehr transparent ausgeschrieben, und schließlich werden neue Märkte – einer in der Alszeile und der Matzner-Markt – eröffnet.

Punkt drei bei der Wirtschaft ist die Lehrlingsoffensive, die auch schon angesprochen wurde. Die Coronapandemie hat schwerwiegende Auswirkungen auf junge Menschen bei der Lehrstellensuche und am Arbeitsmarkt. Die Wiener Stadtregierung reagiert daher auf diese Herausforderungen mit einer großen Lehrlingsoffensive, womit ein großes Anliegen von NEOS umgesetzt wird. Unter anderem werden zusätzliche kostenlose Lernangebote beziehungsweise Nachlernangebote für Lehrlinge geschaffen.

Der bereits angesprochene Waff schafft gemeinsam mit dem AMS Wien eine maßge­schneiderte Lehrstellenbörse für Wiener Lehrstellensuchende und Lehrausbildungsbe­triebe. Ebenso werden vom Waff Lehrausbildungsbetriebe, die von der Krise negativ betroffen sind, zusätzlich gefördert, wobei eine besondere Förderung für Gastro- und Hotelleriebetriebe hinzukommt.

Der nächste große Punkt ist die Klimapolitik. Wir verpflichten uns zur Klimaneutralität bis 2040. Da es höchste Zeit ist, den Stillstand bei Klimareformen und die Politik der leeren Ankündigungen zu beenden, bekennen wir NEOS uns zu den Zielen des Pariser Kli­maabkommens. Für uns steht es außer Frage, dass wir bis 2040 ein klimaneutrales Wien brauchen und sehen dies als Chance, unsere Stadt dabei nicht nur für alle Bürgerinnen und Bürger lebenswerter zu machen, sondern auch wettbewerbsfähiger und freier. Es wurde ein Klimafahrplan vereinbart, es wurde ein Klimabudget verhandelt und es werden die Energieraumpläne festgesetzt.

Energiepolitik und Klimapolitik sind zwei Seiten derselben Medaille. Im Regierungspro­gramm wurde die Klimaneutralität 2040 in Wien erstmals konkret verankert, und be­schlossen, aus Erdgas auszusteigen – das war schon lange vor dem Krieg, den Russ­land in der Ukraine führt. Das bedeutet den kompletten Ausstieg aus fossilen Energieträ­gern bis 2040 in allen Sektoren. Dazu muss an vielen Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden. In der Mobilität werden Erdölprodukte durch Strom ersetzt. Für Raumwärme und Warmwasser wird Erdgas durch Fernwärme, Geothermie und Strom via Wärme­pumpen substituiert. Diese sehr herausfordernde Transformation kann aber nur gelin­gen, wenn wir Energie insgesamt deutlich effizienter einsetzen. Wie das alles konkret


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umgesetzt wird, wurde im Wiener Klimafahrplan, dem Weg Wiens zur klimagerechten Stadt und der Smart City Rahmenstrategie skizziert und im Gemeinderat beschlossen.

Der nächste große Punkt ist Transparenz. Wir durchlüften das Wiener Rathaus mit neuen und fairen Transparenzregeln und leben vor, dass Regieren auch transparent und sauber geht. Es wurde Medientransparenz hergestellt, es wurde eine Whistleblowerplatt­form eingerichtet, es wurde ein Regierungsmonitor geschaffen, es wurden keine Side­letter verfasst, es wurde eine Bereichsleitung für Informationsfreiheit und Antikorruption eingerichtet, es wurde die Parteiförderung nicht erhöht und es wurde, woran auch ich mitgewirkt habe, eine Reform der Untersuchungskommission des Gemeinderates und der Untersuchungsausschüsse des Landtages beschlossen.

Wir sind davon überzeugt, dass es für saubere Politik vor allem eines braucht, nämlich maximale Transparenz. Diesen Anspruch haben wir für andere Parteien und staatsnahe Betriebe und auch für uns selbst. Noch immer sind wir NEOS die einzige Partei, für die 365 Tage im Jahr völlige Transparenz im Umgang mit öffentlichen Mitteln eine Selbstver­ständlichkeit ist.

Ein wichtiger Punkt ist nicht zuletzt das Petitionsrecht Neu. Wienerinnen und Wiener engagieren sich immer mehr in Sachen Stadtpolitik. Um dem gerecht zu werden, enthält das Petitionsrecht Neu zeitgemäße und niederschwellige Erneuerungen. So können Pe­titionen zukünftig auch online initiiert und unterschrieben werden. Jeder Petitionsantrag bekommt einen eigenen QR-Code, der an Interessierte weitergeleitet und mit Handy­signatur unterschrieben werden kann. Dadurch kann die genaue Zahl an elektronischen Unterstützungen bekannt gegeben werden, wobei die Mindestunterstützungszahl von 500 für eine Behandlung einer Petition unverändert bleibt.

Das Petitionsrecht Neu ist zudem auf den transparenten Säulen der Fortschrittskoalition aufgebaut und ermöglicht es allen Bürgerinnen und Bürgern, den Petitionsausschuss entweder live vor Ort oder auf Abruf in der Mediathek mitzuverfolgen.

Die Wiener Stadtregierung und die Wiener Fortschrittskoalition stehen in der Auslage. Wir sind unter kritischer Beobachtung, der wir uns gerne stellen. Die Erfolge können sich nämlich sehen lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)

10.50


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.51.12

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Landeshauptmann, lieber Herr Bürgermeister! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und auf der Galerie! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich reihe mich in eine mittlerweile lange Reihe von WienliebhaberInnen ein und mache das sehr gerne.

Als Wiener Bundesrätin freue ich mich besonders darüber, dass erstens Sie, Herr Bür­germeister und Landeshauptmann, den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz über­nommen haben und zweitens du (in Richtung Bundesrätin Schumann), liebe Korinna, die Bundesratspräsidentin für das nächste halbe Jahr sein wirst. Ich wünsche euch bei­den, Ihnen beiden alles Gute für diese Aufgabe.

Ich finde das Motto, das für die Landeshauptleutekonferenz gewählt wurde – „Entschlos­sen handeln. Zukunft sichern“ – sehr klug gewählt, denn wir befinden uns tatsächlich in sehr herausfordernden Zeiten, und entschlossenes Handeln ist mehr denn je gefragt.


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Herr Landeshauptmann, Sie haben in der letzten Zeit durchaus bewiesen, dass Sie, wenn notwendig, auch unpopuläre Maßnahmen sehr entschlossen setzen und auch durchziehen – immer zum Wohle der Allgemeinheit und auch oft zum Schutz von älteren MitbürgerInnen, Kollege Hübner.

Es braucht jetzt nicht nur entschlossenes Handeln, sondern als Metropole immer auch Orientierung und Innovation. Da sind wir in Wien auch sehr stolz auf unsere sozusagen rote Geschichte.

Innovation zeichnet viele Jahre in der Geschichte Wiens aus. Ich denke an die große Schulreform von Otto Glöckel, der wir auch jetzt noch sozusagen nacheifern, oder den Bau der Donauinsel vor 50 Jahren. Ich komme noch später darauf zu sprechen, dass wir auch jetzt Innovationen setzen.

Auch das Motto für unsere Präsidentschaft hier im Bundesrat, nämlich: Verlässliche öffentliche Strukturen als Basis des gesellschaftlichen Zusammenhalts, trifft eigentlich den Kern der Wiener Stadtpolitik, denn es geht in Wien immer darum, die Stadt so zu entwickeln, dass allen, die hier leben, also den Wienerinnen und Wienern, ein gutes Leben ermöglicht und eine Heimat geboten wird. Wir unterscheiden dabei zum Glück nicht zwischen denen, die hier geboren sind, und jenen, die gekommen sind – das würde ja auch mich treffen (Heiterkeit der BundesrätInnen Schreuder und Zwazl) –, sondern die, die hier sind, sind Wienerinnen und Wiener. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, es wurde schon verraten: Ich bin eine von diesen vielen Zuagrasten, wie man in Wien sagen würde, gehöre zu diesen Zugezogenen. Ich habe mich während des Studiums nicht nur in Wien verliebt, sondern auch in meinen Mann. Wir haben uns – ich als Vor­arlbergerin und er als Burgenländer, zwei Zuagraste – nicht ganz in der Mitte, aber auf neutralem Boden für Wien entschieden. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Eder-Gitschthaler, Schreuder und Zwazl.) Wir haben mittlerweile zwei echte Wiener als Kinder.

Ich liebe Wien für diese Buntheit, und durch die vielen Menschen, die sich entschieden haben, in Wien, in dieser bunten Stadt, zu bleiben und sie zu ihrer Heimat zu wählen, wächst Wien permanent. Gerade unsere (in Richtung Landeshauptmann Ludwig) bei­den Heimatbezirke, Floridsdorf und Donaustadt, sind von diesem Wachstum sehr ge­prägt – mit all den Herausforderungen, die sich an jeder Ecke zeigen.

Als Kinder- und Jugendsprecherin und auch als Bildungssprecherin der sozialdemokrati­schen Fraktion hier im Bundesrat möchte ich aber an ein paar Beispielen verdeutlichen, wo auch heute Innovation vorangetrieben und damit auch Lebensqualität in dieser Stadt gerade für junge Menschen weiterentwickelt wird, und wenn ich von jungen Menschen spreche, so meine ich damit rund 280 000 unter 14-Jährige, also Kinder und Teenager, die in Wien leben.

Es ist schon mehrfach – auch von meinem Vorredner Arlamovsky – angesprochen wor­den, dass wir in Wien sehr großen Wert auf diese Bildung von klein auf legen und den Wert dieser frühen Bildung erkannt haben. Das zeigt sich nicht nur in dem unter dem damaligen Bildungsstadtrat Oxonitsch eingeführten beitragsfreien Kindergarten, auf den wir zu Recht sehr stolz sind, sondern es zeigt sich auch darin, dass unsere Einrichtungen fast ausschließlich ganzjährig geöffnet sind – mit ungefähr einer Schließwoche pro Jahr – und zu 94 Prozent auch ganztägig – Familien in anderen Bundesländern schielen da sehr neidisch nach Wien –, das macht eine Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie möglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Das macht es aber nicht nur möglich, Beruf und Familie zu vereinbaren, sondern es gibt den PädagogInnen auch wirklich viel Zeit, gemeinsam mit den Kindern zu lernen, zu spielen, die Zeit zu verbringen und sie dementsprechend zu fördern. Wir reden da von


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ungefähr 100 000 Kindern, die einen Kindergarten oder einen Hort in der Stadt Wien besuchen.

Ich gehe weiter zum Thema Schule: Da versuchen wir in Wien immer, eine sozusagen kindgerechte Schule weiterzuentwickeln; bei den Schülerinnen und Schülern reden wir von 250 000 jungen Menschen. Wir sind sehr stolz auf dieses Bildungsmodell, das sich Bildungscampus nennt, das wir in Wien entwickelt haben und auch weiterentwickeln.

Es handelt sich dabei um eine Ganztagsschule, aber nicht in dem Sinne, dass man den Unterricht verlängert hat und den Kindern mehr Unterricht zumutet, sondern wir versu­chen in diesen Campusschulen, Lernen, Freizeit, Erholung und soziales Lernen über den Tag zu verteilen, nämlich entsprechend den Lernkurven von Kindern. Das nennt sich verschränktes Lernen, verschränkte Ganztagsschule. Das hat sich sehr bewährt, und dafür werden wir auch international sehr gelobt.

Darüber hinaus entwickeln wir – es gibt eben nicht nur diese Bildungscampusse – rund um diese Bildungsgrätzel. Das ist sozusagen eine Einheit, die über den Bildungsraum hinauswächst, wo wir versuchen, Musikschulen, Bibliotheken, Büchereien, Jugendzen­tren sozusagen zu einem Zusammenschluss zu motivieren – immer mit dem Blick auf das Kind und um dem Kind Bildungsangebote möglichst breit zu gewährleisten, frei nach dem afrikanischen Sprichwort: Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen. Genau so sehen wir das mit diesen Bildungsgrätzeln.

Was machen Wiener Schulkinder jetzt in den Ferien? – Wir haben aktuell ungefähr 24 000 Kinder in den Summer City Camps. Wir wissen, selbst das ist zu wenig: Die Nachfrage ist so enorm, weil es kostengünstig und ein tolles Angebot ist. Wir werden also auch da ausbauen müssen.

Zusätzlich zu diesen Summer City Camps sind wir auch sehr stolz auf 50 Jahre Wiener Ferienspiel. Das Wiener Ferienspiel bietet über den ganzen Sommer verteilt in ganz Wien kostenlose Angebote für Kinder und Jugendliche. 163 Angebote habe ich heuer allein im Internet gefunden, es gibt also täglich mehrfach Gratisangebote.

1 700 Spielplätze – als Vorarlbergerin bin ich immer so beeindruckt von dieser großen Anzahl, die wir in Wien haben – stehen Kindern zur Verfügung, zudem Jugendzentren, Parkbetreuung und so weiter.

Auf eines möchte ich noch hinweisen, weil ich darauf besonders stolz bin: Wir haben in Wien nicht nur unzählige Angebote für Kinder und Jugendliche, sondern wir arbeiten tatsächlich mit Kindern und Jugendlichen und haben in den letzten Jahren das größte Mitbestimmungs- beziehungsweise Partizipationsprojekt Österreichs durchgeführt. Es nennt sich Werkstatt junges Wien.

Daran haben 25 000 Kinder und Jugendliche teilgenommen und sich darüber Gedanken gemacht, wie sie unsere Stadt weiterentwickeln möchten. Da waren vom Klima über Sicherheit bis hin zur Freizeitgestaltung alle Themen drinnen. Jetzt sind alle Magistrats­abteilungen der Stadt Wien aufgefordert, in der Wiener Kinder- und Jugendstrategie diese Maßnahmen umzusetzen. Außerdem wurde den Kindern und Jugendlichen ein eigenes Kinderbudget zur Verfügung gestellt, mit dem sie die Möglichkeit haben, selber zu entscheiden, in welche Projekte sie investieren wollen. (Beifall bei SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich finde das besonders gelungen, weil wir damit erreichen wollen, Kinder und Jugend­liche in Wien möglichst früh zu aktiven Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt zu machen.

Wir haben natürlich auch Herausforderungen, was die Kinder- und Jugendgesundheit betrifft, auch bedingt durch die vielen Themenstellungen, die im Raum stehen: die Klima­krise, der Krieg in der Ukraine, die Pandemie. Kinder und Jugendliche sind da sehr be­lastet, und da sind wir als Stadt gefordert, dem entsprechend entgegenzuwirken. (Bun­desrat Spanring: Ihr habt die Kinder belästigt, belästigt sie nach wie vor!)


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Wir sind dabei aber auch darauf angewiesen, dass vom Bund bei der Ausbildung im Bereich der FachärztInnen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nachjustiert wird, damit es auch attraktivere Fachstellen gibt. Das betrifft auch den Bildungsbereich, auch da sind wir auf entsprechende Ressourcen vom Bund angewiesen, damit wir das anbieten können, was wir wollen.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das kommende Halbjahr wird herausfordernd, das wissen wir jetzt schon. Die Zeiten sind herausfor­dernd. Mit der Teuerung, der Armutsbekämpfung, der Pandemie und dem Krieg haben wir viele Themen, die im Raum stehen, aber in Wien werden wir zusammenhalten. In Wien werden wir zusammenstehen. Der soziale Frieden in dieser Stadt ist und bleibt das oberste Ziel. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.02


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Harald Himmer. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.02.28

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich glaube, ich bin tatsächlich der letzte Zeitzeuge, der hier im Jahr 1996 Bundesrat Michael Ludwig erlebt hat. (Heiterkeit des Landeshaupt­mannes Ludwig.)

Es wäre jetzt natürlich übertrieben, wenn ich sagen würde, ich kann mich an die Reden des Bundesrates Ludwig genau erinnern, was ich aber in Erinnerung habe, ist, dass er ähnlich wie heute relativ sachlich an die Dinge herangegangen ist, und Aufregung war auch nicht notwendig, denn wir, SPÖ und ÖVP, waren ohnehin in einer Koalition. Er war so ein Redner, bei dem man auch gemerkt hat, dass er ein paar Bücher selber gelesen hat, also nicht nur das Vorgeschriebene, eigentlich so wie jetzt Sascha Obrecht, aber nicht so frech wie dieser. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit der BundesrätInnen Obrecht, Zwazl und Schreuder.)

Das ist sozusagen meine Erinnerung an den damaligen Bundesrat. Was ich auch in Erinnerung habe, war dann deine Einladung in den SPÖ-Klub an dem Tag, an dem du dich aus dem Bundesrat verabschiedet hast, weil es für mich sonst nicht vorkommt, in den SPÖ-Klub eingeladen zu sein. Daher kann ich mich daran erinnern. (Bundesrätin Zwazl: Das ist eine Anregung! – Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Gerne! Gerne!) – Nein, nein, das ist nicht notwendig. (Ruf bei der ÖVP: Ich tät schon gern einmal kommen! – Bundesrat Schennach: Ich höre den Wunsch!) Es war damals ein Abschiedsbuffet eingerichtet. Er war schon immer ein nicht ungemütlicher Typ. (Hei­terkeit bei der SPÖ sowie des Landeshauptmannes Ludwig.)

Was ich sagen möchte, ist: Ich habe halt Wien von einer anderen Seite kennengelernt. Ich bin halt nicht als sozialdemokratisches Kind aufgewachsen (Bundesrat Schreuder: Ich auch nicht!), habe eigentlich auch in meiner Schulzeit damals die Situation erlebt, dass wir sowohl in Wien als auch im Bund in Opposition waren. Als ich begonnen habe, mich politisch zu engagieren, war die ÖVP eine reine Oppositionspartei, auch wenn sich das heute manche nicht mehr vorstellen können.

Ich habe schon den Eindruck – das war meine Erfahrung der letzten Jahre –, dass Op­position in Wien zu sein und Opposition im Bund zu sein unterschiedliche Dinge sind. Gerade so, wie ich die Opposition gerade in den letzten Jahren auch mit den gesamten sehr, sehr persönlichen Angriffen gegen Regierungsmitglieder – ich erinnere mich an Angriffe gegen Sebastian Kurz, aber auch gegen andere Minister – oft auch hier im Par­lament erlebt habe, so habe ich nicht in Erinnerung, dass wir als Wiener ÖVP umgekehrt einen solchen Stil im Rathaus pflegen würden. Das ist zum Beispiel ein sehr großer Unterschied.


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Ich habe mir das zum Beispiel auch öfter gedacht, wenn ich zum Teil infantile Ge­schichten – wie Menschen, die mit Kurz-muss-weg-Buttons herumrennen – erlebt habe. Dann habe ich darüber nachgedacht, ob ich mir vorstellen kann, als Wiener Opposi­tioneller mit einem Ludwig-muss-weg-Button herumzurennen. Ich muss sagen: Nein, ich würde mir lächerlich vorkommen, zumal meine Partei jedes Mal auch selbstständig, na­türlich im Mitbewerb zur SPÖ, angetreten ist, es mir aber selbstverständlich nicht schwerfällt, Wahlergebnisse anzuerkennen. Da hat auch Michael Ludwig selber, als er dann als Spitzenkandidat angetreten ist, ein Ergebnis erreicht, das ihm jedes Recht ge­geben hat, hier Bürgermeister zu sein und wieder Bürgermeister zu bleiben.

Ich erinnere mich eigentlich sehr gut an eines seiner ersten Statements – ich weiß nicht, ob es das erste Statement nach den Wienwahlen war –, bei dem Michael Ludwig gesagt hat: Wir als Sozialdemokratie sind zweimal so stark wie die ÖVP, wir sind dreimal so stark wie die Grünen und wir sind sechsmal so stark wie die NEOS. Das hat er ganz selbstbewusst gesagt. Dann ist er in sich gegangen und hat nachgedacht. Eine Woche später ist er wieder vor die Medien getreten und hat gesagt: Okay, wir machen es mit den NEOS.

Auch das ist legitime Machtpolitik. Hand aufs Herz: Ich muss sagen, ich weiß nicht, wer bei der heutigen Debatte hier im Raum, bevor Kollege Arlamovsky ans Rednerpult getre­ten ist, irgendwann einmal an die NEOS gedacht hat. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich weiß es nicht. Wer? Bitte aufzeigen!

Ich muss sagen, es ist auch anzuerkennen, dass wir in Wien eine SPÖ-Alleinregierung mit einem kleinen NEOS-Tupfen haben. (Bundesrat Egger: Wie in Salzburg!) Kollege Arlamovsky ist natürlich intelligent genug, dass er auch dieses Programm kennt und hier Teile davon referieren kann. Im Wesentlichen ist es aber so, dass in Wien natürlich nie­mand merkt, dass es eine andere Partei, die regiert, gibt als die SPÖ.

Was mir eigentlich wichtig ist und was ich in diesem Zusammenhang zwischen Bundes­politik und Landespolitik auch herausstreichen möchte, ist das Bild, wenn ich mir vorzu­stellen versuche – unabhängig von der Regierungskonstellation, die wir im Bund ha­ben –, dass Maßnahmen beschlossen worden wären und es gäbe einen Statusbericht wie den jetzigen und wir hätten sozialdemokratische Minister oder eine sozialdemokrati­sche Regierung. Also sagen wir, wir hätten in Österreich mehr Beschäftigte denn je, wir hätten vier Millionen Arbeitnehmer mehr in Beschäftigung als je zuvor, wir hätten eine Coronakrise gehabt und es wäre dabei gelungen, eine Massenarbeitslosigkeit zu ver­hindern, so wie das eben der Fall gewesen ist, dann könnte ich mir das wunderbar bild­haft vorstellen: Ein Sozialminister à la Rudi Hundstorfer – Gott habe ihn selig – würde hier stehen und sagen: Wir haben in Österreich mehr Beschäftigung als je zuvor. Wir haben die Massenarbeitslosigkeit verhindert, im Gegenteil: Wir haben jetzt ein höheres Wirtschaftswachstum als viele vergleichbare andere Länder. Das ist sozialdemokrati­sche Handschrift! Gratuliere uns, SPÖ! Danke, SPÖ, denn sonst hätte es das an sozialer Wärme in diesem Land nicht gegeben! Gut, dass die SPÖ in der Regierung ist! – Allein, wir können zu solchen Fakten auch kommen, ohne dass die SPÖ in der Regierung ist.

Und auch Folgendes ist ein Punkt, den ich jetzt in Bezug auf die Landesgruppe der SPÖ Wien hier ansprechen möchte: Der Bürgermeister ist ein klassischer Wiener Bürgermeis­ter, ist ein gemütlicher Bürgermeister. Die heißen auch immer Michel in Wien, haben auch vorher schon Michel geheißen, heißen jetzt Michel und sind immer umgängliche Michel. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schreuder: Helmut, Leopold! Ja!) Die da­hinter aber, die Mandatare, sind nicht immer so umgänglich und nicht immer so freund­lich.

Da möchte ich nur kurz das Bild zeichnen – also das ist ein ganz arges Schreckens­szenario und wird eh nicht so schnell passieren –, was wäre, wenn in Wien nicht die


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SPÖ regieren würde. (Bundesrat Schennach und Bundesrätin Schumann: Das ist ein Schreckensszenario!) Stellen wir uns vor, es würde eine andere Partei in Wien regieren, zum Beispiel die schlimme ÖVP (Bundesrat Schennach: Das ist leider nicht vorstell­bar!), und dann würde man feststellen, man gibt 30 Millionen Euro für Werbung aus, für Marketing und Werbung, nur für die Stadt alleine. Da würden SPÖ-Mandatare ans Red­nerpult kommen, die Luft würde ihnen wegbleiben und die Brust ihnen zusammenge­schnürt sein. Sie würden sagen: Wie kann das passieren? 30 Millionen Euro für Wer­bung, Marketing, PR?! (Bundesrätin Hahn: Das ist ein Lercherl gegen Niederösterreich, so nebenbei!) Wisst ihr, was das für einen kleinen Haushalt und für die armen Menschen, die sich das Heizen und das Wohnen und die Miete und das Leben nicht mehr leisten können, bedeutet, wie die gekränkt sind, dass diese Stadt 30 Millionen Euro alleine für Marketing und Werbung ausgibt? (Bundesrätin Hahn: Schauts einmal nach Niederöster­reich!)

Oder was glaubt ihr, wie schockiert Sozialdemokraten wären, wenn man draufkommen würde, dass bei einem Bauprojekt über 300 Millionen Euro an Mehrkosten entstehen?! – Entsetzen würde herrschen. (Landeshauptmann Ludwig: Schau ma mal aufs Parla­ment! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) – Na und wer hat denn das mitbeschlossen? Das Parlament, das bringst du jetzt ernsthaft als Beispiel? Das Parlament? – Also die Beschlussfassung betreffend die Kosten im Parlament war ja eigentlich eines der sel­tenen Dinge, die wirklich alle Parteien gemeinsam getroffen haben. (Bundesrätin Grim­ling: Na wir werden sehen, wie es ausgeht!)

Letztes fiktives Beispiel – ich höre dann schon auf –: Gehen wir davon aus, es würde in irgendeinem Chat gefunden werden, dass jemand einen Job bekommen hat, weil er mit dem Bürgermeister (Bundesrat Preineder: Beim Heurigen war!) – nennen wir irgendei­nen Namen, Huber Maxl – gesprochen hat. Deswegen ist er jetzt Patientenanwalt. Also ich glaube, da würde Schockstarre sein und Herrn Krainer würden im U-Ausschuss die Augen herausspringen. (Bundesrat Reisinger: Kein Mensch versteht das!)

In Wien ist es so: Da sagt derjenige, der Patientenanwalt geworden ist, Wolfgang Zan­ger, ganz einfach im Ausschuss auf die Frage, wieso er jetzt Patientenanwalt geworden ist: Na ja, ihm war in der Pension ein bissel fad. Da hat er den Michel Ludwig getroffen und hat ihm das gesagt, und jetzt ist er halt Patientenanwalt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Landeshauptmann Ludwig: Das hat er aber nicht gesagt! Ich kenne den gar nicht!)

Na selbstverständlich hat es eine Ausschreibung gegeben mit Headhunter und Shortlist und Very Short List, und am Schluss ist der herausgekommen, der den Michel kennt, wobei ich sagen möchte: Ich kenne den Patientenanwalt – ich glaube, er heißt Gerhard Jelinek – persönlich nicht, und ich schließe auch gar nicht aus, dass er die beste Qua­lifikation hat, ich möchte das nur als Beispiel dafür bringen, wie oft mit unterschiedlichem Maß gemessen wird.

Es sind heute auch schon andere Dinge angesprochen worden. Was die Problematik der Wien Energie betrifft, darf ich dazu ergänzen, dass es gerade, was die Wien Energie betrifft, einige sozialdemokratische Politiker und auch Stadträte waren, die besonders betont haben, wie wichtig es ist, dass die Wien Energie immer in hundertprozentigem Eigentum der Gemeinde Wien bleibt, weil man dann ja Kontrolle über die Preise und so weiter hat. Jetzt gibt es eben diese 92-prozentige Erhöhung – zugegeben, wie auch in anderen Bundesländern –, aber dieser Effekt, dass man sagt: Ja, wir haben das dann unter Kontrolle, und wir haben dann halt auch die Preise unter Kontrolle, der hat natürlich nicht stattgefunden.

Wien ist die geilste Stadt der Welt, da sind wir uns eh alle einig. Dennoch gibt es da natürlich auch Probleme, die heute sehr wenig angesprochen worden sind, eigentlich


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nur von meiner Kollegin, aber auch von Kollegen Hübner. Das ist die Zuwanderung in Wien. Die Probleme bei der Integration sind einfach tatsächliche Probleme, die man nicht wegwischen kann.

Ich erwarte mir von den Mandataren der Wiener SPÖ jetzt nicht, dass sie dafür das nächste Mal, wenn Karl Nehammer kommt, diesem so huldigen wie heute Michael Lud­wig, weil ja nicht nur Wien so schön ist, sondern auch Österreich, denn wir alle lieben ja auch Österreich, wir lieben ja nicht nur Wien, wir finden ja auch Österreich wunderbar und den Großglockner und die Alpen und alle unsere Städte und so weiter. (Bundesrat Steiner: Das Zillertal!)

Das wird nicht passieren, das ist auch nicht notwendig. Gerade weil Politiker wie Michael Ludwig es sehr geschickt verstehen, mit mehreren und unterschiedlichen Meinungen auch einen Konsens zu finden, und es auch sehr geschickt verstehen, einen ordentlichen Umgang miteinander zu haben, wünsche ich mir eben auch von Mitgliedern seiner Partei – er ist ja letztendlich auch der Vorsitzende der wichtigsten SPÖ-Landesgruppe ‑, dass diese Attribute, die man ihm als Landeshauptmann zurechnet und die man ihm im persönlichen Umgang und in der Art und Weise, Politik zu machen, zurechnet, auch in diesen Gliederungen ein Stück weit stattfinden.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich möchte an die freiwillige Redezeit erinnern.


Bundesrat Mag. Harald Himmer (fortsetzend): Zu guter Letzt – das muss ich trotzdem noch sagen – wünsche ich dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz natürlich für das nächste halbe Jahr eine glückliche Hand und ein erfolgreiches Wirken. Natürlich bin ich davon überzeugt, dass er alle Professionalität – beginnend natürlich mit seiner Ausbildung im Bundesrat – dafür hat, das entsprechend erfolgreich zu bewerkstelligen. Dafür viel Glück! (Beifall bei der ÖVP.)

11.17


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat. Ich darf die Gäste auf unserer Galerie begrüßen, den ehemaligen Vizepräsidenten aus der Steiermark, Herrn Hubert Koller, mit Freunden aus der Steiermark. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Spanring. – Bitte, Herr Bun­desrat.


11.18.07

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Bürgermeister! Werte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Die SPÖ beruft sich ja immer wieder gerne auf Umfragen, wonach Wien die lebenswerteste Stadt der Welt sei.

Zwei Punkte dazu: Erstens ja, die Stadt Wien ist schön, und ja, es gibt tatsächlich sehr lebenswerte Flecken in Wien. Die sind aber leider für einen Normalbürger unleistbar, und dort, wo man es sich gerade noch leisten kann, will man oft gar nicht wohnen, zumin­dest nicht freiwillig.

Zweitens, all Ihre Errungenschaften in Wien sind einer Politik aus einer lange zurücklie­genden Vergangenheit gedankt. Das ist lange vor Ihnen passiert, und alle Errungen­schaften, die Sie heute haben und heute erreichen, sind leider aufgebaut auf Schulden, Schulden und nochmals Schulden.

Das ist Ihnen jetzt vielleicht egal, Herr Bürgermeister, denn wenn diese Schulden schla­gend werden, dann sind Sie schon lange nicht mehr in der Politik. Damit verkaufen Sie aber die Zukunft der Jungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Aufnahme von Schulden reicht Ihnen aber nicht. Sie kassieren auch noch die Auto­fahrer in Wien ab. Sie quälen die Autofahrer mit horrenden Parkgebühren und mit Park­pickerl in ganz Wien. Sie sind unwillig – vielleicht auch unfähig, ich weiß es nicht –,


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Verkehrslösungen zu finden. (Bundesrätin Zwazl: Hallo!) Deshalb wälzen Sie die Pro­blematik ganz einfach auf Niederösterreich ab. Ich kann das sagen, weil ich einer dieser Niederösterreicher bin.

Die Leidtragenden sind die Pendler, die nach Wien in die Arbeit kommen müssen und auf das Auto angewiesen sind. Mikl-Leitner in Niederösterreich tut ebenfalls nichts, ihr sind die Pendler auch egal, und Ihnen, Herr Ludwig, sind diese Menschen offensichtlich gleichfalls egal. Für Sie zählt nur: Welchen Kebabstand kann Herr Ludwig als nächsten besuchen und eröffnen? Da titelt dann sogar eine Tageszeitung: „Wiener Bürgermeister macht in Favoriten Kebab-Marathon.“ – Ich habe noch nie von Ihnen gelesen, dass Sie einen Würstelstand-Marathon gemacht hätten! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das nenne ich Wählerstimmenmaximierung um jeden Preis. Das kennt man normalerweise nur von der ÖVP, die verkaufen die eigene Bevölkerung auch für ein Butterbrot, und die SPÖ in Wien verkauft die eigene Bevölkerung für einen Döner. (Beifall bei der FPÖ.) Zumindest zeigt das, wofür Sie und die SPÖ in Wien stehen. Da erübrigt sich dann jeder weitere Kommentar.

Auf der anderen Seite gibt es in Wien die MA 35, wo unzählige rechtschaffene Menschen auf Antworten und Bewilligungen warten. Doch was geschieht dort? – Es wird nicht ein­mal das Telefon abgehoben. Das ist eine durch und durch heuchlerische Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Liebe SPÖ! Gleich vorweg, weil ich es schon wieder gehört habe: Hören Sie auf mit Ihrem ewigen Herumgesudere wegen des Wien-Bashings! – Das ist kein Wien-Bashing! (Bundesrätin Grimling: Na was ist es denn?) Ich kritisiere nicht die Stadt Wien, ich kritisiere nicht das Bundesland Wien und ich kritisiere schon gar nicht die Wiener. Was ich kritisiere, das ist eine unverantwortliche und katastrophale Politik der SPÖ in Wien. Das kritisiere ich. (Beifall bei der FPÖ.)

Liebe SPÖ! Merken Sie sich zu Ihrem Selbstverständnis eines: Die SPÖ ist nicht Wien, genauso wenig wie die ÖVP Niederösterreich ist, auch wenn sich Mikl-Leitner in Nieder­österreich oft so benimmt, als würde ihr Niederösterreich gehören.

Jetzt zur SPÖ-Coronapolitik in Wien: Stadtrat Hacker war zu Beginn der Pandemie sehr vernünftig. Im Oktober 2020 hat er sich gegen den damaligen Innenminister Karl Neham­mer gestellt und angekündigt, nicht mehr an den Sitzungen des Innenministeriums teilzu­nehmen. Hacker bezeichnete das von Nehammer geführte Ressort als „Propagandami­nisterium“, welches mit Falschmeldungen und falschen Statistiken operiere. Hört! Hört!  So weit, so gut.

Dann, Herr Ludwig, haben Sie Herrn Hacker zu sich zitiert, wahrscheinlich zu einer Kopf­wäsche, und von einem Tag auf den anderen war Herr Hacker geläutert und zu einem Coronajünger mutiert. Mich würde wirklich brennend interessieren, was denn das Thema Ihres Gespräches war und was da passiert ist, dass Herr Hacker von einem Tag auf den anderen eine 180-Grad-Kehrtwendung gemacht hat.

Da können einem schon auch krude Gedanken kommen. Ich persönlich stelle mir die Geschichte so vor: Da kommt jemand mit einem Koffer voller Tests in Ihr Büro und sagt Ihnen: Ich habe eine Superidee, wie wir alle in der Krise sehr viel Geld verdienen können. (Bundesrat Preineder: Geschichtenerzähler!) Ich führe Sie zum Horizont, quasi zu Lead Horizon, und wir testen und testen und testen uns alle reich. – So begab es sich, dass die Stadt Wien zig Millionen Euro für sinnlose Tests ausgab, die zwar niemandem halfen, aber einige wenige sehr, sehr reich machten. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann verdienen sie noch heute. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das mag jetzt eine Geschichte von mir gewesen sein, genau das bestätigt aber auch Ihr Wiener Rechnungsabschluss 2021: Es gibt eine Neuverschuldung von 1,3 Milliarden


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Euro, davon entfallen 800 Millionen Euro auf Covid-Maßnahmen. Die Genossen in Wien haben gewütet wie im Kommunismus. Ludwig und Hacker haben die bereits überzoge­nen Maßnahmen – die völlig überzogenen und evidenzlosen Maßnahmen – des Bundes noch übertrumpft. Ich sage nur: Lockdown in Ostösterreich zu Ostern 2021, und zwar wieder mit einer Verbündeten aus Niederösterreich, mit dem sie quasi Hand in Hand mit Mikl-Leitner unsere Landsleute drangsaliert und weggesperrt haben. In Niederösterreich hat die Frau Landeshauptfrau zusätzlich sogar noch ein De-facto-Berufsverbot für Unge­impfte eingeführt. Wofür, meine Damen und Herren? – Für nichts! (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Schauen Sie sich andere Länder an, die all diese Coronawahnsinnsmaßnahmen nicht hatten: Sie haben genau die gleichen Kurven im Pandemieverlauf, nur ohne all die Kolla­teralschäden. Und während die meisten anderen Länder in der Zwischenzeit zur Nor­malität zurückkehren, drehen Sie, Herr Ludwig – Sie haben heute schon von „an [...] Schrauben drehen“ gesprochen –, an der Eskalationsschraube, verunsichern die Men­schen schon wieder und jagen ihnen Angst ein.

Gleichzeitig gibt es von Ihnen keinen Cent mehr für den Medizin- und Pflegebereich, und auch keinen Cent mehr für Lehrer und Kindergartenpädagogen, wobei ich jetzt noch nicht einmal von ganz aktuellen Missbrauchsvorwürfen im Kindergarten rede. Sie wis­sen, auch da haben Sie mehr als genug Butter auf dem Kopf. Während Sie vor Kebab­ständen um Stimmen buhlen, müssen immer weniger Lehrer in den Schulen mit Schü­lern zurechtkommen, die nicht nur keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, son­dern die eklatante Bildungsmängel aufweisen, und auf der anderen Seite mit Kindern, die aufgrund Ihrer verfehlten Coronapolitik psychisch erkrankt sind – Stichwort: Triage in der Kinderpsychiatrie. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Ludwig, ich sage Ihnen noch etwas: Wenn etwas schlecht läuft, dann reden Sie sich immer auf den Bund, jetzt auf die schwarz-grüne Regierung, aus. Ja, es stimmt, die machen wirklich viel Blödsinn. Die SPÖ war aber immer dabei, auch im Bund, denn im Bund waren die Genossen Komplizen. Die Teuerung hat lange vor dem Angriff der Russen auf die Ukraine begonnen. Schuld daran sind jene Coronamaßnahmen, die von Ihrer SPÖ im Bund mitgetragen wurden. Jetzt, wenn es um Russlandsanktionen geht, sind Sie auch dabei, während wir immer gesagt haben: Das wird nicht Putin, sondern uns schaden. – Und genau das bewahrheitet sich jetzt gerade! Auch da hat die FPÖ wieder einmal recht behalten. Sie tun jetzt aber verwundert, dass alles teurer geworden ist.

Die SPÖ erhöht in Wien die Mieten und regt sich darüber auf, dass das Wohnen teurer wird. Nur in der Löwelstraße, dort, wo die SPÖ-Zentrale ist, haben Sie die Miete gesenkt. Das finde ich sehr sozial von Ihnen, Herr Ludwig! – Ich hoffe, der Sarkasmus in meiner Stimme war deutlich hörbar. (Beifall bei der FPÖ.)

Die SPÖ in Wien hätte auch das Inflationsanpassungsgesetz aussetzen können. Das ist nicht geschehen, und jetzt beschweren Sie sich darüber, dass alles teurer wird. Die SPÖ in Wien lässt zu – so wie auch im Burgenland oder in Kärnten, eben dort, wo die SPÖ immerhin den Landeshauptmann stellt , dass die Landesenergieversorger mit den Prei­sen stark nach oben gehen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Wien Energie, wo sich der Preis für die Fernwärme verdoppelt hat. Doch dann stellt man sich seitens der SPÖ hin und schreit: Alles wird teurer! (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Jetzt, meine Damen und Herren, fordert Herr Ludwig einen Preisgipfel. Was genau wol­len Sie denn dort besprechen? – Das, was Sie in Wien schon lange hätten umsetzen können? Das wollen Sie dort besprechen? Das ist irgendwie nicht ganz verständlich!

Genau dasselbe Spiel, das Sie in Wien spielen, spielt übrigens auch Landeshauptfrau Mikl-Leitner in Niederösterreich. Manchmal glaube ich bei so vielen Ähnlichkeiten schon


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fast, dass Sie ein bisschen verwandt sind. Auf einmal kritisiert auch Mikl-Leitner die Re­gierung, dass im Kampf gegen die Teuerung nichts passiert. Das ist unfassbar! Das ist deshalb unfassbar, weil genau diese Mikl-Leitner seit Oktober vorigen Jahres alle FPÖ-Anträge zur Entlastung der Bevölkerung ablehnt und dann noch dazu jede Sitzung zum Thema Teuerung schwänzt. Meine Damen und Herren! Wie falsch muss man eigentlich sein, um eine solche Politik zu machen?! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Ludwig, Sie sehen: Sie beide passen wirklich gut zusammen, denn sowohl Mikl-Leitner als auch Sie sind unglaubwürdig. (Beifall bei der FPÖ.)

11.29


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag.a Eli­sabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.29.20

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und vor den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Es ist für uns WienerInnen allerdings sehr ungewöhnlich, das zu sa­gen, wir sagen nämlich meist: Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Was ich auch sagen möchte: Ich glaube, wir alle hier freuen uns sehr, Korinna, dass du da bist und deine Präsidentschaft übernehmen kannst und auch wieder gesund bist. Wir haben gestern alle, glaube ich, mitgefiebert, dass du kommen kannst, also wirklich sehr schön und alles Gute. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Landeshauptmannes Ludwig.)

Eingangs möchte ich mich auch für die kleinen Geschenke bedanken, die auch sehr gut ausgewählt waren, nämlich diese kleine Schneekugel von einer ganz kleinen Manufaktur im 17. Bezirk in Wien und auch die Torte. Ihr habt es oft angesprochen, und das ist wichtig: Lehrlinge. Die Torte wurde hergestellt von Jugend am Werk. Das ist eine Insti­tution, die für die Berufsausbildung von jungen Menschen da ist, die keine Lehrstelle finden. – Vielen Dank auch dafür! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir haben schon viel gehört, und auch ich sage es als Wienerin und als (Bundesrat Schennach: Als Brigittenauerin!) Brigittenauerin – für mich ist es ein bisschen neu, das immer so zu betonen –, ich sage das aber auch als Mensch, der sehr lange im Gemein­debau gewohnt hat und sehr, sehr dankbar dafür ist, dass es diesen gibt. Wien macht wirklich vieles sehr gut, keine Frage, und Wien ist in vielem weltweit vorbildlich. Kollege Schennach hat es gesagt. Wien ist nicht umsonst die lebenswerteste Stadt der Welt, das haben wir auch schon oft gehört. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Auch dieses Beispiel wurde gebracht  und ich möchte noch einmal darauf eingehen –: Die Wiener Wohnpolitik ist immer noch ein Vorzeigebeispiel und wird bei wirklich vielen internationalen Konferenzen, die Wohnen und vor allem leistbares Wohnen betreffen, immer wieder als Beispiel herangezogen. Über 400 000 Wohnungen gibt es in Wien, die gefördert und leistbar sind und in welchen mehr als die Hälfte der Wiener Bevölkerung lebt. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Trotzdem steigen  leider!  auch in Wien die Wohnungspreise seit der Finanzkrise ums Doppelte, manchmal sogar ums Dreifache. In Wien haben wir in der rot-grünen Koalition zwei Maßnahmen gesetzt, die dem entgegenwirken sollen. Erstens ist das die neu ge­schaffene Flächenwidmungskategorie geförderter Wohnbau, die vorschreibt, dass zwei Drittel der Fläche bei Neubauten für den geförderten Wohnbau verwendet werden


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müssen. Die zweite wichtige Maßnahme war, dass wir wieder angefangen haben, Ge­meindebauten zu errichten. Beides ist notwendig, weil wir weiterhin günstige Wohnun­gen auf dem Markt brauchen und der Trend leider in eine andere Richtung geht.

Ich habe das das letztes Mal erwähnt – beziehungsweise hat mein Kollege Schreuder meine Rede, weil ich ja erkrankt war, vorgelesen und das kurz erklärt (Bundesrat Stei­ner: Richtig: Kurz!) –, ich möchte das jetzt aber gerne wiederholen, weil es so wichtig ist, und auch erklären, warum.

Wohnungen wurden schon früher immer und werden heute auch als Wertanlage gekauft. Früher, weil man sie vermietet hat und die Miete ein monatliches Einkommen, also den klassischen Zins, bedeutete. Heute kauft man eine Wohnung und lässt sie leider leer stehen, denn sie steigt von selbst im Wert, Zins braucht man keinen mehr, und das Risiko von Mietausfällen oder Abnutzung möchte man auch nicht mehr eingehen. Das verhin­dert aber, dass Wohnungen wieder zurück auf den Markt kommen, und somit wird die Nachfrage größer und das Angebot geringer, was natürlich den Preis erhöht. Daher möchte ich hier nochmals Werbung machen für die Wiener Leerstandsabgabe, die ein wichtiges Instrument ist, um die Wohnungen wieder auf den Markt zu bringen.

Weil wir die Länderkammer sind, möchte ich auch eine Lanze dafür brechen, Flächen­widmungen der Länderkompetenz zu unterstellen. Damit könnte Klimasünden wie der Verbauung und Versiegelung von Gewerbegebieten durch BürgermeisterInnen, die von verschiedenen Seiten unter Druck stehen, vorgebeugt werden.  Das betrifft natürlich nicht Wien.

Auf einen weiteren Punkt möchte ich noch eingehen. Wir haben es in der Zeitung ge­lesen: Ein Drittel der WienerInnen fährt dieses Jahr nicht auf Urlaub, weil sie es sich nicht mehr leisten können. Viele WienerInnen können aus diesem Grund aber fast nie auf Urlaub fahren. Sie sind an ihren Wohnort gebunden und nutzen ihre Wohnumgebung auch zu Erholungszwecken. Dafür braucht es aber eine entsprechende Aufenthaltsqua­lität im öffentlichen Raum.

Bessere Aufenthaltsqualität bedeutet weniger Verkehr, mehr Bäume, mehr Grünflächen, mehr Sitz- und Bewegungsmöglichkeiten für die Menschen. Das erfordert ein Umdenken in der Verkehrs- und Stadtplanungspolitik: weg von der autozentrierten Planung – Kolle­ge Schreuder hat es schon erwähnt – hin zur umwelt- und menschenzentrierten Pla­nung. Verkehrsberuhigung und Begrünung reduzieren Lärm und Abgase, und zudem macht das die Straßen einfach schöner. Das macht die Straßen aber auch sicherer im Sinne von ungefährlicher, und zwar nicht nur, weil weniger Autos fahren und diese lang­samer fahren, sondern auch, weil sich mehr Menschen auf den Straßen bewegen und damit das Sicherheitsgefühl größer wird. Somit hält man sich gern auf den Straßen auf und geht lieber und auch mehr zu Fuß. Man und auch frau kauft vor Ort ein und geht im Grätzl aus, und damit wird auch die lokale und die regionale Wirtschaft gestärkt. Das wurde auch schon seitens der Wirtschaftskammer unterstrichen.

Lieber Herr Bürgermeister! Machen Sie daher Verkehrspolitik für die Menschen mit we­nig Einkommen! Wandeln Sie die Straßen in Alleen und Flaniermeilen um! (Bundesrat Steiner: Wir haben genug Alleen im Zillertal! Dafür brauchen wir keine narrischen Grü­nen!) Bauen Sie Straßen zurück und nicht aus, und stärken Sie den Radverkehr sowie den öffentlichen Verkehr! Schaffen Sie verlässliche öffentliche Strukturen – wie Sie ge­sagt haben – auch im öffentlichen Raum! Das hilft den Menschen, die nicht im teuren Grünen wohnen oder auf Urlaub fahren können, und es hilft gegen die Klimakrise.

Setzen Sie sich ein für die Menschen, für die Ihre Partei steht, und für die nächsten Generationen! Gehen Sie auch diesbezüglich wie in der Coronakrise mit gutem Beispiel für die anderen voran! Überraschen Sie uns! Seien Sie mutig und radikal! Gehen Sie dabei auch mit für viele vielleicht unbeliebten Maßnahmen in der Verkehrspolitik vor, so


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wie es Ihre Parteivorfahren in den Zwanzigerjahren in der Wohnbaupolitik getan haben! Handeln Sie entschlossen und sichern Sie unsere Zukunft! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.36


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Bürgermeister Landeshauptmann Dr. Michael Ludwig. – Bitte, Herr Landeshauptmann.


11.36.37

Landeshauptmann von Wien Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich danke für die vielen Diskussionsbeiträge, die in der Tat sehr spannend sind, in manchen Bereichen kontroversiell, in anderen Bereichen unterstützend. Prinzipiell nehme ich von dieser Dis­kussion jedenfalls sehr viel mit. Ich kann jetzt nur zu einigen Punkten stellvertretend für die gesamte Diskussion Stellung nehmen, tue das aber sehr gern.

Zunächst halte ich fest, dass ich mich sehr freue, dass aus vielen Redebeiträgen die enge Verbindung aller Bundesländer auch zum Bundesland Wien zu hören war. Das ist für mich deshalb fast selbstverständlich, denn in Wien befinden sich erfreulicherweise viele Menschen aus den anderen acht Bundesländern.

Wir wären mit Wien in den allermeisten Fällen eine bevölkerungsstarke Gemeinde in den jeweiligen Ländern. Wir haben hier mehr Niederösterreicherinnen und Niederöster­reicher als in St. Pölten, wir haben mehr Burgenländerinnen und Burgenländer als in Eisenstadt. Im Hinblick auf Oberösterreich liegen wir jetzt erfreulicherweise auf dem zweiten Platz, nur Linz hat mehr Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher, wir haben Wels überholt und Steyr schon vor längerer Zeit.

Das ist schön. Das ist aus den Redebeiträgen schon hervorgegangen: Viele Menschen, die in Wien leben, kommen aus anderen Bundesländern, aber auch aus anderen Re­gionen der Welt. Das macht sicherlich auch den internationalen Flair der Stadt aus, hat aber auch Wirkung auf deren wirtschaftliche Möglichkeiten. Ich sage: Zuwanderung und Integration sind immer eine Herausforderung. Ja, das ist richtig. Das gilt für viele Be­reiche und erfordert auch eine Kraftanstrengung, zum Beispiel auch im Bildungssystem. Das war auch mit ein Grund – nicht allein, aber mit ein Grund –, dass wir vor über zehn Jahren den kostenfreien Kindergarten in Wien eingeführt haben. Das war eine wichtige Maßnahme der Integrationspolitik, aber auch eine wichtige Maßnahme, um die Gleich­stellung von Frauen und Männern aufrechtzuerhalten und es Frauen zu überlassen, ob sie berufstätig sein wollen oder nicht und ob sie ganztägig berufstätig sein wollen oder nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Das war für viele Männer, aber für noch viel mehr Frauen eine Möglichkeit, ein selbstbe­stimmtes Leben zu führen und selbst darüber zu entscheiden, ob sie ins Berufsleben einsteigen wollen oder nicht. Wir haben jetzt die Fortsetzung mit der kostenfreien Ganz­tagsschule geschafft, zuerst an 70 Standorten, und wir haben das jetzt auf über 80 aus­geweitet. Wir sehen, dass die Verbindung von Ausbildungsmöglichkeiten und Begleitung in der Freizeit auch den Familien viel Geld bei der Nachhilfe erspart und damit auch eine wichtige sozialpolitische Maßnahme darstellt. Von daher ist es richtig: Zuwanderung ist eine Herausforderung, Integration ist eine Herausforderung, es eröffnen sich aber auch große Chancen und Möglichkeiten.

Wien ist seit der Öffnung des Eisernen Vorhanges Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre um 400 000 Menschen gewachsen. 400 000 Menschen, das ist mehr, als die zweitgrößte Stadt in Österreich Einwohnerinnen und Einwohner hat und das hat natürlich auch viele infrastrukturelle Herausforderungen im Bereich des Arbeitsmarktes, der Wohnbaupolitik, der infrastrukturellen Maßnahmen mit sich gebracht.


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Wir haben uns sehr bemüht, den öffentlichen Verkehr anzupassen. Es ist erwähnt wor­den, dass wir beispielsweise Stadterweiterungsgebiete umgesetzt haben und dass wir, bevor noch die erste Wohnung besiedelt war, bereits die U-Bahn dorthin verlegt haben. Das ist zwar vom Rechnungshof und von politischen Mitbewerbern kritisiert worden, war aber trotzdem richtig, weil es eine gute Möglichkeit war, dafür zu werben, dass dort attraktiver Wohnraum mit Arbeitsplätzen und der Möglichkeit, auch mit öffentlichen Ver­kehrsmitteln in der ganzen Stadt unterwegs zu sein, verbunden ist.

Trotzdem muss ich auch für die Möglichkeit eine Lanze brechen, in einer Millionenstadt wie Wien mit großen Stadtentwicklungsgebieten mit dem Individualverkehr unterwegs zu sein. Es geht aber auch darum, in der gesamten Ostregion entsprechende infrastruk­turelle Maßnahmen zu setzen. Wir sind in dieser Hinsicht wirklich in engster Kooperation vor allem mit den Bundesländern Niederösterreich und Burgenland, um in der Ostregion den öffentlichen Verkehr im VOR, im Verkehrsverbund Ost-Region, auszubauen und sicherzustellen, dass wir vom Individualverkehr ganz stark auch zum öffentlichen Ver­kehr kommen.

Das führte dazu, dass wir auch über die Bundesländergrenzen hinweg finanzielle Koope­rationsprogramme gesetzt haben. Wir finanzieren als Bundesland Wien in Niederöster­reich beispielsweise Park-and-ride-Anlagen. Mit der Badner Bahn haben wir schon seit vielen Jahren ein Verkehrsmittel, das über die Bundesländergrenzen hinweg geführt wird. Jetzt neu gibt es auch eine Straßenbahn, die Niederösterreich mit Wien verbinden wird, und zwar auch das im Hinblick darauf, dass wir den Pendlerinnen und Pendlern, die zu uns nach Wien kommen, eine Möglichkeit bieten wollen, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein.

Das wird nicht für alle möglich sein. Es kommen jeden Tag 300 000 Menschen nach Wien, um hier zu arbeiten. Das ist gut so, das ist in Wien so, das ist auch in anderen urbanen Zentren so, in ähnlicher Art und Weise etwa in Linz, in Graz und in anderen Großstädten. In Wien ist das halt quantitativ am meisten, und von daher ist das natürlich eine große Herausforderung, der wir uns aber natürlich auch gerne stellen. Diese Ver­bindung – ich habe es einleitend schon erwähnt – von urbanen Räumen und Freiflächen, die auch frei bleiben sollen für die Landwirtschaft und für Erholungsflächen, ist nämlich ganz wichtig. Das wird allerdings nur miteinander auch in der österreichischen Raumord­nungskonferenz funktionieren, und von daher sehe ich es durchaus nicht kritisch, wenn man versucht, urbane Räume weiterzuentwickeln, weil das dazu beiträgt, andere Frei­flächen auch für die Landwirtschaft und Ähnliches auch zu nutzen.

Etwas, das beim öffentlichen Verkehr sowohl in den Städten als auch in den ländlichen Regionen sicherlich noch eine Herausforderung darstellt, ist die Frage – wenn man es so ausdrücken will –: Wie stellen wir die Verbindung des letzten Kilometers her? Das wurde auch schon angesprochen: Es gibt in einer Großstadt wie Wien zwar U-Bahn-Linien und Straßenbahnlinien auch über die Bundesländergrenzen hinweg, aber natür­lich führt nicht jedes öffentliche Verkehrsmittel bis zur Haustür. In Anbetracht dessen meine ich, es lohnt sich, darüber nicht nur in den Großstädten, sondern auch in den kleineren Gemeinden nachzudenken, damit man gemeinsame Möglichkeiten findet, die­sen letzten Kilometer auch mit halböffentlichen Verkehrsmitteln zu erschließen. Ich hätte da die Fantasie, Taxikooperationen und vieles andere mehr und natürlich auch verschie­dene verkehrstechnische Maßnahmen und Mittel einzusetzen. Jedenfalls haben wir der­zeit in Wien die größte U-Bahn-Baustelle Europas, und damit zeigen wir wohl sehr deut­lich, dass der öffentliche Verkehr hier eine große Rolle spielt.

Zum Wohnen ebenfalls eine Anmerkung: Ja, es ist richtig. All das, was notwendig ist, um Wohnraum herzustellen, befindet sich derzeit in einer ungeheuerlich rasch zunehmen­den Preisspirale nach oben. Es gibt im Wesentlichen drei Kriterien, die notwendig sind, um einen Wohnbau zu errichten, nämlich die Grundstückspreise, die Baukosten und die


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Finanzierungskosten, und in allen drei Bereichen steigen die Kosten, und zwar jetzt auch die Finanzierungskosten. Auch private Haushalte müssen zumindest 20 Prozent Eigen­kapital einbringen, es werden also auch die Finanzierungskosten steigen.

Das, was wir tun können, ist, dass wir entsprechend den Möglichkeiten auch in den Bun­desländern darüber nachdenken, wie wir mit freien Wohnungseinheiten umgehen. Dies­bezüglich gibt es schon intensive Gespräche zwischen den Bundesländern, wie wir das auch im Rahmen der Siedlungsstrukturen herbeiführen. In Wien haben wir beispielswei­se im Zusammenhang mit der Bauordnung beschlossen, dass bei jeder Umwidmung zwei Drittel der neu zu errichtenden Wohnungen geförderte und damit leistbare Woh­nungen sein müssen. – Das hat einen großen Aufschrei bei den Grundstückseigentü­mern verursacht und war verbunden mit heftigen politischen Diskussionen, hat aber im Endeffekt dazu geführt, dass wir auch zukünftigen Generationen leistbaren Wohnraum zur Verfügung stellen können.

Nun noch zu den Energiekosten: Ja, wir haben in Wien immer großen Wert darauf gelegt, die Eigentümerstruktur so aufrechtzuerhalten, dass die Energieunternehmen, also vor allem Wien Energie, im Eigentum der Stadt Wien sind, und zwar vor allem deshalb, weil wir nicht wollten, dass Einnahmen, also durchaus auch Gewinne, abgeschöpft werden und aus dem Verbund abfließen. All das, was eingenommen wird, dient nämlich der Stabilisierung der Preise beziehungsweise dient den Investitionen zum Beispiel in alter­native Energieformen.

Etwas, das aber aufgrund der Liberalisierung des Energiemarktes, die zu einem Zeit­punkt stattgefunden hat, als wir auf Bundesebene beispielsweise nicht so einflussreich waren, gar nicht möglich ist, ist, dass Sie direkt, auch wenn Sie Eigentümer sind, eine wettbewerbsverzerrende Maßnahme im Energiebereich setzen können. Genau das ist auch der Grund, dass ich so dafür plädiere, dass wir gemeinsam darüber nachdenken, was wir im nationalen Rahmen überhaupt tun können, und zwar nicht deshalb, weil ich da nicht entscheiden will, sondern weil ich das für vernünftig erachten würde. Im Rahmen der Bundesländer geht das sowieso nicht. Ich rede mich da also gar nicht auf andere Bundesländer aus, sondern das ist aufgrund dieser Energieliberalisierung schon im na­tionalen Rahmen schwierig. Von daher erhebt sich somit die Frage, was wir in unserem eigenen politischen Wirkungsbereich tun können und wo wir uns im internationalen Zu­sammenhang, zum Beispiel im Rahmen der Europäischen Union, zu Wort melden müs­sen, um entsprechende Maßnahmen zu setzen.

Das, was wir aber in Wien gemacht haben – und das wird ja auch in anderen Bundes­ländern angedacht –, ist, dass wir sagen: Wenn wir in diesen Wirtschaftskreislauf nicht eingreifen können, dann machen wir einen Unterstützungskreislauf mit der Wiener Ener­gieunterstützung. Damit helfen wir jetzt einmal den Haushalten, und mein Ziel ist es, auch zu schauen, inwieweit wir Unternehmen, der Landwirtschaft und anderen produzie­renden Bereichen helfen können. Das wird ja vor allem für die Teile der Wirtschaft, die besonders energieintensiv sind, noch eine riesige Herausforderung werden, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Kosten, sondern auch im Hinblick auf die Verfügbarkeit der Energie.

Diesbezüglich sind wir also wirklich extrem gefordert. Da hilft kein parteipolitisches Hick­hack, da hilft es nicht, dass wir einander zwischen Bundesregierung und Bundesländern den Ball zuwerfen, und schon gar nicht, wenn das zwischen den Bundesländern ge­schieht. Daher lautet mein Appell, dass wir sagen: Die Situation ist so ernst, und die Probleme, die spätestens im Herbst auf uns zukommen, werden, wie ich glaube, so groß sein, dass in Anbetracht dessen ein nationaler Schulterschluss meiner Meinung nach ohnehin notwendig ist.

Noch eine Anmerkung zur Zuwanderung, weil das auch ein Lieblingsthema von Ihnen ist. Ich habe es schon erwähnt, Zuwanderung und Integration sind natürlich immer eine


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Herausforderung und auch eine große Chance. Sie haben auch angesprochen, dass es in den Wiener Schulen viele Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache gibt. – Ja, richtig. Im Hinblick darauf muss man etwas tun, und das tun wir auch mit dem kostenfreien Kindergarten beziehungsweise mit der Ganztagsschule.

Es ist dies aber auch eine große Chance. Ich war zum Beispiel bei der Initiative Sag’s Multi!, die Christian Konrad vor vielen Jahren gemeinsam mit dem ORF ins Leben geru­fen hat. Da gab es in allen Bundesländern Wettbewerbe in den Schulen, und dabei konnten Schülerinnen und Schüler zumindest in zwei Sprachen, also in Deutsch und einer anderen Sprache, meist in der Muttersprache, fließend ein Referat halten. – Ich sage Ihnen ehrlich: Ich als Erwachsener könnte das nicht so locker! Ich konnte dort aber zuschauen, wie 13-, 14- oder 15-jährige Schülerinnen und Schüler fließend Referate in Deutsch, wechselnd mit einer anderen Sprache gehalten haben. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Das sind 0,4 Prozent der Masse! – Bundesrat Spanring: Gut, dass es das gibt!)

Das sind große Möglichkeiten für unsere Wirtschaft. (Bundesrat Steiner: Noch einmal: Das sind 0,4 Prozent!) Das ist schon richtig, das sind die Allerbesten. Das sind nicht alle, das habe ich nicht behauptet, das sind nicht alle. Das ist aber eine große Chance für all jene, die zwei Sprachen können, auch wenn sie nicht im Festsaal des Rathauses reden und das nicht im ORF übertragen wird. Jedenfalls ist es eine Riesenchance, zwei Spra­chen zu können.

Ich sage Ihnen jetzt nochmals, was ich einleitend schon gesagt habe: Wenn wir im inter­nationalen Wettbewerb bestehen wollen, dann werden wir eine echte Kraftanstrengung und auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen, die gut kommunizieren können, und zwar auch mit ihren ursprünglichen Herkunftsländern. Das ist ein Gewinn. Das dür­fen wir nicht als Bedrohung sehen, sondern durchaus als Gewinn.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen. Als Student habe ich mein Geld zum Beispiel auf der Baustelle verdient. Ich habe bei Eichgraben Eisenbahnschienen verlegt, also auf der Westbahn. Sollte es einmal rumpeln, dann wird das wahrscheinlich nicht mehr die Schie­ne sein, die ich damals vor doch längerer Zeit verlegt habe. Ich kann auch nicht oft genug betonen, dass ich schon mit Harry Himmer im Bundesrat war. (Heiterkeit des Redners.) Ich habe also schon damals vor vielen Jahren mit Steirern, Kärntnern gearbeitet, am meisten aber mit Türken, Polen, Serben, und das war für mich, ehrlich gesagt, kein Pro­blem. Wir haben uns bemüht, dass die Baustelle fertig wird. (Zwischenruf des Bundes­rates Schennach.)

Das gilt im Übrigen auch für die Häuser, die in Wien gebaut werden. Und wenn gefragt wird, warum Menschen aus anderen Ländern zum Beispiel eine Genossenschafts- oder eine Gemeindewohnung bekommen, dann sage ich: Ja! Warum nicht!? Die haben die Häuser im Regelfall auch gebaut. Wenn man sich anschaut, wer auf einer Baustelle in Wien oder in den anderen Bundesländern tätig ist, dann sehen wir, dass das zum großen Teil Menschen aus anderen Ländern sind. Seien wir froh, dass wir sie haben! Wir könnten sonst in Wirklichkeit kein Spital mehr führen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundes­rätInnen der Grünen sowie der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrat Spanring: Die sind auch willkommen!)

Das ist jetzt gleich eine Überleitung zu Corona. Ich war jetzt in der Coronazeit in vielen Spitälern, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen unterwegs, weil ich mich eben nicht darauf verlasse, was mir am Schreibtisch erzählt wird, sondern weil ich wissen möchte, wie es vor Ort ausschaut. Ich muss sagen: Ich war wirklich froh, dass sich dort engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tag und Nacht für die Menschen eingesetzt haben, die dort mit Corona gelegen sind. Ich sage Ihnen: Ich habe das nie unterschätzt, denn ich habe einfach gesehen, wie die Menschen ausschauen, die dort im Spital liegen. Wir


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wissen noch nicht einmal, wie das mit Long Covid ausschaut. Wenn sich jetzt zum Bei­spiel eine deutsche Ministerin outet und sagt, dass sie mittlerweile nicht einmal zwei Stufen steigen kann, weil sie immer noch Long Covid hat, dann kann man sich vorstellen, was da noch auf uns zukommen wird!

Ich kann mich an die Diskussion über das Impfen erinnern und dass manche auch in der Politik gesagt haben, dass das nicht notwendig ist. Ich kann Ihnen nur sagen: In Wien haben wir 100 Gemeinderäte beziehungsweise 100 Landtagsabgeordnete und 100 sind geimpft. Das ist auch richtig. Das ist gescheit! Dann sollte man aber den Leuten nicht sagen: Ihr braucht euch nicht impfen zu lassen. (Bundesrat Steiner: Das hat niemand gesagt!) Ich finde, es ist gut und richtig, dass man auf sich selber schaut, dass man aber auch auf die anderen schaut. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Niemand hat das gesagt! Wer hat das gesagt?)

Ich glaube, es ist auch gut, dass wir zeigen, dass wir eine sichere Stadt sind. Das ist auch der Grund dafür, dass wir jetzt wieder internationale Großkonferenzen nach Wien bekommen. (Bundesrat Steiner: Eine Lüge macht die Diskussion nicht besser!) Sagen Sie mir jetzt bitte, welche Lüge Sie meinen, wenn Sie das schon behaupten! (Bundesrat Steiner: Sie haben gesagt, dass wir gesagt haben: Ihr braucht euch nicht impfen lassen!) Habe ich jetzt gesagt, dass Sie das gesagt haben? (Bundesrat Steiner: Ja!) Ich habe gesagt, dass es gewisse politische Kräfte gegeben hat, und wir können uns viel­leicht doch erinnern, dass das der Fall war, oder nicht? (Bundesrat Steiner: Sie haben das gesagt! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Habe ich gesagt, dass Sie das waren? (Bundesrat Steiner: Ja! Da sitzt die Stenografin!) Ich habe gesagt, es hat politische Kräfte gegeben. Daran können wir uns schon erinnern, dass manche argu­mentiert haben, dass es mit einem Pferdeentwurmungsmittel auch geht. Das haben wir schon in Erinnerung, oder? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Das ist nicht die Unwahrheit. Das kann man nachlesen und nachschauen. (Bundesrat Spanring: Sollen wir nachlesen, dass Sie so einen Blödsinn verzapfen?)

Von daher glaube ich, dass es gut ist, dass wir jetzt wieder internationale Konferenzen nach Wien bekommen, weil die Menschen sich auch sicher fühlen. Die weltweit größte Radiologenkonferenz mit 1 000 Mitgliedern findet jetzt in Wien statt.

Das muss unser Ziel sein: die Menschen zu schützen. Das war mir immer das Wichtigste, es ist mir aber auch wichtig, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu schützen und sicher­zustellen, dass wir auch in der Wirtschaft mit den Unternehmen und mit den Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmern weiter funktionieren können. Das muss unser Ziel sein, und ich glaube, das ist uns weitgehend gelungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gäbe noch viele Stellungnahmen abzuge­ben. Ich möchte abschließend nur noch auf die Ausführungen meines früheren Kollegen Harald Himmer eingehen, der zu Recht darauf verwiesen hat, wie wichtig die Zusam­menarbeit in allen politischen Gremien ist. – Ich darf sagen: Ich habe in Wien mehrere Koalitionen verhandelt. Ich habe die ÖVP-Koalition 1996 mitverhandelt. Ich habe die Koalition mit den Grünen in Wien verhandelt, schon vorbereitet, noch mit absoluter Mehr­heit, aber mit rot-grünen Projekten. Ich habe über die Koalition mit den NEOS jetzt auch entschieden. Und ich kann nur sagen: Es hängt bei all diesen Gesprächen immer davon ab, wie die Wahlergebnisse sind. Das ist richtig. Eine Grundvoraussetzung ist das, was rechnerisch beziehungsweise arithmetisch möglich ist. Wichtig ist vor allem aber auch, zu beachten, wo es inhaltliche Überschneidungen gibt. Von daher ist es immer wichtig, sich auch Gesprächsebenen zu erhalten, die vielleicht in der Situation nicht klar erkenn­bar sind, die aber für die Zukunft unseres Landes von Bedeutung sind. Alleine aus die­sem Grund ist es, glaube ich, sinnvoll, immer darüber nachzudenken, welche Formen der Zusammenarbeit prinzipiell möglich sind.


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Ich habe es vorhin schon erwähnt: Politik ist kein Selbstzweck. Wir haben den Menschen in unserem Land zu dienen und immer die besten Möglichkeiten zu finden, wie wir politische Entscheidungen treffen, die für unser Land und für die Menschen in unserem Land von Relevanz sind. Von daher kann ich als Vorsitzender der Landeshauptleutekon­ferenz sagen, dass wir parteiübergreifend immer sehr stark den Zusammenhalt fördern, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir bald Finanzausgleichsverhandlungen mit der Bun­desregierung haben. (Heiterkeit des Bundesrates Schennach.)

Ich glaube, es müsste auch den Bundesrat interessieren, wie wir die Interessen der Bun­desländer gut durchsetzen. Von daher halte ich es für ganz wichtig, dass auf inhaltlicher politischer Ebene die Gesprächsbasis gut funktioniert. Unter uns gesagt: Man muss sich das Leben nicht noch schwieriger machen, nicht zwingend im persönlichen Dialog, in der persönlichen Auseinandersetzung - - (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Da hast du völlig recht: Da können sich alle Fraktionen an der Nase nehmen, die einen mehr, die anderen weniger. Ich glaube aber, prinzipiell wäre es für alle Fraktionen gut, das Inhaltliche in den Vordergrund zu rücken und nicht die oft weit ins Persönliche hi­neingehende Auseinandersetzung. Da gebe ich dir völlig recht. Ich habe aber im Bun­desrat die Diskussionskultur immer sehr geschätzt. (Bundesrat Steiner: Das ist lange vorbei!) Ich danke auch für die heutige Diskussion, die da und dort kontroversiell war, für mich aber trotzdem interessante Punkte mit sich gebracht hat.

Ich wünsche Ihnen für die heutigen Beratungen und vor allem auch für die weitere Zu­kunft des Bundesrates alles, alles Gute. – Viel Erfolg! Glück auf! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.55


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Landeshauptmann.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf bei uns im Bundesrat recht herzlich Herrn Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch begrüßen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

11.56.16Aktuelle Stunde


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Tierschutzstandards verbessern, Tierhaltung zukunftsfest gestalten“

mit dem Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten­schutz Johannes Rauch, den ich soeben begrüßt habe.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungs­weise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend eine Wort­meldung der Bundesräte ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.


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Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.57.26

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Only bad news are good news. Wir alle kennen das: Die Medien reiben sich an Konflikten und Streitereien und auch die Algorithmen in sozialen Medien reagieren stärker auf negative Kommentare als auf positive. Oft ist das auch in der Politik so: Gegensätze prallen auf­einander, das Gegenüber wird zerpflückt, und nicht immer sind die Methoden dabei zim­perlich.

Wenn ich mir das Themenfeld Tierschutz ansehe, dann kann ich feststellen, dass es auch dort sehr lange Zeit so war, dass schon fast traditionell zwei Lager einander ge­genübergestanden sind: auf der einen Seite die Tierschutzorganisationen und auf der anderen Seite die Nutztierbranche. Zumeist wurden dabei nicht gerade Freundlichkeiten ausgetauscht, und das Verständnis für die andere Seite hielt sich stark in Grenzen be­ziehungsweise war gar nicht vorhanden.

Seit dem Tierschutzvolksbegehren ist das spürbar anders geworden. 416 000 Menschen haben dieses unterschrieben, und es war damit das erfolgreichste Volksbegehren der letzten Jahre. Die österreichische Bevölkerung hat mit ihrer Unterschrift den Grundstein dafür gelegt, dass wir uns auf diesen breiten Prozess eingelassen haben und das auch tun konnten. Was danach entstand, war ein echter Dialog. Es wurde miteinander geredet und nicht übereinander. Ganz abgesehen von den inhaltlichen Ergebnissen, über die wir heute noch zu einem eigenen Tagesordnungspunkt sprechen werden und die uns dann zu good news führen werden, spreche ich auch jetzt schon von den good news. Dazu gehört in erster Linie die Art und Weise, wie miteinander konstruktiv an umsetzbaren Lösungen gearbeitet wurde. Das ist tatsächlich ein Aufbruch.

Alte, reflexartige Muster wurden hier überwunden, und getragen vom gegenseitigen Re­spekt und Verständnis für die anderen wurde ein neues Vertrauensverhältnis aufgebaut, das auch in Zukunft vieles möglich machen wird. Und wenn am Ende der Verhandlungen tatsächlich Visitenkarten zwischen VGT und LKÖ ausgetauscht werden, ist das doch wirklich historisch. Darauf lässt sich aufbauen, und es stimmt mich auch sehr zuversicht­lich, wenn ich an die weiteren Schritte im Tierschutz abseits des Nutztierbereiches den­ke, die wir dann im Herbst debattieren werden. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Es wurde konkret mit den betroffenen Betrieben, den Bäuerinnen und Bauern gespro­chen, es wurde mit den Tierschutzorganisationen gesprochen, es wurde mit den Tier­schutzombudspersonen gesprochen. Es wurden Rückmeldungen eingeholt. Es wird nicht ein Einzelinteresse verfolgt, sondern es werden Interessen von verschiedenen Sei­ten zusammengeführt. Nun liegt ein sehr gutes Paket vor, das uns entscheidend weiter­bringt. Wir legen eine gute Basis für mehr Tierwohl, für gute und qualitativ hochwertige Lebensmittel, für eine zukunftsfitte Landwirtschaft und für regionale Wertschöpfung. Da­mit hat die Umsetzung des Tierschutzvolksbegehrens begonnen.

Das ist aber nicht die einzige Initiative, die gemacht worden ist. Ich erinnere zum Beispiel auch an das Programm der nationalen Beschaffung, die Nabe. Dieses legt fest, dass in der öffentlichen Verpflegung stufenweise der Anteil an regionalen tierwohlgerechten und biologischen Lebensmitteln ausgebaut wird. Das ist ein ganz wichtiger Baustein, um den Absatz heimischer Qualität zu stärken. Was die Nabe betrifft, meine sehr geehrten Kolle­ginnen und Kollegen, sind natürlich auch die Bundesländer und die Kommunen gefor­dert, da nachzuziehen. Bestärken Sie Ihre Kommunen und Ihr Bundesland darin!


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Es gibt auch noch weitere Begleitmaßnahmen wie zum Beispiel das Programm Kalb rosé, bei dem wir gemeinsam mit der Gastronomie, mit dem Lebensmitteleinzelhandel versuchen, einen starken Markt für heimisches Kalbfleisch aufzubauen, um zu verhin­dern, dass Kälber ins Ausland transportiert werden, weil im Inland zu wenig Absatz ist.

Es gibt das Programm 1 Million Strohschweine, und es gibt mehrere Investitionsförder­schienen für Stallneubauten und -umbauten, die tierwohlgerechter sind. Allein aus dem Öpul gibt es in den nächsten fünf Jahren 1 Milliarde Euro für all diese Programme.

Wir stärken die Tierombudspersonen, und das ist – ich habe es schon erwähnt – eine ganz wichtige Sache. Das ist eben wichtig, weil wir in den Ombudsstellen sehr viel Ex­pertise und sehr viel Know-how haben, die Rahmenbedingungen aber durchaus noch Luft nach oben hätten. Da wird die Novelle – wir werden eh später noch dazu kommen – Verbesserungen bringen.

Im Tiertransportbereich braucht es permanent Kontrollen, gerade was die Transporte aus anderen Ländern betrifft. Mein Kollege – der jetzt leider nicht mehr hier ist, unser Experte für Landwirtschaft – Andreas Lackner hat mir berichtet, in der Steiermark gibt es diese regelmäßigen Kontrollen durch gut geschultes Personal der Exekutive unter Mit­arbeit von Tierärztinnen und Tierärzten. Ein weiterer Kollege – auch Experte für die Landwirtschaft –, unser EU-Abgeordneter Thomas Waitz, war unlängst sogar dabei, als in Spielfeld wieder einmal Missstände aufgedeckt wurden. Da helfen die besten Gesetze überhaupt nichts, wenn sie nicht angewendet werden.

Wir werden heute noch ein Paket debattieren, das eine Reihe von Verbesserungen für den Tierschutz bringen wird. Die aufsehenerregendste – weil sie eben von starker Sym­bolik begleitet ist – ist sicherlich die Tatsache – davon hat jeder schon gehört –, dass der Vollspaltenboden ein Ablaufdatum bekommt. Das ist wirklich ein Systembruch. Wir stellen den Zug auf ein anderes Gleis und fahren in eine andere Richtung. Der Fokus liegt dabei auf dem achtsamen Umgang mit der Natur und dem Tier – Qualität statt Masse nicht nur als Überschrift, sondern begleitet von einer Reihe von Maßnahmen als Pfad, den wir gemeinsam gehen.

Die Massentierhaltung erzeugt nicht nur Tierleid, sie ist auch kein Zukunftsmodell für die österreichische Landwirtschaft. Sie war nie zum Vorteil der bäuerlichen Betriebe und wird es auch nie sein. Nun gibt es eine Einigung, die eine Abkehr von diesem System einläutet. Das ist gut für die Tiere, das ist gut für die Bäuerinnen und Bauern, das ist gut für die Konsumentinnen und Konsumenten. Natürlich gibt es Übergangsfristen, denn es braucht klarerweise Planbarkeit und Planungssicherheit. (Bundesrat Schennach: Auch für den Preineder!)

Wir gehen nun in Österreich einen guten Weg, geprägt von ehrlichem Dialog, einem Aufeinanderzugehen. (Bundesrat Schennach: Na sehr ehrlich! Das wissen wir nicht!) Dass dieser respektvolle Umgang miteinander in ein Miteinander mündet, ist kein Zufall, und das wird sich auch in einem respektvollen Umgang mit den Tieren niederschlagen.

Zum Schluss noch die ganz gute Nachricht – wir haben es vorgestern auch schon im Ausschuss gehört –: Durch den heutigen Gesetzesbeschluss werden wir im europäi­schen Ranking beim Tierschutz künftig wieder ganz vorne sein.

Lassen Sie mich noch eine ganz kleine persönliche Anmerkung machen: Ich habe das alles heute als Vegetarierin erzählt, die das natürlich sehr respektiert, dass Menschen auch darauf angewiesen sind, gutes Fleisch zu essen. (Heiterkeit der Rednerin.) – Dan­ke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.)

12.05



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Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Schennach: Jetzt rück das alles zurecht, bitte!)


12.06.15

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Aktuellen Stunde „Tierschutzstandards verbessern, Tierhaltung zukunftsfest gestalten“ – ich möchte dazu ergänzen: Landwirtschaft zukunftsfest gestalten – ist ein Teil des Regierungspro­gramms, das mit dem Gesetz, das wir heute auch noch diskutieren und verabschieden werden, umgesetzt wird. Die Frau Kollegin hat es schon gesagt: Diese Änderung des Bundes-Tierschutzgesetzes wird uns wieder an die Spitze im Bereich des Tierschutzes bringen, weil es Anpassungen im Tierschutz, in der Tierhaltung und im Tiertransport ge­ben wird.

Wir wissen alle, dass gerade beim Thema Tiere, Tierschutz, Tierwohl sehr viel Emotion mitschwingt. Ja, es laufen die Vollspaltenböden aus (Bundesrat Schennach: Sie laufen ein bissl spät aus!), es wird die dauernde Anbindehaltung bei Rindern nicht mehr ge­stattet sein (Ruf bei der SPÖ: Lobau!), es wird der Tiertransport von Schlachtrindern in bestimmte Drittländer, bei denen man nicht weiß, wie dort Tierschutz gepflegt wird, ver­boten und auch der Handel mit Qualzuchttieren wird ausgeschlossen.

Aus der Sicht der Landwirtschaft muss ich schon sagen, dass die Schweinehaltung vor einer sehr großen Veränderung steht, weil mehr Tierwohl auch mit höheren Kosten und damit – das sollten wir auch ehrlich sagen – mit höheren Lebensmittelpreisen – wenn wir es ehrlich meinen – verbunden ist. Ich darf da einen besonderen Appell vor allem an die Tierschützer, an Tierschutzorganisationen und vielleicht auch an verdächtige Tier­schutzgruppen richten (Bundesrat Schennach: Verdächtig?!): Tierwohl ist auch heute schon am Markt erhältlich. Wenn Sie Biotierfleisch oder Produkte aus Biotierhaltung kaufen, dann können Sie sicher sein, da gibt es Auslauf, da gibt es artgerechte Fütte­rung, da gibt es ein entsprechendes Platzangebot. Es wurde auch schon gesagt, es gibt Programme wie beim Strohschwein, bei denen der Spaltenboden nicht vorkommt, und diese Schweine sind auch schon am Markt und im Angebot. Es gibt auch entsprechende Markenprogramme, teilweise auch von Handelsketten, bei denen spezielle Leistungen und spezielle Tierschutzleistungen geboten werden. (Ruf bei der SPÖ: Billa!)

Ich glaube, es wäre besser, das Preisdumping von Lebensmitteln aufzubrechen, statt in Stallungen einzubrechen; auch aus der Sicht der Landwirtschaft, denn wenn man manchmal Bilder aus Ställen sieht, muss man sagen, vieles ist nicht in Ordnung, bei manchem muss man aber auch sagen, dass hinter Tierleid auch Menschenleid steht. Wenn ein Betriebsführer krank wird (Zwischenruf bei der ÖVP) und er allein am Betrieb ist, dann wird die Betreuung der Tiere nicht in der erforderlichen Qualität möglich sein. Wenn ein Unfall passiert, dann fällt ein Mensch am Hof aus, und dann sollten wir auch dieses menschliche Leid vor das Tierwohl stellen und auch das, was dahintersteht, be­trachten. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Österreichs Landwirtschaft hat keine Großbetriebe. Österreichs Landwirtschaft hat auch keine Tierfabriken. Ich darf aus dem „Kurier“ vom gestrigen Tag zitieren (eine Ausgabe der genannten Zeitung in die Höhe haltend): „Warum Bauernhöfe weiter wachsen“: „Die heimische Landwirtschaft ist sehr kleinteilig strukturiert. Die Nutzfläche pro Agrar-Betrieb beträgt in Österreich weniger als die Hälfte der Nutzfläche in Deutschland. Nach wie vor dominieren Familienbetriebe. Das hat aber auch zur Folge, dass in Österreich teurer produziert wird. Das gilt auch für die Fleischproduktion. In Österreich sind es pro Bau­ernhof durchschnittlich 35 Rinder und 112 Schweine. In Deutschland sind es 85 Rinder und 1.300 Schweine. Es macht daher wenig Sinn, auf Massenproduktion und Preis­schlachten zu setzen.“


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Und es geht so weiter: „Auch Tierwohl kann ein zusätzlicher Kaufanreiz sein. Der Le­bensmitteleinzelhandel in Österreich und Deutschland setzt verstärkt auf Lebensmittel mit höheren Tierwohlstandards. Wieweit die Konsumenten mitziehen und für die höhe­ren Standards mehr zu bezahlen bereit sind, wird sich mittelfristig zeigen.“

Geschätzte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, das Auslaufen der Spaltenböden bringt mehr Tierwohl und bringt mehr Planbarkeit für die bäuerlichen Be­triebe, es bedarf aber auch einer entsprechenden Förderung durch Investitionsförderpro­gramme.

Ich bringe klar meine Sorge zum Ausdruck: Als Biobauer weiß ich, dass 75 Prozent der Konsumenten unterschreiben, dass sie mehr Bioprodukte haben wollen, und dass wir in Österreich bereits fast 25 Prozent unserer Anbaufläche biologisch bewirtschaften, davon aber nur 50 Prozent im Inland absetzen können. Ich kenne die Thematik vom Verbot der Käfighaltung für Legehennen, das wir 2015 umgesetzt haben, denn das hat letztlich zu einer Reduktion der Inlandsversorgung mit Eiern geführt. Wir kennen das Problem aus der Putenhaltung, bei der wir in Österreich vor Jahren ein größeres Flächenangebot für die Tiere geschaffen haben, womit aber die Inlandsversorgung gesunken und der Import gestiegen ist.

Was wir nicht wollen, ist, dass wir Tierleid exportieren und Billiglebensmittel importieren. Es ist gut, wichtig und notwendig, dass wir für eine faire Tierhaltung mit fairen Preisen einen Schulterschluss zwischen Konsumenten, NGOs und Bauern herstellen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.12


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster.


12.12.55

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Minister Rauch! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Zuseherin­nen und Zuseher vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Auf der Galerie möchte ich ganz herzlich meinen SJ-Vertreter aus dem Bezirk, Elias Hörzing, begrüßen – danke, dass du uns zuhörst! (Allgemeiner Beifall.)

Es brauchte ein Tierschutzvolksbegehren, um die Politik wachzurütteln. 416 000 Men­schen in Österreich haben aktiv bekundet, dass die geltenden Regelungen im Bereich Tierschutz aus ihrer Sicht unzureichend und dringend novellierungsbedürftig sind. Das ist ein Erfolg für die Initiatoren des Volksbegehrens und eine neue Chance für ein bes­seres Leben der Tiere in Österreich – ein herzliches Danke für euer Engagement! (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Tierschutz hat einen hohen Stellenwert in der österreichischen Gesellschaft, und das zu Recht. Es ist eine Wertehaltung, die den Respekt vor dem Lebendigen zum Inhalt hat. Unsere Haustiere, die Tiere in der Lebensmittelproduktion, in der Bekleidungsindustrie und die Wildtiere haben meiner Ansicht nach ein Anrecht auf ein artgerechtes Leben. Das Leben der sogenannten Nutztiere steht in letzter Konsequenz im Dienst unserer Ernährung, Bekleidung und so weiter. Respekt heißt ein artgerechtes, wenn auch meist kurzes Leben und ein achtsamer Umgang mit den tierischen Produkten.

Die Werbung gaukelt uns gerade bei der Nutztierhaltung ein idyllisches Bild vor. Fernab der Realität wird suggeriert, dass auch bei der Massentierhaltung alle ethischen Stan­dards eingehalten werden und die Konsumation von Produkten mit dem AMA-Gütezei­chen aus tierschutzrechtlicher Sicht durchwegs unbedenklich ist – ein Trugbild sonder­gleichen!


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Der Konsument hat ein Recht auf Tierwohlkennzeichnung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, wie das das Tierschutzvolksbegehren forderte, und dies sowohl im Handel als auch in der Gastronomie. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Bilder von verkoteten, mit schweren Atemwegserkrankungen kämpfenden Mastkälbern auf Spal­tenböden, Bilder von aussortierten Bullenkälbern der Hochleistungsmilchviehrassen, die lebendig über Ozeane verschifft werden, Bilder von den ausgemergelten Hochleistungs­kuhkadavern, die von der Tierkörperverwertung abgeholt werden, Bilder von durch Spal­tenböden verkrüppelten und dahinsiechenden Schweinen und so weiter bekommen wir nur durch Aufdeckungsjournalisten oder Dokumentationen von NGOs zu Gesicht – und sie schockieren.

Diese Bilder lassen nur erahnen, wie es in der industriellen Landwirtschaft zugeht. Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Verrohung im Umgang mit Tieren der Lebensqualität der handelnden Landwirte zuträglich ist. (Bundesrat Preineder: Das ist eine Geschichte!) Da es sich eher um einen Systemfehler als um Einzelfälle handelt, ist dringender Handlungsbedarf notwendig. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Es gibt – dafür bin ich dankbar – auch viele kleinstrukturierte bäuerliche Betriebe – wie es sie auch in meiner Gemeinde gibt –, die eine solche Praxis nicht leben. Sie gehen achtsam mit ihren Tieren und dem Boden um. Einen Vorteil ziehen sie daraus kaum; außer einem guten Gewissen, richtig zu handeln, bleibt ihnen nicht viel, denn das Förder­regime unterbewertet ihren gesellschaftlichen Beitrag – die Lobby der Kleinbauern ist einfach zu schwach. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Zaggl-Kasztner.)

Nun noch einmal zurück zum Thema Ihrer Aktuellen Stunde, Herr Minister, „Tierschutz­standards verbessern, Tierhaltung zukunftsfest gestalten“: Unter Tagesordnungspunkt 6 der heutigen Sitzung zeigen Sie, was Sie im Bereich Tierschutz und insbesondere tierge­rechter und zukunftsfähiger Landwirtschaft können. Ihre erste Gesetzesvorlage befindet sich in der Beschlussphase – eine Nagelprobe, wie Sie mit den Widerständen bestimm­ter Standesvertreter Ihres Koalitionspartners zurechtkommen. Medial wurde das Ergeb­nis ja schon einmal hochgejubelt, groß von einem Meilenstein gesprochen, die Vorreiter­position Österreichs betont – wieder einmal eine reine Inszenierung, perfekt hingelegt, ein trauriges Markenzeichen der türkis-grünen Koalition, das Bestand hat, egal wer die handelnden Köpfe sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, Herr Minister Rauch, ich rechne es Ihnen an, dass Sie die Bauernbundfraktion Ihres Koalitionspartners gefordert haben. Fordern ist das eine, Ergebnisse für den Tierschutz einzufahren, die im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Interessen der Agrarindustrie stehen, sind das andere. Aus sozialdemokratischer Sicht zeigt - - (Bundesrat Raggl: Agrarindustrie, genau, weil wir ein ganzes Land mit Agrarindustrie haben! – Bundesrat Preineder: Genau! Wissen Sie, was Agrarindustrie ist?! Fahren Sie einmal nach Hol­land! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie haben die Möglichkeit zu sprechen. (Bundesrat Raggl: Ich komme dann eh dran!) Genau, so ist es. (Ruf bei der ÖVP: ... keine Kritik vertragen! – Bundesrat Schennach: Er kommt eh dran, Herr Raggl ist schon notiert!) – Ich vertrage Kritik, keine Frage. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aus sozialdemokratischer Sicht zeigt Ihr Verhandlungsergebnis große Schwächen. Un­sere Kritik in aller Kürze: Bei der industriellen Schweinehaltung kommt es nur zu dürf­tigen Verbesserungen, viel Herz für die artgerechte Schweinehaltung kann ich beim besten Willen nicht entdecken. Bei den Vollspaltenböden sehen Sie den Leidensdruck nicht wirklich, denn eilig haben Sie es nicht. Die Richtlinien, wie die Ställe der Zukunft ausschauen sollen, sind noch nicht da, die werden erst ab 2028 einmal vorhanden sein – wer weiß das schon. Ab 2023 gibt es zwar neue Vorschriften, aber die werden nicht unbedingt den Regelungen nach 2028 entsprechen, und so weiter.

Sicherheit geben solche Gesetze nicht, sie sind eher ein Zeichen dafür, dass im Tier­schutz nichts weitergeht, und zukunftsfähig ist das schon gar nicht. Millionen von


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Schweinen – und hier habe ich ein Plakat mitgenommen (die Rednerin stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der unter der Überschrift „30 Jahre bis zum Ende des Vollspal­tenbodens“ Schweine auf Vollspaltenböden und ein Zeitstrahl abgebildet sind), das zeigt, um wie viele Millionen von Schweinen es sich hochgerechnet handeln könnte – werden weiterhin ihr Leben auf Vollspaltenböden fristen müssen. Nicht weniger halbher­zig verhält es sich bei der betäubungslosen Ferkelkastration und dem Schwanzkupieren. Auch der zugestandene Platz pro Schwein im Stall bleibt auf niedrigem Niveau. (Bun­desrat Preineder: Und warum essen Sie so was?) Vollspaltenbuchten bei Rindern blei­ben, dauernde Anbindehaltung bleibt bis 2030 erhalten.

Hier mein Appell: Unterstützen Sie die Kleinstbauern bei der Umstellung! Sie erbringen wertvolle Umweltdienstleistungen in unseren Dörfern, die unbezahlt sind und bis heute nicht in Wert gesetzt werden. (Zwischenrufe der Bundesräte Raggl und Preineder.)

Laut Entwurf sollen Kälber künftig statt ab einem Alter von zwei Wochen ab drei Wochen transportiert werden dürfen. Das ist aber noch viel zu jung, da die Tiere zu diesem Zeitpunkt noch auf Milchnahrung angewiesen sind. Herr Minister, was hier auf dem Tisch liegt, ist uns zu wenig, das bringt uns beim Tierschutz nicht wirklich weiter! Wir stimmen dieser Marketinggeschichte nicht zu.

In Bezug auf meine Vorrednerin möchte ich noch erwähnen, dass ich bei Punkt 6 auf die demokratiepolitisch bedenkliche Situation bei der Gesetzwerdung eingehen werde und sehr wohl infrage stelle, dass es einen offenen und ehrlichen Dialog gegeben hat. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.21


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.21.58

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig uns Österreichern der Tierschutz ist, zeigen ja die Ergebnisse der zwei letzten Tierschutzvolksbegehren. Das von Herrn Bohrn Mena wurde von 416 000 Menschen unterstützt und das vom freiheitlichen Lan­desrat Waldhäusl sogar von stolzen 426 000 Bürgern.

Es ist daher durchaus zu begrüßen, Herr Minister, dass Sie, jetzt mittlerweile der dritte Gesundheitsminister in dieser Legislaturperiode, die lang überfällige Novellierung oder Reformierung des Tierschutzgesetzes jetzt vorantreiben. Dennoch kann ich dieser No­velle leider kein gutes Zeugnis ausstellen, weil die Verbesserungen, die darin enthalten sind, für mich, für meinen Geschmack sehr halbherzig sind. Es sind Punkte dabei, die unterstützenswert sind; aber die Mehrzahl der Punkte ist leider nicht zu unterstützen, ist ihre Umsetzung doch halbherzig und mutlos.

Der Ursprung dieser Gesetzesnovelle liegt ja im vorletzten Tierschutzvolksbegehren. Auch ich habe dieses Volksbegehren, wie auch das zweite von Landesrat Waldhäusl, aus voller Überzeugung unterschrieben, weil es sehr ausgewogen ist, weil es keine Sündenböcke in Form der Bauernschaft sucht, sondern praktikable, umsetzbare Lö­sungsvorschläge unterbreitet hat. Stattdessen bleiben in dieser Reform jetzt viele Punkte offen. Die Bestimmungen zur Qualzucht sind auch nach dieser Novelle einfach schwam­mig und die Paragrafen sehr dehnbar. Statt ein rigoroses Verbot der Qualzucht in den Gesetzestext aufzunehmen, lässt man so viel Spielraum für diese Art von Tierquälerei, das wäre eigentlich nicht notwendig gewesen.

Ich habe schon gehört: Ausstieg aus Vollspaltenböden – jawohl, das klingt gut, das wollen alle, wir alle wollen das; aber Sie werden es bis 2040 nicht schaffen, denn es gibt weder einen Plan noch konkrete Zahlen für diese Umstellung (Bundesrat Schennach:


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Ja!), und Sie lassen bei diesem Thema die Bauern schlicht und ergreifend im Regen stehen. Darüber hinaus werden die Landwirte, die Bauern in dieser Frage als Sünden­böcke dargestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Allein in den letzten 20 Jahren haben zwei Drittel der Bauern ihre Betriebe eingestellt, weil die Auflagen immer strenger wurden (Bundesrat Raggl: Selber unterschrieben, dass es strenger wird, oder?) und es für die Landwirte kein Auskommen mit dem Einkom­men mehr gibt. Gerade in Zeiten wie diesen, gerade jetzt spüren wir das so deutlich und haben das so deutlich vor den Augen, gerade in Zeiten wie diesen müssen wir froh sein über jeden einzelnen Bauern, über jeden einzelnen Landwirt, der uns mit regionalen Le­bensmitteln versorgen kann. Wir werden sie noch bitter brauchen, die Bauern. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt eh nicht mehr viele, es werden immer weniger Bauern und Landwirte in diesem Land, und auch Schweinebauern gibt es eh schon fast keine mehr. Gerade diese bräuch­ten Planungssicherheit in diesen Fragen. In Österreich werden unsere landwirtschaftli­chen Betriebe Stück für Stück ruiniert, aber gleichzeitig importiert man landwirtschaftli­che Produkte und holt Fleisch aus dem Ausland, weil man die eigene Landwirtschaft kaputtmacht. Das ist ja grotesk, das muss nicht sein und das darf nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Was mit dieser heutigen Novelle auch noch daherkommt, was auch alle Österreicher bitter spüren werden: dass es zu einer eklatanten weiteren Verteuerung für die Konsu­menten kommen wird. Herr Minister, diese schwarz-grüne Bundesregierung darf nicht schon wieder über alles und jeden drüberfahren! Alle Anträge von der Opposition sind abgewürgt worden. Im Begutachtungsverfahren sind die Stellungnahmen großteils igno­riert und viele Dinge einfach ausgelassen worden.

Ich habe im Ausschuss nachgefragt: Wie schaut es denn mit dem Haustierbereich aus, warum sind die Haustiere in dieser Novelle nicht drinnen? Da hat es geheißen: Ja, das kommt dann irgendwann, wahrscheinlich im Herbst – oder vielleicht nicht. Warum hat man das aber jetzt nicht gleich in diese Novelle einfließen lassen? Das verstehe ich wirklich nicht, warum man da unnötiges Tierleid verlängert.

Mit Ihnen, Herr Minister Rauch, haben wir den dritten verantwortlichen Minister, der seiner Verantwortung für den Tierschutz, wie jetzt die Novelle zeigt, wieder nur zu einem kleinen Teil nachkommt. Das ist Klientelpolitik, was da betrieben wird, aber sicherlich nicht diese große Reform, die wir eigentlich im Tierschutz bräuchten.

Ein großer Kritikpunkt von uns Freiheitlichen ist, dass das Verbot von Lebendtiertrans­porten zu Schlachtzwecken immer noch nicht umgesetzt ist. Das von FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl initiierte Volksbegehren, das ich vorhin schon erwähnt habe, wurde von 426 000 Menschen unterzeichnet, und diese Unterstützer kommen sich mit diesem vorliegenden Gesetzentwurf ein bisschen verschaukelt vor. Keine Spur davon, dass sich bei diesem Lebendtiertransport Grundlegendes geändert hätte! Was hat sich geändert? Es sind lediglich die Transportzeiten ein bisschen verkürzt worden, und bei Verstößen sind die Strafen ein wenig erhöht worden. Diese schwarzen Schafe unter den Transport­unternehmern zahlen das aus der Portokassa, so gering ist die Erhöhung dieser Strafen! (Beifall bei der FPÖ.)

Das Ziel muss sein – und da arbeiten ja wir Freiheitliche darauf hin, und ich hoffe, wir haben dann irgendwann einmal von allen Unterstützung –, dass Lebendtiere zu Schlachtzwecken nur noch bis zum nächstgelegenen Schlachthof transportiert werden dürfen! Jedem Fleischesser – ich bin eine Fleischesserin! – muss doch das Herz bluten, wenn man weiß, dass für das Fleisch auf meinem Teller Tiere stundenlang, wochenlang durch Europa gekarrt werden. Man kann ruhig im nächstgelegenen Schlachthof die Tiere schlachten und als Schlachtvieh zu den Konsumenten in die Länder bringen.


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Ich appelliere auf jeden Fall an diese schwarz-grüne Regierung, beim Tierschutz mehr Mut zu zeigen. Es ist klar, dass man für Fortschritt ein bisschen Geld in die Hand nehmen muss, aber das ist möglich, wie das Beispiel Corona zeigt; da waren die Millionen und die Milliarden ja schon fast egal. Daher appelliere ich an Sie und an die schwarz-grüne Regierung: Nehmt Geld in die Hand und unterstützt damit die Landwirte, damit wir einen schnelleren Ausstieg aus den Vollspaltenböden erreichen! – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

12.29


Vizepräsident Günther Novak: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Ich erteile es ihm. Auch seine Redezeit sollte 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.


12.29.27

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich werde mich an die Redezeitbeschränkung halten.

Folgendes zur Einordnung in dieser ganzen Debatte rund um Tierschutz, Landwirtschaft, Konsumentinnen, Konsumenten, auch steigende Verbraucherpreise: Wir haben die Si­tuation, dass es auf der einen Seite die Produzentinnen, Produzenten gibt, das sind die Bäuerinnen und Bauern. Dann gibt es die Konsumentinnen und Konsumenten, und in der Mitte ist der Lebensmitteleinzelhandel. Auch über den werden wir reden müssen, über die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels in diesem Dreieck.

Das ist ein Spannungsfeld, das sich seit vielen Jahren auftut, weil sich Österreich erstens in einem europäischen Markt bewegt – die Importe sind angesprochen worden –, unsere Landwirtschaft zweitens kleinstrukturiert ist und das natürlich Folgen für die Rahmen­bedingungen hat, zu denen produziert wird, auch von der Preisseite her. Es gibt aber unterschiedliche Branchen, auch in der Landwirtschaft, und unterschiedliche Innova­tionsfähigkeiten und Bereitschaft.

Die Geflügelbranche hat sehr früh erkannt, dass sich Käfighaltung nicht mehr ausgeht. Die Kennzeichnungspflicht für Eier, die sehr klar ist und Kategorien folgt, hat dazu beige­tragen, dass Konsumentinnen und Konsumenten sich auskennen. Die Geflügelbranche gehört heute zu den innovativsten im landwirtschaftlichen Bereich.

In der Milchviehhaltung beginnt sich Ähnliches abzuzeichnen, weil auch da Bäuerinnen und Bauern erkannt haben: Es geht sich einfach nicht mehr aus, entlang der Konkurrenz am europäischen Markt immer noch mehr Milch zu produzieren und dafür immer weniger bezahlt zu bekommen. Das funktioniert so nicht. Sie haben angefangen, mit Direktver­marktung, Diversifizierung der Produktpalette, der Züchtung von Fleisch- und Milchras­sen und Ähnlichem mehr einen innovativen Weg zu beschreiten, um die Transformation hinzubekommen.

Die Schweinebranche bekommt die Rahmenbedingungen jetzt auch, nämlich mit der Klarheit: Die Vollspaltenbuchten sind nicht mehr erlaubt, im Neubau und in der Sanie­rung ab 1. Jänner 2023, und die bestehenden haben mit der Übergangsfrist auszulau­fen – deren Länge kritisiert wird, das habe ich schon verstanden; aber wenn selbst der Verein Gegen Tierfabriken uns konzediert, mit diesem Enddatum einen epochalen Schritt gesetzt zu haben, dann kann es nicht ganz verkehrt gewesen sein. (Beifall bei den Grünen.)

Insofern halte ich das schon für einen ganz bedeutenden Schritt. Der Weg ist damit klar vorgezeichnet. Wir haben uns auch mit Vertretern der Schweinebranche zusammenge­setzt und ihnen vermittelt – Kollege Totschnig und ich –: Da wird es natürlich Übergangs­hilfen geben, da wird es Förderungen geben, auch für den Umbau, und auch die Gewiss­heit, jetzt Klarheit zu haben, wie man diese Transformation zustande bekommt.


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Jetzt bin ich beim dritten Player im Spiel, dem Lebensmitteleinzelhandel. Es war mir ein großes Anliegen, mich mit der Branche zusammenzusetzen und über eine Kennzeich­nungspflicht zu reden, weil ich schon auch eine Verpflichtung beim Lebensmitteleinzel­handel sehe, da mitzuziehen, und es nicht so sein kann, dass auf der ProduzentInnen­seite die Preise mit der Drohung gedrückt werden, dass die Produkte sonst ausgelistet werden, und auf der KonsumentInnenseite der Preisdruck immer weiter nach oben geht. Das ist eine Verpflichtung des Lebensmitteleinzelhandels. Die Gastronomie bei der Her­kunftskennzeichnung mitzunehmen gehört auch dazu. Wenn jetzt die Tierschutzorgani­sationen beginnen, auf den Lebensmitteleinzelhandel Druck auszuüben, dass sich da etwas bewegt, dann halte ich es – um das beim Namen zu nennen – für eine sehr schlechte Idee, wenn Spar jetzt den VGT klagt und nicht den Dialog sucht. Das wird nur möglich sein und gelingen, wenn alle drei, nämlich Produzentinnen und Produzenten, der Lebensmitteleinzelhandel und auch die VertreterInnen der Konsumentenseite, sich gemeinsam an einen Tisch setzen und nach Lösungen suchen. Sich wechselseitig zu klagen oder Klagsdrohungen zu platzieren, das halte ich für den falschen Ansatz.

Letzter Punkt – der Vergleich: Es ist uns vorgeworfen worden, das sei ein Marketinggag und im europäischen Vergleich gar nicht haltbar. Das stimmt bei der Schweinehaltung überhaupt nicht. Wir sind damit unter den top drei, Schweden ist das einzige Land in ganz Europa, das schon jetzt ein komplettes Verbot von Vollspaltenbuchten hat. Teil­weise gibt es ein solches in Dänemark und der Schweiz – und das war es dann. Das war es dann! Also das ist im europäischen Vergleich eine Spitzenposition, da brauchen wir uns ganz sicher nicht zu verstecken, und ich glaube, damit ist ein Weg vorgezeichnet, auf dem im Übrigen über die Begleitprogramme der AMA Umstiegsmöglichkeiten und Fördermöglichkeiten bereits ab 2023/2024 angeboten werden, wodurch das auch deut­lich schneller auf den Weg kommen wird. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.34


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Dr. Peter Raggl. Ich erteile ihm das Wort.


12.34.53

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätztes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich ein bisschen auf Kollegin Lancaster replizieren. Was Sie da machen, ist genau das, was Kollege Preineder angesprochen hat: Einzelfälle herausnehmen, verallgemeinern und die Landwirtschaft, aber auch Branchen innerhalb der Landwirtschaft schlechtmachen – was wir eigentlich sehr verurteilen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Zu Kollegin Steiner-Wieser möchte ich auch ausführen – jetzt ist sie leider nicht da –: Sie muss sich schon entscheiden. Zuerst unterschreibt sie das Volksbegehren, zwei Volksbegehren, in denen zum Beispiel Beschränkungen beim Tiertransport gefordert werden, die es einem Tiroler Landwirt – unter ihnen sind sehr erfolgreiche Züchter – ver­bieten würden, das Produkt zu einem guten Preis zum Beispiel ins benachbarte Südtirol zu verkaufen. Dann sagt sie wieder, wir nehmen den Landwirten alle Möglichkeiten weg (Bundesrat Steiner: Da geht es um die Schlachtung!), etwas zu verdienen, und be­schwert sich über neue Regelungen, die die Landwirte natürlich in ihrer Produktion ein­schränken. Da sollte man sich entscheiden, wohin man will; auf beiden Seiten, auf allen Hochzeiten tanzen ist sehr, sehr schwierig. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)


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Was die Struktur in der österreichischen Landwirtschaft betrifft: Wir sind kleinstrukturiert, wir haben familiengeführte Betriebe, und ich glaube, es ist im tiefsten Interesse jedes Landwirts, gesunde, vitale Tiere zu haben, denn mit diesen Tieren will er sein Geschäft machen und wirtschaftlich arbeiten.

Die Tierschutzstandards verändern sich in vielen Bereichen. Es ist schon angesprochen worden: Der Geflügelbereich hat das sehr früh erkannt, das ist auch gut so, denn es liegt wie gesagt natürlich im Kerninteresse jedes Landwirts, gesunde Tiere zu haben. Auf dem Weg zu mehr Tierwohl braucht der Landwirt aber auch die Unterstützung vor allem der Konsumenten, die auch bereit sind, für höhere Tierschutzstandards, die natürlich die Produktion verteuern, mehr zu bezahlen. Es liegt an uns allen, dass wir das tun, sonst geht es sich für die Bauernfamilien nicht aus.

Auch was die Investitionen betrifft – es ist vom Herrn Bundesminister schon angespro­chen worden, und ich bin sehr froh, dass er das auch so sieht –: Es braucht auch da Unterstützung, alternativ gehen die Stalltüren zu. Wir wissen, was die Folgen sind: Dann kommt Importware aus Ländern, von denen wir nicht wissen, wie dort produziert wird, und wo das auch nicht nachvollziehbar ist. Wir müssen an die vergleichbaren Abhängig­keiten in der Energiekrise von Gas und Öl denken und aufpassen, dass wir nicht so bald in eine weitere Abhängigkeit bei der Lebensmittelproduktion kommen.

Wir wissen: Die österreichische Landwirtschaft ist derzeit noch gut aufgestellt, wir kön­nen die Versorgungssicherheit in unserem Land gewährleisten. Daher: Steht zu den Landwirten! Wir machen den Tierschutz mit, er muss aber mit Augenmaß und Hausver­stand passieren, und die Landwirte müssen die Möglichkeit haben, umzustellen und zu reagieren. (Beifall bei der ÖVP.)

5 Minuten sind zwar kurz, aber jetzt darf ich als Tiroler im Zusammenhang mit dem Tier­schutz noch ein ganz spezielles Thema ansprechen, auch in Anwesenheit des Herrn Bundesministers. Herr Bundesminister, in Tirol, aber auch in Kärnten, das sind heuer die hauptsächlich betroffenen Länder, vergeht kaum ein Tag, an dem uns nicht Berichte über Wolfs- und Bärenrisse erreichen. Es sind Berichte und grausamste Bilder. In der Regel ist es bei so einem Riss leider nicht nur ein Schaf, das angegriffen wird, es sind meistens fünf bis 15 Schafe, auch Kälber hat es schon getroffen. Von diesen Schafen ist in der Regel vielleicht eines tot, aber sieben, acht sind schwerst verletzt. Denen fehlen Gliedmaßen, denen fehlen ganze Körperteile, Eingeweide hängen heraus; diese Schafe werden häufig erst nach Stunden gefunden und müssen dann mit einem Gnadenschuss erlöst werden. Die Tiere leiden, bevor sie erlöst werden.

Ich verstehe nicht, wie Tierschützer hier mit unterschiedlichem Maß messen können! Der Wolf ist das Maß aller Dinge, der Bär natürlich auch, und das Tierleid, das in vielen anderen Bereichen angeprangert wird – vielleicht auch zu Recht angeprangert wird –, spielt hier keine Rolle, mit der Ausrede: Das ist Natur. Dieses Tierleid ist aber extrem und kann so nicht mehr länger hingenommen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Steiner.)

Wir kennen auch die Entwicklung: Die FFH-Richtlinie hat vor 30 Jahren den Wolfsschutz über alles gestellt. Vielleicht damals vollkommen richtig, der Wolf war vom Aussterben bedroht. Die FFH-Richtlinie hat gewirkt, es gibt in der Zwischenzeit mehr als 25 000 Wöl­fe in Europa, und die vermehren sich pro Jahr um 30 Prozent, also exponentiell. In drei Jahren - -


Vizepräsident Günther Novak: Bitte zum Schluss zu kommen, Herr Bundesrat!


Bundesrat Dr. Peter Raggl (fortsetzend): Wenn wir hier nicht mit einem Wolfsmanage­ment eingreifen, das bedeutet, dass wir die Anzahl regulieren, dann sehe ich für die alpine Weidehaltung, die ja eine besonders tiergerechte Form der Weidehaltung ist, ehr­lich gesagt schwarz.


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Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich bitte Sie: Helfen Sie uns beim Einsatz eines grenzübergreifenden Wolfsmonitorings und eines Wolfsmanagements! Wir dürfen Öster­reich da nicht alleine betrachten, es gibt so viele Wölfe im Alpenraum. Bitte helfen Sie uns dabei, dass wir da zu einem Reglement kommen, sonst sehe ich schwarz für die alpine Landwirtschaft! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.41


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat David Egger. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.41.19

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Tierschutzstandards verbessern – ja, natürlich. Die Haltung zu verbessern und auch die Transportbedingungen zu verbessern, das muss unser gemeinsames Ziel sein. Die Frage, warum wir da jetzt noch 17,5 Jahre darauf warten, ist aber schon be­rechtigt. Die Übergangsfrist ab 2040 wird immer so nett dargestellt und schöngeredet, aber das hat der VGT schon auch kritisiert, so ehrlich muss man sein. Man muss sich das einmal vorstellen: Über 2040 hinaus besteht bei dieser schwammigen Gesetzge­bung schon auch noch die Möglichkeit von Vollspaltenböden.

Das muss man sich einmal in Zahlen vorstellen: Das sind über 30 Generationen an Schweinen, die auf kalten Betonböden stehen müssen, das sind über 100 Millionen Schweine, die unter diesen Bedingungen leben müssen – oder überleben müssen. Das ist eine Niederlage für den Tierschutz, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das muss einmal in aller Deutlichkeit so gesagt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Den Grünen, dem kleineren Koalitionspartner in der Regierung, glaube ich von ganzem Herzen, dass ihnen der Tierschutz am Herzen liegt. Aber Sie müssen sich halt auch im Klaren sein, dass Sie mit den Vollspaltenbödenvertretern in der Regierung sitzen, der ÖVP nämlich, meine lieben Grünen, das ist auch ganz klar. Mir kommt es ein bisschen so vor, dass dieses Gesetz eher die Lobbyistinnen und Lobbyisten der Großbetriebe verhandelt haben als die Landwirtschaftssprecherinnen oder Landwirtschaftssprecher der Regierungsparteien oder deren Tierschutzsprecher. (Bundesrat Gfrerer: Wir haben keine Großbetriebe! – Bundesrat Preineder: Es gibt keine Großbetriebe, darum gibt es auch keine Vertretung der Großbetriebe!)

Dr. Christoph Winckler, der ist Ihnen sicherlich bekannt, er ist Nutztierwissenschaftler an der Boku, hat gesagt: Das Gesetz ist ein erster Schritt – das sagen auch wir von der SPÖ –, aber für das Tierwohl ist es kein großer Wurf. Da dieses Gesetz schwammig ist, hätten wir uns als SPÖ schon vorgestellt, dass den Landwirtinnen und Landwirten, den ehrlichen Bauern, ein Gesetzesbaukasten in die Hand gegeben wird, mit dem sie auch etwas anfangen können, der ihnen sagt, wie in Zukunft ein Schweinestall auszusehen hat, und sie dabei auch wirklich ordentlich unterstützt.

Weil heute die Kleinbetriebe, die kleinstrukturierte Landwirtschaft und die Familienbe­triebe so hervorgehoben worden sind: Da muss man schon einmal hinterfragen, ob es der ÖVP wirklich so sehr um diese Kleinbetriebe geht, denn die Kleinbetriebe brauchen ja auch Flächen. (Bundesrat Preineder: Was ist ein Kleinbetrieb und was ist ein Groß­betrieb?) Nur: Gestern steht in der Zeitung, einer großen Tageszeitung: 18 000 Betriebe sind verschwunden, und die Flächen sind von den Großen gefressen worden. (Bundes­rat Raggl: Weil sie mit den Auflagen nicht mehr mitkönnen!) 18 000 Betriebe sind ver­schwunden. Da muss man schon hinterfragen: Wen unterstützt die ÖVP, wenn diese Flächen verschwinden? (Bundesrat Bader: Die Flächen verschwinden nicht! – Bundes­rat Gfrerer: Die Flächen bleiben schon da! Schwarzes Loch, oder wie?) Die verschwin­den nämlich nicht nur zu den Großbetrieben, auch zu den Investoren, und der Tiroler


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Kollege Raggl wird genau wissen, zu welchen Investoren, nämlich zu den Immobilien­spekulanten; zu den Freunden der ÖVP verschwinden diese Flächen oft einmal, die dann Chalets draufstellen! (Bundesrat Preineder: Es verschwinden überhaupt keine Flächen! Sie gehören nur wem anderen!)

Ich berichte einmal: Verkauf einer Landwirtschaft, diese gehört mittlerweile einem Bau­unternehmer, auf der Fläche entstehen zurzeit Chalets. So ehrlich meinen Sie es mit den Familienbetrieben, mit den ehrlichen kleinen Landwirten in diesem Land. Eine 1,5 Hektar große Wiese – neun Jahre später war plötzlich die Lebensgefährtin eines No­tars die Eigentümerin, wahrscheinlich eine Landwirtin, aber das werden wir noch klären müssen. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger. – Bundesrätin Eder-Gitschtha­ler: Das ist nicht das Thema Tierschutz!)

Dann müssen Sie mir einmal erklären, wie ein Immobilienspekulant in Mauterndorf im Lungau an 1,5 Hektar grüne Wiese kommen kann. Das sind die Wiesen, die eigentlich den Bäuerinnen und Bauern zustehen, das muss man ganz klar sagen. (Bundesrat Preineder: Weil es kein Bauer mehr kaufen kann!) Was ist die Konsequenz einer Schirmherrschaft der ÖVP? – Der Ausverkauf der Heimat. Das schwächt auch die kleinen Betriebe, die Familienbetriebe, die Landwirtinnen und Landwirte (Beifall bei der SPÖ), die es ehrlich meinen mit dem Tierwohl und die es ehrlich meinen mit den Pro­dukten.

Liebe ÖVP, einmal Hand aufs Herz: Bei euch heißt es nicht mehr: Bauernland in Bau­ernhand, bei euch heißt es: Bauernland in Spekulantenhand! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

12.45


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm das Wort.


12.46.06

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Herr Minister Rauch hat sich das Thema „Tierschutzstandards verbessern, Tierhaltung zukunftsgerecht gestal­ten“ ausgesucht. Am Anfang habe ich mir gedacht: Ernsthaft? Haben wir nicht andere und weit schwerwiegendere Probleme? Nicht, dass man das jetzt runterreden soll, über­haupt nicht, Tierschutz ist wichtig, gar keine Frage; aber man sollte halt auch ein biss­chen eine Balance finden, und das ist schon ein wenig schwierig.

Ich weiß schon: Die ÖVP muss heute die Zähne zusammenbeißen, dass sie bei diesem Tierschutzpaket die Hand hebt, mir ist das durchaus bewusst. Den Grünen ist es weit zu wenig, der Minister feiert sich ab und sagt: Super, bärig, toll ist das alles geworden, ein paar grüne Fundis haben wir jetzt beruhigt, die sind jetzt einmal für die nächsten drei, vier Jahre ruhiggestellt. Die ÖVP kann es irgendwie hinnehmen, und die Koalition ist über ein, zwei Monate hinaus wieder ein bisschen gerettet. (Bundesrat Schreuder: Also Filzmaier wirst du keiner!) Na ja, man kann es so hinnehmen, ich will es nicht ganz schlechtreden, Herr Minister Rauch, überhaupt nicht; ein, zwei Dinge sind schon dabei, die man durchaus positiv sehen kann.

Aber die andere Geschichte, Vollspaltenböden, ist eh schon angesprochen worden. Das ist schwierig. Wenn man das Ziel ausgibt: Vollspaltenböden bis 2040 abzuschaffen, aber keine klaren Ansagen macht, wie das vonstattengeht, wie das der Landwirt machen soll, wie er das stemmen soll, wie er das auch finanzieren soll – hilft der Bund, oder muss das der Landwirt dann alleine machen? –, dann sind wir wieder da, dass der Landwirt keine Lösung mehr sieht. Der will ja den Betrieb nicht verkaufen, Herr Egger, der will nicht verkaufen, kann aber oft nicht anders, weil er mit dem Rücken zur Wand steht nach 35 Jahren ÖVP-Landwirtschaftsministern, das muss man schon auch dazusagen. (Bei­fall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Egger.)


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Das muss ich noch richtigstellen, Herr Kollege Raggl: Es geht um die Lebendtiertrans­porte zu Schlachthöfen in diesem Tierschutzvolksbegehren (Bundesrat Raggl: Wald­häusl hat Zuchtvieh auch dringehabt!), um nichts anderes ist es gegangen. Und das ist das, was uns am meisten stört: Diese Lebendtiertransporte über Zigtausende Kilometer sind nach wie vor möglich. Das ist der Wahnsinn! (Zwischenruf des Bundesrates Prein­eder.) Und dann importieren wir diese Tiere aus Qualzuchten auch noch nach Öster­reich, das ist nämlich die Oberfrechheit, da müsste ja der ÖVP-Bauernbund schon längst aufstehen und sagen: Wir importieren Tiere aus Qualzucht und hauen ihnen den AMA-Gütestempel rauf (Bundesrat Köck: Das stimmt nicht!) und schreiben drauf: Geprüfte Qualität – Austria. Das ist ja ein Wahnsinn! (Bundesrat Preineder: Qualzucht ist woan­ders, Herr Kollege! Qualzucht ist bei Hunden!) Aber das ist die ÖVP-AMA, wie sie leibt und lebt, wir kennen sie. (Beifall bei der FPÖ.)

So gibt es halt ganz wenig, was man bei der Aktuellen Stunde abfeiern kann, Herr Rauch.

Eigentlich habe ich etwas ganz anderes vorbereitet, aber weil Kollege Raggl das Thema Wolf angesprochen hat, muss ich schon noch etwas dazu sagen. Die Risse von Wolf und Bär: Vor Kurzem ist wieder ein Video herumgegeistert, wo die Kuh gerissen worden ist: brutalst! (Bundesrat Preineder: Da geht es jedem Schwein auf Vollspaltenboden gut!) Also wenn man sich das anschaut: Jedem, der nur ein bisschen ein Gefühl für Tiere hat, kommen da fast die Tränen. Wenn sich dann Grüne hinstellen und sagen: Das ist die Natur, das ist normal!, dann weiß ich nicht, was in euren Köpfen los ist! Das weiß ich schon länger nicht mehr, insbesondere seit Corona, aber gut, das habe ich vorher auch nicht gewusst. Das ist furchtbar, was ihr da einfach hinnehmt!

Die ÖVP in Tirol schafft es auch nicht, eine ordentliche Stellungnahme abzugeben. Mir ist schon bewusst, dass das nicht allein in Tirol zu lösen ist, na logisch; aber wenn sich dann – und das ist ja das Skurrile bei der ÖVP, das macht mich immer ganz narrisch – Bauernbundvertreter und Landeshauptmannstellvertreter Geisler, der ja für die Wolf- und Bärenpartie zuständig wäre, auf dem Landhausplatz hinstellen, um gegen sich sel­ber zu demonstrieren, dann ist das an Skurrilität (Zwischenruf des Bundesrates Raggl) – seid mir nicht böse, liebe ÖVP! – nicht zu überbieten. (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht die Freiheitlichen haben die Grünen in die Landesregierung in Tirol geholt. Das war die ÖVP ganz allein. Ihr stellt euch dann hin und sagt: Mit den Grünen ist es halt so schwierig! – Wir haben euch nicht angeschafft, mit den Grünen in eine Landesregierung zu gehen! Wir haben nie gesagt, dass ihr das tun sollt. Wir haben Platter auch nicht gesagt, er muss den Wahnsinn nach dem ersten Mal wiederholen. Ein Wahnsinn, nach den ersten fünf Jahren schwarz-grünem Wahnsinn noch einmal fünf Jahre draufzulegen! Na gut, jetzt waren es eh keine fünf Jahre mehr, sondern nur noch viereinhalb. Gott sei Dank! (Zwischenruf des Bundesrates Raggl.)

Das ist halt immer das Skurrile bei der ÖVP: In den Reden sagen Sie, der Wolf muss weg, und wenn Sie dann dran wären mit Handeln, demonstrieren Sie am Landhausplatz, demonstriert der eigene zuständige Landesrat gegen sich selber. Also das ist an Ver­rücktheit und Skurrilität nicht zu überbieten!

Nichtsdestotrotz, und das will ich noch anbringen – ich sehe, die Lampe leuchtet schon wieder –: Herr Rauch, Aktuelle Stunde heißt eigentlich, man muss aktuelle, brennende Themen behandeln. Also das wäre mein Zugang zu einer Aktuellen Stunde, und ich glaube, wir haben momentan wirklich weit, weit gröbere Probleme, sei es die katastro­phale Sanktionspolitik, die uns den ganzen Wahnsinn mit der Teuerung jetzt noch ganz massiv einbrocken wird, sei es diese Frau Energieministerin Gewessler, die ja völlig außer Rand und Band geraten ist und der wir den ganzen Wahnsinn noch bis weit nach dem Herbst und weit noch in den Winter hinein zu verdanken haben, sodass es dann irgendwann heißt: Frieren für den Frieden! Das wird der Ukraine ganz viel nützen; aber am allerwenigsten nützen wird es der österreichischen Bevölkerung, und die wird euch


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hoffentlich einmal richtig abstrafen. In Tirol haben wir die Chance am 25. September. (Beifall bei der FPÖ.)

12.51


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.52.06

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns in dieser Debatte heute zum ersten von zwei Malen mit Tierschutz und Tiertransport. Wir haben ja in einer halben Stunde noch einmal eine Debatte darüber, wenn es um die Gesetzesbeschlüsse geht. Ich nutze die Gelegenheit, um die Novelle, die heute auf der Tagesordnung steht, ein bisschen mit dem zu vergleichen, was das erfolgreiche Tier­schutzvolksbegehren 2019 an Forderungen gestellt hat.

Positiv an der Novelle, die heute noch auf der Tagesordnung steht, sind zum Beispiel die Änderungen im Geflügelbereich, also das sinnlose Kückentöten wird beendet, und Biodiversitätsweiden werden eingeführt. Dann gibt es in diesem Gesetz gemischt zu be­urteilende Elemente: die berühmt-berüchtigten Vollspaltenböden, die ab 2023 in Neu­bauten nicht mehr erlaubt sind und bis Ende 2039 überall ausgetauscht werden müssen. Das war bekanntlich längst überfällig. Vom Tierwohl her hätten wir einen früheren Termin bevorzugt. Selbst die AMA will ab 2032, also sieben Jahre vorher, kein Gütesiegel mehr an Betriebe mit Vollspaltenböden vergeben. Allerdings muss man natürlich berücksichti­gen, dass die Ställe riesige Investitionen sind und abbezahlt werden müssen, wobei man auch bei den Übergangsbestimmungen mehr auf das Alter hätte abstellen können. Man hätte mehr differenzieren können und nicht nur einen Stichtag heranziehen müssen.

Daran zu kritisieren ist auch, dass dieses Vollspaltenbödenverbot nur bei Schweinen gilt, wobei Schweine ja nicht die einzigen Tiere sind, in deren Ställen das so verbaut ist. Es betrifft auch nicht Vollspaltenböden generell, sondern nur die unstrukturierten Vollspal­tenbuchten ohne Funktionsbereiche, wobei im Gesetz nicht genau definiert ist, was damit gemeint ist. Dann kommt noch dazu, dass die Verordnung erst 2028 kommen soll. Bis dahin gibt es Rechtsunsicherheit, und erst ab dann wird bekannt sein – aber vielleicht noch gar nicht entwickelt –, was dann ab 2040 der Mindeststandard werden soll. Bei solch langen Vorlaufzeiten sollte das wirklich besser gehen.

Wir fordern daher, dass man die Verordnung früher vorlegt, und für die Zwischenzeit andere Maßnahmen, die das Tierwohl in den Fleischbetrieben, die die Vollspaltenböden noch abbezahlen müssen, verbessern, wie zum Beispiel Stroh oder Spielzeug.

Als negative Punkte in der Novelle möchte ich einige Dinge besonders hervorheben. Es gibt zu wenig Fortschritt bei den Tiertransporten. Das wurde heute auch schon gesagt. Es gibt nicht genügend Fortschritt bei der Anbindehaltung, weil das Aus ja nur für die permanente Anbindehaltung normiert wird, und es ist auch ein großer negativer Punkt, dass Ferkel weiterhin ohne Betäubung kastriert werden dürfen.

Schließlich ein Punkt, der in diesem Gesetz komplett fehlt, aber auch ein wichtiger Punkt des Tierschutzvolksbegehrens war: der gesamte Haustierbereich. Dieser wurde ausge­lagert, und es wurde uns versprochen, dass uns diese Vorlage dann im Herbst präsen­tiert werden wird. Allerdings wird dadurch die Tierqual unnötig verlängert. Es gibt nämlich eine Reihe von Maßnahmen, auf die man sich eigentlich schon geeinigt hat und die man jetzt sofort schon hätte setzen können. – Vielen Dank.

12.55


Vizepräsident Günther Novak: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumen­tenschutz zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 69

12.56.06

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Eine abschließende Stellungnahme: Beim Haustierbereich wurde kritisiert: warum nicht gleich? Das war dann auch eine Frage der Kapazitäten zur Ausarbeitung. Das kommt aber im Herbst, ist in Vorbereitung.

Dann würde ich noch gerne kurz auf die Debatte zu Wolf und Bär eingehen. Es ist ja nicht primär meine Zuständigkeit, das muss ich jetzt einmal dazusagen (Bundesrat Raggl: Aber Unterstützung ...!), das ist im Landwirtschaftsministerium beheimatet. Wie man da­mit verfährt, ist – wie soll ich sagen? – kein Politikum oder keine Entscheidung der Tiroler Landesregierung, egal, wie die zusammengesetzt ist, und auch nicht irgendeiner ande­ren Landesregierung. Der Wolf ist auf der europäischen Ebene als Anhang-IV-Art klas­sifiziert und geschützt, das heißt, einem besonderen Regime unterworfen.

Was aber einfach nicht stimmt, ist, dass es nicht jetzt schon die Möglichkeit gäbe, Wölfe zu entnehmen, sprich: abzuschießen. Das heißt das nämlich auf gut Deutsch. (Bundes­rat Raggl: Aber die NGOs beeinspruchen das dann!) Es braucht halt ein ordentliches Verfahren dazu. Das ist über die Bezirkshauptmannschaften abwickelbar. Also insofern gibt es Regelungsmöglichkeiten. Die können genützt werden, und wir haben uns in Vor­arlberg ja auch kundig gemacht, wie es die Schweizer machen, wie es in Graubünden ausschaut, und ähnliche Dinge mehr.

Man kann nicht alles durch Einzäunen oder mit Herdenschutzhunden regeln, das weiß ich, aber es gibt im Vorfeld, bevor man den Wolf abschießt, andere Gestaltungsmög­lichkeiten. Wie gesagt, die Entnahme ist bereits jetzt möglich. Das müsste man dann aber wohl auch separat in der Tiefe diskutieren. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.57


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

12.58.05Einlauf und Zuweisung


Vizepräsident Günther Novak: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfrage­beantwortung sowie

der Aufenthalte von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und Vertretungsmeldungen von Mitgliedern der Bundesregierung

verweise ich auf die bereits gestern im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 943. und 944. Sitzung des Bundesrates gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundes­rates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung bereits gestern im Sitzungssaal verteilte Mitteilung der 943. und 944. Sitzung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen wird.

*****

(Schriftliche Mitteilung siehe 943. Sitzung des Bundesrates.)

*****


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 70

Vertretung eines Mitglieds der Bundesregierung


Vizepräsident Günther Novak: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Verbindungs­dienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Quarantäne von Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. bei gleichzeitiger Beauftragung des Bundesministers für Inneres Mag. Gerhard Karner mit ihrer Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Günther Novak: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 bis 4, 7 bis 9, 11 und 12 sowie 18 und 19 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

13.00.141. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (GuKG-Novel­le 2022) (2653/A und 1616 d.B. sowie 11034/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jah­re 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Ausbildung von Pflegeberufen (Pflegeaus­bildungs-Zweckzuschussgesetz – PAusbZG) erlassen wird (2654/A und 1617 d.B. sowie 11035/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (2655/A und 1618 d.B. sowie 11004/BR d.B. und 11036/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jah­re 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege (Entgelterhöhungs-


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 71

Zweckzuschussgesetz – EEZG) erlassen wird (2656/A und 1619 d.B. sowie 11006/BR d.B. und 11037/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten 1 bis 4 ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Ich bitte um die Berichte.


13.01.18

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Geschätzter Herr Präsident! Herr Minis­ter! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehende via Livestream und liebe Zusehende hier auf der Galerie! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz ge­ändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Ausbildung von Pflegeberufen erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 72

13.03.51

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Präsi­dium! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Sowohl die Änderung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes als auch das Gesetz über den Zweckzuschuss an die Länder von 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Pflegeberufe und auch der Zweckzuschuss an die Länder für 2022 und 2023 zur Erhöhung des Entgelts in der Pflege hängen natürlich ganz ursächlich mit dem großen Problem des Pflegekräftemangels zusammen. Wir wis­sen, dass wir bis 2030 76 000 neu ausgebildete Menschen in diesen Berufssparten, in diesen Berufsbereichen brauchen; der höchste Bedarf wird für das Jahr 2025 errechnet.

Da steht es natürlich außer Frage, dass Handlungsbedarf auch für die Politik da ist, aber die Maßnahmen, die jetzt gesetzt werden, müssen die richtigen sein, denn Zeit für Ex­perimente gibt es nicht mehr. Diese Zeit läuft dem Pflege- und Gesundheitssystem, der Gesellschaft, den Menschen schon längst davon. Deshalb ist es einfach extrem wichtig, dass wir jetzt eine gut ausgestaltete Strukturreform erarbeiten.

Ich komme jetzt einmal zur Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, mit der ja die Kompetenzen der Pflegefachassistenz und der Pflegeassistenz im medizi­nisch-diagnostischen und therapeutischen Bereich erweitert werden sollen. Wie genau das passieren soll, darüber wurde im Ausschuss keine genaue Auskunft gegeben.

Ich habe in letzter Zeit sehr, sehr viele Gespräche mit Menschen geführt, die in Gesund­heits- und Krankenpflegeberufen arbeiten, stationär in Krankenhäusern oder auch mobil. Natürlich ist da einerseits die Stationsleitung zu verstehen, die einen Dienstplan schrei­ben muss, zu wenig Personal hat und dann sagt: Es wäre super, wenn Pflegeassisten­tInnen, PflegefachassistentInnen höhere Kompetenzen erhalten, denn die dürfen ja zum Beispiel nicht alleine Nachtdienst machen. Die dürfen in Behandlungsräumen nicht einmal in Vorbereitung von Behandlungen Anamnesen durchführen. Dazu muss ein Arzt dann die Verantwortung übernehmen, und die meisten machen das nicht gerne, was ja auch verständlich ist.

Betrachten wir aber die andere Seite: Diejenigen, die sich für eine Ausbildung zu einer Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz mit der Dauer von einem oder zwei Jahren entschlossen haben, haben sich für eine Ausbildung mit einem gewissen Kompetenzbe­reich und, damit verbunden, Verantwortungsbereich entschieden. Diplomiertes Gesund­heits- und Krankenpflegepersonal macht eine fünfjährige Ausbildung, natürlich ist da eine andere Kompetenz vermittelt worden. Und ich bin mir gar nicht sicher, ob Fachas­sistenten und Assistenten überhaupt alle mit der Veränderung dieses Berufsbildes ein­verstanden sind. Es kann nicht sein, dass das dann nur zu einer Deprofessionalisierung der Pflege und zu einer Verbilligung und dazu, dass wir Menschen vielleicht sogar wieder aus dem Beruf drängen, führt. (Beifall bei der SPÖ.)

Grundsätzlich denke ich, dass es ganz wichtig ist, dass wir uns die Frage stellen, wie das Ausbildungssystem generell gestaltet sein soll, denn ich kann mich des Gefühls nicht erwehren – und mit mir viele in diesem Bereich Beschäftigte –, dass die vielen, vielen verschiedenen Ausbildungen lauter Feldversuche sind. Wir brauchen klare Linien in der Ausbildung. Es gibt einfach viel zu viele verschiedene. Da kennt sich irgendwann keiner mehr wirklich aus. (Bundesrat Steiner: Pflegelehre! – Zwischenruf des Bundesrates Korn­häusl. – Bundesrat Steiner: Urfreiheitliche Forderung!)

Zum zweiten Punkt, zum Zweckzuschuss an die Länder: für die Attraktivierung des Pfle­geberufs 600 Euro Ausbildungsgeld, aber nur bis 2025. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Das heißt, für Menschen, die jetzt mit einer Ausbildung beginnen, geht sich das Diplom damit nicht aus. Ab 2025 wissen sie nicht genau, was passieren wird. Das geht sich für die Pflegeassistenten und Pflegefachassistenten noch aus. Ich muss


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 73

schon ganz klar sagen: Was mir schwerstens missfällt, ist die Aussage: Die Länder trauen sich es dann ja eh nicht mehr abzudrehen! – Es muss irgendwann genug sein, dass der Bund ständig nur auf die Länder und Gemeinden abwälzt! Wir brauchen Sicher­heit für die Zukunft. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Rauch.)

Wir reden hier bei diesen 600 Euro, die bei Weitem nicht existenzsichernd sind, von einer Berufsgruppe, in der vor allem ganz viele Frauen tätig sind, viele Mütter, viele alleiner­ziehende Mütter. Ja, das ist zu wenig, das ist nicht wettbewerbsfähig gegenüber anderen Berufsausbildungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wichtig ist, ist aber auch die Wertschätzung, und an der wird nicht wirklich politisch gearbeitet. Ein bisschen ist geklatscht worden, und dann wurde vom Gesundheits- und Krankenpflegepersonal nicht mehr geredet. (Bundesrat Steiner: Ihr habt mitge...! – Bun­desrat Schennach: Jetzt hör auf!)

Auch in der Ausbildung braucht es bessere praktische Kriterien, denn wenn wir schon einen Mangel haben: Wer macht denn die Praktikumsanleitung, wer vermittelt denn? (Beifall bei der SPÖ.) Die Auszubildenden laufen irgendwie mit und irgendwann dann davon, weil sie überfordert sind. Das funktioniert so nicht. (Bundesrat Steiner: Ganz viele Pfleger sind wegen der Impfpflicht gekündigt!)

Das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz hat sowohl in der Gestaltung als auch in der zeitlichen Dimension Lücken: 160 Millionen Euro 2022, 160 Millionen Euro 2023, erstmals ausbezahlt im Mai 2023. Ich hoffe ja doch, dass die Mitarbeiter nicht so lange warten müssen. Das heißt, es muss wieder jemand in Vorfinanzierung gehen: die Län­der, die es an die Arbeitgeber weitergeben; die Organisationen können es nicht mehr stemmen. Die mussten schon den Coronabonus vorfinanzieren. Auch das geht sich nicht mehr aus.

Es sind auch nur zwei Jahre berücksichtigt. Geeignet dazu, einen Lohngap zu schließen, ist die Ausgestaltung dieses Gesetzes nicht, weil sie sozialpartnerschaftliche Verhand­lungen nicht gerade erleichtert. Das Gesetz wird kurzzeitig – für zwei Jahre – das Gehalt erhöhen. Was es wirklich braucht, sind klare Linien für die Zukunft, eine wirkliche Re­formstruktur. (Beifall bei der SPÖ.) Es muss diesem Beruf außerdem wieder Wertschät­zung entgegengebracht werden.

Was es ganz sicher nicht braucht, sind Schnellschüsse. Was es ganz sicher nicht braucht, sind aufsteigende Versuchsballons. Dafür fehlt die Zeit, dafür ist der Druck zu groß. 2025 brauchen wir in dieser Sparte die meisten Neuen. Bis 2030 76 000, das ist sehr, sehr viel! Ich denke, es wäre gut – und stellen Sie sich vor, wir dürfen das, wir dürfen auch im Sommer arbeiten –, über den Sommer noch einmal ganz genau drüber­zugehen, noch einmal in die Tiefe zu gehen und auch einmal mit jenen zu reden, die in diesen Berufen arbeiten, die genau wissen, wo es hakt und was sie brauchen.

Ich habe gestern mit einer Stationsschwester gesprochen, die mir nicht beantworten konnte, welche Kompetenzen der Pflegeassistenten und Pflegefachassistenten angeb­lich erweitert werden sollen. Also wenn die das nicht einmal wissen, dann waren sie auch nicht eingebunden – sie sind es aber, die wissen, was es braucht!

Wir müssen einen Weg für eine gute, zukunftsfähige Lösung finden, mit der wir das Sys­tem langfristig sichern, also keine schnellen, keine halbherzigen, keine werbewirksamen Maßnahmen durchpeitschen, denn das bringt nichts. Deshalb können wir diesen No­vellen beziehungsweise diesem Gesetz nicht zustimmen.

Unsere Zustimmung findet nur die Novellierung des Bundespflegegeldgesetzes. Durch die Erhöhung des Erschwerniszuschlags werden Menschen mit starker geistiger oder psychischer Behinderung besser absichert oder auch, dass die erhöhte Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet wird.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 74

Der Angehörigenbonus ist ein sehr sanfter Anfang. Gerade im Bereich pflegende Ange­hörige braucht es um so viel mehr, denn sonst werden wir im stationären Bereich und auch im mobilen Bereich noch mehr brauchen! Der mobile Bereich wird ja überhaupt nicht berücksichtigt. Der Bereich, der während der Pandemie auch sehr viel geleistet hat; der Bereich, in dem die Vereine, die mobile Pflege anbieten, aufgrund der Treibstoff­kosten jetzt vor enormen Problemen stehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.14


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.14.19

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Ich habe bereits beim letzten Mal ein Zitat gebracht, das ich heute hier gerne wiederholen möchte, weil es schön ist und weil es den Punkt dieser heutigen Debatte so gut trifft, nämlich: dass man den Wert einer Gesellschaft unter anderem daran erkennt, wie sie mit ihren alten Menschen umgeht.

Ich glaube, eines ist klar, und da trennt uns hier herinnen sicherlich nichts: Altern in Würde ist ein Menschenrecht, ein unteilbares, unverrückbares Menschenrecht, das wir gewährleisten müssen. Deshalb erfüllt es mich mit außerordentlicher Freude, dass wir heute hier dieses große Pflegepaket verabschieden werden (Bundesrat Schennach: Groß?), für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege, für jene Menschen, die Pflege brauchen, aber auch und vor allem für jene, die selbst zu Hause Angehörige oder geliebte Menschen pflegen.

Sie wissen es, und ich darf das in meinem Brotberuf als Arzt selbst jeden Tag erleben und mit eigenen Augen sehen, mit wie viel Hingabe, mit wie viel Leidenschaft, mit wie viel Herz und Empathie unsere Krankenschwestern und Krankenpfleger sich jeden Tag um unsere Patientinnen und Patienten kümmern. Da geht es ja nicht nur um die körper­liche Pflege, da geht es ganz viel um das Zuhören, darum, Ansprechpartner zu sein, manchmal auch darum, Tröster zu sein. Ich sage es hier von dieser Stelle aus, ich werde aber auch im Spital bei meinen Kolleginnen und Kollegen nicht müde, es zu betonen: Ich verneige mich in großer Ehrfurcht vor dieser Leistung, und ich bedanke mich von ganzem Herzen für das, was jeden Tag in den Spitälern, in unseren Pflegeheimen und in den Betreuungseinrichtungen geleistet wird. (Allgemeiner Beifall.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verabschieden heute unter anderem genau für diese Menschen dieses Paket – ein Paket, das die Situation in der Pflege und für die Pflege nachhaltig und kraftvoll verbessern soll. Ich glaube, da dürfen wir uns nichts vormachen. Die Herausforderungen sind groß. Der letzte wahre große Wurf liegt knapp 30 Jahre zurück: die Einführung des Bundespflegegelds. Danach hat es immer wieder Anpassun­gen und kleine Änderungen gegeben. Die Situation in den letzten 30 Jahren hat sich aber natürlich dramatisch verändert. So hat sich zum Beispiel beim Bundespflegegeld die Anzahl der Bezieherinnen und Bezieher verdoppelt, auf mittlerweile über 470 000 Men­schen in Österreich.

Wir wissen, und das hat meine Vorrednerin bereits gesagt, dass wir in den nächsten Jahren über 70 000 zusätzliche Fachkräfte in der Pflege brauchen werden, um diese Anforderungen bewältigen zu können. Deshalb beschließen wir hier und heute dieses größte Paket der letzten 30 Jahre. Zwei Zahlen möchte ich besonders hervorheben: Wir reden hier von nicht weniger als 1 Milliarde Euro in den nächsten zwei Jahren, die diese Bundesregierung in die Hand nimmt. Sehr geehrter Herr Bundesminister, dafür mein al­lergrößter Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 75

Schauen wir uns diese Maßnahmen an: Es sind ganz konkret 20 an der Zahl, und sie teilen sich in drei große Bereiche. Das wäre zum ersten die Arbeit in der Pflege. Sehr geehrte Damen und Herren, 570 Millionen Euro, sage und schreibe 570 Millionen Euro, wird es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege mehr an Gehalt geben. Das entspricht einem 15. Monatsgehalt im Jahr! Wir haben sogar von ursprünglich 520 Mil­lionen Euro auf 570 Millionen aufgestockt, um noch die Heimhilfen und die Behinder­tenbetreuungspersonen mit hineinzunehmen, um auch ihnen unsere Wertschätzung auszudrücken. Wir haben auch den vielen Stellungnahmen in der Gesetzwerdung Rech­nung getragen und diese 50 Millionen Euro zusätzlich in die Hand genommen.

Ab dem 43. Lebensjahr wird es eine Entlastungswoche geben, eine zusätzliche Urlaubs­woche. Es wird für die Nachtarbeit, die absolviert wird, Entlastung in Form von zwei Gut­stunden pro absolviertem Nachtdienst geben, und es kommt zu den bereits erwähnten Kompetenzerweiterungen, die wir dringend brauchen.

Der zweite große Teilaspekt: die Ausbildung in der Pflege. Da möchte ich vor allem die Pflegelehre hervorheben. Das ist ein Projekt, das bereits seit vielen Jahren auch von uns gefordert wird und das wir nun endlich auf Schiene bringen (Bundesrat Steiner: Na ja! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Freiheitlichen! – Bundesrätin Schumann: Von der Ge­werkschaft nicht!), aus der Zeit, als wir noch gemeinsam regiert haben, mit Bundesmi­nisterin Hartinger-Klein. Heute wird es umgesetzt und auf Schiene gebracht. Wir brau­chen diese Pflegelehre - - (Bundesrat Schennach: Herr Kornhäusl! Gewerkschaft ha­ben Sie vergessen!) – auch die Gewerkschaft, Entschuldigung, danke fürs - - (Bundes­rätin Schumann: Die Gewerkschaft fordert es nicht!) – Ja, offensichtlich orte ich da Zu­stimmung oder zumindest Dissens in den Reihen der SPÖ, weil die eine Seite sagt, sie hätten es gerne, und die andere, sie wollen es nicht. (Bundesrätin Schumann: Nein, da ist kein Dissens! Die Gewerkschaft fordert es nicht! Die Gewerkschaft will es nicht  Punkt! Ende!)

Ich sage Ihnen aber, warum es wichtig ist: weil wir damit die Lücke zwischen dem 15. und 17. Lebensjahr schließen, denn da haben wir die jungen Frauen und Männer verlo­ren, weil die in andere Berufe gegangen sind. Deshalb brauchen wir diese Pflegelehre. (Bundesrätin Grossmann: Die bleiben dann nicht im Beruf!) Es wird für Neueinsteiger, die einen Pflegeberuf ergreifen, 600 Euro im Monat geben (Bundesrätin Grossmann: Die bleiben nicht!), 1 400 Euro im Monat für Um- und Wiedereinsteiger, 1 400 Euro, und Erleichterungen beim Erhalt der Rot-Weiß-Rot-Karte.

Wir kommen zum dritten großen Teilaspekt dieser Maßnahmen, nämlich jenen – das ist besonders wichtig – für Betroffene und Angehörige in der Pflege. Da möchte ich vor al­lem das Pflegekarenzgeld, das wir erhöhen, ansprechen: der Rechtsanspruch wurde von einem Monat auf drei Monate angehoben; oder den Demenzzuschlag: 20 Stunden kann man jetzt mehr anrechnen lassen; den Angehörigenbonus: 1 500 Euro im Jahr für Menschen, die ihre Liebsten zu Hause pflegen. Es ist so wichtig, dass die Pflege daheim diesen Stellenwert bekommt. (Bundesrätin Schumann: Auf die Pensionisten habt ihr vergessen!) Zusätzlich gibt es Pflegekurse, die im ganzen Land angeboten werden. Ich glaube, da brauchen wir uns nicht zu verstecken. Das ist ein Paket, das sich sehen las­sen kann, und darauf können wir auch stolz sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, dass dieses Paket richtig ist und dass es gut ist, das beweisen auch einzelne Stellungnahmen, Reaktionen und das beweist teilweise auch das Abstimmungsverhalten, das es bereits im Nationalrat gegeben hat und das es heute vermutlich auch im Bundesrat geben wird. So freut es mich schon – und da darf ich jetzt sogar einmal zu Kollegen Steiner schauen –, dass die FPÖ die Notwendigkeit erkannt hat, gemeinsam anzupacken, und als Oppositionspartei heute bei diesem wichtigen Pa­ket mitstimmen wird. Ich möchte jetzt nicht nur die Freiheitliche Partei loben. Ich möchte auch auf andere Reaktionen eingehen, auf die der Volkshilfe zum Beispiel – ich glaube,


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 76

da werden Sie mir recht geben –, die ja bei Gott nicht im Verdacht steht, ÖVP-nahe zu sein. Wenn aber der Geschäftsführer und der Präsident der Volkshilfe sagen, dass sie diese Reform begrüßen und als Meilenstein sehen, dann kann es so schlecht nicht sein. Wenn die Caritas sagt, dass ein großes Aufatmen in der Branche hörbar ist, dann kann es so schlecht nicht sein, oder, mir persönlich am allerliebsten und am besten: Stadtrat Hacker, ein Mann der Praxis, der offensichtlich weiß, wovon er da redet, der im offiziellen Presseportal der Stadt Wien schreibt: Ich freue mich, dass diese spürbaren Schritte gesetzt werden. Na dann kann es so schlecht nicht sein. Da wundert es mich, dass die SPÖ da nicht mitgehen will, vor allem die Vertreter aus Wien nicht, deren Stadtrat Hacker gesagt hat, was das für ein großer, wichtiger Meilenstein ist. Ich würde mir das noch einmal gut durch den Kopf gehen lassen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich habe lobende Worte gefunden. Und so sehr mich wie gesagt das vermutliche Ab­stimmungsverhalten der FPÖ heute freut, so sehr wundere ich mich über das Ab­stimmungsverhalten der Sozialdemokratie im Nationalrat. Ich bin schon gespannt, wie Sie heute im Bundesrat mit der Situation umgehen werden, denn eines möchte ich Ihnen schon ins Stammbuch schreiben: Dass jemand gegen diese Maßnahmen ist, das kann ich persönlich nur mit der Haltung einer Fundamentalopposition argumentieren, weil Sie es der Regierung einfach nicht vergönnen, diesen großen Wurf heute zu beschließen.

Frau Kollegin, Sie werden es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege erklären müssen, dass Sie dagegen sind, dass sie insgesamt 570 Millionen Euro an Gehaltser­höhung bekommen. Das werden Sie erklären müssen, und ich werde auch sagen, wer da dagegen gestimmt hat, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. (Bundesrätin Hahn: Haben Sie nicht zugehört? – Bundesrätin Schumann: Wir sind näher bei den Leuten, als ihr jemals wart!) Ich habe mir die Reden im Nationalrat gut angehört, und gegipfelt hat das Ganze ja in den Ausführungen des Abgeordneten Stöger. Alois Stöger, dieser Mann war mit den jeweiligen Zuständigkeiten selber Bundesminister und stellt sich hier ans Rednerpult und sagt: zu wenig, zu schlecht, alles eine Katastrophe. Der hätte selbst die Zügel in der Hand gehabt, um irgendetwas zu tun. Was hat er aber ge­macht? – Nichts, gar nichts hat Alois Stöger getan! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Pflegekarenz! Pflegehospiz! Sie kennen sich im Thema nicht aus, Herr Kollege!)

Dieser Mann ist ein Ankündigungsweltmeister und ein Umsetzungszwerg, so schaut die Realität aus.

Kommen wir aber zurück zum eigentlichen Thema! Ich habe es schon das letzte Mal gesagt und ich werde auch nicht müde, es zu betonen: Diese Herausforderungen in der Pflege sind nicht das Problem eines Bundeslandes, das sind auch nicht die Probleme einer Partei, es sind Herausforderungen für uns alle. Und deshalb noch einmal die Ein­ladung: Gehen wir das gemeinsam an, lösen wir diese Herausforderungen gemeinsam! Es sind riesige Schritte, vor denen wir stehen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksam­keit, wünsche Ihnen einen schönen und erholsamen Sommer, und bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.25


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.26.04

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Laut verschiedenen Bedarfsprognosen benötigen wir in Österreich bis zum Jahr 2030 ganz, ganz dringend rund 100 000 Pflegekräfte. Darum freut es mich, dass die Regierung jetzt tätig wird, in die Gänge kommt, nicht nur redet und ankündigt, sondern im Pflegebereich jetzt einmal tatsächlich auch handelt.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 77

Weil Kollege Kornhäusl so überrascht ist, dass wir Freiheitlichen da mitgehen und das unterstützen: Das ist für uns keine Frage. Erstens sind viele Punkte von uns dabei. Und Kollege Kornhäusl, auch die ÖVP und alle müssen sich das merken: Wir Freiheitlichen stehen an der Seite des Bürgers, und wenn wir merken, dass es Erleichterungen und Positives für Österreich, für unsere Bürger im Land gibt, sind wir Freiheitlichen die Ers­ten, die mit dabei sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir verabschieden heute ein Pflegepaket mit verschiedenen Gesetzen. Ganz so positiv sehe ich es nicht, aber wir haben schon gehört, dass wir dem heute zustimmen. Von einer Pflegereform kann man dabei ja nicht ganz sprechen, aber zumindest ist dieses Reförmchen ein kleiner Anfang in dieser ganzen Pflegemisere. Wenn man glaubt, dass man mit einer minimalen Pflegereform maximale Not lindern kann, dann täuscht man sich eben.

Wir haben es bereits gehört: Unter der freiheitlichen Sozialministerin Hartinger-Klein ist bereits ein komplett fixfertiges Pflegereformkonzept vorgelegen. Als ihr von der schwarz-grünen Bundesregierung die Ämter übernommen habt, hättet ihr eigentlich nur das Paket nehmen müssen. Jetzt haben wir aber drei grüne Sozialminister gebraucht, und es hat fast drei Jahre gedauert, dass man endlich einmal damit anfängt, dieses Konzept umzu­setzen. Das ist ein bisschen lang und für mich ein bisschen rätselhaft. Da hat die schwarz-grüne Regierung wirklich wertvolle Zeit verschlafen.

Schade ist in diesem Zusammenhang auch, dass das ursprünglich wirklich große, um­fangreiche Paket von uns Freiheitlichen deutlich abgespeckt wurde und heute nur eine Minimalvariante zur Abstimmung gebracht wird. Das ist sehr schade.

Eines der größten Probleme in der Pflege ist ja die Einstufung in die Pflegestufen. Fast jeder Betroffene beklagt die. Aus diesem Grund möchte ich den folgenden Antrag stellen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Pfle­gereform statt türkis-grüner Überschriftenschmäh“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- Die Einführung eines Pflegeschecks (Kärntner Modell)

- Eine soziale Absicherung für pflegende Angehörige (Kärntner Modell)

- Eine steuerliche Entlastung von Pflegeberufen (Kärntner Modell)

- Die Etablierung neuer Ausbildungsmodelle (Pflege-Lehre nach Schweizer Vorbild) (Kärntner Modell)

- Die Umsetzung des Kärntner Modells bis 31.12.2022

- Abschaffung von finanziellen Benachteiligungen von Berufsgruppen mit ähnlichen pfle­gerischen wie betreuerischen Tätigkeitsfeldern (etwa der Behindertenbetreuung) durch Miteinbeziehung dieser Gruppen in die Pflegereform

- Schaffung einer transparenten und für die Betroffenen nachvollziehbaren Pflegegeld­einstufung unter der Betrachtung ganzheitlicher Heranziehung der alltäglichen, realen Bedürfnisse

- Beendigung der restriktiven Gewährung höherer Pflegegeldstufen und Abbau der be­hördlichen Bürokratie durch niederschwellige Antragsformalitäten


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- Die Schaffung eines Pflegegeldbonus: 50 Prozent mehr Pflegegeld ab Stufe 3 bei häuslicher Betreuung.

- Eine unterjährige, zumindest vierteljährliche Anpassung des Pflegegeldes und aller weiteren finanziellen Leistungen an die aktuelle Inflationsentwicklung

- Ein Rechtsanspruch auf eine rehabilitative Pflege und Betreuung von bis zu 12 Wochen (84 Tage) pro Kalenderjahr als Überbrückungshilfe nach der Akutbehandlung in einem Krankenhaus und vor der Entlassung nach Hause. (Übergangspflege)

- Die Finanzierung der Übergangspflege durch den jeweiligen Sozialversicherungsträ­ger, bei dem der Anspruchsberechtigte sozialversichert ist.

- Ein Inkrafttreten der Regelung für die Übergangspflege bis 31.12.2022“

*****

Das wäre ein weiterer Teil, der bei diesem Pflegereförmchen noch fehlt. Diesen Antrag stellen wir Freiheitlichen jetzt, und ich ersuche um Zustimmung zu diesem Antrag.

Ab dem kommenden Jahr sollen ja pflegende Angehörige einen Jahresbonus von 1 500 Eu­ro erhalten, dies aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen: wenn sie wegen der Pflege ihre Erwerbstätigkeit aufgeben, wenn sie sich weiterversichern und wenn der zu Pflegende mindestens Pflegestufe 4 hat. Das ist eine arge Geschichte: Es gibt in Öster­reich 800 000 pflegende Angehörige. Lediglich 24 000 pflegende Angehörige können mit diesen strengen Auflagen den Angehörigenbonus überhaupt in Anspruch nehmen. Das sind läppische, lächerliche 3 Prozent! Daran gehört noch hart gearbeitet. Das ist ja gar nichts! Das ist gar nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

Von 800 000 pflegenden Angehörigen können das 24 000 beanspruchen, das sind 3 Pro­zent. Das Aufgeben der Erwerbstätigkeit ist ein besonderes Hindernis. Wer kann es sich leisten, den Beruf aufzugeben? Für 1 500 Euro pro Jahr seinen Brotberuf aufzugeben, das kann sich kein Mensch leisten. Das klingt am Papier zwar vielleicht nett, das ist aber nicht umsetzbar und kann man sich nicht leisten. (Präsidentin Schumann übernimmt den Vorsitz.)

Geändert gehört genauso, dass man diesen Bonus erst ab der Pflegestufe 4 bekommt. Wer sagt, dass man nicht bereits ab der Pflegestufe 1, 2 oder 3 Hilfe braucht? Ich denke da jetzt zum Beispiel an Demenz; da braucht man es wesentlich früher. Dieses Bonus­system für pflegende Angehörige hinkt also gewaltig.

Genauso hinkt das Bonussystem für Mitarbeiter in der Pflege. Ein Bonus für Mitarbeiter in der Pflege ist ja voll zu unterstützen und ist absolut begrüßenswert. Aber warum gibt es nur einen Bonus? Warum ist der Bonus auf zwei Jahre befristet und warum hat man nicht den Mut und die Ehrlichkeit, dass man den Menschen ein angemessenes, adäqua­tes Gehalt bezahlt? Ein Bonus für die Mitarbeiter sollte ja eigentlich die Wertschätzung für die Mitarbeiter ausdrücken. Man muss sich bei einem Bonus schon bewusst sein, dass der nicht pensionsrelevant ist und es kein Weihnachtsgeld und kein Urlaubsgeld dazu gibt. Also, Herr Minister, es wäre doch weitaus ehrlicher, wenn Sie schon Wert­schätzung des Pflegepersonals ausdrücken wollen, eine Gehaltserhöhung in adäquater Höhe in Aussicht zu stellen.

Was ich aber betonen möchte, und ich werde nicht müde werden, es immer wieder zu betonen, ist: Herr Minister, Sie und die Regierung und speziell die Grünen – ihr habt den Pflegenotstand mit euren ganzen Coronaregeln in der Pandemiezeit ja noch maßgeblich verschärft. Ich erinnere da an das Reiseverbot für die 24-Stunden-Pflegekräfte; ich erin­nere an die Impfpflicht für das Pflegepersonal; ich erinnere an die Repressalien, die un­geimpfte Mitarbeiter erleben mussten und müssen. Diese unsägliche Impfpflicht wurde


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jetzt zwar abgeschafft, aber nach wie vor besteht das COVID-19-Maßnahmengesetz, und es ist auch verlängert worden. Und Sie, Herr Minister, können die Menschen jeder­zeit mit einer indirekten Impfpflicht drangsalieren, mit Testpflicht, mit Maskenpflicht, mit Lockdowns und mit Betretungsverboten.

Herr Minister Rauch, Sie sind dafür bekannt, dass Sie nicht nur in der schwarz-grünen Bundesregierung, sondern schon in der Landesregierung in Vorarlberg ein Oberscharf­macher gewesen sind, was die Coronamaßnahmen betrifft. Da waren Sie ja immer in der ersten Reihe fußfrei dabei, wenn es darum gegangen ist, ungeimpfte Menschen aus­zugrenzen und irgendwie wegzutun. Fahren Sie bitte auch mit der indirekten Impfpflicht ab und hören Sie bitte auf, fahren Sie bitte gleich ab mit all diesen unsinnigen Coro­namaßnahmen! Wir haben andere Sorgen in diesem Land, wir haben ganz andere Sor­gen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, ich kann Ihnen nur versichern, ich garantiere es, dass wir, wenn Sie tat­sächlich im Herbst – es deuten so manche Signale darauf hin – wieder mit Ihren Schi­kanen beginnen sollten, mindestens 30 Prozent der Pflegekräfte verlieren werden. Das ist verantwortungslos! Das ist nicht mehr fahrlässig, das ist vorsätzlich! Es muss alles daran gesetzt werden, dass man erstens einmal die Menschen in den Pflegeberufen hält und dass man zweitens junge Menschen für den Pflegeberuf begeistert.

Wir haben es heute ohnehin schon von Kollegen Kornhäusl gehört, dass es eines unse­rer großen Ziele ist, die Pflegelehre in Österreich einzuführen – aber nicht erst mit 17 Jah­ren, sondern unmittelbar nach dem Schulabschluss, sodass dann junge Menschen gleich nach dem Schulabschluss am Patienten arbeiten können. Junge Menschen, wenn sie einmal zwei Jahre weg sind und sich anders orientiert haben, sind dann weg vom Ar­beitsmarkt im Pflegebereich. Also bitte tragen Sie dafür Sorge, dass die Pflegelehre gleich im Anschluss an die Schulzeit möglich gemacht wird!

Worauf ich noch dringend hinweisen möchte, was wirklich ganz, ganz dringend ist, ist dieser Zuschuss, den das Sozialministerium als Service für 24-Stunden-Pflegekräfte ausschüttet. Das sind 550 Euro. Dieser Betrag wurde seit 15 Jahren nicht erhöht, nicht evaluiert. Diese 550 Euro sind aufgrund der hohen Inflationsrate, die wir derzeit haben, ja gar keine 500 Euro mehr wert. Herr Minister, auch in diesem Bereich fordern wir ein, dass Sie entsprechende Schritte setzen.

Wir haben es schon gehört: Wir Freiheitlichen stimmen diesem Minipaket heute zu, weil es wirklich ein erster Schritt ist. Es ist als Anfang zu sehen, als kleiner Anfang zu sehen, dass im Pflegebereich endlich, endlich wirklich einmal etwas weiterzugehen anfängt. Herr Minister, dabei wäre es aber wünschenswert, dass diese schwarz-grüne Regierung endlich einmal von ihrem hohen Ross heruntersteigt und auch die zahlreichen guten Vorschläge der beiden Oppositionsparteien mit einfließen lässt. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

13.36


Präsidentin Korinna Schumann: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Pflegereform statt türkis-grüner Überschriftenschmäh“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile es ihr. – Bitte.


13.37.08

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehr­te Zuseherinnen und Zuseher! Die Pflegereform ist uns allen ein großes Anliegen, denn


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der herrschende Pflegenotstand, der sich in Personalmangel und Überforderung zeigt, ist leider Realität.

Herr Kollege Kornhäusl hat es schon gesagt: Wir gehen heute einen wirklich wichtigen Schritt, einen großen Schritt. Es braucht aber in Zukunft sicher noch weitere riesige Schritte, denn es ist ein weiter Weg. Wir haben heute schon die Zahlen zum demogra­fischen Wandel gehört.

Ich persönlich bin wirklich sehr froh, dass wir heute dieses sehr große Paket beschließen können und damit auch die Weichen stellen, um den Pflegenotstand zu beseitigen. Die vier Gesetzesvorlagen, die wir heute beschließen werden, sind wichtig im laufenden Reformprozess. Es haben zwar schon einige RednerInnen vor mir dazu gesprochen, aber ich möchte jetzt ein bisschen auf die Details der verschiedenen Gesetze eingehen.

Da sind zunächst das Pflegeausbildungs-Zweckzuschuss- und das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz, die beide finanzielle Anreize im Pflegeberuf schaffen sollen, einerseits in der Ausbildung und andererseits durch eine Entgelterhöhung für das be­schäftigte Pflege- und Betreuungspersonal. Dazu werden nun den Bundesländern finan­zielle Mittel zur Verfügung gestellt. Wer sich für eine Pflegeausbildung entscheidet, soll demnach einen Ausbildungsbeitrag in der Höhe von 600 Euro erhalten, sofern er oder sie nicht bereits andere Leistungen zum Beispiel aus dem Arbeitslosenversicherungsge­setz bezieht. Generell sollen Beschäftigte in Pflege- und Betreuungsberufen ein höheres Entgelt erhalten, um eine bessere einheitliche Bezahlung sicherzustellen, auch um Zu­satzleistungen, welche sich aus Kompetenzverschiebung ergeben, abzudecken. Ziel beider Maßnahmen ist es, dass sich Menschen für den Pflegeberuf entscheiden und diesen auch längerfristig ausüben wollen.

Stichwort: Aufwertung der Pflegeassistenzberufe. Das führt uns nun zur vorliegenden Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes. Diese soll die Tätigkeitsbereiche von Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz erweitern. Dabei wird einem Wunsch von Ländern und Trägern nachgekommen. Hintergrund sind die zunehmende Personalnot und die Schwierigkeiten, insbesondere im Bereich der Langzeitpflege, diplomiertes Per­sonal zu bekommen. Konkret sollen Pflegeassistenzen in Zukunft mit Ausnahme von Zytostatika und Transfusionen mit Vollblut- oder Blutbestandteilen Infusionen an- und abschließen dürfen.

Der Ab- und Anschluss laufender Infusionen bezieht sich auf ein kurzfristiges Unterbre­chen der gegenwärtig in Verabreichung befindlichen laufenden Infusion zum Zwecke zum Beispiel des Toilettengangs oder von pflegerischen Maßnahmen, weil auch das eine zeitliche Erleichterung darstellen wird. Die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkei­ten sollen im Rahmen der bestehenden Ausbildung vermittelt beziehungsweise durch Fortbildung erworben werden.

Die Pflegeassistenz soll in Zukunft subkutane und periphervenöse Verweilkanüle legen und auch wechseln dürfen. Da ist die fachliche Einschätzung, dass der Berufsgruppe dieses Risiko zumutbar ist, da sie auch eine venöse Punktion zur Blutabnahme durch­führen darf. Auch da gibt es eben den Hinweis auf das Erlernen der neuen Fertigkeiten in Aus- und Fortbildung.

Die Kritik, dass es sich dabei um eine Aushöhlung der fachlichen Standards handelt, ist meiner Meinung nach nur bedingt berechtigt. Immer mehr Tätigkeiten des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege müssen zwangsläufig, eben aus einer Notsituation heraus von den Assistenzberufen mitübernommen werden, um den laufen­den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Ja, und schließlich noch eine Novelle des Bundespflegegeldgesetzes als Teil der Re­formschritte. Sehr erfreulich ist, dass die erhöhte Familienbeihilfe nicht länger auf das


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Pflegegeld angerechnet wird. Die weiteren Neuerungen betreffen insbesondere die Un­terstützung für pflegende Angehörige. So soll es in Zukunft Zuwendungen zu den Kosten von Pflegekursen, die sich mit Themen wie Sturzvermeidung, Umgang mit demenzieller Beeinträchtigung oder Körperpflege befassen, geben. Auch pflegerischer Mehraufwand in der Pflege von Menschen mit schweren geistigen und psychischen Beeinträchtigun­gen soll durch eine pauschale Erschwerniszulage abgegolten werden. Dabei wird insbe­sondere an die Pflege von Menschen mit Demenz gedacht.

Insgesamt werden wir mit diesen Reformschritten einerseits durch die monetäre Aner­kennung und andererseits durch die Aufwertung der Kompetenzen die prekäre Situation in der Pflege lindern und abfedern.

Ja, wir beschließen heute einen sehr großen Schritt, weitere werden folgen. Wichtig ist es an dieser Stelle, insbesondere im Bundesrat zu sagen: Auch die Bundesländer sind in der Pflicht. Arbeiten wir zusammen an einer nachhaltigen Verbesserung der Pflege im Sinne aller Menschen in diesem Land! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.42


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Jo­hannes Rauch. Ich erteile ihm dieses.


13.42.58

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Zur Pflegereform ist ja inhaltlich jetzt schon einiges gesagt worden. Ich würde gerne auf den Prozess einge­hen und auf ein paar Dinge, die nachgebessert worden sind.

Wir haben ja das Paket in Begutachtung geschickt, viele Gespräche auch mit Stakehol­derinnen und Stakeholdern geführt und dann, nämlich als Ergebnis der Begutachtung, einige Nachschärfungen vorgenommen, die zum Teil schon angesprochen worden sind. Wir haben zum einen mit einem Abänderungsantrag zusätzlich Heimhilfen und Behin­dertenbegleitung mit hineingenommen und dann dazu noch einmal 50 Millionen Euro dazugetan, also insgesamt sind es dann 570 Millionen Euro. Wir unterstützen beim Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz die Länder in den kommenden drei Jahren mit 225 Millionen Euro und haben jetzt darauf geschaut, auch die Sozialbetreuungsberufe mit hineinzubekommen. Das wird passieren, und ebenso befreien wir die Länder von Steuern und Abgaben für vergleichbare Leistungen für Auszubildende zu Berufen nach der 15a-Vereinbarung.

Beim Angehörigenbonus – das ist auch schon angesprochen worden – geht es darum, nachzubessern, um zum Beispiel auch Pensionistinnen und Pensionisten besser zu be­rücksichtigen. Dazu ist jetzt ein Beschluss im Herbst geplant.

Insgesamt – und das ist der Kernpunkt – gibt es 1 Milliarde Euro für die nächsten zwei Jahre in ganz wesentlichen Bereichen: im Bereich der Entlohnung, das halte ich für wich­tig, um Arbeitskräfte im Pflegeberuf zu halten, und im Bereich der Ausbildung. Die Zu­schüsse, die es da geben wird, sind bereits angesprochen worden. Es gibt auch Verbes­serungen, wenn es darum geht, Nachtarbeit besser zu berücksichtigen, besonders schwierige Pflegesituationen etwa im Bereich der Demenzerkrankung oder von psychi­schen Erkrankungen stärker zu berücksichtigen. All das sind wesentliche Erleichterun­gen. Es gibt im Bundespflegegeldgesetz jetzt einen Erschwerniszuschlag für Menschen mit einer schweren psychischen Behinderung oder einer Demenz. Die erhöhte Familien­beihilfe wird nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet. Das ist auch eine Maßnahme, von der 45 000 Personen mit 60 Euro pro Monat profitieren.

Insgesamt, und das ist der Punkt, ruht das System der österreichischen Pflegeversor­gung im Prinzip auf drei Säulen: die stationäre Pflege in Alten- und Pflegeheimen, die


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Pflege zu Hause mit allen ambulanten Diensten, die dahinterstehen, und natürlich auch die 24-Stunden-Betreuung, ohne die Pflege überhaupt nicht mehr denkbar wäre. Das sind Pflegekräfte, die aus dem Ausland zu uns kommen und hier Pflegeleistungen erbrin­gen. Und auch das ist bereits angemerkt worden: Für diesen Bereich gibt es 15 Millionen Euro, um eine Anpassung vornehmen zu können. Wir haben uns diese Woche mit den Vertreterinnen und Vertretern der 24-Stunden-Betreuung getroffen und sind mit ihnen auch in einem intensiven Austausch darüber, wo es da weitere Verbesserungsmöglich­keiten gibt. Wir haben in diesem Bereich ja auch das System, dass es zertifizierte, quali­tätszertifizierte Anbieter gibt. Wir halten das für wichtig, weil nicht sein darf, dass da erstens Schwarzarbeit Platz greift und zweitens die Pflegequalität leidet. Die Sicherung der Qualität in diesem Sektor ist uns ein ganz wichtiges und großes Anliegen.

Wir wissen auch, und das sei hier gesagt, dass dieses Paket mit 1 Milliarde Euro für die nächsten beiden Jahre selbstverständlich die erste Stufe ist, dass es in den nächsten Jahren darum gehen wird, da nicht nur dranzubleiben, sondern auch nachzuschärfen. Das habe ich gesagt, weil vollkommen klar ist, dass wir in Österreich in eine Situation von Mangelerscheinungen in allen Gesundheits- und Krankenpflegeberufen hineinkom­men, wenn sie nicht schon da ist. Es sind nicht in ausreichendem Ausmaß Leute da, und die Konkurrenz der Branchen untereinander am Arbeitsmarkt ist groß. Was wir jetzt mit diesem Schritt geschafft haben, ist, die Attraktivität, diesen Beruf zu ergreifen und im Beruf zu bleiben, zu erhöhen, weil die Konkurrenz in all diesen Bereichen sich in den nächsten Jahren massiv verschärfen wird.

Wir haben auch sehr viele Gespräche mit Pflegeeinrichtungen geführt. Die sind sehr dankbar für diesen Schritt, und das war auch meine Intention bei diesem Pflegepaket, erstens einmal vor dem Sommer in die Gänge zu kommen und zweitens das Volumen mit dieser 1 Milliarde Euro festzumachen. Sonst hätte es nämlich noch länger gedauert und es wäre geringer ausgefallen, und das wäre im Sinne der Pflegenden nicht vertretbar gewesen. Dieses Signal war wichtig.

Letzter Punkt: Wir wissen, dass wir neben der Situation bei den Pflege- und Betreuungs­berufen auch Schnittstellenproblematiken mit dem Bereich der niedergelassenen Ärzte, mit den Gesundheitsberufen insgesamt haben. Was wir brauchen, ist eine stärkere Durchlässigkeit dieser Berufsgruppen zueinander und untereinander. Damit ist auch an­gesprochen, wer jetzt was machen darf, wer welche Tätigkeiten in den Gesundheits- und Pflegeberufen im Spital, in den Alten- und Pflegeheimen durchführen darf. Ich verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass es da von bestimmten Stan­desvertretungen Widerstände gibt, weil die glauben, dass nur sie das können, obwohl auch klar ist, dass es bereits jetzt in der Praxis anders gehandhabt wird. Sie können sich weiterhin sicher sein, dass ich da dranbleiben werde, weil ich nicht einsehe, dass ein Vetorecht einer bestimmten Berufsgruppe dazu führt, Pflegenotstände zu generieren. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.48


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwind­sackl. Ich erteile dieses.


13.49.12

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wir sind nicht auf Erden, um ein Museum zu hüten, son­dern um einen Garten auszupflanzen, zu hegen, zu pflegen und vor allem zu erweitern. – Zitat vom großen Reformpapst Johannes XXIII. (Bundesrat Schennach: Toll! – Bundes­rat Schreuder: Johannes, das passt!) Gestatten Sie mir, dass ich zu diesem Tagesord­nungspunkt den Pflegegarten als zu pflegenden Garten nehme. Es wurde ja von einigen


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meiner Vorrednerinnen und Vorredner schon zum Ausdruck gebracht, dass diese Pfle­gereform etwas ganz Besonderes ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Einigen, habe ich gesagt, Herr Professor! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das ist ein Paket, das es in diesem Ausmaß noch nicht gegeben hat. Das Wort Reform ist ja mit Verände­rung verbunden. Dabei handelt es sich aber um einen pflegegeschichtlichen Meilenstein, das hat sogar der Präsident, wie wir vorhin schon gehört haben, gesagt.

Dass die Sozialdemokratie bei diesen zukunftsweisenden Maßnahmen – immerhin geht es um 1 Milliarde Euro, die diese Bundesregierung zustande bringt  nicht mitstimmt, ist traurige Wirklichkeit, ein Schlag ins Gesicht für alle Pflegebedürftigen und auch für alle in der Pflege tätigen Damen und Herren. Was denken Sie sich dabei? – Es ist unver­ständlich, was im Nationalrat  ich hoffe, nicht heute hier im Bundesrat  eben vonstat­tengegangen ist.

Wir haben es mit diesem Njet von Ihrer Seite zu tun, werden uns aber entsprechend nicht abbringen lassen, für diese wichtige Zielgruppe auch weiterhin möglichst viel an Herzblut einzubringen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Wir haben es in den verschiedenen Bundesländern, was die Pflege betrifft, ja mit unter­schiedlichen Aktivitäten zu tun. Ich war lange Zeit Gemeinderat in der Landeshauptstadt Graz der größten Stadt Österreichs, Wien ist ja ein Bundesland –, und da haben wir damals schon entsprechend neue Akzente gesetzt; das kann ja jedes Bundesland. In der Steiermark funktioniert die Kooperation mit der Sozialdemokratie, mit der sozialde­mokratischen Soziallandesrätin sehr gut, auch in der Stadt, wo wir jetzt ein Modell ent­wickelt haben den sogenannten Enkerl-Oma-Opa-Bonus –, das wir im Herbst auf Schiene bringen, bei dem auch Eigeninitiativen wichtig sind, die wir gemeinsam mit dem Familienressort der Stadt durchführen. Dabei pflegen die Enkerl – viele würden sagen, das ist eine Selbstverständlichkeit, das ist es aber heute nicht mehr – ältere Menschen, also ihren Opa und ihre Oma, weil deren Kinder also auch schon beinahe im pflegebe­dürftigen Alter sind, denn wenn jemand zwischen 80 und 90 ist, sind die Kinder auch schon 60, 65. Die Enkerl können sich entsprechend einbringen und werden mit einem Bonus belohnt. Der Bonus ist nicht im monetären Sinn, sondern das ist eine Eintrittskarte in das Schwimmbad, das ist eine Kinoeintrittskarte, das ist für den Eintritt in Museen et cetera. Diese Bonuspunkte werden dann durch eine App registriert und dann eben zur entsprechenden Benefizausgabe gebracht.

Ganz entscheidend ist auch – das möchte ich hier schon auch zum Ausdruck bringen, es wurde auch schon gesagt  der Pflegeberuf. Der Pflegeberuf stellt einen wesentlichen Faktor dar, um diese Lücke zu schließen. Ganz wichtig: dass es ab dem 15. Lebensjahr, nach der Pflichtschule, möglich ist, denn sonst sind ja die meisten oder schon viele in Richtung andere Berufe unterwegs. Das sollte entsprechend auch den jungen Menschen schmackhaft gemacht werden. (Bundesrätin Grimling: Womit?) – Ganz einfach, indem sich jeder von uns engagiert und sich in seinem jeweiligen Bereich, in dem er eben tätig ist, einbringt.

Als Seniorenvertreter ist es mir besonders wichtig, zu sagen, dass wir auch dankbar für und stolz auf unser österreichisches System sein können. Wir sollten dieses nicht stän­dig bekleckern und in irgendeiner Form in Misskredit bringen, denn wir haben eines der besten der Welt – das wissen Sie eh, aber Sie wollen es vielleicht nicht zum Ausdruck bringen –, ein großartiges System, worum uns viele, viele Länder beneiden und es ab­schauen und es möglicherweise  hoffentlich, wenn sie es können  übernehmen wol­len. Das ist ein wesentlicher Punkt, der auch immer wieder gesagt werden soll.

Es kommt mir meistens so vor, dass in gewissen Gruppen, bei denen der geistige Wohl­stand mit dem materiellen nicht mehr ganz mitkommt, vielleicht dem einen oder anderen das Ich wichtiger ist als das Wir. In der Pflege brauchen wir das Wir, nicht das Ich ist


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wichtig, sondern wir alle sind gefordert, damit es zu einem guten Ergebnis kommt. Dass sich auch eine gewisse Beliebigkeit eingeschlichen hat, ist auch nichts Neues. Daher meine Bitte und auch mein Wunsch, den ich von dieser Stelle aus sagen möchte: Es ist wichtig, dass wir diesen Bereich Pflege, Pflegehilfe und vor allem auch -betreuung – da geht es ja auch um die 24-Stunden-Betreuung, die wird meistens aus nicht vorhandenem Wissen mit Pflege verwechselt  gemeinsam angehen.

Vor allem was das Zuhause betrifft  „Daheim statt Heim“, ein ganz wichtiger Punkt –, ist ja auch ein Faktor angesprochen worden: dass diese Personen, welche die zu Pfle­genden zu Hause unterstützen und pflegen, immerhin mit einem Betrag von 1 500 Euro entsprechend belohnt werden. Das ist auch eine Art der Wertschätzung.

Die Ausbildung wird finanziell unterstützt, die Beträge wurden bereits genannt, daher ist da eine Belohnung, glaube ich, nicht notwendig. Das heißt, die Menschen, die sich im Bereich der Pflege, im Pflegeberuf engagieren, sollen entsprechend entlohnt werden, und eine entsprechende Wertschätzung muss auch gegeben sein.

Es ist schon einiges gesagt worden, aber ich glaube, es ist wichtig, dass man das eine oder andere auch wieder ergänzt und vielleicht zum Abschluss doch auch den Hinweis bringt, dass es vor allem die Senioren und Seniorinnen  welchen es ja besonders zu­steht, sie haben den Aufbau unseres Wohlstandes ermöglicht – verdient haben, dass unsere Bundesregierung diese große Pflegereform umgesetzt hat. Andere, vorige Re­gierungen und Sozialminister haben das nur halbherzig bis gar nicht getan, sie haben nur davon geredet. – Herzlichen Dank für diese großartige Pflegereform, die für die Se­niorinnen und Senioren in unserem Land ein ganz wesentlicher und wichtiger Punkt ist. – Danke, Herr Minister, und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.57


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm dieses.


13.57.16

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Ich möchte nur eine tatsächli­che Berichtigung zur Feststellung des Kollegen, der jetzt festgestellt hat, dass die Al­tersgruppe zwischen 60 und 65 schon zur pflegebedürftigen Personengruppe zählt, ma­chen: Als schon über 65-Jähriger möchte ich feststellen, dass ich dem widerspreche – wie viele Anwesende in diesem Saal (Bundesrätin Zwazl: Schaust mich an? Geh!), die auch schon dieser Altersgruppe angehören. Wir sind noch nicht pflegebedürftig. (Beifall bei der SPÖ. – Allgemeine Heiterkeit.)

13.57


13.57.48

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz ge­ändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz er­lassen wird.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 85

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Echte Pflegereform statt türkis-grüner Überschrif­tenschmäh“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz er­lassen wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.00.245. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Si­cherheit (1523 d.B. und 1625 d.B. sowie 11038/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Maria Huber. – Ich bitte um den Bericht.


14.00.45

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Öster­reich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


14.01.18

Präsidentin Korinna Schumann: Es liegt keine Wortmeldung dazu vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 86

14.01.476. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängen­den Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden (2586/A sowie 11007/BR d.B. und 11017/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


14.02.08

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz –TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Präsidentin Korinna Schumann: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bettina Lancaster. Ich erteile ihr dieses.


14.02.46

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher und Zuseherinnen! Kurz möchte ich noch auf meine Vorrede bei der Aktuellen Stunde reflektieren. (Ruf bei der ÖVP: Vorrednerin wahrscheinlich!) – Vorrednerin! – Ich möchte nur betonen: Die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Ungunstlagen ist meine Perspektive und aus dieser Sicht sehe ich diese Angelegenheit des Tierschutzes auch (Bundesrat Raggl: Da wird aber die Versorgungssicherheit nicht ...! – Bundesrat Prein­eder: Da kommt der Wolf!), und die Ungunstlage ist mir extrem wichtig.

Nun zum Thema: Der parlamentarische Gesetzwerdungsprozess wurde für diese Novel­le, wie es für Türkis und Grün leider zur äußert kritikwürdigen Gewohnheit wurde, wieder einmal verkürzt und unordentlich durchgeführt. Während noch zwei Ministerialentwürfe zu Tierschutzgesetz und Tiertransportgesetz in Begutachtung waren, wurde ein gleich­lautender Initiativantrag eingebracht, obwohl es bereits äußerst kritische Stellungnah­men gab. Detaillierte Ausschussberatungen über das, was heute letztlich beschlossen werden soll, gab es nicht.

Es wurde weder mit der Opposition gesprochen, noch wurde eine Ausschusssitzung zur Vorlage abgehalten. Im Gegenteil! Grün und Schwarz haben ein öffentliches Hearing mit ExpertInnen und die Debatte im Ausschuss verweigert. Ein Fristsetzungsantrag ohne Debatte hat die Vorlage auf die Tagesordnung des Nationalrates gebracht, natürlich gegen die Stimmen der Opposition. Das ist demokratiepolitisch absolut bedenklich und ganz und gar nicht im Sinne des Tierschutzes. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Minister, das sind formale Abläufe, die Bände sprechen. Sie legen gar keinen Wert darauf, sich öffentlich über so wichtige Inhalte wie den Tierschutz auszu­tauschen, sich beraten zu lassen und öffentlich noch vor einer Beschlussfassung Frage


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und Antwort zu stehen. (Bundesrat Gfrerer: Von wem beraten ...?) Die angesprochenen NGOs haben einen positiven Satz gesagt, der von Ihnen hundertmal wiederholt wird, aber die NGOs und auch alle Tierschutzombudsleute haben massive Kritik an den vorge­legten Inhalten geübt. (Zwischenruf des Bundesrates Gfrerer.) Die wird von Ihnen und Ihrem Koalitionspartner verschwiegen. Traurig, dass so viel Qualität  die wir, generell gesehen, bei dieser Regierung so dringend bräuchten im Gesetzwerdungsprozess verloren ging.

Nun zum Inhalt: Das höchst erfolgreiche Tierschutzvolksbegehren im Vorjahr hat mit dem Finger auf Missstände bestehender Regelungen hingewiesen. Die hohe Beteiligung beziehungsweise Unterstützung der Bevölkerung in Österreich unterstrich die hohe Dringlichkeit der Politik zum Handeln. Auch das Volksbegehren gegen Tiertransporte muss ein Auftrag sein. Vielfach wurde von der Opposition darauf hingewiesen, dass die Verantwortlichen endlich den Prozess starten sollen. (Unruhe bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.) Auch hier im Bundesrat gab es genügend Aufforderungen dazu, die von der Opposition geflissentlich überhört wurden. (Die Rednerin hält aufgrund des hohen Lärmpegels im Saal inne. Bundesrat Raggl: Sind wir in der Schule, oder was?  Ruf: Hätten Sie auf einen Zwischenruf gewartet?) – Ich warte nicht auf einen Zwischenruf, ich lasse nur Ruhe einkehren (Zwischenrufe bei der ÖVP), wenn man sich mokiert. – Danke.

Der vorliegende Gesetzesvorschlag ist nun der Anfang eines wie es aussieht  steini­gen Weges zu mehr Tierschutz, im Speziellen in der Landwirtschaft. Die Zustände in der dichten Tierhaltung, die sich über Menge am Leben erhält, entsprechen schon längst nicht mehr unseren Wertvorstellungen (Bundesrat Preineder: Aber die Preisvorstel­lung ...!), die mit dem Respekt vor dem Lebenden einhergehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Bäuerinnen und Bauern, die selbst durch die gängige Landwirtschaftspolitik in existen­zielle Abhängigkeit geschlittert sind, können dieser Verrohung im Stall nichts entgegen­setzen, weil sie die 2 Milliarden Euro an jährlicher Agrarförderung in Österreich seit Jah­ren in eine Sackgasse führt. Ein Aufschrei erfolgt natürlich immer dann, wenn wieder ein verwahrloster Betrieb mit entsprechend hohem Tierleid ausgehoben wird. Es ist ein systemischer Wandel notwendig, sehr geehrte Damen und Herren. (Bundesrat Prein­eder: Ja, mehr zahlen!)

Ja, der Endverbraucher und die Endverbraucherin treffen ihre Entscheidung an der Ver­kaufstheke (Bundesrat Preineder: Ja, genau, genau!) oder im Wirtshaus, aber welche Grundlagen gibt es für die Entscheidung? (Bundesrat Preineder: Ja die kleine Landwirt­schaft!) Welche Information erhält man im Regelfall? Die ÖVP meint oftmals, die Kon­sumentinnen und Konsumenten entscheiden alleine getrieben über den Preis. Ich sage, wesentlich sind die Manipulation über die irreführende Produktwerbung in allen Medien und die fehlende Transparenz und Auszeichnung. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Preineder: Von der Arbeiterkammer habe ich nichts gelesen!)

Jetzt nehme ich den Aspekt Ihres Gesetzesvorhabens heraus, nämlich die Schweinehal­tung. Keine Vollspaltenböden mehr in der Schweinehaltung bis 2040, sagt die Regie­rung. (Bundesrat Preineder: Keine Billigschnitzel mehr!) Wahr ist, dass es kein verbind­liches Ausstiegsdatum gibt, denn die vorliegenden Gesetzestexte räumen einen derart großen Spielraum bei der Umsetzung ein, dass man mit etwas Geschick noch weit über 2040 hinaus seine Schweine auf den Vollspaltenböden halten kann.

Abgesehen davon kann die Frist ohne Weiteres verlängert oder auch ausgesetzt werden. Erwähnenswert ist, dass sämtliche Anlagen, die zwischen 2023 und 2039 neu errichtet werden, auch weit über 2040 hinaus genützt werden dürfen, denn ab der ersten Inbetriebnahme kann die Haltungseinrichtung für mindestens 23 Jahre ohne rechtliche Konsequenzen betrieben werden.


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Wichtige Begriffe in diesem Gesetz wurden schlichtweg nicht definiert. Das öffnet unse­rer Meinung nach Tür und Tor für jene, die das Tierwohl nicht ernst nehmen wollen. Ich bringe wieder mein Schild der Tierschutzombudsstellen zur Ansicht. (Die Rednerin hält eine Tafel, auf der unter der Überschrift „30 Jahre bis zum Ende des Vollspaltenbodens“ Schweine auf Vollspaltenböden und ein Zeitstrahl abgebildet sind, verkehrt in die Höhe. – Bundesrat Leinfellner: Drehs um, dann kann ich es lesen!) – Okay, Entschuldi­gung (Heiterkeit des Bundesrates Leinfellner), aber Sie sehen das besser als ich. (Die Rednerin dreht die hochgehaltene Tafel um 180 Grad. Heiterkeit bei der ÖVP.) – Ja, ich finde es sehr interessant, dass Sie Tierschutz als lustig empfinden.

Das ist die Einstellung, die ich mir auch erwartet habe (Bundesrat Raggl: Das war schon das Schild, warum wir gelacht haben!), wenn es um die Interessenvertretungen einer bestimmten Abteilung der ÖVP geht. Ja, ich gestehe es Ihnen zu, dass Sie die Interes­sen Ihrer Klientel vertreten, aber genauso muss es zugestanden werden, dass auch an­dere Interessen vertreten werden und dass sie hier zu Wort kommen und nicht verstum­men. Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.  Ruf bei der ÖVP: Das Taferl macht unwahrscheinlich aggressiv!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um lebende Tiere und es geht um Schweine, die auch in Zukunft auf ihrem Urin und ihrem Kot leben müssen. (Bundesrat Preineder: Nein, beim Spaltenboden nicht!) – Genau, den kennen Sie so gut, oder? (Bundesrat Preineder: ... der fällt durch!) Ja, ja.

Ab 2023 dürfen keine neuen Stallungen mit Vollspaltenböden mehr errichtet werden, sagt die Regierung. Wahr ist, dass auch danach weiterhin große Teile der aktuell zu­lässigen Form errichtet werden dürfen. Es wird mit Begriffen wie unstrukturierte Vollspal­tenbuchten ohne Funktionsbereich jongliert, aber nichts wirklich definiert.

Auch wenn das Gesetz nur Kosmetik bringen wird, bin ich der festen Überzeugung, dass es zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte geben wird und gibt, die Tierwohl fördern wollen, wenn wir ihnen das richtige Werkzeug und die richtigen Anreize dazu geben. Wir als SPÖ hätten uns gewünscht, dass die Landwirtinnen und Landwirte eine Art Werk­zeugkoffer in die Hand bekommen, der genau definiert, wie ein tierwohlgerechter Schwei­nestall in Zukunft auszusehen hat. Das ist jedoch nicht passiert.

Wir als SPÖ sehen viele Probleme, viele Schwachstellen und vor allem keine Planungs­sicherheit für jene, die einen Schweinebetrieb haben. Der Tierschutz ist zu wichtig, als dass man ihn einfach durch das Parlament peitscht. Sehr geehrte Kolleginnen und Kol­legen, es braucht diese Planungssicherheit für unsere Betriebe, und vor allem braucht es Perspektiven, um endlich das Höfesterben rasch einzudämmen. Das Gesamtpaket wird in keiner Weise dem gerecht, was höchst notwendig ist. Unsere Zustimmung erhält es nicht. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.12


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hau­schildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


14.12.52

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich habe es heute in der Aktuellen Stunde schon ge­sagt, aber ich wiederhole es an dieser Stelle sehr gerne: Mit dieser Novellierung des Tierschutzgesetzes und des Tiertransportgesetzes schaffen wir die größte Veränderung hin zu mehr Tierwohl, seit es diese Gesetze gibt.

Ganz kurz: Was sind die wichtigsten Punkte? – Da wäre einmal das Ablaufdatum für den Vollspaltenboden in der Schweinehaltung, mit 31.12.2039 ist endgültig Schluss. Bei Um-


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und Neubauten gibt es bereits 2023 neue Regeln, die zum Beispiel mindestens 20 Pro­zent mehr Platz bei den Mastschweinen vorschreiben.

Bei den Rindern wird die Anbindehaltung mit 2030 verboten, und bei den Kälbertranspor­ten gibt es klare Verbesserungen, begleitet ist das besonders – ich habe es auch schon erwähnt – mit dem Programm Kalb rosé, einem Projekt, das den Absatz von heimischem Kalbfleisch deutlich ankurbeln wird. Ja, wir brauchen tatsächlich einen stärkeren heimi­schen Absatz, vor allem deshalb, dass eben die Kälber nicht erst transportiert und expor­tiert werden müssen.

Ja, beim Geflügel – das ist, glaube ich, mittlerweile schon überall hin durchgedrungen – wird das Kückenschreddern verboten. Auch hierzu gibt es wieder Begleitmaßnahmen, die Absatzmärkte für Hähne schaffen.

Ja, auch das habe ich schon gesagt, die Tierschutzombudsperson wird gestärkt – struk­turell und in den Kompetenzen inklusive Tiertransportbereich.

Eine Seite der Kritik – wir haben es eben schon von der Kollegin gehört – stößt sich an den Übergangszeiten. Es mag tatsächlich auf den ersten Blick so erscheinen, aber wenn man sich das einmal ganz genau anschaut: Wie lange dauert es denn wirklich, bis sich ein neuer Stall rechnet? – 20 Jahre sind ein durchaus üblicher Zeitraum. Wir treiben Bäuerinnen und Bauern in den Ruin, wenn wir ihnen keine angemessenen Fristen ge­ben, wenn wir die Regeln ändern.

Ich persönlich bin sowieso der Überzeugung, dass der Großteil der Umstellung wesent­lich früher und rascher passieren wird, wenn die Ära eingeläutet ist. Sobald es da eine Planungssicherheit gibt, würde ich sagen, dass das früher in Angriff genommen wird.

Was mit dieser Novellierung passiert, ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel: Wir setzen in Zukunft ganz klar auf Qualität statt auf Masse. Das ist auch die zentrale Botschaft, die sich wie ein roter Faden durch diese Novellierung und die vielen Begleitmaßnahmen zieht. Gerade die starken finanziellen Anreize und die Absatzprojekte dazu führen dazu, dass viele schneller umsteigen werden.

Auch an dieser Stelle von meiner Seite einen herzlichen Dank an alle im Prozess Be­teiligten, nämlich an die InitiatorInnen des Tierschutzvolksbegehrens, die Tierschutzor­ganisationen, die Nutztierbranche, die HauptverhandlerInnen auf parlamentarischer und Regierungsebene. Es ist da wirklich etwas Zukunftsfähiges und Zukunftsweisendes ge­lungen. Für das Tierwohl, für eine zukunftsfitte Landwirtschaft machen wir heute einen großen und wichtigen Schritt.

Es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle ganz kurz auf etwas hinzuweisen, das mir in der Vorbereitung aufgefallen ist: Vor schon etwas längerer Zeit hat unser damaliger Ge­sundheitsminister Rudi Anschober nämlich in Oberösterreich etwas ins Leben gerufen, das nannte sich Fleischfrei-Tag. Das ist vielleicht ein guter Ansatz, an einem Freitag auf das Fleisch zu verzichten. Wer ganz, ganz, ganz retro sein möchte, kann sich ja Fleisch nur noch als Sonntagsbraten gönnen. (Bundesrätin Kittl: Ja!) Ich glaube, wenn wir ein­mal in diese Richtung gehen, dann wird es auch viel leichter, in der Tierhaltung Wohl­befinden zu schaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.17


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfell­ner. Ich erteile ihm dieses.


14.17.44

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Ge­schätzte Zuschauer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Also grundsätzlich sage ich immer etwas zum Vorredner, aber da


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fällt mir jetzt wirklich nichts ein, deswegen komme ich gleich zum Thema. Ja, ich hätte es eigentlich nicht für möglich gehalten – man muss sich ja bei Sebastian Bohrn Mena fast bedanken, nämlich für dieses Tierschutzvolksbegehren –, dass auch diese Bundes­regierung einmal in die Gänge kommt, den Anstoß bekommt, sich um den Tierschutz zu kümmern.

Ich will auch nicht alles kritisieren, was in diesen Änderungen drinnen ist. Ja, es sind auch gute Dinge dabei, aber ich sage, in einer zivilisierten Gesellschaft wie heute ist es wirklich nicht mehr notwendig, Kücken, Lebewesen zu schreddern – das hat in unserer heutigen Zeit absolut nichts mehr verloren.

Eines muss man in diesem Zusammenhang aber schon auch erwähnen: Für den Tier­schutz sind die Landwirte, die Bauern verantwortlich, und ich sage, höhere Tierschutz­auflagen bedeuten aber auch höhere Erzeugerkosten. Höhere Erzeugerkosten bedeu­ten wiederum höhere Preise für unsere Endkonsumenten. Ich sage das in einer Zeit, in der wir eine Teuerungswelle nicht vor der Haustüre, sondern wirklich unmittelbar da ha­ben, eine Teuerungswelle, die jeder bereits in der Geldtasche spürt.

In diesem Zusammenhang frage ich mich schon auch: Als ich relativ frisch in diesem Haus war, haben wir uns noch jährlich mit diesem Grünen Bericht beschäftigt. Seit zwei Jahren sehe ich keinen Grünen Bericht in diesem Haus mehr. Der würde nämlich einmal darlegen, wie tragisch die Situation in der Landwirtschaft und bei unseren Bauern inzwi­schen wirklich geworden ist. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Schennach: Liegt in der Kanzlei!)

Im Jahr 2019 lag das durchschnittliche Betriebseinkommen, Kollege Schennach, bei rund 28 000 Euro. Ich glaube, das spricht Bände, und es ist inzwischen auch sicher nicht besser geworden. Deswegen würde es mich freuen, wenn wir uns hier in diesem Haus auch wieder einmal mit dem Vorjahresbericht beschäftigen könnten. Es würde wieder einmal die Zahlen, Daten und Fakten vor Augen führen, wie es um unsere Selbster­haltungsfähigkeit und um unsere heimische Landwirtschaft in diesem Land wirklich steht.

Höhere Standards und Billigpreise sind ja bitte ein Widerspruch in sich. Die Landwirt­schaft gestaltet das Wohlbefinden unserer Tiere. Wir müssen auch einmal aufzeigen, dass Billigpreise Grenzen setzen. Bereits heute liegen mehr Puten aus dem Ausland in unseren heimischen Regalen in den Supermärkten als einheimisches Fleisch. Die Prei­se, die unseren heimischen Bauern bezahlt werden, gehen weiter nach unten, und tag­täglich sperren rund drei – im Jahr 2019 war es so – landwirtschaftliche Betriebe für im­mer ihre Tür zu.

Das Ergebnis: Die österreichischen Bauern haben Millionenverluste, das Tierwohl zählt nichts, Konsumenten werden getäuscht. Wo ist das Tierwohl bei all diesen ausländi­schen Produkten, die wir importieren? Das zählt wahrscheinlich nicht, und genau des­wegen müssen unsere hohen Standards, die wir in Österreich setzen und heute wieder erhöhen, auch für importierte Waren aus dem Ausland zählen. (Beifall bei der FPÖ.)

Tagtäglich haben wir rund 2,5 Millionen Essen außer Haus, 2,5 Millionen Essen in Re­gierungsgebäuden, in Kasernen, in Alten- und Pflegeheimen, in Krankenanstalten. (Bun­desrat Schennach: Na, in Kasernen weniger!) Ja, da müssen wir auch ansetzen, denn wenn Ihnen das Tierwohl wirklich etwas wert ist, wenn uns das Tierwohl etwas wert ist, dann müssen wir ja bereits bei der Ausschreibung diese österreichischen Standards als Grundvoraussetzung für den Ankauf der Lebensmittel hineinschreiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine Produktion im Ausland, importiertes Fleisch, das wird uns Österreichern und unse­ren österreichischen Bauern nicht helfen. Das ist ein Punkt, bei dem wir ansetzen müs­sen.


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Ich darf an dieser Stelle einen Entschließungsantrag einbringen, wobei ich Ihnen erspa­re, den gesamten Entschließungstext vorzulesen. Sie haben ihn ausgehändigt bekom­men, ich möchte ihn nur in einigen Grundzügen erläutern, nämlich den Entschließungs­antrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzungsstrategie für die Anliegen und Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens für das Jahr 2022“.

Das in dem Antrag enthaltene Tierschutzpaket geht einen großen Schritt weiter und soll durch angemessene Kombination von verschiedenen Maßnahmen wie Marktanreize, gesetzliche Regelungen, Beratungsleistungen und Förderungen für noch mehr Tierwohl sorgen.

Es geht dabei zum Beispiel um eine tiergerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft. Es geht um öffentliche Mittel, die das Tierwohl fördern sollen, eine vollständige Umsetzung des Aktionsplans für nachhaltige Beschaffung. Es geht um mehr Transparenz für Kon­sumenten mit einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung. Es geht um ein besseres Leben für Hunde und Katzen, für unsere Haustiere. Das haben wir heute auch schon gehört. Ja, wir müssen unseren Tieren auch eine starke Stimme geben.

*****

Ich darf euch bitten, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Wenn Ihnen Tierwohl und Tierschutz wirklich etwas wert sind, dann kommen wir auch da endlich in die Gänge und setzen wir diesen Entschließungsantrag um!

Herr Minister, wenn Ihnen der Tierschutz etwas wert ist, dann frage ich mich schon, warum diese langen qualvollen Lebendtiertransporte zur Schlachtung noch immer nicht unterbunden wurden. Wir wissen, alleine in Europa werden tagtäglich rund 3,8 Millionen Lebendtiere bis zu sieben Tage lang zur Schlachtung transportiert. Das ist in der heu­tigen Zeit wirklich nicht mehr notwendig. Da müssten wir für das Tierwohl und für den Tierschutz wirklich etwas tun, aber dazu hat man einfach nicht den Mut. Ich sage, gerade in diesem Bereich sollten Sie Ihren Mut zusammennehmen und diese Tierqualen tat­sächlich unterbinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf an dieser Stelle Danke sagen, nämlich Danke an unseren niederösterreichi­schen Landesrat Gottfried Waldhäusl, der dieses Volksbegehren ins Leben gerufen hat, diese Tierqualen aufzeigt und diese Tierqualen tatsächlich beenden will. (Bundesrätin Hahn: Auf den braucht ihr auch nicht stolz sein!)

Herr Landwirtschaftsminister, wir haben heute auch schon vom Ende der Vollspaltenbö­den ab 1.1.2040 gehört. Mit dieser Übergangsphase haben Sie auch Mut bewiesen. Das ist aber anscheinend die rasche Lösung, die man sich von dieser Bundesregierung er­warten kann. Eine Frage darf ich mir in diesem Zusammenhang aber schon noch er­lauben: Wie haben Sie sich das vorgestellt, unsere Bauern dabei zu unterstützen? Die Spaltenböden müssen weg, einen Misthaufen will man in keiner Gemeinde haben, den darf man ja so gut wie nirgendwo mehr machen. Wie stellt man sich das vor?

Heute wissen wir, wir können rund 4,5 Millionen Schweine in Österreich produzieren, rund 7,5 Millionen Schweine werden gegessen. Den Rest müssen wir jetzt schon aus dem Ausland zukaufen. Wir erleichtern es den heimischen Produzenten nicht, wir er­leichtern es der heimischen Landwirtschaft nicht. Ich höre auch nichts von Unterstüt­zungsmaßnahmen in diese Richtung. Wie stellen Sie sich das vor, dass wir unsere heimischen Bauern unterstützen? Was passiert, wenn wir nicht mehr 4,5 Millionen Schweine, sondern nur noch zwei Millionen Schweine in Österreich produzieren kön­nen? Na ja, die Kollegin von den Grünen vielleicht, aber die restlichen Österreicher hören


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ja nicht auf, Fleisch zu essen, also werden wir diese 7,5 Millionen Schweine wahrschein­lich weiterhin brauchen. (Bundesrat Schreuder: Ich kenne freiheitliche Vegetarier!) Wir importieren sie von dort, wo diese hohen Standards nicht gelten. Da müssen Sie einmal ansetzen! Sie müssen dort ansetzen, dass diese hohen Standards für alle Produkte in unseren Regalen gelten müssen – und nicht nur unsere eigenen Bauern mit immer mehr Maßnahmen drangsalieren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage, Tierschutz ja, Tierwohl ja, das ist ganz, ganz wichtig, aber das Projekt, das Sie uns heute vorlegen, ist ja bitte mehr Schein als Sein. Damit werden wir von Billigproduk­ten und von Produkten, die nicht unter den hohen Auflagen Österreichs produziert wor­den sind, nicht befreit werden, und der Tierschutz wird damit nicht erhöht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommen wir endlich in die Gänge, sorgen wir wirklich für Tierschutz und sorgen wir auch für Gerechtigkeit für unsere Bauern! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.27


Präsidentin Korinna Schumann: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Umsetzungsstrate­gie für die Anliegen und Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens für das Jahr 2022“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.


14.28.03

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte ZuseherInnen hier im Saal und zu Hause! Mit dem heutigen Tierschutzgesetz wird ein Meilenstein gesetzt. Ich weiß noch nicht genau, ob es ein Meilenstein ist, wenn sich Tierschutzorganisatio­nen, Verbände und LK einig sind, oder ob die Produktion der Schweinehaltung in Zukunft in Österreich entsprechend eingeschränkt wird.

Wir wissen, in Schweden ist die Schweinehaltung zurückgegangen. Wir rühmen uns in Österreich, jetzt eines der strengsten Tierschutzgesetze Europas zu haben, aber wir wissen auch, in den Ländern wird stetig importiert. Wir haben das Thema betreffend Eier. Wir haben die Käfighaltung aufgegeben. Flüssigeier kommen aus Indien, aus der Ukrai­ne. Wir haben keine Eigenversorgung im Geflügelbereich, wir haben keine Eigenversor­gung im Schweinebereich, wir haben keine Eigenversorgung im Lämmer- und Ziegenbe­reich. Das ist sicherlich eine Herausforderung, die wir auch zu lösen haben.

Ja, Tierleid entsteht meistens durch menschliches Versagen. Wenn Menschen psy­chisch, körperlich, finanziell überfordert sind, dann passiert es oft, dass sie auch das vernachlässigen, von dem sie leben, über das sie ihr Einkommen erwirtschaften. Es ist kein Bauer bestrebt, Tierleid zu erzeugen. Ich bin im Jahr 1980 als Fleischhacker in einen Betrieb eingetreten. Ich kann Sie vielleicht fragen, was damals ein Schwein gekos­tet haben wird. Ein 100 Kilo schweres Schwein hat damals 180 Euro gekostet. Heute bekommt der Bauer 220 Euro. Die Inflation ist von der Preisentwicklung also sicherlich nicht abgedeckt.

Ich muss sagen, auch damals haben wir gesehen, dass Spaltenböden teilweise gesün­der für die Tierhaltung, für die Lungen, gewesen sind, als bei den Strohschweinen, bei denen wir erlebt haben, dass der Dreck in die Stiefel hineingeronnen ist. Es sind daher nicht die Haltungssysteme, die oft die Schwächen sind, sondern es sind die Probleme, wenn Menschen versagen.

Eine Weiterentwicklung dieses Tierschutzgesetzes ist aber auch wichtig. Wir hatten eine Rinderhaltung. Die Kühe hatten vor 20 Jahren ungefähr 500, 600, 700 Kilo. Wir brauchten andere Laufdurchgangsbreiten, wir brauchten andere Liegeboxenbreiten und


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wir hatten damals schon einen Laufstall. Die Tiere haben sich weiterentwickelt, die Land­wirtschaft hat sich weiterentwickelt, und dadurch ist es auch wichtig gewesen, dass sich das Tierschutzgesetz weiterentwickelt hat, um ein sorgsames Umgehen mit den Rindern zu ermöglichen. Das Verbot der dauernden Anbindehaltung gibt es bei den Kälbern schon seit Jahren, weil es eine EU-Verordnung ist. Bei den Rindern wird die Regelung betreffend die dauernde Anbindehaltung in Zukunft umgesetzt werden.

Es ist aber auch eine Sicherheit, wenn die Tiere angebunden sind, die für Bäuerinnen und Bauern notwendig ist, die alleine zu Hause sind. Es gab schon Fälle, bei denen Bäuerinnen und Bauern ums Leben gekommen sind, weil die Tiere auch aggressiv sein können. Somit ist es auch wichtig, dass die Tiere und der Mensch geschützt sind.

Zum Schreddern von Geflügel: Ja, das Thema Schreddern von Geflügel ist auch ein Thema, das uns beschäftigt hat. Da muss man vielleicht auch genauso bei den Zucht­methoden ansetzen. Da bin ich sicherlich beim Minister, dass auch entsprechende Ver­änderungen vorgenommen werden.

Kälbertransporte sind ein heikles Thema. Es kann nicht sein, dass Kälber von Österreich nach Spanien transportiert werden, dann als Mastkalb zurückkommen und in Österreich verkauft und geschlachtet werden. Diese Tiere können wir doch auch in Österreich mäs­ten, schlachten und auch an den Konsumenten bringen.

Da möchte ich unserem ehemaligen Landesrat Max Hiegelsberger ein Dankeschön sa­gen, der jetzt Landtagspräsident ist. Er war in diesem Bereich mit Kalb rosé, das wir umsetzen wollen und müssen, Vorreiter, um Tierleid zu verhindern.

Eines ist natürlich auch besonders seitens der SPÖ interessant: Auf der einen Seite schreibt die Arbeiterkammer von 129 Prozent Kostensteigerung bei den Lebensmitteln, auf der anderen Seite sollen wir weniger Tiere halten. Es besteht natürlich schon eine riesige Herausforderung mit der Inflation. Die Inflation trifft die Bauern genauso bei den Investitionen. Die meisten Bauern müssen Kredite aufnehmen, und daher kommt es mir bei solchen Gesetzen oft wie beim Denkmalschutz vor. Der Denkmalschutz gibt vor, welche Richtlinien zu erfüllen sind, zahlen müssen es dann die anderen. Gott sei Dank haben das Landwirtschaftsministerium und das Gesundheitsministerium ein gemeinsa­mes Budget erstellt. Ich bin mir sicher, wenn wir daran arbeiten, werden wir auch die Lösungen herbeiführen.

In Österreich gibt es 82 000 Tierhalter. Wer kann mir sagen, wie hoch der Durchschnitts­bestand bei den Rindern ist? Es wird immer von der industriellen Tierhaltung gespro­chen. (Bundesrat Schennach: Genau!) 34 Rinder stehen durchschnittlich im Betrieb, bei den Schweinen sind es 112. Wenn wir das vergleichen, sind es in Holland durchschnitt­lich 3 400 Tiere. Wo ist dann die Massentierhaltung in Österreich, lieber Kollege Schen­nach? (Bundesrat Schennach: Dort ist es auch flach! Dort ist es viel flacher!)

Wenn wir Tierschutzstandards wollen, müssen wir auch schauen und beobachten, wie sich die ASP, die Afrikanische Schweinepest, weiterentwickelt (Zwischenruf der Bundes­rätin Hahn), denn wenn die Tiere im Freien unterwegs sind, müssen entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen werden. Es sind viele Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft steht, aber ich bin der Meinung von Gustav Heinemann: „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte“.

Darum stimmen wir heute auch diesem Tierschutzgesetz mit allen Herausforderungen zu. Es sind die Konsumenten gefordert, es ist der Handel gefordert, aber auch wir Land­wirte, damit wir einer positiven Zukunft in der Tierhaltung entgegengehen können. In diesem Sinne: Danke schön. Die Zustimmung der ÖVP-Fraktion wird es geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

14.34



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 94

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile ihm dieses.


14.34.28

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich darf zunächst eine tatsächliche Berichtigung machen. Bundesrat Tiefnig hat behauptet, dass die Vereine dieses Tierschutzgesetz unterstützen. Ich möchte Ihnen jetzt zitieren, was der VGT, der Verein gegen Tierfabriken, zu diesem Gesetz gesagt hat (Bundesrat Raggl: Es gibt ja mehr Vereine!):

„Die schon seit langem angekündigte und nun vorliegende Reform des Tierschutzge­setzes [...] und der 1. Tierhaltungsverordnung [...] ist sehr enttäuschend.“ (Bundesrat Bader: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Herr Kollege, das ist keine tatsächliche Berichtigung!) „Vor allem fehlen entscheidende Bestimmungen für ein Ende der Haltung von Schweinen auf Vollspaltenböden. In vorhergehenden Versionen gab es wenigstens die Auflagen, dass die Tiere in Neu- und Umbauten weich liegen können müssen, oder dass neue, wenn auch unspezifizierte Vorschriften für alle Schweinebetriebe ab 2040 gelten müssen. Doch nichts davon hat es in den vorgelegten Entwurf zu einer Reform gebracht. Das ist vom Standpunkt des Tierschutzes aus völlig inakzeptabel. Notwendig wäre ein Verbot der Haltung von Schweinen auf Vollspaltenböden, sowie eine Verdop­pelung des Platzangebots und eine verpflichtende Stroheinstreu.“ – Das war die Antwort vom VGT. Also wenn es die nicht wissen, wer sonst? Oder ist die ÖVP schon wieder einmal gescheiter? (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich bin aber schon ein wenig erschüttert, besonders Kollegin Hauschildt-Buschberger ist mir heute schon sehr aufgefallen. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Auffällig, ja!) Wie man sich die Welt wirklich schönreden kann, versucht, hier eine Pflegereform schönzureden, eine Nichtstrukturreform oder die Milliar­denpleiten, die in den letzten Monaten passiert sind, ist eigentlich unfassbar. (Bundesrat Schreuder: Das Schlechtreden aber auch!)

Ich möchte jetzt einiges zum Tierschutzgesetz sagen, damit ich Ihnen den Spiegel vor­halte, was Sie im Land produzieren, was Sie im Land sagen und was Sie auf Bundes­ebene machen. Im Land Burgenland hatten wir einen Beschluss, eine Klage gegen die Vollspaltenböden einzureichen. Damals war es im Land Burgenland noch so, dass die SPÖ, die Grünen und die FPÖ gesagt haben: Ja, das werden wir unterstützen. Bei der ÖVP war uns klar, die unterstützen nicht einmal das. Von der ÖVP wurde nicht einmal diese Klage unterstützt.

Dass Sie sich aber jetzt hierherstellen und im Liegen noch einmal umfallen! Frau Kollegin Lancaster hat vorhin dieses Schild mitgehabt – es war ein bisschen klein geschrieben. Dass Sie darauf noch stolz sind, dass 2028 Regelungen getroffen werden, die für 2040 nicht einmal greifen müssen, sondern letztendlich Vollspaltenböden erst 2052 zur Gänze verbieten! Darauf stolz zu sein und heute noch so locker hier zu sitzen ist für mich un­fassbar. Die Grünen haben für mich schon alles verloren. Beim Tierschutzgesetz, glaube ich, brauchen wir nicht mehr weiterzureden. Es verwundert mich wirklich sehr, dass Sie sich dieses Kernthema abgraben lassen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Mach dir keine Sorgen um uns! Danke!)

Die Haltung der ÖVP hat sich immer abgezeichnet. Dass die ÖVP dieses Gesetz heute noch verteidigt, ist für mich auch sehr, sehr verwunderlich, dass Sie das heute noch so hochhalten, was Sie hier geleistet haben. Man muss sich vorstellen, Sie haben vorhin vom Kückenschreddern gesprochen. Wissen Sie, was jetzt ist? – Jetzt ist das Kücken­schreddern zwar nicht mehr erlaubt, aber die Kücken können jetzt im Zoo verfüttert werden. Jetzt frage ich Sie: Was wäre Ihnen als Person lieber? Geschreddert werden oder im Zoo verfüttert werden? Unfassbar! (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Unruhe im


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Saal. – Bundesminister Rauch: Also bitte! Das ist ein ungeheurer Schwachsinn! Pein­lich! – Ruf bei der ÖVP: Jetzt wird es lustig!) – Ja, das ist jetzt vielleicht kein passender Vergleich gewesen, das mag schon sein. Aber ist Kückenschreddern jetzt in Ordnung? (Bundesrat Schreuder: Geh, bitte, das ist ja lächerlich!) – Das ist nicht lächerlich, so seht ihr das. (Bundesrat Schreuder: Mach dir keine Sorgen um uns!)

Wenn die Grünen und die ÖVP mit 20 Prozent Unterstützung so weitermachen – es wurde heute am Vormittag schon gesagt –, so, glaube ich, wird diese nach dem Be­schluss dieses Tierschutzgesetzes noch um ein paar Prozente fallen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Die Wahrheit ist zumutbar, Marco! – Bun­desrat Schreuder: Also wenn das die Wahrheit ist, dann weißt du nicht, was Wahrheit ist!)

14.39


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Mie­senberger. Ich erteile ihr dieses.


14.39.06

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin, zu Be­ginn möchte ich mich gleich mit einem Glückwunsch an dich zur Vorsitzübernahme Wiens einstellen. Frau Präsidentin, ich möchte dir wirklich von Herzen viel Erfolg und eine gute Hand für deine Aufgabe wünschen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundes­rätInnen von SPÖ und Grünen.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer vor den Bildschirmen oder hier im Haus! Kennen Sie eine Landwirtin, einen Landwirt Ihres Vertrauens wirklich persönlich und/oder kaufen Sie auch bei ihm ein? (Bundesrat Schennach: Ja, ja! – Bundesrätin Hahn: Ja!) – Das scheint hier wirklich sehr vorbildlich zu funktionieren. Ich glaube, dass wir alle gemeinsam ganz viel zu tun haben, damit das künftig vielleicht ein jeder von sich behaupten kann.

Überlegen wir alle uns und überlegen Sie sich, wenn Sie ins Regal greifen oder im Restaurant bestellen: Woher stammen die Zutaten des Lebensmittels, des Gerichtes? Welche Tierhaltungs- und Produktionsstandards gelten im jeweiligen Land, aus dem das Lebensmittel kommt? Wie geht es der bäuerlichen Familie, die hinter diesem Lebensmit­tel steckt? – Genau diese Fragen sollten wir uns in Zukunft vermehrt stellen, besonders wenn wir einkaufen oder außer Haus essen gehen. Es sollte in unser Bewusstsein rücken, ob sich unser Anspruch auf mehr Tierwohl auch wirklich in unserem Konsumver­halten beziehungsweise im Einkaufsverhalten widerspiegelt. Bekennen wir uns zu mehr Tierwohl oder greifen wir in Wirklichkeit zum Billigprodukt?

Frau Kollegin Lancaster, Sie haben vorhin behauptet, der Konsument sei beim Kauf von Lebensmitteln der Irreführung ausgeliefert – da sollten auch andere Kolleginnen und Kollegen gut zuhören –: Wenn Sie auf ein konkretes Produkt schauen und darauf ein AMA-Gütesiegel finden, wissen Sie, das AMA-Gütesiegel besagt – speziell bei Fleisch ‑, dass das Tier in Österreich geboren ist, in Österreich gemästet ist. (Zwischenrufe der Bundesrätin Kahofer. – Bundesrat Steiner: Nein, nein, nein! Eben nicht!) – Doch, liebe Kollegen! Das AMA-Gütesiegel besagt, dass das Tier in Österreich geboren und gemäs­tet wurde, hier gelebt hat und auch hier geschlachtet wurde. (Bundesrat Steiner: Nein, nein!) – Doch, so ist es! Sie können eine tatsächliche Berichtigung machen, aber so ist es. (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.)

Meiner Meinung nach wird es sich in Zukunft nicht mehr ausgehen, mehr Tierwohl zu verlangen und dann aber zum Billigprodukt zu greifen, das möglicherweise aus dem Ausland kommt, bei dem wir die Tierhaltung dahinter nicht kennen. Darum geht es in Wahrheit bei diesen vorliegenden Änderungen im Tierschutzgesetz, im Tiertransportge­setz und in der Tierhaltungsverordnung.


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Ein paar wichtige Punkte daraus: Es soll ein Auslaufen der dauernden Anbindehaltung bis 2029 geben, ein Auslaufen von unstrukturierten Vollspaltenböden in der Schweine­haltung bis 2039, ein Verbot von Tiertransporten in Drittländer und ein Schredderverbot männlicher Kücken.

Ich als Landwirtin bin der Meinung, dass dieses Tierwohlpaket eine Weiterentwicklung in der Nutztierhaltung und ein Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Land­wirtschaft ist. Nun kommt das aus meiner Sicht große Aber: Es ist nur dann wirklich ein großer Meilenstein in der österreichischen Nutztierhaltung, wenn nicht nur die Tiere – zu Recht – eine Verbesserung erfahren, sondern auch die Bäuerinnen und Bauern, die tag­täglich, 365 Tage im Jahr, die Tiere versorgen und ihre Familienbetriebe aufrechterhal­ten müssen. Es ist nur dann ein großer Meilenstein, wenn wir damit auch künftig die heimische Produktion erhalten und nicht verdrängen und wenn wir auch in Zukunft Ver­sorgungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln garantieren können. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher ist es für mich wichtig und notwendig, dass wir mit diesem Gesetz alle entlang der Wertschöpfungskette in die Pflicht nehmen. Die österreichische Landwirtschaft, die Bäuerinnen und Bauern leisten ihren Beitrag zu mehr Tierwohl, es sind aber auch der Handel, die Verarbeitung, die Gemeinschaftsverpflegung und die Verbraucher gefordert, um den heimischen Lebensmitteln Vorrang und damit auch einen fairen Preis zu geben.

Wir haben es den Bäuerinnen und Bauern zu verdanken, dass unsere österreichische Kulturlandschaft, in der wir gerade in der Sommerzeit unsere Erholung suchen, unseren Urlaub machen, gepflegt wird. Wir haben es auch den Bäuerinnen und Bauern zu ver­danken, dass wir hochwertige heimische Lebensmittel in den Regalen und auf den Tel­lern haben. Das ist nicht selbstverständlich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es bedeutet viel Arbeit, und daher sage ich den Bäuerinnen und Bauern, die tagein, tagaus hart ar­beiten, an dieser Stelle ein großes Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dieses ernst gemeinte Danke ist meiner Meinung nach gut, aber zu wenig. Es ist meiner Meinung nach auch zu wenig, nur ein Volksbegehren zu unterschreiben, wir müssen uns alle ganz ehrlich für den Konsum von heimischen Lebensmitteln entscheiden. Das ist meiner Meinung nach ein ehrliches Bekenntnis zu mehr Tierwohl.

Ja, der Weg zu diesem Paket war nicht einfach, es gab zähe und lange Verhandlungen, die angefangen mit dem Tierschutzvolksbegehren beinahe zwei Jahre gedauert haben. Bei diesen Verhandlungen sind zwei Welten aufeinandergetroffen, das ist schon einige Male hier erwähnt worden: Auf der einen Seite waren die Branchen, die VertreterInnen der Landwirte und Landwirtinnen, auf der anderen Seite die Tierschutzorganisationen, die NGOs. Es hat viele Schritte aufeinander zu gebraucht, um sich auf Augenhöhe zu begegnen. Der Ton war oft rau, das haben wir verspürt, und manchmal nicht ganz re­spektvoll.

Ich kann durchaus die vielen Landwirte, mit denen ich in den letzten Wochen gesprochen habe, verstehen. Sie sind verunsichert, wenn sie an die Zukunft denken: Wie wird sich der Markt angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage entwickeln? Wird möglicher­weise zu mehr Billigprodukten gegriffen, wie wir heute schon in den Medien gehört ha­ben?

Aktuell ist auch die Marktlage besonders für die Tierhalter nicht ganz rosig, und wenn es um geforderte neue Investitionen geht, fragen sie sich zu Recht: Werden sich die höhe­ren Kosten bei den Stallbauten, für den Mehraufwand bei der Betreuung auch wirklich am Markt rechnen? Bekommt der Landwirt, die Landwirtin für ihr Produkt den gerechten Anteil am Markt, um auch künftig wirtschaftlich weiter bestehen zu können?


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Daher war und ist es notwendig, angemessene Übergangsfristen bei den neuen Hal­tungsvorschriften einzuräumen, um Planungssicherheit für die Betriebe zu gewährleis­ten. Tierhalter, die in jetzt auslaufende Systeme investiert haben, können aus ökonomi­schen Gründen nicht einfach den Stall abreißen und neu bauen. Das wäre der Tod der Betriebe.

Ja, es ist im Interesse der Bäuerinnen und Bauern, für mehr Wohl für ihre Tiere zu sor­gen, und das nicht aus wirtschaftlicher Sicht. Mir ist es wichtig, zu sagen, die Bilder vom Tierleid, die wir in den letzten Wochen gesehen haben, die aufgetaucht sind, schockieren auch mich und sind klar zu verurteilen. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, auf­grund dieser Bilder auf die gesamte Branche zu schließen und alle Tierhalter über einen Kamm zu scheren. Es sind meist menschliche Schicksale, Überforderung oder Überlas­tung mit im Spiel, und daher müssen wir die bäuerlichen Familienbetriebe klar im Fokus behalten. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen, wir müssen sie begleiten und genau schauen, welche Rahmenbedingungen es noch braucht, um es nicht so weit kommen zu lassen.

Daher finde ich es gut, dass eine wissenschaftliche Begleitung bei der Weiterentwicklung von Stall- und Schweinehaltungssystemen im Tierwohlpaket verankert ist, weil es um das Tierwohl geht, weil es auch um die Wirtschaftlichkeit geht und weil es in letzter Kon­sequenz – und das ist das Wichtigste für mich – um das Bauernwohl geht. Das wird in der Diskussion oft gerne vergessen.

Vor zwei Tagen wurde das Ergebnis der Agrarstrukturerhebung 2020 bekannt gegeben. Die österreichische Landwirtschaft ist nach wie vor kleinstrukturiert, familiengeführt, es gibt einen steigenden Anteil von Betrieben, die von Frauen geführt werden, und eine starke Bioproduktion. 420 000 Personen waren 2020 in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt. Nun bitte ich Kollegen Bernard von der FPÖ um besondere Aufmerksamkeit: Sie haben gestern behauptet, der niedrige Prozentsatz bei den Betriebsaufgaben sei falsch dargestellt. Tatsache ist, die Anzahl der Beschäftigten in der Land- und Forstwirt­schaft ist im Vergleich zur letzten Vollerhebung sogar leicht gestiegen.

Angesichts der aktuellen schwierigen Lage leiden auch die landwirtschaftlichen Betriebe unter enormem Kostendruck, Kosten für Betriebsmittel, Treibstoffe und Energie sind auch für Sie massiv gestiegen. Um den Spagat zwischen wirtschaftlichen Krisen und gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen zu schaffen, brauchen wir den Schulter­schluss aller. Tatsache ist, die Umstellung wird die bäuerlichen Betriebe massiv fordern. Ich ersuche Sie: Lassen wir sie nicht im Stich! Es geht nicht nur um mehr Tierwohl, es geht um unsere Versorgung und die Versorgungssicherheit mit heimischen Lebensmit­teln, die wir in Zukunft sicher brauchen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

14.50


Präsidentin Korinna Schumann: Herr Bundesminister Johannes Rauch hat sich zu Wort gemeldet. – Ich erteile ihm dieses.


14.50.18

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich habe nur noch zwei Anmerkungen zur Debatte. Was die Herkunftskennzeichnung anlangt: Ja, das ist richtig, die Forderung, diese für alle Produkte durchgängig und für Konsumentinnen und Konsumenten nachvollziehbar zu machen ist durchaus gerechtfertigt. Da passiert jetzt ein erster Schritt bei Großküchen, Kantinen und Gemeinschaftsanlagen und natürlich finden auch intensive Gespräche mit der Gastronomie statt. Ich bin unglücklich darüber, dass das dort noch nicht gelungen ist, das sage ich Ihnen ganz offen, weil ich schon meine, dass Konsumentinnen und Konsumenten auch im Wirtshaus Gelegenheit haben


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sollten, zu wissen, wo die Produkte herkommen. Das ist bisher noch – ich sage dazu: noch – an gewissen Widerständen gescheitert. Ich glaube aber, dass der Druck der Kon­sumentinnen und Konsumenten da noch steigen wird. Man muss nur immer schön nach­fragen, wo etwas herkommt, dann wird das auch dort Einzug halten.

Einen letzten Satz noch zum Thema Kückenschreddern: Der Vergleich war ein bisschen unpassend. In der Sache selber möchte ich aber schon sagen, dass die Alternative wäre, sie zu importieren. Die österreichischen Tierparks und Zoos brauchen – über die Grö­ßenordnung bin ich selbst überrascht gewesen – Millionen von Kücken, um sie den im Zoo gehaltenen Tieren zu verfüttern. Das Abkommen mit der Branche, dass sie in Öster­reich – unter Anführungszeichen – „verwertet“ und damit einer Nutzung zugeführt wer­den, ist jedenfalls ein gutes, denn sonst würde beides passieren – Kückenschreddern und Import von Kücken –, was nicht gut wäre. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.52


14.52.03

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein! Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Umsetzungsstrategie für die Anliegen und Forde­rungen des Tierschutzvolksbegehrens für das Jahr 2022“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

14.53.087. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2652/A sowie 11008/BR d.B. und 11018/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2659/A sowie 11009/BR d.B. und 11019/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die COVID-19-Impfpflichtverordnung und die Verordnung betreffend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung aufgehoben werden und das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (2676/A sowie 11020/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 7 bis 9, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 99

Berichterstatterin zu den Tagesordnungspunkten 7 bis 9 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


14.54.06

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Ich bringe auch den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits­telematikgesetz 2012 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme auch hierbei gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe darüber hinaus den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die COVID-19-Impfpflichtverordnung und die Verordnung betref­fend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung aufgehoben werden und das Epidemiegesetz 1950 ge­ändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Ich erteile dieses.


14.55.34

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Eingangs möchte ich festhalten, dass wir von den drei zur Diskussion stehenden Tages­ordnungspunkten Tagesordnungspunkt 7 nicht zustimmen werden; zu den Tagesord­nungspunkten 8 und 9 wird es von unserer Seite ein Ja geben.

Inhaltlich geht es bei Tagesordnungspunkt 7 darum, dass zukünftig das Impfzertifikat im E-Impfpass über einen Link abrufbar sein wird und nicht mehr als PDF-Datei abgespei­chert wird. Leider wurde aus parteitaktischen Gründen – sprich Tierschutzgesetz – der parlamentarische Werdungsprozess ausgebremst. Das ist die Begründung, warum wir diesem Tagesordnungspunkt unsere Zustimmung nicht erteilen.

Ich komme zu Tagesordnungspunkt 9: Es geht dabei um die Aufhebung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes, die Aufhebung der Covid-19-Impfpflichtverordnung und die Aufhe­bung betreffend die vorübergehende Nichtanwendung dieser beiden Gesetze bezie­hungsweise der Verordnung.


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Die Aufhebung dieser Verordnungen ist ein absolut richtiger Schritt, denn die Impfpflicht hat eigentlich nur Gräben in unsere Gesellschaft gerissen und auf der anderen Seite keinen Menschen zusätzlich dazu bewegt, sich impfen zu lassen. (Bundesrat Steiner: Und wer war mit dabei?) Das heißt aber nicht, dass die Impfung nicht notwendig bezie­hungsweise sinnvoll ist oder war. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.) Es ist der richtige Weg, die Entscheidung, sich impfen zu lassen, jedem Men­schen selbst zu überlassen.

Nicht zu verschweigen ist auch – und ich zitiere da die britische Expertise von „The Lancet Infectious Diseases“ –, dass die Impfung im ersten Jahr ihrer Einführung weltweit rund 20 Millionen Menschen vor dem Tod bewahrt hat (Bundesrat Steiner: Ja, was ist denn das? Wahnsinn!), auch unter dem Aspekt, dass weltweit mehr als 540 Millionen Men­schen infiziert wurden. Offiziell starben 3,6 Millionen Menschen an Corona, die Dunkel­ziffer dürfte allerdings noch viel höher sein. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Ja, si­cher!) – Herr Kollege Steiner, ich weiß nicht, was daran witzig ist und wie man über To­desfälle und Todesraten, die eigentlich jenseits von irgendetwas liegen, lachen kann. (Bundesrat Schreuder: Ja, das weiß ich auch nicht!) Das sollte eigentlich mehr Betrof­fenheit hervorrufen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Zu bedenken ist auch, dass die Impfung gegen das Virus immer noch effektiv ist. Wir beenden die Impfpflicht heute mitten in einer Sommerwelle mit täglichen Neuinfektions­zahlen von über 10 000 und einer Prognose von über 30 000 täglich.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, eine Strategie, wie es jetzt wirklich weitergehen soll, ist für uns leider nicht erkennbar. Quarantäne: ja oder nein? Maskenpflicht: ja oder nein? Vierter Stich: ja oder nein? – Alles Fragen ohne Antworten. Wer sich mit dem Corona­virus infiziert, muss sich zurzeit in Quarantäne begeben. Das soll sich aber schon bald ändern, wie wir gestern erfahren haben. Der Virologe und Professor für Impfstoffkunde Florian Krammer hält das für keine gute Idee. Die Stadt Wien sprach sich bereits vehe­ment gegen das Quarantäneende aus.

Die Coronazahlen steigen, am Mittwoch vermeldete Ihr Gesundheitsministerium erst­mals wieder über 15 000 Neuinfektionen. Zugleich dürfte die Dunkelziffer an positiven Fällen noch viel höher sein, darauf deuten die niedrigen Testquoten, aber auch die Werte aus dem Abwassermonitoring hin. Bekannt ist auch, dass die grassierende Virusvariante BA.5 besonders ansteckend ist. Angesichts der vielen Ausfälle am Arbeitsplatz wird nun statt neuer Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung ein Ende der Quarantänere­gelung diskutiert.

Der Virologe Florian Krammer hält – das habe ich bereits erwähnt – ein Ende der Qua­rantänepflicht für keine gute Idee, wie er auch am Mittwochabend in der „ZIB 2“ öffentlich erklärte. Experten empfehlen: Wenn man weiß, dass man infiziert ist, sollte man sich in Quarantäne begeben, andernfalls könnte man andere Menschen anstecken. Es gilt aber nicht nur für Corona, sondern auch für jede andere Infektionskrankheit, dass man sich, wenn man krank ist, nicht unter Leute begeben sollte.

Was die etwaige Herdenimmunität, die immer wieder andiskutiert wird, betrifft, ist sich Virologe Krammer nicht mehr sehr sicher. Der Experte glaubt, dass man diese abschrei­ben muss. Der Virus wird uns bleiben, sagt er, und wie Sie, Herr Bundesminister, richtig festgestellt haben, werden wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Eine positive Entwicklung erkennt der Virologe dennoch: Die Situation hat sich grundle­gend geändert, weil viele Menschen durch die Impfung oder durch frühere Infektionen vor schwereren Verläufen geschützt sind und auch der Virus sich verändert hat. Was den Impfstoff betrifft, so soll es ab August wieder einen angepassten und für die neue Variante geeigneten Impfstoff am Markt geben. Gesunden und bereits dreimal geimpften


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Menschen rät der Experte tendenziell dazu, auf die angepassten Impfstoffe zu warten, für Hochrisikopersonen und ältere Menschen zahle es sich aber aus, die Auffrischung schon jetzt zu machen, erklärt Krammer. Für künftige Impfungen sieht der Gesundheits­experte zwei Möglichkeiten: Entweder werde es ähnlich wie bei der Influenza sein, dass man sich jährlich zur Impfung begibt, oder man werde, wenn eine neue problematische Variante auftaucht, die Impfung anlassbezogen beziehen.

Da wir jetzt schon bei den Impfungen sind, Herr Bundesminister: Ein Blick auf den allge­meinen Impfstatus bei Schutzimpfungen gibt Anlass zur Sorge. So ist die Situation bei der Diphterie- und Tetanusimpfung sowie der Influenzaimpfung beträchtlich ins Hinter­treffen gelangt, wenn man die internationalen Vergleichswerte betrachtet. Im Vergleich zu den Erwachsenenimpfungen stellt sich die Situation bei den Kinderimpfungen noch weit dramatischer dar. Schon vor Ausbruch der Pandemie war die Impfquote stark sin­kend, aber die Jahre 2020 und 2021 haben zu massiven Einbrüchen geführt: bei Masern, Mumps, Röteln minus 68 Prozent, bei Meningokokken minus 30 Prozent, und dies im Vergleich von 2019 zu 2021.

Es bedarf nun dringend einer Neuausrichtung des Impfkonzeptes, um eine Erhöhung der Durchimpfungsrate zu erreichen – zum Wohle der Gesundheit unserer Kinder und aller Österreicherinnen und Österreicher.

Daher möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Maßnah­men zur Erhöhung der Impfbereitschaft“

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage mit folgenden Inhalten zur Beschlussfassung zu übermitteln:

- Übernahme des nationalen Impfplans als Pflichtleistung in das Leistungsportfolio der gesetzlichen Krankenversicherung

- Aufnahme eines verpflichtenden Beratungsgesprächs über Kinderimpfungen in den Mutter-Kind-Pass und Durchführung einer breit angelegten Informationsoffensive über Medien und auch soziale Medien

- Bonuszahlungen an die Eltern für abgeschlossene Impfserien ihrer Kinder, um so die Impfbereitschaft wieder zu erhöhen

- Durchführung von Impfungen auch in Apotheken durch ausgebildetes Personal

- Forcierung der Schulimpfungen

- Rascher Ausbau des elektronischen Impfpasses für alle Impfungen und Erweiterung um eine Erinnerungsfunktion


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 102

Für die Umsetzung dieser wichtigen Maßnahmen sind ausreichend finanzielle Mittel vom Bund bereitzustellen.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.04


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „rasche Maßnahmen zur Erhö­hung der Impfbereitschaft“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.05.21

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Als Erstes möchte ich Kollegen Appé (in Richtung ÖVP blickend) für seine weitreichenden (Bundesrat Schennach: Hier ist er!) – genau, danke (Bundesrat Schennach: Nur eine kleine Orientierungshilfe!) – Ausführungen und we­sentlichen Anmerkungen in Bezug auf Corona danken.

Es ist ja tatsächlich so, dass die Pandemie seit zweieinhalb Jahren unser Leben be­stimmt. Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier vorne gestanden bin und dazu gespro­chen habe. In dieser ganzen Zeit ist das oberste Gebot der Regierung immer gewesen, der Bevölkerung den bestmöglichen Schutz vor diesem damals noch unbekannten Virus zu geben. Es war lange Zeit tatsächlich so, dass niemand gesicherte Informationen da­rüber gehabt hat, wie dieses Virus übertragbar ist, wie der Krankheitsverlauf ist und welche Behandlung stattfinden kann.

Als dann endlich die Impfung gekommen ist, hat man geglaubt, man steht vor dem Durchbruch, vor einer Lösung in diesem Pandemiegeschehen. (Bundesrat Steiner: Ja, ja!) Wissenschaftler weltweit haben gemeinsam an der Entwicklung des Impfstoffes ge­arbeitet, und im Dezember 2020 war es dann möglich, die ersten Personen in Österreich zu impfen.

Heute wissen wir, dass die Impfung in Bezug auf die Varianten Alpha bis Delta ein sehr probates Mittel gewesen ist, um schwere Krankheitsverläufe zu mildern (Bundesrat Spanring: Lernen Sie Geschichte!), und weniger schwer erkrankte Menschen haben auch zu der notwendigen Entlastung des Gesundheitssystems geführt. Unter den Ein­drücken der Deltavariante und im besten Wissen um die Wirksamkeit dieser Impfung zum Schutz der Menschen wurde die Impfpflicht hier im Plenum mit breiter Mehrheit und unter den strengen Kriterien ihres Einsatzes und ihres Vollzugs beschlossen. (Bundesrat Spanring: Ihr könnt euch viel einreden, aber das glaubt euch kein Mensch! Zwingen wolltet ihr die Leute! Gezwungen habt ihr sie!)

Aus Delta ist dann sehr schnell Omikron geworden, das sich erstmals ganz anders als die Vorgängervarianten verhielt, und aufgrund dessen wurde das Impfpflichtgesetz fak­tisch nie vollzogen. (Bundesrat Steiner: Omikron war bei der Einführung längst da!)

Heute ist uns auch klar, dass durch das Impfpflichtgesetz nicht mehr Impfungen erreicht wurden. Leider – das bedaure ich persönlich wirklich sehr – sind durch die Einführung der Impfpflicht viele negative Folgen in der Bevölkerung eingetreten. (Bundesrat Stei­ner: Gratuliere!) BefürworterInnen und GegnerInnen der Impfpflicht finden im Gespräch kaum noch einen Weg zueinander. (Bundesrat Steiner: Gut gemacht!) Das ist wirklich eine schlechte Entwicklung, die wir stoppen müssen.


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Der Weg dahin führt sicher über das Ende des Impfpflichtgesetzes. (Bundesrat Lein­fellner: Und über das Ende der Regierung!) Das finale Datum des Gesetzes war mit 31.1.2024 fixiert, dem greifen wir vor, indem wir das Impfpflichtgesetz heute beenden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Unfassbar! Wie ein Slalom­fahrer! Ich hab schon geglaubt, die Anna Veith steht da! – Bundesrätin Eder: Die fährt nicht Slalom! – Bundesrat Steiner: Vor lauter Verrenkungen!)

15.08


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.09.17

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Mit der heutigen Abschaffung des Impfpflichtgesetzes beziehungsweise der Impfpflichtverordnung sor­gen wir dafür, dass der monatelangen bewussten Spaltung unserer Gesellschaft und dem unverhältnismäßigen Eingriff in unsere Grund- und Freiheitsrechte durch die Bun­desregierung, aber auch durch die Scheinopposition, endlich ein Riegel vorgeschoben wird.

Liebe Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger, wenn man Ihren Ausführungen lauscht, kommt einem ein Schmunzeln und ein beherztes Lachen über die Lippen angesichts der vielen Rückwärtssaltos, mit denen Sie diese Abschaffung jetzt ja fast begrüßt haben.

Ich denke zurück an Ihre Rede hier, in der es hieß, dass die Maßnahme des Impf­zwanges – Impflicht war es ja keine, es war ein Zwang, ihr habt die Leute gezwungen – unumgänglich ist. Und jetzt machen Sie einen dreifachen Rückwärtssalto und sagen: Die Einführung der Impfpflicht hat negative Folgen für die Gesellschaft gehabt! – Nein: Eure Bundesregierung mit dem roten Beiwagerl hat negative Folgen für die Gesellschaft, denn ihr habt die Bevölkerung gespalten, nicht die Impfung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Aber vielleicht können Sie mir ja heute einmal – das vermisse ich bei Ihnen – eine Studie zeigen, die besagt, dass die Impfung vor schweren Verläufen schützt. Die gibt es nämlich nicht. (Heiterkeit der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.) Es gibt sie nicht, aber Sie erzählen das halt immer, weil Sie sonst ja auch keinen Grund gehabt hätten, den Impf­zwang einzuführen.

Vielleicht lassen Sie einmal Ihren ehemaligen Kollegen Herrn Wenisch sprechen – der ist ja eh im Impfgremium oder in irgendeinem Gremium oder einer Kommission der Bun­desregierung gesessen, vielleicht erinnern Sie sich noch an ihn –, der gesagt hat: Nein, die Impfung hat nicht das gehalten, was sie versprochen hat, und nein, sie wirkt leider nicht in dem Ausmaß, wie wir es erhofft haben! Das hat er bei einer öffentlichen Pres­sekonferenz der Bundesregierung gesagt. Es ist also sehr interessant: Sie wissen nicht einmal mehr selber, wofür Sie stehen und wofür Sie reden, aber das ist ja symptomatisch für diese Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen auch, dass die Bundesregierung und auch die Scheinopposition keineswegs gescheiter geworden ist und deswegen den Impfzwang zurücknimmt, sondern dass sie das ausschließlich aus dem Grund tut, weil der Druck auf der Straße zu groß geworden ist. Ihr habt natürlich gemerkt, dass Hunderttausende Leute dagegen aufstehen, vor al­lem aber wisst ihr, dass Landtagswahlen anstehen und die Bundespräsidentenwahl vor der Tür steht.

Wir wissen, dass der ehemalige Impfpflichtvater Platter in Tirol mit dem Impfzwang schwitzt wie nur irgendwas; jetzt ist er eh schon nicht mehr im Amt, und die ÖVP wird im Heiligen Land Tirol ein Desaster erleben. Die Niederösterreicher schwitzen, die Salzbur­ger schwitzen (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Weswegen schwitzen wir?) – das sind natürlich alles schwarze Bundesländer.


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Vor mir hat Kollege Appé geredet, der auch auf einmal sagt, dass es gut ist, dass die Impfpflicht abgeschafft wird: Na, bitte, wer waren denn die Väter des Impfzwangs? – Das war auch unser Impfzwangkaiser aus Kärnten, der rote Peter Kaiser; er war am Achen­see gemeinsam mit Platter dabei, und alle haben unterschrieben. (Beifall bei der FPÖ.) Alle haben sie unterschrieben, und heute erklärt ihr uns, dass da ja keiner dabei war und eigentlich eh keiner die Impfpflicht haben wollte. Ihr seid hier heraußen gestanden und habt mit Feuer und Flamme für den Impfzwang geredet. Es ist gut, dass die Leute zu Hunderttausenden auf die Straßen gegangen sind und gemeinsam mit uns Freiheitli­chen – als einziger Partei – für ihre Grund- und Freiheitsrechte eingestanden sind und euch alle in die Knie gezwungen haben, so dass ihr ihn jetzt zurücknehmen musstet. Dafür auch ein herzliches Dankeschön an alle Österreicher, die daran mitgewirkt haben und sich nicht haben spalten lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen aber auch eines versprechen: Diese Einheitspartei wird die Maßnahmen irgendwann wieder verschärfen, das wird passieren. Wir wissen ja, wofür Minister Rauch steht, das ist ja keiner, der für Freiheit und Freiwilligkeit steht, wie er es jetzt in Bezug auf die Impfung propagiert (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), sondern er steht für Zwänge, für Maskenpflicht, für Testzwang, das wissen wir ja alle. Jetzt plädiert er für die Freiwilligkeit und die Selbstbestimmung, die wir haben wollten und die ihr – und er selber als Erster – abgelehnt habt. Dafür steht der Minister jetzt auf einmal selbst. Also bitte, diese Doppelbödigkeit und Doppelmoral, die ihr an den Tag legt, die durch­schaut ein Blinder. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Leute in unserem Land werden aber nicht vergessen, wofür ihr gestanden seid und wofür eure Leute gestanden sind. Was hat der ehemalige, unrühmliche Bundeskanzler Fürst Spaltenberg (Bundesrat Steiner: Schalli! Der war schon gut!) denn gesagt? – Er hat gesagt: Weihnachten wird für Ungeimpfte ungemütlich werden! Er hat gesagt: Wir haben eine Pandemie der Ungeimpften!

Der Nächste war Vizekanzler Kogler (Bundesrätin Steiner-Wieser: Illegal im Land!), der in seiner tollen Manier hier aufgetreten ist und gesagt hat: Alle, die auf der Straße bei den friedlichen Kundgebungen sind, sind Staatsfeinde, Demokratieverweigerer und Neo­faschisten! – An so etwas erinnern sich die Leute in unserem Land schon zurück.

Wir erinnern uns auch an Frau Köstinger, die nicht nur von Herrn Kickl mit Blut an den Händen gesprochen hat, sondern die auch gesagt hat: Die Solidarität mit Ungeimpften ist vorbei! Wir erinnern uns an Frau Edtstadler, die gesagt hat: Wer nicht geimpft ist, wird sich überlegen müssen, ob er in diesem Land überhaupt leben darf.

Wir erinnern uns an Nochkanzler Nehammer, der alle von der Polizei hat bestrafen las­sen und die Polizei auf die eigene Bevölkerung gehetzt hat. Den Polizisten war das eh nicht recht, aber in Ausübung ihres Dienstes haben sie es machen müssen. An Impf­weltmeister Mückstein erinnern wir uns auch, der in seiner rhetorischen Brillanz, mit der er immer hier aufgetreten ist, gesagt hat: Die Impfung ist alternativlos! Impfen schützt!

Ja, diese Geschichte habt ihr alle gemeinsam mit der gekauften medialen Gleichschal­tung vorangetrieben. Die Medien habt ihr um 230 Millionen Euro gekauft, und dafür ha­ben sie das geschrieben, was ihr hören wolltet. Das hat dann bis in die Familien hinein gewirkt, das hat zu der Spaltung geführt, denn auf einmal hat keiner mehr daheim ge­fragt: Wie geht es dir?, sondern jeder hat gefragt: Bist du geimpft? Das habt ihr an un­serer Gesellschaft verbrochen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich werde euch gerne sagen, warum ihr diesen absoluten Wahnsinn betrieben habt. Ja, warum denn? – Weil die ÖVP sich in dieser Zeit ja in einem Dilemma befunden hat. Da ist tagtäglich irgendein Korruptionsskandal aufgepoppt, und davon hat man natürlich ab­lenken müssen. Bei den Grünen war es etwas anderes: Die haben von der Inkompetenz ablenken müssen. Deswegen haben wir jetzt ja schon den dritten Gesundheitsminister,


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obwohl sich damit an der Unfähigkeit und der Inkompetenz nichts geändert hat. Der eine hat irgendwelche Statistiken in die Kameras gehalten und der andere hat sich überhaupt nicht ausdrücken können und hat hundertmal gesagt: Das müssen wir uns anschauen! Wir haben das alles mit den Experten und Expertinnen geprüft! – Das waren also die Kapazunder in dieser Zeit.

Man hat die Bevölkerung belogen und betrogen, und die SPÖ und die NEOS haben bei diesem ganzen Schwachsinn natürlich mitgemacht. Es weiß zwar keiner, warum, aber sie haben mitgemacht. Heute ist das Motto: Das war eh alles nichts, das wird jetzt eh abgeschafft! Man verabschiedet sich still und leise vom Impfzwang. So leicht wird man es euch aber nicht machen und so leicht wird man euch auch nicht aus der Verantwor­tung für das, was Ihr den Kindern, aber vor allem auch der älteren Generation angetan habt, entlassen. Es gibt Folgewirkungen wie psychische Schäden und Depressionen, es gibt Impfschäden, und diese sind, im Gegensatz zu euren Zahlen, dokumentiert. Eure Zahlen haben keinen einzigen Tag gestimmt, weil nicht einmal die Infiziertenzahlen ge­stimmt haben, und ohne Obduktion kann man bei den Todesfällen auf den Intensivsta­tionen – so schlimm es ist – auch leider nicht sagen, woran die Menschen gestorben sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie werden sich auch deswegen zu verantworten haben, weil Sie zugelassen haben, dass den Menschen in unserem Land notzugelassene Impfstoffe gespritzt werden, und ihnen eine vermeintliche Sicherheit gegeben haben, indem sie gesagt haben: Wer ge­impft ist, ist geschützt! Das war ein völliger Blödsinn, denn bei euch Dreifachgeimpften gab es mehr Infizierte als bei uns.

Ihr habt auch gezeigt, dass es euch völlig egal war, dass es Studien gibt, die zeigen, dass Lockdowns keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben. Das habt ihr völlig beiseitegeschoben und seid mit einer militärischen Gecko einmarschiert wie die Gene­räle. Das war genau jene Gecko, bei der euch mehrere Experten abhandengekommen sind, weil man da halt alle Experten und Expertinnen, die nicht gepasst haben, hinaus­geschmissen hat – und der Großteil ist ohnehin von selber gegangen.

Ihr habt um Millionen an Steuergeldern Impfkampagnen geschalten, die es bis heute gibt, ihr wolltet Impflotterien veranstalten, und vor allem – das ist das Schlimmste – habt ihr Millionen an Impfdosen bestellt, die jetzt wahrscheinlich wieder ablaufen werden, weil – wie Frau Hauschildt-Buschberger gesagt hat – die Impfbereitschaft gesunken ist. Die werden wir wohl einstampfen oder irgendwo, wo sie keiner findet, vergraben.

Das sind die Millionen und Milliarden an Steuergeld, die sich der Finanzminister heute wieder zurückholen will, weshalb er sich freut, dass es eine Teuerung gibt und er da­durch mehr Steuereinnahmen hat, um diesen Schwachsinn wiedergutmachen zu kön­nen und die Coronabudgetlöcher zu stopfen, denn ihr habt die Wirtschaft an die Wand gefahren. (Beifall bei der FPÖ.)

Alles, was hier passiert ist und was Sie angerichtet haben, ist also einzig und allein eine Schande.

Ich kann aber eines sagen: Wenn jetzt auch auf die Freiwilligkeit gesetzt wird und eigent­lich die Inhalte von unserem Plan B langsam zur Umsetzung kommen, zwar nicht alle, aber zumindest beginnt man, nur jene mit Symptomen zu testen und zu untersuchen, medikamentöse Behandlung ist dabei – aber man ist noch weit weg von der Abschaffung sämtlicher Maßnahmen; Wien ist ja das beste Beispiel mit der Maskenpflicht, die es hier gibt –, kann ich dieser Freiwilligkeit nicht Glauben schenken, weil ich nicht glaube, dass jetzt alle von euch Freiheitliche geworden sind. Das glaube ich jetzt nicht, und ich glaube auch nicht, dass Alkohol und Psychopharmaka die Grundlage der Veränderung im Zu­gang zum Impfzwang gewesen sind, obwohl man das bei gewissen Ministerien anneh­men kann, denn aus diesen wissen wir ja, dass die Substanzen nicht erst seit Neham­mers Sager dort Einzug gefunden haben.


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Es ist aber auch nicht die Vernunft, sondern es ist die Angst vor der eigenen Bevölke­rung, und das ist schlimm für eine Regierung. Jetzt treten Sie halt einen Schritt zurück, üben sich ein bisschen in Ausflüchten, aber im Innersten wissen Sie alle genau, dass das Gesetz verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof hat es ja bestätigt, er hat ja gesagt: Es ist deswegen nicht verfassungswidrig, weil es nicht zur Anwendung kommt. – Na ja, was das im Umkehrschluss bedeutet, wissen wir auch, und dass wir uns in guter Gesellschaft mit Staaten wie Turkmenistan und Tadschikistan und einem Tota­litarismus befunden hätten, das ist auch allen klar. Dass Sie sich hier herinnen alle als Pharmalobbyisten geoutet haben, auch das ist eine klare Situation, die es hier gegeben hat.

Letztendlich geht es aber um eines: Das, was Sie jetzt mit der Rücknahme des Impf­zwangs machen, ist eine glatte Bankrotterklärung dieser Bundesregierung, weil Sie da­mit Ihr ganzes Coronamissmanagement endlich zu Grabe tragen können, weil Sie jetzt an sich selbst gescheitert sind. Und deswegen gehören alle Maßnahmen sofort abge­schafft – sofort abgeschafft! Schauen Sie lieber einmal, dass Sie Geld ins Gesundheits­system hineinpumpen, dass wir den Personalmangel in der Pflege entsprechend be­kämpfen, denn da ist kein einziger Euro geflossen, das ist euch bis heute komplett egal! (Bundesrat Schreuder: Da haben wir gerade etwas beschlossen! 1 Milliarde!)

Es ist gut, dass dieses Impfzwanggesetz heute geknickt wird, es ist auch gut, dass es die Österreicher geschafft haben, das gemeinsam mit uns zu knicken, indem sie wirklich für Freiheit eingestanden sind, aber es wird erst richtig gut werden, wenn diese Bundes­regierung zurücktritt und vor allem auch eine ganz klare Bestrafung der Scheinopposition à la SPÖ und NEOS durch den Wähler erfolgen wird – und das wird bei Neuwahlen passieren (Bundesrat Appé: Das wird ein Wunschdenken bleiben!), und dann wird Ös­terreich auch wieder seine Freiheit zurückbekommen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Reisinger: Träum weiter!)

15.22


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Frau Bundesrätin, bitte.


15.23.05

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Geschätzter Kollege Ofner, ich stehe hier und sage: Ja, wir waren für die Impfpflicht, aber ich habe von Anfang an gesagt: Man muss beobachten und man muss lernen! Einer, der stur ist, gibt nichts zu – wir lernen. (Bundesrat Ofner: Wir hätten es euch vor­her schon gesagt!) Und du kannst ja nicht sagen, dass es so war, dass wir 2020, als Corona gekommen ist (Ruf bei der FPÖ: Habt ihr halt von uns gelernt!) und wir ganz einfach nicht vorbereitet waren (Bundesrat Spanring: Nach zwei Jahren, Frau Kollegin!), wir immunologisch völlig ungeschützt waren und alles - - (Bundesrat Spanring: Zwei Jahre habe ihr gebraucht und habt es trotzdem ...!) – Du kannst dann noch reden, aber jetzt lasst mich einmal reden, das ist überhaupt keine Kultur hier in diesem Haus! (Neuer­liche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ihr könnt nicht immer für alle reden. Du kannst für eine gewisse Gruppe reden, aber ich rede auch für eine Gruppe, und die ist garantiert nicht die kleinere, das kann ich euch schon sagen (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ), denn es war nicht ganz Österreich auf der Straße. (Ruf bei der FPÖ: Hochmut kommt vor dem Fall, Frau Kollegin!)

Und: Verantwortung zu übernehmen heißt auch, sich zu verändern und zu sagen: Okay, die Situation ist jetzt eine andere (Bundesrat Steiner: Nein, dieselbe!), die Deltavariante war etwas ganz anderes (Bundesrat Ofner: Jetzt haben wir mehr Infizierte ...!), die war viel ärger, die war viel schwerer. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Ich sage euch


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eines: Es war wirklich eine ungeheure Erleichterung, als es einen Impfstoff gegeben hat. Wir alle haben hingezittert und haben gesagt: Maria, wir stehen ungeschützt da – wann gibt es endlich einen Impfstoff? (Bundesrat Steiner: Ich verstehe ja die Aufregung! Ich verstehe ja die Aufregung, wenn man zwei Jahre falsch liegt, muss man aufgeregt sein!)

Wir haben gar nicht geglaubt, dass so schnell ein Impfstoff entwickelt werden wird. Und ich sage euch etwas: Ich bin die Altersgruppe und ich habe mich riesig gefreut, dass es einen Impfstoff gibt (Bundesrat Ofner: Passt ja, jeder wie er will!), und ich habe auch geschaut, dass ich drankomme, dass ich geimpft bin. Ich bin dreimal geimpft. (Bundesrat Ofner: Freilich, passt ja!)

Es stimmt auch, was du gesagt hast: Ich war in Frankreich auf einer Messe, bin zu­rückgekommen nicht nur mit schönen Produkten, neuen Impressionen, sondern ich habe mir auch Corona mitgenommen. (Bundesrat Schennach: Von den Franzosen!) Und es war für mich gar nicht so einfach, aber ich habe mir gedacht: Gott sei Dank bin ich ge­impft (Bundesrat Spanring: Das weißt du aber nicht! – Ruf bei der FPÖ: Das weiß keiner!), denn wer weiß, wie es mir ergangen wäre, wenn ich nicht geimpft wäre! Also redet mir nicht ein, dass Impfen nicht wichtig ist und nicht gut ist. (Bundesrat Steiner: Vielleicht wäre es dir ohne Impfung besser gegangen!) Ihr könnt das überhaupt nicht beweisen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das andere ist auch ganz einfach so: Wir sind nicht vor Freude gehüpft und wir waren nicht alle einer Meinung, als es geheißen hat: Führen wir jetzt die Impfpflicht ein!, aber aufgrund der Situation, die wir gehabt haben, haben wir es gemacht. (Bundesrat Ofner: Ruf einmal den Platter an, der hat sogar mit Freude unterschrieben, und die Mikl-Leitner!)

Und eines müsst ihr ja zugeben: Die Formulierung des Gesetzes war so, dass eine be­ständige Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Was haben wir gesagt? – Wir führen sie ein und wir schauen, wie es sich entwickelt. (Bundesrat Spanring: Wir führen es ein und bestrafen die Leute! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und es hat sich glücklicherweise so entwickelt, dass die dritte Phase Omikron massiv infektiös ist, aber weitaus leichtere Verläufe hat und dadurch die Krankenhäuser nicht so beansprucht werden, und das ist gut. (Ruf bei der FPÖ: Ihr kommt da nicht heraus!) Außerdem gibt es jetzt zusätzlich noch ein Medikament, das man bei Ausbruch der Krankheit nehmen kann. (Bundesrat Ofner: Ihr könnt euch jetzt winden wie Schlangen, das geht sich nicht mehr aus!) Also haben wir gelernt: Wir haben gesehen, es ist jetzt anders, es gibt andere Möglichkeiten, und deshalb sagen wir ganz einfach, dass wir dieses flexible Gesetz jetzt nicht brauchen. (Bundesrat Ofner: Angst habt ihr! Nicht vor dem Virus!)

Aber was heißt das? – Wir stehen da, wir sagen, wir waren dafür, wir verstecken uns nicht – das ist das, was du gesagt hast –, aber es war nicht der Druck der Straße, son­dern es war ganz einfach die Entwicklung (Bundesrat Ofner: Die Angst vor den Wah­len!), die wir gesehen haben und der wir Rechnung getragen haben.

Eines sage ich dir: Du kannst nicht immer sagen: Wennst gscheiter wirst, bist blöder. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Es ist ganz einfach so: Nur der, der lernt und der beobachtet, der wird sich auch weiterentwickeln. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Eines sage ich dir auch: Jene, die sehr viel zur Spaltung beitragen, sind diejenigen, die immer so aggressiv argumentieren und den anderen unterstellen (Bundesrat Ofner: Das stimmt!), dass sie nicht verantwortungsvoll handeln. (Bundesrat Ofner: Edtstadler, Kös­tinger, das stimmt!) – Ich bin nicht die Edtstadler, ich bin die Sonja Zwazl, ich bin Unter­nehmerin und ich habe auch hier mitgestimmt bei der Impfpflicht (Bundesrat Ofner: Edt­stadler, Schallenberg, Köstinger!), nicht gerade mit Freude, aber immerhin, ich habe es gemacht – und jetzt stehe ich hier und sage: Wir brauchen sie nicht.

Also: Das, was du uns unterstellst, stimmt nicht. (Bundesrat Spanring: Natürlich stimmt es!)  Nein, das stimmt ganz einfach nicht! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat


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Spanring: ... die einzige Lösung, die Impfung ist alternativlos! Das sind eure Worte!) – Du pass auf, dass dich nicht der Schlag trifft! (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Also eines muss ich dir schon sagen: Es kann nicht sein, dass - - (Bundesrat Steiner: Hallo! Hallo! Hallo!) – Nein, Entschuldigung, wenn mich - - (Bundesrat Steiner: Hallo! Hallo!) – Herr Kollege Steiner, wenn mich jemand so anschreit und wenn jemand unun­terbrochen reinredet (Bundesrat Schennach: Mit hochrotem Kopf!), dann mache ich mir wirklich Gedanken und sage, er muss aufpassen.

Ihr müsst einmal akzeptieren, dass wir sehr wohl Verantwortung übernehmen (Bundes­rat Steiner: Nein!), evaluieren und dann sagen: Es gibt eine Veränderung, und wir han­deln danach! (Bundesrat Spanring: Wir müssen gar nichts akzeptieren!), und das ma­chen wir damit. Nehmt das zur Kenntnis, ganz einfach! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Spanring: Entschuldigt euch ein­mal! Eine Entschuldigung fehlt noch, Frau Kollegin! Wo ist die Entschuldigung? – Weite­re Zwischenrufe bei der FPÖ.)

15.28


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.28.46

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Bundesmi­nister! (Bundesrat Schennach: Markus, hau jetzt nicht so rein!) Geschätzte Zuhörer hier im Haus und zu Hause vor den Bildschirmen! Liebe Österreicher! Ja, ich kann die Auf­regung bei diesem Tagesordnungspunkt schon verstehen, denn es hat, glaube ich, jeder noch in Erinnerung, wie die Reden der ÖVP und der Grünen noch vor wenigen Wochen – es sind nicht einmal Monate – ausgeschaut haben. Ja, da kann ich die Aufregung natür­lich verstehen.

Trotzdem sollten wir alle uns freuen (Bundesrat Schreuder: Na, dann freu dich!), näm­lich freuen, dass eine Impfpflicht jetzt wieder außer Kraft gesetzt wird. Ich meine, dass sie nie hätte kommen dürfen, das haben wir Freiheitliche euch ja von Beginn an gesagt. Also auf Fakten basierend hätte diese Impfpflicht unter Omikron – Herr Minister, ich glaube, wir waren auch bei der Einführung bei Omikron – nie kommen dürfen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber das waren Ihre bezahlten und gekauften Regierungsexperten. Das war nämlich die einzige Meinung, die zählt, denn da haben wir es ja sogar geschafft, dass der Ärztekam­merpräsident bis in die Apothekerkammer hinein angerufen hat, dass man ein Diszipli­narverfahren gegen Bedienstete einleiten soll, weil sie sich gegen eine Impfpflicht ausge­sprochen haben. So weit ist man gegangen, dass die eine Kammer die andere anruft und die dann nicht mehr aus kann. – Gott sei Dank ist dieser Herr inzwischen weg, das muss ich auch einmal sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses ganze Coronamanagement dieser Bundesregierung: Das Einzige, was ihr ge­macht habt, war: Ihr habt Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt, die freie Meinungs­äußerung nahezu verboten und die Gesundheit unserer Menschen gefährdet, nämlich die psychische Gesundheit unserer Menschen gefährdet. Diese Bundesregierung hat nichts anderes gemacht, als Ängste geschürt, das Land an die Wand gefahren, Men­schen in den Wahnsinn getrieben, Kindern die Kindheit gestohlen, die Vereinsarbeit, jahrelange Vereinsarbeit zunichte gemacht, den Nachwuchssport vernichtet.

Schauen Sie heute einmal in die Vereine, wie viel Nachwuchssportler tatsächlich noch an einem Wettkampf teilnehmen wollen! Das hat man zwei Jahre lang vernichtet. Wir haben Vereine, und ich bin selbst in vielen Vereinen, die haben heute 10 Prozent der


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Wettkampfteilnehmer, die sie vor dieser Pandemie oder vor dieser schwarz-grünen Bun­desregierung gehabt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr habt Betriebe vernichtet, ihr habt Existenzen vernichtet. (Zwischenruf des Bundesra­tes Kornhäusl.) Menschen stehen heute vor dem Nichts, vor den Scherben ihrer Exis­tenz. Das beschreibt seit 2019 die Tätigkeit dieser Bundesregierung! Ja, mit einer völlig überzogenen Impfpflicht hat man dann auch noch die Menschen in den Wahnsinn, in die Verzweiflung getrieben.

Man hat die Gesundheit dieser Menschen nachhaltig geschädigt, darauf komme ich noch näher zu sprechen, aber diese Bundesregierung, die ÖVP, die Grünen, die SPÖ war auch dabei, ihr habt diese Menschen in die Nadel getrieben, ihr habt den psychischen Druck so in die Höhe geschraubt, dass es viele Leute nicht mehr ausgehalten haben. Sie haben es nicht mehr ausgehalten, weil Sie diese Menschen wie Aussätzige behan­delt haben.

Sie haben einen Spalt in diese Gesellschaft hineingetrieben. Heute haben wir wieder gehört – von Kollegin Hauschildt-Buschberger; jetzt sehe ich sie gerade nicht –, dass der Spalt so tief geworden ist. – Ja, der ist seit Beginn der Tätigkeit dieser Bundesregie­rung zu tief, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Spalt ist so tief, dass sich Freunde inzwischen auf der Straße nicht einmal mehr grüßen, dass Familien untereinander zerstritten sind, und das durch Ihre Propaganda. Das haben Sie zu verantworten!

Eines haben Sie auch zu verantworten, ja, auch das gehört angesprochen: Sie haben viele, viele Impfschäden in diesem Land zu verantworten. Sie haben es zu verantworten, dass Menschen, die sich nie impfen lassen wollten, die sich nie und nimmer aus freien Stücken diese Impfung abgeholt hätten, die den Druck nicht mehr ausgehalten haben, den Druck dieser Bundesregierung (Bundesrat Schreuder: Ruhig! Ruhig!), dieser ÖVP, dieser Grünen, aber auch dieser SPÖ, sich haben impfen lassen, und heute ist die Zahl der Impfschäden so hoch wie noch nie in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Beruhige dich wieder!)

Ja, das haben Sie zu verantworten, dieses Genexperiment, das diese Bundesregierung veranstaltet hat. Sie haben es zu verantworten, dass heute die Zahl der Impfschäden so hoch wie noch nie ist; gesunde junge Menschen, junge Sportler, die auf einmal umfallen, Menschen, die massive Beeinträchtigungen haben, sodass sie ihrem Alltag nicht mehr nachgehen können, dass sie nicht einmal mehr mit einem Auto fahren können. Wir haben auch eine unerklärbar hohe Übersterblichkeit in diesem Land, das muss man ja auch einmal sagen. (Bundesrätin Grimling: Glaubst du das wirklich alles? – Bundesrat Schennach: Ja, der glaubt das wirklich! – Bundesrätin Grimling: Das kann es ja nicht sein, bitte!) Eine kaputte Wirtschaft haben wir, Kinder ohne Zukunft haben wir. Wir haben Leute, die sich das Leben nicht mehr leisten können, aber nicht weil Russland einen Krieg führt, sondern weil diese Bundesregierung Milliarden beim Fenster hinaus­schmeißt für eine Maßnahmenbekämpfung (Beifall bei der FPÖ), um Maßnahmen abzu­federn; nicht um eine Pandemie zu bekämpfen, sondern um Maßnahmen abzufedern. (Bundesrat Schennach: Denk an deine Gesundheit! – Ruf bei der ÖVP: Schrei nicht so!)

Ich glaube, wir alle wissen, dass viele Menschen heute in diesem Land (Bundesrat Schennach: Ja, so ist es besser!) schon nicht mehr wissen, ob sie hungern oder frieren sollen. (Bundesrätin Hahn: Der ORF ist eh nicht mehr da, ihr braucht nicht mehr so populistisch zu sein!) Aber eines wissen die Leute jetzt schon, nämlich dass der Winter lange und kalt wird. Sie wissen aber trotzdem nicht, wie sie sich die Lebensmittel bis zum Monatsende leisten sollen. (Bundesrätin Grimling: Was hat das mit der Impfpflicht zu tun?) Und ja, das haben Sie, Herr Bundesminister, und diese Bundesregierung einzig und allein zu verantworten!


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Der Herbst wird auch wieder kommen. Der Herbst wird kommen, Sie werden unsere Österreicher weiter drangsalieren, sie in ihren Grund- und Freiheitsrechten beschneiden. Das schwirrt ja bereits wieder in den Köpfen herum. Die Impfpflicht ist ja nur das eine, das wir heute wieder zurücknehmen. Was ist mit der ganzen Covid-Maßnahmengesetz­gebung, mit den Teststraßen, mit 2G, mit 3G und was ihr da alles in der Vergangenheit gemacht habt?

Ich bin ja gespannt, was euch im Herbst an Neuem einfällt. Das schwirrt ja in den Köpfen dieser Bundesregierung schon wieder lange herum. (Bundesrat Reisinger: Hol einmal Luft, bitte!) Da seid ihr ja nicht mehr rausgekommen, ihr habt ja bei dieser Impfpflicht zurückrudern müssen (Bundesrätin Schumann: Ich bin so froh, dass ich geimpft bin, wirklich wahr!); wir werden schon sehen, was bei der Covid-Maßnahmengesetzgebung dem dritten Gesundheitsminister Neues einfällt, nach dem Versagen des ersten und des zweiten Gesundheitsministers. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grossmann: Auf das Atmen nicht vergessen! – Bundesrat Reisinger: Könntest du reden statt brüllen?!)

Diese Covid-Maßnahmengesetzgebung ist das Nächste, das im historischen Papierkorb entsorgt werden muss. (Bundesrat Schennach: Wir sind nicht im Kasernenhof! – Bun­desrat Schreuder: Das Gebrüll allein ist ja unerträglich!) Und um dieses Land wieder in die Normalität, nämlich nicht in die neue Normalität, sondern in unsere gewohnte Norma­lität zurückzuführen (Bundesrat Schennach: Runter! Runter!), ist der einzige Weg der sofortige Rücktritt dieser Bundesregierung. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.36


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Bundesrat Schennach – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Bundesrätin Hahn –: Bitte nicht schreien! – Bundesrätin Grimling: Wir haben jetzt Ohrenweh! – Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)


15.36.26

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister! (Bundesrätin Grimling: Ah, ist das angenehm!) Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ich weiß gar nicht, warum sich die FPÖ da immer so lautstark präsentiert, der ORF ist ohnehin schon weg. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) – Von wegen Schauspiel und Theater: Das Theater hättet ihr vorher machen müssen – aber ist eh nicht mein Problem.

Ich würde mich ganz gerne zu Tagesordnungspunkt - - (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) – Ja, meldet euch dann nachher noch einmal, wenn ihr Lust habt, jetzt bin ich dran und jetzt wäre es vielleicht an der Zeit, einmal aktiv zuzuhören, damit man gege­benenfalls sachlich und inhaltlich richtig darüber reflektieren kann. – Vielen Dank.

Ich habe mich zu Tagesordnungspunkt 7 gemeldet und bringe dazu auch einen Ent­schließungsantrag meiner Fraktion ein – einen Entschließungsantrag, der für mich per­sönlich auch ganz wichtig ist, der aber, wie ich meine, auch ganz besonders wichtig ist, weil es um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geht. Es ist dies ein Antrag, der aus meiner Sicht eigentlich aufgrund seiner Dringlichkeit, würde ich mei­nen, einstimmig angenommen werden muss, wenn wir hier im Bundesrat die Problematik auch tatsächlich ernst nehmen.

Erst vor wenigen Tagen sind ja wieder aktuelle Zahlen diverser Studien, zum Beispiel von der Donau-Universität Krems, durch alle Medien gegangen, wie es um die psychi­sche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Österreich bestellt ist. Geschätzte Damen und Herren, es ist besorgniserregend, um nicht zu sagen: erschreckend.

Kurz zusammengefasst kann man sagen, Österreichs Jugendliche machen sich Sorgen. Sie machen sich große Sorgen um sich selbst, um ihre Zukunft, um ihre Chancen und Möglichkeiten und auch um jene ihrer Eltern, Geschwister, Freunde und vieles mehr.


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Ein paar Zahlen, die man wirken lassen muss, glaube ich: Mehr als jeder zweite Jugend­liche, nämlich 55 Prozent, ab 14 Jahren weist depressive Symptome auf. (Bundesrat Of­ner: Ja, wegen euch!) 47 Prozent zeigen immer wieder auch Angstsymptome. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Fast jeder vierte leidet zumindest phasen­weise auch an Schlafstörungen und Schlaflosigkeit. Bei 60 Prozent hat sich ein gestörtes Essverhalten manifestiert. Und eine Zahl, die mich persönlich wirklich sprachlos macht und die man wirklich sacken lassen muss: 16 Prozent aller Jugendlichen ab 14 Jahren haben entweder täglich oder an mehr als der Hälfte der Tage suizidale Gedanken. (Bun­desrat Steiner: Ihr wart dabei ...!) Lauter Zahlen und Fakten, die man ernst nehmen muss, die wir hier als politische Vertreterinnen und Vertreter ernst nehmen müssen.

Ja, das ist zu einem gewissen Teil und bis zu einem gewissen Grad sicher auch der Covid-Pandemie mit all ihren Herausforderungen und auch Verunsicherungen geschul­det, die natürlich auch verstärkend für derartige Symptome war und ist, aber das allein wäre viel zu kurz gegriffen und viel zu eingeschränkt betrachtet, wenn ich das auch in Richtung der FPÖ sagen darf.

Erstens: Es hat auch schon lange vor der Covid-Krise ähnlich bedenkliche Zahlen ge­geben. Und zweitens: Aktuell geht es gleichzeitig auch um viele, viele weitere Themen, die hier eine ganz enorme Belastung für die Jugendlichen darstellen. Wir haben den Krieg in der Ukraine, die Teuerung und damit verbunden natürlich eine immense Sorge vor einer drohenden Armut. Wir haben die Klimakrise, die besonders die Jugend oftmals wirklich ohnmächtig zurücklässt, muss man sagen.

Die Frage, die sich im ganz akuten Fall stellt, ist: Wo kann einem betroffenen Jugendli­chen dann auch tatsächlich geholfen werden? Wohin wenden sich Eltern von Jugendli­chen, die von Ängsten, von Depressionen und vielem mehr betroffen sind? Bei Zahn­schmerzen geht man zum Zahnarzt, wenn man einen gebrochenen Arm hat, dann gibt es einen Gips drauf, aber was macht man bei einer psychischen Erkrankung? (Bundes­rat Steiner: Alkohol und Psychopharmaka!) Wir sehen viel zu oft, dass diese unbe­handelt oder gar unerkannt bleiben.

Die Liga für Kinder- und Jugendgesundheit ebenso wie zum Beispiel die Kinder- und Jugendanwaltschaft, die Unicef, die Volkshilfe, die Kinderfreunde und viele andere mehr weisen auch immer wieder darauf hin und bestätigen unsere Sorge und unsere Forde­rungen. Wir sehen nämlich einen ganz eklatanten Mangel an Kassenärztinnen und -ärzten im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo nur 37,5 von 112 Kassenstellen be­setzt sind. Das ist gerade einmal ein Drittel.

Bei den Klinikplätzen schaut es ähnlich schwierig aus – noch eine ganz beeindruckende Zahl, die man hinterfragen muss –: Für 1,73 Millionen Kinder in Österreich gibt es derzeit 400 vollstationäre Plätze und 138 Tagesklinikplätze, also viel zu wenig. Das heißt dann in der Realität, dass betroffene Jugendliche sechs bis neun Monate auf einen therapeu­tisch-diagnostischen Aufenthalt warten müssen. Dieses Warten und diese Zeitverzöge­rung verschlechtern natürlich den Zustand der Betroffenen oft dramatisch und erhöhen natürlich auch das Risiko von chronischen Leiden.

Ähnlich ist es bei den Schulpsychologinnen und -psychologen und auch bei den Schulso­zialarbeiterInnen. Derzeit stehen für über eine Million SchülerInnen gerade einmal 181 SchulpsychologInnen zur Verfügung. Ja, ich weiß, es ist eine Aufstockung im Gan­ge, aber es ist dennoch viel zu wenig und nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Dabei wäre es gerade direkt an der Schule so wichtig, auch genügend Ansprechperso­nen zu haben. Wir wissen, Jugendliche verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule, haben Lehrerinnen und Lehrer als erste Ansprechpersonen. Gerade die können erste Anzeichen oft schnell erkennen oder zumindest vermuten. So kann es unter Umständen


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dann auch ganz einfach schon direkt in der Schule jemanden geben, der sich das dann einmal genauer anschauen kann.

Oft – das wissen wir leider auch – braucht es auch jemand anderen, eine andere An­sprechperson, der man sich anvertrauen kann, als vielleicht die Lehrkraft, damit vielleicht schon die eine oder andere depressive Störung rechtzeitig abgefedert werden kann.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Drin­gend notwendige Reformen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat umge­hend ein umfassendes Gesetzespaket zur Verbesserung der dramatischen Situation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie vorzulegen, das im besonderen folgende Punkte ent­halten soll:

- Der rasche Ausbau der Therapie- und Betreuungsplätze in der Kinder- und Jugend­psychiatrie

- Kurzfristiger Aufbau eines aufsuchenden, mobilen, interdisziplinären Angebotes, um die fehlenden stationären Kapazitäten aufzufangen

- Eine nachhaltig massive Aufstockung des stationären Bereiches der Kinder- und Ju­gendpsychiatrie, sowie budgetäre Deckung durch den Bund im Rahmen des Finanzaus­gleichs

- Kostenfreie Therapieplätze für Kinder und Jugendliche

- Die Bekämpfung des Ärzt:innenmangels, insbesondere in der Kinder- und Jugend­psychiatrie, mit besonderem Fokus auf einen österreichweiten niederschwelligen und vor allem leistbaren Zugang zu der ärztlichen Versorgung

- Eine Ausbildungsreform im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die vor allem eine Aufstockung der Ausbildungsplätze und die Verkürzung der Ausbildungszeit nach dem Vorschlag der Fachgesellschaft beinhaltet

- Attraktivierung des Berufs der/des Kinder- und Jugendpsychiater:in durch bessere Bezahlung

- Weitere Aufstockung der Schulpsycholog:innen, Beratungslehrer:innen und Schulso­zialarbeiter:innen, mit dem Ergebnis, dass an jeder Schule mindestens ein:e Schulpsy­cholog:in mit ausreichend Beratungszeit für jeden Schüler bzw. jede Schülerin zur Ver­fügung steht.

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, die genannten Zahlen sollten uns als Politikerinnen und Politiker nicht nur zu denken geben, es sollte unser dringendster Handlungsauftrag sein, endlich für mehr Therapieplätze, für mehr stationäre Betten, für mehr Personal in diesem Bereich und für all das, was ich gerade genannt habe, zu sorgen.

Lippenbekenntnisse – ich darf da zitieren: Wir schauen uns das an – werden in diesem Fall einfach nicht reichen. Ich möchte in diesem Zusammenhang abschließend noch einmal darauf hinweisen, dass gerade wir als Bundesrat zu Recht stolz darauf sind, dass


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wir einen eigenen Kinderrechteausschuss haben, der in seiner Form, glaube ich, wirklich einzigartig ist – aber dann nehmen wir bitte auch die UN-Kinderrechte entsprechend ernst!

Auch wenn die Aufmerksamkeit jetzt schon ein bisschen schwindet: Jedes Kind, jeder Jugendliche hat ein Recht auf ein Höchstmaß an körperlicher und psychischer Gesund­heit, und jedes Kind hat ein Recht, dass es entsprechende Einrichtungen zur Behand­lung von Krankheiten und zur Wiederherstellung seiner Gesundheit aufsuchen kann.

In diesem Sinne darf ich Sie bitten, unserem Entschließungsantrag zu folgen und somit einen ersten Schritt zu einer dringend notwendigen Reform der Kinder- und Jugendpsy­chiatrie zu setzen. Es wäre wichtig im Sinne der Kinder und der Jugend. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.45


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Der von den Bundesräten Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Dringend notwendige Re­formen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Bei uns eingetroffen ist Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Mar­tin Polaschek. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

Ich darf auch den Bürgermeister der Gemeinde Lanzenkirchen in Niederösterreich, Bern­hard Karnthaler, auf der Besuchergalerie recht herzlich begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Schennach: Aber bitte tatsäch­lich berichtigen! – Bundesrat Kornhäusl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Absolut tat­sächlich!)


15.46.44

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Minister! Ich möchte tatsächlich berichtigen: Bundesrat Leinfellner hat in seinem überaus emotionalen Redebeitrag be­hauptet, es gäbe so viele Impfschäden wie noch nie in dieser Republik, ähnlich wie Bun­desrat Ofner beim letzten Mal behauptet hat, die Spitäler in Kärnten seien voll – nur mehr Impfopfer. (Bundesrat Ofner: Das hab ich nie gesagt! Ist schon falsch, die tatsächliche Berichtigung!)

Ich darf tatsächlich berichtigen – die aktuellen Zahlen: Im Jahr 2021 hat es nach dem Impfschadengesetz 367 Anträge auf einen möglichen Impfschaden zur Prüfung gege­ben – nicht alles Corona, aber die meisten davon –, also gesamthaft 367 Anträge. Das bedeutet, das wäre dann ein Antrag auf 50 000 Coronaimpfungen, oder anders gerech­net – jetzt ein bisschen mitdenken bei diesem Zahlenspiel –: Bei rund 16,5 Millionen Impfungen sind das 0,002 Prozent Anträge. Da wird es erst medizinische Gutachten geben, ob dann wirklich ein Impfschaden besteht. (Bundesrat Ofner: Und wie viele Tote haben wir gehabt?)

Ein Vergleich dazu: Das Risiko, im Rahmen eines Autounfalls zu Tode zu kommen, liegt bei 0,01 Prozent (Bundesrat Ofner: Und bei Corona?), und noch eine Zahl: Die AUVA hat mittlerweile mehr als 14 000 Fälle von Long Covid als Berufskrankheit anerkannt. (Bundesrat Ofner: Ja, und bei Corona?) So viel zu den Wahrheiten der Freiheitlichen Partei. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um Sie und Ihren Zustand. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Ofner: Jetzt hast du über Corona nichts gesagt! Hast nichts ge­wusst!)

15.48



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Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leinfellner. – Bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)


15.48.53

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Also das, was Kollege Kornhäusl da von sich gibt, kann man nicht ganz so im Raum stehen lassen. (Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.)

Ich erinnere nur an ein paar Beispiele draußen bei unseren Leuten. (Bundesrat Köck: Die mit dem Wurmmittel gestorben sind?) Ich habe einen Kollegen getroffen – rund 40 Jahre alt –, der hat mir seine beiden Beine gezeigt. Da war ein Unterschenkel doppelt so dick wie der andere, und ich habe scherzhalber zu ihm gesagt: Na ja, du solltest deinen rechten Fuß auch trainieren.

Was war es wirklich? – Der rennt von Arzt zu Arzt. Jeder sagt ihm: Ja, das kann von der Impfung kommen. Niemand will ihm einen Impfschaden bestätigen. – Ihr wisst ja ganz genau, was ihr mit den Ärzten aufgeführt habt, wie ihr die Ärzte in den letzten zwei Jahren drangsaliert habt. (Beifall bei der FPÖ.) Niemand traut sich mehr zu sagen: Das kommt von der Impfung. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Auch im nahen Bekannten-, Verwandtenkreis: Das ganze Leben immer pumperlgsund, nach der dritten Impfung fällt auf einmal der Puls so weit hinunter, dass die Dame nicht einmal mehr ihrer Arbeit ganz normal nachgehen kann. (Bundesrat Raggl: Das ist aber ein Pech, dass du so viele kennst!)

Nein, das ist kein Impfschaden – es kann von der Impfung kommen. (Bundesrat Korn­häusl: Markus, der soll einen Antrag stellen!) – Deswegen, Kollege Kornhäusl, hör mir bitte schön mit deinen falschen Zahlen auf! Wenn es keinen Arzt mehr gibt, der einen Impfschaden bestätigt, dann wirst du es auf deiner Liste nicht drauf haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ja ein völliger Irrsinn, wohin die Ärztekammer mit ihrem Szekeres – na Gott sei Dank gibt es ihn inzwischen nicht mehr – und die ÖVP dieses Land getrieben haben. Es gibt ja kaum einen praktizierenden Arzt mehr, der sich tatsächlich auszusprechen traut, dass die Leute einen Impfschaden haben. (Bundesrat Schreuder: Schrei nicht so!) Das wirst auch du zur Kenntnis nehmen müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrat Bader: So tickt ihr! Das ist das Problem!)

15.50


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Die Lautstärke entscheidet nicht über die Richtigkeit eines Redebeitrages.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Fraktionsvorsitzender Karl Bader zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Steiner: Aber er hat sich nicht ...! Der Minister ist jetzt ...! – Bundesrat Spanring – in Richtung Bundesrat Ba­der –: Du sollst dir da kein Beispiel nehmen!)


15.51.01

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Ich melde mich zu einer tatsächlichen Berichtigung.

Herr Bundesrat Leinfellner hat hier behauptet, dass Ärzte keinen Impfschaden bestäti­gen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Viele Ärzte trauen sich nicht!)

Ich berichtige tatsächlich, dass es nicht möglich ist, zu Ärzten zu gehen und sich einen Impfschaden bestätigen zu lassen. (Bundesrat Kornhäusl: Das geht gar nicht!) Dafür gibt es ein Verfahren, bei dem Gutachten einzuholen sind. Ärzte können von sich aus keinen Impfschaden bestätigen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.51



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Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Bundesminister.


15.51.46

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Puh! (Heiterkeit bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) Na ja, ich muss jetzt in aller Kürze und Ernsthaftigkeit auf ein paar Argu­mente eingehen.

Zu den Impfschäden muss ich Sie schon dahin gehend informieren: Es ist genau so, wie Sie (in Richtung Bundesrat Bader) es gesagt haben. Es ist kein Einzelarzt, der das fest­stellt. Da gibt es ein Verfahren, das festgelegt ist, bei dem eine Reihe von Gutachten eingeholt werden. Es ist keine Einzelentscheidung, die eine einzelne Person trifft, es ist eine Kommission, die das feststellt. (Bundesrat Steiner: Es braucht aber einen Arzt, der die Überweisung macht und die Diagnose stellt! Das ist das Problem!) Die Zahlen, die zitiert worden sind, stammen aus dem Ministerium, die sind erhoben, das ist korrekt.

Zweiter Punkt: Wenn es um die Impfung geht, ist auch wichtig festzuhalten, dass am Anfang – das kann man ja sagen – natürlich die Botschaft war: Die Impfung schützt auch gegen Ansteckung. Das ist nicht der Fall, das war nicht der Fall. Insofern gibt es auch Virologinnen und Virologen, die sagen: In diesem Punkt hat uns die Impfung enttäuscht.

Wo sie uns nicht enttäuscht hat – das ist inzwischen millionenfach weltweit nachgewie­sen –: Die Impfung schützt vor schweren Verläufen, und sie schützt vor Long Covid. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring. – Bundesrat Stei­ner: Zitieren Sie Ihre Studie!)

Da gibt es einen Prozentsatz von 12 Prozent der Menschen in Österreich, die sich nicht impfen lassen und die Impfung auch verweigern. Das wird sich nicht ändern. Das wäre übrigens auch durch eine Impfpflicht nicht änderbar gewesen.

Der überwiegende Teil der Menschen, vor allem der älteren Bevölkerung, also die Men­schen über 60, lässt sich zu einem großen Teil impfen, hat sich dreimal impfen lassen. (Bundesrat Ofner: Die lassen sich kein viertes Mal mehr von euch impfen!) Das ist die gute Nachricht. Die Bereitschaft, sich ein viertes Mal impfen zu lassen, weil sie damit gut geschützt durch den Winter kommen, ist bei über 90 Prozent. Das mag für Sie eine schlechte Nachricht sein (Bundesrat Spanring: Nein, das ist super, weil dann brauchen wir die Impfungen nicht weghauen, die ihr bestellt habt!), aber es ist eine gute Nachricht für die Gesundheit und eine gute Nachricht für die Gesellschaft insgesamt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was die Maßnahmen insgesamt angeht – es amüsiert mich ein bisschen –, werde ich auf der einen Seite als – wie haben Sie es genannt? – Scharfmacher bezeichnet (Bun­desrätin Steiner-Wieser: Ja, war ich!), andere bezeichnen mich als fahrlässigen Gefährder.

Jetzt ist die Impfpflicht abgeschafft, die Maskenpflicht abgeschafft. Es wird darüber nach­gedacht, wie ein Leben mit Covid möglich ist – selbstverständlich unter Schutz der Vul­nerablen –, und darüber, eine Balance zu finden, um auf der einen Seite besonders Schutzbedürftige zu schützen und auf der anderen Seite ein Leben zu ermöglichen, das wirtschaftliche Schäden und anderes verhindert.

Genau das ist der Weg, den wir zu gehen versuchen – nicht nur wir, alle europäischen Staaten machen das, weltweit wird das praktiziert. Ich halte das für vernünftig. Da gibt es unterschiedliche Zugänge in der Geschwindigkeit der Umsetzung; darüber kann man diskutieren, aber genau so wird es stattfinden müssen.

Entlang der Herausforderungen, die wir im Herbst insgesamt haben werden – die Teue­rung wird weitergehen, die Energiefrage ist eine offene, viele Haushalte sind in Zah­lungsschwierigkeiten –, werden wir gut beraten sein, in der Pandemiefrage oder im Um­gang mit Covid etwas – wie soll ich sagen? – vom Erregungslevel herunterzukommen


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und in eine gewisse Normalität einzutreten. Wir werden sie brauchen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.55


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Steiner hebt die Hand.) – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Kornhäusl: Das hat er sich gerade zusammengeschrieben! – Bundesrat Steiner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Das stimmt allerdings!)


15.55.49

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Nur kurz: Eigentlich wollte ich heute nichts sagen, aber das war jetzt wirklich - - (Bundesrat Schennach: Das wäre gescheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Also schreit nicht so deppert herein und horcht jetzt einmal zu! Da seid ihr von den Sozis schon brutal. (He-Rufe und anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich bitte darum, die Würde des Hauses zu beachten!


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Ich habe ja noch nicht einmal etwas ge­sagt, und ihr beginnt schon mit dem Hineinschreien. Da seid ihr schon brutalste Exper­ten. (Bundesrat Preineder: Du fängst schon so schlecht an! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Also jetzt lasst mich einmal reden und dann schreit herein, aber vielleicht nachein­ander, denn dann kann ich – das haben wir eh schon gehabt – auf einen Zwischenruf reagieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Eigentlich habe ich mir heute schon erwartet – das ist das falsche Wort –, zumindest habe ich es erhofft, dass sich einer von der ÖVP, von den Grünen und von den Sozialis­ten hierherstellt und Entschuldigung sagt (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. –Zwischenrufe bei der SPÖ): Entschuldigung für unsere ganzen Entgleisungen, Entschuldigung für un­sere kompletten Wahnsinnigkeiten, die wir draußen allen angetan haben (Heiterkeit des Bundesrates Schwindsackl), Entschuldigung für die Wortwahl, die wir hier herinnen, in den Medien oder sonst irgendwo gegenüber Millionen von Bürgern in Österreich getätigt haben, Entschuldigung für unseren Wahnsinn, den wir seit zwei Jahren mit euch in Ös­terreich aufgeführt haben! – Aber nichts dergleichen ist passiert.

Nicht, dass ich es mir erwartet hätte, denn von euch erwarte ich mir prinzipiell sowieso nichts mehr (Zwischenrufe bei der SPÖ), aber ihr hättet heute zeigen können, dass ihr noch ein bisschen Menschlichkeit habt, dass ihr ein bisschen Mitgefühl habt, dass ihr zumindest ein bisschen Empathie und auch Bürgernähe habt – und die jetzt einmal zu­lasst! (Bundesrätin Grimling: Das sagst du? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mir ist es persönlich völlig egal, ob ihr euch jetzt entschuldigt oder nicht, aber die Leute draußen hätten sich eine Entschuldigung mindestens mehr als verdient. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Ich will jetzt gar keinen Geschichtsunterricht machen, aber allein wenn man bei Google Aussagen der österreichischen Bundesregierung im Zuge der Coronamaßnahmen ein­gibt – das habe ich jetzt schnell gemacht –, dann kommt da Folgendes:

Schallenberg hat uns Ungeimpften ungemütliche Weihnachten gewünscht. Er hat ge­sagt, er wird die Zügel – er kommt mit dem Tierjargon daher – für Ungeimpfte enger ziehen.

Platter – der war ja der Oberzache – stellt sich am Achensee hin und sagt: Bravo, die Impfpflicht rettet uns jetzt! Die ist jetzt wichtig, um die Österreicher vor dem Virus zu retten – wir waren im Übrigen schon mitten in der Omikronphase –, es braucht jetzt die Impfpflicht, denn es gibt Unwillige, die sich nicht impfen lassen. Die müssen wir jetzt verpflichten, da müssen wir mit saftigen Strafen hineinfahren, bravo, super! – Und jetzt


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sagt er, er war schon immer gegen die Impfpflicht. Also auch das kommt heraus, wenn man sich das nur ein bisschen anschaut.

Köstinger, sie ist heute eh schon erwähnt worden – eigentlich ein Wahnsinn, und jetzt wollt ihr von nichts mehr wissen – hat zu anderen Politikern gesagt, sie hätten „Blut an den Händen“. Überlegt doch einmal, was diese Aussage überhaupt für einen Wahnsinn im Kopf dieser Dame darstellt! Denkt einmal darüber nach! Niemand entschuldigt sich, niemand, kein Mensch entschuldigt sich! (Bundesrat Raggl: Gestern habt ihr gesagt, wir sind alles Verbrecher! – Bundesrat Spanring: Ja, das stimmt ja!)

Mückstein ist stolz auf den Lockdown für Ungeimpfte, er ist stolz auf dieses Gesetz. Er sagt am 21. November, wir wären Impfeuropameister. – Darauf waren wir auch noch stolz!

Mikl-Leitner sagt mit voller Überzeugung: Diese Impfpflicht ist der richtige Weg!, und führt auch noch eine Impfpflicht für Beamte ein, die Narrische. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn. – He-Rufe bei ÖVP und SPÖ.)

Schützenhöfer hat sich allen Ernstes hingestellt und gesagt: Müttern und Familien, die sich nicht impfen lassen, müssen wir das Kindergeld streichen. Solche Aussagen habt ihr herausgelassen, und heute steht ihr da und tut, als ob ihr von nichts wüsstet.

Kollegin Zwazl war jetzt die Unschuld aus Niederösterreich. Sie hat sich hingestellt, als ob sie nichts wüsste, als wäre sie die letzten zwei Jahre bei keiner Entscheidung dabei gewesen. (Bundesrätin Zwazl: Habe ich ja nicht gesagt!) – Ich gebe Ihnen einen guten Tipp, Frau Zwazl: das Archiv. Wir haben Ihre Reden jetzt noch einmal herausgesucht. Ich lese sie jetzt nicht noch einmal vor, denn dann wird es peinlich, aber lesen Sie sich Ihre Ausführungen zur Impfpflicht selbst noch einmal durch, denn die passen mit Ihren Aussagen heute überhaupt nicht zusammen. Das ist scheinheilig. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann gab es eine Meinl-Reisinger – wo ist der NEOS-Vertreter?; da hinten –, die hier gestanden ist und gesagt hat: Die von der FPÖ, die sich nicht impfen lassen, sind alle „fetzendeppert“ – Zitat Meinl-Reisinger: „fetzendeppert“! Jetzt stehen Sie da: Wir alle wissen von nichts mehr, alles halb so wild.

Die SPÖ Niederösterreich plakatiert im ganzen Land ein weinendes Kind: „Ich will dich nicht verlieren, lass dich impfen!“ – Ein Wahnsinn, mit welchen Mitteln man da gearbeitet hat. (Rufe bei der SPÖ: Oberösterreich!) – Oh Entschuldigung, die SPÖ in Oberöster­reich, aber das macht es nicht besser. (Bundesrat Ofner: Das macht es weit besser!) Ein Wahnsinn, mit welchen Mitteln da überhaupt gearbeitet worden ist.

Eure Rendi-Wagner sagt noch, als das diskutiert worden ist: Das Aussetzen der Impf­pflicht ist ein Fehler. (Bundesrätin Grimling: Na so was!) Heute steht Kollege Appé hier – übrigens wie Rendi-Wagner auch von den Sozialisten (Bundesrätin Grimling: Sozialde­mokrat! – weiterer Zwischenruf bei der SPÖ) – und sagt: Gut, dass diese Impfpflicht jetzt fällt. Ja, wie geht es jetzt? Ich kenne mich nicht mehr aus.

Dann hat es noch – dass ich sie nicht vergesse – Frau Edtstadler gegeben. Die hat dem Ganzen nämlich noch die Krone aufgesetzt und überhaupt gesagt: Wer nicht geimpft ist, hält sich rechtswidrig in Österreich auf und wohnt dann rechtswidrig in Österreich.

Ein Wahnsinn, was es da für Aussagen gegeben hat! Und jetzt stellen sich die gleichen Parteien her, Grüne, SPÖ und ÖVP, und tun das so herunter, als wäre das nichts ge­wesen.

Zigtausende, Millionen in Österreich haben darunter gelitten, was Sie für einen Wahn­sinn aufgeführt haben. Der Herr Minister stellt sich her und sagt: Es sind nur 12 Prozent Unwillige, die sich nicht haben impfen lassen. – Herr Minister, jetzt sage ich Ihnen einmal etwas: Wenn Sie nicht 2G eingeführt hätten und den Zwang und die Pflicht – die Leute


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haben Angst um ihre Arbeitsplätze gehabt –, hätten sich nicht nur 12 Prozent nicht imp­fen lassen, sondern weit über 60, 70 Prozent. (Beifall bei der FPÖ.) So schaut es nämlich aus.

Gott sei Dank – das ist jetzt das einzig Gute – bricht es jetzt zusammen. Ganz viele Leute auch in eurer Umgebung – ich weiß das eh – sagen: Mit mir nicht mehr, noch einmal gehe ich euch nicht auf den Leim, ein viertes, fünftes und sechstes Mal sicher nicht.

Herr Kollege Appé hat es aber eh schon wieder durchklingen lassen: Ja, was machen wir denn jetzt im Herbst? Kommt der vierte Stich? Hoffentlich bald, denn wir warten schon ungeduldig! – Also das sind unglaubliche Sachen, aber die Leute lassen sich mit Sicherheit von euch nicht mehr ins Gesicht lügen, mit Sicherheit nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Appé.)

Es ist halt schon so, dass das eine Politik der Spaltung ist. Das ist eine Politik der Ver­unglimpfung gewesen (Bundesrätin Hahn: Ja, was macht denn ihr?), eine Politik des Hasses, nämlich ein Hass gegenüber Ungeimpften, die sich aus ganz freien Stücken und aus unterschiedlichen Beweggründen halt nicht haben impfen lassen. Denen gegen­über habt ihr so viel Hass geschürt, dass sich in dieser Bevölkerung ganz, ganz tiefe Narben ergeben haben. (Bundesrat Schennach: Aber geh! – Bundesrätin Grimling: Hass schürt ihr! – Bundesrätin Hahn: Dir kommt der Hass aus den Augen heraus!) – Schau, Frau Kollegin Hahn, bei mir schaut der Hass nicht bei den Augen heraus, keine Sorge. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Nein, der kommt beim Mund heraus!)

So, ich bin ganz herunten, ich bin so geerdet. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Schade, dass der ORF nicht da ist, denn dann hätten wir Kollegin Hahn jetzt hüpfen gesehen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) So viel zur Erdung von mir und von Frau Kollegin Hahn. – Hupfn S’ a bissl, liaga is nit gsund fürs Stuhlerle! Das ist auch klar. (Beifall bei der FPÖ.)

Ganz im Ernst: Es gibt ganz tiefe Narben nicht nur unter Geimpften und Ungeimpften, sondern ganz, ganz tiefe Narben – und das ist das Verwerfliche daran – gibt es in Fami­lien, unter Arbeitskollegen, unter Ehepartnern, und die, das sage ich euch, werden sehr, sehr schwer verheilen. (Bundesrat Köck: Unter FPÖ-Mandataren, die meisten sind ja geimpft! – Gegenruf des Bundesrates Ofner.)

Herr Kollege Köck, jetzt sage ich dir noch etwas. Bei denen, die bei uns in der FPÖ geimpft oder nicht geimpft sind, gibt es überhaupt keine Narben, weil der Unterschied zwischen unseren Abgeordneten und euren Abgeordneten ist: Wir haben es immer frei­willig gehabt. Ihr habt der Impfpflicht zustimmen müssen, obwohl ihr nicht wolltet. Ganz einfach, Herr Köck, aber stell dich heraus, du Gscheitl, und rede! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Köck – erheitert –: Das glaubst ja selbst nicht! – Zwischenruf des Bundesra­tes Raggl.)

Was hat die Impfpflicht gebracht? – Nichts! Nichts außer Streit und Hader. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Das, was mir jetzt gerade zugekommen ist, ist wieder einmal ein Wahnsinn und bedeutet wieder eines: Nur weil die Impfpflicht heute fällt, heißt das noch lange nicht, dass diese Regierung mit ihrem Schwachsinn in Bezug auf Corona nicht doch im Herbst weitermachen will. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Habe ich auch schon gesagt!)

Und jetzt kommt es – das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, das werden Sie kennen, Herr Minister, Datum 12.7.2022, brandaktuell –: „Wichtige Information des ,Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz‘ sowie des ,Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen‘ über das Vorgehen im Falle ablaufender Chargen von COVID-19 Therapeutika“.


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„Sehr geehrte Medikamentenkoordinatorinnen und -koordinatoren

Ablaufende“ – abgelaufene – „Chargen lagernder COVID-19 Therapeutika dürfen nicht vernichtet, sondern sollen unter den vom Hersteller in der Fachinformation jeweils vorge­sehenen Lagerbedingungen unter Quarantäne gestellt werden.“

Jetzt kann man am Anfang noch meinen: Okay, das ist nicht ganz so schlimm!, aber jetzt geht es weiter – und wie das geschrieben ist! –:

„Auf diesem Weg soll sichergestellt werden, dass die betroffenen“ – abgelaufenen – „Chargen im Fall einer (nachträglichen) Verlängerung der Haltbarkeit durch die EMA [...] weiterhin zum Einsatz und somit der österreichischen Bevölkerung zu Gute kommen können.“ (Bundesrat Raggl: Ein Wahnsinn! Ist das ein Skandal!)

Das heißt, wir sollen uns den abgelaufenen Impfstoff, der gegen die Mutanten, die es ja jetzt bei Corona gibt, eh schon nicht mehr wirkt, dann einfach ein halbes Jahr später noch einmal hineinspritzen lassen, das abgelaufene Graffel, weil diese Regierung weit­aus zu viele Millionen Impfdosen gekauft hat. (Bundesrat Bader: So ein Blödsinn! – Hei­terkeit des Bundesrates Schwindsackl.) Also das muss man sich einmal vorstellen. Das Schreiben haben jetzt die Ärzte in Österreich gekriegt. Einer davon hat es mir Gott sei Dank geschickt.

Das heißt: Allen, die sich im Herbst impfen lassen wollen, viel Spaß mit dem abgelaufe­nen Graffel, weil das bei den Hausärzten jetzt herumliegt. (Bundesrat Raggl: Das kann aber nicht schaden!) – Ach so, das kann nicht schaden? Das weiß man jetzt. Herr Kolle­ge Raggl hat gesagt, - - (Bundesrat Spanring: Dr. Raggl weiß das!) Ach so, Entschuldi­gung! Herr Dr. Raggl vom Bauernbund in Tirol hat jetzt gesagt, das abgelaufene Graffel kann nicht schaden. (Zwischenruf des Bundesrates Raggl.) Interessant, der Zugang die­ser ÖVP, wenn es um die Impfung geht, äußerst interessant! (Bundesrat Kornhäusl: Besser als Dr. Steiner, Med-Uni Innsbruck!)

Warum sage ich das? – Auch wenn heute gottlob und Gott sei Dank die Impfpflicht fällt, heißt das noch lange nicht, dass die Narrischen auf der Regierungsbank dann nicht sagen: 1G oder 2G, sonst kommst du nirgends hinein. (He-Rufe des Bundesrates Ba­der.) Dann sind wir wieder da, warum es nur noch 12 Prozent Ungeimpfte gibt und mehr Geimpfte, weil die natürlich gezwungen worden sind.

Was soll denn ein Jugendlicher machen? Ich verstehe sie ja alle, Hunderte Jugendliche, mit denen man jetzt wieder im Gespräch ist. Wenn man mit denen redet: Die haben das ja nicht gemacht, weil sie Angst gehabt haben, an Corona zu sterben, die haben das ja gemacht, damit sie mit ihren Kollegen wieder wo hingehen dürfen, damit sie mit ihren Kollegen wieder etwas trinken gehen dürfen.

Ihr werdet ja selbst Kinder haben, die Älteren unter euch schon Enkelkinder. Die werden sich ja nicht impfen lassen haben, weil sie gesagt haben: Papa oder Mama, Opa oder Oma, ihr habt das in der Coronazeit so super gemacht, ich als 16-, 17-jähriges Madl oder als Bursch haue mir jetzt noch drei Impfungen hinein. (Bundesrätin Grimling: Doch!) Das kann mir ja keiner im Ernst verkaufen. Das ist ja uninteressant. Da ist ja nicht real.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich möchte an die freiwillige Redezeitbeschränkung erinnern.


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Danke.

Die wollten wieder rausgehen, die wollten sich wieder mit den Kollegen treffen, und des­halb sind sie Impfen gegangen, Herr Minister, und nicht aus Überzeugung, weil sie Angst vor Corona gehabt haben. (Beifall bei der FPÖ.) Ich kann mir aber vorstellen, dass sich einige von euch schon auf den Herbst freuen, wenn Sie die Maßnahmen wieder ein­führen.


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Was ich auch noch zu Frau Kollegin Hahn sagen will, weil sie vorhin so herausgeschrien hat, dass ich mir gedacht habe, es zerreißt sie (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), und weil sie sich am Rednerpult beklagt hat, dass bei den Kindern und Jugendlichen die psychische Gesundheit so schlecht sei: Frau Kollegin Hahn, wundern Sie sich, warum? (Bundesrätin Hahn: Hast du nicht aufgepasst? Das hat doch gar nichts mit Covid zu tun!)

Ihr habt bei dem ganzen Wahnsinn mitgestimmt, da nützt das Herausschreien nichts. Ihr wart bei jedem Lockdown dabei, ihr wart bei der Impfpflicht dabei, ihr wart bei der Test­pflicht dabei (Beifall bei der FPÖ – Bundesrätin Hahn: Vergiss es, du verstehst es nicht!), ihr wart bei den Kindermassentestungen in den Schulen dabei – der Bildungsminister sitzt eh hier –, und, und, und. In Wien fahrt ihr das ganze wahnsinnige System gerade wieder hinauf, hat der tolle Bürgermeister von Wien heute erklärt. Deshalb haben wir dieses Problem. (Bundesrätin Hahn: Das geht sich mit dem Tunnelblick nicht aus! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ihr habt von Triagen in den Krankenhäusern geredet, weil es zu wenig Geimpfte gibt, aber wo haben wir die Triage gehabt, Frau Hahn? Wo denn? (Die Bundesrätinnen Grim­ling und Schumann: Die haben wir gehabt!) – Bei der Kinderpsychologie haben wir sie gehabt, ganz einfach. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Das darf doch alles nicht mehr wahr sein!)

Und jetzt haben wir einen Kanzler – der dritte im Bunde der ach so glorreichen ÖVP-Kanzler –, der sich allen Ernstes an einem Parteitag hinstellt und etwas sagt, was die Regierungsarbeit eigentlich ganz gut beschreibt. Der ÖVP-Parteitag in Tirol war sowieso ein bisschen skurril. (Rufe bei der ÖVP: Warst du dort?) Da hat der neu gewählte ÖVP-Chef Mattle am Rednerpult gesagt: Ich bedanke mich für Ihre Anreise, ich bedanke mich, dass ich Sie spüre, dass ich Sie fühle. (Bundesrat Raggl: Bist du Kabarettist, oder was?) – Ich bin mir ein bisschen vorgekommen, als würde eine Sektenveranstaltung er­öffnet. Und dann, weil es noch nicht peinlich genug war, kommt noch der Nehammer aus Wien zum Tiroler Landesparteitag der ÖVP und sagt: Wenn die Regierung so weiter­macht, helfen nur noch Alkohol und Psychopharmaka. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ihr seid spaßbefreit!) – Also das ist schon der Oberwahnsinn, aber das zeigt halt wirklich den Zustand dieser Regierung, den Zustand dieser ÖVP und auch den Zustand ganz, ganz vieler Mandatare hier herinnen.

Eines ist mir schon noch sehr, sehr wichtig, das will ich nicht vergessen: Dass diese Impfpflicht heute fällt, ist vielen, vielen Millionen Bürgern zu verdanken, die sich nicht haben unterkriegen lassen, die in allen Teilen Österreichs auf der Straße gestanden sind (Bundesrat Preineder: Millionen!), manchmal weniger, manchmal mehr, manchmal zu Hunderttausenden bei den Demonstrationen auf der Ringstraße in Wien. (Bundesrätin Grimling: Millionen sind gegangen, ja, ja!) Denen muss man danken: Die haben nicht aufgegeben, die haben als Einzige auf der Straße für Grund- und Freiheitsrechte ge­kämpft. (Beifall bei der FPÖ.)

Mein großer Dank gilt aber auch der Freiheitlichen Partei. Es war für die Freiheitliche Partei nicht immer einfach (die BundesrätInnen Grimling und Schennach: Ja, ja, ganz arm!), als einzige Partei im Parlament das Sprachrohr für ganz, ganz viele Bürger zu sein und sich gegen diesen Wahnsinn aufzulehnen, den ihr heute selber wieder ab­schafft. (Bundesrat Schennach: Helden! Helden!) Ganz genau: Helden sind wir!

Genau, Herr Schennach: Wir sind Helden, denn es ist nämlich immer ganz einfach, mit der Partie mitzuschwimmen: Da klatschen wir uns alle auf die Schulter, alle verstehen sich gut, wir trinken draußen ein Kaffeetscherl und haben es ganz nett. Wenn man sich aber hier herinnen für die Bürgerrechte einsetzt, ist es nicht einfach, denn dann gehört man nicht zu eurer Kaffeeklatschpartie dazu. (Bundesrätin Schumann: Das wissen wir


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nicht, weil wir sind ja nicht in der Opposition!) Deswegen sind wir Helden – ganz einfach, so schaut es aus. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann allen Bürgern versprechen (Bundesrat Schennach: Allen Brüdern?): Sollte dieser Wahnsinn wieder kommen – und mit dieser Regierung wird er hundertprozentig wieder kommen –, geben wir nicht auf. Wir als Freiheitliche garantieren dafür, dass wir kämpfen, bis die letzte Coronamaßnahme gefallen ist, das können wir wirklich verspre­chen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Die Brüder und Schwestern haben dich gehört!)

Zum Abschluss noch: Die Tiroler Bevölkerung hat am 25. September einen riesengroßen Vorteil gegenüber Restösterreich, und zwar darf sie als erster Bevölkerungsteil in ganz Österreich die schwarz-grüne Regierung – denn Tirol ist ja auch schwarz-grün, also komplett das Gleiche – einmal so richtig abstrafen. Ich freue mich schon so: Ich werde am Wahlabend mit einem Riesengrinser vorm Fernseher sitzen (Bundesrat Köck: So wie bei der Gemeinderatswahl! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) – hoffentlich berichtet der ORF dann auch korrekt. Logischerweise könnte es, wenn ich mich nicht freue, schon auch sein, dass ich sage: Nur zehn Mandate für die FPÖ! Schei­ße, ich hätte gerne elf. – Das kann passieren. (Beifall bei der FPÖ.)

16.15


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich bitte darum, bei Redebeiträgen Ausdrücke wie narrisch und Zustand der Abgeordneten zu überdenken.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch. – Bitte, Herr Bundesminister.


16.16.00

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ich kann keine tatsächliche Berichtigung machen, deshalb muss ich mich zu Wort melden, es nützt ja nichts. (Heiterkeit bei Grünen und ÖVP.) Keine einzige Person in Österreich wird mit abgelaufenem Impfstoff geimpft. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Keine einzige Person in Österreich wird mit abgelaufenem Impfstoff geimpft. Soll ich es dreimal wiederholen? (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Keine einzige Person in Österreich wird mit abgelaufenem Impfstoff geimpft, und der Zettel, den Sie in der Hand haben, ist nichts anderes als ein Hinweis darauf, die Dosen nicht wegzuschmeißen. Wissen Sie warum? – Weil wir sie eintauschen werden. (Bun­desrat Steiner: Was steht denn da, du Gescheiter? – He-Rufe bei der ÖVP. – Bundes­rätin Grimling: Also jetzt reicht es aber! – Bundesrat Schreuder – in Richtung Bundes­rat Steiner –: Das ist zu viel, Christoph!)

Erstens ist mir nicht bekannt, dass wir per Du sind. Zweitens können Sie das Rednerpult gerne auch als Büttenrednerbühne benützen, Herr Bundesrat, auch wenn das dem Ruf des Parlaments eigentlich nicht zuträglich ist, aber ich lasse es einfach nicht stehen, dass Sie hier öffentlich, im österreichischen Parlament, der Bevölkerung weismachen wollen, sie werde mit abgelaufenem Impfstoff geimpft. Das ist schlicht nicht wahr. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Und ich würde Sie bitten, bei aller Polemik – im Übrigen ist Lautstärke kein Argument für Richtigkeit, das möchte ich Ihnen auch sagen – wenigstens in Rufweite der Wahrheit zu bleiben, wenigstens in Rufweite. Nur weil ein Informationsschreiben, das darauf hin­weist, Dosen nicht wegzuschmeißen, an die Ärzteschaft geht, hier den Eindruck zu ver­mitteln, es würde abgelaufener Impfstoff verimpft, ist eine glatte Unwahrheit. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)


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16.17


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Minister.

Noch einmal zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.17.59

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Wahrscheinlich, Herr Minister, kennen Sie das eigene Schreiben nicht. (Bundesminister Rauch: Selbstverständlich kenne ich es, ich bin doch nicht wahnsinnig!) Anscheinend kennen Sie es nicht. Was steht da? Sie haben jetzt behauptet (Bundesminister Rauch: Keine einzige Person in Österreich wird mit abgelaufenem Impfstoff geimpft!), die Dosen, die man aufbehalten muss, werden ausgetauscht. Das haben Sie jetzt behauptet, oder? – Okay. Sie schreiben aber vom Ministerium an die Ärzte – und jetzt sind wir bei der Unwahrheit, da kriegen wir jetzt ein Problem – Folgendes:

„Auf diesem Weg soll sichergestellt werden, dass die betroffenen Chargen im Fall einer (nachträglichen) Verlängerung der Haltbarkeit durch die EMA und das BASG weiterhin zum Einsatz und somit der österreichischen Bevölkerung zu Gute kommen können.“ – Also wenn die Impfdosen ausgetauscht würden, würde es wohl da drinnen stehen, oder? (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Schreuder: Dann sind sie aber nicht abgelaufen! Dann kannst du nicht sinnerfassend lesen!)

Also, noch einmal – versteht ihr das nicht? (Rufe bei der ÖVP: Lies es noch einmal! – Unruhe im Saal. – Vizepräsident Hirczy gibt das Glockenzeichen.) –: Wenn ich die Halt­barkeit von etwas verlängere, ist es trotzdem abgelaufen. (Beifall bei der FPÖ.) Seid mir nicht böse, aber wenn ich auf ein abgelaufenes Joghurt ein neues Ablaufdatum drucke, ist das Joghurt trotzdem abgelaufen. (Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Das ist ja nicht normal, bitte gar schön! Das ist nicht normal! Abgelaufen ist abgelaufen, Herr Minister! (Bundesrat Schreuder: Deine Redezeit ist abgelaufen!)

Das ist Ihr Schreiben! Das ist nicht von irgendwem, das ist nicht von irgendeinem an­deren Parlament oder von irgendeinem anderen Ministerium irgendwo auf dieser Welt, das ist Ihr Ministerium. Eine abgelaufene Charge wird verlängert, die Haltbarkeit wird nachträglich verlängert, und dann ist sie aber abgelaufen, da kann man jetzt sagen, was man will. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei Grünen und SPÖ.)

Das ist ja nicht normal, bitte gar schön. Und dann sagen Sie, es würden Unwahrheiten gesagt. Ich habe es nur vorgelesen. Abgelaufen ist abgelaufen. Dann kennen Sie Ihre eigenen Schreiben nicht, Herr Minister, also das ist schon peinlich. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Rauch: Sie können nicht sinnerfassend lesen! – Bundesrat Schennach: Aber jetzt ist es genug! – Unruhe im Saal.)

16.20


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. (Bun­desrat Schennach: Jetzt ist es genug! Aus! Abstimmung!)

Wünscht noch jemand das Wort? (Rufe bei der SPÖ: Nein! Abstimmung! – Bundesrat Spanring hebt die Hand.) – Bitte, Herr Bundesrat Spanring. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Geh, bitte!)


16.20.43

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Minister oder Herren Minister! Zum Thema Nebenwirkungen, weil das gerade vorhin in der Diskussion vorkam: Ich kann mich erinnern, dass ich in einer meiner Reden aus der Facebook-Gruppe Ärzte versus COVID-19, die circa 4 000 Mitglieder hat, zitiert habe. (Bundesrat Schreuder: Ja, das sind sicher alles Ärzte!) Da habe ich dich, Herr Kollege Kornhäusl, gefragt, ob du zufällig ein Mitglied dieser Gruppe warst. Ein Mitglied dieser Gruppe war Herr Szekeres, ein anderes war zufällig Mitglied im Nationalen Impfgre­mium. (Bundesrat Schennach: Ja, super!) Was dort alles geschrieben worden ist und wie despektierlich das gegenüber der Bevölkerung war, wissen wir alle.


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Zum Thema Meldung von Nebenwirkungen war etwas ganz interessant – und das haben Ärzte in dieser Gruppe geschrieben, das haben nicht wir geschrieben. (Bundesrat Korn­häusl: Nebenwirkungen! Neben!) – Genau. Dort wird – das ist nur ein Beispiel – ge­schrieben: „Einer der Ärzte berichtet über einen Patienten, der zwei Monate nach dem Stich mit Johnson & Johnson unter einer halbseitigen Gesichtslähmung leidet. Der un­menschliche und eines Arztes völlig unwürdige Kommentar von Dr. Szell lautete, man solle die nächste ‚Impfung‘ auf der anderen Seite vornehmen, dann wäre das Gesicht wieder symmetrisch.“ – Das nur, um noch einmal zu zeigen, was da zum Beispiel ge­schrieben worden ist. (Bundesrätin Schumann: Ich bin so dankbar für meine Impfung, ich kann es gar nicht sagen! Hätte ich Covid ohne Impfung gehabt, wäre ich wirklich deppert dagestanden! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Was aber wirklich interessant ist und was auch wichtig ist, ist Folgendes – weil du gesagt hast, es hätte nur ein paar Hundert Fälle von Impfschäden in Österreich gegeben (Bun­desrat Kornhäusl: Nein! Nein! Nein!): „Einige Ärzte weisen in der Gruppe aber auch darauf hin, dass die Nebenwirkungen einfach vertuscht werden. Andere wiederum fra­gen sich nur, wer ihnen den Aufwand bezahlen soll bzw. meinen, dass sie dafür 2 Stun­den pro Tag benötigen würden, um die Nebenwirkungen einzumelden.“ – Das ist alles in dieser Gruppe nachzulesen, Herr Kollege, und da kannst du zehnmal sagen, es hat nicht viele Impfschäden gegeben.

Gott sei Dank gibt es ja in der Zwischenzeit Sender, die nicht nur den Mainstream brin­gen, sondern zum Beispiel eine eigene Serie zu Impfschäden gebracht haben. Die gibt es in Österreich, gibt es in Deutschland, gibt es auch in vielen anderen Ländern, aber komischerweise interessiert das hier herinnen keinen, es wird ignoriert.

In Bezug auf all die Menschen, die einen Impfschaden haben, die sich, so wie es Kollege Leinfellner heute gesagt hat, vielleicht wirklich nicht aus Überzeugung haben impfen lassen, sondern deshalb, weil sie dem Druck der Gesellschaft, erzeugt durch diese Re­gierung, nachgegeben haben, und jetzt deshalb einen Impfschaden haben, obwohl sie nie von dieser Impfung überzeugt waren: Allein diese Tatsache – und da sind wir wieder bei gestern, da schließt sich der Kreis, denn die ÖVP hat sich irrsinnig darüber mokiert, dass ich sie gestern als Verbrecher bezeichnet habe –, dass man Leute, die nicht wollen, zu einer Impfung zwingt, von der sie nicht überzeugt sind, ist ein Verbrechen – vielleicht nicht strafrechtlich, aber es ist ein Verbrechen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schen­nach – in Richtung Bundesrat Kornhäusl –: Bitte nicht, Herr Kornhäusl! Bitte nicht! Du hast schon einen schönen Sommer gewünscht, mach das jetzt nicht kaputt! – Bundesrat Schreuder: Die kommen ja dann wieder!)

16.23


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Dr. Karlheinz Kornhäusl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.23.54

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark) (in Richtung SPÖ): Es hilft nichts, sie werden immer und immer wieder kommen. (Bundesrat Schennach: Den schö­nen Sommer nehmen wir zurück!)

Ich muss trotzdem tatsächlich berichtigen: Herr Bundesrat Spanring hat behauptet, ich hätte gesagt, dass es nur so wenige Impfschäden gegeben hat. – Was ich gesagt habe, war, dass es, und das sind die Zahlen des Ministeriums, 367 Einmeldungen in das Impf­schadenregister gegeben hat. Genau diese Fakenews aus irgendwelchen Gruppen da und dort, die du verwendest, führen zur Spaltung der Gesellschaft. (Bundesrat Span­ring: Warst du in der Gruppe dabei?)

Und, es tut mir leid, ich habe schon hundertmal erklärt – ich weiß nicht, warum du es nicht verstehst, ob du es nicht verstehen willst oder nicht verstehen kannst – (Bundesrat


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Steiner: Jetzt ist es keine Tatsächliche mehr, Kollege, jetzt ist es ein Redebeitrag!), dass es einen Unterschied zwischen einer Nebenwirkung und einem Schaden gibt. (Bundes­rat Schennach: Vorsicht, wir sind jetzt schon in einer Diskussion! Stopp, stopp, stopp!) Es hat 367 Einmeldungen in das Impfschadenregister gegeben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach – in Richtung Bundesrat Bader –: Nein, bitte nicht!)

16.24


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Herr Bundesrat Karl Bader hat sich zur Geschäftsbe­handlung gemeldet. – Bitte.

*****


16.25.05

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich melde mich heute zur Geschäftsbehandlung zu Wort, weil es unerträglich ist, welche Worte in diesem Haus fallen und dass hier pauschale Unterstellungen gemacht werden. Ich bitte darum, die Sitzung zu unterbrechen und eine kurze Präsidiale zu machen. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Danke!)

16.25


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich unterbreche die Sitzung für eine Stehpräsidiale.

16.25.30*****

(Die Sitzung wird um 16.25 Uhr unterbrochen und um 16.34 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

16.34.43Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsident Günther Novak (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbro­chene Sitzung nach der Stehpräsidiale wieder auf.


16.34.55

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungs­punkt liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein! – Herr Dr. Hübner, bitte.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Dringend notwendige Reformen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Impfpflichtgesetz, die COVID-19-Impfpflichtverordnung und die Verordnung betreffend die vorübergehende Nichtanwen­dung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes und der COVID-19-Impfpflichtverordnung auf­gehoben werden und das Epidemiegesetz 1950 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen. (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „rasche Maßnahmen zur Erhöhung der Impfbereitschaft“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung einer gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

16.38.1410. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Kunst, Sport, Frauen, Jugend und Tourismus (1478 d.B. und 1597 d.B. sowie 11051/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich bitte um den Be­richt.


16.38.39

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Herr Vorsitzender! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Korea über die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Kunst, Sport, Frauen, Jugend und Tourismus.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


16.39.24

Vizepräsident Günther Novak: Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 126

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbe­reichs der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.40.4411. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 und das Bildungsinvestitionsgesetz geän­dert werden (1493 d.B. und 1644 d.B. sowie 11029/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 (1494 d.B. und 1645 d.B. sowie 11030/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 11 und 12, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 11 und 12 ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersber­ger. – Ich bitte um die Berichte.


16.41.29

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanz­ausgleichsgesetz 2017 und das Bildungsinvestitionsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergar­tenjahre 2022/23 bis 2026/27.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.



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Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile es ihr.


16.43.04

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Minister! Werte Damen und Herren auf der Galerie! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin als Kontrarednerin eingetragen, aber wir als sozialdemokratische Fraktion werden dieser Gesetzesvorlage, also TOP 11, zustimmen.

Wir stimmen aber nicht zu, weil es so ein tolles Gesetz ist, so toll gemacht ist, leider nein, sondern, ich würde eher sagen, vielmehr trotz etlicher Kritikpunkte, die wir hier anzu­bringen haben. Aber wir stimmen zu, dass zumindest ein bissel was in diesem Bereich passiert.

Wir wissen, Schulen sind schon lange nicht mehr ein Ort der reinen Wissensvermittlung oder der Kompetenzerweiterung, wie auch immer man das formulieren möchte. Da geht es auch um viele, viele andere Kompetenzen, um soziale Kompetenzen, um die viel zitierten Soft Skills wie Teamfähigkeit, Ausdauer, Belastbarkeit, Achtsamkeit, Lösungs­orientierung und vieles andere mehr.

Vielfach sind LehrerInnen auch die ersten Ansprechpersonen, wenn SchülerInnen mit den unterschiedlichsten Problemen umgehen müssen, sei es Mobbing, die Scheidung der Eltern und vieles andere mehr. Gleichzeitig aber müssen Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie natürlich auch Schulleiterinnen und Schulleiter immer mehr administrative Tätigkeiten übernehmen, wodurch dann oftmals eben genau diese so wichtige soziale Komponente im schulischen Alltag viel zu kurz kommt und oftmals dann Lösungen nicht rechtzeitig gefunden werden können, weil eben leider keine Zeit bleibt. – So viel einmal sozusagen zum Problemaufriss.

Ich muss dazusagen: Die Sozialdemokratie hat ja immer wieder, sowohl im Nationalrat als auch hier im Bundesrat, darauf aufmerksam gemacht. Darum sehen wir jeden kleinen Puzzlestein, der in die richtige Richtung geht, einmal grundsätzlich positiv. Aber schauen wir uns einmal ganz konkret an, worum es hier in diesem Bildungsinvestitionsgesetz konkret geht: Zum einen geht es da um Unterstützungspersonal im administrativen Be­reich, um zusätzliches Personal in der Schulsozialarbeit, es geht um Restmittel des Bil­dungsinvestitionsgesetzes, also was den Ausbau von ganztägigen Schulformen und der schulischen Tagesbetreuung betrifft.

Man muss sagen, in den Erläuterungen, die wir uns natürlich ganz genau angeschaut haben, klingt das auch wirklich großartig. Es wird also irrsinnig viel Geld für die Schulen in die Hand genommen, wie es da so heißt, und es wird den Schulen mit so großartig viel Personal bei der administrativen Arbeit unter die Arme gegriffen. Halleluja, müsste man da schon fast sagen. Aber wie leider so oft: Man muss unter die groß angekün­digten Überschriften schauen, um leider wieder einmal festzustellen: Es ist nicht alles Gold, was zunächst so glänzend daherkommt.

Ich habe mir nämlich auch die Stellungnahmen der Länder ganz genau angeschaut, die dazu eingetroffen sind. Da haben wir zunächst einmal eine Stellungnahme der Stadt Wien. Diese sieht sich zum Beispiel bei den administrativen Assistenzen stark benachtei­ligt im Vergleich zu anderen Bundesländern, und zwar aus einem Grund: weil nämlich die Stadt schon wesentlich früher erkannt hat, dass es hier Bedarf gibt und das Projekt gemeinsam mit dem AMS einfach schon früher zu laufen beginnen hat lassen, und dadurch entstehen im Vergleich zu den anderen Bundesländern ganz beträchtliche Mehrkosten. Also einmal mehr wird die Stadt Wien da für ihre Weitsicht, in dem Fall im Bildungsbereich, bestraft. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Dann haben wir das Land Kärnten. Das kritisiert ja zum Beispiel, dass diese Gesetzes­vorlage gänzlich – ich zitiere hier aus der Stellungnahme – „im Alleingang“ und „nicht mit den Ländern abgestimmt“ erstellt wurde.

Auch Kärnten weist darauf hin, dass hier ein Delta bei der Finanzierung hinzunehmen ist, nämlich immerhin ein Minus von 250 000 Euro an Bundesförderung. Was bedeutet das für Kärnten? Dass 40 Schulstandorte nicht mit administrativen Assistenzen ausge­stattet werden können. Es können in diesem Fall nur noch 35 Dienstposten pro Schuljahr finanziert werden und nicht mehr wie bisher 50 Dienstposten. Für das Land Kärnten ist außerdem unklar, wo diese administrativen Kräfte dann angestellt sein werden – beim Land, beim Bund, bei den Gemeinden? Das wird nicht konkret ausgeführt.

Wer jetzt aber glaubt, das sind eh nur Beschwerden der roten Länder, die hier etwas zu kritisieren haben, der irrt ganz, ganz gewaltig, denn da gibt es zum Beispiel auch noch die Stellungnahme der Steiermark, und die ist, muss ich wirklich sagen, streckenweise wirklich vernichtend. Ich habe zum Beispiel alles markiert, was hier kritisiert wird (ein Schriftstück in die Höhe haltend), und viel Unmarkiertes bleibt hier leider nicht mehr.

Da wird zum Beispiel auch – und das ist auch wieder etwas, was sich leider in dieser Regierungsperiode bis dato durchzieht wie ein roter Faden – die extrem kurze Begut­achtungsfrist kritisiert, in dem Fall von nur einer Woche; das heißt, hier können die Kost­en kaum abgeschätzt und nachgerechnet werden.

Was ich persönlich auch so gar nicht nachvollziehen kann – und auch nicht das Land Vorarlberg, auch nicht Kärnten und auch nicht die Steiermark, die sehen das genauso kritisch wie ich –, ist die Tatsache, dass die Budgetmittel und die Verteilung von psycho­sozialem Unterstützungspersonal, also von SchulsozialarbeiterInnen, an die Anzahl an außerordentlichen Schülerinnen und Schülern gebunden werden.

Ich habe heute schon einige dramatische Zahlen, was gerade auch die psychische Ge­sundheit von Jugendlichen betrifft, berichtet. Wenn Sie sich erinnern: Mehr als die Hälfte aller Jugendlichen zeigt depressive Symptome und Angstzustände. Also nicht böse sein, aber das sind bei Weitem nicht nur jene SchülerInnen mit außerordentlichem Status, wenn das mehr als jeden zweiten Schüler und jede zweite Schülerin betrifft.

Und ich muss es noch einmal sagen: Gerade SchulsozialarbeiterInnen können unter Umständen auch erste Anzeichen für ein derartiges Risiko erkennen und dann gege­benenfalls auch Maßnahmen mit den Eltern vereinbaren, veranlassen, wie auch immer.

Ich habe im Ausschuss auch an die ExpertInnen die Frage gestellt, warum das gesetzlich derartig miteinander verknüpft wird, und habe zunächst einmal keine Antwort erhalten. Wir haben dann immerhin eine Antwort per Mail nachgereicht bekommen, aber für mich ist die eher an den Haaren herbeigezogen, muss ich leider sagen. Hier heißt es zum Beispiel:

Im Hinblick auf die möglichst zielgerichtete Verteilung der Mittel in Abhängigkeit von den konkreten Bedarfen der Länder beziehungsweise Bildungsdirektionen stellen daher die ao. SchülerInnenzahlen in ihrer Gesamtheit eine trotz schwankender ao. SchülerInnen­zahlen zwischen den einzelnen Schuljahren eine in Summe stabile Indikation für die Mit­telverteilung sowie die Bedarfslage dar – und so weiter, und so fort. Dann wird weiters auch der Chancenindex ins Treffen geführt.

Das würde dann aber im Umkehrschluss auch bedeuten, dass an Schulen, in denen es keine außerordentlichen Schülerinnen und Schüler gibt, kein Bedarf an Schulsozialarbei­terInnen bestehen würde. Also ganz ehrlich, das ist wirklich völlig an der Realität vorbei und hat mit einem echten Chancenindex gar nichts zu tun.

Eine kleine Randbemerkung auch noch: Ich habe das Gefühl, man reduziert hier – be­wusst oder unbewusst, das sei jetzt dahingestellt – den Bedarf an diesem Personal auf


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so vielen Ebenen in Wahrheit wieder einmal auf eine Flüchtlings- und Einwanderungs­thematik, die es so, in dieser Form einfach nicht ist.

Abschließend, Herr Minister: Ich unterstelle Ihnen einfach einmal, dass diese Gesetzes­vorlage wirklich gut gemeint ist, aber gut gemeint ist halt nicht immer auch gut gemacht. Wie schon angekündigt werden wir trotz unserer Kritik zustimmen, damit sich zumindest ein kleines Puzzlesteinchen in die richtige Richtung entwickeln kann und zumindest ein bissel was von diesen vielen, vielen zusätzlichen Herausforderungen an den Schulen auch abgefedert werden kann, rechtzeitig hoffentlich. Aber, Herr Minister, im Sinne der SchülerInnen, im Sinne der LehrerInnen: Ich glaube, das müssen Sie sich noch einmal genauer anschauen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.51


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.


16.51.24

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und wo immer Sie uns sehen! „Auf der ganzen Welt geht es am Ende des Tages doch nur um eines, dass die Kinder eine friedliche Nacht haben und morgen noch eine Zukunft.“

Dieses Zitat von Barbara Sommerer halte ich für sehr passend für diese beiden Tages­ordnungspunkte, denn in diesen zwei Gesetzen geht es ja um unsere Kleinsten und unsere Jugendlichen. Ich bin der Meinung, das sollte für uns die Prämisse unseres Han­delns sein, auch im Hinblick auf die ganzen Diskussionen, die wir hier im Hohen Haus führen.

Ich möchte zuerst auf den Beschluss der Kindergartenmilliarde eingehen, den wir mit dieser vorliegenden 15a-Vereinbarung abschließen, gemeinsam mit den Bundeslän­dern. Herr Minister, Sie wissen, das wurde intensivst verhandelt. Wir in Salzburg haben zum Beispiel eine NEOS-Landesrätin in diesem Bereich, das ist also nicht nur ein ÖVP-Paket. Es ist wirklich ein tolles Paket geworden (Bundesrätin Schumann: Nein, nein, nein! – Bundesrätin Hahn: Na das wissen wir nicht, das ist ja das Problem!) mit dieser Kindergartenmilliarde, damit wir weiterhin dafür sorgen, dass unsere Kinder die besten Bedingungen in unserem Land vorfinden, damit sie eine Zukunft haben, denn die Kinder sind die Zukunft unseres Landes. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schu­mann: Nur schöne Worte!)

Durch diese Kindergartenmilliarde (Bundesrätin Schumann: Die keine ist!), mit der 200 Millionen Euro bis 2027 jährlich fließen, haben wir mit der Kofinanzierung der Länder 1,315 Milliarden Euro für diesen Bereich. Für Salzburg bedeutet das jährlich 12,728 Mil­lionen Euro. Das ist natürlich sehr viel, und da sind wir sehr froh, dass wir das heute auf den Weg bringen können.

Der Bund ermöglicht den Ländern damit den Ausbau der Kindergartenorganisation. Es ist auch die Möglichkeit gegeben, diesen flexiblen Anteil von 10 Prozent auf 30 Prozent zu steigern, sodass wir jetzt zum Beispiel für die Sprachförderung statt 25 Millionen Euro 59 Millionen Euro einsetzen können. Damit können wir wirklich wichtige Meilensteine in der Frauen- und Familienpolitik setzen (Bundesrätin Schumann: Nein, nein, nein!), und wir können damit auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch weiter vorantreiben. (Bundesrätin Schumann: Nein!)

Ich war selbst berufstätige Mutter. Ich weiß, welche Bedingungen ich damals vorgefun­den habe. Meine älteste Tochter ist mittlerweile 34. Da ist uns gemeinsam, nämlich in den Ländern zusammen mit dem Bund, schon sehr, sehr viel gelungen, und das stärken


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wir heute und bauen wir weiter aus. Wir werden auch – da bin ich mir sicher, Herr Mi­nister – darauf schauen, dass da auch noch weitere Schritte folgen.

Ich möchte noch daran erinnern, dass diese Bundesregierung wirklich viel für die Fami­lien tut (Bundesrätin Schumann: Nein! Das glaubst aber selber nicht!), gerade jetzt: Wir erhöhen den Familienbonus Plus auf 2 000 Euro, wir erhöhen den Kindermehrbetrag auf 550 Euro, und im August gibt es eine zusätzliche Familienbeihilfe, rechtzeitig vor Schul­beginn. Also diese Bundesregierung macht wirklich etwas für die Familien und Kinder in unserem Land.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen für die hervorragende Arbeit (Bundesrätin Schumann: Bitte nicht!) bedanken, ja, das mache ich. Ich habe am Wochenende mit einer Kindergartenpädagogin geredet. (Neuer­licher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das sind wirklich große Stützen in der Elementarbildung. Dafür ein herzliches Danke! Hoffentlich haben sie dann die eine oder andere Woche, in der sie sich im Sommer erholen können. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wir beschließen heute auch noch den zusätzlichen Ausbau von administrativem Unter­stützungspersonal an Schulen und von Schulsozialarbeit. Kollegin Hahn hat das schon ausgeführt. Naturgemäß sehe ich das natürlich ein bisschen anders als Kollegin Hahn. (Bundesrätin Hahn: Wir stimmen ja auch zu!) – Ja, ja.

Es ist gut, dass der Bund 15 Millionen Euro pro Jahr für die Kofinanzierung von Admi­nistrativkräften zur Verfügung stellt. Das bedeutet eine Aufstockung von 400 auf bis 650, 700 Personen an administrativem Personal. Wir stellen auch noch 7 Millionen Euro pro Jahr für die Kofinanzierung von Schulsozialarbeit zur Verfügung. Damit kann das Perso­nal von 120 auf 240 aufgestockt werden. Damit werden die Lehrkräfte wirklich entlastet. Das ist ja auch notwendig geworden (Bundesrätin Schumann: Leider!), ich glaube, da sind wir uns einig, in dieser Coronapandemie. (Bundesrätin Hahn: Aber es braucht in jeder Schule ...! – Bundesrätin Grimling: Für 14- bis 15-Jährige gibt’s nichts mehr! – Bundesrätin Hahn: Aber das sind leider noch nicht alle! – Bundesrätin Grimling: Das ist nur im Pflichtschulbereich!)

Wichtig ist auch: Damit die Länder und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für die Finanzierung der Sozialarbeit und der Schulassistenz auch Rechtssicherheit bekom­men, werden die bisher nur befristeten Finanzlösungen zur administrativen und psycho­sozialen Unterstützung – das habe ich mir extra aufgeschrieben, das ist ganz wichtig – nach Abstimmung mit den Ländern in den Finanzausgleich übernommen. Das schafft Rechtssicherheit für die Gemeinden und für die Länder.

Abschließend darf ich mich auch bei allen Lehrerinnen und Lehrern bedanken, bei den DirektorInnen, bei allen Damen und Herren, die im Schuldienst sind, ob sie eine Reini­gungskraft sind, ob es der Hausmeister, die Hausmeisterin ist. Ich wünsche allen erhol­same Ferien und darf mich für die großartige Arbeit bedanken. Und den Schülerinnen und Schülern wünsche ich einen schönen Sommer. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.57


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.57.47

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Haus! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuse­her! Nachdem meine Kollegin Doris Hahn bereits über das Bildungsinvestitionsgesetz gesprochen hat, widme ich mich, große Überraschung, dem Thema der Elementarbil­dung und den 15a-Verhandlungen.


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Ja, die Erwartungen waren groß, sie waren riesig. Es wurden viele Hoffnungen, die mei­ne Kollegin Eder-Gitschthaler schon formuliert hat, damit verbunden: Endlich wird dieser große Wurf kommen, den die Elementarbildung dringend braucht. Das Verhandlungser­gebnis war aber mehr als enttäuschend. Angesichts des Personalmangels, angesichts der Belastungen des bestehenden Personals, angesichts zu weniger Plätze für die unter Dreijährigen hätte jetzt wirklich ein großer Wurf passieren können und passieren müs­sen; aber diese Chance wurde verpasst, und das ist nicht nur schade, sondern tatsäch­lich ein Problem. Danksagungen nützen jetzt einfach nichts mehr, es hätte jetzt Maßnah­men und Ressourcen gebraucht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind da ganz und gar nicht sozusagen ideologisch unterwegs (Zwischenruf des Bun­desrates Köck – Bundesrätin Schumann: Wer schreit da Nein?), sondern wir haben in diesem Bereich wirklich viele Verbündete, wenn ich an die Industriellenvereinigung oder an die heutige Aussendung der WKO denke. Wenn ich hier vorlesen darf: „,Die Richtung stimmt, das Tempo nicht‘, kommentiert Martha Schultz, WKÖ-Vizepräsidentin und Bun­desvorsitzende von Frau in der Wirtschaft (FiW), die Ergebnisse der aktuellen Kinderta­gesheimstatistik [...].“ Sie sagt, dass es absolut keinen „Grund zu jubeln“ gibt, weil nicht einmal die Barcelonaziele erreicht werden; und wir wissen seit zehn Jahren, welche Ziele wir da erreichen sollten.

Sie sagt weiters: „Deshalb setze ich mich weiterhin konsequent für einen raschen, flä­chendeckenden Ausbau an ganzjähriger, flexibler Kinderbetreuung mit Öffnungszeiten, die dem Bedarf berufstätiger Eltern entsprechen, ein.“

Das ist nicht von uns (Bundesrätin Schumann: Nein!), da sind wir wirklich in breiter Gesellschaft. Alle, die sich mit Bildung beschäftigen, alle, die sich mit Nachwuchsför­derung beschäftigen, wissen, dass das, was hier auf dem Tisch liegt, einfach nicht reicht, um diese Ziele zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Traurig, traurig!)

Wo ich absolut zustimmen muss: Es geht nicht nur um die Quantität im Ausbau. Sie betont auch, dass es um die Qualität in der frühkindlichen Bildung gehen muss. Sie sagt: „Frühkindliche Bildung legt den Grundstein für Chancengerechtigkeit und den späteren Erfolg von Kindern. Unterschiedliche Studien belegen klar, dass Kinder, die von klein auf qualitätsvolle Betreuungsangebote genießen, später über ein besseres Bildungsniveau und Einkommen verfügen.“ – Und noch einmal: Das, was heute vorliegt, kann dem nicht gerecht werden.

Gemeinsam mit der WKO in dem Fall, mit der Industriellenvereinigung und allen an­deren, die in diesem Bereich aktiv sind, gibt es eigentlich ein recht simples, recht kom­paktes Rezept dessen, was es in der elementaren Bildung braucht: Es braucht die beste Bildung – da geht es um die Qualität des Angebotes – für jedes Kind: Da geht es um die Chancengerechtigkeit, dass nämlich wirklich, egal welche Postleitzahl in der Adresse eines Kindes steht (Bundesrat Schennach: Genau so ist es!), jedes Kind davon profi­tieren kann. Es geht darum, dass dieses Angebot immer zur Verfügung steht, ganzjährig, ganztägig, dass es überall zur Verfügung steht und dass es kostenlos ist. Eine ele­mentare Bildungseinrichtung ist nämlich eine Bildungseinrichtung genauso wie die Schu­le eine Bildungseinrichtung ist, und darum muss sie kostenlos sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Ressourcen, die jetzt mit diesem Entwurf vorliegen, werden nicht beim Kind ankom­men. Sie werden im System, in der Struktur irgendwo verpuffen und die Qualität beim Kind nicht steigern; denn das, was es jetzt bräuchte, wäre vor allem eine Verbesserung im Betreuungsschlüssel. Da gibt es diesen Terminus des Fachkraft-Kind-Schlüssels.

Dafür braucht man aber mehr Personal, damit man eben diese Gruppen verkleinern kann, nur ist das Personal zurzeit nicht da. Wir haben in ganz Österreich einen Fachkräf­temangel im Bereich der Elementarbildung, und deshalb bräuchte es auch, und auch das fehlt, eine riesige Ausbildungsoffensive – jetzt! (Bundesrätin Kittl: Ja, passiert eh!)


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Wir haben im Ausschuss nachgefragt, ob es eine entsprechende Ausbildungsoffensive gibt. Eine solche dürfte es nicht geben, denn wir haben keine Information dazu bekom­men, aber die Ausbildung dieser ElementarpädagogInnen ist in Bundesverantwortung und die jetzigen Bafeps werden nicht reichen. Man müsste wahrscheinlich zehnmal mehr Bafeps errichten, damit die Zahl derer, die dann in den Beruf gehen, tatsächlich reicht. Also wir brauchen mehr Bafeps, wir brauchen mehr Kollegs, wir brauchen verschiedene Formen, damit Menschen in diesen Bereich gehen, und wir brauchen andere Rahmen­bedingungen, damit die Menschen dorthin wollen und dann auch dort bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme noch einmal zum Thema kostenlos oder beitragsfrei, wie wir in Wien sagen. Da hätte es zum Beispiel auch schon gereicht, das zweite verpflichtende Kindergar­tenjahr einzuführen und zu sagen, auch das wird kostenlos gemacht, Eltern müssen dafür nichts bezahlen. Oder wie ich sagen würde: Es ist eben eine Bildungseinrichtung und soll wie eine Volksschule kostenlos sein.

Man könnte das überhaupt wie eine Volksschule denken. Bei der Volksschule ist es so: Wenn Kinder eines Jahrganges in einer Gemeinde den Bedarf nach einem Schulplatz haben, dann muss der geschaffen werden. So könnte man das auch in der Elementar­bildung sehen: Es gibt die Verpflichtung, dass diesem Kind ein Elementarbildungsplatz angeboten wird. Das wäre dieses Thema mit dem Rechtsanspruch, dass einfach klar ist: Wenn in einer Gemeinde ein Kind ein gewisses Alter hat, dann wird ihm ein Platz zur Verfügung gestellt.

Da darf man aber die Gemeinden nicht alleinlassen. Die Verantwortung darf nicht bei den Gemeinden allein bleiben, denn das, was wir mit dieser Vorlage sozusagen zur Be­schlussfassung bekommen haben, würde bedeuten: Eine Gemeinde bekommt zwar eine Anschubfinanzierung, aber der laufende, nachhaltige Betrieb wird damit nicht gesichert. Damit sind viele Gemeinden im Stich gelassen und können das nicht anbieten.

Ich möchte noch zwei Themen ansprechen. Diese Verpflichtung, diese verbindliche Platzsicherung muss – es ist eigentlich schade, dass man darüber sprechen muss – auch für Kinder mit Behinderungen gelten. Das ist derzeit nicht der Fall. Wir finden, dass dieses verpflichtende Vorschuljahr oder dieses verpflichtende letzte Kindergartenjahr für alle Kinder gelten muss. Und selbstverständlich muss man dann für diese Kinder, die mehr Bedürfnisse oder andere Bedürfnisse haben, auch die entsprechenden Ressour­cen bereitstellen, damit dieses Bildungsangebot wirklich für alle Kinder zur Verfügung steht.

Dass das leidige Thema mit dem Kopftuch endlich weg ist, ist einfach eine Genugtuung. Wir wissen, dass das in der Elementarbildung kein Thema ist. Es war reiner Populismus, die Kopftuchdebatte hier über kleine Kinder zu führen. Endlich ist das erledigt. Wir hätten das schon vor ein paar Jahren gewusst, denn wir kennen keinen dokumentierten Fall von Kindern in der Elementarbildung mit Kopftuch, außer vielleicht bei Krippenspielen in der Adventzeit. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Jedenfalls wurde die Chance auf einen wirklichen Quantensprung in der Elementarbil­dung, den es jetzt dringend gebraucht hätte, ausgelassen. Deshalb müssen wir – eigent­lich leider, aber doch – dieser Vorlage unsere Zustimmung verwehren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.06


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Mar­tin Polaschek. – Bitte, Herr Bundesminister.


17.07.06

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der


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Galerie! Es werden heute wirklich wichtige Themen hier in der Sitzung behandelt. Es wurde bereits einiges angesprochen, lassen Sie mich nur noch einmal auf die wichtigs­ten Punkte auch aus meiner Sicht eingehen.

Es ist uns als Bundesregierung gelungen, diese wichtigen Themen als Gesamtpaket mit den Ländern zu verhandeln und so wesentliche Punkte des Regierungsprogramms um­zusetzen. Da jetzt einiges an Kritikpunkten gekommen ist, darf ich noch einmal daran erinnern, dass es ein Bund-Länder-Vertrag ist, was die Artikel-15a-Vereinbarung angeht, aber natürlich auch die Begleitgesetze entsprechend Teil dieses Gesamtpakets sind. Ich denke, dass hier ein guter gemeinsamer Weg zwischen Bund und Ländern gefunden worden ist.

Wir haben jetzt die Herausforderung, mit diesem Paket nicht zuletzt auch den Anforde­rungen aufgrund der Pandemie entgegenzusteuern. Insgesamt 1 Milliarde Euro für die nächsten fünf Jahre, das ist, denke ich, ein sehr, sehr wichtiger Beitrag dazu. Dieses Geld wird in vielen Bereichen gut eingesetzt werden können.

Ich darf vor allem darauf hinweisen, dass für jene Familien, die es brauchen, ein flexibles, flächendeckendes und ganzjähriges Angebot bereitgestellt werden kann. Die Plätze wer­den bedarfsgerecht und qualitativ hochwertig angeboten werden können, und es fallen durchaus auch inklusive Angebote darunter.

Der Fokus liegt natürlich – die Barcelonaziele sind bereits angesprochen worden – ins­besondere auf der Schaffung von neuen Plätzen für unter Dreijährige und auch auf neuen Plätzen für noch unterversorgte Regionen.

Die Öffnungszeiten sollen verlängert und flexibler angeboten werden, damit diese mit einer Vollbeschäftigung der Erziehungsberechtigten vereinbar sind, und zusätzlich sol­len auch für die Randzeiten Angebote bereitstehen. Es sollen aber auch im Bereich der Sprachförderungen Verbesserungen eingeführt werden. Da steigen die maximal abruf­baren Fördermittel von 25 Millionen Euro auf 59 Millionen Euro pro Kindergartenjahr ös­terreichweit.

Länder, die beim Ausbau schon sehr weit sind, können damit noch stärker in die gezielte frühzeitige sprachliche Förderung in der Bildungssprache Deutsch investieren. Eine Neuerung ist, dass vor allem auch die Volksgruppensprachen mit einem Teil der Mittel gefördert werden können und somit auch ein wichtiger Beitrag zum kulturellen Erhalt getätigt wird. Dieses Geld wird nicht, wie kritisiert, verpuffen, sondern es landet genau dort, wo es gebraucht wird.

Ich darf an dieser Stelle auch betonen, dass mir die Elementarpädagogik und auch die Ausbildung der Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen sehr, sehr wichtig sind. (Bundesrätin Schumann: Na geh, Herr Minister!) Wir haben da großen Bedarf und wir arbeiten gerade an einem Maßnahmenpaket, um mehr Menschen in die Elementar­pädagogik zu bekommen, weil das eine ganz wichtige Aufgabe ist, die in den elementar­pädagogischen Einrichtungen wahrgenommen wird. (Bundesrätin Schumann: Na geh! – Bundesrätin Hahn: Zu wenig!)

Das ist mir als Bildungsminister ein ganz, ganz wichtiges Anliegen, aber nicht nur die Elementarpädagogik ist wichtig, sondern auch die Finanzierung des Unterstützungs­personals an Pflichtschulen, die jetzt langfristig über den Finanzausgleich abgesichert wird und auch ausgebaut werden kann. Auch der Ausbau und die Absicherung ganztägi­ger Schulplätze können gewährleistet werden. Damit können wir an die Finanzierungen, die ja bislang bis zum Ende des Schuljahres 2021/2022 befristet waren, etwa was die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter angeht, nahtlos anknüpfen und da für eine Entfristung sorgen.

Auch im Bereich der schulischen Tagesbetreuung sind die Auswirkungen der Pandemie sichtbar geworden. Das Erreichen der bestehenden Ausbauziele war allerdings aufgrund


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der Pandemie nicht wie geplant möglich. Das Ausbauziel von 230 000 Plätzen bleibt aber weiterhin bestehen, und wir werden dieses Ausbauziel bis zum Schuljahr 2024/2025 auch erreichen.

Es ist mir als Bildungsminister auch ein großes Anliegen, dass den Schulen eine profes­sionelle und spezialisierte Unterstützung zur Verfügung gestellt wird, um die Lehrerinnen und Lehrer auch von administrativen Aufgaben zu entlasten. Umso mehr freue ich mich, dass mit den gesamten vorliegenden Änderungen, sowohl was die Artikel-15a-Verein­barung als auch die gesetzlichen Änderungen betrifft, wesentliche Schritte zur Sicher­stellung der nachhaltigen Finanzierung und wesentliche Schritte zur Verbesserung im elementarpädagogischen wie auch im schulischen Bereich gesetzt werden können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.11


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.12.02

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Zuhörer hier im Haus und zu Hause vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Kollegin Eder-Gitschthaler hat ja wirklich sehr, sehr vieles aus­geführt, und ja, wir werden diesen beiden Tagesordnungspunkten auch zustimmen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Ja, da ist wirklich sehr, sehr viel Gutes dabei, teilweise auch Fortschreibungen aus unserer gemeinsamen Regierungstä­tigkeit. Ja, diese Schulsozialarbeiter, die Sie angesprochen haben, würden mit 31.8.2022 auslaufen. Natürlich ist es wichtig, dass das fortgeschrieben wird. Auch die Aufstockung von 120 auf 240 ist definitiv eine Bereicherung für das System.

Aber, Herr Bundesminister, Sie haben auch dieses flexible Betreuungsangebot ange­sprochen, und das ist etwas, das mir seit vielen, vielen Jahren wirklich schwer im Magen liegt. Wenn man nämlich in Österreich über ein flexibles Betreuungsangebot spricht, dann spricht man einfach immer über den institutionalisierten Bereich, sprich über Be­treuungseinrichtungen, und man spricht auch bei Wahlfreiheit ausschließlich über diese Betreuungsangebote. Da muss man schon sagen: In Österreich ist ja diese Wahlfreiheit gar nicht mehr möglich.

Es muss ja möglich sein, dass, wenn man über Kinderbetreuung spricht, die Eltern tat­sächlich eine freie Wahlmöglichkeit haben, wie zum Beispiel in der Gemeinde Berndorf. Ich glaube, Sie (in Richtung Bundesminister Polaschek) kennen dieses Modell. In der Gemeinde Berndorf ist es so, dass man sagt, Eltern, Mütter, die Kinderbetreuung leisten, müssen in dieser Zeit zumindest die Mindestsicherung erhalten, und dieser Betrag soll gedrittelt werden. Die Kosten dafür sollen gedrittelt werden: ein Drittel Bund, ein Drittel Land, ein Drittel Gemeinde.

Die Gemeinde Berndorf zahlt ihr Drittel schon seit einigen Jahren aus. Ich glaube, das ist einfach ein guter Schritt in die richtige Richtung, bei der man dann wirklich von einer freien Wahlmöglichkeit sprechen kann, denn viele Eltern haben diese Möglichkeit nicht mehr, frei zu entscheiden. Sie würden die Kinder vielleicht gerne zu Hause betreuen lassen, können es sich aber gar nicht leisten.

Deswegen darf ich an dieser Stelle folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehen­de Einführung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“


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Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zusammen mit den Ländern, auf Grundlage des sogenannten ‚Berndorfer Modells‘ ein Förderkonzept zu erarbeiten und umgehend um­zusetzen, welches die finanzielle Unterstützung von Eltern, die keine institutionelle Kin­derbetreuung in Anspruch nehmen, vorsieht.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.14


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „umgehende Einfüh­rung eines Kinderbetreuungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesratspräsidentin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


17.15.36

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Wer­ter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Die vorliegende 15a-Vereinbarung, vor allen Dingen, wie sie verkauft wurde, ist eine Mogelpackung. Das wurde sehr, sehr rasch erkannt, nämlich in dem Moment, in dem man gesehen hat, wie viel mehr an Geld zur Verfügung steht: Es ist 1 Milliarde Euro in fünf Jahren, aber in Wahrheit sind es im Jahr 55 Millionen Euro mehr. – So schaut es aus! Ich glaube, man wäre gut beraten, gerade bei diesem Thema nicht mit Mogelpa­ckungen zu arbeiten.

Der Ausbau der elementarpädagogischen Einrichtungen muss eines der ganz, ganz gro­ßen Ziele sein, im Interesse der Regionen. Wie oft haben gerade wir als Bundesrat ge­sagt, wie wichtig es ist, dass man die elementarpädagogischen Einrichtungen ausbaut, gerade im Interesse der Mütter, der Frauen, die überlegen, wie viele Stunden sie ar­beiten können, die aber vielfach gar nicht die Entscheidung treffen können, ganztags arbeiten zu gehen, weil die elementarpädagogischen Einrichtungen nicht da sind oder Öffnungszeiten haben, die das verunmöglichen.

Es ist im Interesse der Eltern insgesamt, die sich Sorgen machen und fragen, wo sie einen Kinderbildungsplatz herkriegen – es gibt Anmeldungen, die bereits am Beginn ei­ner Schwangerschaft gemacht werden, in der großen Angst, keinen Kinderbildungsplatz zu bekommen –, und es ist im Interesse der Kinder, um die es ja wirklich geht, die die beste Ausbildung bekommen können. Die elementarpädagogischen Einrichtungen leis­ten unglaublich gute pädagogische Arbeit für die Kinder. Das ist keine Aufbewahrungs­stelle, das ist tolle pädagogische Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Fakt ist, dass die zusätzlichen 55 Millionen Euro im Jahr – und das ist eine Tatsache; wir freuen uns natürlich über jeden Kinderbildungsplatz, der eingerichtet wird, und jeden Punkt, der verbessert wird (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja eben!) – von der Teue­rung weggefressen werden. Das wird nicht zu einem weiteren Ausbau führen, sondern einfach den normalen Betrieb irgendwie aufrechterhalten, weil die Teuerung natürlich auch die Gemeinden und die Städte trifft und diese das nur ganz schwierig finanzieren können.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler – ich schätze Sie sehr ‑, wenn wir wissen, dass die Beschäftigten in der Elementarpädagogik jetzt am Limit sind: Mit Dankesworten kommen wir da nicht mehr weiter! Sie sind über diese Verein­barung mehr als unglücklich. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Aber zumindest danken


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können wir ja schon! Danken können wir schon!) Es ist in der ganzen Vereinbarung nichts über den Qualitätsausbau drinnen (Zwischenruf bei der ÖVP), nichts über kleinere Gruppengrößen – all das ist nicht festgelegt.

Die Beschäftigten sind wirklich, um es Wienerisch zu sagen, echt haaß. Sie wenden sich an uns, an uns als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, und sagen: So kann es nicht weitergehen! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Sie wenden sich auch an uns, wir kennen das schon!) Es gibt viele, viele Beschäftigte in diesem Bereich, die überlegen, das Berufsfeld zu wechseln (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das tun sie eh schon!), oder sie haben es bereits gewechselt, weil sie nicht mehr können. Die Pandemie hat ihnen wirklich das allermeiste abverlangt, aber man hat sie in den verschiedensten Pha­sen der Pandemie ignoriert. Man hat ihnen nicht weitergeholfen. Sie haben keine Mas­ken tragen können, sie waren der Ansteckung ausgesetzt. Man hat in der Coronazeit keine Konzepte für die elementarpädagogischen Einrichtungen gehabt. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das stimmt nicht!) Das war ganz, ganz schwierig.

Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner hat schon richtig gesagt: Diese 15a-Vereinba­rung war für diesen Bereich ein Hoffnungsschimmer. – Man hat so gehofft: Jetzt wird es losgehen, jetzt macht man wirklich den Ausbau für die nächsten fünf Jahre, dass wir in Richtung eines Rechtsanspruchs und der Sorgenfreiheit kommen! (Bundesrätin Gruber-Pruner nickt.) – Das ist da nicht der Fall. Es ist ein bisschen etwas, aber es ist zu wenig. (Bundesrat Köck: Das ist immer so!) Ich glaube, gerade im Interesse der Elementarpä­dagoginnen und der Elementarpädagogen hätte da wesentlich mehr passieren müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, die Ausbildungsoffensive ist ein Gebot der Stunde. Wenn Sie sa­gen, Sie arbeiten jetzt daran: Na scheen, oba spät san ma drau! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Reisinger: Schauen wir mal! – Bundesrat Köck: Immer zu wenig und immer zu spät!) Die Zuständigkeit für die Ausbildung liegt in Ihrem Ministerium. Es braucht einen absoluten Booster in der elementarpädagogischen Ausbildung und es braucht mehr Unterstützungspersonal für die Beschäftigten in diesem Bereich.

Herr Bundesminister, ich durfte in meiner Position als Gewerkschafterin und Bundesfrau­envorsitzende des ÖGB am 21.3. einen Antrittsbesuch bei Ihnen machen. Ich habe Sie gefragt: Können die Sozialpartner in diesem Beirat für Elementarpädagogik dabei sein? – Wir haben schon unter Bundesminister Faßmann gebeten: Wenn man über die Elementarpädagogik spricht, dann muss man die Beschäftigten miteinbeziehen, um wirklich gute Entwicklungsschritte machen zu können.

Sie, Herr Bundesminister, haben mir gesagt, das war ein Abstimmungsprozess, es ist davon auszugehen, dass wir nicht dabei sein dürfen, und binnen Kürze würden wir das Schreiben dazu erhalten. Ich habe bis zum heutigen Tag kein Schreiben erhalten, ob die Sozialpartner Mitglied in diesem Beirat für Elementarpädagogik sind. Jetzt bin ich gedul­dig – na, warten wir halt. Die Belastungen in einem Ministerium sind sehr groß, das ist schon klar, aber vom 21. März bis heute, Mitte Juli, ist das schon eine sehr lange Zeit. Wir hätten schon sehr gehofft, zumindest eine Antwort zu bekommen.

Ich darf noch einmal betonen: Wenn man einen Beirat macht, der sich mit der Zukunft der Elementarbildung beschäftigt, und die Beschäftigten nicht mit einbindet, dann ist das nicht klug und ist das auch nicht zukunftsgerichtet. Bitte geben Sie sich noch einmal einen Ruck! Ich weiß, dass der Beirat so konstruiert ist, dass man Einstimmigkeit braucht, aber trotzdem wäre es wichtig gewesen, alles zu tun, damit auch die Vertretung der Beschäftigten dabei ist.

Ich sage es noch einmal: Die Beschäftigten sind wirklich am Limit, und wir werden sie weiterhin vertreten. Ihr Ärger über die jetzige Situation ist nicht gering – das ist nur ganz schwierig im Zaum zu halten.


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Ich darf noch etwas sagen, weil Sie gesagt haben, es passiert doch eine Menge und man muss sich auch entscheiden können, ob man arbeiten geht oder nicht, man möchte keinen Druck ausüben: All das ist in Ordnung, aber es muss die Wahlmöglichkeit be­stehen. Es haben immer noch 7 Prozent der elementarpädagogischen Einrichtungen in Österreich mindestens 51 Schließtage im Jahr. Wie soll man das mit Beruf und Familie vereinbaren? 14 Prozent der elementarpädagogischen Einrichtungen in Österreich schließen ihre Pforten um 14 Uhr. Ja, ganz ehrlich, wie soll man da überhaupt überlegen, arbeiten zu gehen, teils auch Teilzeit, weil man da ja auch noch zwischen Arbeitsort und Kinderbildungseinrichtung hin- und herfahren muss? Das ist zu wenig, da braucht es einen ordentlichen Booster.

Ich verstehe auch absolut die heutige Äußerung der Vizepräsidentin der Wirtschaftskam­mer, die gesagt hat: Nett, das ist etwas, aber es ist noch zu wenig! – Bitte, bitte geben Sie sich einen Ruck! Die 1,2 Milliarden Euro, die es zum Ausbau der Kinderbildung ge­geben hätte, die sind weg. Es wäre die Chance gewesen, den Resilienzfonds der EU zu nützen, um einen wirklichen Booster in der Kinderbildung zu machen und nicht die klei­nen Schritte. Diese Chancen wurden vertan.

Wir lassen im Interesse der Frauen, im Interesse der Eltern, im Interesse der Kinder und vor allen Dingen im Interesse der Beschäftigten in der Elementarpädagogik bei diesem Thema nicht locker. Da geht es um die Zukunft unseres Landes. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

17.23


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


17.23.20

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Gäste hier und vor den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Die SPÖ tut so, als wäre sie nie in der Regierung gewesen (Widerspruch bei der SPÖ) und als wäre bisher nichts passiert. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich frage mich auch, warum bisher nichts passiert ist (Bundesrat Kornhäusl: So ist es!) und warum wir heute noch darüber reden.

Im Gegensatz zu Ihnen freue ich mich über diese Verbesserungen (Bundesrätin Hahn: Ihr seid doch jetzt selber ...! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), über diese beiden Gesetzesänderungen (Bundesrätin Hahn: Wen würde der Anstand wählen?) sowie die 15a-Vereinbarung für die Bildung und Betreuung vom Kleinkind (Ruf bei der SPÖ: ... Kin-dergartenmilliarde!) bis zur Matura, für eine bessere Ausbildung und damit bessere Le­bens- und Jobchancen (Ruf bei der SPÖ: Welches Bundesland ...?) für Kinder, mit ihren Auswirkungen auch für Frauen und Alleinerziehende auf dem Weg zur Gleichberechti­gung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist nicht nur Bundessache, das wissen Sie auch, sondern es ist auch Landessache. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Beim Finanzausgleich – ich würde es gern trotzdem noch einmal wiederholen, weil an­scheinend nicht so angekommen ist, dass da auch gute Sachen dabei sind – geht es um die Verdoppelung und das Aufdauersetzen von SchulsozialarbeiterInnen. (Bundesrätin Hahn: Jede Schule braucht einen Schulsozialarbeiter! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese sind wichtig, weil sie genau hinschauen, sich um das Kindeswohl kümmern und eingreifen können – ein wichtiger und ein unverzichtbarer Job.

Weiters sollen die Stellen für eine professionelle administrative und organisatorische Unterstützung in den Pflichtschulen um die Hälfte erhöht werden. Beides ist wichtig, auch um die PädagogInnen für ihre Arbeit endlich ein bisschen mehr freizustellen. Gleichzeitig läuft für diesen Job beim AMS auch ein Schulungs- und Förderungsprogramm für lang­zeitarbeitslose Menschen und WiedereinsteigerInnen.


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Mit dem Bildungsinvestitionsgesetz wird der Ausbau von ganztägigen Schulformen mit zusätzlich 30 Millionen Euro pro Jahr gefördert und es werden die nicht abgeholten 15a-Mittel verlängert – auch da sollten die Länder vielleicht ein bisschen darauf schauen.

Besonders wichtig – ja, es ist erfreulich – ist die gemeinsam mit den Ländern geschaffe­ne Kindergartenmilliarde. 200 Millionen Euro pro Jahr bis 2027: Das ist eine 40-prozen­tige Erhöhung. Das ist keine Mogelpackung, das ist eine 40-prozentige Erhöhung, und das ist sehr gut. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Hinsichtlich Gleichstellungspolitik möchte ich auch ein paar Punkte hervorheben, und zwar einerseits die für die Vollbeschäftigung beider – Männer und Frauen – notwendigen flexiblen Öffnungszeiten von Kindergärten sowie den signifikanten Ausbau der Betreu­ungsplätze für unter Dreijährige. Das schafft zusätzlich mehrere Tausend Arbeitsplätze und einen erleichterten Wiedereinstieg in den Beruf. Diese Maßnahmen sind ein wichti­ger Schritt in Richtung Chancengleichheit von Frauen und Männern. Ich sage von Frau­en und Männern, gemeint sind auch Frauen am Arbeitsplatz und Männer in der Fami­lienarbeit – vielleicht wird diese Arbeitsteilung dann endlich auch etwas gerechter gestal­tet. Darauf hat das sicher auch Auswirkungen, daher ist beides sehr begrüßenswert.

Eine weitere Maßnahme ist das verpflichtende Gratisjahr vor dem Schuleintritt. Das soll aufrechterhalten werden und mit einer 10-prozentigen Erhöhung weiter finanziert wer­den. Gemeinsam mit der verstärkten Sprachförderung ab vier Jahren wird das den Schuleintritt und das Mitkommen der Kinder in der Schule erleichtern. Auch das erhöht die Chancengleichheit der Kinder auf ihrem weiteren Lebensweg, in ihrem schulischen Weiterkommen, aber auch in ihrem Beruf.

Eine weitere Maßnahme für die Betreuung und für die Bildung – wir haben es gehört – ist die Erhöhung des Kind-Fachkraft-Schlüssels um mehr als die Hälfte. Auch das entlas­tet die PädagogInnen – Sie haben es gesagt – bei ihrer harten Tätigkeit. Das kann zu­sätzlich ein Anreiz sein, diesen Beruf ausüben zu wollen, was wir – Sie sagen es alle – dringend brauchen.

Es wurde sehr wohl vonseiten des Bundes eine Ausbildungsoffensive mit mehr und zu­sätzlichen Kollegstandorten gestartet. Es zeigen auch die relativ hohen Fachkräftesti­pendien Wirkung, vor allem in Wien haben sie zu einer enormen Steigerung der Anmel­dungen geführt. Sie wissen auch, liebe SPÖ, dass die Anstellung und deren Anreiz, aber auch die Zufriedenheit mit der Anstellung wiederum genauso Ländersache sind. Sie for­dern einen Rechtsanspruch: Ja, das hätten wir auch gern, aber ein Rechtsanspruch ist eben aufgrund des Personalmangels leider noch nicht durchführbar.

Besonders erfreulich aber ist die zusätzliche – da geht es um eine zusätzliche – Unter­stützung für den Umbau zur barrierefreien Nutzung und für die räumliche Verbesserung. Darüber zu reden ist wichtig, denn es ist ein wertvoller Beitrag für die Inklusion. Je früher wir gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen leben, desto mehr fallen die Berüh­rungsängste mit diesen Menschen und desto stärker wird man für deren Bedürfnisse sensibilisiert. Das zeigte ja auch letzte Woche die sehr gelungene Offensive des Özivs hier im und vor dem Parlament.

Im Rahmen der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern einigte man sich leider nicht auf einheitliche Mindestqualitätsstandards, obwohl das für die Arbeitsbedingungen der PädagogInnen wichtig wäre und sie vielleicht im Beruf halten würde. (BundesrätInnen der SPÖ sprechen miteinander.) – Vielleicht wollen Sie zuhören, liebe SPÖ, weil das doch Punkte sind, die vielleicht auch gerade Sie (Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach) in die Länder weitertragen möchten, weil sie Sie betreffen und Sie sie kritisiert haben.

Wollen wir also hoffen, dass diese Mindestqualitätsstandards auch wie angekündigt im Rahmen der LandeselementarpädagogikreferentInnenkonferenz – langes Wort, aber wichtige Konferenz – gefunden werden.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 139

Wichtig ist da genauso, dass es einen jährlichen Bericht des Familienministeriums geben wird, der zeigt, welche Mittel die Länder abgerufen haben und welche nicht und für welche Qualitätsverbesserungen sie diese eingesetzt haben. Damit kann darauf auf­merksam gemacht werden, wenn es noch Lücken gibt oder Gelder nicht abgerufen wer­den, was leider immer wieder passiert.

Sehr positiv ist weiters zu erwähnen – das ist ja ein genauso wichtiger Punkt –, dass die Länder und der Bund in Artikel 1 der Vereinbarung erstmals ein gemeinsames Bekenntnis dazu abgeben, ein flächendeckendes Angebot auf vergleichbar hohem Niveau zu schaffen.

Das ist nicht zuletzt – wir sind eben die Länderkammer – ein wichtiger Faktor für die Attraktivität einer Gemeinde, denn je besser das Angebot an elementarpädagogischen Einrichtungen ist, desto eher siedeln sich Familien in diesem Ort an und desto eher bleiben junge Familien im Ort. Darüber hinaus können Kinder eine stärkere Bindung zu ihrer Wohnumgebung aufbauen, und es werden wieder mehr Arbeitsplätze geschaffen.

Genauso ist zu begrüßen, dass Kindergärten als erste und wichtige Bildungseinrichtun­gen angesehen werden. So sehe ich das Ganze als Beitrag zu einer positiven Zukunft, denn gute elementarpädagogische Einrichtungen legen den Grundstein für die weitere Entwicklung des Kindes, für seine Lernfähigkeit, für sein Selbstbewusstsein und damit für sein Lebensglück. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.30


17.30.55

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 und das Bil­dungsinvestitionsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kollegen und Kolleginnen auf Fassung einer Entschließung betreffend „umgehende Einführung eines Kinderbetreu­ungs-Förderkonzeptes nach dem Berndorfer Modell“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Län­dern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

17.32.5013. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervorschriften an Universi­täten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) geändert wird (2524/A und 1610 d.B. so­wie 11039/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 140

Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. Ich bitte um den Bericht.


17.33.10

Berichterstatterin Barbara Tausch: Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung bringen, und zwar geht es um den Beschluss des National­rates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von Covid-19, also das 2. COVID-19-Hochschulgesetz, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm das Wort.


17.34.08

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Es geht bei diesem Gesetz um die Verlängerung der Sondergesetzgebung zu Covid-19 an den Universitäten beziehungsweise im tertiären Bildungsbereich. Mit diesem Gesetz werden Autonomierechte vorgetäuscht, in Wahrheit ist es aber ein Mobbinggesetz – so ehrlich muss man sein. Von unserer Seite her kann man nur sagen: Es reicht schön langsam. Sie machen weiter: Sie sekkieren, Sie quälen die Österreicher, in dem Fall unsere Studenten. Da gibt es die unterschiedlichsten Regelungen an den verschiedenen Universitäten, die teilweise die Studenten vom Studium fernhalten oder sogar ausschlie­ßen. Meine Damen und Herren! Das, was Sie machen, ist der Grund, warum Menschen entweder Alkohol oder Psychopharmaka brauchen werden, um Karl Nehammer zu zitie­ren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen zurück zu einer echten Normalität. Viele Länder machen das vor. Leider wis­sen wir: Diese Regierung ist beratungsresistent und begeht ein und denselben Fehler mehrmals. Das machen normalerweise nur sehr, sehr dumme Menschen. Die einzige Chance, um diesen politischen Irrweg zu beenden, sind Neuwahlen, aber wir wissen: Zumindest so schlau sind Sie, dass Sie sich das jetzt nicht trauen, weil Sie Angst vor der eigenen Bevölkerung haben. Zu Recht! (Beifall bei der FPÖ.)

17.36


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


17.36.15

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! In einem Punkt gebe ich meinem Vorredner tatsächlich recht, nämlich darin, worum es in diesem Tagesordnungspunkt geht. (Bundesrat Schennach: Na bitte!) Es geht um das COVID-19-Hochschulgesetz, das Ende des Sommersemesters auslaufen würde und deshalb noch einmal verlängert werden soll. (Bundesrat Schennach: Da ist er dagegen!) Alles andere möchte ich jetzt gar nicht thematisieren. Ich denke, heute ist es heiß genug und wir ha­ben schon hitzige Debatten heute geführt. Deshalb beschränke ich mich jetzt eben auf den Inhalt.


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Meiner Meinung nach ist es sinnvoll, dieses Gesetz zu verlängern, da selbst Experten und Expertinnen nicht voraussagen können, wie sich das Virus im Herbst tatsächlich entwickeln wird, sondern vorerst nur Szenarien entwerfen können, wie es eben für eine seriöse Vorschau notwendig und richtig ist. Die einzelnen autonomen Universitäten, Fachhochschulen, pädagogischen Hochschulen können so bei Bedarf entsprechende Schutzmaßnahmen für ihre Studierenden und Lehrenden ergreifen und können je nachdem, um welchen Standort, welche Situation und welche Hochschule es geht, tat­sächlich autonom agieren, um die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Lehrende und Studierende schaffen zu können.

Wir haben bei uns an der Fachhochschule ein Krisenmanagementteam eingerichtet, welches die Situation kontinuierlich beurteilt, um feststellen zu können, ob und welche Schutzmaßnahmen adäquat sind. Wir haben das Wintersemester bereits geplant und wir haben es in Präsenz geplant. Ich freue mich schon enorm darauf, meine Studieren­den dann im Herbst hoffentlich physisch im Hörsaal unterrichten zu können.

Wir haben in den letzten Jahren gelernt, digitale Tools pädagogisch wertvoll einsetzen zu können und, wenn es die Situation erfordert, auch hybrid oder online zu unterrichten. Wir haben eine Umfrage gemacht, was sich die Studierenden wünschen würden, und da haben zwei Drittel angegeben, sie würden gerne weiterhin Onlineunterricht haben, weil es vor allem für die berufsbegleitend Studierenden einfacher zu handeln ist. Dennoch haben wir die Lehrveranstaltungen im Herbst wie gesagt in Präsenz geplant.

Ich habe in den letzten Semestern gesehen, dass sich Studierende trotz der Lockerun­gen selbst geschützt haben und auch, als es gar nicht mehr gefordert war, im Hörsaal dennoch die Maske getragen haben, um sich selber zu schützen, weil sie sich einfach sicherer fühlen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Es ist unsere Aufgabe, gemeinsam verantwor­tungsvoll und vorsichtig zu handeln, um Lehrenden, Forschenden und Studierenden ei­nen sicheren Rahmen geben zu können. Deshalb bitte ich um die Verlängerung des COVID-19 Hochschulgesetzes. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.39


Vizepräsident Günther Novak: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Bundesrätin.


17.39.42

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsi­dent! Werter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben natürlich die Coronazahlen in den letzten Tagen mitverfolgt: Vorgestern waren es etwas mehr als 15 000 Infizierte, gestern etwas mehr als 12 000. Wir alle wissen nicht, was uns im Sommer und im Herbst an Infektions­geschehen bevorsteht.

Daher ist es gut und richtig, dass mit dem Gesetz wieder die Möglichkeit geschaffen wird, wenn es denn notwendig sein sollte, entsprechende Maßnahmen im Hochschulbe­reich zu setzen. Daher werden wir dem Gesetz auch unsere Zustimmung erteilen. – In aller Kürze; meine Vorrednerin hat ja alle Details dazu bereits erläutert. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Superrede! Bravo! – Ja, ja, Christoph, da schaust, gell? – Kurz, bündig, klar!)

17.40


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.40.39

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Herr Minister! Niemand kann mit Sicherheit vorhersagen, wie sich


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 142

die Pandemiesituation im Herbst und Winter darstellen wird, sicher ist eigentlich nur, dass sie nicht verschwunden sein wird und man damit umgehen muss. Selbstverständ­lich ist es notwendig und richtig, den Universitäten in ihrem Wirkungsbereich auch den Rechtsrahmen zu bieten und zu sichern, dass sie entsprechende Maßnahmen setzen können.

Das macht schon Sinn, weil die Voraussetzungen an den Universitäten tatsächlich unter­schiedlich sind. Es ist nun einmal etwas anderes, Schutzmaßnahmen bei Einzelstunden wie im Musikbereich oder in großen Vorlesungen oder Laboren zu setzen. Trotzdem wäre es sinnvoll, sich abzustimmen. Da hat es auch Kritik gegeben, nicht ganz zu Un­recht. Natürlich sollte es nicht so sein, dass man an allen Universitäten in gleichen Stu­dienrichtungen und vergleichbaren Situationen komplett unterschiedliche Regelungen hat. Wichtig finde ich, auch die Studierenden in die Entscheidungsfindung miteinzube­ziehen. Ich finde es schon bemerkenswert, dass sich die Österreichische HochschülerIn­nenschaft letzte Woche dafür ausgesprochen hat, die Maskenpflicht wieder einzuführen. (Bundesrat Schennach: Ja!)

Kollege Spanring, von Zwang kann also keine Rede sein. Die StudentInnen, die Studie­renden selber wollen das, und sie zeigen damit ganz offensichtlich ein höheres Verant­wortungsbewusstsein als Ihre Fraktion.

Es braucht den rechtlichen Rahmen, um Maßnahmen setzen zu können. Wir hoffen alle, dass sie möglichst gelinde ausfallen können. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.42


17.42.25

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. (Bundesrat Schen­nach – in Richtung der Bundesrätinnen Kittl und Zwazl, die sich zu ihren Plätzen bege­ben –: Die Elisabeth ist zu spät! Und die Sonja ist zu spät!)

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

17.42.5514. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria (1524 d.B. und 1611 d.B. sowie 11040/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. Ich bitte um den Bericht.


17.43.26

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Fraktionsvorsitzender.



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 143

17.44.04

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Mi­nister! Die interdisziplinäre Technische Universität für Digitalisierung und digitale Trans­formation ist ja eine gute Idee – sie ist etwas Zeitgemäßes, das wir auch brauchen, und Oberösterreich als Heimat der Ars Electronica und so weiter ist mit Sicherheit der richtige Standort –, aber, Herr Minister: Warum geht es denn nicht auf dem ordentlichen Weg? Warum wieder diese Form der Konstruktion komplett außerhalb des Universitätsgeset­zes? Warum brauchen wir für die Gründungsphase den sogenannten Notfalltopf für alle Universitäten Österreichs, obwohl das, was da in Oberösterreich gebaut oder gegründet wird, keine normale Universität ist? Und jetzt wird die Ministerreserve, die eigentlich für alle ordentlichen Universitäten da ist, dazu verwendet. Es wäre doch einfach auch ge­gangen, Herr Minister, warum diese Konstruktion?

Die Universitätenkonferenz, Uniko, ist ja nicht irgendein Verein, sondern die Konferenz aller österreichischen ordentlichen Universitäten. Sie hat gesagt: Das ist eine skandalö­se Umgehung des Universitätsgesetzes und ein Affront gegen alle öffentlichen Universi­täten und gegenüber den Steuerzahlern. – Schade, dass die Uniko das nicht gegendert hat, denn es sind sicher auch Steuerzahlerinnen. Die Uniko sagt auch, Herr Minister, dass diese Konstruktion, die da gewählt wurde, fragwürdig, wenn nicht gar rechtswidrig ist.

Jetzt machen Sie so ein wichtiges Baby, setzen ein zeitgemäßes, ein notwendiges Baby an den richtigen Ort, aber die Geburt geht komplett daneben. Es kommt noch dicker, liebe Frau Zwazl! Sie sind ja eine Frau der Sozialpartnerschaft. Wenn man sich innerhalb des Universitätsgesetzes bewegt, dann gibt es Kollektivverträge. Für alle künftigen Be­schäftigten dieser neuen Universität gelten keine Kollektivverträge! Das ist festgestellt. Und das geht einfach nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Da geht es nämlich nicht nur um die Kollektivverträge der Lehren­den, sondern des gesamten Personals, das dann in Oberösterreich tätig wird. Wir sind deshalb erschüttert, muss ich ehrlich sagen. Wir begrüßen, dass die Gründung passiert, wir begrüßen, dass es zu einer Vereinbarung zwischen dem Land Oberösterreich und dem Bund in dieser Frage kommt. Es gibt sogar die Überlegung, wie das weiter finanziert wird. Diese Konstruktion ist aber außerhalb des Gesetzes, und deswegen werden wir da nicht zustimmen, obwohl wir grundsätzlich die Initiative und den Standort ausdrücklich begrüßen, aber es wäre der korrekte Weg, basierend auf einem gar nicht schlechten Universitätsgesetz, ohne Weiteres möglich gewesen.

Die Arbeitskonflikte, die dann irgendwann kommen werden, wenn kein Kollektivvertrag existiert, das alles wäre nicht notwendig! Man sollte mehr Sicherheit für die kommenden Studierenden schaffen. – In diesem Sinne werden wir dem nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

17.48


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Franz Ebner. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.48.30

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, die Digitalisierung schreitet immer rascher voran und sie verändert Wirtschaft und Gesellschaft von Grund auf, und diese Veränderung müssen wir aktiv gestalten. Es gibt eigentlich kaum einen Lebensbereich, der noch nicht bereits von der Digitalisierung erfasst worden wäre. Genau deshalb müssen sich Wissenschaft und Forschung in unserem Land künftig noch viel intensiver mit dem Thema Digitalisie­rung, deren Auswirkungen und Chancen auseinandersetzen. Genau deshalb braucht es


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 144

das neue Institute of Digital Sciences Austria, genau deshalb braucht es die neue Digital­universität in Linz.

Wer in der Welt von morgen mithalten will, der muss sich mit Digitalisierung auseinander­setzen, der muss sie verstehen und der muss ihre Chancen nutzen. Wer die Chancen der Digitalisierung nutzen will, der muss auf Bildung und Forschung setzen. Jeder Euro, der in Aus- und Weiterbildung investiert wird, ist eine Investition in die Zukunft.

Als Zusatz merke ich da an, dass es gleichzeitig aber auch wichtig und unsere Aufgabe ist, auf diesem Weg der digitalen Transformation niemanden zurückzulassen, denn es gibt Gruppen, die nicht mit der Digitalisierung groß geworden sind. Ich denke da insbe­sondere an ältere Menschen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die neue Digital-Uni in Linz ist eine solche Investition in die Zukunft. Sie ist eine große Chance sowohl für den Bildungs- und Forschungsstand­ort als auch für den Wirtschaftsstandort Österreich und Oberösterreich. Insbesondere bin ich natürlich sehr froh – als Oberösterreicher darf ich das sagen –, dass Linz als Standort ausgewählt wurde. Vor allem ist das aber auch – Kollege Schennach hat das bestätigt – aus fachlicher Sicht grundsätzlich ja auch die richtige Standortwahl, denn es werden dort alle Aspekte der Digitalisierung und der Informationstechnologie durch­leuchtet und erforscht. (Bundesrat Schennach: Ja, ja! Das ist auch keine Diskussion!) Es wird um zentrale Zukunftsfragen etwa in den Bereichen Klimaschutz, Mobilität, Si­cherheit oder künstliche Intelligenz gehen. Ich bin überzeugt davon, dass das viele posi­tive Effekte für Oberösterreich als Industriebundesland Nummer eins haben wird. In Oberösterreich gibt es viele innovative, forschungsintensive Betriebe, aber auch Institu­tionen wie zum Beispiel die Ars Electronica, und damit gibt es auch eine Fülle von Ko­operationsmöglichkeiten für die neue Universität.

Diese positiven Standorteffekte hat ja auch eine Studie des Leibnitz-Instituts für Wirt­schaftsforschung an der Universität München bestätigt. Diese Studie unterstreicht die riesige Chance und den Mehrwert, die diese Uni für Oberösterreich hat, und sie ver­deutlicht, welch kräftigen Impuls sie für den Standort liefern kann und damit auch für Arbeit, Wirtschaft und Wohlstand in unserem Land. Wenn man Führungskräfte und Ent­scheidungsträger in Unternehmen fragt, warum bei Standortentscheidungen die Wahl oft auf Österreich und insbesondere auch auf Oberösterreich fällt, dann bekommt man häufig zur Antwort, dass das deswegen so ist, weil wir gut ausgebildete Menschen ha­ben. Dafür ist die neue Uni natürlich ein weiterer Meilenstein. Übrigens: Auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr bezeichnet die neue Uni wörtlich als gut investiertes Geld.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein bekanntes Zitat besagt: Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. Und der Weg der Gründung der Digital-Uni muss gegangen werden, denn zukunftsweisende Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung sind ent­scheidend für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschafts- und Wissen­schaftsstandortes.

Es gibt Experten, die sagen, die digitale Transformation sei die größte Veränderung, der größte Umbruch in unserer Gesellschaft seit der industriellen Revolution. Und in einem chinesischen Sprichwort heißt es: Wo der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen. Die neue Digital-Universität in Linz wird genau so eine Windmühle sein. Daher bitte ich um breite Zustimmung zum Gründungsgesetz, denn wer Zukunft will, muss in Zukunft investieren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.54


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 145

17.54.32

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was heute zur Beschlussfas­sung ansteht, ist ja in Wirklichkeit kein Gesetz, das viel aussagt über diese neue Institu­tion. Es ist ein Provisorium, es ist ein Gesetz, in dessen letztem Paragrafen drinsteht, dass es dann außer Kraft tritt, wenn quasi das richtige Gesetz beschlossen wird und in Kraft tritt. In diesem Gesetz wird nämlich noch überhaupt nichts über die Strukturen und die sonstige Wirkungsweise der Universität, die dann so genannt wird, festgelegt, sondern es ist in Wirklichkeit ein Vehikel. Es geht darum, dass eine Rechtsform für eine Institution geschaffen wird, die Fördermittel bekommt und die vor allem einen Gründungskonvent und einen Gründungspräsidenten bekommen soll.

Jetzt denke ich mir: Eine Institution in Linz, die eine Technische Universität sein soll – da gibt es doch etwas in Linz? Die Universität Linz hat nämlich bereits eine Technisch-Natur­wissenschaftliche Fakultät. Die Universität Linz hat darüber hinaus das Linz Institute of Technology. Es gibt eine Fachhochschule in Oberösterreich mit einem Standort unter an­deren in Linz, die auf Informatik spezialisiert ist. Die Frage ist daher: Warum wird da son­derrechtlich eine Institution geschaffen, auf deren Fassade Universität stehen soll, die aber in Wirklichkeit keine Universität ist? Es ist weder Fisch noch Fleisch, es ist weder eine Uni­versität nach dem Universitätsgesetz, noch ist es eine postgraduale Einrichtung wie das IST Austria, das ein eigenes Gesetz hat – ein Gesetz übrigens, das auch nicht viel länger ist als dieses Gesetz, das heute beschlossen werden soll, in dem allerdings schon alles drinsteht, was man für die Errichtung braucht.

Das, was heute beschlossen werden soll, ist etwas Unausgegorenes. Es stellt sich die Frage, warum es so eilig gehen musste, warum ein anderer Weg gewählt wurde als beim IST Austria. Dort wurde zuerst überlegt, wie das Ganze ausschauen soll, wer die Propo­nentinnen und Proponenten sind. Man bindet alle Stakeholder ein, man macht eine Be­gutachtung des Errichtungsgesetzes und dann macht man ein Gesetz, in dem schon alles drinsteht. Der Weg des IDSA ist ein komplett anderer.

Die Frage ist: Warum wird dieser Weg gewählt? Warum braucht man das überhaupt? In Wirklichkeit handelt es sich bei diesem Institut um ein Steckenpferd der ÖVP Oberöster­reich, die jeweiligen Koalitionspartner – im Bund die Grünen, in Oberösterreich die Frei­heitlichen – machen gute Miene zum bösen Spiel. Es handelt sich um ein Regionalpro­jekt, das im Oberösterreich-Wahlkampf geboren wurde, und jetzt müssen das eben alle umsetzen, inklusive Ihnen, der Sie damals auch noch nicht im Amt waren.

Was besonders störend ist: Wir hatten in Österreich schon einmal so eine Quasi-Univer­sität, die auch nicht ganz so geheißen hat. Damals hat sie Universitätszentrum für Weiter­bildung geheißen, und auf der Fassade ist Universität gestanden. Das war die Donau-Uni­versität Krems. Die wurde mit 1.1. sinnvollerweise in das Universitätsgesetz eingegliedert. Da haben wir diese Extrawurst beseitigt, und jetzt soll in Linz etwas Neues gebaut werden.

Ich habe heute als Literaturhinweis etwas mitgebracht. (Der Redner weist auf das vor ihm auf dem Rednerpult liegende gebundene Exemplar.) Das ist meine juristische Dis­sertation aus 2004 zum Thema Universitätsautonomie und Mitbestimmung. (Bundesrat Schennach: Oh!) Ich habe mich also akademisch mit dem Thema Universitätsorganisa­tion befasst. Sie hat auch einen rechtshistorischen Teil, der Sie vielleicht interessiert, und einen zeitgenössischen verwaltungsrechtlichen Teil. Daher stellen sich mir eine gan­ze Menge von Fragen, wenn etwas, das sich Universität nennt, errichtet werden soll, die werden aber alle durch dieses Gesetz nicht beantwortet. Es steht zwar im Gesetzentwurf drinnen, dass bestimmte Prinzipien wie zum Beispiel die Wissenschaftsfreiheit, die Ein­heit von Forschung und Lehre und so weiter berücksichtigt werden sollen, aus dem Ge­setzestext kann man aber überhaupt noch nicht erkennen, ob diesen Prinzipien entspro­chen wird. Das würde man dann alles erst in dem in weiterer Folge zu beschließenden Gesetz erkennen.


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Die wesentlichen Punkte nämlich, die zeigen, ob Wissenschaftsfreiheit besteht, sind: Wird an dieser Uni eine Venia verliehen? Durch wen? Gibt es Habilkommissionen, ein Habilitationsverfahren, gibt es ein Berufungsverfahren für die Professorinnen und Pro­fessoren? Gibt es Mitbestimmung für die Universitätsangehörigen? Das ist auch ein we­sentlicher Punkt: In einer echten Universität gibt es Angehörige und nicht, wie in diesem Konstrukt, das hier geschaffen werden soll, privatrechtliche Verträge zwischen der Ein­richtung und den Studierenden. Wie schaut es mit den Curricula aus? Wie werden sie erstellt? Sind dort auch die verschiedenen universitären Kurien in die Erstellung der Cur­ricula eingebunden? Wie funktioniert die Wahl des Rektors beziehungsweise der Rek­torin? Sind dort auch die universitären Kurien eingebunden? (Bundesrat Schennach: Und: Wer akzeptiert die Abschlüsse?) – Das alles steht in diesem Gesetz nicht drinnen, das ist einem weiteren Gesetz vorbehalten. (Präsidentin Schumann übernimmt den Vor­sitz.)

In der Gründungsphase – wir wissen nicht, wie lang sie dauern wird – gibt es ein Organ, das so ziemlich alles bestimmen kann, das darüber entscheidet, wie die Curricula aus­schauen – dieses Organ macht den Vorschlag, aber ohne seinen Vorschlag passiert nichts –, das sämtliche Lehrbefugnisse erteilt: der Gründungspräsident. Es ist also eine ziemlich monokratische Struktur. Es gibt keine Mitbestimmung, es gibt kein Selbstergän­zungsrecht. Insofern verdient diese Institution nicht den Namen Universität. Eine weitere Frage ist: Wie schaut es mit Studierendenrechten aus?

Quasi die Spitze, an der man sieht, wie unausgegoren diese ganze Geschichte ist, ist die Finanzierung. Das Geld – wir haben es heute auch schon gehört – für die Grün­dungsphase der Universität soll aus Ihrer Ministerreserve kommen. 23 Prozent der Mi­nisterreserve sind für diese sogenannte Uni TU Linz, für das IDSA, reserviert. Aber, wie Jürgen Klatzer vom ORF heute geschrieben hat, § 12 Abs. 10 des Universitätsgesetzes verpflichtet Sie dazu, dass Sie diese Ministerreserve ausschließlich für die im Universi­tätsgesetz aufgezählten Universitäten ausgeben können. (Bundesrat Schennach: Ge­nau!) Das heißt, Sie müssen erst wieder diese Verrenkung machen, dass Sie dieses Geld der Uni Linz widmen, die dann dazu verpflichtet wird, es weiterzugeben. Dieses Gesetz ist unausgegoren, es ist ein Steckenpferd der ÖVP Oberösterreich. Wir stimmen daher nicht zu. (Beifall bei der SPÖ.)

18.02


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Martin Polaschek. Ich erteile es ihm.


18.02.24

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Nationalrat hat zum Gründungsgesetz vergangene Woche ein sehr klares Bekennt­nis abgelegt. Ich sehe in diesem Gesetz einen wirklichen Innovationsschub im Wissen­schafts- und Forschungssystem Österreichs mit klaren Zielsetzungen in Richtung Digi­talisierung.

Es gab im Vorfeld verschiedene Meinungen und Einschätzungen sowohl inhaltlicher als auch persönlicher Natur. Das ist logisch, wenn ein solch völlig neues Projekt entsteht. Wir haben es uns deswegen auch nicht leicht gemacht, sind auf sehr viele Stellungnah­men, soweit es geht, eingegangen und haben sie bestmöglich berücksichtigt. Das Ergeb­nis wurde im Wissenschaftsausschuss des Nationalrates eingehend, kritisch-konstruktiv diskutiert und mit den Stimmen der Koalition und der Freiheitlichen beschlossen, wofür ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken möchte.

Ich darf auf einige Bedenken eingehen, die jetzt insbesondere von Ihnen, Herr Bundesrat Schennach, und auch von Ihnen, Herr Bundesrat Arlamovsky, eingebracht worden sind, insbesondere auf die Frage, warum ein eigenes Gesetz notwendig ist.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 147

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es, wenn neue Universitäten gegründet werden, Sinn macht, dies in einem eigenen Gesetz außerhalb des bestehenden Gesetzes zu machen. Das war etwa der Fall bei der heute bereits angesprochenen Donau-Universität Krems, aber auch bei anderen Universitäten. Es ist aber ganz klar, und das wird auch immer wieder wiederholt, dass diese Universität, sobald die Gründungsphase abge­schlossen ist und sie im Vollbetrieb ist, mittelfristig selbstverständlich ins Universitätsge­setz eingegliedert wird. Es ist klar, dass diese Universität früher oder später – zu einem guten gegebenen Zeitpunkt – auch ins UG eingegliedert wird.

Warum man ein eigenes Gesetz braucht, warum man nicht die Formen der Mitbestim­mung wie Senat und so weiter hat, liegt daran: Man braucht einen Gründungskonvent, denn, um diese bestehenden Systeme anzuwenden, wie es sie im UG gibt – mit Senat, mit Curriculumskommissionen und so weiter –, braucht man Universitätsangehörige. Universitätsangehörige hat man aber erst, wenn man die entsprechenden Personen hat, sowohl was Professorinnen und Professoren, was wissenschaftlichen – unter Anfüh­rungszeichen – „Mittelbau“ angeht als auch was Studierende angeht. Solange wir all die­se Personengruppen noch nicht an der Universität haben, können wir diese Gremien auch nicht entsprechend besetzen. (Bundesrat Schennach: Jetzt machen Sie eine GmbH, oder? Sie starten mit einer GmbH?) – Ja, man kann im Grunde genommen erst mit einem entsprechenden Konstrukt beginnen, um dann eine ordentliche Universität zu werden.

Ich darf auch noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass das, was den Notfalltopf angeht, in dieser Form nicht stimmt. Das ist, ich habe es schon öfter gesagt, missverstan­den worden. Die Ministerreserve wurde genau dafür aufgestockt. Es wurde dafür Geld genau in diesen Bereich hineingegeben. Das ist nicht zulasten der staatlichen Universitä­ten gegangen, sondern das war zusätzliches Geld, das dort hineingegeben worden ist; und es wird auch künftig im Budgetrahmen einen eigenen Topf für diese Institution ge­ben. Ich will ganz klar festhalten, dass das Geld, das an dieses neue Institute of Digital Sciences fließt, nicht zulasten der anderen Universitäten geht.

Was den Kollektivvertrag angeht: Da noch keine neue Universität eingerichtet worden ist, ist es schwierig, sie in den Dachverband der Universitäten aufzunehmen. Es ist aber, denke ich, klar, dass sich diese neue Universität im Sinne der Attraktivität des Dienstge­bers an den Kollektivvertrag und an die entsprechenden vertraglichen Muster der ande­ren Universitäten anlehnen wird; und ich denke, auch die neue Universität wird gut bera­ten sein, dann selber einen entsprechenden Kollektivvertrag in Anlehnung an den Kollek­tivvertrag, den die Universitäten haben, abzuschließen.

Was die Studierenden angeht: Es gibt noch nicht das Studienrecht des UG und auch noch keine eigene studienrechtliche Satzung. Das kann auch nicht funktionieren, weil es noch keine Studierenden gibt, die ihre Mitbestimmungsrechte entsprechend wahrneh­men können. Es ist aber auch ganz klar festgehalten, dass die künftigen Studierenden Mitglieder der ÖH sein werden, dass das Studienförderungsgesetz auf sie angewendet wird.

Man hat im Grunde genommen jetzt in einem ersten Schritt ein Studienrecht, wie es das auch an den Fachhochschulen gibt. Ich gehe aber auch in diesem Fall davon aus, dass, wie gesagt, die Studierenden dann zu dem Zeitpunkt, zu dem die neue Universität ins UG kommt, auch dem allgemeinen Studierendenrecht des UG unterliegen werden und dass natürlich auch entsprechende satzungsrechtliche Bestimmungen abgeschlossen werden. Das ist ja, denke ich, im größten Interesse dieser Institution.

Der inhaltliche, strukturelle und organisatorische Kern wurde nach einem umfangreichen Konzept nationaler und internationaler Expertinnen und Experten ausgearbeitet und wird sich, denke ich, auch entsprechend bewähren.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 148

Ich darf noch einmal auf die langfristige Finanzierung hinweisen. Mit dem Bundesfinanz­rahmen wird die Finanzierung kontinuierlich und ansteigend bis zum geplanten Vollaus­bau 2036 erfolgen, es wird aber auch gleichzeitig das Land Oberösterreich im Infra­strukturbereich einen Beitrag leisten. Die entsprechenden Inhalte werden gerade in einer 15a-Vereinbarung endverhandelt.

Die Errichtung einer neuen Universität ist etwas Besonderes, etwas, das in solch einer Form nicht sehr oft passiert, und es gibt natürlich gewisse Schwierigkeiten, gerade am Anfang. Ich bin aber – weil auch gerade die Universitätenkonferenz angesprochen wor­den ist – in intensivem Austausch mit der Universitätenkonferenz und wir haben nicht zuletzt mit der Einrichtung des Beirats – das war ein Wunsch der Universitätenkonfe­renz – eine Maßnahme gesetzt, um die Universitäten und die Fachhochschulen gut ein­zubinden.

Ich denke, der operative Start des Institute of Digital Sciences im Wintersemester 2023 mit dem Angebot von PhD-Studien wird sehr gut werden. Es wird in diesem Schnittstel­lenbereich zwischen Digitalisierung und Kreativität Bereiche abdecken, die in der Form nicht direkt oder nicht so unmittelbar an den beiden Kunstuniversitäten in Linz, der staat­lichen und der privaten, und auch nicht an der Johannes Kepler Universität Linz angesie­delt sind. Gerade deshalb macht es Sinn, eine eigene Institution in einem neuen, interdis­ziplinären Bereich zu schaffen, in der alle Beteiligten beziehungsweise alle Institutionen in Oberösterreich – Fachhochschulen und Universitäten, Ars Electronica Center und so weiter – sich gut einbringen werden. Es wird eine zukunftsweisende Investition in Bil­dung, Wissenschaft und Forschung sein, die nicht nur Oberösterreich, sondern dem ge­samten Wissenschafts- und Forschungsstandort Österreich zugutekommen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.10


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile es ihm.


18.10.43

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Als Oberösterreicher macht es mich stolz, dass die Entscheidung gefallen ist, dass die neue Universität nach Oberösterreich, nach Linz kommt. Heute wird dafür die rechtliche und auch die finanzielle Basis gelegt.

Es ist wichtig, dass eine Verbreiterung des Bildungsangebots in Form einer technischen Universität in Linz gemacht wird. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Absicherung des Wirtschafts- und Industriestandortes Oberösterreich, es wundert mich daher, dass die SPÖ-Bundesräte aus Oberösterreich dagegenstimmen.

Geschätzte Damen und Herren, schon jetzt stehen viele Branchen vor dem Problem, dass sie die dringend benötigten Fachkräfte nicht mehr zur Verfügung haben. Mit diesem Institut steuern wir dem entgegen und schaffen ein attraktives Angebot für das wunder­schöne Bundesland Oberösterreich. Darüber hinaus ist die Nähe von Universität und Wirtschaft wichtig.

Das Land Oberösterreich, der Herr Minister hat es angesprochen, wird sich an den Er­richtungskosten für den Neubau zur Hälfte beteiligen. Auf Basis der Bruttoinvestitions­kosten von rund 234 Millionen Euro ergibt das einen Anteil von 117 Millionen Euro. Die restlichen Kosten wird der Bund übernehmen, und in Zukunft werden rund 6 300 Studie­rende die Möglichkeit haben, an der neuen Universität zu studieren. (Bundesrat Schen­nach: Ja, aber es dauert bis dorthin!)

Das Budget soll dann laufend ansteigen, und im Vollausbau sollten dem Institut mindes­tens 150 Millionen Euro für Lehre, Forschung und Infrastruktur zur Verfügung stehen.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 149

Das ist eine historische Chance für Oberösterreich und für die ganze Republik. Gerade in diesen herausfordernden, schwierigen Zeiten ist die Neuerrichtung einer Universität ein starkes und wichtiges Statement für Oberösterreich als auch für Gesamtösterreich. Natürlich gibt es immer wieder Anfangsschwierigkeiten, aber gemeinsam werden wir sie lösen können.

Herr Minister, es muss auch in Zukunft die Finanzierung sichergestellt werden. Wir ha­ben es im Vorfeld gehört: Für die Jahre 2022 bis 2024 haben die gesamten Universitäten zwar eine Budgeterhöhung von rund 1,3 Milliarden Euro bekommen, dieses Budget wurde aber im Herbst 2020 verhandelt, bei einer Inflationsrate von 2 Prozent. (Bundesrat Schennach: Aber es wird eh nichts gebaut!) Wir wissen alle, dass die Inflation jetzt aber in Richtung 10 Prozent geht. Daher brauchen die Universitäten in den kommenden Jah­ren circa eine halbe Milliarde Euro mehr. Herr Minister, Ihnen ist es hoffentlich bewusst, dass da dringender Handlungsbedarf besteht. Stehen Sie zu Ihrem Wort und stellen Sie die Rahmenbedingungen für die Universitäten auch für die Zukunft sicher!

Zum Abschluss, wie mein Kollege Spanring bereits erwähnte: Lassen Sie die Studenten in Ruhe studieren und quälen Sie sie nicht mit den Covid-19-Regelungen! (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.13


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Adi Gross. Ich erteile es ihm.


18.13.54

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Herr Minister! Die digitale Transformation ist eines der großen Themen dieses Jahrhunderts. Außer dem Klimaschutz wird kaum etwas die Gesellschaft und Wirtschaft so verändern wie die fortschreitende Digitalisierung. Es wird keinen Be­reich geben, in dem die Digitalisierung keine Rolle spielen wird.

Aus meiner Sicht ist es eigentlich zweifelsfrei, dass die Dimension der Digitalisierung noch viel zu wenig debattiert wird, viel zu wenig erforscht ist. Noch viel zu sehr wird sie als technisches Thema gesehen oder diskutiert oder gar als Frage des Vergrabens von Glasfaserkabeln gesehen. Es ist also nur angebracht, die digitale Transformation endlich in der gesamten gesellschaftlichen Breite aufzuarbeiten, in ihren Wechselwirkungen, die sie eben hat: zu sozialen Fragen – das wird die Arbeitswelt ziemlich dramatisch verän­dern –, zu Fragen der Bildung, zu Fragen der wirtschaftlichen Implikation, zu den Auswir­kungen auf das Alltagsleben, zu den Folgen für die Wissenschaft, nicht zuletzt deren Folgen für die staatliche Finanzierung, weil sich vieles in die Automatisierung hineinver­lagern wird, und natürlich nicht zuletzt hinsichtlich der spannenden Wechselwirkungen zu Kunst und Kultur.

Wir sind auch überzeugt, dass es Sinn macht, so eine Universität zu gründen, wenn das Profil passt, denn das Thema ist tatsächlich relevant. Grundsätzlich ist dieser interdiszi­plinäre Zugang auch verankert, nämlich in § 2 des Gründungsgesetzes, das wir heute beschließen, unter dem Titel Wirkungsbereich.

Kritisch ist anzumerken: Ja, wir sehen das auch so wie so manch andere. Auch wir sind nicht ganz glücklich über die Entstehungsgeschichte. Das wurde nicht wirklich breit ge­nug und unabhängig vorbereitet. Diese ganze Sache hat leider einen landespolitischen Geschmack, und ja, teils sind die Argumente nicht stichhaltig.

Herr Kollege Pröller von der FPÖ, eben genau darum kann es nicht gehen! Es wird eben genau darum nicht gehen, klassische Fachkräfte im IT-Bereich auszubilden. Das ist genau nicht der Sinn dieser Universität. Dafür gibt es die Fachhochschulen.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 150

Übrigens noch einmal eine Anmerkung, ich habe es vorhin schon gesagt: Die Studieren­den selber wünschen sich Coronamaßnahmen, denn sie wollen ja in Präsenz studieren und sie wollen andere Leute nicht anstecken. Vielleicht dringt das einmal auch noch bis zu Ihnen durch, wiewohl ich skeptisch bin. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

Gut, jetzt geht es darum, diesen Rahmen, der mit dem Gründungsdokument gesetzt wird, zu füllen und wirklich eine einzigartige interdisziplinäre Forschungseinrichtung da­raus zu schaffen, eine einzigartige Einrichtung, die international strahlt. Es soll eine Uni­versität werden, an die Erasmusstudierende aus ganz Europa kommen wollen, das hofft man wirklich. Es soll, es muss eine gute Universität werden.

Das verlangt auch entsprechende Mittel, gar keine Frage. Die müssen zur Verfügung stehen, sonst macht es keinen Sinn. Wichtig wird es sicher im nächsten Schritt sein, den Gründungskonvent wirklich spannend zusammenzusetzen und die besten Köpfe, die wir in Österreich haben, dafür zusammenzubringen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.17


18.17.32

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.18.0315. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (2678/A und 1633 d.B. sowie 11015/BR d.B. und 11050/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 15. Tagesordnungspunkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner. – Ich bitte um den Bericht, Frau Kollegin.


18.18.25

Berichterstatterin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile es ihr. (Ruf bei der SPÖ: Jetzt geht’s los!)


18.19.32

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Familienbeihilfe in Österreich ist ein wichtiges Ins­trument zur Entlastung von Familien mit Kindern. Ich möchte ja schon fast sagen, es ist eigentlich das zentrale Instrument der Familienpolitik in Österreich. Genau dieses zen­trale Instrument gilt es auch zu erhalten, und es sollte gerecht verteilt werden.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 151

Genau darum geht es bei der Indexierung. Das ist eine Anpassung, nämlich an die Kauf­kraft in den jeweiligen Ländern. Der Euro ist ja, obwohl wir in einer europäischen Union leben, leider nicht überall gleich viel wert.

Die Familienbeihilfe dient dazu, einen Teil der Lebenshaltungskosten der Kinder zu er­setzen. Wenn aber in Europa die Lebenshaltungskosten derartig unterschiedlich sind, dann ist es ja wohl gerecht, dass die Familienbeihilfe an die Unterschiede in den jewei­ligen Ländern angepasst wird (Bundesrat Schreuder: Ist aber EU-rechtswidrig!): Dort, wo das Leben teuer ist, bekommt man mehr Familienbeihilfe, dort, wo das Leben güns­tiger ist, bekommt man eben weniger Familienbeihilfe.

Es wurde ja nicht einfach über einen Kamm geschoren, sondern die Familienbeihilfe wurde an den Eurostat-Index angepasst, und ich frage mich wirklich, was daran schlimm gewesen ist. (Bundesrat Schreuder: Es ist EU-rechtswidrig!) Es kam zu keiner Strei­chung der Familienbeihilfe, es kam lediglich zu einer Anpassung an die jeweiligen Le­benshaltungskosten in den einzelnen Ländern. Das wäre eigentlich gerecht gewesen. Sollen wir vielleicht Kinder, die hier in Österreich leben, benachteiligen? – Ich will das nicht. Die können nichts dafür, dass innerhalb Europas der Euro nicht überall gleich viel wert ist.

Leider hat der Europäische Gerichtshof diese Indexierung mit seinem Urteil aufgehoben. Dieses Urteil ist klarerweise zu akzeptieren, aber verstehen muss ich es nicht. Österreich hat mit der Indexierung der Familienbeihilfe sehr viel Geld gespart. Das sieht man jetzt an den derzeitigen Rückzahlungsbeträgen. Österreich muss ja aufgrund dieses Urteils 290 Millionen Euro zurückzahlen. Das ist Geld, das Österreich durch die Indexierung eingespart hat. Das ist Geld, das unsere österreichischen oder in Österreich lebenden Familien gerade jetzt dringend benötigen würden.

Unsere Familien brauchen derzeit wirklich jeden Cent zum Leben, damit sie über die Runden kommen, darum ist es überhaupt nicht einzusehen, dass in jenen Fällen, in de­nen die Indexierung höher war, in denen mehr Familienbeihilfe ausbezahlt wurde, diese nicht zurückgefordert wird. Es handelt sich dabei um 240 000 Euro. In jenen Fällen, in denen die Familienbeihilfe nach unten indexiert wurde, werden automatisch – ohne An­trag, ohne dass irgendeine Kontonummer oder irgendetwas geprüft wird – die Nachzah­lungen veranlasst. Wir verzichten auf die Rückzahlungen und schenken dadurch 240 000 Eu­ro her. Das ist schade.

Damit aber die in Österreich lebenden Kinder nicht benachteiligt werden und die Leistun­gen fair und gerecht verteilt werden, sollten wir uns vielleicht alle dennoch bemühen, einen Weg zu finden, wie wir die Indexierung der Familienbeihilfe dennoch umsetzen können.

Daher stellen die Bundesräte Christoph Steiner, Marlies Steiner-Wieser und weitere Bundesräte folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Indexierung der Familienbeihilfe“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integra­tion und Medien, wird aufgefordert, sämtliche Möglichkeiten in Bezug auf die Anpassung der Höhe von Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen und anderen familiären Steuer­vorteilen für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben,


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 152

die mit dem Unionsrecht vereinbar ist, zu prüfen und alle erforderlichen Schritte zu un­ternehmen, damit es in Österreich ehebaldigst wieder zu einer Indexierung der Familien­leistungen kommt.“

*****

Ich erhoffe und wünsche mir eine breite Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen herzli­chen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.23


Präsidentin Korinna Schumann: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Indexierung der Familienbeihilfe“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. Ich erteile es ihr.


18.24.01

Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Dass Fairness und Recht manchmal zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind, zeigt der Beschluss be­treffend Indexierung der Familienbeihilfe.

Bisher haben wir die Familienbeihilfe von in Österreich arbeitenden Eltern für ihre nicht in Österreich lebenden Kinder an die Lebenshaltungskosten des jeweiligen Heimatlan­des angepasst, wie die Kollegin vorhin erwähnt hat. Laut Ansicht des Europäischen Ge­richtshofes ist dies jedoch falsch. Dieser sagt, die Familienbeihilfe darf nicht gekürzt oder erhöht werden, sondern alle sollen die Familienbeihilfe in gleicher Höhe bekommen, egal wo sie leben. Selbstverständlich werden wir das EuGH-Urteil zur Kenntnis nehmen und entsprechend umsetzen. Ich möchte aber trotz dessen festhalten, dass dies keine faire Regelung ist.

Fair wäre es meiner Ansicht nach, die Familienbeihilfe an den Wohnort anzupassen, so wie wir es bisher auch getan haben. Für ein Kind ist es nämlich völlig egal, mit welchem Eurobetrag eingekauft werden kann. Relevant ist lediglich, dass es das Gleiche im Ein­kaufskorb hat wie alle anderen Kinder auch. Die Indexierung führt dazu, dass für alle Kinder der gleiche Popoyo-Rucksack, die gleichen Faber-Castell-Stifte oder Jolly-Stifte, je nachdem, im Warenkorb liegen. Und das ist Fairness, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Diese Ansicht teilen übrigens nicht nur namhafte Experten, auch der Rechnungshof hat auf massive Ungerechtigkeiten im Familienbeihilfensystem hingewiesen. Auch gab es in der Vergangenheit bereits einen Kanzler, der diese Ansicht geteilt hat. Er hat sich damals sogar dafür eingesetzt, dass die Familienbeihilfe an das jeweilige Landesniveau ange­passt werden könnte. (Bundesrat Hübner: Wer war der Kanzler?) – Ja, Sie wissen es bestimmt, ich schaue vielleicht in Richtung der Kollegen von der Sozialdemokratie: Es war Kanzler Kern von der SPÖ, das war sein Vorschlag.

Ich darf vielleicht noch erwähnen, dass in der letzten Nationalratssitzung noch ein Abän­derungsantrag eingebracht wurde. Im Antrag ist ergänzt worden, dass Vertriebenen aus der Ukraine der Zugang zur Familienbeihilfe beziehungsweise zu österreichischen Fami­lienleistungen ermöglicht werden kann. Das ist vielleicht auch interessant und gut zu er­wähnen.

Ich möchte trotzdem noch auf die Indexierung eingehen: Wir werden dem EuGH-Urteil Rechnung tragen, das Gesetz korrigieren und Nachzahlungen abwickeln. Fair ist diese Re­gelung aber unserer Ansicht nach nicht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.27



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 153

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Ger­denitsch. Ich erteile ihr dieses.


18.27.15

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherin­nen und Zuseher! Kollege Appé hat gerade richtig bemerkt, dass die Rede der Frau Kollegin von der ÖVP Produktplatzierungen enthielt. Das finde ich nicht so toll. Heute ist dennoch ein schöner Tag, und das nicht nur wegen des strahlenden Sommerwetters drau­ßen, sondern weil wir es nun auch schriftlich haben: Jedes Kind ist gleich viel wert!

Liebe ÖVP! Wenn Sie an der Idee der Indexierung festhalten, dann ist das ein Schlag in das Gesicht jener Frauen, die während der Coronakrise mit Sonderzügen ins Land ge­karrt wurden, damit sie die älteren Menschen in Österreich pflegen. Bitte, wo bleibt Ihr Anstand? Gestern hat Kollegin Eder-Gitschthaler so viel von Respekt und von Wert­schätzung gesprochen. (Bundesrätin Tausch spricht mit Bundesrätin Steiner-Wieser.) – Es wäre schön, wenn Sie mir zuhören würden, wenn ich mit Ihnen spreche, aber man kann nicht davon ausgehen, dass jeder die gleiche gute Kinderstube hat.

Wie dem auch sei, wir haben es bereits gehört: Der EuGH hat mittels Urteil festgestellt, dass die seit 1.1.2019 geltende Indexierung der Familienbeihilfe nicht dem EU-Recht entspricht. Diese Indexierung stellt eine indirekte und massive Diskriminierung aufgrund der Staatsbürgerschaft dar. Der EuGH hat festgestellt, dass ArbeitnehmerInnen aus an­deren EU-Staaten, die in Österreich arbeiten und zum österreichischen Sozial- und Steu­ersystem beitragen, die gleichen Leistungen wie österreichische Arbeitskräfte erhalten müssen.

Vor allem Kinder osteuropäischer ArbeitnehmerInnen haben deutlich weniger Familien­beihilfe bekommen. ArbeitnehmerInnen aus dem EU-Raum, die in Österreich arbeiten und zum Sozialsystem beitragen, müssen die gleichen Leistungen erhalten wie heimi­sche Beschäftigte. (Beifall bei der SPÖ.)

Das war von Anfang an logisch und einleuchtend. Man hat die Indexierung gegen die Meinung aller Fachleute beschlossen, und es war von Anfang an klar, dass das zum Scheitern verurteilt ist. Nun endlich beschließen wir die Aufhebung dieser Ungerechtig­keit. Das ist gut so, denn das war populistisch und diente nur zur Spaltung der Gesell­schaft. Dafür sind ÖVP und FPÖ verantwortlich. Die ganze Aktion war etwas Kurz-sich­tig. Jetzt braucht es eine rasche Rückabwicklung, das aber bitte ohne die Finanzämter noch weiter zu belasten.

Vielleicht zur Erinnerung: Der EuGH-Generalanwalt erklärte die Indexierung bereits im Jänner 2022 für unzulässig. Eine Reparatur hätte bereits viel früher vorgelegt werden müssen. Da zeigt es sich wieder einmal: Diese Regierung zeichnet sich durch eines aus, nämlich durch Management by Chaos. Kommen Sie endlich in die Gänge, kümmern Sie sich um die Menschen im Land (Bundesrat Preineder: Ja, im Land! Bundesrat Raggl: Nicht in Rumänien!), das ist Ihre Verantwortung!

Da wir schon bei den Familien sind: Wir fordern einen sofortigen Preisdeckel auf Strom und eine Abschöpfung der Übergewinne in Milliardenhöhe! Wir werden es nicht zulas­sen, dass sich die Menschen zwischen Heizen oder Essen entscheiden müssen. Ges­tern, werte ÖVP, liebe Frau Kollegin Eder-Gitschthaler, haben Sie betont, wie wichtig es ist, Wertschätzung zu zeigen. Zeigen Sie diese Wertschätzung den Menschen im Land gegenüber, denen, die hier ihre Steuern und Abgaben leisten! (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Schreuder: Das tun wir!)

Kommen Sie in die Gänge oder noch besser: Nehmen Sie den Hut! Sie können es ein­fach nicht. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Raggl: Äh! Oh-Rufe bei der ÖVP.)

18.30



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 154

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.


18.30.58

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und vor den Fernsehern! Sehr geehrter Herr Mi­nister, noch einmal: Ja, es freut mich sehr, dass auch die SPÖ sich über diesen guten Tag freut. Es ist ein guter Tag für unsere Gesellschaft, für ihre Kinder und für die Gerech­tigkeit, denn Kinder, egal ob sie von Eltern stammen, die aus der Ukraine geflüchtet sind (Ruf bei der FPÖ: Genau um die ist es gegangen, Wahnsinn, oder?), oder von Eltern, Frauen, vor allem Frauen, aber auch Männern, die nicht in Österreich leben, aber hier arbeiten und Sozialversicherung zahlen, bekommen wieder dieselben Sozialleistungen wie Kinder, die in Österreich leben  und das rückwirkend.

Ein wirklich guter Tag, denn die abstruse und diskriminierende Idee, die Sozialleistungen an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Ausland anzupassen, gehört nun endlich der Vergangenheit an. Es ist mir unverständlich, warum die FPÖ da nicht mitgeht, mehr sage ich nicht, denn eigentlich fordert immer wieder die FPÖ, auch heute wieder, dass wir Menschen brauchen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sei es eben daheim oder in den Krankenhäusern und Pflegeanstalten. Dass Sie diese Menschen dann aber wie Menschen zweiter Klasse behandeln, fällt Ihnen wohl nicht auf. (Zwischenruf des Bun­desrates Hübner.)

Nehmen wir das Beispiel der 24-Stunden-PflegerInnen, die kommen eben zum größten Teil aus ärmeren Ländern: Die Arbeit ist wahnsinnig anstrengend, sie ist kräfteraubend, sie ist physisch und psychisch belastend. Sie findet meistens unter prekären Rahmenbe­dingungen statt, ist gespickt mit rassistischen, sexistischen und anderen abwertenden Situationen und meist nicht adäquat bezahlt. Diese PflegerInnen sind meist Frauen und haben in ihrem Herkunftsland Familie und Kinder (Bundesrat Spanring: Das musst ein­mal schaffen, dass du das sagst ...!), die in der Zwischenzeit auch versorgt werden müs­sen. Sie diese zwei Wochen, die sie hier sind, nicht zu sehen, ist sicherlich nicht leicht (Bundesrat Ofner: Paralleluniversum!), aber mehr Verdienst bedeutet für sie auch mehr Lebenschancen für diese Kinder. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Darüber hinaus zahlen diese Menschen mit ihrem Verdienst in das österreichische So­zialsystem ein und nutzen es gar nicht, sie nutzen die Leistungen dieses Sozialsystems gar nicht. Sie gehen hier nicht zum Arzt, die Kinder gehen hier nicht in den Kindergarten und nicht in die Schule. Warum sie dann nicht dieselbe Kinderunterstützungsleistung bekommen wie jedes andere Kind in Österreich, das war mir nie verständlich, daher sind wir über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und die nun rückwirkende Änderung der entsprechenden Gesetze sehr froh und darüber, dass diese Ungleichbehandlung ein Ende hat.

Das Gute ist, dass das auch rückwirkend ist, denn seit 1.1.2019 sind weniger Ansprüche aus der Kinderbeihilfe, aber auch familienbezogene Absetzbeträge wie Alleinverdiene­rInnenabsetzbetrag, Kindermehrbetrag oder Familienbonus nicht mehr möglich gewe­sen. Sie werden nun rückwirkend und automatisch, und auch das ist sehr zu begrüßen, ausbezahlt. (Bundesrat Spanring: Einmal, einmal der Einsatz für Österreich ...!) Auch die Familienbeihilfe für Kinder aus der Ukraine – ich habe es schon erwähnt – wird rück­wirkend ausbezahlt. Wir hoffen sehr, dass auch das unbürokratisch möglich ist.

Es wurden Ungerechtigkeiten behoben und das freut mich, denn es ist eine sehr wichtige Unterstützung in diesen schweren Zeiten. Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ Bundesrat Spanring: Genau so seid ihr ...!)

18.34


18.34.24

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 155

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Indexierung der Familienbeihilfe“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

18.35.2216. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Aus­tria ("KommAustria") (KommAustria-Gesetz – KOG) geändert wird (2575/A und 1580 d.B. sowie 11014/BR d.B. und 11025/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Franz Ebner. – Ich bitte um den Bericht.


18.35.40

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich bringe den Be­richt des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Na­tionalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria („KommAustria“) (Komm­Austria-Gesetz – KOG) geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses.


18.36.38

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): So, höher geht es nicht (der Redner versucht, das Rednerpult in die Höhe zu fahren  Bundesrätin Zwazl: Oh, ja!), oh ja, es geht doch höher! – Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es geht nicht um große Beträge. Es geht um eine Erhöhung des Förderbetrages für den sogenannten nicht kommerziellen Rundfunk von 3 auf 5 Millionen Euro, also um 2 Millionen Euro.

2 Millionen Euro klingt wenig, ist aber eine satte Erhöhung von 60 Prozent. Die Frage ist, ob diese Erhöhung angesichts der Probleme, die wir haben, gerade jetzt notwendig ist. Müssen wir die Förderungen für den nicht kommerziellen Rundfunk gleich um 60 Pro­zent erhöhen? Noch dazu: Was ist der nicht kommerzielle Rundfunk?  Er zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit publiziert oder verbreitet wird.

Also ein Teil dieses nicht kommerziellen Rundfunks, oder sagen wir, des nicht kommer­ziellen Fernsehens, ist zum Beispiel das berühmt-berüchtigte Okto TV. Ich weiß nicht,


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 156

ob Ihnen Okto TV etwas sagt. (Bundesrat Buchmann: Gibt es nur in Wien!)  Das ist ein Fernsehkanal, der hat aus öffentlichen Mitteln bisher, glaube ich, 17,1 Millionen Euro erhalten, von der Stadt Wien jährlich 1 Million Euro. Im letzten RTR-Bericht über die Ver­teilung dieser Förderungen sieht man, dass dort immerhin, glaube ich, noch 330 000 Eu­ro ausgezahlt wurden.

Selbst die Stadt Wien hat jetzt die Reißleine gezogen und hat die Förderungen zuerst von 1 Million Euro auf 500 000 Euro gekürzt und heuer komplett eingestellt. Ich kann nur jedem, solange es das Programm noch gibt, empfehlen, einmal zu versuchen, das zu finden. Man findet es kaum, es schaut auch niemand an. Die Zugriffe liegen im Bereich von Hunderten pro Tag, ja  trotzdem: 17 Millionen Euro Förderungssumme. Sie werden sehen, dieses Programm ist geradezu absurd. Kein Wunder, dass das niemand sucht und auch niemand findet, aber trotzdem wird es gefördert. (Bundesrat Schreuder: Wel­ches Programm?)  Okto TV, Okto. (Bundesrat Schreuder: Das ist doch super!) Ja, das ist ein super Programm (Bundesrat Preineder – erheitert –: Gehörst du zu den Zwei­hundert, die das anschauen?), ja, das gefällt dem Kollegen. Ich weiß nicht, ich glaube, er hat es noch nicht gefunden, sonst würde er das nicht sagen; ich will mich jetzt nicht weiter über die Programmgestaltung von Okto ausbreiten.

Na ja, die Richtlinien sind ja alle problematisch. Diese Förderung dient offiziell dazu, den Pluralismus und die österreichische Identität zu stärken und so weiter, aber die Richt­linien allein sagen ja schon, dass das gar nicht gemeint ist. Wenn Sie in diese Richtlinien für die Förderperiode 2022-2023, die jetzt gilt, hineinschauen  zum Beispiel Punkt 6.2 g –, dann stellt sich die Frage: Was ist ein Förderungsansatz, oder wann wird man gefördert? Also wenn man natürlich, und das ist unvermeidlich, die unterrepräsentierten zivilgesell­schaftlichen Gruppierungen fördert, oder 6.2 h, das „Verständnis für die europäische In­tegration“ fördert, dann muss ich sagen: Ja, wenn man jetzt wirklich Pluralismus, offene Meinung, Diskussion und alles das fördern will, wie es in den einleitenden Bestimmun­gen steht, dann würde man natürlich nach dem Punkt h einen Punkt h1 haben: Das Ver­ständnis für die Erhaltung der österreichischen Souveränität und den Widerstand gegen ein weiteres Aufgehen in einem supranationalen Staat. Das wäre natürlich ein klassi­sches Förderungskriterium, wenn man es mit Pluralität und Meinungsvielfalt ernst meint.

Natürlich gibt es diesen Punkt nicht. Bei nicht kommerziellen Radios gibt es keinen Rechts­anspruch darauf, das muss man auch sagen, sondern da gibt es einen Beirat bei der RTR  besetzt mit den üblichen Verdächtigen, die ich jetzt nicht nennen will –, und dieser Beirat entscheidet ohne jeden Rechtsanspruch nach den sogenannten Kriterien, wer was kriegt. Das sind im Wesentlichen grün-alternative Bereiche. Es gibt Ausnahmen, die einzige Ausnahme, die ich im Förderungsbericht vom Jänner 2022 gefunden haben, ist Radio Maria. Also dem kann man wirklich nicht unterstellen, dass es einen grün-alterna­tiven Bezug hat, aber Radio Maria hat von den 3 Millionen Euro 12 000 Euro bekommen. (Bundesrat Schreuder: Radio Stephansdom höre ich auch!) – Ja, vielleicht Radio Ste­phansdom, das ist schon förderungswürdig, die sind politisch korrekt geworden. (Heiter­keit des Redners.) Radio Maria kann man es nicht unterstellen, alle anderen schweben aber in diesem Einheitsbrei und machen das, was halt jedes Medium macht, aber sie spielen keinen Pluralismus. Wir werden dieser 60-prozentigen Erhöhung der Förderung daher keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Schreuder: Schade!)

18.41


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. Ich erteile ihm dieses.


18.41.18

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Ich werde es ein bisschen nach unten fahren müssen. (Der Redner fährt das Rednerpult in eine tiefere Position.) Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kollege


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 157

Hübner hat es gesagt: Okto TV, Radio Maria – es ist für jeden etwas dabei in unserer bunten Medienvielfalt, die wir in Österreich haben. Ich finde, dass es wichtig ist, dass wir diese bunte Medienwelt auch erhalten.

Das ist keine Selbstverständlichkeit in einer Zeit, in der vor allem die Digitalisierung un­seren Medienunternehmen sehr zusetzt. Ich bin mit vielen Medienunternehmen auch beruflich in Kontakt, und die tun sich alle schwer, und zwar deshalb, weil diese Ge­schäftsmodelle, die ja über Jahrzehnte funktioniert haben, derzeit aufgrund des sich än­dernden Medienkonsumverhaltens so nicht mehr funktionieren. Die sind alle auf der Suche nach anderen tragfähigen Modellen. Ich bin schon der Meinung, dass wir gerade in dieser Phase, in der sie eben dabei sind, neue Modelle zu entwickeln, schauen müs­sen, dass wir diese Medien unterstützen.

Es ist nun einmal so, die Medienwelt ändert sich: Was früher das Fernsehen war, sind heute Youtube, Amazon Prime, Netflix, was früher Radio war, sind heute Podcasts. Auch Nachrichten werden nicht mehr über Zeitungen bezogen, sondern über Facebook, über Whatsapp, über Telegram-Gruppen, das heißt, es ist einiges im Umbruch. Viele Medien kämpfen mit dieser Entwicklung, und gerade deshalb ist es wichtig, da zu unterstützen.

Der Kollege hat es erklärt, diese Förderung für Nichtkommerzielle, die von 3 auf 5 Mil­lionen Euro aufgestockt wird, ist auch sehr zielgerichtet. Das Geld kommt durchaus dort an, wo es benötigt wird. Es geht nicht um große Medienkonzerne, sondern es geht um kleine regionale Medieninitiativen. Die sind schon wichtig, vor allem auch deshalb, weil das für Jugendliche, für Schülerinnen und Schüler oftmals die erste Möglichkeit ist, mit der Medienwelt in Kontakt zu kommen, und zwar nicht nur passiv, sondern aktiv. Da haben sie die Möglichkeit, oftmals das erste Mal auch wirklich Medieninhalte zu produ­zieren und selbst Nachrichten zu machen.

Es gibt viele Initiativen auch auf Ortsebene. Wenn man sich anschaut, das ist sehr span­nend, woher viele Moderatorinnen und Moderatoren, die wir durchaus auch kennen, die bei großen TV-Sendern wie ORF, ATV, Puls 4, ServusTV sind, kommen, dann sieht man, dass sehr viele ganz am Anfang bei solchen Initiativen begonnen haben. Also da hat man durchaus die Möglichkeit, das journalistische Handwerk zu erlernen, und des­halb ist das auch für die Demokratie- und Medienbildung wichtig, dass es diese Ange­bote weiterhin gibt. Deshalb: Schauen wir darauf, dass diese Vielfalt erhalten bleibt, und erteilen wir der Novelle und der Aufstockung des Fonds die Zustimmung! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.44


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr dieses.


18.44.10

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen! Also ich bin – wie mein Vorredner – auch der Meinung, dass die nicht kommerziellen Rundfunkanstalten einen wertvollen Beitrag leisten, und zwar füllen sie eine Lücke zwischen dem überwiegend auf Unterhaltung und tagesaktuelle Information ausgerichteten Programm der kommerziellen Anbieter und dem Bildungs­programm der öffentlich-rechtlichen Sender – sie haben also wirklich eine wichtige Auf­gabe. Die Aufstockung dieser Fördermittel für diese genannten nicht kommerziellen TV-Sender von 3 auf 5 Millionen Euro ist daher ein begrüßenswerter Schritt, dem wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion zustimmen werden.

Die Geschichte der freien Radios ist eine Erfolgsgeschichte. Eingeleitet wurde sie vor bereits 20 Jahren von einer Handvoll beharrlicher Menschen mit fundiertem Wissen.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 158

Heute sind diesen freien Radios und Community TVs aus der Rundfunklandschaft ei­gentlich gar nicht mehr wegzudenken. In Zeiten zunehmender Medienkonzentration wird die Wichtigkeit dieser Medien als publizistische Ergänzung, als Forum für Gruppen und Personen, die in den kommerziellen Medien gar nicht zu Wort kommen würden, und als Plattform für österreichische MusikerInnen und Kulturschaffende immer mehr wahrge­nommen und auch gewürdigt. (Unruhe im Saal.) – Ich weiß nicht, ob es noch jemanden interessiert, möglicherweise nicht. (Bundesrat Schreuder: Ich höre zu!) – Ah, danke, bitte sehr, wunderbar!

Nicht kommerzielle Sender ermöglichen den Menschen, ihre Anliegen zu kommunizie­ren, Herr Kollege, und in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Das gilt besonders für jene Bevölkerungsgruppen (Präsidentin Schumann gibt das Glockenzeichen) – danke schön –, die sonst aus sozialen, kulturellen oder sprachlichen Gründen gar keine Mög­lichkeit hätten, in der Öffentlichkeit aufzutreten und ihre Ideen, ihre Meinungen kundzu­tun. Gerade diese Sender bieten niederschwellig Lernräume – das hat auch der Kollege angesprochen –, dort kann nicht nur passiv, sondern auch aktiv dazu beigetragen wer­den, zum Beispiel im Rahmen von Workshops, sich Medienkompetenz anzueignen.

Beispielhaft möchte ich das bereits mehrfach ausgezeichnete Campus & City Radio der FH Sankt Pölten erwähnen. Es handelt sich um ein studiengangübergreifendes Ausbil­dungsradio (Bundesrat Schennach: Sehr gut!), das nach einem Grundsatz der freien Radios in Österreich arbeitet. (Bundesrat Schennach: Das ist sehr gut!) – Danke schön. Gleichzeitig ist dieses Campusradio für die Studierenden der Fachhochschule zuständig. 60 – das ist nicht wenig! –, 60 verschiedene Sendungen können über diese Frequenz 94.4 – das ist auch eine Produktplatzierung (Heiterkeit der Rednerin) – empfangen werden. Es ist aber auch als Notradio für die Stadt, zum Beispiel bei einem Blackout, vorgesehen. Diese Communitymedien sind eine wichtige Säule, die hoffentlich auch weiterhin unter­stützt wird.

Zu guter Letzt möchte ich, und zwar, weil ich auch Mediensprecherin bin, noch etwas anbringen: Es gibt einige Dinge, die noch abzuarbeiten sind. Wo bleibt das neue ORF-Gesetz? Wann kommt das schon mehrmals angekündigte Informationsfreiheitsgesetz? Wie geht es mit der ältesten Zeitung der Welt, nämlich der „Wiener Zeitung“, weiter? – Das alles sind ganz wichtige Fragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, viele Initiativen, die zum Schutz der Neutralität und zur Reform der Medienförderung von uns eingebracht wurden, landeten in der Warteschleife. Österreich ist beim Ranking der Medien auf Platz 31 abgestürzt. Es müssen daher möglichst rasch Maßnahmen ge­troffen werden, um gegenzusteuern. Ein Abwarten und ein Verschieben ist alles andere als sinnvoll. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreu­der. Ich erteile ihm dieses.


18.48.18

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag erhöhen wir die Mittel für den nicht kommerziellen Rundfunk schon in diesem Jahr von 3 auf 5 Millionen Euro. Das ist eine sehr, sehr gute Nachricht, denn für den Fonds zur Förderung des privaten Rundfunks haben wir ja schon im Jahr 2019 Erhöhungen von 15 auf 20 Millio­nen Euro beschlossen. Jetzt können wir das im nicht kommerziellen Sektor nachholen.

Ich bin auch sehr froh, dass wir uns damals bei den Regierungsverhandlungen auch einigen konnten. Ich durfte ja das Medienkapitel mitverhandeln. Da war mir das schon auch ein sehr wichtiger Punkt, deswegen freue ich mich so sehr.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 159

Ja, meine Damen und Herren, was heißt nicht kommerziell? Ich möchte schon noch ganz kurz auf Kollegen Hübner eingehen. Es stimmt schon, es gibt sicher die einen oder an­deren freien Radios in dem einen oder anderen Eck, die vielleicht nicht so viele Hö­rerinnen und Hörer haben. Es gibt aber ganz, ganz viele sehr erfolgreiche nicht kom­merzielle Anbieterinnen und Anbieter. Ich denke da zum Beispiel an das Freie Radio Salzkammergut, das enorm viele Hörerinnen und Hörer hat, das von der FH Sankt Pölten ist gerade genannt worden, dem kann ich nur zustimmen - - (Zwischenruf des Bundesra­tes Novak.– Bitte? (Bundesrat Novak: Radio ... in Kärnten!) Also Herr Novak hätte auch ein gutes Kärntner Radioprogramm. Dann Radio FRO in Oberösterreich, Radio Orange in Wien, das möchte ich hier auch unbedingt noch erwähnen – also da gibt es wirklich eine ganze Reihe. (Bundesrat Schennach: Agora!)

Es ist auch tatsächlich so, dass es ganz wichtig ist, Herr Kollege Hübner, dass man da Dinge transportieren kann, die vielleicht nicht ein Massenpublikum erreichen, aber die genau diese regionalen Communitys oder MigrantInnencommunitys erreichen, oder auch dass es in Wien ein Radioprogramm der Aidshilfe gibt. Das ist deshalb so wichtig, um Möglichkeiten zu haben, Dinge zu transportieren und Menschen Informationen zu­kommen zu lassen, die im sogenannten Formatradio einfach keinen Platz hätten, und das ist zu begrüßen. (Beifall bei den Grünen.)

Darf ich an dieser Stelle, weil Stefan Schennach medienpolitisch sehr engagiert ist, eine Bitte an die Stadt Wien äußern? (Bundesrat Schennach: Bitte!) Okto darf nicht sterben! (Bundesrat Schennach: Das ist auch unsere Meinung!) Okto, Radio Orange und Co sind so wichtig für Wien. Es wurde ja gesagt, dass die Förderungen der Stadt Wien ein­gestellt werden, weil kein lineares Programm mehr unterstützt werden soll. Wir hoffen, dass es da noch ein Umdenken gibt, denn Okto ist gerade für Wien und für viele Com­munitys ein sehr, sehr wichtiger Fernsehsender geworden. Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.51


18.51.20

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuchen jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.51.4917. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gasdiversifizierungsgesetz 2022 geändert wird (2679/A und 1594 d.B. so­wie 11001/BR d.B. und 11066/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf Frau Bundesministerin Gewessler herzlich im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco SchreuderIch bitte um den Bericht.


18.52.14

Berichterstatter Marco Schreuder: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gasdiversifi­zierungsgesetz 2022 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 160

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses.


18.52.51

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Sitzung haben wir hier ein Gesetz be­schlossen, das im Hauptausschuss schon wieder überholt war, während wir hier ge­standen sind. Jedenfalls geht es bei diesem Gasdiversifizierungsgesetz darum, die Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro auf 400 Millionen Euro zu erhöhen und in weiterer Folge jährlich 100 Millionen Euro jenen Betrieben auszuschütten, die sich nicht auf russisches Gas konzentrieren.

Eigentlich könnte man sagen, ja, okay, da sind wir dafür, aber es gibt doch viele Dinge, die zu besprechen sind. Ein Punkt davon ist, dass wir seit Monaten hören, dass die Ver­sorgung der österreichischen Bevölkerung, der KMUs und der Industrie mit Gas ge­sichert ist. Ich bin mir da nicht sicher, aber die Frau Bundesministerin wird uns das sicher beantworten. Ich glaube nicht, dass wir es bis Herbst schaffen werden, 80 Prozent ein­zubunkern, beziehungsweise glaube ich nicht, dass wir jetzt bei 48 Prozent sind, denn wir alle wissen durch die Medien und durch Veranstaltungen, die wir besuchen und bei denen wir dabei sind, dass von diesen 48 Prozent vieles auch den anderen Staaten im Umfeld gehört.

Dass es jetzt dazu gekommen ist, das Kohlekraftwerk in Mellach zu reaktivieren, und dass weitere Kraftwerke mit ins Angebot genommen werden, die mit Gas befüllt werden und bei denen halt auch wieder andere mit dabei sind, das ist in Ordnung. Ich glaube, dass es wichtig ist, das zu tun. Ich glaube nur nicht, dass es in Österreich möglich ist, diesen Kraftakt alleine zu schaffen. Im EU-Ausschuss ist darüber auch schon diskutiert worden. Ich bin der Meinung, dass es zur Bekämpfung der Energiekrise eigentlich eines lauten Rufes nach Europa bedarf und dass vor allem die explodierenden Preise und die Sorge um diese ausbleibenden Energielieferungen eine gesamteuropäische Lösung for­dern. Ich habe nur das Gefühl, so ist es mir zum Beispiel im EU-Ausschuss vermittelt worden, dass man dabei den einen Fuß nicht vor den anderen bekommt, dass man zwar sagt, dass alles in Ordnung ist, dass alles geregelt ist und man sich irgendwann treffen wird, auf der anderen Seite wiederum sehe ich, dass sich die Minister und Ministerinnen in Europa die Hände geben und versuchen, das Problem zu lösen.

Was macht die EU, um den Ländern in der Energiekrise zu helfen? – Nach Aufforderung durch den Europäischen Rat, glaube ich, hat die Kommission Ende Mai das Programm Repower EU vorgelegt, und neben diversen Energiesparvorschlägen ging es um die Diversifizierung von Energielieferanten. – Warum, das ist für mich die Frage, kauft die EU am Weltmarkt nicht günstig ein, denn unser größtes Problem ist ja, dass die Preise steigen? Was bei den Coronaimpfstoffen anscheinend noch möglich war, ist bei Gas und Öl nicht möglich, denn jeder Staat versucht in dieser Hinsicht, für sich selbst seine Lö­sungen zu treffen. Das wird wahrscheinlich nicht der richtige Ansatz sein.

Ist es der richtige Weg, wenn der Atomstrom jetzt auch zur grünen Energie erklärt wird? – Er ist es wohl für eine Übergangslösung, aber Gott sei Dank nicht in weiterer Folge. Ich habe es gelesen, habe das auch im EU-Ausschuss festgestellt, dass Othmar Karas, der Erste Vizepräsident des Europäischen Parlaments, den sofortigen Start dieses gemein­schaftlichen Beschaffungswesens fordert, nämlich das, was ich gerade auch anspreche.


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Die Länder sollten im Übrigen die nunmehr erlaubte Reduzierung der Mehrwertsteuer in Anspruch nehmen, aber auch darüber nachdenken, wie sie einen Deckel schaffen – et­was, das ja schon durch viele Ausschüsse beziehungsweise Redebeiträge gegeistert ist.

Seit Montag wird die Ostseepipeline Nord Stream 1 gewartet, und ich habe Bedenken, ob sie wieder aufgedreht wird. Also diesbezüglich habe ich, wenn ich ehrlich bin, Bauch­weh, wahrscheinlich wir alle. Was dann passiert, wenn das nicht passiert, das wissen wir, glaube ich, auch.

Es gibt eine Umfrage, in der 40 000 oder 45 000 Menschen die Frage gestellt wurde: Soll die Regierung die Energiepreise begrenzen? – 91 Prozent haben mit Ja gestimmt und 9 Prozent mit Nein. – No na, werden Sie wahrscheinlich sagen. Ich glaube, dass wir oft nicht wissen, wie nahe das, was jetzt passiert, dem Volk draußen geht. Wir sollten uns das jeden Tag verdeutlichen und versuchen, in diese Richtung zu arbeiten.

Was aber in dieser Situation noch schwierig ist, ist: Wenn jemand wirklich umstellen will, sei es jetzt weg vom Öl hin zu Pellets oder hinsichtlich einer Tiefenbohrung für Wärme­pumpen, was auch immer, dann gibt es dafür keine Handwerker und es gibt auch die Materialien nicht. Wir kommen hinten und vorne nicht zurecht. Selbst bei der Förderung des Bundes, wenn es um Fotovoltaikanlagen auf dem Dach geht, wenn man privat etwas macht, ist es so, dass man beim ersten Call rausfliegt, dann kommt schon der zweite, und fragt, ob es möglich ist. – Also dort staut es sich auch.

Was auch noch interessant ist: Die Bundeswettbewerbsbehörde hat beim Spritpreis drei Monate lang überprüft, ob der Preis jetzt wirklich so, wie er weitergegeben wird, in Ord­nung ist. Man hat festgestellt, dass er um 20 Cent zu hoch ist. Eigentlich müsste die Wirtschaftsministerin, der Wirtschaftsminister in diesen Bereich eingreifen und die Ver­ordnungen ändern, um das weiterzugeben.

Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Rund 1,7 Millionen Menschen in Österreich sind in Zahlungsnot. 1,7 Millionen Menschen können es sich aktuell nicht leisten, wenn jetzt die Stromrechnung oder die Gasrechnung kommt, die verteuert ist, 1 100 Euro zu bezahlen. Sie sind dazu nicht in der Lage.

770 000 Menschen können sich nicht einmal mehr eine Kleinigkeit leisten. Das heißt, durch diese Teuerungswelle und durch diese Teuerung bei der Energie können sie sich nicht einmal mehr eine Kinokarte leisten, um ins Kino zu gehen. 330 000 Menschen ha­ben nicht genug finanzielle Mittel, um ihre Wohnung zu heizen. Das ist katastrophal, und deswegen möchte ich zum Abschluss vielleicht noch einmal versuchen, Ihnen unsere Lösungsansätze zu präsentieren.

Wir wissen alle und wir diskutieren darüber – einige wollen es nicht, wir hoffen, dass es in weiterer Folge bessere Vorschläge gibt –, dass beim Thema Mehrwertsteuer auf Strom, Gas, Sprit sowie auf Lebensmittel etwas zu machen ist, sie befristet zu streichen wäre. Bei entsprechender Preiskontrolle und der gesetzlichen Vorgabe, dass die Verbilligung weitergegeben werden muss, kann so rasch und unbürokratisch gehandelt werden. Si­cher kann man einen Sockel von der Größenordnung her einsetzen.

Zum staatlichen Preisdeckel bei den Energiepreisen sage ich, wenn es der Vizepräsident des EU-Parlaments oder auch die Landeshauptfrau und die Landeshauptmänner – das hat ja auch der Bürgermeister und Landeshauptmann heute gesagt – in verschiedenen Bundesländern feststellen, dass man in diese Richtung hin etwas entwickeln sollte, dann sollte man sich wirklich zu diesem Energiegipfel hinbewegen, um dort etwas zu tun. Ihr braucht gar nicht zu lachen in der ersten Reihe, ihr braucht nicht zu lachen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Wer hat denn gelacht?)

Ihr braucht deshalb gar nicht zu lachen, denn das sind Ansätze, um etwas zu tun, und die Menschen draußen müssen uns etwas wert sein. Für die Menschen müssen wir


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etwas tun. Es darf nicht passieren, dass es so ist, wie es in meiner Jugend war, dass meine Oma oder meine Mutter zu mir gesagt hat: Wir müssen es uns vom Mund abspa­ren, wenn wir dir eine Bekleidung kaufen. Ich sage euch eines: Wenn es so weitergeht – ich hoffe nicht, dass es so ist –, dann werden wir im Herbst genau diese Situation haben. Und das wäre das Schlimmste, was passieren könnte. (Beifall bei der SPÖ.)

19.02


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Prein­eder. Ich erteile ihm dieses.


19.02.25

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Wir alle wissen, dass mit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine das Thema Gasversorgung sehr rasch in den Fokus, in den Mittelpunkt gerückt ist. Was davor tagtäglich selbstverständ­lich war, wurde momentan sehr unsicher und sehr fragil.

Es gab sogar seitens der EU Überlegungen, von dieser Seite ein Gasembargo zu starten und im Rahmen der Sanktionen auf den Einkauf von russischem Erdgas zu verzichten. Diese Diskussion ist eine – Kollege Novak hat es gesagt, wir haben es im EU-Ausschuss gehört –, die auf europäischer Ebene sehr differenziert zu führen ist, weil es von den 27 Mitgliedstaaten welche gibt, die 0 Prozent russisches Erdgas haben, und weil es Länder gibt, die zu 100 Prozent von russischem Erdgas abhängig sind. Österreich gehört zu jenen, die zu 80 Prozent abhängig sind, und so hat auch Bundeskanzler Nehammer relativ schnell klargemacht, dass wir bei so einem Embargo nicht mittun können, weil es uns mehr trifft, als es Putin treffen würde.

Wir müssen auf die Situation, in der wir uns befinden, reagieren, und damit gibt es jetzt eine Notmaßnahme, nämlich dieses Gasdiversifizierungsgesetz. Es ermächtigt die Bun­desministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, beim Einkauf und beim Ersatz von russischem Erdgas flexibel zu agieren. Es ist kein Blankoscheck, sondern es bedarf der Absprache mit dem Bundesminister für Finanzen, aber es ist die Möglichkeit, rasch auf den Markt zu reagieren.

Ich bin auch dafür, dass alle Möglichkeiten, alle Denkansätze, die es gibt, um entspre­chend Abhilfe zu schaffen, um möglichst hohe Sicherheiten der Versorgung aufzubauen, gedacht werden dürfen und man sich vielleicht auch entsprechend in einem Forum damit beschäftigt, was zu tun ist. Es ist auch sicher die Europäische Union bei diesem Problem gefordert, weil Österreich im Gaseinkauf wahrscheinlich eine zu kleine Größe darstellt.

Sehr geehrte Frau Bundesminister, ich möchte aber den Fokus auf einen weiteren Teil legen, der hier Entlastung bringen könnte, das ist der Bereich Biogas, in dem es möglich ist, aus Abfällen, aus Reststoffen Gas zu produzieren. Es ist ein Gas, das im Inland produziert wird, das die Wertschöpfung hier lässt, das ein sehr, sehr hohes Ausbau­potenzial hat, das, wenn es aus Österreich ist, auch eine gewisse Planungssicherheit zulässt. Auch da sollte man an vieles denken, vielleicht auch an eine verpflichtende Ab­nahme für jene, die dieses Gas produzieren. Das war bisher nicht möglich, darum sind wir nicht dort, wo das Potenzial wäre. In die Zukunft gedacht ist es ein wichtiger Ansatz. Wir werden dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.05


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Ber­nard. Ich erteile ihm dieses.


19.06.03

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Ga­lerie und vor den Bildschirmen! Wie unüberlegt diese Bundesregierung Gesetze vorlegt


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und beschließt, verursacht durch Planlosigkeit, ideologische Verblendung und Machtgier in unserem Land Krisen auslöst und durch ihr Handeln massiv verschärft, zeigt sich auch bei diesem Gesetz, beim Gasdiversifizierungsgesetz.

Für alle Zuhörer kurz erklärt: Die Bundesregierung will den Ausstieg aus russischem Erdgas fördern. Sie fordert, dass wir kein russisches Gas mehr nehmen, und gibt Un­ternehmen Geld dafür, dass sie Gas anderswoher beziehen – 400 Millionen Euro. Diese 400 Millionen Euro Steuergeld werden verschleudert, nur weil Sie nicht nachdenken, was Sie durch die Mitgestaltung der EU-Sanktionen auslösen. (Bundesrat Preineder: Der dreht das Gas ab, wenn er will, nicht wenn wir ...!)

Den Beschluss, der vor 14 Tagen, am 29.6., von der Bundesregierung, von den Bun­desräten beschlossen wurde, habe ich damals schon kritisiert. Wie Kollege Martin Prein­eder vorhin gesagt hat, war auch schon ein Vorschlag von mir, dass man diese 400 Mil­lionen Euro besser dafür genutzt hätte, dass man 400 abfallrechtliche Biogasanlagen errichtet, so wie es die eine im Süden Niederösterreichs ist. Wie auch schon von mir persönlich 2005 probiert, das ins Netz einzuspeisen, war das damals nicht möglich, nicht gewünscht. Man hat vonseiten der EVN alles Mögliche probiert, um das nicht zuzu­lassen. Hätten wir seit damals schon ordnungsgemäß gearbeitet, dann hätten wir dieses Problem und diese Abhängigkeit nicht.

Aber dem ist nicht genug, aufgrund der reduzierten Gaslieferungen aus Russland und der damit einhergehenden weiteren Preissteigerung kann es erforderlich sein – so steht es im neuen Änderungsvorschlag –, dass die Aufstockung der Mittel im Wege einer Ver­ordnung dafür sorgt, dass zusätzliche Mittel flexibel, rasch und unaufwendig bereitge­stellt werden können, falls bis längstens Ende 2023 entsprechend Bedarf besteht.

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben richtig gehört: Es gibt die unbegrenzte Ausgabe per Verordnung, zwar gemeinsam von der Frau Minister mit dem Finanzminis­ter, aber das hat nicht unsere Zustimmung. Was Sie da aufführen, ist meiner Meinung nach betriebswirtschaftlicher Wahnsinn, vorsätzliche Schädigung der österreichischen Steuerzahler, und aufgrund dessen sollte der sofortige Ausstieg aus den EU-Sanktionen umgesetzt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich hat aktuell einen Jahresverbrauch von 8,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr, 42 Prozent davon benötigt der produzierende Bereich, das ist die Erzeugung für Prozesswärme und für die Produktion, 30 Prozent Umwandlungseinsatz für Strom und Fernwärme, 21 Prozent davon bekommen die Haushalte und 8 Prozent gehen in Ver­kehr und Dienstleistung auf.

Wie vorhin schon erwähnt, ist es natürlich wichtig und richtig, dass man sich bei den Bezugsquellen breiter aufstellen muss. Zum Beispiel bin ich aber bei meinen Recher­chen im Zusammenhang mit Ihrer Beschaffungspolitik auf ein weiteres Problem gesto­ßen. Derzeit sind auf österreichischem Territorium – einmal sagt man so, einmal so – 40 bis 45 Prozent der Gasspeicher gefüllt. Aufgrund der äußerst angespannten aktuellen Situation ist es für die Versorgungssicherheit im Winter wesentlich und von entscheiden­der Bedeutung, sobald wie möglich hohe Speicherfüllstände in den sich auf österreichi­schem Territorium befindlichen Speichern zu erreichen.

Hierfür werden nicht nur die EVUs, sondern auch Unternehmen ermutigt, auf dem Markt tätig zu werden und möglichst viel Gas einzuspeichern. Allerdings berichten Experten und betroffene Unternehmen in der Praxis von massiven Problemen. Die Vergabe von Speicherplatz passiere höchst undurchsichtig und nach unklaren Kriterien. Wie auch mehreren Medienberichten zu entnehmen war, betrifft dies auch Kunden aus dem Aus­land, wobei noch völlig unklar ist, unter welchen Umständen in einem Energielenkungs­fall auf dieses Gas zugegriffen werden kann. Zusätzlich wird vonseiten mehrerer Bran­cheninsidern berichtet, dass Speicherplatz von verschiedenen Akteuren, etwa Finanz­dienstleistern oder Brokern ohne Absicht aufgekauft wird, diesen jemals zu befüllen,


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sondern ausschließlich mit dem Zweck, diesen dann bei größter Dringlichkeit gewinn­bringend zu verkaufen.

Meines Wissens hat das BMK Zugriff auf entsprechende Daten, die dem Umweltbundes­amt vorliegen, zeigt aber keinerlei Interesse, die Öffentlichkeit oder die Wirtschaft dies­bezüglich zu informieren, die Transparenz bei der Vergabe von Speicherplatz zu erhö­hen und diesbezügliche Spekulationen einzudämmen. Meiner Meinung nach wäre es die Aufgabe der Ministerin, zum Wohle und zur Sicherheit der österreichischen Bevöl­kerung für Transparenz zu sorgen, anstatt mit dem Privatjet durch die Gegend zu fliegen.

Interessant in dem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass bei meiner Anfrage im Aus­schuss vor einigen Wochen von den Experten aus dem BMK lediglich von einem Spei­cher in Haidach gesprochen wurde. Ich glaube, es wäre der Würde des Hauses entspre­chend, wenn wir vom BMK eine transparente Liste von allen Speichern in Österreich erhalten würden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche sind für Energiepolitik mit Hausverstand und zum Wohle der österrei­chischen Bevölkerung und werden auch in diesem Fall der Ministerin und dieser Bun­desregierung keine Blankounterschrift geben, um bis zum 31.12.2023 Geld in unbe­grenzter Höhe ausgeben zu können. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf der Bundesrä­tin Steiner-Wieser.)

19.12


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


19.12.29

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Das Gasdiversifizierungsgesetz definiert – um es noch einmal ganz kurz zu erklären – im Grunde einen Förderrahmen zur Finanzierung erhöhter Transportkosten durch andere Lieferoptionen oder kann auch den Umstieg auf andere Energieträger finanzieren, um die Versorgungssicherheit zu stützen. Das haben wir bereits im letzten Plenum mit einem Volumen von 100 Millionen Euro beschlossen. In Anbetracht der leider immer realistischer werdenden drohenden massiven Lieferunter­brechung seitens Russlands und damit einhergehenden Preisimplikationen am Markt macht es natürlich Sinn, diesen Unterstützungsrahmen zu erweitern.

Das wurde heute traurigerweise bestätigt, indem Putin ja gedroht hat, weiter die Inbe­triebnahme von Nord Stream 1 nach der Revisionsphase von den Sanktionen abhängig zu machen, wie er meint. Ich habe es gestern schon gesagt: Ich halte es leider für ziem­lich wahrscheinlich, dass der Worst Case eintreten wird. Im Winter wäre es ja fast noch logischer, wenn Putin inzwischen genug Geld hat, um ein paar Monate zu übertauchen, und mit Genuss zuschauen wird, wie Europa natürlich in Schwierigkeiten rutschen wird.

Deswegen ist dieser Rahmen jetzt wichtig, weil man im Krisenfall oder eigentlich zur Verhinderung einer Krise genau diese Spielräume und auch die Reaktionsgeschwin­digkeit braucht. Eigentlich sollte man ja hoffen können, dass sich alle darin einig sind, dass alles getan werden muss, um den Import von russischem Gas zu reduzieren – außer den Freiheitlichen, die dagegen sind, die nicht dieser Meinung sind. (Bundesrat Leinfellner: Wir haben es im Winter gern warm!) Ich hoffe, wenn der Krisenfall eintritt – ich hoffe nicht, dass der Krisenfall eintritt –, können Sie das dann den BürgerInnen erklären. Denn was Sie hier sagen, um gegen dieses Gasdiversifizierungsgesetz und damit gegen eine Diversifizierung der Gaslieferländer aufzutreten, ist, meine ich, vorsätz­liche Schädigung, wie Sie das selber nennen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundes­rätInnen der ÖVP.)

Was gelungen ist, war heute den Medien zu entnehmen, ich möchte es aber auch er­wähnen, weil es schon wichtig ist: Der OMV als wichtigste Händlerin am Gasmarkt für


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Österreich ist es gelungen, Pipelineleitungsrechte über 40 Terawattstunden zu sichern. Das ist unfassbar wichtig, weil natürlich gerade diese Transportkapazitäten extrem be­gehrt sind und ein heißer Kampf um Durchleitungsrechte besteht. Das ist immerhin in einer Dimension von 40 Terawattstunden und das ist eine gewaltige Menge. Ich war wirklich überrascht, dass es möglich ist, so etwas abzuschließen. Das ist fast die Hälfte des österreichischen Bedarfs.

Übrigens hat die OMV ihre Speicher in der Dimension von 80 Prozent sehr gut gefüllt. Nicht gefüllt sind sie bekannterweise betreffend Speicherkontingente, die von der Gaz­prom und ihren Töchtern verwaltet werden. Sie werden sich hoffentlich daran erinnern, dass wir genau dafür eh vor Kurzem ein Gesetz beschlossen haben, damit eben genau das, was Sie vorhin skizziert haben, nämlich Speicherkapazitäten nur zu buchen, aber nicht mehr zu befüllen, nicht mehr geht. Das heißt, der Staat kann diese Bewirtschaf­tungsrechte schlicht und einfach entziehen, was natürlich ganz, ganz wichtig ist. (Bun­desrat Reisinger: Haidach ist nicht einmal angeschlossen, oder?) – Haidach ist selbst­verständlich schon angeschlossen, sonst könnten wir es auch nicht befüllen. Es ist aber nicht ans österreichische Netz angeschlossen. Das stimmt, aber da sind wir bei einem wichtigen Punkt: Das ganze Krisenmanagement wird selbstverständlich nur in einer eu­ropäischen Solidarität gehen. Im Übrigen wird Haidach sowohl auf der Verteilnetzebene als auch auf der Netzebene 1, also der Übertragungsnetzebene, angeschlossen.

Eine weitere Ergänzung in diesem Gesetz ist die grundsätzliche Absicherung der Finan­zierung der Nachrüstung des Steinkohlekraftwerks Mellach im Energielenkungsfall, wohlgemerkt, auch wenn es nicht ganz so explizit drinsteht. Es ist aus meiner Sicht nachvollziehbar, dass man solche Kosten übernimmt. Immerhin geht es ja um staatlich angeordnete Lenkungsmaßnahmen im Krisenfall. Kein Unternehmen würde von sich aus solche Investitionen setzen, das ist klar. (Bundesrat Leinfellner: Umweltschonend, damit man E-Autos tanken kann! Da fährt man auf Kohle ab!)

Klimapolitisch ist das no na net lustig, das ist klar, das schmerzt, das wollen wir auch gar nicht verheimlichen. Vertretbar ist das im Rahmen der Aufrechterhaltung der Versor­gungssicherheit. (Bundesrat Steiner: Mama, die Frau mit dem Koks ist da!) – Die FPÖ sollte still sein, wenn es um Klimaschutz geht. (Bundesrat Leinfellner: Da wäre das rus­sische Gas ja viel ...!) Da könnt ihr so etwas von überhaupt nicht mitreden! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Das ist einfach so etwas von unfassbar unglaubwürdig! Ihr kommt bei jeder Plenarsit­zung heraus und sprecht von Klimahysterie und plötzlich macht ihr euch Sorgen um die Emissionen aus dem Kohlekraftwerk, das im Krisenfall in Betrieb gehen könnte. (Bun­desrat Leinfellner: Ja, und ihr beweist es! – Bundesrat Steiner: Mama, die Frau mit dem Koks ist da!)

Rechtfertigbar ist das aufgrund der Versorgungssicherheit. Ich sage es immer wieder, das hängt unauflöslich damit zusammen, dass wir weiterhin planbare Rahmenbedingun­gen entwickeln, damit wir endlich, und zwar so schnell, wie es geht, im Sinne des öko­logischen Überlebens und im Sinne der Unabhängigkeit der so wichtigen Energieversor­gung von Despoten aus Kohle, Öl und Gas aussteigen.

Ich möchte nur noch ein paar Sätze sagen, weil es von ein paar Kollegen angesprochen worden ist: Kollege Novak, ich habe auch gestern ein bisschen etwas dazu gesagt: Gar keine Frage, es zeichnet sich immer mehr ab, dass es Eingriffe braucht. Da sind wir uns vollständig einig. Es braucht auch weitere Maßnahmen. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass Maßnahmen wie massive Markteingriffe wie der Preisdeckel nur auf europäischer Ebene gehen. Das sehe ich auch so, das kann man auf einem so kleinen Markt wie Österreich nicht machen. Und wir brauchen eben genau diese Solidarität in Europa, sie betrifft ja auch die Beschaffungsplattform. Diese funktioniert halt nur, wenn alle mittun. Vergattern kann man sie rein rechtlich eigentlich leider nicht dazu.


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Natürlich kann der Staat etwas tun, das sehe ich auch so, das habe ich auch gestern erwähnt. Was es auf jeden Fall braucht, ist eine soziale Abfederung, eine wirkliche Kom­pensation erhöhter Energiekosten für die Haushalte, die echt ein Problem haben. Das ist ein relevanter Teil, der die Haushalte in einer Dimension von 20 Prozent betrifft. (Bun­desrat Steiner: Mehr!) Ich habe es gestern gesagt: Energiearme Haushalte gaben schon vor der Krise 20 Prozent ihrer gesamten Haushaltsausgaben für Energie aus. Die kom­men wirklich an den Rand des Möglichen, und da muss man natürlich möglichst sozial treffsicher unbedingt abfangen. Das ist gar keine Frage.

Das ist eine Frage der Gerechtigkeit, sie emittieren ja auch weniger. Das ist auch ein wichtiger Aspekt, um den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten.

Ich bin der Meinung – ich sage das auch noch einmal –, das ist zu finanzieren, und selbstverständlich sollen, aus meiner Sicht, müssen die Profiteure – das meine ich jetzt nicht abwertend, das ist ja nicht destruktiv für die Energiewirtschaft, aber de facto – der Krise natürlich etwas beitragen, und zwar massiv. Wenn es irgendwie möglich ist, ist auch ein entsprechendes Gesetz auf die Wege zu bringen. Da geht es um viele, viele Dutzende Hunderte Millionen Euro, wenn jetzt auch die Erträge in der Energiewirtschaft im ganzen Bereich von den Raffinerien bis zu den Landesgesellschaften gestiegen sind.

Ich denke, auch das ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass auch da Mittel entsprechend verwendet werden, um dann dort Kosten abzufangen und zu dämpfen, wo es die Men­schen einfach nicht selber schaffen können. Damit meine ich übrigens auch Betriebe, vor allem kleinere Betriebe, die sonst einfach nicht mehr über die Runden kommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.21


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gewessler. Ich erteile ihr dieses.


19.21.35

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bun­desrates! Vielen Dank für die Diskussion. Sie wissen, wir behandeln heute das Gasdi­versifizierungsgesetz, vor allem auch einen Abänderungsantrag vom 6. Juli. Ich möchte kurz erklären, aber auch ein bisschen die Gesamtsituation schildern, warum das Gesetz plus der Abänderungsantrag notwendig und sinnvoll sind und warum ich deswegen auch hier um Ihre Zustimmung bitte.

Um den heißen Brei herumzureden brauchen wir nicht. Russland ist kein zuverlässiger Lieferant. Gerade heute belegen wieder die Aussagen der Gazprom das, glaube ich, einmal mehr. Russland nützt die Energielieferungen als Mittel dieser Auseinanderset­zung in der Kürzung der Lieferungen, in der Preisdebatte, in der Frage, natürlich auch die Märkte in Europa zu beeinflussen und anzuheizen. (Bundesrat Steiner: Aber durch die Sanktionen wird es besser?!)

Das heißt, wir müssen uns auf den Ernstfall vorbereiten, und der Ernstfall heißt, noch mehr Mengenreduktion oder überhaupt ein völliger Lieferstopp von Erdgas aus Russ­land. Wie macht man diese Vorbereitung? Auch dazu noch einmal drei Routen, die wir verfolgen:

Das eine ist volle Speicher, also speichern, speichern, speichern. Dazu haben wir eine Reihe von Maßnahmen beschlossen – ich komme gleich dazu. Das Zweite ist diver­sifizieren. Da sind wir genau bei diesem Gesetz, dem Gasdiversifizierungsgesetz. Kurz­fristig raus aus Gas, wo immer es geht. (Bundesrat Steiner: Und rein in die Kohle!) Und das Dritte ist natürlich Unabhängigkeit. Unabhängigkeit heißt rein in die Erneuerbaren, rein in die Energie, die wir lokal produzieren können, denn dann sind wir nicht mehr von


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den fossilen Importen abhängig, dann sind wir nicht mehr von Gasimporten aus Russ­land abhängig. Dabei ist heimisches Biogas – da stimme ich Ihnen zu – eine ganz wich­tige Säule. Es wird Sie freuen, zu hören, der Entwurf zum Grüngasgesetz ist aus meinem Ministerium bereits fertig und ist derzeit in der koalitionären Abstimmung.

Damit ich Ihnen auch ganz kurz einen Überblick geben kann, was in den Bereichen für den Aufbau der Speicher passiert: einerseits die strategische Gasreserve. Sie wissen, auch das haben wir hier beschlossen. (Bundesrat Schennach: Das kann dauern!) Erstmals kann der Staat selbst Gas in der Größenordnung von 20 Terawattstunden ein­kaufen. Die erste Ausschreibung ist abgeschlossen, es wird seit 1. Juni eingespeichert. Die zweite Ausschreibung startet diese Woche. Wir haben für die heimische Industrie die Möglichkeit geschaffen, selbst einzuspeichern, die Mengen, die sie selbst einspei­chern, im Falle einer Energielenkung auch zu immunisieren, also bis zu einem gewissen Grad auch vor Energielenkung geschützt zu haben. Die Voest hat bereits kommuniziert, dass sie das in Anspruch nimmt und nutzt.

Wir bereiten gerade eine Verordnung zur Energielenkung vor, um gerade bei den Groß­verbrauchern auch mittels Verordnung festzulegen, dass, wo immer möglich – möglich heißt, technisch machbar und wirtschaftlich darstellbar –, die Anlagen für den bivalenten Betrieb ertüchtigt werden. Was heißt das wieder? – Dass sie im Notfall nicht nur mit Gas laufen, sondern auch mit einem anderen Energieträger, bevorzugt natürlich erneuerbare Energie; wo es nicht möglich ist, jeder andere Energieträger, das wird dann in den al­lermeisten Fällen Erdöl sein.

Um das Problem der Speicher – darauf hat ja auch Adi Gross schon hingewiesen – in den Griff zu bekommen, dass Speicherkapazitäten blockiert, aber nicht genutzt werden, haben auch Sie hier schon eine Regelung beschlossen: Use it or lose it, das heißt, Spei­cher müssen genutzt werden. Das ist eine begrenzte kritische Infrastruktur. Wenn das systematisch nicht passiert, dann gibt es die Möglichkeit, dass die Speicherbefüllung an einen anderen Betreiber abgegeben werden muss. Die E-Control hat das Verfahren für den Speicher Haidach – das ist momentan der Einzige, den es betrifft – bereits eingeleitet.

Wir haben noch eine Versorgungsversicherung mit den Marketmakern beschlossen. Sie sehen die Speicher also als zentralen Sicherheitspuffer. Da ist im ersten Schritt sehr viel Energie reingegangen, denn eine gute Speicherbefüllung sichert uns im Ernstfall nicht nur Zeit, wie lange wir Gas zur Verfügung haben, sondern auch Zeit, wie schnell wir reagieren und eingreifen müssen. Sie ist einfach in jeder Hinsicht ein Puffer, und nichts oder kaum etwas ist so transparent wie der Speicherbefüllungsstand in Europa. Wir ste­hen tagesaktuell bei 48,66 Prozent Speicherfüllung. Das wird auch täglich aktualisiert und über alle Speicher veröffentlicht.

Die zweiten Säule ist die Diversifizierung, und deswegen sind wir auch heute hier. Mit dem Gasdiversifizierungsgesetz haben wir die Möglichkeit geschaffen, Gas aus nicht russischen Quellen, und zwar die Mehrkosten der Beschaffung von Gas aus nicht russi­schen Quellen, gezielt zu fördern. Wichtig ist, das Gas muss in Österreich verwendet oder in Österreich gespeichert werden. Eine große Voraussetzung, damit das gelingen kann – auch darauf hat Adi Gross heute schon Bezug genommen –, ist, dass es jetzt gelungen ist, Durchleitungsrechte, also Transportkapazitäten aus Italien und Deutsch­land, also über die Grenzknotenpunkte zu Italien und Deutschland, im Ausmaß von 40 Te­rawattstunden zu sichern. Zu Ihrer Einordnung: 40 Terawattstunden sind 45 Prozent des Jahresbedarfs. Das ist also wirklich ein riesiger, großer Schritt, der unsere Abhängigkeit von Russland massiv reduziert. Das sind deswegen heute wirklich gute Neuigkeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Warum brauchen wir jetzt die Novelle zu diesem Gesetz? – Wie Sie wissen – auch das war ja schon Thema in den Reden –, hat die Bundesregierung den Verbundkonzern er­sucht, das Kraftwerk Mellach, ein stillgelegtes Kohlekraftwerk, für den Notfall wieder


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betriebstüchtig zu machen. Alle unsere Anstrengungen laufen darauf hin, dass wir im Notfall, wann auch immer er eintritt, so viele Alternativen zu Gas wie nur irgendwie möglich verfügbar haben, und da ist auch ein Kohlekraftwerk eine Alternative. Wünsche ich mir, dass ich das aufdrehen muss? – Nein, natürlich nicht, aber ich werde nicht an dieser Stelle stehen und sagen, ich hätte eine Möglichkeit gehabt, uns einen ordentlichen Patzen Versorgungssicherheit zu sichern, und habe es nicht gemacht. Deswegen stehe ich mit voller Überzeugung hier und sage: Ja, bitte beschließen Sie diese Novelle, denn im Notfall werden wir das brauchen. (Bundesrat Steiner: Ja zur Kohle! – Bundesrat Schreuder: Das ist ja lächerlich!) Ich werde dann sagen können, ich habe alles gemacht, damit es uns gelingt. Deswegen bitte ich um Ihre Unterstützung für die Novelle. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.28


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm dieses.


19.28.39

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Minister! Werte Kolle­gen und Zuschauer hier auf der Galerie und zu Hause! Also von politisch Verantwortli­chen sollte man eigentlich erwarten können – vor allem auch bis hinauf in das Minister­amt –, dass sie politische Entscheidungen anhand von Gegebenheiten und Wahrneh­mungen, vor allem realitätsbezogenen Wahrnehmungen, treffen, dass sie das Ausmaß und die Ausflüsse ihrer Entscheidungen entsprechend vorhersehen und auch zu Ende denken. Da bin ich ganz bei Kollegen Preineder: Das hätte eigentlich vorher passieren müssen. Da bin ich vollkommen bei dir. (Beifall bei der FPÖ.)

Das gehört eigentlich zur Grundausstattung von politisch Verantwortlichen, aber was wir in Österreich mit dieser Bundesregierung haben, ist, dass sie bei diesem Sammelsurium an Ministern nicht mit dieser Grundausstattung gesegnet ist. Daher geht man von der weniger erfolgreichen Methodik aus, und das ist, dass man sich zuerst einmal alles an­schauen muss, dass man dann reagiert und nie agiert und damit dieses Land nie regiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist das Problem, das wir haben, und es hat sich besonders fatal in der nächsten Krise, in die Sie Österreich und die österreichische Bevölkerung geführt haben, ausge­wirkt; das ist die Energiekrise, die wir jetzt haben, weil sich die Menschen aufgrund dieser Teuerung nichts mehr leisten können. Die Energiepreise sind enorm hoch, sie haben sich verdoppelt, verdreifacht bis vervierfacht und die Menschen in unserem Land können sich das nicht mehr leisten. (Vizepräsident Hirczy übernimmt den Vorsitz.)

Warum ist das passiert? – Weil es einen Kanzler Nehammer gegeben hat, eingesetzt von Niederösterreichs Gnaden, der sich mit seinem geschassten Vorgänger Schallen­berg hergestellt hat und in der ersten Reihe mit der EU hergegangen ist und die Sank­tionen gegen Russland eingeführt hat. Außerdem haben wir eine Ministerin, die hergeht und in ihrer ideologischen Borniertheit, gepaart mit der Situation der parteipolitischen Scheuklappenpolitik, Österreich ein energiepolitisches Multiorganversagen beschert, sodass wir gleichzeitig einen Kopfschuss und einen Bauchschuss abgekriegt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Beides in Kombination ist brandgefährlich, das ist eine brandgefährliche Symbiose, unter der Österreich zu leiden hat, und wie wir merken, hat man auch bis jetzt nichts dazu­gelernt. Wenn dann Herr Gross mit weinerlicher Stimme sagt (Zwischenruf des Bundes­rates Gross): Nein, also Putin, dieser schlimme Mann, geht wirklich her und wehrt sich, indem er kein Gas mehr liefern möchte!, muss ich fragen: Ja bitte, was haben Sie sich denn von Herrn Putin erwartet?


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Was erwarten Sie sich, wenn man in der ersten Reihe steht und mit der EU Sanktionen gegen ein Land beschließt, mit dem man verbunden ist, da man von dort Energie be­zieht? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Gross.) Weil es um die EU-Ebene gegangen ist und um die Solidarität: Ich erinnere so wie Kollege Novak auch einmal an die Solidarität, die die andere Staaten während Corona mit uns gehabt haben. Ja bitte, genau wegen dieser EU-Solidarität bei den Sanktionen befinden wir uns in der heutigen Situation. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Richtig!) Das müssten Sie sich auch einmal vor Augen führen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Als neutrales Land!)

Wenn man einem Land droht, das man braucht, von dem man abhängig ist, was erwartet man sich da? Was hat man sich da erwartet? – Ja klar, die lassen uns jetzt energiemäßig im wahrsten Sinne des Wortes verbluten.

Wir erinnern uns daran, als diese Sanktionen begonnen haben: Da hätten wir ja bald unser höchstes Gut, unsere Neutralität, geopfert. Das hat man ja auch schon probiert. Es war die ÖVP-Seite, die da den ersten Schritt gewagt hat, um dann wieder zurückzu­rudern, so wie wir es heute auch schon beim Impfzwang gesehen haben – das sind wir schon gewohnt. Damals hat man einen Nato-Beitritt schon fast in Erwägung gezogen, und Waffenlieferungen in die Ukraine werden jetzt auch noch unterstützt – und das von den pazifistischen Grünen. Also jetzt steht die Welt wirklich nicht mehr lange (Beifall bei der FPÖ), ihr habt ja nicht nur das Hirn, sondern auch eure Ideologie über Bord ge­worfen.

Das ist halt das Problem, wenn das dann alles zusammenkommt, obwohl eigentlich 2 Mi­nuten Hirnanstrengung reichen würden, in denen man das zu Ende denkt, um dann zu sagen: Na ja, dann müssten wir vielleicht einen anderen Weg einschlagen! – Aber das passiert leider nicht, und daher müssen wir uns jetzt folgende Frage stellen – wir, die Österreicher –, wir müssen die Frage umdrehen und uns fragen: Was können wir von einer Ministerin erwarten, die ihre NGO-Ideologie über das Wohl Österreichs stellt? Was ist von einer grünen Fraktion zu erwarten, die immer, immer gegen Atomstrom, gegen Atomenergie poltert und dann mit den Freunden in Brüssel hergeht und Atomenergie auf einmal als grün einstuft? Was können wir uns von einer Ministerin erwarten, die sich für die Wiedereröffnung von Kohlekraftwerken ausspricht, obwohl wir wissen, dass diese nur 1 Prozent des Bedarfs substituieren, während in ganz Österreich die Autofahrer drangsaliert werden? Am liebsten möchte man jedem ein E-Auto verordnen, weiß aber heute noch immer nicht, woher die Energie dafür kommen sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist an Skurrilität nicht zu überbieten, aber das ist symptomatisch für unsere Grünen. Alle ihre Experten und -innen können bis heute nicht sagen, wie viel Gas wir tatsächlich in den Speichern haben. Sie reden jetzt von 45 Prozent, wir hören aber von diesen Ex­perten auch, dass aufgrund der bilateralen Verträge nicht gesagt werden kann, was dann vielleicht nach Slowenien, nach Italien oder auch nach Deutschland geliefert werden muss. Das ist offen.

Das ist eben die Situation, in der wir sind. Da sind Sie leider so weit in Ihr Paralleluni­versum abgedriftet, dass das Einzige, das Sie dann aufbieten können, die Einsparungs­potenziale sind. Wenn Sie den Leuten erklären, dass sie beim Kochen den Deckel auf den Topf geben sollen, dass die Waschmaschine angefüllt werden soll, die Heiztempera­tur gesenkt und die Kühltemperatur um 2 Grad erhöht werden soll, dass die Heizkörper frei von Möbeln stehen sollen, Tempo 100 auf Autobahnen gefahren werden soll – das ist ganz wichtig, weil Autofahrerbashing zu jedem Tipp dazugehört –, und dass anstatt zu baden geduscht werden soll, da muss man sich wirklich fragen, wer eventuell von Ihnen zu heiß geduscht hat. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner sowie Beifall bei der FPÖ.)

Da bekommt der Nehammer-Sager, sich mit Alkohol und Psychopharmaka zu behelfen, mittlerweile durchaus eine gewisse Berechtigung. Er dürfte diese Empfehlung ja vielleicht


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auch von Ihrem Vizekanzler erhalten haben, da dieser auch weiß, dass seine Tage durch Ihre Anwesenheit gezählt sein dürften, wie man so hört.

Durch diese Planlosigkeit und das Totalversagen der Bundesregierung stehen wir jetzt eben vor dem Problem, dass wir unmittelbare Energieengpässe haben. Man muss sich schon einmal vor Augen führen: Am 23. Juni hat die OMV bereits vor einem Dieseleng­pass gewarnt. Sie aber haben am 6. Juli gesagt: Das ist überhaupt kein Problem, wir haben keine Versorgungsknappheit! Die OMV hat wenige Tage später ihre Aussage re­vidiert, und das, obwohl wir wissen, dass zum Beispiel die Leitung nach Kasachstan – von dort bekommen wir ein Drittel unseres Öls – gekappt ist.

Das hat der Kollege richtig erkannt: Wir wissen nicht, ob wir über Nord Stream 1 in Kürze vielleicht 70 Prozent weniger Gas geliefert bekommen. Dazu haben wir eine Teuerung, weil die Strompreise sich verdoppeln und verdreifachen, und dasselbe haben wir bei Gas und Öl. Da muss man sich im Sinne der Bevölkerung fragen: Wie sollen sich denn die Leute in unserem Land das noch leisten können? Wie sollen sich das die Pensio­nisten mit Pensionen in der Höhe von 600, 700 Euro leisten können? Wie sollen sich das die Familien leisten können?

Da braucht es halt Maßnahmen, mit denen man dagegenhalten kann. Und weil Sie halt selbst keine Ideen haben und in letzter Konsequenz dann wieder alles von uns Freiheitlichen übernehmen – ich weiß noch, wie Sie gegen eine Preisdeckelung bei Energiepreisen gewettert haben, aber jetzt auf einmal sind wir schon so weit, dass die Frau Minister selbst über eine Preisdeckelung bei den Strompreisen zumindest nach­denkt –, darf ich ein paar Inputs geben. Ich weiß, Sie werden es wieder zu spät umset­zen, aber das, was uns wirklich helfen würde, wäre ein sofortiges Ende der Knieschuss­sanktionen gegen Russland. Es kann doch nicht sein, und das sage ich auch dazu, dass die Ukraine die ganze Zeit an die Solidarität von Europa appelliert und dann hergeht und an Kanada appelliert, die revisierte Turbine nicht auszuliefern, damit Russland kein Gas mehr nach Europa liefern kann. Also bitte, dem muss man auch einmal einen Riegel vorschieben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir brauchen nicht nur eine Preisdeckelung bei den Strompreisen, nein, wir brauchen sie vor allem einmal bei den Treibstoffpreisen. Da geht es auch um eine rasche Wie­deraufnahme der Verhandlungen mit Russland, damit wir diese Wiederbefüllung sicher­stellen können und damit das Funktionieren der kritischen Infrastruktur, die Mobilität der Einsatzkräfte, der gesamten Blaulichtorganisationen, Lebensmittellogistik, der Landwirt­schaft und natürlich auch die Heizöl- und Gasversorgung der Haushalte gewährleistet ist, denn andernfalls werden wir ein Problem haben, und davor warne ich schon, nämlich dass wir nicht für den Frieden frieren, sondern dass wir wieder einmal wegen dieser Regierung und wegen Ihnen, Frau Minister, frieren.

Das wird vor allem die Stadtbevölkerung treffen, aber auch auf dem Land wird es viele Menschen betreffen. Wien ist da sehr betroffen. Wir werden vielleicht die schlimmste Situation erleben müssen, die wir in der Zweiten Republik jemals erlebt haben, und zwar nur wegen Ihnen. Deswegen ist jede Stunde, die wir zuwarten, eine Stunde zu viel. Wir steuern in Riesenschritten auf einen energie- und wirtschaftspolitischen Abgrund zu.

Ich weiß, Sie (in Richtung ÖVP) interessiert das gerade nicht, da dürfte irgendetwas anderes interessanter sein, aber ich würde sagen, nehmen Sie unsere Forderungen an, denn Sie haben unser Land in diesen zweieinhalb Jahren Ihrer Regierungszeit schon genug zugrunde gerichtet. Jetzt wäre es wirklich einmal an der Zeit, der Bevölkerung zu helfen und sie zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)


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19.40


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Noch einmal zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Vizepräsident Günther Novak. – Bitte, Herr Vizepräsident.


19.40.26

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Die Polemik wird uns jetzt nicht weiterhel­fen. Ich glaube, dass wir einen Schulterschluss brauchen, weil das Problem groß genug ist. Ich habe nur noch eine Frage zum Thema Haidach: Wird diese Umrüstung, die ja auch einiges kosten wird, von Ihnen finanziert? Es geistert durch die Medien, dass das nicht der Fall ist.

Ich wollte noch einmal ganz klar die politische Position der SPÖ darlegen und sagen, was wir wollen. Ich habe vorhin von der EU gesprochen: Wenn es keine Lösung gibt oder bis es eine Lösung der EU gibt, muss national gehandelt werden, und da gibt es zwei Optionen – und das hat unsere Vorsitzende, glaube ich, ganz klar und deutlich fest­gelegt –: Das ist erstens ein Preisdeckel bei der Strompreisbildung oder zweitens ein Preisdeckel bei der Stromrechnung beim Endverbraucher, und dieser kann gestaffelt – nach niedrigen, mittleren und höheren Einkommen – sein. Damit nicht wieder die Ant­wort: Da partizipiert ja jeder davon!, kommt: nein, gestaffelt nach niedrigen, mittleren und höheren Einkommen. Und der Preisdeckel sollte beim durchschnittlichen Stromver­brauch eines Haushaltes eingezogen werden, bei rund 3 500 kW.

Darüber sollten wir, glaube ich, wirklich nachdenken, es ist ja nicht so, dass nur wir Österreicher das wollen, das ist in anderen Ländern ja auch schon gemacht worden: Die Übergewinne der Energiekonzerne in Milliardenhöhe müssen einfach abgeschöpft wer­den, da hilft alles nichts. (Beifall bei der SPÖ.) Das brauchen Sie für Ihr Budget, das brauchen wir in Österreich.

Und drittens, der letzte Punkt, das LNG und die Beteiligung Österreichs an Flüssiggas­terminals: Sie haben ja heute schon gesagt, was bei der OMV passiert ist. Kollege Gross, das kann über die Öbag gehen, dass man sich dort beteiligt, um die Energiesicherheit festzulegen, und das zum Schutz unserer Bevölkerung in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.42


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leo­nore Gewessler. – Bitte, Frau Ministerin.


19.42.38

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Ich möchte nur kurz die Frage beantworten: Wir haben eine gesetzliche Aufforderung beschlossen, alle Speicheranla­gen, die auf österreichischem Gebiet sind, auch ans österreichische Netz anzuschlie­ßen, bevorzugt ans Verteilnetz. Das ist eine gesetzliche Verpflichtung, das heißt, die Erfüllung der Verpflichtung liegt dann in der Hand der technischen Speicherbetreiber, in diesem Fall ist es die RAG. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.43


19.43.04

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

19.43.3918. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend eine 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich,


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Oberösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwasserschutzes im Bereich der österreichischen Donau (1536 d.B. und 1538 d.B. sowie 11054/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend eine Zusatzvereinbarung zur 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwasserschutzes im Bereich der österreichischen Donau (1537 d.B. und 1539 d.B. sowie 11055/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 18 und 19, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 18 und 19 ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Ich bitte um die Berichte.


19.44.30

Berichterstatter Martin Preineder: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend eine 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich, Ober­österreich und Wien über Vorhaben des Hochwasserschutzes im Bereich der österreichi­schen Donau.

Ebenfalls darf ich den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend eine Zusatzvereinbarung zur 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwasserschutzes im Bereich der österreichischen Donau bringen.

Beide Berichte liegen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlagen mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen die beiden vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.45.42

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Nur ein Satz noch zum Vorherigen: Liebe Kolle­gInnen der SPÖ, das müsst ihr mir bitte noch erklären, wieso ihr nicht zugestimmt habt. (Ruf bei der SPÖ: Wir verstehen Sie akustisch nicht! – Bundesrätin Grossmann: Lauter sprechen!) Das habe ich aus dem Redebeitrag heraus nicht verstanden, weil doch die Einsicht da war, dass die Gasdiversifizierung wirklich wichtig ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Nein, habt ihr nicht erklärt.

Zu diesen Punkten: In dieser Vereinbarung geht es darum, wie wir im Bericht kurz gehört haben, die Finanzierung von Hochwasserschutzprojekten an der Donau in den Bundes­ländern Wien, Niederösterreich und Oberösterreich im Zeitraum bis 2030 sicherzu­stellen.

Es gibt eine Zusatzvereinbarung, die erwähnt wurde und die definiert, dass Projekte – es gibt ja bereits eine Vereinbarung, das ist die zweite –, die in der jetzt auslaufenden Vereinbarung nicht mehr realisiert werden konnten, in die neue Periode mitgenommen werden können. Das ist der Inhalt der Zusatzvereinbarung.


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Ziel ist es, den Hochwasserschutz durchgängig auf ein hundertjährliches Hochwasser­ereignis auszurichten, und dafür stehen 222 Millionen Euro zur Verfügung, die Hälfte wird vom Bund getragen. Warum sind diese Maßnahmen erforderlich? – Die Antwort ist im ersten Moment trivial: weil wir es zunehmend mit extremen Hochwasserereignissen zu tun haben. Hundertjährliche Hochwasser gab es in den letzten 20 Jahren bereits zwei an der Donau, nämlich 2002 und 2013. Wir können das an vielen Flüssen beobachten, dass die hundertjährlichen Hochwasser jetzt in kurzen Abständen kommen.

Das heißt, man wird diese ganze Geschichte sowieso umschreiben müssen und man wird den Hochwasserschutz auf 300-jährliche Hochwasser ausrichten müssen und er­weitern müssen. Das ist etwa, um ein sehr großes Beispiel zu nennen, bei uns im Bun­desland beim Hochwasserschutz am Rhein so geplant, da laufen seit vielen Jahren die Vorbereitungen. Das ist ein riesiges Projekt, 600 Millionen, 700 Millionen Euro Volumen für diesen Hochwasserschutz, gleichzeitig übrigens mit der Ausweitung des Flusses. Da wird der Hochwasserschutz auf ein 300-jährliches Hochwasser ausgerichtet. Das wird bei uns jetzt bei den meisten Flüssen gemacht, weil sich zeigt, dass diese Ereignisse so stark zugenommen haben.

Entgegen der landläufigen Kommunikation handelt es sich bei den Hochwasserereignis­sen aber nicht um Naturkatastrophen, sondern um menscheninduzierte Katastrophen­ereignisse, und das ist ein wichtiger Unterschied.

Wir Menschen sind Wettermacher geworden, und das ist Wissenskonsens. Extreme Nie­derschlagsereignisse nehmen aufgrund der Klimaerhitzung sehr stark zu. Die Klimawis­senschaft prognostiziert das schon lange. Messergebnisse zeigen, dass sie recht hat. Die Kritik ist ja eher, dass sie es unterschätzt hat, weil die Wissenschaft die Tendenz hat, vorsichtig zu sein. Es reicht ja ein kurzer Blick in die letzten Wochen, um das zu sehen, etwa auf die Unwetter und Überschwemmungen allein heuer schon, vor zwei Wochen in Kärnten zum Beispiel.

Insofern wäre es ja sehr ratsam, wenn die Kollegen der FPÖ aus Kärnten sich für den Klimaschutz einsetzen würden. Das wäre die mit Abstand wichtigste, effektivste und klügste Maßnahme, solche Ereignisse in Zukunft zu verhindern. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schwindsackl.)

Sie könnten ja – das als Tipp – zum Beispiel mit Ihrem Kollegen Novak von der SPÖ, ebenfalls Opposition, reden, der weit vernünftiger ist, und selbstverständlich dafür ein­tritt, Klimaschutzmaßnahmen zu setzen; er wohnt ja auch in einem sehr sensiblen Ge­biet. Also da gäbe es vernünftigere Beispiele. (Bundesrat Appé: Also das ist echt arm ...!) Ich bin gespannt darauf, was Sie tun wollen, um das künftig zu verhindern.

Da sind wir wieder bei einem Zusammenhang mit der zuvor geführten Debatte, nämlich: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Nutzung fossiler Energieträger und genau diesem Thema, einer 15a-Vereinbarung für Hochwasserschutz. Es ist die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, die den Treibhauseffekt anheizt und zu Extremereignissen führt, und jetzt zeigt sich eben, wie schmerzlich und schwierig und zeitaufwendig es ist, falsche Strukturen umzubauen.

Leider lässt sich die Klimaerhitzung und die damit zunehmende Katastrophe nicht mehr aufhalten (Zwischenruf des Bundesrates Hübner), aber sie lässt sich begrenzen, und das ist in diesem Kontext essenziell, ich habe es jetzt schon gesagt, um noch größere menscheninduzierte Katastrophen zu verhindern und bewältigbar zu gestalten. (Bundes­rat Appé: ... ausrichten, Kollege Gross!) An die Aspekte, die wir nicht mehr verhindern können – das sind leider eh schon viel zu viele –, müssen wir uns anpassen, wir müssen lernen, damit zu leben. Das betrifft eben auch den Hochwasserschutz, und deswegen ist diese Vereinbarung natürlich sinnvoll und leider notwendig, und es ist zu befürchten, dass das nicht die letzte sein wird. (Beifall bei den Grünen.)

19.51



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 174

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.51.55

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seher! Mit diesem Gesetz beschließen wir die Sicherung von Heimen unserer Bürger, vor allem an der Donau. Das ist ein sehr, sehr wichtiges Gesetz, vor allem auch für Niederösterreich. Nach Niederösterreich sollen 100 Millionen Euro fließen, um ebendort Hochwasserschutz an der Donau zu bauen, um beim nächsten Hochwasserereignis den Menschen dort einen besseren Schutz zukommen zu lassen.

Ich möchte die Sache von einer anderen Ebene als mein Vorredner angehen: Wie kommt das Wasser so schnell in die Donau? (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Dagegen können wir viel tun, zum Beispiel so, wie wir das auch in meiner Gemeinde getan haben: Wir haben in den letzten zwei Jahrzehnten bei Kommassierungen Hoch­wasserschutzbecken gebaut, um insgesamt 4 Millionen Euro, und wir haben bereits im vorigen Jahr gesehen, wie gut dieser Hochwasserschutz funktioniert. Meine Ortschaft ist beim Hochwasser vor zehn Jahren noch unter Wasser gestanden; wir haben dort um 1,5 Millionen Euro gebaut, und voriges Jahr hatten wir das gleiche Ereignis: 80 Millimeter in 20 Minuten, und die Hochwasserschutzbecken haben alles aufgenommen. Ich glaube, das müssen wir über das ganze Land ziehen, damit das Wasser weniger schnell in die Flüsse kommt.

Weiters sollten wir mehr in Versickerung investieren. Wir haben hinter der letzten Sied­lung einen Versickerungsteich gebaut, das Regenwasser kommt zuerst einmal dorthin. Da gibt es einen großen Schotterkörper, da kann es ins Grundwasser versickern. Erst wenn es dann noch zu viel ist – was bis jetzt noch nicht zutraf –, geht es über diesen Teich wieder in die Kanalsysteme. Ich denke, es ist nicht intelligent, das Wasser in Rohre über die Donau ins Meer zu leiten. Wir müssen, denke ich, auch um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken, versuchen, so viel Wasser wie möglich in den Regionen zu halten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Heute ist von der SPÖ schon einmal die Landwirtschaftspolitik kritisiert worden, die zu­künftige GAP-Reform. Ich möchte auch da ein Beispiel bringen, wie intelligent darüber nachgedacht wird, Hochwasser zu vermeiden. Zum Beispiel gibt es jetzt im Kartoffelbau eine neue Technik: Kartoffeln werden ja in Reihen und in Dämmen angebaut, und na­türlich ist es dann bei Regenereignissen so, dass das Wasser schnell abfließt und auch ziemlich viel Erde mitnimmt. Jetzt gibt es ein neues System, man macht in den Reihen Querdämme. Das heißt, es entstehen in einem Feld Zigtausende kleine Becken. Ich ha­be das heuer schon bei meinen Kartoffeln gemacht, und das ist total wirkungsvoll. Aus meinen Äckern ist kein Wasser geflossen, während es bei meinen Kollegen doch wieder sehr große Vermurungen gegeben hat und das Wasser eben schnell in die Bäche ge­ronnen ist. So ist auch die neue GAP-Reform sehr intelligent und kann auch mitwirken, Hochwasserschutz zu betreiben. Ich denke, solche Maßnahmen müssen wir im ganzen Land angehen, und dann werden wir vielleicht das eine oder andere Ereignis hintanhal­ten können.

Wir müssen den Menschen aber auch erklären, dass wir nicht für jedes Ereignis Sicher­heit bieten können. Wir haben voriges Jahr in Wieselburg in einer Stunde 200 Millimeter Niederschlag gehabt. Dafür kann man nichts bauen. Da muss man den Menschen auch sagen: Du musst dich auch selbst schützen! Bei einem Regenereignis hat ein Bürger meiner Gemeinde mich angerufen und gesagt: Bei mir in der Einfahrt ist das Wasser reingelaufen, und da müsste man Sandsäcke legen, dann wäre das nicht mehr der Fall! Da habe ich zu ihm gesagt: Da fährst du zum Bauhändler, kaufst du dir Sandschläuche, füllst sie dort gleich mit Sand und richtest sie in deiner Einfahrt her, und wenn es so weit


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ist, legst du diese Sandsäcke vor deine Einfahrt! – Dann war es still am Telefon, und dann hat er gemeint: Wieso ich, wieso nicht die Feuerwehr? – Sage ich: weil es dein Heim ist! Du musst dich auch selbst schützen! – Ich denke, das müssen wir den Bürgern auch sagen: Sie müssen auch Selbstschutz betreiben, und das fängt schon beim Haus­bau an.

Ich möchte mit einem Dank an all die Helfer abschließen, die immer wieder beim Hoch­wasserschutz aktiv sind, vor allem an unsere Feuerwehrmänner. Wir haben bei der Katastrophe in Deutschland gesehen, dass sie menschlich nur so groß geworden ist, weil die Einsatz- und Alarmierpläne nicht gut waren, und die sind bei unserer Feuerwehr gut. Wir haben bei jeder Situation immer noch gesehen, dass unsere freiwilligen Helfer gut organisiert sind und die Probleme gut anpacken und auch schaffen. – Danke sehr herzlich dafür und danke für das Gesetz. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.57


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.


19.57.15

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätz­te Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich habe mich zu diesem Tagesordnungspunkt noch einmal zu Wort gemel­det, denn – Sie werden es wissen – ich bin ja an sich aus einer der Regionen, um die es hier ganz konkret geht, nämlich aus dem Tullnerfeld, und ich habe eine kleine Grafik aus dem Hochwasseratlas Niederösterreich mitgebracht. (Die Rednerin hält die erwähnte Grafik in die Höhe.) Man sieht hier, das ist genau die Region, die in Wahrheit das größte Risiko hat, regelmäßig von dreißigjährlichen oder auch hundertjährlichen Hochwassern heimgesucht zu werden, wenn man so will. Wir haben es heute schon von Kollegen Gross gehört: 2002, 2013, aber auch 2021 haben solche Ereignisse leider stattgefunden.

Erst 2013 beispielsweise gab es einen neuen Pegelhöchststand der Donau mit über 8 Metern, nämlich 8,06 Meter ganz genau. Das klingt im ersten Moment noch nicht wirk­lich herausragend, aber wenn man das Bild, das sich einem dann zeigt, mit den Wasser­massen, die eine grüne, bewaldete Au sozusagen in einen wirklich riesengroßen See verwandeln, sieht, das schaut dann so aus (ein Bild, das eine Überschwemmung zeigt, in die Höhe haltend) – Kollegin Zwazl, Sonja, du wirst mir das bestätigen, du wirst dieses Bild vermutlich leider, leider mehr als gut kennen (Bundesrätin Zwazl: Ja!) –, dann ist das mehr als beängstigend und erschreckend.

Wie gesagt, das sind leider keine Einzelfälle. Dieses Bild zeigt sich vermutlich fast jähr­lich. Ich habe das selber auch immer wieder in meiner Jugend miterlebt, ich bin immerhin fast 15 Jahre lang mit dem Zug von Niederösterreich nach Wien hin und hergependelt. Die ÖBB fahren ja quasi direkt an der Donau entlang. Das waren schon sehr eindrucks­volle Bilder, die sich da wieder eingeprägt haben. (Bundesrätin Zwazl: Ja!) Wie gesagt, einmal im Jahr war das dort mindestens der Fall, dass so ein Starkregenereignis und solche Wassermassen eintreffen.

Man muss dazusagen, da geht es ja nicht alleine um den Sachschaden, der dadurch in Millionenhöhe entsteht, sondern da geht es natürlich auch um Personenschäden. Wir haben es auch jetzt erst kürzlich in Kärnten gesehen, was in solchen Fällen an mensch­lichem Leid passieren kann. Da geht es ganz konkret um Schicksale, da geht es um eine emotionale Achterbahnfahrt, gerade auch in diesem Gebiet. Ganz konkret betrifft es das Strombad Kritzendorf, dort müssen die Menschen ja immer und immer wieder ihre Häu­ser, ihre Grundstücke neu aufbauen, wieder herrichten. Das ist einfach etwas, was emo­tional erst einmal verarbeitet werden muss.


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Daher finde ich diese Initiative besonders wichtig, mit 2,7 Millionen Euro im Tullnerfeld Nord und mit 6,3 Millionen Euro insgesamt für Klosterneuburg und Kritzendorf ein Maß­nahmenpaket zu schnüren. In Zukunft entsprechende Vorkehrungen für Hochwasser­schutzmaßnahmen zu treffen, das finde ich sehr positiv und wichtig. Daher wird es von uns diesbezüglich Zustimmung geben.

Natürlich möchte auch ich noch an all die Einsatzkräfte Danke sagen, die immer wieder, ohne zu zögern, eingreifen und unterstützen, sei es die Feuerwehr, es ist aber immer wieder auch das Bundesheer, das bei solchen großen Ereignissen notwendig ist, wie zum Beispiel 2002. Ohne sie wäre es nicht gegangen. Danken möchte ich aber auch den zahlreichen Freiwilligen, die sich noch darüber hinaus einsetzen und den Betroffe­nen im Notfall unter die Arme greifen, sei es bei der Errichtung und beim Aufbau von mobilen Hochwasserschutzeinrichtungen, aber auch beim Aufräumen danach. Ohne sie würde es nicht gehen. Daher meinerseits ein großes Dankeschön dafür.

Ich möchte noch als dritten und letzten Aspekt die Frage des Klimawandels anhängen. Eines muss uns klar sein, und da müssen wir ganz ehrlich zu uns selbst sein: Eine In­vestition in diese Schutzmaßnahmen und Schutzeinrichtungen zum Schutz vor künftigen Hochwasserereignissen und dergleichen ist wichtig, aber es ist in Wahrheit nur eine Symptomlinderung. Ich glaube, wir dürfen auf gar keinen Fall die eigentliche Ursache aus den Augen verlieren. Wir haben es heute schon vielfach angesprochen: Es braucht dringendst verschiedenste Maßnahmen, die auch sehr schnell gegen den Klimawandel wirken müssen, damit solche Unwetter, Wetterextreme in alle Richtungen, Starkregen, Hagel, Sturmereignisse, was es da nicht alles gibt, eben nicht mehr quasi zu unserem Alltag gehören, wie sie das leider durchaus schon tun. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desrätInnen der Grünen.)

Es braucht weiterführende Überlegungen, und das ist ganz wichtig. Da ist man manch­mal leider aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen übervorsichtig. Ich lasse das da­hingestellt. Die Frage stellt sich auch: Wo darf in Zukunft was gebaut werden? (Bundes­rat Schreuder: Stadtautobahnen!) Wir haben es gestern schon kurz angesprochen: Chaletdörfer und dergleichen, die entstehen. Das sind Fragen der Flächenwidmung, der Raumordnung, der Bodenversiegelung. All das muss gelöst werden, damit in Zukunft all diese Hochwasserschutzeinrichtungen unter Umständen gar nicht gebraucht werden. Das wäre das eigentliche Ziel, an dem wir, glaube ich, gemeinsam arbeiten müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Zwazl.)

20.02


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


20.02.51

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Unter diesen beiden Tagesordnungspunkten wird ein sehr wichtiges und vor allem sehr emotionales Thema behandelt, nämlich der Hochwasser­schutz entlang der Donau.

Kollegin Hahn hat Bilder gezeigt, und wir alle kennen die Hochwasserbilder von den Jahrhunderthochwasserkatastrophen 2002 beziehungsweise 2013. Wir kennen die Bilder von den verzweifelten Menschen, die in kürzester Zeit ihr Hab und Gut verloren haben. Wir kennen die Bilder, wo Gemeinden, Städte in kürzester Zeit im Grunde abge­soffen und wo enorme finanzielle Schäden entstanden sind. Mit der heutigen Verein­barung zwischen den Bundesländern wird dieser Hochwasserschutz bis 2030 in einem Umfang von insgesamt 222 Millionen Euro letztlich finalisiert.


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Als Oberösterreicher darf ich besonders die Situation in Oberösterreich ansprechen. 2002 hinterließ das Hochwasser in unzähligen Gemeinden gewaltige Zerstörungen, und 2013 gab es schreckliche Auswirkungen gerade im Eferdinger Becken, meine Heimatge­meinde Feldkirchen an der Donau war da sehr betroffen. Mit den nun festgelegten Bau­abschnitten werden auch der Linzer Raum sowie wie gesagt das Obere Donautal ge­schützt, und die Kosten werden in Oberösterreich alleine rund 93 Millionen Euro betra­gen. Damit werden die letzten Hochwasserschutzlücken an der Donau geschlossen, und der Lebensraum der Menschen wird so gut wie möglich abgesichert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir vom Hochwasser sprechen, dann dürfen wir auch stolz auf die besondere Solidarität und den enormen Zusammenhalt sein. Kollegin Hahn hat es schon angesprochen: Wir können uns bei den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die immer Großartiges leisten, nur bedanken. Unsere Feuerwehren, Ret­tungsorganisationen und vor allem das Bundesheer sind Garant für entsprechende Hilfe und für die Unterstützung der Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Raggl.)

Neben dem aktiven Hochwasserschutz müssen wir aber auch an die Absiedler denken und nicht vergessen: Sie brauchen jetzt wirklich finanzielle Angebote, damit sie absie­deln, damit sie wieder Gleichwertiges schaffen, wieder ein Eigenheim errichten können, und das mit wenig bürokratischem Aufwand. Ich freue mich, dass wir solche Investitionen in den Hochwasserschutz tätigen, denn es geht nun einmal um den Schutz der Bevölke­rung, und ich darf Sie, Frau Ministerin, ersuchen, dass Sie versuchen, den Menschen mit Ihrer Energiepolitik zu helfen, die Sanktionen überdenken, denn die Inflation steigt um 8 bis 10 Prozent. Sie haben ein Superministerium. Nützen Sie es, sonst haben wir bald einen Super-GAU! (Beifall bei der FPÖ.)

20.06


20.06.07

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend eine 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz zwi­schen dem Bund und den Ländern Niederösterreich, Oberösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwasserschutzes im Bereich der österreichischen Donau.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend eine Zusatzvereinbarung zur 3. Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bun­des-Verfassungsgesetz zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien über Vorhaben des Hochwasserschutzes im Bereich der österreichischen Donau.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.07.3220. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird (22. FSG-Novelle) (1533 d.B. und 1540 d.B. sowie 11002/BR d.B. und 11056/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 178

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. Ich bitte um den Bericht.


20.07.46

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Herr Präsident! Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


20.08.20

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Frau Berichterstatterin.

Es liegen zu diesem Punkt keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.08.5821. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (33. StVO-Novelle) (1535 d.B. und 1541 d.B. sowie 11003/BR d.B. und 11057/BR d.B.)


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Florian Krumböck. Ich bitte um den Bericht.


20.09.16

Berichterstatter Florian Krumböck, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher darf ich zur Antragstellung kom­men.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte, Frau Bun­desrätin.


20.10.01

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Zuhörer und Zuhörerinnen zu Hause vor den Monitoren! – Einer davon ist unser Bundesratskollege Horst Schach­ner, den ich heute hier vertreten darf und dem ich auf diesem Wege alles Gute für eine baldige Genesung wünsche. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Er


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ist unser Verkehrssprecher und hat sich auf diese Rede vorbereitet, kann sie leider nicht halten, deshalb bin ich für ihn heute eingesprungen.

Die 33. StVO-Novelle enthält einige wenige positive Veränderungen für RadfahrerInnen und FußgängerInnen, aber vieles davon ist leider wenig praktikabel und daher zu kriti­sieren. Es entspringt eher einer Koalitionslogik als jeder anderen Logik: Zum Beispiel das Befahren von Radfahranlagen durch landwirtschaftliche Fahrzeuge mit einer Ge­schwindigkeit von bis zu 25 km/h erhöht sicherlich nicht gerade die Verkehrssicherheit. (Zwischenruf des Bundesrates Krumböck.) Ich weiß nicht, was da dahintersteht, viel­leicht dass die Autofahrer, Autofahrerinnen durch diese Fahrzeuge auf der Autostraße nicht belästigt werden, was auch immer, das ist zu hinterfragen. (Bundesrat Krumböck: Wie sollen die das machen?)

Auch der Mindestabstand beim Überholen von Radfahrern/-fahrerinnen von 1,5 Metern im Ortsgebiet und 2 Metern außerhalb des Ortsgebietes mag gut gemeint sein, ist aber doch ziemlich praxisfern. Wenn man sich das vorstellt, ich bin selbst begeisterte Radfah­rerin, man fährt jetzt auf einer schmalen Straße oder, wie es in meiner Region, in den weststeirischen Bergen, halt üblich ist, auf einer schmalen Bergstraße, da ist dann praktisch gar kein Überholen möglich. Das heißt, da wird man dann den ganzen Weg von einem Auto verfolgt – also das ist alles andere als angenehm. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Was macht man dann? – Man bleibt stehen, man fährt auf die Seite, vielleicht in den Straßengraben hinein oder an den Waldrand oder tut irgendetwas, damit das Auto vor­beikommt, weil man nicht ständig ein Auto hinter sich haben will. Also ob das jetzt im Sinne der Radfahrerinnen und Radfahrer ist, das muss erst beantwortet werden. Die Expertin, die wirklich sehr fachkundige Expertin, die uns im Verkehrsausschuss zur Ver­fügung gestanden ist, hat auch gemeint, dass es eigentlich gar nicht festgestellt werden kann, also gar nicht exekutiert werden kann, ob dieser Abstand eingehalten wird oder nicht, das kann erst ex post bei einem Unfallgeschehen festgestellt werden. Das, muss ich sagen, ist wirklich reichlich spät. Da erwarte ich mir schon auch präventive Maßnah­men, die wirksam sind.

Wenn man so ein unpraktikables Gesetz auf Schiene bringt, dann besteht die Gefahr, dass das niemand ernst nimmt, dass sich niemand daran hält. Wir müssen das Be­wusstsein schärfen, denn es ist schlimm, wenn man mit dem Rad unterwegs ist, wenn die Autos vorbeibrausen, es braucht aber praktikable Lösungen, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Was hier jetzt vorgelegt worden ist, das ist halt leider noch nicht praktikabel, wie gesagt, aber gut gemeint. Es gilt aber da noch weiterzuarbeiten, auch mit Präventivmaßnahmen, worum ich Sie auch ersuchen würde, Frau Ministerin.

In der Begutachtung wurde auch angemerkt, dass diese Regelung nicht exekutierbar ist, genauso wenig wie die Regelung, dass keine Fahrzeugteile in Radwege hineinragen dürfen, bis auf ein paar Ausnahmen. Dazu haben gerade die Bundesländer, die wir hier ja im Bundesrat vertreten sollen, ihre Besorgnis geäußert, wie sie mit dieser Regelung umgehen sollen, weil dann unter Umständen mit hohem Kostenaufwand bestehende Verkehrsflächen umgestaltet werden müssen. Deshalb wurde ja auch der Konsultations­mechanismus durch die Bundesländer eingeleitet. Also das wird sicherlich auch noch ein Thema sein, das Sie sehr beschäftigen wird, Frau Ministerin.

Weil wir gerade über die StVO reden, möchte ich ein anderes Thema gerne ansprechen, nämlich die Lkw-Mautflucht, und bei dieser Gelegenheit eine Änderung des § 43 StVO anregen, weil gerade durch den Lkw-Schwerverkehr, durch den mautvermeidenden Lkw-Schwerverkehr extreme Belastungen in vielen Regionen entstehen. Gerade in der Stei­ermark – aber auch in anderen Bundesländern, das wird ja immer wieder auch von vielen Kolleginnen und Kollegen hier thematisiert – gibt es extreme Probleme für die Anraine­rinnen und Anrainer, aber auch für die regionale Wirtschaft; ich brauche da nur die


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Gaberl Straße, die Triebener Tauernstraße, die Ennstal Straße und so weiter zu nennen. Da sind ja auch schon Petitionen und Unterschriftenlisten von Angehörigen aller Frak­tionen, muss ich sagen, gestartet worden, also das ist wirklich ein großes Problem.

Die derzeitige Fassung des § 43 StVO lässt nur in Ausnahmefällen per Verordnung Ver­kehrsbeschränkungen zu, das heißt, da muss das schon mit entsprechenden Gutachten, die natürlich aufwendig sind, die teuer sind, dokumentiert werden, ermittelt werden, ob so eine Verordnung erlassen werden kann. Also hier schwebt das Damoklesschwert der Aufhebung einer solchen Verordnung aufgrund dieser gesetzlichen Regelung über jeder Verordnung, die erlassen wird, die eine Lösung im Sinne der AnrainerInnen herbeiführen möchte. Deshalb muss diese gesetzliche Grundlage dringend verändert werden. Dafür gibt es auch schon sehr viele Anregungen von verschiedensten politischen Seiten.

Wir waren ja vor einiger Zeit, das hat der ehemalige Bundesratspräsident, Kollege Raggl, organisiert, in Tirol, Bundesrat im Bundesland, wir waren auch im Landtag in Innsbruck zu Gast, auch da wurde das angesprochen und auch von der Verkehrs- und Umweltlan­desrätin Felipe thematisiert, dass das eben tatsächlich ein großes Problem ist. Also mit diesem Problem stehen wir nicht alleine da, sondern das zieht sich wirklich durch alle Bundesländer.

Aus diesem Grund stellen wir folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „LKW-Mautflucht beenden und § 43 StVo reformieren!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, umgehend eine Novelle der Straßenverkehrsordnung auszu­arbeiten, mit der die Entlastung von stark belasteten Straßen, Siedlungsgebieten und Naturräumen, durch die Verhängung dauernder oder zeitweiser Verkehrsbeschränkun­gen oder von Verkehrsverboten ermöglicht wird und in weiterer Folge dem Nationalrat sowie dem Bundesrat zum Beschluss vorzulegen.

Dabei sind Möglichkeiten zur Einführung einer Schwerverkehrsabgabe für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen und einer flächendeckenden Maut auf Landes- und Gemeindestraßen unter der Voraussetzung, dass die eingehobenen Mittel direkt in die Erhaltung von Lan­des- und Gemeindestraßen fließen, sowie eine gesetzliche Verankerung der Benüt­zungspflicht des hochrangigen Straßennetzes explizit mitzudenken.“

*****

Ich bitte Sie, das aufzunehmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.19


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Der von den Bundesräten Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „LKW-Maut­flucht beenden und § 43 StVo reformieren!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 181

20.19.30

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Frau Ministerin! Zeitgemäß war die StVO ganz bestimmt nicht mehr, sie ist ein Relikt aus den Sechzigerjahren. Es ist jedenfalls höchste Zeit, dem Aktivver­kehr – das heißt den FußgängerInnen, den RadfahrerInnen – mehr Rechte einzuräu­men. Die Strukturen sind viel zu autolastig und autozentriert, viel zu menschen- und um­weltfeindlich.

Das mag man in den Sechzigern anders gesehen haben, aber heute, denke ich, ist das klar. (Bundesrat Steiner: Na, ist gar nicht klar!) Angesagt ist eine grundlegende Mobi­litätswende, eine ganz grundlegende Verschiebung der Verkehrsanteile, und dabei sind nun einmal – Stichwort Aktivverkehr – die Füße und das Fahrrad – da braucht man ja auch die Füße – ein unverzichtbarer Bestandteil. Ziel ist es ja, bis 2030 den Radanteil in Österreich zumindest zu verdoppeln. Übrigens gibt es dazu eine Vereinbarung und auch ein Bekenntnis der Städte und Gemeinden. Auf dem letzten Städtetag haben alle Ge­meinden und Städte das so verstanden, dass das eine wichtige Sache ist.

Einer der entscheidenden Faktoren in der Verkehrspolitik und in der Verkehrsplanung sind schlicht und einfach die Strukturen und die damit zusammenhängenden Rechte. Es ist im Grunde total einfach, wie Verkehrsplanung funktioniert: Wenn man Straßen baut und die Umweltstrukturen dafür fördert, also zum Beispiel Einkaufszentren draußen, Parkplätze in der Stadt drinnen, dann wird man Autoverkehr ernten. Wenn man Radwe­ge baut, Radabstellanlagen bereitstellt, Ortszentren und Innenstädte stärkt und die Rechte des Radverkehrs verbessert, wird man Radverkehr ernten.

Ich halte das Fahrrad für ein massiv unterschätztes Verkehrsmittel. Es ist weit mehr als ein Freizeitgerät. Schauen wir nur auf die Statistik: Fast die Hälfte der Wegstrecken  mit dem Auto, wohlgemerkt  sind kürzer als 5 Kilometer, ziemlich genau zwei Drittel aller Wege mit dem Auto sind kürzer als 10 Kilometer. Also das ist extrem viel Verkehr, und es sind Distanzen, die sehr gut mit dem Fahrrad machbar sind (Bundesrätin Steiner-Wieser: Fährst einmal bei mir daheim übern Berg!), vor allem mit dem zunehmenden Trend zur E-Mobilität (Bundesrätin Zwazl: E-Bike!), also zum Elektrofahrrad, was dann schon eine ganz, ganz wichtige Unterstützung ist.

Ich weiß sehr gut, wovon ich rede, das können Sie mir glauben. (Bundesrat Steiner: Wie heißt der Planet, wo der Alf ...?) Wenn ich nicht gerade in Wien bin, bin ich Alltagsradler, und sehr bewusst haben wir – damit meine ich meine Familie – vor zwölf Jahren das Auto weggegeben. (Bundesrat Steiner: Melmac? Zwischenruf der Bundesrätin Stei­ner-Wieser.) Im Bereich von 10 Kilometern erledige ich alles mit dem Fahrrad. Da wird einem übrigens auch sehr schnell bewusst, wie gefährlich das ist, täglich nämlich, und wie notwendig es ist, Strukturen zu verbessern, die Sicherheit und die Rechte der Rad­lerInnen zu verbessern.

Ich kann Ihnen sagen, es vergeht kein Tag ohne gefährliche Situation, und das stets unter der Rahmenbedingung, dass die Radfahrer ungeschützt sind. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, bitte nicht vergessen: Die haben kein Blech um sich. Eine unachtsam geöffnete Autotür kann einen Radler das Leben kosten. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Glaubst du das, was du da erzählst? Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Dann fahren Sie einmal und überstehen Sie einmal so eine Situation. Das ist nicht lustig. (Bundesrat Steiner: Wir haben ja von etwas anderem geredet! Du hörst ja die Hälfte nicht!) – Sie stimmen ja nachher dagegen, also so weit hergeholt kann es nicht sein. Ein verstellter Radweg oder Radstreifen zwingt zu einem gefährlichen Manöver. Viele von uns kennen das, und ein richtiger Horror ist so etwas für Kinder. (Unruhe bei der FPÖ.)

Übrigens ist Radfahren auch sozialpolitisch sehr wichtig. Es ist mir ein großes Anliegen, das zu betonen, weil die Individualmobilität mit dem Auto mit Abstand die teuerste Art


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ist, sich fortzubewegen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja freilich, mit dem Elektroauto!): über 40 Cent pro Kilometer. Man kann sich leicht ausrechnen, was das bedeutet, da sind wir schnell über 4 000 Euro pro Jahr. Das ist ein Batzen Geld, das sage übrigens nicht ich, sondern der ÖAMTC. Für viele ist das zu viel Geld. Es zeigt übrigens auch die Sta­tistik, dass ganz viele Menschen mit wenig Geld gar kein Auto haben, somit auf den ÖV und auf gute Strukturen für den Rad- und Fußverkehr angewiesen sind.

Übrigens sind Radstrukturen gegenüber Autostrukturen auch für Kommunen viel güns­tiger. Komplexe Straßennetze aufrechtzuerhalten kostet sehr, sehr viel Geld. Das wissen alle hier herinnen, die in der Kommunalpolitik tätig sind, die BürgermeisterInnen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass übrigens Städte, die fußgänger- und radfahrerfreundlich sind, die viel beliebteren und lebenswerteren Städte als andere sind.

Ich werde ganz kurz ein paar Aspekte aus der Novelle herausheben, auch in Anbetracht dessen, was Kollegin Grossmann gesagt hat. Eines der wichtigsten Dinge, die eingeführt werden, ist der Abstand beim Überholen. Da spielt es keine Rolle, ob jetzt im Moment ein Messgerät da ist oder nicht, sondern es ist eine Vorschrift, Entschuldigung, und die Abstände sind einzuhalten. Wenn es nicht geht, dann muss man halt hinterherfahren  so simpel ist das. (Bundesrat Steiner: ... Alf auf dem Planeten Melmac! Da ist der Adi dann ...!) Die gefährlichste Situation, die ich und viele andere beim Radfahren erleben, ist, wenn ein Auto mit einem Geschwindigkeitsunterschied von 50 und 80 km/h im Ab­stand von einem halben Meter an einem vorbeifährt. Also da muss man ein guter Rad­fahrer sein, um da nicht zu stürzen.

Wichtig: Das Nebeneinanderfahren in Tempo-30-Bereichen mit Kindern darf man jetzt immer – das ist auch ganz wichtig, auch hinsichtlich des Themas Sicherheit. Es gibt Regelungen, die klipp und klar sind, dass Radwege und Gehsteige endlich freizuhalten sind. Da verstehe ich die SPÖ ja aber schon überhaupt nicht. Das ist gerade in Wien ein Thema. Ich bin oft genug in Wien, um zu sehen, dass Gehwege verbaut sind. Mütter mit Kindern – meistens sind es Mütter – müssen auf die Straße, weil parkende Autos den Gehweg blockieren. Das ist ja unfassbar!

RadlerInnen werden gezwungen, einen Bogen zu machen, und Sie sagen  tut mir leid, das hat mich jetzt echt erstaunt, das hätte ich anders eingeschätzt , ja, das würde Parkplätze kosten. (Bundesrätin Grossmann: Das habe ich nicht gesagt!) Also ich meine, das muss man herkriegen, tut mir leid, das sind schon dünne Argumente, seid mir nicht böse.

Es gibt in Zukunft kein Hetzen mehr bei Ampeln. Also wenn zum Beispiel die Ampel auf Rot umschaltet, während ein alter Mensch, der nicht mehr so gut zu Fuß ist, am Zebra­streifen geht – das kennen wir alle –, darf er in Ruhe weitergehen und die Autos müssen entsprechend stehen bleiben. (Bundesrat Steiner: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!)

Ganz wichtig ist übrigens auch ein Durchfahrenkönnen bei T-Kreuzungen, sehr sinnvoll, und sehr erfreulich ist die Regelung bei Schulstraßen und übrigens auch das Thema Schritttempo  es wurde schon angesprochen für Lkws beim Rechtsabbiegen, wenn RadfahrerInnen oder Fußgänger kommen könnten – ganz, ganz wichtig. Dort, wo ich wohne, ein paar Hundert Meter entfernt, ist vor Kurzem schon wieder ein Mensch getötet worden, er ist von einem Lastwagen überfahren worden. Der Lastwagen ist rechts abge­bogen, aber da ist ein Radfahrer gekommen. Das ist nicht das erste Mal dort, es ist wirklich unfassbar traurig, und das ist eine ganz, ganz wichtige Regelung.

Die gegenständliche Novelle der StVO ist noch nicht genug, das sage ich auch. Es ist noch ein Stück des Weges bis zur Gleichberechtigung von RadlerInnen, FußgängerIn­nen im Verkehr, aber es ist eine Richtungsänderung und sie verschiebt die Prioritäten.


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Sie stärkt die Entwicklung hin zu einer nachhaltigen ökologischen und leistbaren Mobi­lität und einer menschengerechteren Mobilität, das ist ganz wichtig.

Wichtig ist jetzt aber auch – auch das sei angemerkt –, dass die Länder und Gemeinden von den Ermessensspielräumen, die jetzt da sind, auch wirklich großzügig Gebrauch machen. Also: Sattelt die Räder! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.28


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Ich bitte, bei den Zwischenrufen den nötigen Respekt gegenüber der Person am Redner­pult zu beachten. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ich habe nur gefragt, ob er das ernst meint!)

Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


20.28.41

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Kollege Gross hat in sei­ner Rede behauptet, ich hätte den Verlust von Parkplätzen beklagt. – Das habe ich nicht.

Ich habe das Wort Parkplätze überhaupt nicht in den Mund genommen. Ich habe vom Kostenaufwand gesprochen, der auf die Länder zukommt, wenn sie jetzt Verkehrsflä­chen umgestalten müssen (Zwischenruf des Bunderates Gross Bundesrat Reisinger: Sie sagt ja nichts! Was ist mit dir?), und dass deshalb der Konsultationsmechanismus ausgelöst wurde und wir als Länderkammer natürlich entsprechend darauf reagieren müssen. (Bundesrat Gross: ... Formalargument! Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Danke schön.

20.29


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.29.21

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Frau Staatssekretär! Liebe Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Es bleibt einem nach dem, was Herr Adi Gross da von sich gegeben hat, eigentlich die Spucke weg. Man sieht, dass er noch keinen Meter irgendwo vielleicht selber mit einem Lkw gefahren und mit dem Lkw rechts abgebogen ist – dazu komme ich nachher –, aber anscheinend auf einem anderen Planeten wohnt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Aber Schritttempo kann man schon machen!)

Das Ziel dieser 33. Novelle, so steht es in der Kurzinformation, lautet „Förderung der sanften Mobilität sowie Steigerung der Verkehrssicherheit speziell für Kinder und Ju­gendliche“. Unter diesem Titel könnte man sich ja noch etwas Positives vorstellen. „Adaptierung der Verhaltensvorschriften im Bereich des Radverkehrs und des Fußgän­gerverkehrs sowie im Bereich Kinder im Straßenverkehr; Schaffung von Verordnungs­ermächtigungen für Behörden zur Erreichung der Ziele“ – damit haben wir generell auch noch kein Problem.

Da eh schon viele Dinge angesprochen worden sind, kürze ich ab. Es geht so weit, dass Polizeifahrräder in den Status eines Einsatzfahrzeuges kommen und in Zukunft auch mit Blaulicht und Folgetonhorn unterwegs sind. Es werden also auch Dinge wie die Möglich­keiten für Fahrzeuge des öffentlichen Sicherheitsdienstes geregelt.

Die Freiheitliche Partei hat im Nationalrat hinsichtlich dieses Tagesordnungspunktes ganz gezielt einen Antrag eingebracht, der uns wichtig war, wofür es auch eine Evaluie­rungsphase gegeben hat. Dabei geht es eben um das Rechtsabbiegen bei Rot. Dass


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die Bundesministerin aber nur ideologisch handelt, sieht man daran, dass diese Mög­lichkeit des Abbiegens bei Rot bei der Ampel jetzt nur für Radfahrer und für andere gilt, aber ja nicht für Autofahrer. Das ist der nächste Anschlag. Die nächste Hasseskapade gegen die Autofahrer wäre das Verbot des Schrägparkens gewesen. Das hätte allein in Wien 115 000 Parkplätze vernichtet. Da hat sich Gott sei Dank die Stadt Wien dagegen aufgebäumt und massiven Widerstand geleistet, und das begrüßen wir Freiheitliche. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Unternehmer, der auch selbst öfters mit dem Lkw und mit dem Pkw unterwegs ist, sehe ich einige der Änderungen aber als sehr gefährlich an. Zum Beispiel beinhaltet die Novelle das Reißverschlusssystem für die Radfahrer. Wenn diese parallel zur Straße mit dem Lkw fahren und der Radweg endet, muss das Reißverschlusssystem eingehalten werden, wenn sich die Radfahrer dann in den Lkw-Verkehr einordnen. Das sehe ich als sehr gefährlich an.

Oder: Der vorhin schon von Frau Kollegin Grossmann erwähnte definierte Sicherheitsab­stand beim Vorbeifahren von 1,5 Metern im Gemeindegebiet und 2 Metern außerhalb des Ortes wird auf breiteren Straßen sicher dazu führen, dass sich Fahrzeuge auf der Mittellinie treffen, oder bei engeren Straßen, dass entweder der Fahrradfahrer dann auf die Seite fährt oder die ganze Schlange hinten nachfährt. Es gibt den Passus: Nur „bei einer gefahrenen Geschwindigkeit des überholenden Kraftfahrzeuges von höchstens 30 km/h kann der Seitenabstand [...] entsprechend reduziert werden“. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass niemand meine Anfrage beantworten konnte, wie das gemessen werden soll. Auch die Expertin im Ausschuss hat zu uns lediglich gesagt, dass es noch kein Gerät dafür gibt, das zu messen, aber sie haben es gut gefunden, weil es diese Regelung in Deutschland gibt, und von dort haben sie es sich abgeschaut. Das war die Aussage der Expertin.

Besonders im Raum Wien, wo derzeit viele Radfahrer, E-Scooter, aber mittlerweile auch schon Lastenfahrräder unterwegs sind, kommt es täglich zu immer mehr gefährlichen Situationen, wenn zum Beispiel in Einbahnen, in denen die Pkw links und rechts entlang der Straße stehen, die Fahrbahnbreite, die im Endeffekt überbleibt, 3 Meter ist und dann ein Lastenfahrrad auf dem eingezeichneten Fahrradstreifen frontal entgegenkommt und dann meint, dass sich der Lkw in Luft auflöst. Das kommt mehrmals am Tag vor, und das sind lauter einschneidende Erlebnisse.

Aufgrund der vielen zusätzlichen Sicherheitsrisiken, die durch diese Straßenverkehrs­ordnungsänderung entstehen, und da maßgebliche vernünftige Änderungen fehlen, werde wir Freiheitliche, die für Verkehrspolitik mit Hausverstand eintreten, nicht zustim­men. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe mich heute vorhin absichtlich nicht gemeldet, um die Redezeit einzuhalten. Ich habe auch bei meinen vorigen Redebeiträgen meine Redezeit reduziert, möchte aber jetzt schon zu zwei Punkten Stellung nehmen.

Das eine ist, dass Personen, die zum Beispiel in Wien wohnen und einen Schweinestall nur aus dem Bilderbuch kennen, anscheinend nicht wissen, welche Arbeit und welcher Aufwand dahintersteckt, ein sogenanntes Strohschwein zu mästen. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Wenn sie die Landwirte generell kritisieren, da es in jeder Branche vielleicht ein paar schwarze Schafe gibt, dann sehe ich es als meine Pflicht, kurz für Aufklärung zu sorgen. (Bundesrat Schreuder: Zur Sache!) Um zum Beispiel 6 000 Schweine pro Jahr zu mästen, benötigt man 4 000 Strohrundballen mit circa 200 Kilo, und für das Ganze brauche ich 500 Hektar - -

20.35.44*****



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Vizepräsident Bernhard Hirczy: Zur Sache, bitte!

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20.35.46

Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Wenn man das zusammenrechnet, kommen dabei im Endeffekt Kosten von Diesel, Arbeitszeit und so weiter von 238 000 Euro zu­sammen, sprich, mit dem Beschluss, der heute gefasst wurde, kommt die nächste Preis­steigerungswelle in einer Höhe von 35 Prozent.

Zum Thema, das Frau Grossmann vorhin angesprochen hat: Sie haben gesagt, Sie ken­nen Bergstraßen. (Bundesrat Schennach: Soboth!) Wenn man am Land lebt, kann ich mir nicht vorstellen, wie Sie im Gesetz darauf kommen, dass es gefährlich wäre, wenn Traktoren zu landwirtschaftlichen Flächen kommen. Da jetzt am Land mittlerweile die Radwege teilweise schon breiter als die Straßen sind, müssen die Traktoren über die Radfahrstreifen drüberfahren können, denn sonst können sie gar nicht mehr zu den Ackerflächen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Kollegin Kittl, die jetzt nicht im Saal ist: Sie haben gestern so eine komische Aussage gemacht. Stellen Sie sich einmal vor, wenn in Wien jedes Auto ein Elektroauto ist! Stellen Sie sich einmal die ganzen Verlängerungskabel vor, die aus den Wohnungen raushän­gen, damit sie zu jedem Parkplatz kommen. (Bundesrat Schennach: Aber wir haben ja Ladestationen!) Dann dastessen Sie sich nachher mit Ihren Fahrrädern über die Verlän­gerungskabel. – Nur so viel zu dem Thema. Auf Deutsch gesagt: keine Ahnung von Tu­ten und Blasen, aber großartig drüber sprechen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.37


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Ich begrüße die Staatssekretärin für Kunst und Kultur Mag. Andrea Mayer sehr herzlich im Hohen Haus. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte. (Bundesrat Schennach: Bist du jetzt schon beim Verkehr unterwegs? – Bundesrat Gfrerer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Verkehrt? – Bundesrat Schreuder: Redest du jetzt auch über Schweineställe?)


20.38.02

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Liebe Frau Bundesmi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Jetzt fange ich meine Rede ganz anders an, als ich eigentlich vorgehabt hätte, (Bundesrätin Zwazl: Das ist gut!) ich rede zu diesem Thema Radfahren und Straßenverkehr. Ich fahre circa 35 000 Kilometer mit dem Auto, ich bin aber noch nie mit dem Auto nach Wien gefahren, sondern immer mit dem Zug. (Bundesrat Schennach: Sehr gut!) Ich kenne den ländli­chen Raum und die Probleme mit Radfahrern und Landwirtschaft in Verbindung mit Freizeit sehr gut und ich kenne auch die Städte und wie hier der Verkehr läuft doch einigermaßen gut.

Ich möchte sagen, diese Stammfassung der Straßenverkehrsordnung wurde 1960 be­schlossen und ist einfach gut sechs Jahrzehnte alt. Das bedeutet in einer Rückschau in den letzten 60 Jahren eine rasend schnelle und intensive Entwicklung in der Mobilität und im Verkehr. Damit verbunden ist natürlich auch ein großer wirtschaftlicher Auf­schwung, ob im urbanen Bereich, aber speziell auch in der ländlichen Region. Eine positive Entwicklung hat stattgefunden, und im ganzen Land wurde die Infrastruktur ge­schaffen, um eben mobil zu sein – Straßenbau, Wegebau und so weiter.

Aus vielen Erzählungen und auch aufgrund alter Fotos weiß ich, dass zum Beispiel bei uns im Großarltal in den Fünfzigerjahren das erste Auto gefahren ist. Wenn ich an meine Familie denke, erinnere ich mich: Meine Eltern haben im Jahr 1964 das erste Auto


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gekauft. Wir sind eine große Familie, und was das für eine Aufregung gewesen ist, daran kann ich mich heute noch erinnern. Ich war sechs Jahre alt. Mit dem Auto mitzufahren, endlich einmal ein Auto anzugreifen, auf dem Schoß von Papa zu sitzen und das Lenk­rad in der Hand zu halten, war wirklich eine Riesenfreude und ein Riesenfortschritt im ländlichen Raum.

Heute beschließen wir zum 33. Mal eine StVO-Novelle, und ich denke, es gibt sehr we­nige Gesetze, die so oft abgeändert werden mussten. (Bundesrat Steiner: COVID-19-Maßnahmengesetz!) Das ist natürlich auch einer großen Entwicklung geschuldet, und ich bin mir ganz sicher – es ist schon angesprochen worden –, es wird sicherlich nicht die letzte Novelle sein. Ja, die Fortbewegungsmöglichkeiten haben sich massiv verän­dert, und dieser Situation müssen wir uns stellen, egal ob es uns passt oder nicht, denn die Kombination von Radfahrern und Autofahrern entwickelt sich. Ich muss auch dazu­sagen – das habe ich vorab vergessen –: Ich bin auch Radfahrer und fahre auch zwi­schen 2 500 und 3 000 Kilometer mit dem Rad, mit dem E-Bike. (Beifall bei Bundesrä­tInnen der SPÖ.)

Die neue Straßenverkehrsordnung bindet die Fußgänger und Radfahrer wesentlich stär­ker mit ein. Das ist eben eine Entwicklung, der wir uns stellen müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Das ist jene stark wachsende Gruppe von Verkehrsteilneh­merInnen, die bisher zu wenig berücksichtigt worden ist. Ich muss aber dazusagen und beobachten, die Radfahrer kümmern sich oftmals sehr wenig um Verkehrszeichen und um Vorschriften gemäß der StVO. Die nehmen sich doch ab und zu heraus, alles tun zu dürfen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Das stimmt! Ja!)

Man kann beobachten: Wo es ein gutes Radwegenetz gibt, ist der Trend zum Radeln extrem stark im Steigen. Deshalb muss es auch für Gruppen, aber speziell, wenn auch Kinder mitradeln – und das tun sie sehr gerne –, sicherer werden. Frau Kollegin Gross­mann hat die Güterwege oder die schmalen Wege angeschnitten, und da haben wir wirklich ein großes Problem bei den Güterwegen, die 2,8 Meter Breite mit Asphaltdecke haben. Wenn die Bauern dann ihre Heuernte einbringen wollen und auf den Güterwegen und auf den Forstwegen eigentlich pro Tag 100, 150, 200 Radfahrer fahren, dann, Adi, ist es nicht so einfach, einfach nur hinterherzufahren. Genau hier ist der Punkt, dass die Radfahrer nicht ausweichen. Sie nehmen nicht einmal eine Ausweiche, wenn sie vorhan­den ist, und fahren vorbei. Da gibt es wirklich Probleme. Dies ist in dieser Straßenver­kehrsordnungsnovelle nicht enthalten, aber ich habe auch gesagt, es werden weitere folgen müssen. (Bundesrat Leinfellner: Ja, spätestens, wenn die weg sind! – Bundesrat Schennach: Ist das jetzt ein Koalitionsproblem?) – Bitte? (Bundesrat Schennach: Gibt es jetzt ein Koalitionsproblem?) – Nein, haben wir keines. (Allgemeine Heiterkeit. – Bun­desrat Schreuder: Aber lieb, dass du dir Sorgen machst!)

Eine klare Regelung und einen weiteren wesentlichen Punkt für mehr Sicherheit bringt auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Beim Anhalten von Bussen, wenn die Türen offen sind, wird das Vorbeifahren verboten, und wenn die Türen geschlossen sind, ist Vorbeifahren erlaubt.

Sehr positiv finde ich auch Verbesserungen für FußgeherInnen, für Familien mit Kin­derwagen oder Menschen mit Behinderung – auch das hat Adi Gross angesprochen –, und zwar dass der Gehsteig grundsätzlich für jene da ist und sie einen entsprechenden Platz haben müssen.

Ein wesentlicher Punkt dieser Novelle ist ein sicherer Schulweg. Die Gemeinden haben die Möglichkeit, Schulstraßen zu beschließen. Was heißt das? Was hat das für Auswir­kungen? Wir kennen ja die Situation vor Schulen, speziell morgens, wenn alle zugleich in die Schule drängen. Wir wissen auch, wie viele Eltern aus Bequemlichkeit oder was auch immer ihre Sprösslinge, auch wenn es nur 100 Meter oder 300 Meter sind, mit dem


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Auto zur Schule bringen. (Bundesrat Schennach: Da müssen wir Gleitzeit machen!) Dabei könnte man auch etwas umdenken. Ich glaube, das gibt den Gemeinden gewisse Chancen, den Kraftfahrverkehr im Schulbereich zeitweise, stundenweise einzuschrän­ken, natürlich mit Ausnahme der RadfahrerInnen, dem Schülerverkehr und von Einsatz­fahrzeugen. Man muss selbstverständlich auch den AnrainerInnen die Möglichkeit ge­ben, zu- und abzufahren.

Geschätzte Damen und Herren, Mobilität ist ein ganz wesentlicher Teil unseres Lebens. War die StVO früher hauptsächlich auf motorisierte Kraftfahrzeuge abgestimmt, sind, wie schon erwähnt, die Ansprüche heute ganz andere.

Ich denke, mit dieser Novelle schaffen wir mehr Klarheit und Sicherheit, und vor allem wird die Straßenverkehrsordnung dem Trend der Zeit etwas angepasst. Ich weiß aber heute schon, es müssen weitere Novellen folgen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

20.46


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Bundesminister.


20.46.14

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundes­rates! Werte Zuseherinnen und Zuseher, falls uns noch Menschen zuschauen! (Bun­desrat Schennach: Unbedingt!) Ich würde mich darüber freuen, denn das, was wir hier beschließen, ist tatsächlich, dass wir die Straßenverkehrsordnung in weiten Teilen aus den 1960er-Jahren ins 21. Jahrhundert holen, ganz egal, ob man Auto fährt, ob man zu Fuß geht.

Ich bitte, sich daran zu erinnern: Jeder und jede auch hier im Saal geht jeden Tag zu Fuß – jeden Tag! Ein Viertel der Menschen in unserem Land fährt täglich oder mehrmals in der Woche mit dem Rad. Wir holen damit die Regeln für die Rücksichtnahme, für das Miteinander im Verkehr in das 21. Jahrhundert. Ich denke, das ist höchst an der Zeit, und deswegen freue ich mich, dass wir heute alle, wenn auch zu später Stunde, diese Novelle diskutieren. Ich darf ganz am Anfang von dem, was ich sagen möchte, um Ihre Zustimmung bitten. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Warum ist das so wichtig? – In den Sechzigerjahren hatte Verkehr aus der Stimmung der Zeit ganz klar eine andere Bedeutung. Herr Bundesrat Gfrerer hat gerade beschrie­ben, was es damals bedeutet hat, das erste Auto in der Familie zu haben. Es ging 1960 aus guten Gründen um nichts anderes als um die Massenmotorisierung im Verkehr. Aus guten Gründen reden wir aber 60 Jahre später einfach über etwas anderes, nämlich über eine klimafreundliche Mobilität, über Mobilität, die eben das Miteinander, die Rücksicht­nahme in den Vordergrund stellt. Deswegen ist das zentrale Ziel dieser Novelle und der rote Faden, der sich hier durchzieht, dass eben anders als in den Sechzigerjahren nicht mehr die Fußgeherinnen und Fußgänger, die Radfahrerinnen und Radfahrer automa­tisch hinter dem Auto zurückstecken müssen, sondern wir setzen auf eine Verkehrskultur der gegenseitigen Rücksichtnahme und des Miteinanders.

Ich freue mich, dass das auch alle Bundesländer und die Städte und Gemeinden unter­stützen, denn die haben nämlich einen Entschluss gefasst, den Radverkehrsanteil zu verdoppeln. Damit uns das gelingt – da hat Herr Bundesrat Gross völlig recht –, brau­chen wir eine gescheite Infrastruktur, Radwege, deswegen fördern wir das. Deswegen brauchen wir aber auch die gescheiten Regeln dazu, damit uns das gelingen kann, denn sonst werden wir es nämlich nicht schaffen. Und genau diese gescheiten Regeln be­schließen Sie heute. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)


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Selbstverständlich geht es darum – da komme ich auf die Rede von Bundesrätin Gross­mann zurück –, Regeln zu definieren, die dann auch in der Praxis gelebt werden können. Sonst – da sind wir uns einig – haben wir wenig davon. Deswegen zwei Beispiele: Bei den Fußgeherinnen und Fußgehern ist eine der zentralen Änderungen, dass Ampel­schaltungen an die Bedürfnisse der Fußgeherinnen und Fußgeher, der schwächsten VerkehrsteilnehmerInnen angepasst werden können. Es liegt aber im Ermessen der lokalen Behörden. Es ist und bleibt eine lokale Entscheidung, ob und inwiefern dann eine konkrete Ampelschaltung geändert wird. Wir ändern nur das prinzipielle Denken im Zugang zu den Ampelschaltungen. Das ermöglichen Sie mit der Novelle.

Jetzt auch zum Überholabstand beim Radfahren: Es ist ganz dasselbe, das ist eine pra­xistaugliche Regel. Wenn Sie mit dem Rad auf einer Landstraße unterwegs sind und es überholt Sie jemand mit sehr geringem Abstand mit 100 km/h, ist das eine Frage der Sicherheit, und zwar in einem Ausmaß – auch da hat Herr Bundesrat Gross recht –, das auch lebensgefährlich sein kann. Und wenn wir jetzt mit dieser Novelle definieren, es gibt einen Mindestabstand, wenn man mit hohen Geschwindigkeiten überholt, dann ist es eine Frage der Verkehrssicherheit und eine Frage des Hausverstands, dass man das macht.

Wenn man auf einer engen Straße in der Südsteiermark oder in der Weststeiermark bergauf unterwegs ist, wird man aber natürlich nicht mit 100 km/h unterwegs sein. Ja, natürlich soll es möglich sein, dann auch einen Radfahrer oder eine Radfahrerin zu überholen, aber eben indem man langsamer fährt. Wenn man also mit geringerer Ge­schwindigkeit als 30 km/h überholt, darf man dann auch dort überholen, nur eben mit einem ausreichenden Abstand. Genau das ist die praxistaugliche Regel.

Genauso darf man in Wien, in der Stadt, in einer engen Gasse, wenn man mit Schritt­geschwindigkeit unterwegs ist, eine Radfahrerin oder einen Radfahrer auch mit gerin­gerem Abstand überholen, mit einem ausreichenden Abstand, sodass man sie oder ihn am Rad nicht gefährdet – völlig klar. (Bundesrat Preineder: Aber es muss der Radlfahrer auch ganz rechts fahren!)

Keine Sorge, mit dieser Novelle haben Sie keine kilometerlangen Autokolonnen hinter einer Radfahrerin oder einem Radfahrer, nur eine Möglichkeit, mehr Sicherheit für alle im Verkehr zu schaffen. Ich hoffe, vielleicht gibt das auch noch den Schub, dass auch die SPÖ-Fraktion sich zu einer Zustimmung zu dieser Novelle durchringen kann. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich möchte trotzdem, weil es wichtig ist, noch einmal die zentralen Änderungen beim Zufußgehen hervorheben. Wir haben beim Zufußgehen mit der Novelle einerseits wirk­lich mehr Raum für die Fußgeherinnen und Fußgänger. Wir haben erstmals so etwas wie Vorrang auf den Gehwegen, wenn Fahrzeuge diese queren. Die Gehwege sind von Hindernissen freizuhalten. Denken wir an den Kinderwagen, er ist schon zitiert worden, denken wir aber auch an alte Personen mit Rollator, die unterwegs sind! Es ist nur mit Fug und Recht, dass der Raum, der immer für die Menschen am Gehsteig gedacht war, auch für die Menschen am Gehsteig zur Verfügung steht. Nichts anderes ist die Intention dieser Novelle. (Beifall bei den Grünen.)

Eine zweite Änderung beim Thema Zufußgehen ist noch die Schulstraße. Das wird ein eigenes Instrument in der StVO. Ich weiß, ganz viele von Ihnen sind in Gemeinden unterwegs, sind in Gemeinden aktiv, sind vielleicht auch Bürgermeisterin oder Bürger­meister. Wir geben Ihnen damit ein Instrument in die Hand, keine Verpflichtung, ein Instrument, das Sie in Ihrer Gemeinde anwenden können, um gerade den Umkreis von Schulen für die jüngsten, die vulnerabelsten VerkehrsteilnehmerInnen, die Kinder, siche­rer und angenehmer zu machen.


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Zum Thema Radfahren: Radfahren wird ein wesentlicher Bestandteil unserer Mobilität sein. Auch ich habe seit Kurzem ein Dienstfahrrad, ein E-Fahrrad. Ich kann es allen nur empfehlen, das auszuprobieren, es erweitert erheblich den Radius beim Radlfahren, auch und gerade am Land. Ich komme vom Land. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir auch beim Thema Radfahren Verbesserungen in der StVO umsetzen. Radfahren zu zweit und in der Gruppe, gerade mit Kindern, wird einfacher, wird sicherer. Viele von Ihnen hier im Haus haben Kinder. Wenn man mit den Kindern mit dem Rad unterwegs ist und jetzt legal neben ihnen fahren darf, um sie vor dem Straßenverkehr zu schützen, atmen ganz viele Eltern auf, dass sie das jetzt legal tun können, ohne gestraft zu werden. Das ermöglichen wir mit dieser Novelle. (Beifall bei den Grünen.)

Den Überholabstand habe ich schon erwähnt, ich werde jetzt nichts mehr dazu sagen. Das Rechtsabbiegen bei Rot, Sie wissen, ist keine Standardregel, sondern braucht eine Kreuzung, die das auch erlaubt. Da wird es auch von der Forschungsgesellschaft Stra­ße-Schiene-Verkehr Einsatzkriterien dafür geben, wo das möglich sein wird.

Es freut mich ganz besonders, dass Linz bereits angekündigt hat, diese Regel einzu­setzen. Warum ist es besonders schön, dass Linz das macht? – Linz war die Stadt, die beim Rechtsabbiegen bei Rot für den Autoverkehr zuerst Bedarf angemeldet hat, diesen Bedarf dann aber schnell wieder ad acta gelegt hat. Das Rechtsabbiegen bei Rot ist mangels Anwendung ad acta gelegt worden, es war leider weder erfolgreich, noch hat es einen Bedarf gegeben. Die Stadt Linz hat gebeten, dass man das Pilotprojekt Rechts­abbiegen bei Rot beim Autofahren abstellt. Das haben wir gemacht. Dafür ist Linz jetzt auch die Stadt, die als Erste sagt, Rechtsabbiegen bei Rot für die Radfahrer macht Sinn. Das werden wir machen. Das wird den Radverkehranteil erhöhen, und das ermöglichen wir mit dieser Novelle.

Zum Schluss darf ich Sie einfach um Zustimmung bitten. Ich glaube, das ist eine sehr praxistaugliche, alltagsnahe Novelle fürs Radfahren und fürs Zufußgehen. (Bundesrat Leinfellner: Und realitätsbezogene noch dazu!) Ich würde mir auch wünschen – auch das sei an dieser Stelle erwähnt –, wenn wir über Rücksichtnahme beim Radfahren und beim Zufußgehen und beim Autofahren, also über ein rücksichtsvolles Miteinander im Verkehr diskutieren, dass wir Rücksichtnahme und Respekt voreinander auch zustande kriegen, wenn wir die Debatte über die Regeln führen. Dann wird es uns auch auf der Straße gelingen, ganz egal, ob wir zu Fuß unterwegs sind, mit dem Rad oder mit dem Auto.

Mit dieser Novelle setzen wir zumindest einmal in der Realität einen Schritt. Ich hoffe, wir folgen dem auch in der Debatte, und ich darf Sie auf jeden Fall um Ihre Zustimmung bitten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

20.55


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Frau Bundesminister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


20.55.47

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherInnen! Es tut mir leid, dass ich mich jetzt noch einmal gemeldet habe, aber es ist so viel übers Radfahren gesagt worden und es bewegt mich sehr.

Ich möchte einfach einmal die Frage in den Raum stellen: Waren Sie schon mal mit dem Fahrrad am Attersee? Und das nicht am autofreien Raderlebnistag, sondern alltags? Vielleicht haben Sie sogar die Möglichkeit genutzt, mit dem Kammerer Hansl, das ist ein Zug, der jetzt auch am Wochenende fährt, zu fahren. Da kann man das Fahrrad reinpa­cken, kann mit der Familie zum See fahren, bei bestem Wetter, es ist ein wunderbarer See. Aber wie geht es dann weiter? (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 190

Bis jetzt ist es für Familien und Kinder nur unter Gefahr möglich gewesen, an die raren öffentlichen Badeplätze zu kommen. Es gibt nämlich kaum einen sicheren Radweg am Attersee, und dann muss man notgedrungen auf der Straße fahren. Dann gibt es die oft zweiseitig geparkten Autos, die teilweise in den Radweg ragen. Abstand beim Vorbei­fahren wird kaum eingehalten, es wird nämlich in der Geschwindigkeit, die teilweise er­laubt ist, sogar mit 70 oder 100 km/h an den RadfahrerInnen vorbeigefahren. Die Folge davon ist, dass ganz, ganz viele Menschen aufs Radfahren verzichten.

Wir in den Gemeinden haben uns Gedanken drüber gemacht. Es gibt mittlerweile an den öffentlichen Badeplätzen sogenannte Liegeboxen, wo man auch sein Zubehör abstellen kann, es gibt Radfahrständer und so weiter. Das alles macht keinen Sinn, wenn die Ge­fahr zu groß ist, mit dem Fahrrad zum Attersee zu kommen.

Die Folge davon – das ist nämlich jetzt auch sehr interessant – sind überfüllte Parkplätze und kilometerlange Staus. Mit der Novellierung der StVO machen wir jetzt das Radfahren in ganz vielen Bereichen sicherer. Das ist wichtig und gut und richtig.

Frau Grossmann hat gesagt, wir brauchen präventive Maßnahmen, wir müssen etwas machen. (Unruhe bei der FPÖ.) Dazu ist jetzt mein Appell an alle, die hier sitzen, an viele Bürgermeister und auch Verantwortungsträger in den Kommunen: Wir brauchen alter­native Radwege, Radwege abseits der Hauptrouten, wo man, wie am Attersee, keine Radwege mehr schaffen kann, nämlich ein bisserl im Hinterland. Dafür gibt es super Förderungen, wir müssen es nur aufgreifen.

Das ist heute mein Appell, weshalb ich jetzt auch noch einmal rausgekommen bin, es war jetzt eh ganz kurz: Machen wir das! Steigern wir den Radverkehr, denn schluss­endlich schützen wir unser Klima, wir sparen uns Geld und wir fördern die Gesundheit. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

20.58


Vizepräsident Bernhard Hirczy: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Lein­fellner. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Schennach: Warum, Markus? Warum?)


20.58.59

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Ich wollte wirklich nichts mehr zu diesem Thema sagen. (Bundes­rätin Zwazl: Dann lass es! – Bundesrat Schreuder: Dann setz dich wieder hin!) Als Sie zu Beginn gesagt haben, der Verkehr hat sich seit den Sechzigerjahren verändert, habe ich mir gedacht: Boah, das könnte jetzt in eine richtige Richtung gehen. Aber leider Got­tes ist das in eine völlig falsche Richtung gegangen.

Eine richtige Richtung wäre es gewesen, wenn Sie nach dieser Einsicht gesagt hätten: Ja, wir brauchen den Ausbau dieser A 9, wir brauchen den Ausbau dieser S 36. (Beifall bei der FPÖ.) Aber Sie sagen, wir müssen jetzt mehr für die Fußgänger und Radfahrer tun, obwohl Sie ja selbst die Einsicht gehabt haben, dass weniger Leute zu Fuß gehen und mehr mit dem Auto fahren. Das kann ich nicht verstehen!

Sie wollen jetzt die Ampeln an die Bedürfnisse der Fußgänger anpassen. Da bin ich gespannt, wie das in Wien funktioniert. Wenn man in der Früh nach Wien hereinfährt, steht man nicht bis zur SCS, in Wahrheit steht man schon bis Wiener Neustadt hinaus. Dann ist die Frage: Stehen wir bis ins Burgenland oder gleich bis in die Steiermark im Stau? – Das ist grüne Verkehrspolitik. (Präsidentin Schumann übernimmt den Vorsitz.)

Auch die 2 Meter Abstand beim Überholen von Radfahrern: Da kann ich jetzt nur aus der Steiermark sprechen – ich fahre sehr, sehr gerne und sehr viel mit dem Rad. Wir haben da zum Beispiel eine Straße, die von Krottendorf hinunter bis nach Lannach geht.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 191

Wenn ich dort mit dem Rad fahre – da fahre ich sage und schreibe 17 Kilometer weit –, fährt der Autofahrer hinter mir nach, weil sich das auf der ganzen Strecke nicht ausgeht, dass man dort einen Fahrradfahrer überholen könnte. Das ist ja völlig realitätsfern und nicht an die heutige Zeit angepasst, Frau Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

Bei einem Punkt, wo Sie sagen, die Gehsteige müssen für Fußgänger frei bleiben, bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen. Das würde ich mir wünschen, aber ich glaube, es waren die Grünen, die in der letzten Legislaturperiode hier in Wien für den Verkehr zuständig waren. In Wien ist ja die Wahrscheinlichkeit größer, dass mich ein Radfahrer am Geh­steig zusammenführt als ein Auto oder ein Lkw oder sonst irgendetwas. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Arlamovsky.)

Wenn Sie schon sagen, die Gehsteige müssen frei bleiben, dann fahrt doch bitte auch in Wien mit diesen Radfahrern und Scooterfahrern auf den Gehsteigen ab! Dann haben wir wahrscheinlich mehr Sicherheit für die Fußgänger, aber das passiert nicht, weil das nämlich nicht in Ihre Linie hineinpasst.

Wenn Sie wirklich etwas für die Radfahrer tun wollen, dann frage ich mich schon: Warum nehmen Sie diese Radfahrer nicht aus dem Verkehr heraus? Wir haben so viele Forst­straßen, bei denen wir es uns wünschen würden, dass wir mit einem Fahrrad fahren können. Auch die Bauern wären damit einverstanden (Bundesrat Preineder: Nein, nein, nein! Du hast ja gar nicht mit uns geredet!), wenn wir endlich einmal eine Lösung für die Haftungsfragen finden würden, denn die Masse sind nicht die Rennradfahrer oder die Radfahrer mit dem Körberl hinten drauf – also jetzt mit den E-Bikes –, sondern das sind die Mountainbiker, die lieber irgendwo abseits der Straße unterwegs wären. Das würde ich mir wünschen.

Machen Sie etwas für den Radsport, für die Radfahrer! Schauen Sie, dass Sie sie aus dem Verkehr herausbringen, und drangsalieren Sie nicht die Autofahrer mit Ihren Maß­nahmen! – Vielen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

21.02


21.02.26

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Lkw-Mautflucht beenden und § 43 StVo reformieren!“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

21.03.3222. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 und das Straßentunnel-Sicherheitsgesetz ge­ändert werden (1531 d.B. und 1543 d.B. sowie 11058/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum Tagesordnungspunkt 22.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 192

Bericht.


21.03.53

Berichterstatterin Barbara Tausch: Frau Präsidentin! Frau Minister! Frau Staatsse­kretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971 und das Straßentunnel-Sicherheits­gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


21.04.34

Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein. Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.05.0223. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Ver­tragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesver­tragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesver­tragslehrpersonengesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2022) (2658/A und 1576 d.B. sowie 11013/BR d.B. und 11026/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


21.05.17

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsge­setz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden: Dienstrechts-Novelle 2022.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. Ich erteile ihr dieses.


21.06.25

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin, am An­fang darf ich dir für die Wiener Präsidentschaft alles Gute und auch viel Erfolg in diesem herausfordernden Halbjahr wünschen. Noch einmal herzlichen Glückwünsch! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Zwazl.)


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 193

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Falls noch vorhanden: Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der Überbegriff Bundesdienst­recht umfasst Regelungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundesdienstes. Es bildet daher den rechtlichen Rahmen für die Tätigkeit beim Bund.

Der Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichert die Kontinuität der Bundesver­waltung trotz der ständigen Mehrbelastungen durch Personalabbau, Nichtnachbeset­zung von freiwerdenden Planstellen, Aufnahmestopp und völlige Zurücknahme des öf­fentlich-rechtlichen zugunsten des privatrechtlichen Dienstverhältnisses.

Derzeit herrscht hinsichtlich der dringend erforderlichen Maßnahmen im öffentlichen Dienst völliger Stillstand. Die gegenständliche Dienstrechts-Novelle sieht jedoch ledig­lich Neuerungen für Lehrerinnen und Lehrer vor. – Jetzt will ich das nicht abwerten: Es geht um die Sommerschule, und es geht um die Einsetzung von Personal, das Mathe­matik studiert hat, aber nicht das Lehramt hat, aber vielleicht trotzdem unterrichten könn­te, obwohl es dann – das haben wir ja im Ausschuss gehört – auch Ausbildungen et cetera braucht. – Sie lässt jedoch alle offenen Problemlösungen unberücksichtigt.

In diesem Sinne sieht sich meine Fraktion gezwungen, diesem Gesetzeswerk die Zu­stimmung zu verweigern. Um auf die Dringlichkeit einer umfassenden Dienstrechtsre­form hinzuweisen, bringe ich namens meiner Fraktion folgenden Antrag ein, in dem die Weiterentwicklung des Dienstrechtes eindringlich gefordert wird:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Elisabeth Grimling, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienstrechts, Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, umgehend mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in Verhandlungen zu treten, um noch im September diesen Jahres dem Nationalrat sowie dem Bundesrat eine weitere Novelle zum Dienstrecht vorzulegen, mit welcher die Interessen und die Arbeitsbedingungen der öffentlich Bediensteten gestärkt und gefördert werden. Dabei sollen jedenfalls folgende Themen verhandelt werden:

- Rechtsanspruch auf zwei Tage Telearbeit pro Woche bei Eignung des Arbeitsplatzes

- Stärkung der Unabhängigkeit und der Attraktivität des öffentlichen Dienstes und Be­schränkung des politischen Einflusses auf den öffentlichen Dienst durch Wiedereinfüh­rung der Pragmatisierungen ohne besoldungsrechtliche Verluste

- Adaptierung der Reisegebühren-Vorschrift, wonach die Reisezeit als Dienstzeit defi­niert wird

- Einführung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst in Kombination mit der Schaffung der Möglichkeit, einen Arbeitsplatz für die Dauer der Ausbildung eines jungen Mitarbei­ters bzw. einer jungen Mitarbeiterin doppelt zu besetzen (mit dieser Maßnahme könnte dem drohenden Wissensverlust aufgrund der vielen Pensionierungen, die in nächster Zeit anstehen, entgegengewirkt werden)

- Gleichstellung von Vertragsbediensteten mit Beamten bei der Verjährung einer Beleh­rung bzw. Ermahnung“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.11



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 194

Präsidentin Korinna Schumann: Der von den Bundesräten Elisabeth Grimling, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienstrechts, Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes“ ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Florian Krumböck. – Bitte.


21.11.41

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über die Dienstrechts-Novelle 2022 abstimmen, dann möchte ich schon an den Beginn mei­ner Rede ein großes Dankeschön stellen, nämlich ein Dankeschön an die Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, ganz egal ob es um den Bundes‑, den Lan­des- oder um den Gemeindedienst geht, vom Finanzamt über die Straßenmeistereien bis hin zu den Mitarbeitern in den Gesundheitsämtern oder auch in den Gemeindeäm­tern. Sie haben gerade in den letzten Jahren in dieser Krise unter teilweise widrigen Bedingungen dennoch Großartiges geleistet – daher ein großes Dankeschön am Beginn meiner Rede. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Die Gesundheitskrise hat es oft notwendig gemacht, sehr rasch und kurzfristig Ände­rungen im Dienstbetrieb zu veranlassen. Wer, wenn nicht unsere Pädagoginnen und Pädagogen, hat das zu spüren bekommen? Sie haben sich teilweise auch wöchentlich neue Konzepte überlegen müssen, weil die pandemische Lage es so erfordert hat.

Dieser Einsatz und diese neuen Konzepte waren auch in der Sommerschule ganz deut­lich spürbar, allein wenn wir daran denken, dass letztes Jahr im Sommer 852 Standorte für knapp 39 000 Kinder, die dort zusätzliche Fördereinheiten angeboten bekommen ha­ben, geöffnet wurden, wobei der Schwerpunkt damals eben noch auf Deutsch und Ma­thematik lag und jetzt auch Englisch mitgenommen wird.

Verantwortlich dafür waren mehrere Tausend Pädagoginnen und Pädagogen und auch Studierende im ganzen Land – deshalb auch an diese spezielle Gruppe der Verantwor­tungsträger in den Schulen, die Schulleiterinnen und -leiter, die Pädagoginnen und Pä­dagogen, ein großes, großes Dankeschön.

Geschätzte Damen und Herren! Dieses Beispiel der Sommerschule führt uns ja auch gleich zur Materie der vor uns liegenden Dienstrechts-Novelle. Worum geht es? – Es geht vor allem um den künftigen Regelbetrieb der Sommerschule und um Neuerungen für Junglehrerinnen und Junglehrer.

Vielleicht fangen wir gleich mit den zukünftigen Pädagoginnen und Pädagogen an: Sie werden sich am Beginn ihrer Karriere in der sogenannten Induktionsphase voll und ganz auf ihre Lehrtätigkeit in ihren eigenen Fächern konzentrieren können. Diese werden sie nämlich unterrichten und gleichzeitig nicht für Klassenvorstandstätigkeiten oder regel­mäßige Überstunden herangezogen werden dürfen.

Auch das Management dieser Induktionsphase hat sich ein bisschen geändert. Aufga­ben sind von den Mentorinnen und Mentoren weggekommen und hin zu den Schullei­tungen gewandert und dort eben neu aufgestellt worden.

Wenn wir von den neuen Lehrerinnen und Lehrern sprechen, und das hat die Kollegin ohnehin schon angesprochen: Es gibt einen weiteren Punkt, der da zu beachten ist, nämlich die erweiterte Möglichkeit für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger – etwa aus Fachstudien, die keinen pädagogischen Hintergrund haben –, an Schulen zu kom­men und zu unterrichten. (Bundesrätin Hahn: Ich glaube, es wäre gescheiter, die norma­le Ausbildung qualitativ höherwertig ...!)

Wichtig dabei ist auch – ich glaube, das ist eine gute Sicherung der pädagogischen Qua­lität (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Grimling) –, dass es im Vorfeld eine


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Überprüfung der Eignung hinsichtlich der pädagogischen Fähigkeiten braucht, dass die­jenigen Personen, die quereinsteigen wollen, wirklich dazu geeignet sind, vor den Schü­lerinnen und Schülern zu stehen. Ich glaube, das ist wichtig. Das ist mit dieser Dienst­rechts-Novelle auch gewährleistet.

Der größte Brocken, Sie wissen es, betrifft die Sommerschule. Zentral ist dabei: Der Ein­satz in der Sommerschule bleibt für die Pädagoginnen und Pädagogen freiwillig. Ge­regelt wird jetzt auch die Abgeltung: monetär oder zeitlich. Sie wissen es: 36 Stunden in der Sommerschule bedeuten künftig eine Wochenstunde weniger Lehrverpflichtung im Schuljahr.

Festgelegt haben wir auch die Vergütung der Leitung der Sommerschule, die jetzt eben von den DirektorInnen wegkommen und zu eingesetzten Verantwortlichen hinkommen kann. Das ist gut so.

Alleine wenn wir auf das heurige Jahr schauen, sehen wir, dass es gut ist, dass wir Regelungen für die Zukunft finden und diese in dieser Dienstrechts-Novelle festschrei­ben können, weil die Sommerschule dieses Jahr schon an 1 100 Standorten angeboten wird. Dabei werden 4 600 LehrerInnen und circa 1 400 Lehramtsstudierende in den Klas­sen stehen. Sie werden dabei auch noch von 540 besonders guten Schülerinnen und Schülern begleitet, die als Buddys den Unterricht auflockern und die Lehrenden unter­stützen sollen.

Kurz zusammengefasst heißt das in Wirklichkeit: Wir schaffen die Grundlage für den Regelbetrieb einer Maßnahme, die Tausenden Schülerinnen und Schülern helfen wird, besser mit den Lernaufgaben und Lerninhalten zurechtzukommen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir für die Zukunft etwas wünschen könnte – die SPÖ hat das auch gerade gemacht, nur sagen wir so: Zu glauben, jetzt im Sommer eine Dienstrechtsnovelle erst zu verhandeln beginnen und diese dann im Sep­tember schon vorlegen zu können, das ist ein bisschen wie der warme Eislutscher. (Bun­desrätin Grimling: Entschuldige! Ab September! Hör mir zu, ja! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) Gott sei Dank ist der Minister da ohnehin schon in Verhandlungen mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, um eine entsprechende Novelle auf den Weg zu brin­gen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Wenn ich an die Zukunft denke, dann bin ich – weil es heute eben vor allem um Lehre­rinnen und Lehrer gegangen ist – auch froh, dass unser Bildungsminister vieles auf den Weg gebracht hat, was man sich auch wünschen kann (Bundesrätin Grimling: Was habt ihr denn auf den Weg gebracht?): moderne Lernpläne, die zurzeit in Begutachtung sind, die die Kompetenzentwicklung in den Mittelpunkt stellen und den Schülerinnen und Schülern das Rüstzeug für eine immer komplexer werdende Welt mitgeben. (Ruf bei der SPÖ: Wir reden schon seit Jahren ...!)

Auch eine verbesserte Lehrerausbildung steht auf dem Programm. (Bundesrätin Grim­ling: Ja, schon seit Jahren!) Die Grundlage dafür ist, dass wir auch in Zukunft an den Schulen genügend Lehrkräfte in ihren eigenen Fächern haben.

Was im Sinne der Pädagoginnen und Pädagogen auch auf dem Plan steht und stehen muss, ist eine bessere Planbarkeit in Sachen Covid, die ich mir da wünsche. (Bundes­rätin Grimling: Haben wir heute etwas davon gehört? – Nein!)

Wenn wir schon kurz nach Ende des Schuljahres in der Ferienzeit stehen, dann lassen Sie uns noch kurz über das Zeugnis reden und darüber, was wir alle hier herinnen und auch die Pädagoginnen und Pädagogen zusammengebracht haben (Bundesrätin Grim­ling: Das hat aber mit Dienstrecht nichts zu tun! – Bundesrätin Hahn: Ich schreib dir eines!): Wir haben nicht nur ein weiteres Jahr Pandemie überstanden, sondern unsere Lehrkräfte haben es in diesen Monaten seit dem 24. Februar in einer bravourösen Art


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und Weise geschafft, viele Tausende ukrainische Kinder in den Unterricht an den Schu­len zu integrieren. Vor allem haben wir hier herinnen gemeinsam auch ein neues Pflicht­fach, nämlich digitale Grundbildung, in Österreich etablieren können und einen Lehrplan vorgelegt. Ich glaube, auch das hat sich ein großes Dankeschön an die PädagogInnen verdient.

Zum Schluss auch einen ganz einfachen Wunsch, nämlich allen Schülerinnen und Schü­lern, allen Pädagoginnen und Pädagogen schöne Ferien! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

21.18


Präsidentin Korinna Schumann: Ich begrüße Herrn Bundesminister Karner sehr herzlich im Bundesrat. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


21.18.28

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Herr Minister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um eine Dienstrechtsnovelle für den öffentli­chen Dienst, eine Dienstrechtsnovelle, die den Namen Novelle in Wahrheit gar nicht ver­dient.

Obwohl genügend Zeit für eine echte Dienstrechtsnovelle gewesen wäre, haben Sie nur einen Selbständigen Antrag – unter Anführungszeichen – „zusammengebracht“, denn sogar der war fehlerhaft. Deshalb mussten Sie dazu wieder einen Abänderungsantrag einbringen. Also professionell schaut anders aus. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Regierung vergisst absichtlich – anders ist es nicht zu erklären – immer wieder auf unsere öffentlich Bediensteten, die in Wahrheit das Rückgrat unseres Staates bilden. Wir haben ein massives Problem im öffentlichen Dienst, das schon seit Jahren thema­tisiert wird, und diese Regierung steckt den Kopf in den Sand: immer mehr Aufgaben, mehr Verantwortung, immer weniger Personal. Der Druck auf die Bediensteten steigt und verteilt sich auf immer weniger Mitarbeiter, egal in welchem Bereich. Was sind die Folgen? – Die Folgen sind krankheitsbedingte Ausfälle bis hin zu Kündigungen genau aus diesem Grund. (Bundesrätin Hahn: Das Evangelium nach Spanring!)

Ich weiß, dass Vizekanzler Kogler der zuständige Beamtenminister ist, aber es blockiert vor allem immer die ÖVP sehr stark. Wir konnten in der Zeit unserer Regierungsbeteili­gung einiges zum Positiven verändern. Wenn irgendwo blockiert wurde, dann war das immer vonseiten der ÖVP, denn diese ÖVP – sie sagt es ja ganz offen – will einen schlanken Staat bis zum Gehtnichtmehr. Nur, wenn Sie so weitermachen, meine Damen und Herren, geht es bald wirklich nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrä­tin Grimling.)

Ich habe schon öfters zu Dienstrechtsnovellen im öffentlichen Dienst sprechen dürfen. Ich versuche heute einmal, es ganz anders aufzuziehen als sonst: Ich versuche, ein Bild zu malen und das Ganze plastisch darzustellen.

Stellen Sie sich den öffentlichen Dienst, also alles, was dazugehört, wie ein großes Ge­bäude mit vielen Büros vor: Ein Büro ist da zum Beispiel die Polizei, das nächste Büro ist die Justiz, wieder ein anderes Büro ist die Lehrerschaft, andere Büros sind das Ge­sundheitspersonal, die Finanz, die Soldaten, die Verwaltung und so weiter und so fort. So gibt es viele einzelne Büros, unterschiedlich groß, aber gemeinsam in einem großen Gebäude untergebracht.

Das Gebäude selbst ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen, trotzdem sind aber einige Teile davon gar nie über den Status des Rohbaus hinausgekommen. Es wird zwar


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oft von der Fertigstellung gesprochen, aber umgesetzt wird das nicht. Bei manchen Teilen des Gebäudes ist das Dach schon ein bissl undicht, und bei schlechtem Wetter regnet es dort hinein. Während bei einem Teil des Gebäudes noch immer die Fassade fehlt, gibt es im anderen Teil einen Wasserrohrbruch. Dieser wird zwar notdürftig repa­riert, aber in Wahrheit wissen alle, dass eigentlich alle Wasserleitungen in diesem Ge­bäude auszutauschen wären. Nur geht das keiner an, weil alle Angst haben – diese Baustelle ist zu groß, das trauen wir uns nicht. Da wartet man lieber auf den nächsten Schaden, um diesen dann notdürftig zu reparieren, anstatt zu sanieren, bevor mehr ka­puttgeht, als überhaupt notwendig wäre.

Der Gesamtzustand dieses Gebäudes wird immer schlechter und schlechter, und es trägt den Namen öffentlicher Dienst. Ja, ich weiß, was jetzt wieder vonseiten der ÖVP kommen wird: Der böse Spanring macht den öffentlichen Dienst schlecht! – Das Gegen­teil ist der Fall, meine Damen und Herren. Ich komme ja selbst aus dem öffentlichen Dienst. Ich mache sicher niemanden schlecht. Ich weiß, was unsere Beamten und auch die Vertragsbediensteten leisten; diese Menschen leisten trotz aller Widrigkeiten Großar­tiges, und man kann ihnen gar nicht genug danken. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, ich bedanke mich auch aufrichtig bei unseren Beamten und Vertragsbediensteten. Herr Bundesrat Krumböck von der ÖVP hat das zu Beginn seiner Rede gemacht; er hat sich auch bedankt. Ja, das ist gut, aber die Wahrheit ist: Von einem Danke haben die Beamten nichts. Wir müssen endlich einmal handeln, es muss da einmal ein bissl etwas Positives passieren, und das fehlt leider. (Beifall bei der FPÖ.)

Worum es uns geht: Wir wollen in allen Bereichen ein modernes, der Zeit angepasstes Dienstrecht, ein Dienstrecht, das attraktiv ist, bei dem es eine faire Entlohnung für junge Menschen gibt, damit überhaupt jemand den Schritt macht, öffentlich Bediensteter zu werden. Es ist zwar nett, wenn man dann im Alter etwas besser verdient – man kennt diese Gehaltsstufen –, dafür nagt man aber als Junger überspitzt formuliert am Hunger­tuch. Da wird man keine gut gebildeten Menschen finden. Genau darum geht es aber: Wir brauchen gut gebildete, motivierte Menschen im öffentlichen Dienst. Denen muss man aber auch etwas bieten, meine Damen und Herren, und dieser Regierung fehlt lei­der voll und ganz der Wille dazu. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir brauchen genügend Planstellen in allen Bereichen, aber die Planstellen müssen dann auch besetzt sein. Es steht eine Riesenpensionierungswelle an – wir haben das schon gehört –, aber das wissen wir seit 20 Jahren. Dazu braucht man keine Matura in Mathematik, damit man sich das hätte ausrechnen können. Was wurde bisher gemacht? (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Ja, wenig bis nichts – wenig bis nichts! –, und das habe ich vorhin mit der Baustelle gemeint. Da wird gewartet, bis etwas kaputt­geht, anstatt es gar nicht so weit kommen zu lassen. Dieses Reagieren ist schädlich! Sie sollten eher agieren statt reagieren – oder noch besser: Sie sollten regieren statt reagie­ren!

Wir werden, meine Damen und Herren, trotz meiner Kritik heute keinen Einspruch erhe­ben, denn wenig ist besser als nichts. Aber, liebe Regierende, das muss ich Ihnen schon mit auf den Weg geben: Lob dürfen Sie sich für diese Novelle keines erwarten. Wäre ich ein Lehrer, dann würde ich den Beamtenminister fragen – er ist heute leider nicht da –: Herr Kogler, wie nennt man die Jahreszeit, in der die Blätter braun werden und vom Baum fallen? – Richtig, das ist der Herbst, und da sehen wir uns zur Nachprüfung wie­der: Setzen, Nicht genügend! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 198

21.25


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreu­der. Ich erteile ihm dieses.


21.25.53

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht darf ich daran erinnern, worüber wir jetzt wirklich diskutieren: Es geht um die Sommerschule. – Ich finde, das ist ein bisschen vergessen worden. (Bundesrat Schen­nach: Nein, nein!)

Die Sommerschule ist ein Erfolgsmodell, das jetzt in die dritte Staffel geht. (Bundesrat Schennach: Die Frau Grimling hat das genau angesprochen!) Das finde ich eigentlich ziemlich super. Wir dürfen uns da schon einmal vor allem bei der Erfinderin und dem Erfinder bedanken. Ich möchte daran erinnern: Es war nämlich 2020, als die ersten Lock­downs passierten, als die Schulen geschlossen worden sind und es tatsächlich einen Bedarf gab, dass sich die beiden trafen und fragten: Wie können wir pädagogisch wei­terhelfen? Welche Maßnahmen können wir setzen?

Wenn wir uns an den Sommer 2020 erinnern, in dem wir ein bissl hofften, wir hätten es schon hinter uns – na ällabätsch, das hat uns der Virus nicht gegönnt –: Damals haben Sibylle Hamann und der damalige Minister Faßmann etwas ganz Tolles gemacht, näm­lich eine Sommerschule. Ich finde, das ist immer noch eine ganz, ganz hervorragende Erfindung. Die Sommerschule wird nämlich auch mit dieser Dienstrechts-Novelle profes­sioneller. Sie wird jetzt auch immer mehr und viel selbstverständlicher von Schülerinnen und Schülern angenommen. Mit dieser Novelle bekommt sie auch einen dienstrechtli­chen Rahmen. Nur, weil jetzt so allgemein gesprochen wurde: Darum geht es hier. (Bun­desrätin Grimling: Das haben wir eh gesagt!)

Da jetzt die Dienstrechtsnovelle auch eingefordert wird, möchte ich schon sagen: Sie wurde immer für den Herbst angekündigt. (Bundesrat Schennach: Ja, ja!) Es ist ja auch irgendwie logisch (Bundesrat Schennach: Nein!), dass wir den Dienstrechtsrahmen für die Sommerschule vor dem Sommer beschließen und nicht erst nach dem Sommer. (Bundesrätin Grimling: Das hätten wir schon im Mai oder im Juni beschließen können!) Die Kritik hätte ich mir gerne angehört, wenn wir das nachträglich beschlossen hätten – also mir kommt das irgendwie logisch vor.

Was passiert in dieser Novelle? – Die Leitung der Sommerschulen wird je nach Größe des Standorts abgegolten. Das heißt, Pädagoginnen und Pädagogen bekommen mit 50 Euro pro Stunde einen einheitlichen Stundensatz. Das ist ganz besonders für junge Kolleginnen und Kollegen sehr, sehr attraktiv. (Bundesrat Schennach: 50 Euro?) Alter­nativ gibt es auch die Möglichkeit, im darauffolgenden Schuljahr eine Stunde weniger Lehrverpflichtung zu übernehmen; auch das kann für viele natürlich eine sehr interes­sante Alternative sein.

Die Studierenden, die dort tätig sein wollen, werden ja nicht nur durch eine begleitende Lehrveranstaltung auf die Sommerschule vorbereitet, sondern sie können dort jetzt auch eigenverantwortlich unterrichten – das ist neu –, und sie bekommen zusätzlich auch noch 30 Euro pro Stunde. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wirklich ein gutes Angebot, denn das ist ein Sommerjob, der sinnstiftend ist, der attraktiv ist. Die unbezahl­te Arbeit von Praktikantinnen und Praktikanten stellen wir hiermit auch ab. Deswegen ver­stehe ich nicht, warum man da dagegen sein kann. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich danke schon im Vorhinein allen, die dieses Angebot auch annehmen werden. Ich hoffe, dass alle, die in diese Sommerschule gehen, auch wirklich einen anregenden, inspirierenden und spannenden Sommer haben. Das gilt sowohl für die, die dort arbei­ten, als auch für die Schülerinnen und Schüler, die das wirklich sehr gerne in dieser dritten Staffel annehmen, sage ich einmal.

Bitte stimmen Sie zu, es geht wirklich nur um die Sommerschule! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

21.29



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 199

Präsidentin Korinna Schumann: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekre­tärin Andrea Mayer gemeldet. – Bitte.


21.29.43

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Da­men und Herren! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Zeiten von außerordentlichen He­rausforderungen sind immer auch eine Härteprobe für den öffentlichen Dienst.

Besonderes Engagement und kreative Lösungen waren in den vergangenen Monaten und Jahren mehr denn je die Grundanforderungen an die Beschäftigten. Ich bedanke mich daher ganz, ganz ausdrücklich bei allen öffentlich Bediensteten für diese tolle ge­leistete Arbeit. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich ja, was über die gesamte Breite des öffentlichen Dienstes geleistet wird. Das geht von der allgemeinen Verwaltung über die Sicherheit und Justiz bis hin zu den Schulen. Der Bereich der Schulen steht auch im Mittelpunkt der vorliegenden Dienstrechts-Novelle. Ich halte mich jetzt kurz, denn es ist schon viel darüber gesprochen worden.

Wichtig ist, dass die Sommerschule gute Voraussetzungen hat, dass die dienst- und besoldungsrechtlichen Voraussetzungen für die Lehrpersonen und die Lehramtsstudie­renden geschaffen werden.

Weiters ist die Erweiterung des Quereinstiegs entscheidend, denn auch praktische Er­fahrung ist in der Schule wichtig, wichtiger denn je, und soll berücksichtigt werden.

Dann ist die Nachmittagsbetreuung ganz zentral, dass diese auch in Zukunft sicherge­stellt und besser sichergestellt ist.

Und zum Schluss geht es noch um diverse wesentliche dienstnehmerorientierte Verbes­serungen, die hauptsächlich auf Forderungen der Gewerkschaft öffentlicher Dienst zu­rückgehen.

Ich glaube, es ist ein Gesamtpaket, dem Sie, sehr geehrte Damen und Herren, unein­geschränkt zustimmen können.

Klar ist natürlich – es wurde schon mehrfach angesprochen –, dass für den Herbst wie üblich eine weitere umfassendere Dienstrechtsnovelle geplant ist. Die Verhandlungen dazu laufen ja bereits, und ich bin sehr, sehr optimistisch, dass ein ambitionierter Ab­schluss gelingen wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.32


21.32.13

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Elisabeth Grimling, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienst­rechts, Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist abgelehnt. (Ruf bei der SPÖ: Da haben


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 200

ein paar ÖVPler mitgestimmt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wir haben ge­zählt.

21.33.2124. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundes­präsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefra­gungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzge­setz 2018, das Europa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungsgesetz geän­dert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2022) (2574/A und 1577 d.B. sowie 11027/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


21.33.39

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Staatssekretärin! Werte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungs­gesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018, das Europa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungs­gesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2022).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


21.35.10

Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein. – Es liegt dazu keine Wortmeldung vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

21.35.4225. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend eine Vereinbarung zwi­schen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der insbesondere eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversor­gungsvereinbarung sowie eine Erstversorgungspauschale festgelegt werden (1584 d.B. und 1656 d.B. sowie 11028/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich bitte um den Be­richt.


21.36.15

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 201

B-VG, mit der insbesondere eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Ar­tikel 9 der Grundversorgungsvereinbarung sowie eine Erstversorgungspauschale fest­gelegt werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile dieses. (Bundesrat Novak: Red ja nicht zu lange, ich sage es dir! – Bundesrat Schennach: Grundsatzrede!)


21.37.07

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolle­gen und Zuseher vor den Bildschirmen, die das vielleicht noch verfolgen! Beim Ab­schluss dieser 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zeigt sich leider wieder einmal eines ganz deutlich, und das ist, dass diese ganze Einheitspartei aus Schwarz/
Türkis, Grün, Rot, NEOS es wieder einmal schafft (Ruf bei der SPÖ: Ihr steht schon raus, aber nicht positiv!), dass nicht die Österreicher an erster Stelle stehen, sondern jene Menschen, die genau dieses System, das Sie für all diese Menschen geschaffen haben, so schätzen. Diese beantragen hier Asyl, weil Sie ständig nachbessern und damit auch die Pullfaktoren, nach Österreich zu kommen und hier um Asyl anzusuchen, mit jedem Tag forcieren.

Das ist ein System, das Sie im heutigen Fall mit der Teuerung argumentieren. Sie heben die Sätze um bis zu 20 Prozent und darüber hinaus für die Menschen an, die aus dem Ausland zu uns kommen, und lehnen gleichzeitig jeden unserer Anträge, bei denen es darum geht, den Österreichern finanziell unter die Arme zu greifen, damit sie die gestie­genen Lebenshaltungskosten bewerkstelligen können, ab. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade vorgestern haben wir es ja auch im Ausschuss entsprechend erlebt. Da sind die Gegenmaßnahmen gegen die exorbitante Teuerung in Österreich vertagt worden, denn anscheinend ist die Situation für die Österreicher nicht mehr prekär genug, um endlich zu handeln. Das ist eigentlich beschämend, was Sie hier in Ihrer gestörten Wahrneh­mung aufführen, und deswegen werden wir das selbstverständlich auch ablehnen.

Was da passiert, ist aber auch die typische ÖVP-Manier in der Sicherheitspolitik. Da gibt man sich immer restriktiv, macht aber dann das Gegenteil – Wasser predigen und Wein trinken, könnte man sagen. Man glaubt halt vielleicht, dass, wenn man dann am Sonntag die Kirchenbank drückt, all diese Sünden der abgelaufenen Woche wieder vergessen sind. Vielleicht funktioniert das beim Gottobersten, aber die Menschen in unserem Land und vor allem auch wir Freiheitliche vergessen nicht, was Sie da aufführen.

Rufen wir uns allein ein paar Punkte aus dem letzten Jahr in Erinnerung, schauen wir uns das einmal an! Wie viele Asylanträge wurden denn in Österreich gestellt? – Während die Österreicher eingesperrt waren, waren die Grenzen sperrangelweit offen und es gab in Österreich über 40 000 Asylanträge. Das muss man einmal irgendjemandem erklären! Man sagt, eigentlich soll keiner jemand anderen treffen, aber über die Grenzen hat man jeden reingelassen und damit hat man überhaupt kein Problem gehabt.

Dann hat man argumentiert, dass wir Asylheime wieder aufsperren müssen, um präven­tiv Coronamaßnahmen durchzusetzen. Wir können in Kärnten ein Lied davon singen, denn das ist gleich an mehreren Standorten passiert. Das war aber nicht der Fall. Das war wieder einmal dem geschuldet, dass man natürlich all diese Asylwerber auch hat verteilen müssen. Das war der Grund. Die Menschen hat man ganz klar belogen und hat


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 202

gesagt: Nein, nein, wir haben keine Asylanträge, es kommen keine Menschen nach Ös­terreich! – Ein Jahr später ist man jetzt draufgekommen, na ja, es waren genau in dieser Zeit 40 000.

Wo waren da die restriktiven Maßnahmen, Herr Minister, aus dem Sicherheitsministe­rium?  Die waren einfach nicht gegeben! Typisch wieder für die ÖVP: Wasser predigen, Wein trinken und die Bevölkerung derweil für blöd verkaufen. (Beifall bei der FPÖ.)

Heute stehen wir wieder vor derselben Situation. Wir haben 31 000 Asylanträge, die Grenzen sind wieder einmal offen. Wir sprechen dann immer von den ukrainischen Ver­triebenen. Die werden eigentlich gar nicht dazugezählt, und Sie selber haben es im Na­tionalrat auch bekannt gegeben. Von diesen 31 000 sind gerade 480 Ukrainer. 480, ha­ben Sie gesagt. Das heißt, wir sprechen in dieser Situation nicht über die ukrainischen Vertriebenen, nein, wir sprechen wieder einmal von allen anderen aus allen anderen Staaten. Die Prognosen sagen ja auch, dass wir heuer auch mit bis zu 50 000 Asylanträ­gen zu rechnen haben.

Wenn es mit dieser Restriktion Ihrerseits in der Sicherheitspolitik so weitergeht, werden wohl alle einen positiven Bescheid erlangen, und dann zahlen wir für 50 000 Leute ein­fach 20 Prozent mehr an Tagessätzen. Das ist ja völlig in Ordnung – während wir die österreichische Bevölkerung tagtäglich im Stich lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist dasselbe, was wir im vergangenen Jahr auch bei den straffällig gewordenen Asylwerbern gehabt haben. Die hat man nicht abschieben können, weil diese mit einer Testverweigerung nicht abschiebbar waren, unsere Kinder in Kindergärten und Schulen aber hat man alle zwangstesten können. Da hat keiner nachgefragt. Das ist sehr wohl gegangen, denn da hat man einfach wieder einmal nicht auf die österreichische Bevölke­rung geschaut. Da waren die Grund- und Freiheitsrechte vollkommen egal, aber bei allen anderen Situationen hat man natürlich Gold Plating; vor allem bei straffällig Gewordenen, die wirklich auf der Stelle abgeschoben gehören, war man wieder einmal in ÖVP-Manier sehr restriktiv. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher werden wir auch dem Schlepperwesen in Österreich nicht Herr, weil wir es nicht einmal schaffen, dass wir die Grenzen dicht machen, weil wir noch immer warten, dass wir EU-weit einen Außengrenzschutz zusammenbringen, wobei wir wissen, dass das reinste Utopie ist. Aber wir haben es ja auch gehört: Die ÖVP will es einfach nicht zusam­menbringen oder ist unfähig, es zusammenzubringen, und bei den Grünen wissen wir, die wollen eh am liebsten unsere Leute austauschen und am besten alles aus der gan­zen Welt aufnehmen. Kollegin Kittl hat sich ja heute am meisten gefreut, dass wir beim Familienlastenausgleich endlich einmal diesen Familien helfen können. Dass wir aber viele Tausende Familien bei uns aufgrund der Teuerung in der Armutsfalle haben, das ist nebenher völlig egal.

Daher sagen wir als Freiheitliche auch ganz klar, die Anreize müssen zuerst für die Ös­terreicher geschaffen werden und nicht für Asylwerber, die aus dem Ausland zu uns kommen. Es muss entsprechend Geld bereitgestellt werden, damit wir diesen existenz­bedrohenden finanziellen Herausforderungen begegnen können. Das können wir wie gesagt leider Gottes von den Regierungsfraktionen und auch von der Scheinopposition nicht erwarten. Deswegen ist es vielleicht gut, wenn es wirklich so schnell wie möglich Neuwahlen gibt, denn bei Neuwahlen kann dann der Österreicher bewerten, was ihm in diesem Land wirklich wichtig ist. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 203

21.44


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfre­rer. Ich erteile dieses.


21.44.21

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wie soll man denn so eine Rede des Kollegen Ofner kommentieren? (Bundesrat Hübner: Ja, ein­fach: Stimmt! – Bundesrat Steiner: Stimmt! Wahrheit! Wahrheit!) Ich würde sagen, lange geredet und nichts gesagt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Steiner: Wahrheit!)

Es war nicht eine Silbe zum Tagesordnungspunkt, und diese soziale Kälte ist spürbar, nicht nur die Kälte, sondern blankes Eis. (Bundesrat Ofner: Ihr habt sogar die Unfähig­keit, zuzuhorchen!) Das ist eher zum Schämen als sonst irgendetwas. (Bundesrat Span­ring: Ja, das muss man sich von einem ÖVPler sagen lassen!)

Zugegeben, wir haben eine schwierige Zeit, und auch große Herausforderungen sind zu bewältigen. Es ist auch nicht abschätzbar, was noch auf uns zukommt. Keiner von uns oder von unserer Generation wäre nur einmal auf den Gedanken gekommen, dass in unserer unmittelbaren Nähe ein Krieg geführt wird, der an Brutalität und Härte eigentlich nicht zu überbieten ist. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

Das Zwischenergebnis – denn ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht – ist erschreckend. Mittlerweile sind 78 000 Kriegsvertriebene aus der Ukraine erfasst. (Bundesrat Ofner: Um die geht es aber nicht! Dem eigenen Minister hättest du wenigstens zuhören können! Den wirst du ja kennen! Ich habe kein Problem!) – Herr Ofner, ich habe nicht einmal dazwischengerufen. Behalte dir das auf und melde dich noch einmal! (Bundesrat Schreuder: Nein, muss nicht sein!) Mittlerweile sind 78 000 Kriegsvertriebene aus der Ukraine erfasst, meist Frauen und Kinder, die ihre Heimat verlassen mussten. Wie viele Soldaten und Menschen der zivilen Bevölkerung ihr Leben lassen mussten, ist unbe­kannt, das wissen wir nicht.

Bei diesem Tagesordnungspunkt handelt es sich um eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, wobei die Kostenaufteilung der Grundversorgung von Vertriebenen und Flüchtlingen neu geregelt wird. Das heißt, es wurde mit den Bundesländern ein Schlüssel vereinbart: 60 Prozent zahlt der Bund und 40 Prozent leisten die Bundes­länder.

Im Jahr 2016 wurden die Tarife das letzte Mal erhöht. Es ist wirklich nicht mehr zeit­gemäß und auch deshalb wichtig, jetzt eine nachhaltige Finanzierung zu sichern, weil es in Zukunft sicher nicht einfacher wird, Quartiere zu finden, und auch die Verpflegung der betroffenen Menschen sichergestellt werden muss. (Bundesrat Ofner: Die Empathie würde ich mir einmal für Österreicher wünschen! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Heute passen wir durch unseren Beschluss die Kostenhöchstsätze für Unterbringung und Verpflegung an. Nur damit man auch eine gewisse Vorstellung hat: Man erhöht den Tarif für die organisierte Unterbringung von 21 auf 26 Euro pro Tag, und bei der indi­viduellen Unterbringung steigt der Satz einerseits auf 165 beziehungsweise auf 330 Eu­ro für Familien.

Noch einen kleinen Lichtblick gibt es für die vielen Frauen mit ihren Kindern, damit wir ihnen das Leben etwas leichter machen können. Mit dem heutigen Beschluss bei Ta­gesordnungspunkt 15 haben geflüchtete Menschen aus der Ukraine einen Anspruch auf Familienbeihilfe und den damit verbundenen Anspruch auf Sozialleistungen erhalten. Diese Regelung soll rückwirkend ab 12. März in Kraft treten. Die neue Bundesländer­vereinbarung gilt rückwirkend ab 1. März 2022.

Ich bin stolz, weil Österreich ein Land der Solidarität und Hilfsbereitschaft ist und es bei uns noch Grundwerte gibt.

Zum Schluss möchte ich mich aber auch noch bei der Bundesregierung und bei den Landeshauptleuten bedanken, dass eine Einigung zustande gekommen ist. Ein ganz


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 204

besonderer Dank gilt den vielen Hilfsorganisationen und den Personen, die die Hilfs­projekte organisieren und umsetzen, und auch den vielen Menschen, die sich in irgend­einer Weise an der humanitären Hilfe beteiligen.

Geschätzte Damen und Herren, wir haben es nicht in der Hand, den Krieg zu beenden, aber wir haben die Möglichkeit – und setzen sie auch um (Bundesrat Steiner: Die Sank­tionen ...!) –, Rahmenbedingungen zu schaffen, um all jenen Menschen, die aufgrund dieses schrecklichen Krieges flüchten müssen, das Leben bei uns etwas leichter zu ma­chen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.49


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Daniela Gru­ber-Pruner. Ich erteile dieses.


21.49.22

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir, die Sozialdemokratie, werden der Erhöhung der Kostenhöchstsätze in der Grundversorgung von geflüchteten Menschen zustimmen. Die letzte Erhöhung war, wir haben es schon gehört, 2016, und nicht zuletzt im Zuge des Ukrainekrieges war es jetzt notwendig, zu erhöhen – das Stichwort Preissteigerungen ist schon gefallen, aber es ist auch nötig, um genügend Quartiere in den Ländern zu finden. Das ist gut und wichtig.

Ich möchte aber die Gelegenheit auch nutzen, um auf zwei weitere Themen in diesem Zusammenhang hinzuweisen. Beide stehen auch im Regierungsübereinkommen der ak­tuellen Bundesregierung, nämlich einerseits die Frage der Obsorgeregelung für unbe­gleitete Minderjährige ab Tag eins. Da steht – ich zitiere aus dem Regierungsüberein­kommen –: „Schutz und Rechtsstellung von geflüchteten Kindern verbessern: Schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge [...] durch die Kinder- und Jugendhil­fe und“ – das wäre dann das zweite Thema – „Berücksichtigung des Kindeswohls im Asylverfahren; besonderes Augenmerk im Asylverfahren auf UMF“, also unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Bei diesem Thema der Obsorge ab Tag eins geht es darum, dass bei geflüchteten Kin­dern, die ohne ihre Familien zu uns kommen, oft wochenlang nicht klar ist und nicht geregelt ist, welche Behörde jetzt für sie zuständig ist und damit auch die Verantwortung für diese jungen Menschen übernimmt. Bei österreichischen Kindern, die ohne Familie sind, wäre das die Kinder- und Jugendhilfe, und das müsste in Wahrheit auch für diese geflüchteten Minderjährigen der Fall sein. Wenn das so wäre  was wünschenswert wäre –, müsste man natürlich auch diese Tagessätze in der Kinder- und Jugendhilfe für alle diese Kinder angleichen.

Dieses Thema könnte und müsste man dringend lösen. Es scheitert offensichtlich ledig­lich am politischen Willen – in dem Fall der ÖVP, denn bei den Grünen weiß ich, dass sie im Hintergrund redlich an der Lösung dieses Themas arbeiten. (Zwischenruf der Bun­desrätin Grossmann. – Bundesminister Karner: Interessant!)

Beim zweiten Teil im Regierungsübereinkommen geht es um das Kindeswohl im Asyl­verfahren. Alle, die gestern aufmerksam die Medien verfolgt haben, wissen, dass sich die Kindeswohlkommission nach einem Jahr wieder gemeldet hat und Resümee gezo­gen hat, was denn aus ihren vielen Empfehlungen, vor allem auch an das Innen- und an das Justizministerium, geworden ist.

Wir erinnern uns: Diese Kindeswohlkommission ist von der Bundesregierung vor einem Jahr mit dem Ziel eingesetzt worden, Empfehlungen zu erarbeiten, wie denn das Kin­deswohl im Asylverfahren gewahrt werden kann. Stichwort: Abschiebungen von Kindern mitten in der Nacht, die übrigens nach wie vor passieren und nicht ausgesetzt wurden.


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Mich überrascht es leider schon nicht mehr: Die Empfehlungen wurden im vergangenen Jahr zum größten Teil nicht umgesetzt. Warum mich das nicht mehr überrascht? – Das klingt schon ein bisschen frustriert und ist es auch: weil ich seit Jahren erlebe, dass die Kinderrechte sowohl im zuständigen Familienministerium keine Rolle spielen als auch, obwohl sie in der Verfassung stehen, im Innenministerium keine Bedeutung haben. (Bundesrat Schennach: Der Minister hat aber geschmunzelt!) – Ja, vielleicht gibt es nachher noch eine Erklärung, dass jetzt etwas angegangen wird.

Jedenfalls könnte man mit diesen Empfehlungen der Kindeswohlkommission Punkt für Punkt diese Missstände, die auch gegen die Kinderrechte sind, die wir ja im Parlament beschlossen haben, aufheben, wenn der entsprechende Wille da wäre. Das ist der große Punkt: wenn der Wille da wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich müssten war ja an diesem Punkt auch noch darüber diskutieren, dass ge­flüchtete Menschen auch jetzt an den Grenzen zu Europa – ich denke zum Beispiel an die bosnisch-kroatische Grenze – ganz wissentlich im Stich gelassen werden. Wir wis­sen ganz genau, wie die Zustände dort sind. Im Stich gelassen werden ist eigentlich noch freundlich formuliert, denn wir nehmen einfach in Kauf, dass sie Hunger leiden, dass sie im Winter frieren, dass sie fast jede Nacht bei den ständig stattfindenden und illegalen Push-backs blutig geschlagen werden. Diese Menschenrechtsverletzungen passieren 6 Autostunden von hier entfernt. Ich würde es einen Skandal nennen, den wir und diese Regierung und auch Sie, Herr Minister, schlicht und ergreifend ignorieren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Also das ist aber eine Unterstellung! He, he, he! – Bundesminister Karner: Also Frau Bundesrätin!)

Trotz all dieser humanitären Baustellen und Skandale werden wir der Erhöhung der Ta­gessätze heute zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Das ist eine gewaltige Ansage!)

21.54


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hau­schildt-Buschberger. Ich erteile dieses. (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Prorede gewe­sen! – Bundesminister Karner: Ich habe es gemerkt!)


21.55.03

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte unbedingt gleich zu Beginn klarstellen, dass ich es für unredlich halte, heute schon wieder hören zu müssen, dass geflüchtete Menschen diskreditiert werden oder auch dass zwischen guten Flüchtlingen und schlechten Flüchtlingen unter­schieden wird. (Bundesrat Schennach: Ist ja so!) Krieg ist Krieg und Mensch ist Mensch, und ich denke, in dem Punkt sind wir uns alle einig.

Seit 24. Februar 2022 ist der Krieg ganz in unsere Nähe gerückt. 925 Kilometer von uns entfernt wurde vorgestern ein Wohnhaus Ziel eines russischen Angriffs und 15 Men­schen starben. Seit sechs Monaten erleben wir fast hautnah täglich die Gräuel dieses schrecklichen Angriffskrieges. (Bundesrat Steiner: Du bist für Waffenlieferungen, liebe Dame!) Frauen und Kinder in großer Zahl sind seither nach Europa geflohen und finden hier Schutz. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ihre Zukunft ist ungewiss. (Bundesrat Steiner: Schickt ihnen ein paar Fahrradeln!) In Österreich selber ist es wich­tig und wesentlich, schutzsuchenden Menschen, egal von wo, die Möglichkeit zu geben, in menschenwürdigen Verhältnissen zu leben, sei es während sie auf die Rückkehr in ihr Heimatland hoffen oder auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten.

Dazu gibt es seit dem 1.5.2004 die sogenannte Grundversorgung. Und die Grundver­sorgung ist bitte nicht mit der Sozialhilfe zu verwechseln. Grundversorgungsleistun­gen sind an sehr enge und strenge Kriterien gebunden und eben in der 15a-Vereinba­rung geregelt. (Bundesrat Spanring: Ah, ah, ah! Also bevor das in Niederösterreich ein


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Freiheitlicher übernommen hat, war ein jeder in der Grundversorgung! Da war bei der SPÖ jeder in der Grundversorgung, der ... gehabt hat!) Die Grundversorgung umfasst Leis­tungen der Unterbringung, des Verpflegungsgeldes, der Krankenversicherung und der Ab­geltung für Schulbedarf, aber auch zum Beispiel Fahrtkosten zu ÄrztInnen. (Bundesrat Spanring: Und was ist passiert, als ihnen die Grundversorgung gestrichen worden ist? Nach Wien sind sie gegangen und dort haben sie die Grundversorgung gekriegt! Das muss man wissen!)

Unterbringung gibt es in sogenannten organisierten Quartieren, aber es gibt auch eine individuelle Unterbringung in Privatwohnungen, wie sie zum Beispiel jetzt im Ukraine­konflikt für die vielen Vertriebenen hauptsächlich genutzt wird. Man muss auch einmal ansprechen, dass das im Grunde ein Glücksfall für den Staat ist, dass es diese sehr große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gibt und sie Privatquartiere zur Verfügung stellt, denn es herrscht tatsächlich ein Mangel an sogenannten organisierten Quartieren. Wir hätten die Herausforderung der Unterbringung der geflüchteten Menschen ohne die Hilfe der Bevölkerung wohl kaum schaffen können. Dafür an dieser Stelle ein wirklich herzli­ches Dankeschön! (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Ich könnte jetzt – wahrscheinlich nicht zur Freude des Plenums – über die Thematik der Unterbringung von Geflüchteten noch ganz lange und ganz ausführlich reden, denn ich beschäftige mich schon seit 30 Jahren mit dem Thema und habe in dem Themenfeld wirklich schon sehr viel erlebt. Was mir immer wieder auffällt: Es herrscht in diesem Be­reich leider sehr viel Halbwissen, und das führt auch oft zu Empörung und Unmut. Eines aber kann ich ganz bestimmt und ganz sicher sagen: Die Grundversorgung ist wirklich das Minimalste, was die Menschen zum Leben zur Verfügung gestellt bekommen.

Bei der derzeitigen Teuerung und der Inflation möchte ich behaupten, dass die erste Erhöhung der Grundversorgungsleistungen seit 2016 fast schon wieder aufgefressen wurde. 100 Euro pro Monat, das sind 3,30 Euro pro Tag – so viel erhält ein schutzbedürf­tiges Kind derzeit, um den Bedarf des täglichen Lebens zu decken. (Bundesrat Ofner: Ja, das sollen erst einmal unsere Mindestpensionisten ... kriegen von euch!) So ist es in der derzeit gültigen Grundversorgungsvereinbarung geregelt: 3,30 Euro für ein Früh­stück, eine Schuljause, ein Mittagessen und ein Abendessen. Ohne große Rechenküns­te und im Wissen, dass die Lebensmittelpreise gestiegen sind, ist leicht erkennbar, dass das fast nicht reicht, um satt zu werden.

Zukünftig wird jetzt endlich, Gott sei Dank, dieser Satz auf 145 Euro pro Monat angeho­ben, das sind 4,80 Euro pro Tag. Gut ist auch, dass es seit 1.7.2017 für Menschen in der Grundversorgung die Möglichkeit gibt, mittels eines sogenannten Dienstleistungs­schecks etwas Geld dazuzuverdienen. Es gilt vor allem für die Gruppe der Ukraine­rInnen, dass sie jetzt schnell zu einer Beschäftigungsbewilligung kommen können. Denn in Wirklichkeit möchten geflüchtete Menschen – auch das kann ich aus meiner jahrzehn­telangen Erfahrung sagen – nicht auf Unterstützung angewiesen sein, sondern für sich selber sorgen können. (Bundesrat Ofner: Ja genau, die Schwarzarbeiter!) Das ist nicht immer möglich, und deshalb brauchen wir eben die Grundversorgung.

Ich denke, dass es in unser aller Sinn ist, diese Änderungen in der 15a-Vereinbarung auf den Weg zu schicken. Wir sichern mit der Erhöhung der Kostensätze die Lebens­grundlage für schutzbedürftige Menschen. Vielleicht ist es dadurch auch möglich, dass die eine oder andere NGO ihr organisiertes Quartier erhalten kann, denn nicht für alle Flüchtlinge ist es möglich, ein privates Quartierangebot, ein Wohnangebot zu erhalten. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Und in noch einem sind wir uns hoffentlich einig (Rufe bei der FPÖ: Nein! Nein!): Wer vor dem Krieg flieht und sein Zuhause verloren hat, dem sollten wir Unterkunft, Verpfle­gung, Krankenversorgung und Schutz bieten. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

22.00



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 207

Präsidentin Korinna Schumann: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Karner gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


22.00.54

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Auch ich möchte einige Worte zu dieser Zusatzvereinbarung zur Grundversorgungsvereinbarung sagen, um die es nämlich bei diesem Tagesordnungspunkt geht.

Ich möchte auch sagen, dass viele wichtige Themen in dieser Debatte angesprochen worden sind. Die Kindeswohlkommission ist angesprochen worden. – Ja, darüber sollten wir reden, müssen wir auch weiter reden. Das wurde auch gestern angesprochen, es wurde klar erklärt, es ist aber nicht Thema dieser Debatte.

Auch über das Thema sichere Grenzen, dichte Grenzen kann man sehr intensiv und lange reden, das ist aber auch nicht Thema in der Debatte zu diesem Tagesordnungs­punkt. (Bundesrat Ofner: Das spielt hinein!)

Daher möchte ich mich einfach kurz melden, um mich bei der Länderkammer, beim Bun­desrat zu bedanken, dass das heute entsprechend von einer breiten Mehrheit be­schlossen worden ist (Bundesrat Steiner: Noch ist nichts beschlossen! Noch ist nichts beschlossen!), weil dieses Thema, das in einer guten Breite auch willkommen geheißen wird, unter den LandesflüchtlingsreferentInnen nach dem 24. Februar intensiv diskutiert wurde, als auf europäischer Ebene die Richtlinie zum temporären Schutz umgesetzt wurde, wo statt dem Einzelverfahren letztendlich ein Gesamtverfahren umgesetzt wurde. Meine Damen und Herren Bundesräte, das heißt, da ist auf der europäischen Ebene sehr wohl ein Unterschied zwischen jenen gemacht worden, die im Asylverfahren sind, und jenen Flüchtlingen aus der Ukraine, die nach Österreich gekommen sind. Es sind mittlerweile 79 000, die wir erfasst und registriert haben, überwiegend Frauen mit ihren Kindern.

Das heißt, auf der einen Seite gibt es die Richtlinie zum temporären Schutz, auf der anderen Seite das Thema Asyl, das sei auch klar gesagt. Wir haben bei diesen Lan­desreferentInnenkonferenzen am 30. März und am 10. Mai tiefgehend darüber debattiert und sind nach intensiven Verhandlungen übereingekommen, dass wir eben die entspre­chenden Quoten bei dieser Versorgung erhöhen, damit Organisationen, die diese Flüchtlinge, diese Vertriebenen unterstützen, ihre Unterstützung entsprechend gewäh­ren können. Das sind Volkshilfe, Hilfswerk, Caritas, Rotes Kreuz, viele Organisationen, die sich da verdient gemacht haben.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei diesen und auch bei Ihnen zu bedan­ken. Viele von Ihnen sind in Vereinen, in Gemeinden, in Städten tätig, die großartige Veranstaltungen gemacht haben, die Hilfstransporte organisiert haben, die vieles ge­macht haben. Es ist auch großartig, was hier in den letzten Wochen und Monaten für die Vertriebenen geschehen und gegangen ist. Vielen herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von Grünen und SPÖ.)

Damit diese Hilfe möglich war, hat man sich eben geeinigt, dass diese Tarife auch entsprechend erhöht werden, weil das nach 2016 einfach notwendig war – das wurde auch von meinen Vorrednern entsprechend gesagt.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch beim ehemaligen Flüchtlingskoordinator General­major Michael Takacs bedanken, der das über viele Monate gemacht hat. Jetzt macht das Mag. Achrainer von der BBU, und ich denke, dass da wirklich sensibel vorgegangen wird und auch entsprechend darauf geachtet wird, dass diejenigen Unterstützung be­kommen, die unsere Unterstützung auch brauchen.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 208

Vielleicht noch ein paar Zahlen, damit man das ein bisschen ins richtige Licht rückt: Ins­gesamt sind 88 000 Personen in der Grundversorgung. Davon sind 57 000 aus der Uk­raine, das heißt Vertriebene, Kriegsvertriebene, der Rest sind Asylwerber. Sie sind beide im selben System. Herr Bundesrat, da haben Sie vielleicht auch etwas verwechselt, aber das ist ja auch legitim. (Bundesrat Ofner: Na, na! Um Asylstatus haben 480 angesucht! Dann haben Sie es falsch gesagt im Nationalrat!) Noch einmal: Das soll man debattieren und diskutieren, aber ich halte es für wichtig, dass wir diesen Schritt machen, dass wir uns darauf geeinigt haben.

Ich bedanke mich noch einmal bei Ihnen, dass Sie in einer breiten Mehrheit vorhaben, Ihre Zustimmung zu diesem Schritt zu geben, weil es jenen hilft, die selber helfen wollen. Das tun Gott sei Dank viele in diesem Land. Für diese Hilfe bin ich Ihnen allen dankbar. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Ofner: ... das ist auch ÖVP!)

22.05


22.05.08

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

22.05.3526. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das IPR-Gesetz, das Außerstreitgesetz und die Notariatsordnung geändert werden (Unterbrin­gungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 – UbG-IPRG-Nov 2022) (1527 d.B. und 1561 d.B. sowie 11016/BR d.B. und 11052/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


22.05.52

Berichterstatter Sebastian Kolland: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das IPR-Gesetz, das Außerstreitgesetz und die Notariatsordnung geändert werden.

Die Unterlagen liegen Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme sogleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. Der Beschluss selbst, so höre ich, wird einstimmig erfolgen.


22.06.30

Präsidentin Korinna Schumann: Mir liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 209

22.06.5827. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Übernahmegesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Übernahmegesetz-Novelle 2022 – ÜbG-Nov 2022) (1526 d.B. und 1562 d.B. sowie 11053/BR d.B.)


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. – Ich bitte um den Bericht.


22.07.15

Berichterstatterin Barbara Tausch: Ich darf den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Übernahmegesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden – das ist die Übernahmegesetz-Novelle 2022 –, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Korinna Schumann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.


22.08.01

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das könnte eigentlich eine unspektakuläre Novellierung sein – es wird eine EuGH-Entscheidung umgesetzt.

Grob zusammengefasst ist es darum gegangen, dass die Übernahmekommission, die bei der Wiener Börse angesiedelt ist, seitens des EuGH als parteiisch eingestuft wurde, also nicht als Gericht angesehen wurde, weil die Möglichkeit einer Parteilichkeit festge­macht wurde. Der EuGH hat gemeint, wir bräuchten da einen echten Instanzenzug. Deshalb wurde der Rekurs statt an den OGH an das Oberlandesgericht Wien vorge­schrieben, wo dann eben auch eine rechtliche Beurteilung und eine Sachverhaltsüber­prüfung erfolgen. – So weit, so gut.

Was nicht gut ist, ist, was eben auch in diese Novellierung eingeschleust wurde, nämlich eine Verschlechterung der Stellung von Kleinaktionärinnen und Kleinaktionären und gleichzeitig eine Begünstigung von Großaktionären. Das finden wir einfach nicht in Ord­nung.

Konkret geht es um das sogenannte Creeping-in: Große Aktionärinnen und Aktionäre können sich sozusagen in ein börsennotiertes Unternehmen hineinschleichen, Aktien hinzuerwerben, ohne ein Pflichtangebot auszulösen. Das soll nun erleichtert werden, indem die Schwellenwerte von 2 auf 3 Prozent angehoben werden. Das bedeutet na­türlich, dass im Endeffekt die Großen zulasten der Kleinaktionärinnen und Kleinaktionäre leichter größer werden.

Das kritisieren nicht nur wir, das kritisiert auch der Interessenverband für Anleger und Anlegerinnen, das kritisieren die AK und auch der Präsident der Rechtsanwaltskammer und die Übernahmekommission selbst – da muss also schon etwas dran sein. Es setzt sich anscheinend das Prinzip der Bundesregierung weiter fort: Die Großen sollen größer werden, die Kleiner sollen kleiner gemacht werden. Da gehen wir einfach nicht mit, des­halb die Ablehnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Nichtsdestotrotz wünschen wir alle, wünsche ich Ihnen persönlich allen einen wunder­schönen, erholsamen Sommer. (Beifall bei der SPÖ.)

22.10



BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 210

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile ihr dieses.


22.11.01

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen, falls noch jemand um diese Ta­geszeit zuschaut! Eigentlich wollte ich es ganz kurz machen, aber ich muss jetzt doch mehr zu diesem Tagesordnungspunkt sagen, denn das, was meine Vorrednerin gesagt hat, dass die Begründung des Europäischen Gerichtshofs war, dass der Oberste Ge­richtshof parteiisch sei, stimmt so einfach nicht, und das möchte ich jetzt auch näher aus­führen.

Das Übernahmegesetz reguliert die öffentlichen Angebote zum Erwerb von Beteiligungs­papieren, die von einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland ausgegeben wurden und an einer österreichischen Börse zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind. Wer eine unmittelbare oder mittelbare kontrollierende Beteiligung an einer Zielgesell­schaft erlangt, muss dies der Übernahmekommission unverzüglich mitteilen und inner­halb von 20 Börsentagen ab Kontrollerlangung ein Angebot für alle anderen Beteili­gungspapiere der Zielgesellschaft anzeigen.

Die gegenständliche Abänderung des Übernahmegesetzes wird durch die Rechtspre­chung des Europäischen Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren zu C-546/18 notwendig. Die geltende Rechtslage soll in Einklang mit den Vorgaben dieses Urteils gebracht werden. Zudem sollen im Zuge der gegenständlichen Gesetzesanpassung die Regelungen zum sogenannten Creeping-in angepasst werden.

Eigentlich wollte ich nicht wörtlich zitieren, was der Europäische Gerichtshof geschrieben hat, aber ich mache es jetzt doch. Also wörtlich hat der Europäische Gerichtshof im zu­grunde liegenden Verfahren festgestellt, dass die „Art. 4 und 17 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahme­angebote [...] im Licht der durch das Unionsrecht garantierten Verteidigungsrechte, ins­besondere des Rechts auf Anhörung, sowie der Art. 47 und 48 der Charta der Grund­rechte der Europäischen Union dahin auszulegen“ sind, „dass sie einer Praxis eines Mit­gliedstaats entgegenstehen, nach der eine rechts- bzw. bestandskräftige Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen diese Richtlinie festgestellt wurde, in einem späteren wegen dieses Verstoßes geführten Verwaltungsstrafverfahren Bindungswirkung entfaltet, so­weit die Parteien dieses Verfahrens im vorangegangenen Verfahren zur Feststellung dieses Verstoßes die Verteidigungsrechte, insbesondere das Recht auf Anhörung, nicht uneingeschränkt wahrnehmen konnten sowie das Aussageverweigerungsrecht und die Unschuldsvermutung nicht in Bezug auf Tatsachen geltend machen bzw. nutzen konn­ten, auf die später der Tatvorwurf gestützt wird, oder soweit ihnen gegen eine solche Entscheidung kein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem sowohl in Sach- als auch in Rechtsfragen zuständigen Gericht gewährt wird.“ – Das war die wörtliche Begründung des Europäischen Gerichtshofs.

Vereinfacht beziehungsweise zusammengefasst gesagt hat der Europäische Gerichts­hof somit festgestellt, dass Entscheidungen der Übernahmekommission von einem Ge­richt überprüfbar sein müssen, welches über die Kompetenz zur Prüfung aller relevanten Sach- und Rechtsfragen befugt ist. Die derzeitige Rechtslage wird dieser Vorgabe nicht gerecht. Im geregelten Recht, namentlich in § 30a des Übernahmegesetzes, ist eine Re­kursmöglichkeit an den Obersten Gerichtshof vorgesehen.

Aufgrund der dabei zur Anwendung gelangenden Bestimmungen über den Revisions­rekurs stellt eine unrichtige Tatsachenfeststellung keinen Revisionsrekursgrund dar. Daher soll nun § 30a des Übernahmegesetzes angepasst werden, sodass künftig


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 211

eine Rekursmöglichkeit an das Oberlandesgericht Wien nach den Bestimmungen des Außerstreitgesetzes besteht und somit künftig sichergestellt ist, dass nun auch zusätz­lich eine Überprüfung von Tatsachenfeststellungen möglich ist – an das Oberlandesge­richt Wien deshalb, weil unsere österreichische Börse in Wien angesiedelt ist. Alles an­dere werde ich jetzt nicht weiter ausführen, aber es war mir wichtig, das zu sagen.

Weil die Kollegin auch das Creeping-in genannt hat: Das wundert mich, denn wir haben ja in unseren Ausschusssitzungen von den Experten gehört, dass dies mit keinen Nach­teilen für die kleineren Aktionäre verbunden ist. 3 Prozent Beteiligungsausbau pro Jahr, wenn ein Aktionär bereits zwischen 30 und 50 Prozent der Anteile hält, ist kein wesent­licher Ausbau der Beteiligungsverhältnisse.

Insgesamt sind die vorgeschlagenen Anpassungen des Übernahmegesetzes aus meiner Sicht zu begrüßen, da diese nicht nur eine Liberalisierung der heute eher stren­gen Regelung zum Creeping-in beinhalten, sondern auch eine europarechtskonforme Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens mit sich bringen und zudem die Rechte der Verfahrensbeteiligten stärken. Aus all diesen Gründen unterstütze ich die gegenständ­liche Gesetzesvorlage und möchte Sie bitten, dieser Gesetzesvorlage ebenfalls zuzu­stimmen.

Da ich die letzte Rednerin heute Abend bin, wünsche ich allen einen schönen und er­holsamen Sommer. – Bleiben Sie gesund! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrä­tInnen von SPÖ und Grünen.)

22.17


Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Stei­ner. Ich erteile ihm dieses. (Ruf bei der ÖVP: Na, bitte! – Bundesrat Bader: Der will uns nur einen schönen Sommer wünschen! – Ruf bei der ÖVP: Ist der Ruf einmal ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert!)


22.17.25

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Jetzt habe ich noch nicht einmal etwas gesagt! Als Fraktionsobmann ist es mir schon ein Anliegen: Es waren zwei intensive Plenartage. Seitens der freiheitlichen Fraktion wünschen wir euch allen einen schönen Sommer, besonders aber – das möchte ich schon erwähnen – den Mitarbeitern am Prä­sidium, der Sicherheit, allen Mitarbeitern im Parlament; diese hat nämlich noch niemand erwähnt.

Ich hoffe darauf, dass wir keine Sondersitzung haben, dass diese Regierung nicht wieder irgendetwas vergessen hat oder irgendetwas schnell beschließen muss, sodass sie eine Sondersitzung braucht. Somit steht für uns dieser Sommer ganz unter dem Motto: Holen wir uns unser Österreich wieder zurück! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

22.18


22.18.17

Präsidentin Korinna Schumann: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft. (Ruf: Wir auch! – Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Preineder: Wir fühlen mit der Tagesordnung!) – Dem kann ich nichts hinzufügen.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 212

22.18.51Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsidentin Korinna Schumann: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mit­gliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungs­punkte 2, 4, 7, 8, 17 und 24 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

Tagesordnungspunkt 2:

„Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird [...] ange­nommen [...].“

Tagesordnungspunkt 4:

„Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird [...] ange­nommen [...].“

Tagesordnungspunkte 7 und 8:

„Die Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 7 den Entschließungsantrag Beilage 7/1 EA ein.

Abstimmungen:

TO-Punkt 7: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird [...] angenom­men [...].

Der Entschließungsantrag Beilage 7/1 EA wird abgelehnt [...].

TO-Punkt 8: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird [...] angenom­men [...].“

Tagesordnungspunkt 17:

„Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird [...] ange­nommen [...].“

Tagesordnungspunkt 24:

„Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird [...] ange­nommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teiles des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 2, 4, 7, 8, 17 und 24 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

*****

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Korinna Schumann: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 4024/J-BR/2022 und 4025/J-BR/2022, eingebracht wurden.


BundesratStenographisches Protokoll944. Sitzung, 944. Sitzung des Bundesrates am 14. Juli 2022 / Seite 213

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 353/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Preise runter statt Einmalzahlungen, die verpuffen, bevor sie ankommen, Herr Bundeskanzler!“, der dem Wirtschaftsausschuss zugewie­sen wird,

der Entschließungsantrag 354/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingsförderung sicherstellen – Keine Kürzungen bei der Lehrlingsförderung im Budget 2023“, der dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen wird, sowie

der Entschließungsantrag 355/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pru­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung“, der dem Unterrichtsausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 6. Oktober 2022, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 4. Oktober 2022, 14 Uhr, vorge­sehen.

Auch ich darf mich ganz, ganz herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments bedanken, sei es im Expedit, sei es in der Reinigung, sei es in der Kanzlei, bei allen Kräften, die uns unterstützen, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsklubs. Vielen Dank für Ihre Unterstützung! Unsere Arbeit ist nur durch Ihre Hilfe möglich. Wir wünschen Ihnen erholsame Sommertage. (Allgemeiner Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

22.22.21Schluss der Sitzung: 22.22 Uhr

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1017 Wien