Stenographisches Protokoll

46. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 29. Jänner 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Stenographisches Protokoll

46. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode         Donnerstag, 29. Jänner 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 29. Jänner 2004: 9.00 – 22.28 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „Atomfreies Europa“

2. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 43/A (E) der Abgeordneten Mag. Ul­rike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtzustimmung Österreichs zur Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens

3. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 139/A (E) der Abgeordneten Mag. Ul­rike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forcierung der Lärmbekämpfung in Österreich

4. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 226/A (E) der Abgeordneten Dr. Ga­briela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Maßnahmen zur Ver­hinderung und Reduzierung der Lärmbelästigung

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem im Konsumentenschutzgesetz Bestimmungen über den Heimvertrag eingeführt werden (Heimvertragsgesetz – HVerG), und Bericht über den

Antrag 231/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz über ein Bundes-Heimvertragsgesetz

6. Punkt: Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit während des Auf­enthalts in Heimen und anderen Pflege- und Betreuungseinrichtungen (Heimaufent­halts­gesetz – HeimAufG)

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2003),

Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, und Bericht über die

Bürgerinitiative (10/BI) betreffend „Höhere Strafen für Kindesmissbrauch“

8. Punkt: Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes be­treffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie

9. Punkt: Kündigung des Übereinkommens über die behördliche Zuständigkeit, das an­zuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt


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10. Punkt: Bericht über den Antrag 291/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch geändert wird

11. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Gebührenge­setz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden

13. Punkt: Bericht über den Antrag 309/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR-Gesetz) geschaffen und das Vermessungsgesetz geändert wird

14. Punkt: Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 61/03a) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Rein­hold Lopatka

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Ordnungsruf ................................................................................................................. 205

Geschäftsbehandlung

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung im Zusammenhang mit der Beant­wor­tung von Fragen im Rahmen der Fragestunde:

Dr. Alexander Van der Bellen ............................................................................... 12, 14

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 12

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 13

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 13

Feststellungen des Präsidenten Dr. Andreas Khol zur Handhabung der Ge­schäftsordnung                13, 14

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Josef Cap betreffend Qualifizierung von Fragen durch ein Regierungsmitglied ......................................................................................................... 19

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen im Zusam­men­hang mit der Beantwortung von Fragen im Rahmen der Fragestunde sowie Ersuchen, die Sitzung zu unterbrechen und eine Präsidialkonferenz abzuhalten ....................................................................................... 20

Wortmeldungen in diesem Zusammenhang:

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 21

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 21

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 21

Feststellung des Präsidenten Dr. Andreas Khol betreffend Fragen und deren Beantwortung im Rahmen der Fragestunde sowie die Würde des Hauses ............................................................ 22


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Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 22

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Aus­schuss­berichtes 372 d. B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ...................................................................................... 33

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wor­tung 1014/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 35

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung........ 138

Redner:

Petra Bayr ................................................................................................................... 138

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ...................................................... 140

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 142

Mag. Walter Posch ..................................................................................................... 143

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................. 144

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 146

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 36

Antrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Dr. Günther Kräuter, Kollegin­nen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Unter­suchung der Vorwürfe gegenüber Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung ......... 221

Bekanntgabe ................................................................................................................. 100

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ........................................................................................................ 101

Redner:

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 223

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 226

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 227

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 228

Ablehnung des Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ............ 230

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen, die Regierungsvorlage 252 d. B. betreffend das E-Government-Gesetz gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungsausschuss rückzuver­wei­sen – Ablehnung ...................................... 191, 219

Feststellung des Präsidenten Dr. Andreas Khol betreffend Reihenfolge der Redner im Rahmen der Debatte über die Dringliche Anfrage sowie Erteilung von Ordnungsrufen .................. 204

Fragestunde (4.)

Finanzen ........................................................................................................................ 11

Mag. Hans Moser (38/M); Dr. Peter Pilz

Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (31/M); Sigisbert Dolinschek, Dr. Eva Glawischnig, Mag. Melitta Trunk

Mag. Werner Kogler (34/M); Kai Jan Krainer, Franz Xaver Böhm, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann


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Josef Bucher (36/M); Michaela Sburny, Ulrike Königsberger-Ludwig, Ing. Josef Winkler

Doris Bures (39/M); Konrad Steindl, Maximilian Walch, Mag. Werner Kogler

Peter Haubner (32/M); Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Sabine Mandak, Mag. Andrea Kuntzl

Dr. Peter Pilz (35/M); Dr. Günther Kräuter

Mag. Eduard Mainoni (37/M); Mag. Werner Kogler, Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Jo­hann Ledolter

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 33

Dringliche Anfragen

der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kollegin­nen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Eskalation der Gewalt und der Sprache im Zuge von Studenten­protesten der Linken (1376/J) ...................................................... 102

Begründung: Dr. Gertrude Brinek .............................................................................. 103

Bundesministerin Elisabeth Gehrer......................................................................... 109

Debatte:

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 111

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 114

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................................. 116

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 118

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 121

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 122

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 124

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ................................................................ 127, 131

Dieter Brosz ................................................................................................................ 128

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 129

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 132

Mag. Andrea Kuntzl (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 133

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 134

Mag. Wilhelm Molterer .............................................................................................. 136

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 137

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Finanzen betreffend Missachtung des Parlaments durch den Finanz­minister (1375/J) – gelangt gemäß § 57b GOG nicht zum Aufruf .............................................................................................................................. 35

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über das Volksbegehren (206 d.B.) „Atomfreies Europa“ (373 d.B.) ........................................................................................................................ 36

2. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungs­antrag 43/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen be­tref-


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fend Nichtzustimmung Österreichs zur Aufstockung des EURATOM-Kreditrah­mens (374 d.B.) ............................................................................ 36

Redner:

Mag. Ulrike Sima .................................................................................................... 36, 63

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 37

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 39

Klaus Wittauer ............................................................................................... ........ 42, 61

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ............................................................................................. 44

Erwin Hornek ................................................................................................................ 45

Heidemarie Rest-Hinterseer ....................................................................................... 46

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 48

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ............................................................................................. 50

Katharina Pfeffer .......................................................................................................... 51

Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 52

Erika Scharer ................................................................................................................ 53

Martin Preineder ........................................................................................................... 54

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (tatsächliche Berichtigung) ................................................... 55

Petra Bayr ..................................................................................................................... 55

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 62

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Dr. Eva Glawisch­nig, Kolleginnen und Kollegen betreffend die weitere Vorgangsweise Österreichs zur Reform des EURATOM-Vertrages in Richtung Umweltverträglichkeit, Aus­stieg aus der Kernenergie und Gewährleistung höchster Sicherheitsstandards – Ablehnung .......................................................................... 56, 64

Kenntnisnahme der Ausschussberichte 373 und 374 d. B. .......................................... 64

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 373 d. B. beigedruckten Ent­schließung betreffend die weitere Vorgangsweise Österreichs zur Reform des EURATOM-Vertrages in Richtung Umweltverträglichkeit, Ausstieg aus der Kern­energie und Gewährleistung höchster Sicherheitsstandards (E 36)                          64

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungs­an­trag 139/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forcierung der Lärmbekämpfung in Österreich (375 d.B.) ........................................................................................................................ 65

4. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsan­trag 226/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Maßnahmen zur Verhinderung und Reduzierung der Lärm­belästigung (376 d.B.) ................................................................ 65

Redner:

Mag. Ulrike Sima .......................................................................................................... 65

Norbert Sieber .............................................................................................................. 65

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 67

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 69

Karl Dobnigg ................................................................................................................. 70

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ............................................................................................. 71

Heidemarie Rest-Hinterseer ....................................................................................... 72

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 73

Gerhard Steier .............................................................................................................. 75

Gerhard Reheis ............................................................................................................ 75

Dr. Robert Rada ............................................................................................................ 76

Anita Fleckl ................................................................................................................... 77


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Kenntnisnahme der Ausschussberichte 375 und 376 d. B. .......................................... 78

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 376 d. B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Forcierung der österreichischen Lärmbekämpfung und rasche Umsetzung der EU-Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Be­kämp­fung von Umgebungslärm in das österreichische Recht (E 37)                        78

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (202 d.B.): Bundesgesetz, mit dem im Konsumentenschutzgesetz Bestimmungen über den Heimvertrag eingeführt werden (Heimvertragsgesetz – HVerG), und über den

Antrag 231/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über ein Bundes-Heimvertragsgesetz (377 d.B.) .......................................................... 79

6. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (353 d.B.): Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit während des Aufent­halts in Heimen und anderen Pflege- und Betreuungseinrichtungen (Heimaufent­haltsgesetz – HeimAufG) (378 d.B.) ................. 79

Redner:

Mag. Heribert Donnerbauer ........................................................................................ 79

Dr. Johannes Jarolim .................................................................................................. 81

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 82

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 84

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 85

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .............................................................. 87, 95

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ................................................................................. 88

Mag. Johann Maier ....................................................................................................... 89

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 91

Theresia Haidlmayr ...................................................................................................... 92

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................... 96

Mag. Ruth Becher ........................................................................................................ 97

Dr. Kurt Grünewald ...................................................................................................... 99

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................................... 101

Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 148

Anna Franz .................................................................................................................. 149

Franz Glaser ................................................................................................................ 150

Ingrid Turkovic-Wendl ............................................................................................... 151

Sabine Mandak ........................................................................................................... 152

Mares Rossmann ....................................................................................................... 153

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über ein Bundes-Heimvertragsgesetz (231/A) – Ablehnung         .............................................................................................................. 86, 155

Annahme der Gesetzentwürfe in 377 und 378 d. B. .................................................... 154

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 377 d. B. hinsichtlich des Antrages 231/A                       154

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 378 d. B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Bericht über die Erfahrungen mit der Anwendung des Heimaufenthaltsgesetzes (E 38) ....... 155

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (294 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das


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46. Sitzung / Seite 7

Gerichtsorganisationsgesetz, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2003), über die

Regierungsvorlage (309 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch ge­ändert wird, und über die

Bürgerinitiative (10/BI) betreffend „Höhere Strafen für Kindesmissbrauch“ (379 d.B.)                     155

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (18 d.B.): Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie (380 d.B.) ............................................................................... 156

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 156

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 157

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) .................................... 159

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 159

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 161

Mag. Dr. Josef Trinkl .................................................................................................. 167

Dr. Christian Puswald ................................................................................................ 169

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 171

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................. 172

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 173

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 175

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .......................................................... 176, 180

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 177

Sabine Mandak ........................................................................................................ ... 178

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................... 180

Annahme des Gesetzentwurfes in 379 d. B. ............................................................... 181

Genehmigung des Staatsvertrages in 380 d. B. .......................................................... 182

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 380 d. B. ........ 182

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 380 d. B. ........ 182

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (53 d.B.): Kündigung des Übereinkommens über die behördliche Zuständigkeit, das anzu­wendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt (346 d.B.) .................. 182

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 291/A der Abgeord­neten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch geän­dert wird (347 d.B.) .............................................................. 182

11. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichts­gesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden (348 d.B.) ...................................................................................................................... 183

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 183

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 184


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46. Sitzung / Seite 8

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 184

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 185

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................................. 186

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 186

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 187

Genehmigung der Kündigung des Übereinkommens in 346 d. B. ............................... 188

Annahme der Gesetzentwürfe in 347 und 348 d. B. .................................................... 188

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 347 d. B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Stärkung des Vertrauens in die österreichische Wirtschaft (E 39) ............................................. 188

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (252 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird so­wie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Gebührengesetz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereinsgesetz 2002 geän­dert werden (382 d.B.) ......................................................................................................... 189

13. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 309/A der Ab­geordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR-Gesetz) geschaffen und das Ver­messungsgesetz geändert wird (383 d.B.) .................................................................. 189

Redner:

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 189

Fritz Neugebauer ........................................................................................................ 191

Dr. Peter Wittmann (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 194

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 194

Dipl.-Ing. Elke Achleitner .............................................................................. .... 196, 217

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 197

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 199

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 201

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 202

Josef Bucher ............................................................................................................... 205

Stefan Prähauser ........................................................................................................ 207

Mag. Hans Langreiter................................................................................................. 208

Otto Pendl ................................................................................................................... 209

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 210

Mag. Walter Posch ..................................................................................................... 212

Helga Machne ............................................................................................................. 213

Peter Marizzi ............................................................................................................... 214

Ing. Josef Winkler ....................................................................................................... 215

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 216

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 216

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Dr. Peter Witt­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des E-Government-Ge­setzes (Bürgerkartennutzung) – Ablehnung       ............................................................................................................ 195, 220

Annahme der Gesetzentwürfe in 382 und 383 d. B. .................................................... 219

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 383 d. B. beigedruckten Ent­schließung betreffend gesamtösterreichische Geodatenpolitik (E 40) ............................................................ 220


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46. Sitzung / Seite 9

14. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landes­gerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 61/03a) um Zustimmung zur behörd­li­chen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Reinhold Lopatka (372 d.B.) ................................................................................... 220

Annahme des Ausschussantrages .............................................................................. 220

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 33

387: Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschussgesetz und das Karenz­geldgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden

388: Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Ge­meinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen Republik andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte

389: Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der De­mokratischen Volksrepublik Algerien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte

Anträge der Abgeordneten

Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Durchsetzung dringen­der Maßnahmen zur Einschränkung der Transitlawine im Tourismusland Kärnten (326/A) (E)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einführung eines direkten Zuschusses zur Beschleunigung von Einbau und der Nachrüstung dieselbetriebener Kraftfahrzeuge mit einem Partikelfilter (327/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz für ein unab­hän­gi­ges Verfahren unter UNO-Aufsicht bei Behandlung der irakischen Schulden (328/A) (E)

Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 – ZTKG geändert wird (329/A)

Ing. Josef Winkler, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Regelung des Arbeitsrechtes in der Land- und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 1984 – LAG) geändert wird (330/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Missachtung des Parlaments durch den Finanzminister (1375/J)

Dr. Gertrude Brinek, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Eskalation der Gewalt und der Sprache im Zuge von Studentenprotesten der Linken (1376/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend betriebswirtschaftliche Evaluierung von Bergschäden durch Ernst & Young (1377/J)


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46. Sitzung / Seite 10

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend betriebswirtschaftliche Evaluierung von Bergschäden (1378/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Ange­legenheiten betreffend die österreichische Entwicklungshilfe (1379/J)

Mag. Hans Langreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Durchsetzung des Sorgerechts in Salzburg (1380/J)

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ak­tien­besitz und Unvereinbarkeitsausschuss (1381/J)

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vortragstätigkeit des Finanzministers (1382/J)

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umsetzung der GAP-Reform in Österreich (1383/J)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend fehlende Antworten bei der Anfragebeantwortung 1050/AB zum Pflegescheck in Kärnten (1384/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend spezifische Leistungen für Kinder und Jugendliche von Asylwer­berInnen in Bundesbetreuung bzw. i. R. der am 1. Mai 2004 in Kraft tretenden Grund­versorgungsvereinbarung – Art. 15a B-VG (1385/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Strafrechtliches Entschädigungsgesetz (StEG) II (1386/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Pensionsanträge – Mo­nate­langes Warten!" (1387/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bahnhofsumbau Salzburg – Finanzierung – Be­ginn der Bauarbeiten (1388/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Vollziehung Preisauszeichnungsgesetz – Marktbeobachtung in Österreich (1389/J)

Doris Bures, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Absiedelung des Gerichtsgebäudes Riemergasse – ein ganzes Vier­tel stirbt! (1390/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Weiterbau der Güterzugumfahrung St. Pölten (1391/J)

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend finanzielle Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds (1392/J)

 



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Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße alle Damen und Herren Abgeordneten und bitte, die Plätze einzunehmen.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Spindelegger, Fuhrmann, Schie­der, Oberhaidinger und Öllinger.

Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur Fragestunde, die ich um 9.01 Uhr beginne.

Bundesministerium für Finanzen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen zur 1. Anfrage des Abgeordneten Mag. Moser an den Herrn Bundesminister für Finanzen. – Bitte, Herr Kollege.

 


Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

38/M

„Wann wurde Ihnen als Minister bekannt, dass engste persönliche Mitarbeiter von Ihnen einen Verein gegründet haben, der mit umfangreichen Spendemitteln der Indus­triellenvereinigung eine Homepage mit Ihrem Namen betreibt?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nachdem ich bereits im Rahmen einer Vielzahl von dringlichen Anfragebeantwortungen, schrift­li­chen Anfragebeantwortungen und verschiedenen Diskussionen im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses zu diesem Sachverhalt Stellung genommen habe, ver­weise ich auf meine diesbezüglichen Aussagen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage, Herr Kollege? (Abg. Dr. Van der Bellen: Das soll eine Fragestunde sein?! – Abg. Eder: Geben Sie eine Antwort! – Rufe: Das ist keine Antwort, bitte! Mehr Respekt, bitte! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich bitte das Hohe Haus, Ruhe zu bewahren – und Herrn Kollegen Moser, seine Zu­satzfrage zu formulieren!

 


Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang notwendig, dem Hohen Haus die Grundzüge jener Antworten (Rufe bei der ÖVP: Fra­ge!), die Sie im Rahmen dieser Unterausschüsse gegeben haben, zu erläutern. Daher bitte ich Sie, die drei wesentlichen Aussagen dazu dem Hohen Haus noch einmal zu erörtern.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Minister, bitte.

 



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Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter! Hohes Haus! Da es in dieser Frage auch von KollegInnen dieses Hohen Hau­ses mehrere Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft gibt, bin ich sehr dafür – das würde uns allen gut anstehen –, dass man sagt, unabhängige Behörden, denen bereits im Som­mer letzten Jahres alles offen gelegt wurde, sollen sich das im Detail ansehen, sollen das im Detail prüfen und dann das Ergebnis vorstellen. (Abg. Eder: Dreck am Stecken oder nicht?) Ich habe dazu im Hohen Haus ausführlich Stellung genommen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine Zusatzfrage wünscht Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sie sind offensichtlich nicht bereit, Fragen (Rufe bei der ÖVP: Frage! Fragen Sie einmal!) zu all den Vorkommnissen, die wir da haben, zu beantworten. Deswegen stelle ich eine ganz einfache Frage an Sie: Sie befolgen hier offensichtlich das Gesetz des Schweigens. Wie heißt die sizilianische Organisation, die dieses Gesetz des Schweigens zu ihrem Prinzip gemacht hat? (Abg. Dr. Fasslabend: Das ist eine Frech­heit! – Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Abgeordneter Pilz! Ich darf Ihnen mit Genossen Lenin antworten, der einmal sinngemäß gesagt hat: Wenn man jemandem mit politischen Argumenten nicht beikommen kann, dann soll man ihn kriminalisieren. – Sie werden keinen Erfolg haben mit dieser Vorgangsweise! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.

Wir kommen zum zweiten Fragenkomplex. (Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Geschäfts­ordnung!) – Herr Kollege Van der Bellen, zur Geschäftsbehandlung, bitte.

 


9.04

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich bitte um Aufklärung: Es gibt eine Fragestunde dieses Hohen Hau­ses. (Abg. Eder: Missbrauch ist das!) Heißt das, dass in dieser Fragestunde nur Fra­gen gestellt werden dürfen, aber auf die Antworten können wir verzichten? – Ich bin davon ausgegangen, dass ein Minister – schon allein aus Höflichkeit dem Parlament ge­genüber – zumindest ein Minimum an Verpflichtung hat, auf eine Frage zu ant­wor­ten. (Abg. Dr. Fasslabend: Das macht er auch! – Zwischenruf der Abg. Dr. Par­tik-Pablé.) Das ist doch ein Witz, was der Finanzminister hier macht! (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)

9.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Molterer. – Bitte.

 


9.04

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Meine Da­men und Herren! Hohes Haus! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist doch eine Frechheit, was Pilz gefragt hat!) Ich verweise nur auf die Geschäftsordnung (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Van der Bellen, Sie sollten sich distanzieren von einer solchen Frage!), die das ganz klar regelt, und zwar besagen § 91 GOG beziehungsweise die Erläuterungen dazu, dass es im Ermessen des Befragten steht, wie eine Frage zu beantworten ist.


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Ich mache aber darauf aufmerksam, dass die Antwort auf eine Frage selbstver­ständ­lich auch von der Qualität der Frage abhängig ist, Herr Kollege Pilz! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


9.05

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Ich glaube, die Geschäftsordnung gibt ausreichend Auskunft darüber, wie die Fragestunde abzuhalten ist und vor allem auch wie die Beantwortung zu erfolgen hat. Der Minister ist verpflichtet, eine Antwort zu geben. Welchen Inhalt diese Antwort hat, das kann ihm natürlich nicht vorgeschrieben werden. Ich glaube aber, wenn hier schon über die Würde des Hohen Hauses gesprochen wird, dann wäre es auch sinnvoll, dass man gerade die Fragestunde, bei der es darum geht, den Minister über Belange seines Ressorts zu befragen, nicht zu einer politischen Debatte ausarten lässt. Dazu haben wir gestern schon genug Gelegenheiten gehabt. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

9.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

 


9.06

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mag. Moser hat ordnungs­gemäß eine Anfrage eingebracht. – Herr Bundesminister Grasser hat die Antwort ver­weigert. Das ist ein glatter Bruch der Geschäftsordnung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.06

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Wir haben es hier mit einem Fall zu tun, den ich während meiner 20-jährigen Praxis als Abgeordneter immer wieder erlebt habe: Ein Bundesminister wird gefragt; er gibt entsprechend der Geschäfts­ord­nung jene Antwort, die er politisch zu verantworten hat. Das Hohe Haus muss sich mit dieser Anfragebeantwortung zufrieden geben. (Abg. Dr. Van der Bellen: Genau so ist es!)

Ich zitiere § 94 Abs. 2 unseres Geschäftsordnungsgesetzes:

„Das befragte Mitglied der Bundesregierung oder der im Sinne des § 19 Abs. 1 zum Wort gemeldete Staatssekretär ist verpflichtet, die Anfragen mündlich in derselben Sit­zung, in der sie aufgerufen werden, zu beantworten. Ist den Genannten die Erteilung der gewünschten Auskunft nicht möglich, so haben sie dies in der Beantwortung zu begründen.“ (Abg. Dr. Van der Bellen: § 96 (2)!)

Das heißt also: Der Herr/die Frau Minister hat zu antworten, aber was er/sie sagt – um Gender-gerecht zu sprechen –, ist in der Geschäftsordnung nicht geregelt. Wir haben hier eine ständige Praxis. (Abg. Dr. Van der Bellen: Nein, ich bin nicht Ihrer Ansicht!)

Damit ist diese Runde der Geschäftsordnung unserer Praxis entsprechend beendet. (Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Geschäftsordnung!)

Herr Kollege Van der Bellen! Wir haben in der Präsidiale die Praxis vereinbart, dass es, wenn man keine Anträge stellt, trotzdem möglich ist, dass über den Ablauf des Ver­fahrens jede Fraktion einmal zu Wort kommt. Das ist geschehen, jede Fraktion ist einmal zu Wort gekommen, und es ändert sich nichts. (Abg. Dr. Van der Bellen: Ich


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kann mich zur Geschäftsordnung jederzeit melden!) – Bitte, Herr Kollege Van der Bellen.

 


9.08

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Ich beginne mich zu wundern, Herr Präsident! (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Ich mich auch!) § 94 Abs. 2 ist nicht der einzige Paragraph der Geschäftsordnung, der hier in Frage kommt. Ich verweise auf § 96 Abs. 2, der sich ausdrücklich auf die Fra­gestunde bezieht.

Im § 96 Abs. 2 heißt es: „Die Beantwortung hat so kurz und konkret zu erfolgen, wie es die Anfrage zuläßt.“ (Abg. Scheibner: Dann solltet ihr eine gescheite Anfrage stellen!)

Herr Kollege Moser hat eine vollkommen klare und eindeutige Frage gestellt – und der Finanzminister weigert sich, diese zu beantworten.

Ich soll hier einen Antrag stellen, dass die Geschäftsordnung des Nationalrates einge­hal­ten wird? Meinen Sie das im Ernst, Herr Präsident? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Über die Einhaltung der Geschäftsordnung wacht der Präsident, das wissen Sie. Sie wissen auch, dass es die ständige und stetige Praxis gibt, dass die Antwort des befragten Regierungsmitgliedes inhaltlich von mir nicht be­urteilt wird – und auch von Ihnen nicht beurteilt wird. (Abg. Dr. Puswald: Sie haben verlesen: Nur wenn es nicht möglich ist!) Dass man sich lediglich mit der politischen Verantwortung des betreffenden Regierungsmitgliedes begnügen muss, ist ständige Praxis. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Puswald: Der Herr Finanzminister hat nicht gesagt, dass es nicht möglich ist!)

Ich bin aber jederzeit bereit, eine Präsidialkonferenz im Laufe des Tages einzuberufen, im Rahmen derer wir diese Frage erneut besprechen, würde jedoch vorschlagen, dass wir jetzt in der Fragestunde weiter fortsetzen, so wie es der Praxis des Hohen Hauses entspricht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir gelangen zur 2. Anfrage, das ist die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer. – Herr Kollege, ich bitte Sie, Ihre Frage zu formulieren.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Herr Finanzminister! Ich stelle eine für mich als Kärntner Abgeordneter wichtige Sachfrage:

31/M

„Welche Schwerpunkte enthalten die Konjunktur- beziehungsweise Wachstumspakete der Bundesregierung für den Arbeits- und Wirtschaftsstandort Kärnten?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Werter Herr Abgeordneter Auer! Ich möchte zunächst einmal fest­stel­len, dass sich die Konjunktur- und Wachstumspakete selbstverständlich bundesein­heitlich auswirken. Das heißt, alle darin getroffenen Maßnahmen wirken sich selbst­verständlich auch auf Kärnten aus. (Abg. Dr. Puswald: Diese Platte kommt immer wieder! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Her­ren! Ich würde Sie bitten, die Fragestunde in Ordnung durchzuführen, ersuche Sie, Ihre


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Plätze einzunehmen und dem Herrn Minister zuzuhören! (Abg. Dr. Puswald: Wieso müs­sen wir uns das immer wieder anhören? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): Es war dazu notwendig, Herr Abgeordneter, dass wir zuerst einen Weg der Sanierung, sprich: der Kon­solidierung des Haushaltes beschritten haben, um die Möglichkeit eines finanziel­len Spielraums zu haben, um gegensteuern zu können. Genau das haben wir gemacht mit zwei Konjunkturbelebungspaketen (Abg. Dr. Pilz: Schmiere!), mit einem Wachs­tums- und Standortpaket (Abg. Dr. Pilz: Schmiere!) sowie mit der ersten beziehungs­weise der zweiten Etappe der Steuerreform. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Hören Sie nicht, was Kollege Pilz sagt? Sonst sind Sie immer so heikel!)

Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat geschätzt, dass die beiden Konjunkturpakete im Jahre 2003 einen Effekt von 0,5 bis 0,75 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hatten, dass es vor allem Vorzieheffekte bei den Investitionen gegeben hat, und zwar in einem Ausmaß von 0,25 Prozent des BIP, und dass es zum Beispiel auf Grund der Maß­nahme, die wir mit der Einführung der Lehrlingsprämie in der Höhe von 1 000 € pro Jahr und Lehrling umgesetzt haben, bei einem Viertel der ausbildenden Sachgüter­erzeuger und bei der Hälfte der ausbildenden Dienstleister mehr Lehrlinge gibt, als das bisher der Fall war.

Wir sehen weiters, dass sich der Bildungsfreibetrag beziehungsweise die Bildungs­prämie sehr positiv auswirkt; genauso ist es mit dem Forschungsfreibetrag und der For­schungsprämie.

Zu den besonderen Vorteilen, was das Bundesland Kärnten betrifft, zählt für mich die vorzeitige Abschreibung für Betriebsgebäude. Da in den Konjunkturpaketen I und II diese vorzeitige Abschreibung vorgesehen ist und Kärnten ein besonderes Touris­musland ist, sehen wir auf Grund des hohen Anteils an Gebäudeinvestitionen auch verstärkte Wirkungen für das Bundesland Kärnten.

Zweiter Punkt, was die erste Etappe der Steuerreform betrifft, mit der der halbe Durch­schnittssteuersatz für den nicht entnommenen Gewinn eingeführt wurde: Das ist eine ganz wichtige Eigenkapitalbildungsmaßnahme besonders für die vielen Klein- und Mit­tel­betriebe im Tourismus in Kärnten. Das heißt, diese Maßnahmen sind durchaus ge­rade auch für das Tourismusland Kärnten sehr sinnvoll gewesen.

Ein anderes Beispiel: Von Produzenten wie Infineon, also im Bereich der Mikroelek­tronik, sind der Forschungsfreibetrag und der Bildungsfreibetrag sehr positiv angenom­men worden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Herr Bundesminister! Im Rahmen des Konjunkturpaketes II wurde ein Sonderprogramm für Jugendliche beschlossen. (Abg. Dr. Pilz: Schmiere!) Wie hat sich dieses Sonderprogramm in Kärnten entwickelt? (Abg. Dr. Pilz: Schmiere!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter! Dieses Programm richtet sich (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident! Wieso ist das kein Ordnungsruf, wenn Pilz andauernd „Schmiere“ schreit? Sonst sind Sie so empfindlich, was die Ordnungsrufe betrifft!), wie Sie wissen, schwerpunktmäßig an we­ni­ger qualifizierte Jugendliche unter 25 Jahren, die länger als drei Monate beim Ar­beits­­marktservice Österreich vorgemerkt sind.

Für dieses Sonderprogramm Jugendliche waren im Jahr 2003 insgesamt rund 80 Mil­lionen € zusätzlich im Bundesvoranschlag dotiert. Vom AMS Kärnten wurden für


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Zwecke des Sonderprogramms Jugendliche in den Jahren 2002 und 2003 rund 6,4 Mil­lionen € eingesetzt. Das heißt, wir konnten damit auf vorläufiger Basis in etwa 1 300 Ju­gendliche fördern. Ich glaube, das ist ein wichtiger Erfolg für das Bundesland Kärnten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Do­linschek. – Bitte.

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Welche arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und Initiativen werden im Jahr 2004 zur Bekämp­fung der Jugendarbeitslosigkeit insbesondere in Kärnten gesetzt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter Dolinschek! Sie wissen, dass im EU-Vergleich Österreich mit 7,4 Prozent die zweitniedrigste Jugendarbeitslosenrate hat. Das heißt, wir sind da Gott sei Dank sehr erfolgreich. Wir versuchen, noch besser zu werden, daher hat das AMS vom zu­ständigen Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein den Auftrag bekommen, mit Beginn des Jahres 2004 – es ist also bereits erfolgt – das Programm „Jobs for You(th) 04“ zu starten.

Im Rahmen dieser Initiative werden neue Beschäftigungsmöglichkeiten für rund 6 000 junge Menschen geschaffen. Die Bundesregierung stellt dafür mehr als 66 Millionen zusammen mit Zusatzfinanzierungen des AMS zur Verfügung. Dem AMS Kärnten werden im Rahmen dieses Programms im Jahr 2004 rund 3,6 Millionen € zur Verfü­gung stehen. Für das Jahr 2005 sind laut Planungen des AMS 1,38 Millionen € für Kärn­ten vorgesehen. Ich dachte, das interessiert Sie, da Sie auch aus Kärnten kom­men. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Glawisch­nig, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich würde gerne etwas anderes hören als Werbesprüche. Ich möchte Sie daher konkret fragen: Sie sagen immer, alle profitieren von der Steuerreform. In Kärnten gibt es über 28 000 Betriebe, davon profitieren 4 000 nur theoretisch von der Steuerreform. Sie sa­gen außerdem, man profitiere von den nicht entnommenen Gewinnen. (Rufe bei der ÖVP: Frage!) – Lassen Sie mich vielleicht einmal in Ruhe meine Frage formulieren!

Herr Bundesminister! Alle werden gewinnen, haben Sie gesagt. Ich glaube, Sie kennen die Situation nicht: Die meisten dieser Betriebe kämpfen ums Überleben und haben nicht die geringste Chance, überhaupt darüber nachzudenken, Gewinne zu machen. (Rufe bei der ÖVP: Frage!) Ich möchte Sie daher endlich einmal ernsthaft fragen: Wieso sagen Sie immer nur plakatförmige Werbesprüche, und wieso sagen Sie nie etwas ernsthaft zu den Fakten, so wie auch schon bei der ersten Frage? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist keine Wahlveranstaltung!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abge­ord­nete Glawischnig! Da ich in Kärnten unter anderem vier Jahre lang als Touris­musreferent, als Gewerbereferent, als Wirtschaftsreferent der Kärntner Landesre­gie­rung tätig war (Abg. Mag. Posch: Erfolglos!), glaube ich, dass ich die Situation der Betriebe und die wirtschaftliche Situation in Kärnten ganz gut einschätzen kann. (Abg. Mag. Hans Moser: So schaut es auch aus!) Gleichzeitig weiß ich, wie sich die erste und die zweite Etappe der Steuerreform auswirken. Seien Sie versichert, dass mit der ersten Etappe, 100 000 € Gewinngrenze, der Gewinn im Unternehmen bleibt, denn bis


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dorthin kann man den halben Durchschnittssteuersatz für den nicht entnommenen Ge­winn anwenden. Zweite Etappe: 25 Prozent Körperschaftsteuersatz; damit treffen wir alle Steuer zahlenden Unternehmen mit Ausnahme der Freiberufler, für die wir aus ökonomischen Gründen in dieser Etappe noch keine Initiative vorgesehen haben.

Alle produzierenden Betriebe, alle Gewerbebetriebe, alle Handelsbetriebe werden von diesen Maßnahmen profitieren. (Abg. Mag. Hans Moser: Wenn sie Gewinn haben!) Damit darf ich Ihnen sagen: Ohne diese spezifische Treffsicherheit für die Klein- und Mittel­betriebe hätten wir diese Steuerreform niemals auf den Weg geschickt. Ich kom­me aus einem Klein- und Mittelbetrieb, der weniger als 20 Mitarbeiter gehabt hat, und daher sind mir diese Klein- und Mittelbetriebe ein großes Anliegen. (Abg. Dr. Pilz: Magna!) Diese Steuerreform dient der breiten Masse der Klein- und Mittelbetriebe und ist wichtig für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort.

Weiters darf ich Ihnen sagen, da Sie Kärnten dermaßen kritisch ansprechen, dass wir mit dem Land Kärnten zum Beispiel über die BABEG eine Förderung in der Höhe von 18,2 Millionen € für die Technologie-Infrastruktur im Projekt Lakeside-Park vereinbart haben, die schon abgewickelt wurde.

Ich darf Ihnen sagen, wir haben eine Grenzlandförderung mit dem Land Kärnten ver­ein­bart, und ich denke, wir alle sollten gemeinsam daran arbeiten, dass dieses Bun­desland den guten Weg, auf dem es ist, weiter fortsetzen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Trunk, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Finanzminister! In Ihrer bisherigen Be­ant­wortung haben Sie sich auf Projekte bezogen, insbesondere auf die Lehrlings­förde­rung. Diese Förderung gilt für ganz Österreich und ist keine explizit für Kärnten getrof­fene Maßnahme. (Rufe bei der ÖVP: Frage!)

Sie wissen, dass sämtliche wichtigen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Kollegin, ich bitte Sie, die Frage zu formulieren!

 


Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (fortsetzend): Ich habe das Recht, eine kurze Ein­leitung zu machen und daran die Frage anzuschließen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Sie haben kein Recht, aber es ist die Praxis, einen Einleitungssatz zu machen. Diesen haben Sie gemacht. Ich gestehe Ihnen gern einen zweiten zu, aber dann kommen Sie bitte zur Frage! (Abg. Scheibner: Sie kann doch nicht ein ganzes Referat halten!)

 


Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (fortsetzend): Es ist ein Faktum, dass Kärnten bei vielen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Parametern das Schlusslicht darstellt, daher frage ich Sie sehr präzise – und ersuche um eine präzise Antwort –:

Welche Ihnen vorgelegten, vom Kärntner Landtag einstimmig beschlossenen Maß­nahmen und Projekte, wie etwa die angesprochene Grenzlandförderung, wird der Bund unterstützen und woher nehmen Sie die Mittel für die Grenzlandförderung? In zwei An­fra­gebeantwortungen haben Sie sich gegen eine Grenzlandförderung ausgesprochen, in der Pressekonferenz mit Jörg Haider vorige Woche allerdings dafür. (Abg. Dr. Par­tik-Pablé – in Richtung SPÖ –: Ihr glaubt alle, ihr könnt eine Wahlveranstaltung abhal­ten!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Abge­ord­nete! Ich möchte der Aussage widersprechen, dass Kärnten das Schlusslicht in


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Österreich wäre. Ich denke, wir sollten uns nicht in erster Linie um negative Bewer­tungen kümmern, sondern uns die Frage stellen: Wie können wir dazu beitragen, dass Bundesländer eine positive Entwicklung durchmachen?

Die Bundesregierung tut das, indem sie zwei Konjunkturbelebungspakete, ein Wachs­tums- und Standortpaket und zwei Etappen der Steuerreform, mit denen die größte Entlastung in der Geschichte der Zweiten Republik erfolgt, beschlossen hat. Wir tun das im Besonderen dadurch, dass die Bundesregierung mit dem Land Kärnten und auch mit der Steiermark eine Grenzlandförderung vereinbart hat. 4 Millionen € werden jeweils durch das Land aufgebracht, und 4 Millionen € werden von Seiten des Bundes zur Verfügung gestellt.

Ich darf in Erinnerung rufen, dass wir mit dem Land Kärnten den Verkauf des Flug­hafens als Regionalförderungsprojekt für das Land betrieben haben. Ich darf in Erinne­rung rufen, dass wir in den Jahren 2002 und 2003 eben mit der BABEG, die ich ange­sprochen habe, 8,4 Millionen € zwecks Förderung von Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellt haben, dass wir 1,4 Millionen € zwecks Finanzierung des For­schungs- und Entwicklungszentrums in St. Veit zur Verfügung gestellt haben und dass wir 2004 weitere 1,4 Millionen € wiederum zwecks Finanzierung des Forschungs- und Entwicklungszentrums in St. Veit zur Verfügung stellen werden. Und ich habe bereits erwähnt, dass 18,2 Millionen € für das wichtige Technologieinfrastruktur-Projekt Lake­side-Park bereitstehen.

Ich darf Ihnen auch sagen, dass sowohl das Land Kärnten als auch die Bundes­regierung beispielsweise mit Infineon verhandelt hat – ein sehr wichtiger Arbeitgeber in Kärnten in der Region, aus der Sie kommen, also rund um Villach –, damit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, damit aus Deutschland Arbeitsplätze nach Kärnten verlagert werden. Wir sind hier auf einem sehr, sehr positiven Weg. (Abg. Mag. Posch: Sie sollen die Fragen beantworten! – Herr Präsident, jetzt reicht es aber wirklich! Er soll die Fragen beantworten und keine Propagandareden halten!) Dieser Betrieb kommt sogar steuerlich nach Österreich.

Insofern, denke ich, sind dies sehr, sehr wichtige Schwerpunktsetzungen zum Wohle des Landes Kärnten und damit Österreichs. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen jetzt zur Behandlung des dritten Fra­gekomplexes, das ist die Anfrage des Abgeordneten Mag. Kogler. – Ich bitte Sie, Herr Abgeordneter Kogler, Ihre Anfrage zu formulieren. (Abg. Mag. Posch: Das färbt sehr auf Ihre Objektivität der Geschäftsführung ab!)

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Mag. Grasser! Meine Frage lautet:

34/M

„Wie genau ist der Wirkungszusammenhang zwischen dem Eintreffen der Spende der Industriellenvereinigung in der Höhe von 283 000 € an den „Verein zur Förderung der New Economy“ mit dem Förderungszweck Karl-Heinz Grasser und dem Regie­rungs­vorschlag zur Senkung der Körperschaftssteuer im Ausmaß von rund 1 Milliarde €?“

(Beifall bei den Grünen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Erstens, sehr geehrter Herr Abgeordneter, gibt es nicht den geringsten Wirkungszusammenhang. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Zweitens sollte diese Frage, wenn ich mir diese Be­mer-


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kung erlauben darf, eigentlich unter Ihrer Würde sein. Ich möchte sie auch sehr scharf zurückweisen, denn Sie unterstellen ... (Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich strafrechtlich relevante Unterstellungen gefallen lassen – ich tue das nicht. Ich weise diese Unterstellung, die damit implizit zum Ausdruck kommt, auf das Schärfste zurück. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Cap zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


9.22

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich bin jetzt schon sehr lange hier im Parlament (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), aber dass hier eine Beschimpfung eines Regierungsmitgliedes gegen­über dem Fragesteller mit der Qualifizierung „diese Frage ist unter Ihrer Würde“ erfolgt, ist ein Skandal. Das möchte ich Ihnen schon sagen. Und ich erwarte von Ihnen als Präsident, dass Sie dazu, bitte, eine ordnende Meinung äußern. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich bin an sich der Meinung, dass die Formulierung ein politisches Werturteil beinhaltet, das aber in Worten gefasst wurde, die mit der Würde des Hauses vereinbar sind. Ich werde mir aber das Protokoll herbeiholen und mir das Ganze noch einmal anschauen. Wenn ein Klubobmann eine solche Anregung macht, folge ich ihr natürlich sehr gerne.

Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Abgeordneter Kogler zu Wort gemeldet.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Wie erklären Sie sich den nunmehrigen Zusammenhang zwischen einer Aussage einer Anti-Korrup­tions­broschüre, die von Ihnen und Herrn Staatssekretär Finz herausgegeben wurde, wonach schon geringfügige Geschenkannahmen zum Verdacht der Korruption führen können, und dass Sie mit Ihrem Verhalten hier nicht nur sich selbst, sondern die ganze Bun­desregierung in diesen Verdacht der Korruption gebracht haben? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ordneter! Ich denke, es besteht ein großer Unterschied, ob man sich selbst in den Ver­dacht der Korruption bringt oder ob von der politischen Opposition im Sinne einer Polit-Kampagne behauptet wird, dass man sich der Korruption verdächtig macht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter! Ich habe niemals Druck, wie Sie das auch gesagt haben – nicht Sie jetzt, aber Kollegen –, auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt. (Abg. Mag. Kogler: Ich habe gar nichts gesagt von der Staatsanwaltschaft! Jetzt beantwortet er wieder etwas, was gar nicht gefragt wurde!) Ich habe nur gesagt: Ich wünsche mir möglichst de­taillierte und inhaltliche Ermittlungen und möglichst schnell ein Ergebnis, damit wir ge­meinsam nicht spekulieren müssen darüber, sondern mit Daten und Fakten auf den Tisch kommen. Und ich freue mich auf dieses Ergebnis, Herr Abgeordneter, und bin dann gespannt auf Ihre Reaktion. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Abgeord­neter Krainer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 



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Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Bundesminister! Es steht Ihnen natürlich frei, Fragen gar nicht zu beantworten, halb zu beantworten – meistens machen Sie es gar nicht. Aber da ich wie Anne Frank an das Gute im Menschen glaube, gebe ich Ih­nen noch eine Chance und stelle Ihnen auch gerne eine Frage und bin auf die Antwort gespannt, nämlich:

Ist es richtig, dass Sie vom „Verein zur Förderung der New Economy“ Zuwendungen an Ihren Sozialfonds erhalten haben, beziehungsweise wurden auf das zur Fonds­grün­dung von Ihnen eingerichtete und dann treuhändisch verwaltete Konto Zahlungen an­ge­wiesen, Geld angewiesen von diesem Verein, und wenn ja, in welcher Höhe? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Ich darf wie bei Frage 1 darauf antworten, dass ich in mehreren Dringlichen Anfragen, schriftlichen Anfrage­beantwortungen und in der Diskussion zum Unterausschuss des Rechnungshof­aus­schusses dazu Stellung genommen habe (Zwischenrufe bei der SPÖ) und dem nichts hinzuzufügen habe. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Das ist ja unerträglich!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Abgeord­neter Böhm zu Wort gemeldet.

 


Abgeordneter Franz Xaver Böhm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Als Vertreter der Salzburger Wirtschaft und der Salzburger Unternehmerschaft bedanke ich mich recht herzlich für die Steuerreform. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich erlaube mir, folgende Frage zu stellen: Gibt es bereits Studien über die Aus­wir­kungen der KöSt-Senkung auf den Arbeits- und Wirtschaftsstandort Österreich?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Ab­geord­neter! Ich möchte auf eine Studie verweisen, die das Wirtschaftsforschungs­ins­titut zur gesamten ersten und zweiten Etappe der Steuerreform durchgeführt hat und die vor einigen Tagen auch vorgestellt wurde – verfasst von Professor Aiginger, Pro­fessor Kramer, Margit Schratzenstaller im Jänner 2004. Die Autoren sagen darin Fol­gen­des: Die Effekte werden im Jahr 2005 0,4 Prozent zusätzliches Wachstum bringen, es wird im Jahr 2006 durch diese zwei Etappen der Steuerreform zusätzliche 0,5 Pro­zent Wachstum geben, und es wird einen Beschäftigungseffekt von zusätzlichen 4 000 bis 5 000 Personen geben.

Es gibt eine Untersuchung der ökonomischen Abteilung des Bundesministeriums für Finanzen, die mittelfristig von Beschäftigungseffekten von 12 000 zusätzlichen Jobs in Österreich ausgeht. – Ich denke daher, dass es sich dabei um eine sehr, sehr wichtige Maßnahme auch für den Arbeitsmarkt handelt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung haben sich Herr Abge­ord­neter Van der Bellen und Herr Abgeordneter Cap zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kol­lege Van der Bellen.

 


9.26

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Inhaltlich, Herr Präsident: Es ist unmöglich, dass sich der Finanzminister zu der vorhin gestellten Frage betreffend die Überweisung vom Verein an diesen Sozialfonds schon gemeldet hat, weil das ein völlig neues Faktum ist, das bisher überhaupt nicht in der


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Diskussion war. – Es kann einfach nicht stimmen, was der Herr Finanzminister sagt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich stelle angesichts des fortgesetzten Antwortverweigerungs-Verhaltens des Finanz­minis­ters den Antrag auf Unterbrechung der Sitzung und Abhaltung einer Präsidial­sitzung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.27

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Cap, bitte.

 


9.27

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte mich den Äußerungen von Klubobmann Van der Bellen vollinhaltlich anschließen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, dass das insgesamt die Einrichtung der Fragestunde in Frage stellt, Herr Präsident, denn das ist ja auch ein Präzedenzfall. Wenn man hier seitens der Abgeordneten Fragen stellt und darauf keine Antwort bekommt und das einfach hinnimmt, dann braucht man künftig keine Fragestunden mehr durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Daher würde ich ebenfalls die Auffassung vertreten, dass wir jetzt eine Sitzungs­unter­brechung machen sollten, um über die weitere Vorgangsweise hier zu beraten, denn das kann das Parlament einfach nicht hinnehmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

9.28

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Gibt es weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbe­hand­lung? – Herr Abgeordneter Molterer, bitte.

 


9.28

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Grundsätzlich ist es so – Herr Kollege Van der Bellen, Sie wissen das –, dass der Präsident über diese Fragen entscheidet, dass auch der Präsident darüber entschei­det, ob eine Sitzungsunterbrechung stattfindet.

Wenn es die Anregung gibt, eine Präsidiale durchzuführen, dann sollte sie zu einem Zeit­punkt durchgeführt werden, durch den der Sitzungsverlauf nicht gestört ist, Herr Präsident. Aber selbstverständlich bin ich ... (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) – Moment, Herr Professor Van der Bellen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Selbstverständlich bin ich interessiert an einer Debatte über die Abwicklung der Frage­stunde, zum Beispiel über die in der Geschäftsordnung festgehaltene Vorgangsweise, was Zusatzfragen betrifft. Kein einziger „Zusatzfrager“ der Opposition hat sich an die Geschäftsordnung gehalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

9.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


9.29

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich halte eine Unterbrechung der Sitzung für nicht notwendig, die Frage­stunde sollte weitergeführt werden, halte es aber nach den heutigen Erfahrungen für sehr notwendig, dass wir uns über die zukünftige Durchführung von Fragestunden in der Präsidiale sehr genau unterhalten. Wenn man die Geschäftsordnung konkret anwen­det, dann ist nämlich klar zu sagen, dass Anfragen, auch mündliche Anfragen,


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zum Vollziehungsbereich des Ministers gestellt werden müssen (Abg. Mag. Posch – in Richtung Präsident Dr. Khol –: Entscheiden Sie es selbst, oder entscheiden Sie es, wie es der Herr Molterer vorgeschlagen hat? Entscheiden Sie selbst, Herr Präsident?), dass dem Minister freigestellt ist, wie er diese Anfragen beantwortet, und dass in der Geschäftsordnung ausdrücklich steht, dass die Antworten konkret und knapp sein sollen, sofern es die Anfragen auch erlauben.

Wenn man all das in einen Zusammenhang stellt, kann sich jeder, glaube ich, selbst ein Urteil über die jetzige Fragestunde bilden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Sitzung und berufe eine Präsidialkonferenz – in meinem Büro – ein. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 9.30 Uhr unterbrochen und um 10.38 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Meine Damen und Herren! Wir haben in der Präsidialkonferenz ausführlich über die Vor­kommnisse in den ersten 30 Minuten der heutigen Fragestunde beraten. Die Hand­habung der Geschäftsordnung und damit auch die Handhabung der Fragestunde obliegt dem Präsidenten. (Ruf bei der SPÖ: Das ist unbestritten!) Ich werde heute noch einmal wiederholen, wie ich – in voller Tradition mit der Praxis dieses Hauses – die Fragestunde zu handhaben gedenke.

Meine Damen und Herren! Es gibt eine Gesamtverantwortung aller Abgeordneten und aller, die an der Fragestunde teilnehmen, für die Würde des Hauses. Das Schauspiel, das wir in den ersten 30 Minuten der Fragestunde zum Teil (Zwischenrufe bei der SPÖ) hier geboten haben, ist mit der Würde des Hauses aus meiner Sicht nicht vereinbar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Ich bitte um keinen Beifall!

Die Geschäftsordnung regelt das Fragerecht und die Antwortverpflichtung im Hohen Haus sehr genau. Fragen, die nicht Gegenstand der Vollziehung sind, braucht ein Re­gierungsmitglied nicht zu beantworten. Ich werde weiterhin, wie es in vielen Jahren die Praxis war, auch Fragen zulassen, die nicht Gegenstand der Vollziehung sind, wobei es aber dem befragten Regierungsmitglied absolut freigestellt ist zu sagen: Das ist eine Frage, die nicht meine Vollziehung betrifft, und ich beantworte sie daher nicht.

Zweitens. – Grundsätzlich: Ich werde auch Zusatzfragen zulassen und Fragen, die nicht die Vollziehung betreffen. Auch hier hat der Minister die Möglichkeit zu sagen, ich beantworte sie nicht – oder er beziehungsweise sie beantwortet diese Frage.

Wenn aber in den Fragen kriminelle Handlungen unterstellt werden, werde ich in Zu­kunft die Verantwortung dafür übernehmen und diese Frage nicht zulassen.

Wie sieht es aus mit der Antwortpflicht des Ministers, der Ministerin, des Staats­sekre­tärs, der Staatssekretärin? – Die Geschäftsordnung legt hier sehr klar fest, dass das befragte Regierungsmitglied zu einer Antwort verpflichtet ist. Er/sie kann aber diese Antwort aus vielfältigen Gründen – rechtlichen, Datenschutz-, politischen, faktischen Gründen – verweigern, muss aber diese Gründe angeben. Ich glaube, wir bleiben aus gutem Grund bei dieser Antwortpflicht.


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Was den Inhalt der Antwort betrifft: Hier gibt es geschäftsordnungsmäßig kein Beur­teilungsrecht und kein Rügerecht des Präsidenten. Die Antwort, die erteilt wird, ist die Antwort – und diese zu beurteilen steht dem Hohen Haus zu. Es gibt kein geschäfts­ordnungsmäßiges Recht auf eine lange, auf eine Antwort in die eine oder in die andere Richtung.

Weiters bleiben wir bei der Praxis, dass – in Auslegung der Geschäftsordnung – Zu­satz­fragen kurz sein müssen und mit einem Einleitungssatz eingeleitet werden können. Beim zweiten Satz ist die Sache schon so, dass ich zu läuten beginne.

Ich setze jetzt mit der Fragestunde fort.

Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, sich Ihrer Verantwortung für die Wür­de dieses Hauses und für das Erscheinungsbild bewusst zu sein und ihr auch gerecht zu werden. (Rufe bei den Grünen: Das gilt auch für die Regierungsmitglieder! – Abg. Brosz: Das gilt für die Regierungsmitglieder auch! – Gegenruf: Das gilt auch für Sie!) – Das gilt für jeden in diesem Haus, und das gilt auch für mich – ganz natürlich. Niemand steht in diesem Land außerhalb des Gesetzes, Herr Abgeordneter Jarolim. (Abg. Brosz: Auch die Regierungsmitglieder nicht!)

Fortsetzung der Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir setzen fort mit der Zusatzfrage des Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann zur Frage 34/M – das ist der dritte Fragekomplex –, und wir werden die Fragestunde um 11.10 Uhr beenden. – Bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Da das politische und wirtschaftspolitische Handeln der Oppositionsparteien in der jüngsten Vergangenheit sehr schlecht nachvollziehbar war – ich sage fairerweise dazu: Kollege Matznetter als Budgetsprecher hat sich mehrmals für eine Absenkung der KöSt unter 25 Prozent ausgesprochen –, erlaube ich mir, an Sie die Frage zu stellen:

Welche Folgen hätte es, nämlich für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich, würde man auf die Senkung der Körperschaftsteuer verzichten?

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Herr Abgeordneter! Wenn man weiß, dass der Körperschaft­steuer­satz in Slowenien 20 Prozent, in Ungarn 16 Prozent, in Kroatien 20 Prozent, in Polen 19 Prozent, in der Slowakei 19 Prozent ausmacht, dann weiß man auch, dass es ganz, ganz wichtig war, den Körperschaftsteuersatz abzusenken, weil ansonsten eine Abwanderung sowohl von Arbeitsplätzen als auch von Unternehmungen eingetreten wäre. Insofern ist dies eine wichtige Maßnahme zur Attraktivierung des Wirtschafts- und Arbeitsstandortes Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen jetzt zur 4. Anfrage, die von Herrn Abge­ordnetem Bucher gestellt wird. Ich bitte den Herrn Abgeordneten, die Frage zu formu­lieren.

 


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

36/M

„Welches Volumen wurde/wird im Rahmen der beiden Etappen der Steuerreform sowie der drei Konjunkturbelebungs- bzw. Wachstumspakete insgesamt bewegt?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter! Wir bewegen mit der ersten Etappe der Steuerreform eine Net­to­entlastung von 500 Millionen €, mit dem Konjunkturpaket I und II sowie dem Wachs­tums- und Standortpaket etwas mehr als 1 Milliarde € und mit der zweiten Etappe der Steuerreform eine Nettoentlastung von 2,5 Milliarden €. Das heißt, in Summe hat diese österreichische Bundesregierung seit dem Jahr 2000 Entlastungen von mehr als 4 Mil­liarden € beschlossen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Bucher.

 


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Wie hoch waren die bewegten Volumina bei den Steuerreformen der Vorgängerregierungen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter! Wenn Sie die Steuerreformen seit 1989 zusammen­rechnen, dann kommen Sie auf das Volumen, das wir mit den Etappen 2004 und 2005 jetzt in zwei Etappen umsetzen. Das heißt, alle Reformen zusammen seit 1989 haben das Ausmaß, das wir jetzt als ganz großen Entlastungsschritt für die österreichische Be­völkerung und für die österreichische Wirtschaft bewegen. – Der Vergleich macht uns sicher! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Sburny, bitte.

 


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Minister! Die Forschungsausgaben, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die ein wesentlicher Indikator für ein dyna­mi­sches Wachstum in einer wissensbasierten Gesellschaft sind – wie es in den Lissabon-Zielen geplant ist –, sind in Österreich viel zu niedrig und werden auch durch die so genannten Konjunkturbelebungspakete keineswegs so erhöht, dass auch nur ir­gend­eine Chance besteht, die von der Regierung selbst angestrebte Forschungsquote von 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2006 zu erreichen.

Meine Frage daher: Was werden Sie über die bereits jetzt budgetierten – geringen – Mittel hinaus tun, um diese Forschungsquote bis 2006 zu erreichen und nicht völlig den Anschluss innerhalb Europas im Forschungsbereich zu verlieren?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frau Abgeordnete! Da mit der Person des Vizekanzlers auch der Forschungsminister hier neben mir sitzt, möchte ich schon sagen: Wir haben gerade in dieser Legislaturperiode mehr für die Forschung initiiert als jemals zuvor.

Ich darf auf die Forschungsstiftung verweisen, die wir Ende des vergangenen Jahres ge­meinsam – auch beschlussmäßig hier im Hohen Haus – ins Leben gerufen haben.

Ich darf darauf verweisen, dass bis zum Jahr 2006 zusätzlich 1,2 Milliarden € – 1 200 Millionen € – für die Forschung zur Verfügung gestellt werden.

Ich darf verweisen auf die Einführung eines Freibetrages von 25 Prozent und einer Prämie von 8 Prozent, um auch zusätzliche Forschungsausgaben der Wirtschaft zu induzieren.

Insofern: Wir liegen jetzt im Schnitt des europäischen Niveaus, was die Forschungs­quote betrifft; wir haben das Ziel, im Jahr 2006 auf 2,5 Prozent zu kommen. Ich bin


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sehr zuversichtlich, dass das gelingt, weil wir für die Forschung und Entwicklung mehr Geld ausgeben als jede andere Bundesregierung vor uns. (Abg. Sburny: Aber wie?)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Königs­berger-Ludwig, bitte.

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Laut Aussagen des Rechnungshofpräsidenten Fiedler – wie wir gestern gehört haben – haben gerade die Lohnsteuerpflichtigen in den letzten Jahren durch die kalte Progression in überproportionalem Ausmaß zur Budgetkonsolidierung beigetragen.

Außerdem haben die ArbeitnehmerInnen beinahe zur Gänze die Last der schwarz-blauen Belastungspakete der letzten Jahre getragen.

Meine Frage lautet daher: Warum werden jetzt bei Ihrer Steuer- und Abgabenreform in den Jahren 2004 und 2005 im Speziellen wieder die großen Unternehmen in doppel­tem Ausmaß gegenüber den ArbeitnehmerInnen entlastet?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Abgeordnete! Ihre Feststellung ist unrichtig, denn beispielsweise macht die Senkung des Körperschaftsteuersatzes ein finanzielles Entlastungsvolumen von 975 Mil­lionen € aus (Abg. Mag. Kogler: Mehr als 1 Milliarde!), während wir an tarif­lichen Maßnahmen in Summe 1 Milliarde 380 Millionen € vorsehen.

Das heißt: Erstens wird jeder Steuerzahler entlastet, und zweitens war die soziale Gerechtigkeit Priorität dieser Steuerreform. (Abg. Brosz: Das ist gegen die Würde des Hauses!) 2 550 000 Steuerpflichtige – Einkommensteuer- und Lohnsteuerpflichtige – werden mit 1. Jänner 2005 keine Einkommensteuer und Lohnsteuer mehr zahlen. – Eine Reform gerade für die kleinen und mittleren Einkommen und damit ein wichtiger Punkt für soziale Gerechtigkeit! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Mag. Mainoni.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Winkler, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Mit welchem Entlastungsvolumen können die Klein- und Mittelbetriebe auf Grund der Steuerreform rechnen? (Abg. Parnigoni: Mit gar keinem! Mit null!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werter Herr Abgeordneter! Ich konnte früher bereits ausführen: Wir entlasten die breite Masse der Klein- und Mittelbetriebe. Erster Schritt, erste Etappe der Steuer­reform: 100 000 €-Grenze – bis dorthin halber Durchschnittssteuersatz im Einkommen­steuerbereich. Und im Körperschaftsteuerbereich erfolgt die deutliche Senkung von 34 auf 25 Prozent. Insofern kommt es zu einer Entlastung für die breite Masse der Klein- und Mittelbetriebe, also für jene Unternehmen, die die Wertschöpfung erwirtschaften, die die Steuern zahlen und die die Arbeitsplätze sichern. Das war unser Ziel bei dieser Steuerreform – und das ist gut gelungen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Mag. Mainoni.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist der vierte Fragenkomplex abgearbeitet.

Wir kommen zur 5. Anfrage, die Frau Abgeordnete Bures stellt. – Bitte.

 


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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39/M

„Entsteht eine Steuerpflicht, wenn sich ein Errichter eines Fonds gemäß Bundes­stiftungs- und Fondsgesetz Teile des erforderlichen Gründungskapitals anstelle der Aufbringung aus seinem Privatvermögen durch Dritte zuwenden lässt?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Frau Abgeordnete Bures, die Rechts­an­sicht des BMF zu dieser Frage ist folgende: Der Errichter eines Fonds nach dem Bun­desstiftungs- und Fondsgesetz zieht ja keinerlei Vorteile aus dem Fonds selbst. Man­gels eines derartigen Vorteils kann der Errichter keiner Einkommensteuerpflicht unter­liegen. Eine Schenkungssteuer fällt dann nicht an, wenn der Fonds gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Z 14a des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich möchte die Frage des Herrn Kollegen Krainer noch einmal formulieren, weil ich ebenfalls der Auffassung bin, dass sie in Ihre Vollziehung und daher in Ihre Zuständigkeit fällt.

Ist es richtig, dass Sie vom „Verein zur Förderung der New Economy“ Zuwendungen an Ihren Sozialfonds erhalten haben, beziehungsweise wurden solche auf das zur Fondsgründung von Ihnen eingerichtete Treuhandkonto angewiesen? Wenn ja, in welcher Höhe?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Abgeordnete! Beide Fragenkomplexe, sowohl der „Verein zur Förderung der New Economy“, der ein privater Verein ist, als auch der Sozialfonds betreffen nicht Gegenstände meiner Vollziehung als Bundesminister für Finanzen. Deswegen sind diese Fragen aus meiner Sicht nicht geschäftsordnungsgesetzeskonform gestellt. Ich erlaube mir daher, sie nicht zu beantworten. (Abg. Dr. Jarolim: Sehr elegant!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die nächste Zusatzfrage kommt von Herrn Abgeord­ne­tem Steindl.

 


Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mich interessiert in diesem Zusammenhang die Rechtslage hinsichtlich der Steuerfreiheit von Spenden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte. (Abg. Parnigoni: Ein Fi­nanz­minister mit Geheimnissen! Was hat er zu verbergen?)

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Werter Herr Präsident! Wer­ter Herr Abgeordneter! Was die Steuerfreiheit von Spenden betrifft, so muss man Folgendes unterscheiden: Wenn zum Beispiel ein Vortrag gehalten wird, für den vom Vortragenden keinerlei Honorarleistung verlangt wird, dann sind diese Spenden, die lediglich aus Anlass dieses Vortrags an gemeinnützige Institutionen geleistet werden, beim Vortragenden nicht steuerpflichtig. Das gilt auch dann, wenn der Vortragende nur einen Hinweis darauf gibt, es könne ein ihm zunächst zugedachtes Honorar nach freier Entscheidung des Vortragsveranstalters einer gemeinnützigen Institution gespendet werden.

Wenn es umgekehrt ist, also man hält einen Vortrag und sagt, das Honorar dafür beläuft sich auf 1 000 €, 2 000 € und das spenden Sie bitte an diese oder jene Stelle,


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aber es ist mein Honorar, dann wäre es steuerpflichtig. (Abg. Parnigoni: Das schlech­te Gewissen ist ihm ins Gesicht geschrieben!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Walch.

 


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die SPÖ weist auf ihrer Homepage auf einen Solidaritätsfonds hin und bittet um Spenden. Ich habe folgende Frage dazu:

Welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich aus Ihrer Sicht für den Solidaritäts­fonds der SPÖ?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Abgeordneter! Ich bitte um Verständnis, dass ich auf Grund der abgaben­rechtlichen Geheimhaltungspflicht zu konkreten Steuerfällen keine Auskunft erteilen kann. (Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Jetzt seid ihr froh! Jetzt regt ihr euch nicht auf!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Mag. Kogler.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Wie erklären Sie sich die unterschiedlichen Auskünfte des Bundesministeriums für Finanzen, einerseits des Herrn Staatssekretärs anlässlich der angeblichen Steuerfreiheit Ihres New Eco­nomy-Vereins und andererseits Ihre heutigen Aussagen, wonach das Ganze jetzt quasi deshalb in Ihrer Privatsphäre sei, weil das ein privater Verein sei? Für die Frage der Steuerbeurteilung war das, was Ihre Sphäre betrifft, offensichtlich keine private Angelegenheit.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter! Es hat in dieser Frage keine unterschiedlichen Aussagen des Staatssekretärs und des Bundesministers für Finanzen gegeben. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Das gibt es ja nicht!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen damit zur 6. Anfrage.

Diesen Fragenkomplex leitet Herr Abgeordneter Haubner ein. Herr Abgeordneter, ich bitte um die Formulierung der Frage.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Österreich ist dank dieser Bundesregierung das familienfreundlichste Land Europas. Meine Frage lautet:

32/M

„Welche familienpolitischen Effekte erwarten Sie sich durch das Familienpaket der Bun­desregierung im Rahmen der Steuerreform?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werter Herr Abgeordneter Haubner! Wir setzen 230 Millionen € zielgerichtet für eine Erhöhung des Kinderabsetzbetrages dort ein, wo es Alleinverdiener bezie­hungs­weise Alleinerzieher betrifft. Das heißt: Es gibt eine Kinderstaffel von 130 € Absetz­betrag für das erste Kind, 175 € für das zweite Kind und 220 € für das dritte Kind. Das


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ist eben gerade zielorientiert für 900 000 Alleinverdiener, darunter sind 100 000 Allein­erzieherinnen und Alleinerzieher. Diese Maßnahme ist ganz spezifisch auf eine armutsgefährdete Bevölkerungsgruppe hinorientiert, um diese zu unterstützen und um dieser eine besondere Entlastung anzubieten.

Das ist die Handschrift einer Bundesregierung, die nicht zuletzt mit dem Kinderbe­treu­ungsgeld gezeigt hat: Wir wollen Europameister in der Familienpolitik sein, weil wir wis­sen, dass Kinder 100 Prozent der Zukunft unseres Landes sind. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Haubner.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Herr Bundesminister! Die Bundesregierung dürf­te sich damit aber auf die Alleinverdiener konzentrieren. Können von der Erhöhung der Absetzbeträge auch jene Familien mit Kindern, in denen beide Elternteile berufs­tätig sind, profitieren?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ord­­neter! Die Maßnahme ist spezifisch auf Alleinverdiener und Alleinerzieher orientiert, und zwar deshalb, weil man sehen muss, dass Doppelverdienerhaushalte natürlich auch zweimal von der Tarifentlastung profitieren. Wenn sowohl der Mann als auch die Frau arbeiten, profitieren beide von den generellen Entlastungsmaßnahmen beim Tarif. Mit dieser Alleinverdiener-, Alleinerzieherregelung wollten wir den Nachteil, dass es in Österreich keine Familienbesteuerung gibt und dadurch eine Familie, in der ein Allein­verdiener zum Beispiel 3 000 € verdient, höher besteuert wird als eine, in der beide Elternteile je 1 500 € verdienen, zielorientiert ausgleichen. Ich glaube, das ist ein richti­ger Schritt in diese Richtung. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner, bitte.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die Op­position wird nicht müde, ständig zu behaupten, dass Frauen die großen Verliererinnen dieser Steuerreform sind. Ich frage Sie daher:

Wie profitieren Frauen von dieser Reform?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Frau Abgeordnete! Die Faktenlage zeigt das genaue Gegenteil, nämlich: Frauen profitieren stärker von der mit dieser Reform einhergehenden Entlastung – na­tür­lich auch deshalb, das muss man dazusagen, weil Frauen tendenziell ein niedri­ge­res Einkommen als Männer haben. Insofern profitieren sie auch stärker. (Abg. Dr. Gla­wischnig: Wo denn?)

Ich darf Ihnen ein Beispiel geben, was das Medianeinkommen der Frauen am Beispiel einer Arbeiterin in Österreich betrifft: Das Medianeinkommen einer Arbeiterin liegt bei monatlich 1 080 € brutto; diese Frau wird im Jahr netto 679 € weniger an Steuern zahlen. (Abg. Sburny: Wie viel zahlen Sie weniger?) Im Vergleich dazu wird der Mann, der Arbeiter, mit einem Medianeinkommen von 1 755 € – also deutlich höher – um 364 € entlastet. Insofern wird, so denke ich, sehr klar, dass die Entlastung der Frauen ganz grundsätzlich eine wesentlich höhere als die der Männer sein wird. Insbesondere ist auch die zweimalige Anhebung der Steuerfreigrenze beziehungsweise deren Effekt, dass nunmehr 2 550 000 Menschen keine Lohn- und Einkommensteuer mehr be­zah­len, sehr positiv für die Frauen, und auch die gerade diskutierte Thematik des Allein­erzieherabsetzbetrages hilft zielorientiert vor allem armutsgefährdeten Frauen.


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Ich bin daher der Überzeugung, dass wir auch im Sinne des Gender Mainstreaming mit dieser Reform einen wichtigen Impuls dafür geben, dass Frauen über ein höheres Netto­einkommen verfügen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte. (Abg. Dr. Lichtenberger – in Richtung der Abg. Mandak –: Sag ihm, dass der Zynismus auch gegen die Würde des Hauses ist!)

 


Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Sie haben zwar gerade versucht, das Gegenteil zu beweisen, aber ist Ihnen nicht bewusst, dass Sie mit dieser Steuerreform genau jene Familien benachteiligen, in denen sich Mann und Frau die Kinderbetreuung und auch die Erwerbsarbeit aufteilen? Eine solche Familie mit zum Beispiel einem Gesamteinkommen von 2 000 € fällt durch sämtliche Netze. Sie wird bei dieser Steuerreform bestraft, denn sie hat nichts von Ihrer Steuerreform. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Abgeordnete, Gott sei Dank stimmt das, was Sie soeben ausgeführt ha­ben, wirklich nicht mit der Faktenlage überein (Abg. Mag. Kogler: Na sicher! – Abg. Sburny: Das, was Sie sagen, stimmt nicht!), denn selbstverständlich werden Doppel­verdienerhaushalte mit geringem Einkommen sehr, sehr deutlich entlastet. Wir wenden für die allgemeine Tarifentlastung 1 Milliarde 70 Millionen € auf! Das heißt, dass der neue Einkommensteuer- und Lohnsteuertarif selbstverständlich auch die Steuerzahler in dem Einkommensbereich, den Sie erwähnt haben, entlasten wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage formuliert Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie argumentieren, dass Sie mit dieser Steuerreform Alleinverdiener entlasten und damit einer armuts­gefährdeten Gruppe helfen. Ich denke, es ist kein Geheimnis, dass Armutsgefährdung zum einen Teil mit dem Familienstand zu tun hat, aber natürlich viel mehr noch mit dem Einkommen, über das die Familie verfügen kann.

Daher an Sie die Frage, warum eine Familie, in der beide Elternteile arbeiten und über ein kleines Einkommen verfügen, weniger profitiert als eine Familie, in der nur einer arbeitet, aber die Familie letztlich über ein viel größeres Einkommen verfügt: Warum wird hier die eine Familie, in der zwei arbeiten und wenig Geld zur Verfügung steht, benachteiligt? (Abg. Ellmauer: Ist ja bereits eine Tarifentlastung gemacht!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Frau Abgeordnete! Ich denke, dass ich diese Frage schon beantwortet habe. Ich sage es aber gerne noch einmal: Wir haben auf der einen Seite für die Beid­verdiener eine Tarifentlastung von 1 070 Millionen €, das heißt, zusammen mit der ersten Etappe eine durchschnittliche Entlastung von 500 € netto pro Jahr, die für den jeweiligen Steuerzahler mehr zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite haben wir gesagt, wir setzen zusätzlich 230 Millionen € für Alleinverdiener, Alleinerzieher ein, weil wir wissen, dass dies eine besonders armutsgefährdete Gruppe ist. Das heißt, wir machen nicht Entweder-oder, sondern wir machen Sowohl-als-auch in unserer Entlastung. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir haben damit die 6. Anfrage beantwortet und ge­langen nunmehr zur 7. Anfrage. Es ist dies eine Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Pilz.


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Ich mache darauf aufmerksam, dass nach meiner Beurteilung diese Frage nicht die Vollziehung des Herrn Bundesministers betrifft. Entsprechend unserer bisherigen Praxis stelle ich es aber dem Herrn Bundesminister anheim, diese Frage zu beant­worten. – Bitte, Herr Abgeordneter Pilz.

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine Frage, die meiner Auffassung nach ein­deutig die Vollziehung betrifft, lautet:

35/M

„Gegen wie viele und welche Mitarbeiter/innen Ihres Kabinetts laufen derzeit gericht­liche Strafverfahren?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Werter Herr Abgeordneter! Gegen keinen einzigen! Den Namen kann ich Ihnen daher nicht sagen, weil es keinen gibt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeord­ne­ter? – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Selbstverständlich und gerne. – Herr Mag. Gras­ser! Ein Mitglied Ihres Kabinetts namens Simhandl hat in Ihrem persönlichen Auftrag in der Finanzprokuratur interveniert, um eine gesetzwidrige Einrichtung einer Stiftung zu ermöglichen, die materiell auf dem so genannten Treuhandkonto fußt, das deshalb auf Grund Ihrer Intervention eindeutig ein Gegenstand der Vollziehung ist.

Deshalb frage ich Sie in Bezug auf diesen Gegenstand der Vollziehung: Welche Mittel des „Vereins zur Förderung der New Economy“ sind an dieses Treuhandkonto, das später in den Sozialfonds übergeführt worden ist und zu 100 Prozent in Ihrem per­sönlichen Eigentum steht, geflossen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werter Herr Abgeordneter! Erstens ist es unrichtig, dass es eine Intervention gegeben hat. Es hat keine Intervention gegeben.

Zweitens ist dieser Sozialfonds ein gemeinnütziger Fonds, der für arme und kranke Kin­der da ist und daher ein soziales Engagement darstellt. Es steht Ihnen frei, dieses soziale Engagement zu kritisieren.

Dritter Punkt: Ich habe früher gesagt, dass es nicht Gegenstand der Vollziehung ist. Daher werde ich mir jede weitere Ausführung ersparen, Herr Abgeordneter Pilz.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Abgeordneter Kräu­ter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Bundesminister! Sie behaupten in der Öffentlichkeit immer, dass Ihre Homepage privat ist und den Steuerzahler keinen Cent kostet.

Jetzt zur Vollziehung, Herr Bundesminister, zu Ihrer Vollziehung: Ist es richtig, dass ein Mag. Johannes Pasquali, Vertragsbediensteter in der Sektion I im Finanzministerium, auf Steuerzahlerkosten Ihre Homepage betreut?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Abge­ord­neter! Ich habe früher ausgeführt, dass die Homepage, die Sie nennen, die Home-


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page des „Vereins zur Förderung der New Economy“ ist. Dieser Verein ist ein privater Verein, daher ist es keine Frage der Vollziehung. (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.

Wir kommen damit zum 8. Fragenkomplex, den Herr Abgeordneter Mainoni for­mu­liert. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter! Meine Frage lautet:

37/M

„Worin liegen die wesentlichen Unterschiede in der Privatisierungspolitik der SPÖ-ge­führten Regierungen bis 1999 und der zwischen ÖVP und FPÖ gebildeten Regie­run­gen ab 2000?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werter Herr Abgeordneter Mainoni! Der Unterschied ist leicht erklärt. In den Jahren 1981 bis 1990 musste der Steuerzahler diesen verstaatlichten Unternehmen 4 300 Millionen € an Kapital zuführen. Das heißt, 4 300 Millionen € an Steuergeld sind in diese Unternehmungen geflossen. Gleichzeitig, sehr geehrter Herr Abgeordneter, ist der Personalstand dieser Unternehmen dramatisch zurückgegangen, und zwar in die­ser Größenordnung: 40 000 bis 50 000 Arbeitsplätze sind dort verloren gegangen. Überdies wurde uns ein Schuldenstand in der ÖIAG, die diese Unternehmens­beteili­gun­gen hält, von 6,3 Milliarden € übergeben.

Der Unterschied ist: Diese Unternehmen machen jetzt gute Gewinne, diese Unter­nehmen sind gut auf dem Markt tätig. Wir haben die ÖIAG betriebswirtschaftlich saniert und haben sogar Dividenden in den Staatshaushalt bekommen. Es ist also ein gutes Wirtschaften zugunsten der Steuerzahler und der Beschäftigten in diesen Unter­neh­men.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Es zeigt sich hier einmal mehr, dass die von der SPÖ geführten Regierungen bis 1999 offensichtlich nicht sehr in Kenntnis einer Privatisierungspolitik waren, im Gegensatz zur ÖVP/FPÖ-Regierung.

In diesem Zusammenhang stelle ich meine Zusatzfrage: Wie hoch sind die Priva­tisie­rungserlöse und vor allem auch die Dividendenzahlungen in den Jahren 1996 bis 1999 im Vergleich zu den Jahren 2000 bis 2003?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Abgeordneter! Die Privatisierungserlöse der ÖIAG von 1996 bis 1999 haben ungefähr 1,2 Milliarden € ausgemacht. Von 2000 bis 2003 haben wir Privatisierungs­erlöse von 3,9 Milliarden € erzielt, das heißt, mehr als das Dreifache an Privatisie­rungs­erlösen.

Was die Dividendeneinnahmen betrifft: 1996 bis 1999 waren es 301,7 Millionen €, 2000 bis 2003 921,7 Millionen € – ebenfalls mehr als das Dreifache.

Man sieht, wer gut mit dem Geld des Steuerzahlers umgeht und wer gut wirtschaftet. (Beifall bei der ÖVP.)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Abge­ord­neter Mag. Kogler gemeldet. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister! Sie haben vorhin auf die Frage des Kollegen Kräuter, die eindeutig auf einen Beamten Ihres Ministe­riums abgezielt hat, die Antwort deshalb verweigert, weil Sie wieder auf irgendwelche Privatsphären verwiesen haben.

Ist die neue Privatisierungsstrategie in Ihrem Haus die, dass nunmehr das ganze Finanzministerium privatisiert und in den Verein „New Economy“ übergeführt wurde? (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werter Herr Abgeordneter! Mir fehlt die Kreativität zur Beantwortung dieser Frage. Ich würde sagen, das machen wir uns bei einem Kaffee aus. (Abg. Mag. Kog­ler: Fein!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, es gibt eine weitere Zusatzfrage: Kollege Hannes Bauer. – Bitte.

 


Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich halte zwar den Ausverkauf Österreichs für strategisch falsch, und ich halte es auch für falsch, dass die Kernaktionärsrolle von dieser Bundesregierung nicht wahrgenommen werden will. Trotzdem möchte ich folgende Frage stellen – fairerweise muss man ja das Jahr 2000 dazurechnen, wenn man einen Vergleich anstellt –: Wie hoch sind die Erlöse aus der Privatisierung einschließlich 2000, und wie hoch sind die Erlöse aus der Priva­tisierung von dieser Bundesregierung an zu beziffern?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werter Herr Abgeordneter! Wenn Sie sinnvoll einen Vergleich der Vorgänger­regierung zur jetzigen Regierung ziehen wollen, dann – das muss ich Ihnen ehrlich sagen – kann ich Ihre Rechnung nicht nachvollziehen, warum jetzt der Privatisierungs­erlös 2000 zur Vorgängerregierung gerechnet werden sollte. Die letzte Bundesre­gierung war seit dem 4. Februar 2000 im Amt, und die Privatisierungen, die 2000 statt­gefunden haben, haben auf Grund des Privatisierungsauftrags der alten Bundesre­gie­rung stattgefunden und wurden auch so umgesetzt.

Insofern bleibe ich bei den Zahlen, die ich Ihnen genannt habe: mehr als das Dreifache der Privatisierungserlöse im Vergleich zur Vorgängerregierung. (Abg. Dr. Bauer: Wel­cher Wert in den Jahren zuvor ...!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Le­dolter. – Bitte.

 


Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Erfolgs­geschichte der Privatisierung der ÖIAG hat nicht nur zu einer Flexibilisierung der Betriebe geführt, sondern hat auch ermöglicht, einen Großteil der Schulden zurück­zuzahlen.

Mich interessiert in diesem Zusammenhang: Wie hoch war der Beschäftigungsstand früher im Vergleich zum heutigen Beschäftigungsstand in der ÖIAG?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werter Herr Abgeordneter! Der Beschäftigtenstand betrug beispielsweise im


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Jahr 1986 103 000 Personen, die in diesen Unternehmungen beschäftigt waren. Heute sind im Kernbereich der ÖIAG nur noch 51 000 Personen beschäftigt.

Das ist genau die Politik, die ich erwähnt habe: 4 300 Millionen € musste man den Un­ternehmen an Subventionen geben, gleichzeitig sind mehr als 50 000 Arbeitsplätze ver­loren gegangen. Ein Beweis dafür: Privat ist besser als der Staat! (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit sind die 60 Minuten der Fragestunde um 11.10 Uhr, wie enunziert, beendet, und wir gelangen nun zur normalen Tagesordnung.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Um den Punkt 14 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 des Geschäftsordnungsgesetzes erfor­derlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen des Ausschussberichtes abzu­sehen. Es handelt sich dabei um den Immunitätsfall des Abgeordneten Dr. Lopatka.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diesen Ausschussbericht ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist ein­stim­mig angenommen.

Herr Kollege Posch, es ist mit der Würde des Hauses nicht vereinbar, stehend zu telefonieren, auch sitzend nicht.

Damit ist die erforderliche Zweidrittelmehrheit gegeben, und das ist angenommen.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschussgesetz und das Karenzgeldgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden (387 d.B.).

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 323/A (E) der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserungen des Kinderbetreuungsgeldes;

Außenpolitischer Ausschuss:

Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen Republik andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte (388 d.B.),


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Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Euro­päischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlussakte (389 d.B.);

Budgetausschuss:

Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buchhaltungsagentur des Bundes (Buchhaltungsagenturgesetz – BHAG-G) erlassen sowie das Bundeshaus­haltsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 (BFG 2004) geändert werden (381 d.B.);

Familienausschuss:

Antrag 324/A (E) der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserungen des Kinderbetreuungsgeldes;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird, geändert wird (IVF-Fonds-Gesetz-Novelle 2004) (369 d.B.),

Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Kranken­an­stal­ten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Gesund­heits­wesen“ geändert werden (384 d.B.),

Antrag 325/A (E) der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz der frei werdenden GrenztierärztInnen für die Kontrolle von Tier­transporten;

Justizausschuss:

Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitglied­staaten der Europäischen Union (EU-JZG) (370 d.B.),

Antrag 319/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Sanierung alter Bleiwasserrohre in Wohnhäusern;

Umweltausschuss:

Antrag 321/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pfandsystem für Handys;

Verkehrsausschuss:

Antrag 320/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strahlungskennzeichnung von Mobiltelefonen,

Antrag 322/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abwendung der ab 2005 vorgesehenen Kürzung der Nahverkehrsförderung des Bundes;

Wirtschaftsausschuss:

Antrag 318/A (E) der Abgeordneten Mag. Dietmar Hoscher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Maßnahmenpaket zur Rettung tausender Tourismusbetriebe in Winter­sportzentren;


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Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems (DUK-Gesetz 2004) (385 d.B.).

*****

Ankündigung von Dringlichen Anfragen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe weiters bekannt, dass vor Eingang in die Tagesordnung die Abgeordneten Dr. Brinek, Dr. Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen das Verlangen gestellt haben, die schriftliche Anfrage 1376/J der Abgeordneten Dr. Ger­trude Brinek, Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Eskalation der Gewalt und der Sprache im Zuge von Studentenprotesten der Linken dringlich zu behandeln. (Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Mag. Mainoni: So ist es!)

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

*****

Ich gebe weiters bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen das Verlangen gestellt haben, eine vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1375/J der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen dringlich zu behandeln.

Im Hinblick auf die Kollisionsnorm des § 57b der Geschäftsordnung, wonach nur eine Dringliche Anfrage oder ein Dringlicher Antrag an einem Tag in einer Sitzung zur Behandlung kommen kann, wird diese Dringliche Anfrage nicht zum Aufruf gelangen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1014/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 1014/AB der Anfrage 1008/J der Abgeordneten Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend die österreichische Entwicklungshilfe durch die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 3 und 4, 5 und 6, 7 und 8, 9 bis 11 sowie 12 und 13 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Es erfolgt keine Einwendung, daher wer­den wir so vorgehen.

Ich gehe damit in die Tagesordnung ein.


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Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dau­er der Debatten der Tagesordnung erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 140 Minuten, Freiheitliche 96 Minuten, Grüne 104 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung darüber.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Wir werden so vorgehen.

1. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über das Volksbegehren (206 d.B.) „Atomfreies Europa“ (373 d.B.)

2. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 43/A (E) der Ab­geordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtzu­stim­mung Österreichs zur Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens (374 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Sima. Sie hat sich 5 Minuten Re­dezeit gewünscht. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort. (Abg. Mag. Sima – auf dem Weg zum Rednerpult –: Gewünscht hätte ich mir mehr!)

 


11.15

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Gleich vorweg, Herr Bundesminister: Ich bedauere, dass es keine Einigung ge­geben hat und dass wir es nicht geschafft haben, einen Vier-Parteien-Antrag zum The­ma Atom, das an sich ein Konsensthema ist, zustande zu bringen. Wir haben lange und, wie ich glaube, auch sehr ernsthaft verhandelt, aber der Vorschlag der Regie­rungsparteien, die EURATOM-Kreditmittel von 4 auf 6 Milliarden € aufzustocken ... (Abg. Wittauer: Aber das stimmt nicht! Das ist nicht der Vorschlag der Regierungs­parteien!)

Ihr Vorschlag, Herr Kollege Wittauer, war, dieser Aufstockung zuzustimmen. (Abg. Wit­tauer: Nein, nein, nein! Einstimmigkeitsprinzip!) Ich gebe zu, es ist nicht Ihr Vorschlag gewesen. Sie haben vorgeschlagen, dieser Aufstockung zuzustimmen. Das ist für uns leider inakzeptabel, da können wir nicht mit. Bei einem solchen Vier-Parteien-Antrag können wir auch nicht mitgehen, weil wir der Aufstockung der EURATOM-Kreditmittel und damit der Finanzierung von AKWs einfach ablehnend gegenüberstehen. (Abg. Wittauer: Ist ja ein Mehrheitsbeschluss!)

Ich halte diese Aufstockung auch für ein völlig falsches Signal – wir haben uns schon im Ausschuss darüber unterhalten – in Richtung der EU. Meiner Meinung nach können wir uns auf EU-Ebene nicht glaubwürdig gegen Atomkraftwerke einsetzen, wenn wir gleichzeitig deren Finanzierung mit beschließen. Ich glaube, es ist eine Entweder-oder-Frage, und nachdem Sie sich entschlossen haben, die Finanzierung dieser AKWs auf EU-Ebene zu unterstützen, gibt es eben keine Einigung. Sie kennen unsere Position: Solange es diese finanzielle Sonderstellung der Atomkraft gibt, solange es die


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Sonderfinanzierung der Atomkraft auf EU-Ebene gibt, solange werden auch neue Atomkraftwerke gebaut werden. Dass Österreich da jetzt mittun will, aus welchen strategischen Gründen auch immer, halten wir einfach für eine falsche Entscheidung. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Bei Ihrem Antrag ist auch die Fertigstellung von Atomkraftwerken nicht ausge­schlos­sen. Das war einer der Punkte, an denen eine mögliche Einigung gescheitert ist. Denn wir halten es auch für einen schweren Fehler, die Finanzierung der Fertigstellung von Atomkraftwerken nicht auszuschließen. Wir kennen ja die Projekte, die bereits in der Warteschleife für EURATOM sind, das heißt, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie als Nächstes finanziert werden. 300 Millionen € sollen etwa in das russische AKW Kalinin 3 gesteckt werden, 250 Millionen € sind für den bulgarischen Reaktor Cernavoda 2 vorgesehen. Das heißt, wir wissen auch ungefähr, was an Finan­zie­run­gen auf uns zukommt. Es gab auch Pläne der EU-Kommission, sechs weitere rus­sische Reaktoren an vier Standorten zu finanzieren.

Ich glaube also, dass die Entwicklung in eine völlig falsche Richtung geht, und kann mir nicht vorstellen, dass Österreich die Finanzierung dieser Reaktoren wirklich unter­stützen will, auch wenn man sich anschaut, wofür die EURATOM-Gelder in der Ver­gangenheit verwendet wurden. (Abg. Kopf: Das haben wir ja geändert!) 680 Mil­lionen € wurden für die Tschernobyl-Ersatzreaktoren K2/R4 zumindest zugesagt und werden auch noch ausbezahlt werden, 213 Millionen für die Nachrüstung der Blöcke 5 und 6 in Kosloduj. Ich glaube, dass das einfach in die völlig falsche Richtung geht. Wenn man sich das anschaut, sieht man, dass bisher auch kein Euro in die Stilllegung von Atomkraftwerken geflossen ist, und eine Änderung dieser Politik ist nicht absehbar.

Ein Punkt, über den wir auch sehr lange diskutiert haben, war die aus meiner Sicht frag­würdige Finanzierung von Sicherheitsaufrüstungen. Das ist immer ein zwei­schneidiges Schwert. Einerseits bedeutet es natürlich meistens, dass ein Atomkraft­werk sicherer wird, auf der anderen Seite wird allerdings auch die Lebenszeit und die Laufzeit eines Atomkraftwerkes verlängert. Deswegen ist immer die Gefahr gegeben, dass Laufzeitverlängerungen unter dem Deckmantel der Sicherheitsaufrüstung durch­geführt werden.

Herr Bundesminister! Mit der EURATOM-Finanzierung, der Sie zustimmen wollen, finanzieren wir letztendlich die Atomkraftwerke, die wir als Österreicher morgen be­kämp­fen werden. Das ist für uns einfach ein Widerspruch und ein Grund, weshalb wir hier nicht zustimmen werden. Wir sind vielmehr für einen anderen Ansatz, wie wir ihn schon im Umweltausschuss diskutiert haben. Österreich zahlt laut einer Anfrage­beant­wortung des Bundeskanzlers jährlich 40 Millionen € an Beiträgen für EURATOM. Das ist aus unserer Sicht wirklich eine Geldverschwendung, denn: Warum sollten wir den Neubau, die Fertigstellung oder was auch immer an Atomkraftwerken unterstützen?

Anstatt der Aufstockung zuzustimmen, wie Sie es vorhaben, sollten wir uns lieber über den Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag, den Ausstieg aus diesem einseitigen För­dervertrag unterhalten. Ich weiß, Sie sind nicht dieser Meinung, aber ich halte es trotzdem für die bessere Strategie. (Beifall bei der SPÖ.)

11.19

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

 


11.20

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich glaube, es gibt kaum ein Thema in diesem Land wie die Atompolitik, wo sich die vier Parteien im Grundsatz so einig sind. Österreich vertritt auch – und ich glaube, das


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kann man mit Fug und Recht sagen – eine der konsistentesten und ... (Von Besuchern auf der Publikumsgalerie wird ein Transparent mit der Aufschrift „ÖVP und FPÖ, Hand­langer der Atom-Mafia; Global 2000“ über die Brüstung der Galerie ins Plenum gehalten.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, darf ich Sie eine Sekunde unter­bre­chen und die Kolleginnen und Kollegen vom Haus bitten, das Transparent von der Ga­lerie zu entfernen. (Dem Ersuchen von Präsident Dr. Fischer wird nachgekommen.)

Herr Abgeordneter, bitte setzen Sie fort!

 


Abgeordneter Karlheinz Kopf (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Ich glaube, dass der Inhalt dieses Transparents, das hier von „Global 2002“ soeben entrollt worden ist, leicht zu widerlegen sein wird. Ich werde das in der Folge auch kurz zu tun ver­suchen. Aber ganz kurz noch einmal ... (Es wird ein weiteres Mal der Versuch un­ternommen, das oberwähnte Transparent über die Brüstung der Galerie ins Plenum zu halten. – Abg. Dr. Stummvoll: Was ist denn das?! – Abg. Wittauer: Herr Präsident! Da muss man schon eingreifen! – Abg. Dr. Fekter: Werft sie aus dem Haus! – Ruf bei der ÖVP: Das ist doch unzumutbar! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Mitarbeitern der Parlamentsdirektion gelingt es, das Transparent zu entfernen.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Kopf, setzen Sie fort!

 


Abgeordneter Karlheinz Kopf (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können uns wieder dem Inhaltlichen zuwenden, auch wenn das offensichtlich den Damen und Herren noch etwas schwerfällt. (Abg. Parnigoni: Vielleicht wollen sie dir nicht zuhören!) Ja, es sind deine auch.

Ich glaube, diese Anti-Atomhaltung hat sich bei Zwentendorf und in der Entscheidung über das Verfassungsgesetz betreffend die Nichtanwendung der Atomenergie und letz­ten Endes auch in unseren Bemühungen auf europäischer Ebene immer wieder nie­dergeschlagen. Wahrscheinlich ist das auch die Erklärung dafür, warum das Volks­be­geh­ren, das wir auch unter diesen zwei Tagesordnungspunkten behandeln, eine so geringe Zahl von Unterstützungen, nämlich nur 131 000 Unterschriften, bekommen hat. Die Menschen in Österreich wissen, dass diese Bundesregierung und auch der Na­tionalrat in dieser Frage in der Vergangenheit sehr konsequent waren, und sind sich sicher, dass sie das auch in Zukunft sein werden. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Es kommt noch Folgendes dazu: Dieses Volksbegehren stellt auch eine Forderung auf, und zwar die Forderung nach Änderung der Verfassung in einem Punkt, nämlich nach Bindung unserer Minister auf europäischer Ebene, wo selbst Experten, die von der Opposition benannt worden sind, die Unsinnigkeit oder die Nichtsinnhaftigkeit – sagen wir es vornehmer – dieses Ansinnens bestätigt und attestiert haben, von welchem dann alle vier Parteien Abstand genommen haben.

Eines zeigt sich allerdings schon – und da komme ich auf das Transparent von vorhin zurück –: Apodiktisch eingenommene Positionen machen in vielen Fällen und gerade auf europäischer Ebene keinen Sinn! Es macht selbstverständlich Sinn, konsequent ge­gen die Anwendung der Atomenergie nicht nur in Österreich, sondern auch auf euro­päischer Ebene einzutreten, aber dafür braucht man auch eine sinnvolle und ziel­füh­rende Strategie. Nach Brüssel zu fahren und dort gegen den EURATOM-Vertrag und in diesem Fall gegen die Aufstockung der Mittel im Rahmen des EURATOM-Vertrages apodiktisch aufzutreten – die Aufstockung der Mittel zu verhindern, das haben auch wir vertreten –, kann ein Schuss in das eigene Knie sein, so wie es in diesem Fall die Nicht­zustimmung der Oppositionsparteien zu diesem Entschließungsantrag auch tat-


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sächlich ist. Das, was Sie hier tun, meine Damen und Herren, ist ein Schuss ins eigene Knie, und ich erkläre Ihnen und auch der Öffentlichkeit gerne noch einmal, warum.

Die Aufstockung der EURATOM-Mittel, die zugegebenermaßen, wie die Frau Kollegin Sima gesagt hat, in der Vergangenheit nicht so verwendet worden sind, wie wir es gerne gehabt hätten, ist auf europäischer Ebene mit einfacher Mehrheit zu be­schließen, also es gibt dort auch gegen die Stimmen der Österreicher eine Mehrheit. Das heißt, die Mittel werden dort aufgestockt werden, ob es uns passt oder nicht.

Jetzt ist es uns und unserem Minister gelungen, die Verwendungsmöglichkeiten dieser Gelder, die wir gerne geändert hätten, und zwar natürlich ohne Aufstockung, wofür Ein­stimmigkeit erforderlich ist, zu bestimmen und diese zwei Punkte der Verhandlungen zusammenzuziehen und für beide Punkte Einstimmigkeit zu erreichen.

Jetzt ist das aber nur um den Preis möglich, dass wir der Aufstockung der Mittel zustimmen. Wir können aber dafür erreichen, so wie es im Entschließungsantrag steht und wie es auch von Ihnen nicht bestritten worden ist, dass die Verwen­dungs­möglich­keiten drastisch eingeschränkt werden, dass die Mittel nicht mehr für den Bau von neuen Atomkraftwerken eingesetzt werden, sondern für die Verbesserung der Sicher­heit in bestehenden oder in Bau befindlichen Anlagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn das nicht ein verfolgenswertes Ziel ist, meine Damen und Her­ren, dann weiß ich nicht mehr, wie Sie Ihre Anti-Atompolitik anlegen wollen! Genau darauf zielt dieser Antrag ab!

Sie hätten diesen Antrag, den wir verhandelt haben, in allen anderen Punkten mitge­tragen. Wir haben damit auch Punkte des Anti-Atom-Volksbegehrens mit erledigt. Aber eine Strategie zu verfolgen, indem man sagt: Ich fahre nach Brüssel, lasse mich bei der Aufstockung der EURATOM-Mittel überstimmen und habe dann keine Chance, die Verwendungsmöglichkeiten der Mittel zu beeinflussen!, das ist ein Schuss in beide eigene Knie, meine Damen und Herren, und ich kann bis heute nicht verstehen, warum Sie diesen strategisch völlig unsinnigen und nicht nachvollziehbaren Weg verfolgen wollen. Wir tun es sicher nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.26

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawisch­nig. – Bitte.

 


11.26

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Umweltminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen eigentlich hier über den Bericht des Unterausschusses, der das Anti-Atom-Volksbegehren behandelt hat, ein Volks­begehren, das im Juni letzten Jahres stattgefunden hat und das die erforderliche An­zahl der Unterschriften dafür geschafft hat, dass es hier behandelt wird. Es ist be­mer­kenswert, dass es jetzt von Seiten der ÖVP keine einzige Aussage zum Ziel be­ziehungsweise zum Inhalt dieses Volksbegehrens gegeben hat. (Ruf bei der ÖVP: Zuhören!)

Es war im Wesentlichen der Vorschlag, einen sehr strikten ... (Abg. Kopf: Dazu habe ich Stellung genommen!) Ja, aber die Begründung, warum Ihnen das nicht passt, ist sehr dürftig ausgefallen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kopf.)

Es ist im Wesentlichen eine sehr strikte Verfassungsbindung vorgeschlagen worden, wo der Anti-Atomkurs der österreichischen Bundesregierung vorgegeben wird. Es war bedauerlich, dass von Anfang an vor allem von der ÖVP – von der FPÖ weniger – nicht die geringste Bereitschaft dazu bestand, diese Verfassungsdiskussion ernsthaft zu überlegen und das auch ernsthaft anzugehen.


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Es ist im Wesentlichen nichts anderes, als bereits jetzt in der Verfassung vorgesehen ist, nämlich über die Bindungswirkung im Einzelfall eine generelle Bindung für einen strikten Anti-Atomkurs auf europäischer Ebene zu verankern. Ich weiß nicht, was im Grunde dagegen spricht. In der Vergangenheit haben wir einige Male von der öster­reichischen Bundesregierung Kompromisse erlebt – ich erinnere an das EURATOM-Forschungsprogramm –, und es ist sehr schade, dass diese Initiative der Bevölkerung heute hier abgelehnt wird.

Letztendlich haben wir dann versucht, in Vier-Parteien-Verhandlungen zu einem Kom­promiss zu finden. Zum vorliegenden Antrag, den die Regierungsparteien jetzt vor­gelegt haben, sind ein paar Worte zu sagen.

Zum einen: Grundsätzlich wollten Sie am Anfang überhaupt keinen weit reichenden Antrag, und es ist eigentlich nur der Opposition zuzuschreiben, dass wir jetzt überhaupt in die Phase gekommen sind, wo ausführlich über eine neue Basis der Anti-Atompolitik diskutiert wird. Der Antrag ist über weite Strecken brauchbar – das sage ich auch deutlich –, allerdings geht er in einem sehr entscheidenden Punkt, der die Aufstockung der EURATOM-Kreditvolumina betrifft, in eine völlig falsche Richtung. Ich glaube, es ist eine fatale Fehlentscheidung, wenn man die Kriterien so festlegt, dass auch der Fertigbau von Atomkraftwerken aus österreichischer Sicht mit diesen Geldern gewähr­leistet sein soll. (Beifall bei den Grünen.)

Es hätte die Möglichkeit bestanden, diesen Punkt betreffend den Fertigbau von AKWs aus der Liste der Kriterien herauszunehmen, aber das haben Sie nicht gemacht. Damit haben Sie keine Möglichkeit, dem Schwall an Projekten, die in Mittel- und Osteuropa vorgelegt worden sind – es sind über 40 neue Atomkraftwerke –, etwas entge­gen­zusetzen, beziehungsweise keine Möglichkeit, zu verhindern, dass diese Atom­kraft­werke mit EURATOM-Geldern fertiggebaut werden. Es hätte die Möglichkeit gegeben, den Fertigbau auszuklammern.

Wie die Vergangenheit gezeigt hat, haben diese Kredite bisher keinen einzigen zusätz­lichen sicherheitsrelevanten Baustein in den europäischen Kraftwerken gebracht, son­dern haben im Wesentlichen als Förderungsinstrument, als Überlebensinstrument für die Anlagenwirtschaft im Atombereich gedient.

Die 40 Kraftwerke, die jetzt auf der Agenda stehen, sind sehr problematisch. Darunter sind auch russische Kraftwerke, wie etwa das AKW Kursk, das ein Tschernobyl-Typ ist. Es ist sehr bedauerlich, dass Sie genau mit diesem Punkt jetzt das Tor dazu geöffnet haben und dass die österreichische Position nun die ist, dass man mit der neuen Summe, mit diesen 2 Milliarden € auch den Fertigbau von Atomkraftwerken in Mittel- und Osteuropa finanzieren soll.

Dagegen haben wir uns gewandt. Das ist auch für uns der Grund, warum wir bei diesem Versuch, zu einer Vier-Parteien-Einigung zu gelangen, nicht mitgehen können. Ich halte diesen Antrag für eine fatale Fehlentscheidung, ich halte ihn für einen Fehler. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Trotzdem zu dem Antrag noch ein paar Worte: Es sind darin auch ein paar Punkte enthalten, die wir Grünen, die wir das sehr konstruktiv angegangen sind, für sehr wich­tig halten. Einer davon ist die Frage der Sicherheit von Atomkraftwerken in Europa ge­gen Terrorangriffe, also die Überprüfung aller europäischen AKWs und auch das Ein­treten für das Abschalten von Kraftwerken, die bei Terroranschlägen am bedrohlichs­ten beziehungsweise am gefährdetsten sind.

Wenn Sie den Antrag, den Sie selbst unterschrieben haben und auch heute be­schließen werden, ernst nehmen würden, dann müssten Sie eigentlich seit gestern schon sehr aktiv sein, dann müssten Sie eigentlich seit gestern in Bayern beim baye-


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rischen Umweltminister Schnappauf vorsprechen und sehr deutlich machen, dass das Kraftwerk Isar 1, das nur 100 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt ist, eigentlich zu schließen ist. (Beifall bei den Grünen.)

Das AKW Isar 1 ist einem Bericht der deutschen Bundesregierung zufolge in Reaktion auf den 9. September 2001 einer Sicherheitsüberprüfung hinsichtlich terroristischer An­schläge unterzogen worden, die Anfang 2003 abgeschlossen wurde. Laut dem Er­gebnis dieser Überprüfung ist das AKW Isar 1 neben zwei anderen Kraftwerken bei terroristischen Anschlägen das gefährlichste und gefährdetste Kraftwerk.

Das Niveau der Sicherheit ist mittlerweile so niedrig – ich meine, das war immer schon eine atomare Dreckschleuder, wenn man das so leger sagen darf –, dass ein Aufprall eines normales Verkehrsflugzeuges für dieses Kraftwerk sozusagen eine absolute Bedrohung darstellt. Es ist nur gegen kleine Militärmaschinen geschützt. Es liegt direkt neben der Einflugschneise des Flughafens München. Es werden dort nächtliche Übun­gen mit Militärflugzeugen durchgeführt. Es hat auch bereits einen Flugzeugabsturz ge­geben, nämlich im Jahre 1988. Damals entging das Kraftwerk Isar 1 nur sehr knapp einem direkten Zusammenstoß.

Ich frage mich daher, wie ernst Sie eigentlich Ihren eigenen Antrag nehmen und warum es nicht schon in den letzten Wochen und Monaten ernste Bemühungen gegeben hat, in München beim bayerischen Umweltminister vorzusprechen, der die großartige Idee verkündet hat, man möge mit Vernebelungsmaschinen dieses Problem lösen, man möge große Nebelwerfer aufstellen, damit keine Maschine das Kraftwerk finden kann. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Diese Lösung, glaube ich, führt sich selbst ad absurdum beziehungsweise diskreditiert sich selbst, denn eine so unglaublich dumme Idee kann man nur dann haben, wenn man die Gefahr nicht richtig einschätzt. Jede Satellitenanlage, jedes Satellitenortungs­system ist in der Lage beziehungsweise hat überhaupt kein Problem damit, auch durch die dicksten Nebelschwaden hindurch ein Ziel zu finden. Ich würde mir wünschen, dass Sie da tätig würden. Es ist sehr bedauerlich, dass Sie bis jetzt noch keinen einzigen Versuch unternommen haben, diesbezüglich vorstellig zu werden. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Es gibt eigentlich nur zwei Alternativen: entweder schließt man den Flughafen Mün­chen oder das Kraftwerk Isar 1. Das Kraftwerk ist eine enorme Bedrohung nicht nur für Salzburg, sondern auch für Oberösterreich, für Tirol und für den gesamten Einzugs­bereich der Westwinde.

Ich frage mich auch, was die Außenministerin im Moment zu tun hat. Sie ist offenbar im Wahlkampf schon so sehr beschäftigt, dass sie diese wichtigen Anliegen der öster­reichischen Außenpolitik völlig ignoriert oder einfach keine Zeit mehr dafür hat.

Wenn Sie Ihren eigenen Antrag ernst nehmen und Anti-Atompolitik für Sie nicht nur das Einkochen der Opposition in einem Vier-Parteien-Antrag ist, den man dann wieder in eine Schublade steckt und dort die nächsten drei Jahre liegen lässt, so wie das bei dem letzten Antrag im Jahre 2002 der Fall war, wo im Übrigen noch die Kredit­auf­stockung von der ÖVP und von der FPÖ und von den Grünen als Punkt gemeinsam ab­gestimmt und ausdrücklich abgelehnt worden ist, wenn das also nicht so weiter­gehen soll wie bisher, dann erwarte ich mir von Ihnen, Herr Umweltminister, Frau Außenministerin, dass Sie sich unverzüglich nach München begeben und dieses Be­drohungspotential für Österreich in ernsthafter Weise abzuwenden versuchen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)


11.34


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Jetzt kann Kollege Wittauer alles sagen, was er schon in der letzten halben Stunde sagen wollte. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.34

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Natürlich ist das ein sehr wichtiges Thema. Wir Freiheitlichen ha­ben uns immer dem Anti-Atomkurs verschrieben. Mit diesem Entschließungsantrag sind wir wirklich einen Schritt weiter gekommen. Mit dem heutigen Tag ist für mich das Anti-Atom-Volksbegehren positiv abgeschlossen.

Frau Abgeordnete Glawischnig, ich gebe Ihnen Recht, dass das Atomkraftwerk Isar sehr gefährlich ist, keine Frage, aber es wundert mich nicht, dass Sie nur auf diesen Punkt eingegangen sind, denn inhaltlich können Sie an diesem Entschließungsantrag nichts, aber auch gar nichts finden, was gegen eine Anti-Atompolitik spräche.

In den vergangenen Monate war Ihre Verhandlungstaktik ganz eigenartig: Wir haben Termine bekommen, und dann sind Termine von Ihnen wieder abgesagt worden. Wir sind kaum dazu gekommen, den Vier-Parteien-Antrag wirklich gemeinsam zu erar­bei­ten. Ganz am Ende war auf einmal Bewegung da.

Ich habe mich gefragt: Weshalb ist das so, weshalb entschließt sich die Opposition tat­sächlich, diesen konstruktiven Kurs von uns mitzugehen? Wir sind dann ganz weit ge­kommen. Aber ganz am Schluss ist Ihre Haltung auf einmal ganz anders geworden .

Aus Ihren Ausführungen und aus der Rede der Abgeordneten Sima ging hervor, dass es Ihnen vor allem um den Punkt der Fertigstellung des Baues von AKWs geht. Dies­bezüglich steht im Entschließungsantrag:

„Die Entscheidungen sind darauf auszurichten, dass Kredite nur für bestehende, in Betrieb befindliche Anlagen gewährt werden und dass keine Mittel für den Neubau oder für Kapazitätsausweitungen beziehungsweise Effizienzsteigerungen von AKW und die Nachrüstung von AKW mit einer damit verbundenen Laufzeitverlängerung ver­wendet werden.“

Was heißt das? – Das heißt: keine Fertigstellung, kein Neubau, keine Verlängerung! All das steht im Antrag! Dass hier heraußen behauptet wird, dass wir das wollen, mit dem Wissen – denn wir haben das ausführlich diskutiert –, dass das EURATOM- Kredit­volumen mit Mehrheit, weil es kein Einstimmigkeitsprinzip gibt, beschlossen werden kann, dass es also dafür nicht der Zustimmung Österreichs bedarf, weil die Mehrheit in Europa dafür ist, und dass Sie die Gefahr nicht sehen wollen, dass deshalb, weil bei der Richtlinie das Einstimmigkeitsprinzip gegeben ist, die alten Richtlinien aufrecht bleiben, das verstehe ich überhaupt nicht.

Das war eine verantwortungsvolle Entscheidung, und ich gratuliere der Regierung da­für, dass sie diese beiden Punkte miteinander verbunden hat. Jetzt besteht für beide Be­reiche Einstimmigkeit. Ich glaube, dass mit dieser Richtlinie, mit diesem Auftrag an die Regierung alle Voraussetzungen dafür gegeben sind, unseren Anti-Atomkurs wie­ter­hin so zu führen, wie wir ihn im Konsens beschlossen haben. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Wenn man weiß, welche Gefahren darin liegen, und wenn man weiß, dass die Sicher­heit der Österreicher und Österreicherinnen auf dem Spiel steht, weil gerade Öster­reich von vielen grenznahen AKWs betroffen ist, wenn man also all das weiß und trotz­dem solch eine Entscheidung trifft, dann ist das meiner Meinung nach nichts Anderes als das Schlagen von poltischem Kleingeld. Ich würde sogar sagen, dass Sie sich dafür schämen müssen, weil Sie nur für einen Bereich diese Konsenspolitik aufgeben, näm­lich um diesem Anti-Atom-Volksbegehren gerecht zu werden. Weil das Transparent von „Global 2000“ hier entrollt wurde und Greenpeace an diesem Tag vor dem Par-


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lament demonstriert hat, haben Sie geglaubt, Sie könnten damit punkten, dass Sie dagegen stimmen. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Wir halten die Linie!) Die Öster­reiche­rin­nen und Österreicher werden begreifen, dass Sie etwas getan haben, womit Sie die Inter­essen Österreichs verraten haben. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Frei­heitlichen. – Abg. Dr. Gabriela Moser: Überhaupt nicht! Sie haben sie verraten!)

Ich frage mich, wie Sie es argumentieren werden, wenn sich die Leute wirklich in­haltlich damit auseinander setzen und feststellen, dass unter Umständen mit Ihrem Weg – und ich glaube, es wäre wichtig gewesen, wenn dieses Parlament gemeinsam unseren Kurs weitergefahren wäre –, mit Ihrer Art und Weise, wie Sie das vertreten, die EURATOM-Kreditmittel, die trotzdem 6 Milliarden ausgemacht hätten, weiterhin für den Ausbau und für die Fertigstellung von AKWs und für die Laufzeitverlängerung ver­wendet worden wären. Mit unserem Entschließungsantrag ist gewährleistet, dass die österreichischen Regierungsmitglieder dem nicht zustimmen werden.

Nun möchte ich noch einmal die Voraussetzungen wiederholen: Zustimmung zur Auf­stockung des EURATOM-Kreditrahmens – und da sage ich persönlich: sechs Milliar­den sind mir lieber, wenn die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher ge­währ­leistet ist – nur unter genannten Bedingungen: Kredite nur für bestehende, in Betrieb befindliche Anlagen, für Sicherheitsverbesserungen, keine Mittel für den Neu­bau, für Kapazitätsausweitungen, für Effizienzsteigerungen und für Laufzeitver­län­ge­rung bei Nachrüstungen, Einbindung des Europäischen Parlaments in die EURATOM-Entscheidungsverfahren – das ist nämlich auch ein ganz wesentlicher Bereich –, Anpassung des EURATOM-Forschungsprogramms an das Ziel eines EU-weiten Atom­ausstieges.

Unser Ziel muss es sein, dass Österreich Europa davon überzeugt, dass dieser Kurs, den Österreich fährt, der richtige ist. Es ist sicherlich nicht so, wie Sie uns das immer vorwerfen. Sie sagen, wir gehen nicht geschlossen nach Europa und probieren, dort Lobbyismus zu betreiben. Es ist ein ganz klarer Auftrag gegeben, aber Sie verlassen diesen Weg.

Deshalb waren Sie heute auch so kleinlaut. Normalerweise sind Sie immer so laut und schimpfen, aber heute sagen Sie: Ja, da ist einiges in Ordnung, aber wir können halt nicht ...! Sie wissen ganz genau, dass Österreich – und wir sind Gegner einer Auf­stockung! – mit dieser Entscheidung wenig zu tun hat. Sie wissen es ganz genau! Sie probieren da eine Kurve zu kratzen, die Ihnen keiner glaubt. Alle, die da zuhören, wissen das, weil Sie den Inhalt des Entschließungsantrages gern mittragen wollten, sich aber schlussendlich unter Druck setzen ließen. Vielleicht haben Sie sich gedacht: An diesem Thema wollen wir ein bisschen länger dran bleiben. Die Sicherheit Öster­reichs ist offenbar zweitrangig – und das tut einem weh; mir persönlich tut es weh. (Abg. Dr. Glawischnig: Das wollen wir aber nicht, dass Ihnen etwas weh tut, Herr Kollege! Wirklich nicht!)

Ich habe an diesem Tag gehofft, wir kommen zu einer Einigung. Sie gehen her und – das muss man sich ein bisschen auf der Zunge zergehen lassen – schildern uns die Gefahren des Atomkraftwerkes. Davon haben wir ja nicht nur eines, davon haben wir ja viele! Und auf der anderen Seite wollen Sie nicht sicherstellen, dass die Verga­bericht­linien so geändert werden, dass für diese Dinge eben nicht mehr Geld zur Ver­fügung steht. Ich würde mir wünschen, dass Sie es mir erklären. Wenn Sie mir sagen, dass wir verhindern können, dass das EURATOM-Kreditvolumen nicht erhöht wird, wenn Sie mir das garantieren können, dann stimme ich gern zu. Sie wissen aber, dass es nicht so ist. (Abg. Dr. Glawischnig: Sie waren auch dagegen, nur die ÖVP nicht!)

Wir werden diesem Entschließungsantrag gerne zustimmen. Das, was wir hier be­schließen, ist für die Sicherheit der Bevölkerung von Österreich wichtig und bestätigt


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unseren Anti-Atom-Kurs. Die Regierung ist beauftragt, das so umzusetzen, und glau­ben Sie mir eines: Mit dieser Politik fahren wir richtig. Mit dieser Politik tun wir etwas für die Österreicherinnen und Österreicher. Mit dieser Politik machen wir für ganz Europa etwas. – Das ist wichtig, und dafür stehen wir auch! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

 


11.43

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Vorweg gleich die Feststellung: Wir alle wollen den Ausstieg aus der Atomenergie, und wir haben das iin vielen Demonstrationen auch als gemeinsame Aktion zum Ausdruck gebracht. Ich glaube, wir alle kennen die Gefahren, die für uns von diesen besonders grenznahen AKWs ausgehen, und die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher lehnt das ab, aus der Erfahrung heraus, dass seit Tschernobyl doch bewiesen ist, dass diese Technologien nicht völlig beherrschbar sind, und eine Technologie, die nicht völlig beherrschbar ist, sollte man nicht anwen­den.

Wir wissen aber auch, geschätzte Damen und Herren, dass man dafür Zeichen setzen muss, nämlich Zeichen in der Form, dass die Ablehnung in Österreich auch nach Eu­ropa hineingetragen wird, dass Positionen eingenommen werden, die klar erkennen lassen, dass Österreich ganz vorne mit dabei ist, wenn es darum geht, für Europa den Ausstieg aus der Atomenergie zu erreichen. Es beschäftigen sich die Landtage damit, ebenso beschäftigt man sich in vielen anderen Bereichen damit, aber man muss auch feststellen, dass 15 Prozent der Energie in Europa aus Atomkraft stammen und dass auch Österreich im Strom-Mix immer mehr Atomstrom hat; den höchsten Anteil haben die Tiroler mit etwa 27 Prozent.

Das ist eine Entwicklung, die man auch sehen muss. Es gibt Länder, die nicht an einen Ausstieg denken, sondern – im Gegenteil! – dafür eintreten, die Atomkraft wieder ver­stärkt zu nützen. Frankreich oder auch Spanien beispielsweise forcieren einen ver­stärkten Einstieg in die nächste Generation von Kernreaktoren und arbeiten gemein­sam mit der Firma Siemens daran, 2015 diesen neuen Typ zu erreichen.

Es sollte also eine Positionierung Österreichs erfolgen, die eine durchgehende Ableh­nung erkennen lässt, und daher soll eine Zustimmung zum EURATOM-Vertrag, was die Aufstockung betrifft, nicht erfolgen. Das ist ein falsches Signal an die Adressaten, und es wurde dies auch von der Frau Abgeordneten Flemming als eine Fehlent­schei­dung eingeschätzt und auch vom Abgeordneten Kronberger von den Freiheitlichen ähn­lich beurteilt. Die Ablehnung einer Aufstockung der Mittel durch die Sozialdemo­kraten ist also kein falsches Signal, sondern wird durchaus auch von anderen mitge­tragen.

Was die Argumentation des Herrn Vorredners – und auch des Herrn Kopf – betrifft, dass wir, wenn wir der Aufstockung nicht zustimmen, bei der Mittelverwendung keine Mitsprache hätten, möchte ich hinzufügen: Ich weiß nicht, wie es zu dieser Beurteilung der Situation gekommen ist. Während die Aufstockung der Mittel für EURATOM eine Mehrheitsentscheidung darstellt und daher durchaus auch gegen die Interessen Österreichs erreicht werden kann, ist die Verwendung der Mittel weiterhin dem Prinzip der Einstimmigkeit unterworfen. Und ich frage mich: Was habe ich mir da eigentlich erkauft?


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Ich stimme einerseits der Aufstockung nicht zu und möchte allerdings – was ohnehin der Einstimmigkeit unterliegt – bei der Mittelverwendung, was die Sicherheit und auch das gesamte Ausstiegsszenario betrifft, die volle Mitsprache haben. Geschätzte Da­men und Herren! Es wurde ja nicht gesagt, dass, wenn wir nicht zustimmen, die Mittel­verwendung automatisch dem Prinzip der Einstimmigkeit entzogen wird. Das wurde wirklich nicht gesagt! Daher ist das Zusammenziehen der Materie für mich nicht nach­vollziehbar:

Selbst wenn Sie von vier auf sechs aufgestockt hätten, wäre die Mittelverwendung weiterhin einem einstimmigen Beschluss unterlegen, und unter Umständen hätten die aufgestockten Mittel sogar keiner Verwendung zugeführt werden können.

Ich weiß, dass viele schon in den Startlöchern scharren, damit viele Aufträge an die Atomlobby gehen, aber ich glaube, man muss das viel weitreichender betrachten. Es gibt da nämlich einen Zusammenhang zwischen der friedlichen Nutzung und der Pro­duktion von Atomwaffen. Es gibt diesen Zusammenhang zwischen der friedlichen Nut­zung und der Atombombe. Wir wissen ja, wie viel Plutonium da entsteht und wie viel dann wieder verwendet werden kann. Auch diese Zusammenhänge werden meiner Meinung nach viel zu wenig beachtet.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist wichtig, eine Revision des EURATOM-Vertrages anzustreben. Ich weiß, dass das Primärrecht der EU ist, aber man könnte alle Zeichen so setzen, dass sie in allen internationalen Positionierungen mit unserer Gesinnung übereinstimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornek. 5 Minu­ten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


11.49

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Als Waldviertler Abgeordneter und Bürgermeister einer kleinen Grenzgemeinde, die zirka 60 km Luftlinie von Temelin ent­fernt ist, war und ist für mich Anti-Atompolitik ein zentrales Thema, ist Anti-Atompolitik für mich – und das nicht erst, seit es verschiedene Volksbegehren in diesem Zusam­men­hang gibt – seit mehr als drei Jahrzehnten ein Herzensanliegen.

Österreich hat aufgrund eines Volksentscheides für sein eigenes Territorium im Zuge des Atomsperrgesetzes ein Verbot von atomarer Stromproduktion festgelegt, ist aber von einer Vielzahl von Atomkraftwerken in den Nachbarländern umgeben. Um die Ris­ken dieser Anlagen zu minimieren, muss es Ziel dieses Hohen Hauses sein, einen euro­paweiten Ausstieg aus der Atomstromproduktion zu unterstützen. Die konse­quen­te Position Österreichs muss daher der Hinweis auf die permanenten Gefahren sein, die mit der Kernenergie verbunden sind, muss die Unterstützung jedes Landes in Be­zug auf ein Ausstiegsszenario sein.

Geschätzte Damen und Herren! Unser zentrales Ziel müssen hohe Sicherheits­stan­dards für die bestehenden Anlagen sein und ein massives Wirken in Richtung einer Stilllegung dieser Anlagen; aber zwischenzeitig müssen hohe Sicherheitsstandards bestehen.

In Bezug auf die Zielsetzung dieses Volksbegehrens bin ich zu 100 Prozent d’accord. In Bezug auf die Ministerbindung sehe ich es so, wie dies im Zuge des Unter­aus­schusses der Experte Universitätsprofessor Dr. Manfred Rotter vom Institut für Völker­recht und internationale Beziehungen der Universität Linz getan hat, der klar zum Aus­druck brachte, dass eine derartige Bindung nicht sinnvoll erscheint. Das ist ein Stand-


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punkt, den ich in hohem Maße deshalb unterstütze, weil Österreich sich als ernst zu nehmender Verhandlungspartner auf europäischer Ebene selbst ausschließen würde.

In Bezug auf die Aufstockung des EURATOM-Kredites stellen wir uns klar gegen die derzeit gegebene Zweckbestimmung. Es muss deshalb in Richtung einer Befristung der Laufzeiten der AKWs gewirkt werden.

Anti-Atompolitik ist in Österreich sehr populär, und viele stehen daher gerne mit stolz geschwellter Brust in der ersten Reihe. Der Maßstab für die Glaubwürdigkeit in der Anti-Atompolitik ist aber der effiziente Umgang mit Alternativenergie. Es geht nicht an, sich gegen Atomenergie auszusprechen, aber diese augenzwinkernd zu kaufen.

Unsere bisherigen Umweltminister Molterer und Pröll haben sich bisher immer massiv für erneuerbare Energien eingesetzt; das kommt in den Förderprogrammen und den damit verbundenen und umgesetzten Projekten klar zum Ausdruck. Ein wichtiges Ele­ment im Zusammenhang damit ist das vor kurzem in diesem Hohen Haus beschlos­sene Ökostrom-Gesetz. Daraus resultieren bereits viele Projekte im Biomassebereich, wie Biogas, feste und flüssige Biomasse und auch Windprojekte. Viele derartige Pro­jekte sind in Vorbereitung. Um den Betreibern dieser Anlagen Chancengleichheit am Markt zu gewähren, ist es notwendig, dass jeder österreichische Haushalt im Gegen­wert eines einziges Krügels Bier belastet wird.

Mit Bedauern mussten wir vor kurzer Zeit zur Kenntnis nehmen, dass es in Österreich Kräfte gibt, denen die Umsetzung dieses Gesetzes nicht sinnhaft erscheint. Dieser Standpunkt ist kontraproduktiv in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Umsetzung des Kyoto-Ziels und der Anti-Atompolitik. All jene, die heute einen Gegenwert von einem Krügel Bier verhindern möchten, könnten morgen im gleißenden Scheinwerferlicht mit einem Katzenjammer erwachen. Daher ist es notwendig, sich rasch am Verhand­lungs­tisch einzufinden und die künstlichen Probleme für die Anlagenbetreiber und solche, die es werden wollen, zu lösen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen.)

Anti-Atompolitik und Energiepolitik mit dem Ziel der Realisierung des Kyoto-Ziels sind ein politisches Kernthema der Zukunft und bedürfen einer gemeinsamen Vorgangs­weise, Frau Kollegin Glawischnig, aller Parteien in diesem Hohen Haus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Da brauchen Sie aber nicht mich anzureden!)

11.53

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rest-Hinter­seer. – Bitte.

 


11.54

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses und anwesende Interessierte! Wir Grüne kämpfen schon seit langem für den europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie. Das ist ja nichts Neues. Der europaweite Ausstieg aus der Atom­energie stellt für uns seit Jahren eines der umweltpolitischen Schlüsselprojekte dar. Warum? (Abg. Wittauer: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch irgendwelche Argu­mente gibt!)

Die Energiegewinnung aus Atomkraft, Herr Wittauer, ist eine der dümmsten Energie­gewinnungsmöglichkeiten, die es gibt. Das ist die Dinosauriermöglichkeit aus dem 20. Jahrhundert. Wir wissen das, das ist nichts Neues.

Den im Volksbegehren vorgeschlagenen Text begrüßen wir deshalb, weil es für die öster­reichische Bundesregierung klare verfassungsrechtliche Handlungsaufträge für ihr Wirken im Rat der Europäischen Gemeinschaft beinhaltet. Das jeweilige öster­reichi-


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sche Regierungsmitglied wird verpflichtet, für den Ausstieg der EU-Mitglied­staa­ten aus der Kernenergie einzutreten, auf Rechtsakte hinzuwirken, die unter Achtung der Grundrechte zu einem Verbot neuer AKWs oder zur Stilllegung beziehungsweise Nichtinbetriebnahme führen, und auf die Auflösung – längerfristig oder langfristig – des EURATOM-Vertrags und Unterstellung der Atomindustrie unter den RG-Vertrag und die Erlassung von Vorschriften zum Schutz vor ionisierenden Strahlen hinarbeiten sowie keinen Maßnahmen der EU zuzustimmen, die dem Atomausstieg zuwider laufen, wie zum Beispiel Kreditvergaben für AKW oder Forschungsprogramme im Bereich der Kernfusion und der Entwicklung neuer Reaktorkonzepte.

Ich schließe mich meinem Vorredner an, dass die angeführten Milliardenbeträge be­sonders für nachhaltige Energieprojekte verwendet werden sollen. Das gibt re­gional­politische Impulse in den ländlichen Gebieten Russlands, aber auch in jenen der Bei­trittsländer.

Wie ist es denn gelaufen mit diesem Entschließungsantrag, Herr Kollege Wittauer? – ÖVP und FPÖ haben sich klar gegen eine Umsetzung des Volksbegehrens „Atom­freies Europa“ ausgesprochen. (Abg. Wittauer: Das stimmt überhaupt nicht!) Wir haben noch im Juli 2002 einen Antrag beschlossen, in dem sich die Grünen, ÖVP und FPÖ bedingungslos gegen die geplante Kreditaufstockung gewandt haben. Was ist in der Zwischenzeit passiert, dass Sie jetzt plötzlich eine neue Pro-Atom-Linie ein­nehmen? Hat das damit zu tun, dass Landeshauptmann Haider mittlerweile zur Atom­lobby gewechselt ist mit seinem Einstieg in die RWE? Die KELAG soll dazu dienen, steht in den Papieren der RWE, den Markt für Süd- und Osteuropa im Atomstrom­bereich aufzumachen. (Beifall bei den Grünen. – Abg Wittauer: Tirol hat 27 Prozent Atomstrom!)

EURATOM-Kredite stellen eine einseitige und wettbewerbsverzerrende Förderung der Atomindustrie dar, die in Osteuropa im Geschäft bleiben will, weil sie in Westeuropa keine guten Geschäfte mehr macht. Die Bundesregierung kann sich nicht glaubwürdig für das Ende des EURATOM-Vertrages einsetzen, wenn sie gleichzeitig der Erhöhung des wichtigsten Atomförderinstruments zustimmt.

Wie schaut denn jetzt konkret die Situation aus? – Das steht ja auch im Anfangstext: Sieben EU-Mitgliedstaaten haben keine Kernenergienutzung beziehungsweise sind schon ausgestiegen. Acht EU-Mitgliedstaaten decken etwa 15 Prozent des Energie­bedarfs. Fünf davon haben angekündigt, dass sie ebenfalls den Ausstieg vorhaben. Nur drei – das sind allerdings große – wollen Atomstaaten bleiben. Und von den zwölf Beitrittskandidaten betreiben sieben Kernkraftwerke. Also sollen zehn Mitgliedstaaten in ihrer Atompolitik gefördert werden und Billigatomstrom in den liberalisierten Markt schicken, während für die enormen Kosten der Entsorgung und des Risiko des Be­treibens wieder alle Menschen in der EU den Kopf hinhalten müssen.

Ich erinnere nur an die enormen Schäden in der Landwirtschaft nach dem Tscher­nobyl-Supergau. Teile der Berggebiete bei uns in Salzburg weisen noch immer erhöhte radioaktive Werte auf. Und, wie Herr Mag. Bauer schon gesagt hat, Energie aus Atomstrom, Energie aus Atomkraftwerken ist immer mit dem Risiko verbunden, dass das für Atomwaffen geeignete Plutonium zur Waffenerzeugung verwendet wird.

Wir können also keinen positiven Effekt aus diesen EURATOM-Krediten erkennen und mussten uns – mussten uns! – dagegen aussprechen, auch wenn wir, wie Frau Kol­legin Glawischnig schon gesagt hat, bei Teilen des Entschließungsantrages mitge­gan­gen wären, wobei dies jene Teile sind, die wir vorbereitet haben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wittauer: Lieber die alten Richtlinien und trotzdem die Aufstockung!)

11.59

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
46. Sitzung / Seite 48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bundesminister Pröll. – Bitte, Herr Minister.

 


11.59

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es wurde schon von mehreren Vorrednern angesprochen: Es gibt in Österreich einen breiten Konsens in der Frage des Umgangs mit Kernenergie in diesem Land, aber auch in der Frage der Positionierung Österreichs in der Kern­ener­gienutzung auf europäischer Ebene.

Alle vier Parteien haben über Jahre hinweg dazu eine klare Position eingenommen, und in diesem Lichte muss man aus meiner Sicht auch das Volksbegehren bewerten. Von 131 000 Unterschriften ist natürlich jede für sich ernst zu nehmen, aber es zeigt auch ganz klar und deutlich, dass eine große Mehrheit der österreichischen Bevöl­ke­rung sich mit dem identifiziert, was die Bundesregierung, was dieses Hohe Haus be­züg­lich der Stellung zur Atomkraft in den letzten Jahren geleistet hat.

Ich möchte auf einen Punkt eingehen, der zentrales Thema in der Auseinandersetzung und Diskussion um das Volksbegehren „Atomfreies Europa“ war, und darauf ver­wie­sen, dass aus rechtssystematischer Sicht die Bundesverfassung die rechtliche Grund­ordnung für den Staatsverband bilden sollte – darin sind wir hier, glaube ich, auch alle einer Meinung – und daher nur Regelungen allgemeiner Natur auf Verfassungsebene getroffen werden sollten. Das wurde auch im Unterausschuss von den meisten Exper­ten ganz klar in diese Richtung beantwortet.

Man muss auch bedenken, und jeder, der schon einmal an Verhandlungen auf inter­nationaler oder europäischer Ebene teilgenommen hat, weiß, dass verfassungs­recht­liche Verankerung und klare Bindung den Verhandlungsspielraum so einengen, dass sinnvolle Lösungen, die auch in unserem Interesse, nämlich in der klaren Positionie­rung der Ablehnung der Atomkraft, liegen, jedenfalls nur sehr schwer zu erzielen wären.

Mein persönlicher Zugang zur Frage Positionierung und Verhandlungsausrichtung ist die Ablehnung von extremen Positionen. Nur im Interesse der einen oder anderen Schlag­zeile grundlegende Verhandlungspositionen aufgeben zu müssen sehe ich nicht als Stil der Politik und auch nicht als Mittel dazu, in unserem Sinne zum Erfolg zu kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es lässt sich auch in der Atompolitik Österreichs die ausgewogene Vorgangsweise an mehreren Themen ganz klar ablesen. Es ist gelungen, dass schon vor Jahren, mit der beginnenden Diskussion um die Erweiterung der Europäischen Union, von unserer Seite klargemacht wurde, dass gefährlichste Reaktoren in den neuen Beitrittsländern abgeschaltet werden sollten, dass Sicherheitsverbesserungen vorgenommen werden sollten. – Und das wurde nicht erreicht mit Drohungen, sondern das wurde erreicht mit klarer Positionierung, mit Verhandlungsführung und mit Gesprächen.

Nehmen wir das Beispiel Temelίn, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch in diesem Prozess ist einmal mehr klar geworden, dass nicht das Blockieren von Gren­zen, nicht das Drohen zum Erfolg führen, sondern einzig und allein die Verhandlung und das Gespräch. Wir konnten mit dem „Melker Prozess“ und den Brüsseler Verein­barungen Zug um Zug in eine Sicherheitsdebatte eintreten, um das Kraftwerk Temelίn sicherer zu machen. Mir wäre es auch lieber, wenn es vom Netz gehen würde, aber man muss auch die nationale Souveränität am Punkt X entsprechend respektieren.

Zweites Thema, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es gab eine heftige Debatte in der Tschechischen Republik, geführt vom Industrieminister, um den Ausbau der


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46. Sitzung / Seite 49

Kernkraft in Tschechien. Auch in diesem Bereich haben manche auf die Konfrontation gesetzt – ich, wir haben auf das Gespräch gesetzt. Ich habe Umweltminister und Außenminister der Tschechischen Republik kontaktiert, und, siehe da, Premier Špidla hat vor ein paar Wochen ganz klar Stellung genommen, und zwar dahin gehend, dass an einen Ausbau der Kernkraft in Tschechien nicht gedacht ist.

Meine Damen und Herren! Wie Sie sehen, auch in diesem Bereich: klare Position, Verhandlung und Gespräch – es zahlt sich aus! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was den von Ihnen heute angesprochenen Entschließungsantrag und auch die Frage EuratoM-Kreditaufstockung und Neudefinition der Ziele betrifft, so darf ich Ihnen sagen, dass uns auch hier Entscheidendes gelungen ist, nämlich: die Frage der Ziel­definition im EuratoM-Vertrag und die Frage der Aufstockung der Kredite zu ver­knüpfen. Die Ausgangsposition ist klar: Einstimmig konnten nur die Ziele verändert werden, mit Mehrheitsbeschluss in der Europäischen Union die Aufstockung. Nun hat die italienische Präsidentschaft in der vergangenen Periode einen Vorschlag einge­bracht, dass man beide Dinge zusammenführt. Damit hat unsere Stimme an Gewicht ge­wonnen, und es muss klar sein, dass wir auch mit entsprechenden Verhand­lungs­positionen unsere Meinung einmal mehr klarmachen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass wir auch in dieser Hinsicht auf dem richtigen Weg unterwegs sind.

Zur Frage der Frau Abgeordneten Glawischnig in Richtung München und deutsche Atom­kraftwerke Folgendes: Sie oder Herr Abgeordneter Pilz sind gestern draufge­kom­men, dass es hier ein Thema gibt. (Abg. Dr. Glawischnig: Genau! Seit Monaten!) Un­sere Beamten haben bereits vor Jahren in der Frage Sicherheit europäischer und damit auch deutscher Atomkraftwerke sowohl bilateral mit Deutschland als auch auf internationaler Ebene in der IAEO klar darauf hingewiesen, wo die Probleme liegen und wo Verbesserungen herbeigeführt werden sollten. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Haben Sie Ihren bayrischen Kollegen schon einmal besucht?)

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist zu sagen, Sie sind etwas spät auf die Problematik draufgekommen. Wir haben schon sehr früh darauf reagiert.

Zum Entschließungsantrag ist zu sagen, es tut mir Leid, dass die Opposition jetzt, nach vielen Jahren, die Vier-Parteien-Strategie der konsequenten Anti-Atompolitik verlassen hat. – Schade, kann ich nur sagen. Schade, dass Sie nun nicht mehr unserem Weg der konsequenten Ablehnung der Atomkraft in Europa folgen. Ich werde jedenfalls auch weiterhin für den Ausstieg der Atomkraft in Europa eintreten.

Wir verhandeln in Bezug auf die Frage Revision des EuratoM-Vertrags im Euro­päischen Konvent in den Schlussverhandlungen klar, dass der EuratoM-Vertrag neu ausgerichtet werden soll.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenn Sie diese Linie nun­mehr auch verlassen haben, bei mir können Sie davon ausgehen, dass ich, was die Atomkraft betrifft, gemeinsam mit meinen Kollegen in der Regierung alles in meiner Macht Stehende unternehmen und für die Sicherheit der österreichischen und der euro­päischen Bevölkerung auch weiterhin konsequent eintreten werde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.06

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Ach­leit­ner. – Bitte.

 



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46. Sitzung / Seite 50

12.06

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Die Atomenergie und die davon ausgehende Gefahr ist für uns alle ein so großes und bedeutendes Thema, dass es ganz einfach keine Frage von Parteipolitik und insbesondere von Parteitaktik sein darf. Mir ist völlig unverständlich, weshalb SPÖ und Grüne dieses Thema parteipolitisch missbrauchen. (Abg. Dr. Lich­tenberger: Mein Gott, es ist immer das gleiche falsche Argument!) Ich kann mich des Eindrucks einfach nicht erwehren, dass falsche Propaganda auf dem Rücken der Sicherheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger ausgerichtet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eine Vier-Parteien-Einigung wäre ganz wichtig, um in der Vorgehensweise Österreichs in der Anti-Atompolitik wirklich ein wichtiges Signal nach außen zu setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Freiheitliche waren und sind unserer Linie treu, gegen die Atomkraftwerke in Europa aufzutreten, und verfolgen nach wie vor konse­quent das Ziel, grenznahe AKWs rasch stillzulegen.

Dass uns Anti-Atompolitik wichtig ist, haben wir schon beim Temelίn-Volksbegehren be­wiesen. Im Gegensatz zur Opposition, die dieses Volksbegehren damals als kontra­produktiv und als Verschleuderung von Steuergeldern bezeichnet hat, ist uns auch das jetzige Volksbegehren „Atomfreies Europa“ ein wirkliches Anliegen.

Nach wochenlangen Verhandlungen hat es auch einen weit reichenden und sehr um­fassenden Entschließungsantrag gegeben, und ich möchte für die Zuhörer hier im Ho­hen Haus noch einmal die darin aufgezeigten Ziele wiederholen, denn es ist für mich, wie gesagt, unverständlich, dass hier insbesondere die Grünen nicht mitstimmen kön­nen. In diesem Antrag wird festgehalten, dass der Atomausstieg ein großes Thema sein soll, dass tief greifende Reformen in der EU-Energiepolitik einzufordern sind und eine rasche Stilllegung aller grenznahen AKWs, insbesondere natürlich von Temelίn, das ja eine tägliche Bedrohung für all unsere Bürger insbesondere in den grenznahen Bereichen darstellt, erreicht werden soll.

Es ist mir wirklich völlig unverständlich, dass die Opposition gerade diesen Antrag ab­lehnt und unseren gemeinsamen Weg in der Anti-Atompolitik verlässt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Opposition wird nicht müde, die Regierungs­parteien anzuschwärzen, indem sie sagt, dass wir einer Aufstockung der EuratoM-Kredite zustimmen. In Wahrheit verschweigen Sie aber die genauen Zusammenhänge, denn Tatsache – und das wurde heute schon mehrfach erwähnt – ist, dass das ge­mein­same EuratoM-Paket dann in der Gemeinschaft mit dem Einstimmigkeitsprinzip verhandelt werden kann. Und genau da hat Österreich dann konkrete Möglichkeiten, auf die Aufstockung und die Verwendung der Kreditmittel massiven Einfluss zu neh­men. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gerade die Bedingungen für die Aufstockung und Verwendung der Kreditmittel sind in diesem Entschließungsantrag ganz klar definiert. Es ist eindeutig formuliert, dass keine Kreditmittel für den Neubau, für die Ausweitung von Kapazitäten und für die Effizienz­steigerung von AKWs verwendet werden dürfen und dass EuratoM-Kreditmittel nur für Sicherheitsmaßnahmen mit verbindlichen fixen Schließungsdaten verwendet wer­den sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das heißt, künftige Gelder im Rahmen von EuratoM-Verträgen werden nur für den Ausstieg aus der Kernkraft und für zusätzliche Sicherheitsinvestitionen eingesetzt. – Eine Erhöhung der Sicherheit für die österreichische Bevölkerung, der Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, nicht zustimmen können?


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46. Sitzung / Seite 51

Gerade als Oberösterreicherin freut es mich, dass in diesem Antrag auch ganz konkret die weitere Vorgehensweise bezüglich Tschechien formuliert ist. Die Regierung wird aufgefordert, an dem Atomausstieg insbesondere von Temelίn festzuhalten (Beifall und Bravoruf des Abg. Wittauer), wird aufgefordert, dass weitere Stilllegungsverhand­lun­gen mit Tschechien fortgeführt werden und dass der Umstieg auf erneuerbare Energie­träger unterstützt wird.

In diesem Zusammenhang ersuche ich natürlich Herrn Bundesminister Pröll, weiterhin verstärkt in diesem Bereich tätig zu sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ernsthafte Anti-Atompolitik erfordert Verantwortung – eine Verantwortung über alle Parteigrenzen hinweg, eine Verantwortung, vor der Sie von der SPÖ und den Grünen sich anscheinend drücken wollen, eine Verantwortung, die wir im Hinblick auf die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher aber sehr gerne und bewusst übernehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

 


12.12

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 131 772 Österreicherinnen und Österreicher haben das Volksbegehren „Atomfreies Europa“ unterschrieben. Diese Zahl, Herr Bundesminister, spricht aber trotzdem für sich.

Fast 40 Millionen € pro Jahr zahlt Österreich an Atomgeldern in die EU. – Herr Bun­desminister, Ihr Bemühen, für den Atomausstieg zu kämpfen, in Ehren, trotzdem meine ich, das Ja der Regierungsparteien zu einer Aufstockung der EuratoM-Gelder ist ein Ja zur Finanzierung von Atomkraftwerken. Auch wenn die Regierung eine Aufstockung der Gelder (Abg. Wittauer: Und was ist, wenn die alten Richtlinien bleiben?) – bitte, hör mir zu, jetzt bin ich am Wort – durch angebliche Sicherheitsverbesserungen schön­zureden versucht, die Realität sieht doch anders aus.

Auch die Aufstockung des Kreditrahmens von 4 auf 6 Milliarden € halten wir für inak­zeptabel. Mehr Geld für Euratom bedeutet mehr Geld für AKWs in Europa und nicht mehr Geld für die Sicherheit der Bevölkerung, meine Damen und Herren! Nach wie vor noch ungeklärt – und das sorgt uns sehr – ist die Entsorgung radioaktiver Abfälle. So wächst derzeit der Plutoniumberg um 60 Tonnen pro Jahr und müsste 250 000 Jahre gesichert werden.

Bedenklich zu sein scheint mir aber auch, dass ein internationaler Schwarzmarkt für Nukleartechnik zeigt, wie hilflos wir gegen die Weiterverbreitung radioaktiver Abfälle beziehungsweise in der Folge gegen Kernwaffen sind. Auch Experten melden diesbe­züglich ihre Bedenken an, wenn sie meinen, dass die Gefahr, dass die Nukleartechnik, sprich auch Atomwaffen, in die Hände von skrupellosen Diktatoren und Terroristen fällt, noch nie so groß war wie heute.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, jeder von uns erinnert sich an Berichte über den 6. August 1945, als in Hiroshima nach einem Atombombenabwurf 80 000 Menschen sofort starben und an den Folgeschäden noch weitere 60 000 Menschen gestorben sind. Beim zweiten Abwurf über Nagasaki am nächsten Tag mussten weitere 70 000 Men­schen ihr Leben lassen. Obwohl man begriffen hat, dass der Einsatz der Nuk­leartechnik beziehungsweise der Atomtechnik, egal wo auch immer, gefährlich ist, geht man, so scheint mir, sorglos mit diesem Thema um. (Abg. Wittauer: Aber nicht diese Bundesregierung!)


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46. Sitzung / Seite 52

Die Erinnerungen an Hiroshima und Nagasaki sind leider im Verblassen, die Störfälle Tschernobyl, Temelίn sind uns aber noch gut in Erinnerung und sollten uns zum Nachdenken anregen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Herr Bundesminister! Wir müs­sen alles Menschenmögliche unternehmen, um den europäischen Atomausstieg voran­zutreiben. (Abg. Wittauer: Dann stimmen Sie zu, Frau Abgeordnete!) Ich ersuche Sie darum. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.15

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Soll ich Sie (in Richtung des Abg. Wittauer) noch einmal in die Rednerliste eintragen? (Ruf bei der SPÖ: Na wirklich nicht!) – Gut.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer, und Sie (in Richtung des Abg. Wittauer) denken inzwischen über meinen Vorschlag nach.

 


12.15

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Das Volksbegehren „Atom­freies Europa“ wurde vor knapp einem Jahr von etwa 131 000 Mitbürgerinnen und Mit­bürgern unterschrieben.

Was waren die zentralen Forderungen dieses Volksbegehrens? Erstens: europaweiter Ausstieg aus der Kernenergienutzung, zweitens: kein Neubau von Kernkraftwerken in EU-Mitgliedsstaaten, und drittens: keine weiteren Förderungen für die Kernener­gie­nutzung in der Europäischen Union.

Mit diesen drei Forderungen können wir uns d’accord erklären. Nicht d’accord erklären können wir uns mit der Forderung, dass diese drei Dinge verfassungsmäßig geschützt sein sollen, um die Mitglieder der Bundesregierung daran binden zu können.

Das Bundesministerium für Umwelt hat für die österreichische Nuklearpolitik eine Drei-Stufen-Strategie für den Weg zum europäischen Atomausstieg vorgezeichnet. Erstens: Schließung von nicht nachrüstbaren Kraftwerken wie zum Beispiel der Reaktoren Ignalina, Bohunice und Kosloduj, zweitens: Schaffung einheitlicher und hoher Sicher­heitsstandards für noch in Betrieb befindliche Kernkraftwerke, und drittens: konse­quente Verfolgung eines europaweiten Ausstiegs aus der Nutzung der Kernkraft.

Dieses Ausstiegsszenario war stets Standpunkt aller im Parlament vertretenen Par­teien. Ebenfalls waren sich alle darin einig, dass Österreich nur dann für seine Ziele etwas erreichen kann, wenn es als Verhandlungspartner ernst genommen wird. Wür­den wir auf europäischer Ebene unseren Standpunkt, wie gefordert, verfassungsmäßig einbetonieren, würden wir automatisch die Flexibilität bei den Verhandlungen verlieren. Dadurch würden wir ebenfalls die Möglichkeit, die europäische Atompolitik in unsere Richtung weiterentwickeln zu können, verlieren.

Ich möchte unsere Vorgangsweise bildhaft mit einem kleinen Spruch beschreiben: Wer am Wipfel eines Baumes Früchte sehen will, der nähre dessen Wurzeln. – Früchte unserer Arbeit können wir dann ernten, wenn Österreich in den Entscheidungs­fin­dungs­prozess eingebunden wird und wir uns nicht schon im Vorhinein als Verweigerer von jeglicher Mitbeteiligung selbst ausschließen. Wer also ernsthaft an unserem Ziel, ein atomfreies Europa schaffen zu wollen, mitarbeiten möchte, sollte sich nicht selbst aus dem Dialog ausschließen. Deshalb erteile ich einer verfassungsmäßigen Kne­be­lung, wie von den Initiatoren des Volksbegehrens gefordert wurde, eine klare Absage.

Die Regierungsparteien halten am Atomausstieg in Europa fest und fordern tief grei­fende Reformen in der europäischen Atom- und Energiepolitik. Solange dieser Prozess


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46. Sitzung / Seite 53

noch nicht abgeschlossen ist, ist es notwendig, im Rahmen unserer Anti-Atompolitik umfangreiche Sicherheitsstandards einzufordern.

Eine Erhöhung des EuratoM-Kreditvolumens von 4 auf 6 Milliarden € einfach abzu­lehnen stellt uns bei der europäischen Anti-Atompolitik ins Abseits – insbesondere jetzt, wo unser Lebens- und Umweltminister Josef Pröll es geschafft hat, die italien­ische Ratspräsidentschaft davon zu überzeugen, das gesamte EuratoM-Paket in einem zu verhandeln; anderenfalls hätten die zwölf der 15 EU-Länder, die AKWs be­treiben, mit einfacher Mehrheit eine Aufstockung der Geldmittel beschließen können. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun aber herrscht beim Gesamtpaket das Einstimmigkeitsprinzip. Dies ermöglicht uns, die Kreditvergabe an konkrete Bedingungen zu binden, nämlich: das Geld aus­schließ­lich für sicherheitsrelevante und ausstiegsorientierte Atomprojekte zu verwenden. Das bedeutet für unser Land, dass wir am Diskurs über eine Atomvertragsrevision aktiv teilnehmen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Atompolitik war in Österreich immer ein Anliegen aller Parteien. Anträge wurden meistens von allen vier Parteien einstimmig angenommen. Umso trauriger ist es, dass die Opposition es nicht geschafft hat, über ihren Schatten zu springen, zumal dieser Antrag – der gegenständliche Ent­schließungsantrag – 95 Prozent der Anliegen der Opposition widerspiegelt. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, aus welchen Motiven die Grünen und die SPÖ diesen Ent­schließungsantrag ablehnen.

Die Alternative in Österreich geht im Gegenzug dazu in Richtung einer umwelt­freund­lichen Energieversorgung. Ein gutes Beispiel hiefür bietet das Land Oberösterreich: Letzte Woche wurde dem Land Oberösterreich schon das zweite Mal hintereinander der Europäische Energiepreis verliehen. Die EU-Atomkommissarin Loyola de Palacio fand sogar lobende Worte für das beste Programm im Bereich der erneuerbaren Ener­gien.

In meinem Heimatbundesland wurden seit dem Jahre 2000 4 300 Wohnhäuser Energie sparend umgebaut, 22 000 Heizungen adaptiert, 50 große Solaranlagen errichtet und Son­nenkollektoren auf mehr als 600 000 m2 installiert. Dies ist der richtige Weg im Sinne der Nachhaltigkeit und somit auch der einzig richtige Weg für unser Heimatland Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.21

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Scharer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.21

Abgeordnete Erika Scharer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Bis zum 11. November 2000 hielten es Experten für unmöglich, dass es einen Brand in einer Tunnelbahn geben kann; auch die Ka­tastrophe vom 11. September 2001 schien unmöglich zu sein. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ist ein Terroranschlag mit einem voll betankten Verkehrs­flug­zeug auf Kernkraftwerke und Atommülllager in den Bereich des Denkmöglichen ge­kommen.

Wie Sie wissen, ist in der Nähe von Salzburg neben Isar 1 und 2 das Atommüll­zwi­schenlager Ohu geplant. Dem Engagement und dem Druck von Landesrat Raus und einer Expertengruppe der Bundesländer Oberösterreich, Tirol, Vorarlberg und dem Bund ist es zu verdanken, dass es in den UVP-Verfahren für die deutschen Atom­mülllager zu einer Erhöhung der Sicherheit der geplanten Lager kommt. Herr Minister, das ist ausschließlich unter großem Druck der Engagierten passiert.


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Für uns ist bei der Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens nicht erkennbar, dass die Mittel ausschließlich sicherheitsorientiert oder ausstiegsorientiert verwendet wer­den.

Bauliche Veränderungen an Kernkraftwerken sollen nun angeblich die Sicherheit Salz­burgs beziehungsweise Österreichs garantieren. Aber, meine Damen und Herren, darf uns das beruhigen? Ich möchte da eine Presseaussendung des Sprechers des Um­weltministeriums Deutschlands beziehungsweise Bayerns zitieren, wo es eben um die Sicherheit beziehungsweise um Gefahren von Angriffen geht:

„Dieses“ Schutz-„Konzept sehe unter anderem vor, dass ein angegriffenes Kern­kraft­werk in wenigen Sekunden durch eine künstliche dichte Nebelwand großflächig verhüllt werden soll. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Flugzeug das Reaktorgebäude hin­reichend zielgenau trifft, solle dadurch wirkungsvoll vermindert werden.“ Die Begut­ach­tung dieses Konzepts wird im ersten Quartal des nächsten Jahres abgeschlossen sein. International sind derartige oder vergleichbare Schutzmaßnahmen ohne Vorbild.

Herr Minister! Meine Damen und Herren! Darf uns das wirklich beruhigen?

Meine Kollegin Bayr wird einen Entschließungsantrag der SPÖ einbringen, und wir er­suchen Sie: Treten Sie und die Vertreter der Bundesregierung auf EU-Ebene unter anderem für eine rasche Überprüfung aller europäischen AKWs hinsichtlich Terror­sicherheit und für die Einrichtung beziehungsweise Ausweitung von Flugverbotszonen um alle europäischen Nuklearanlagen ein!

Für Österreich, meine Damen und Herren, wäre es besser, wenn der EURATOM-Ver­trag nicht Teil der Verfassung würde und Österreich aus dem EURATOM-Vertrag aussteigen könnte. Es ist sinnvoll, eine Revisionskonferenz, wie im Entschließungs­an­trag gefordert wird, einzusetzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.25

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Preineder. – Bitte.

 


12.25

Abgeordneter Martin Preineder (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Über ein atomfreies Österreich und über den Ausstieg aus der Atomenergie in Europa herrscht bei uns, glaube ich, ein sehr breiter Konsens. Und es ist schade, dass dieser Vier-Parteien-Konsens heute nicht fortgesetzt werden kann, weil ein Vier-Par­teien-Konsens letztlich stärker ist als jedes Gesetz und jede Verfassungsvereinbarung.

Wenn wir, geschätzte Damen und Herren, Atomstrom ablehnen, wissend, dass der Stromverbrauch jährlich um 2 Prozent wächst, dann sollten wir nach Alternativen suchen, um nicht auf importierten Atomstrom umzusteigen. Die Alternative heißt: Strom aus erneuerbarer Energie, aus Kleinwasserkraft, aus Windenergie, aus Biomasse und aus Biogas.

Wenn es den Slogan gab: Atomkraft – nein danke!, dann darf ich Sie einladen zu dem Slogan: Öko-Strom – ja bitte! (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Haus, geschätzte Damen und Herren, hat vor gut einem Jahr ein Öko-Strom­gesetz beschlossen, das den Betreibern fixe Einspeistarife zugesichert hat und für 13 Jahre garantiert. Viele Initiativen in diesem Bereich waren dadurch möglich; Anlagen wurden in Betrieb genommen, sind in Bau oder in Planung. Ein Jahr danach wird dieses Öko-Stromgesetz leider vom Landeshauptmann in Kärnten blockiert.

Geschätzte Damen und Herren! Wir sollten dazu beitragen, dass nicht das, was der Umweltdachverband ausgerechnet hat, Realität wird: Investitionen in Höhe von 500 Millionen sind gefährdet, 8 000 Arbeitsplätze sind in Gefahr. Im Bereich der Land­wirtschaft, aus dem ich komme, sind allein im Biomasse- und im Biogasbereich


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46. Sitzung / Seite 55

150 Anlagen mit 90 Megawatt Stromleistung und Investitionen in Höhe von 100 Mil­lionen vom Konkurs bedroht.

Ein wirtschaftlicher Schaden kommt auf uns zu, aber noch ärger wäre der Schaden des Vertrauensverlustes. Ich glaube, wir sollten wieder zur Vernunft kommen, um nicht rechtliche Probleme zu verursachen, wie es Professor Maier bereits angekündigt hat.

Ein Zuschlag auf den Strompreis von 2,5 € für jeden Haushalt könnte den Ausbau der Alternativenergie sichern, könnte auch helfen, das Kyoto-Ziel zu erreichen.

Ich lade alle, die das Volksbegehren unterzeichnet haben, ein, als Verbündete für Öko-Strom einzutreten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.28

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Scheuch zu Wort gemeldet. 2 Minuten maximale Redezeit; die Ge­schäftsordnung ist bekannt.

 


12.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Mein Vorredner hat behauptet, dass der Landeshauptmann von Kärnten dieses Gesetz behindert (Abg. Dr. Gla­wisch­nig: Eine Verordnung ist es, das stimmt!), diese Verordnung nicht unterzeichnet. – Das ist nicht wahr!

Wahr ist hingegen, dass ein Konsortium von vier Landeshauptleuten, bestehend aus dem Vorarlberger Landeshauptmann Sausgruber von der ÖVP, dem Salzburger Lan­deshauptmann Schausberger von der ÖVP und dem, glaube ich, Finanzstadtrat von Wien, Herrn Sepp Rieder, eine Kommission bildet, die diese Verordnung momentan nicht verlängert hat, sehr wohl aber die Verordnung von 2003 auf das Jahr 2004 fort­geschrieben hat. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Bayr. 4 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


12.29

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Aus Sicht der SPÖ ist auch ein bedingtes Ja zur Erhöhung des EURATOM-Kreditrahmens um 2 Milliar­den € ein Verlassen des nationalen Anti-Atom-Konsenses.

Sie wollen einen Antrag beschließen, in dem Sie den Kreditrahmenerhöhungen zustim­men, und glauben doch wirklich blauäugig Bedingungen stellen zu können, die nie im Leben eingehalten werden.

Es ist ja doch wirklich mehr als klar, dass die Gelder überwiegend nicht für den Aus­bau der Sicherheit von bereits bestehenden Anlagen verwendet werden. Und auch der ÖVP-Umweltsprecher hat ja im Ausschuss durchaus zugegeben, dass es auch um erst im Bau befindliche Anlagen gehen kann. Das ist aber nicht wirklich im Sinne des Erfinders.

Es ist auch kein Geheimnis, dass die Europäische Union mittels EURATOM-Krediten zum Beispiel sechs weitere neue AKWs an vier russischen Standorten finanzieren will: Kalinin 3 und 4, Balakovo 5 und 6, Kursk 5 und Rostov 2.Bisher ist auf Grund von Finanzierungsengpässen dort nicht weitergebaut worden. Mit EURATOM-Geldern, mit EU-Mitteln, sprich mit österreichischen Steuergeldern, soll dort jetzt weitergebaut werden. Aus SPÖ-Sicht kann ich da nur sagen: Nein, danke, wirklich nicht! (Beifall bei der SPÖ.)


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46. Sitzung / Seite 56

Obwohl die EU-Kommission immer wieder von Schließungsprojekten spricht, gibt es aus den vergangenen Jahren kein einziges Beispiel dafür, dass mittels EURATOM-Krediten, EURATOM-Geldern AKWs geschlossen worden wären.

Als SPÖ lehnen wir die Erhöhung von EURATOM-Mitteln prinzipiell ab und werden uns auch auf keine Kompromisse einlassen. Wir haben wirklich sehr gute Gründe dafür. EURATOM-Mittel dienen vor allem real nicht dazu, Sicherheitsverbesserungen in AKWs zu machen. Wir sind prinzipiell dafür, die Nuklearförderung auf europäischer Ebene zu beenden, einerseits, weil wirklich hundertfach bewiesen ist, dass die Kern­ener­gie keine nachhaltige Technologie ist, und zum anderen, weil auch klar ist, dass die Folgekosten nicht ansatzweise kostenneutral berechnet werden. Und es ist auch überhaupt nicht glaubwürdig, dass wir auf der einen Seite für die Schließung von grenznahen AKWs eintreten und auf der anderen Seite ein paar hundert Kilometer weiter andere AKWs, die genauso unsicher sind wie die grenznahen, finanziell unter­stützen.

Ich war elf Jahre alt, als mittels einer Volksabstimmung über die österreichische Atom­politik entschieden wurde. Und ich kann mit Stolz sagen, dass meine Partei seitdem immer einen absolut klaren Kurs, eine klare Linie in der AKW-Politik verfolgt hat. Das ist nicht von allen hier anwesenden Parteien zu sagen, vor allem dann nicht, wenn ich auf europäische Ebene schaue.

Ich möchte daher auch einen Antrag einbringen, der weitgehend dem ausverhandelten Antrag entspricht, allerdings minus der Punkte, die sich auf die EURATOM-Kredite beziehen. Wir haben auch angeboten, diesen Antrag als Vier-Parteien-Antrag einzu­bringen; leider ist das nicht angenommen worden.


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46. Sitzung / Seite 57

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Petra Bayr, Dr. Eva Glawischnig und KollegInnen betreffend die weitere Vorgangsweise Österreichs zur Reform des EURATOM-Ver­trages in Richtung Umweltverträglichkeit, Ausstieg aus der Kernenergie und Gewähr­leistung höchster Sicherheitsstandards

*****

Wir wollen darin einerseits die Revision des EURATOM-Vertrages, andererseits, dass das Forschungsprogramm in Richtung Ausstieg aus der Nuklearenergie angepasst wird. Wir wollen weitere Stilllegungsverhandlungen mit der Tschechischen Republik über Temelín, und wir haben auch weitere wesentliche Forderungen hinsichtlich des EU-Nuklearpakets. Zum Beispiel wollen wir einen jährlichen schriftlichen Fortschritts­bericht an das Parlament und die Öffentlichkeit.

Rein durch Tatsachenverdrehungen, durch falsch verstandene Konsenspolitik und durch verantwortungslosen Umgang mit den Ängsten vieler Menschen in Österreich durch die Regierungsparteien werden wir uns als SPÖ nicht von unserer klaren Anti-AKW-Linie abbringen lassen, und wir werden keinesfalls einer Erhöhung des EURATOM-Kreditrahmens zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.33

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben eingebrachte Antrag, der in seinen Grund­zügen erläutert wurde, wird demnächst schriftlich verteilt und steht zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Petra Bayr, Dr. Eva Glawischnig und KollegInnen betreffend die weitere Vorgangsweise Österreichs zur Reform des EURATOM-Ver­trages in Richtung Umweltverträglichkeit, Ausstieg aus der Kernenergie und Gewähr­leistung höchster Sicherheitstandards, eingebracht im Zuge der Debatte zu TO 1: Bericht des Umweltausschusses betreffend das Volksbegehren „Atomfreies Europa“ (206 d.B.)

Am 6. November 2002 hat die Europäische Kommission dem Rat die Vorschläge – COM(2002) 456 betreffend die Aufstockung des Haftungsrahmens für EURATOM-Anleihen von derzeit 4.000 Mio. € auf 6.000 Mio. € (Änderung der Entscheidung 77/721/Euratom) und

COM(2002) 457 betreffend die Ausdehnung des Verwendungszweckes von EURATOM-Anleihen auch auf Projekte zur Sicherheits- und Effizienzverbesserung sowie Dekommissionierungsprojekte und zur Beteiligung an der Finanzierung eines Brennstoff- und Materialtestreaktors (Änderung der Entscheidung 77/720/Euratom) übermittelt.

Das Instrument der EURATOM-Anleihe gemäß Art. 172 EAG-V stellt im wesentlichen eine wettbewerbsverzerrende Förderung der Nuklearindustrie dar, da es insbesondere

günstigere Zinssätze anbietet, als jene, die zu freien Marktbedingungen zu erzielen wären,

hohe politische Risiken abdeckt, welche eine Finanzierung auf rein kommer­zieller Basis ausschließen würden und

für keine andere Art von Investitionen im gesamten Energiesektor ein vergleichbares europäisches Instrument existiert.

Am 9. Dezember 2002 hat der europäische Umweltministerrat (2473. Tagung des Rates – Umwelt) dazu beraten. Österreich, Belgien und Deutschland haben zu Proto­koll gegeben, dass sie die Vorschläge der Kommission ablehnen, den Höchstbetrag für die Aufnahme von EuratoM-Anleihen anzuheben oder Darlehen für den Bau neuer kerntechnischer Anlagen, für im Bau befindliche kerntechnische Anlagen und für Maß­nahmen zur Leistungssteigerung zu gewähren. Weiters dürfe eine etwaige Erhöhung der Euratom-Anleihen nicht die mit den Bewerberländern vereinbarte Stilllegung von kern­technischen Anlagen behindern.

Wenn auch derzeit noch nicht absehbar ist, wann eine Entscheidung des Ecofin-Rates in dieser Angelegenheit zu erwarten ist, erscheint es doch sinnvoll, bereits im Vorfeld der Entscheidung die österreichische Position klarzulegen.

Am 30. Jänner 2003 wurde nach Stellungnahme des Art. 31 Ausschusses der end­gültige Vorschlag der EK zur Sicherheit kerntechnischer Anlagen sowie der endgültige Vorschlag zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle ange­nommen (COM(2003) 32 endg. vom 30. Jänner 2003):

Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates zur Festlegung grundlegender Ver­pflichtungen und allgemeiner Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen

Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom) des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle

Österreich ist der Ansicht, dass das Ziel einer Erhöhung der Sicherheit kerntechnischer Anlagen ein rechtsverbindliches Instrument auf EU-Ebene erfordert. Dieses rechts­ver-


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bindliche Instrument muss aus österreichischer Sicht jedoch entsprechende Anfor­derungen an grundlegende Verpflichtungen und allgemeine Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen erfüllen. Jedenfalls sollte die Richtlinie aus öster­reichischer Sicht solche Anforderungen an die Genehmigungsverfahren in den Mit­gliedstaaten festlegen, um so das erforderliche Maß an Transparenz und demo­kratischer Partizipation zu gewährleisten.

Weiters gibt das geplante EU-Nuklearpaket betreffend einheitlicher Sicherheits­stan­dards in der vorliegenden Form noch keine hinreichende Garantie für das erklärte Ziel Österreichs, möglichst hohe Sicherheitsstandards zu erreichen.

Österreich tritt seit langem auf internationaler und europäischer Ebene für eine Reform des Euratom-Vertrags ein, um insbesondere den Förderzweck zu eliminieren und Wett­bewerbsgleichheit für alle etablierten stromerzeugenden Industrien zu erreichen.

Aus heutiger Sicht stellt es einen Anachronismus dar, für einen relativ kleinen Wirt­schaftszweig – nämlich die Energiegewinnung aus Kernkraft – einen besonderen euro­päischen Vertrag zu haben, während der überwältigende Teil der volkswirtschaftlichen Aktivität in der künftigen Verfassung geregelt ist. Österreich fordert ein gleiches Ausmaß an Mitbestimmung und demokratischer Kontrolle in allen Politikbereichen der Europäischen Union und die demokratische Legitimation der europäischen Nuklear­politik durch Einbeziehung des Europäischen Parlaments (Anwendung des Mitent­schei­dungsverfahren) sowie einen fairen Wettbewerb für alle etablierten strom­erzeu­genden Industrien.

Die österreichischen Mitglieder im Konvent – völlig unabhängig von ihrer politischen Aus­richtung – haben sich gemeinsam mit allem Nachdruck für eine Reform dieses Vertrages eingesetzt. Bedauerlicherweise ist die Unterstützung durch andere Mitglieder des Konvents in bescheidenem Rahmen geblieben. Das Ergebnis ist aus öster­reichi­scher Sicht nicht zufriedenstellend.

Österreich fordert daher eine eigene Regierungskonferenz, die sich der Zukunft des Euratom-Vertrages widmet und ihn in eine zeitgemäße Form bringt.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat

verfolgt konsequent das Ziel eines europäischen Atomausstieges und hält fest, dass dazu tiefgreifende Reformen in der EU-Nuklear- und Energiepolitik notwendig sind;

bekräftigt insbesondere das Ziel einer möglichst raschen Stillegung grenznaher AKWs

und ersucht die Bundesregierung,

für das Ziel eines Umstieges auf eine Energieversorgung aus Erneuerbaren Energie­trägern europaweit aktiv einzutreten. Die Europäische Union soll – auch im Hinblick auf die Erweiterung – zu einer gemeinsamen Politik für eine nachhaltige und umwelt­freund­liche Energieversorgung verpflichtet werden,

sich für das Auslaufen und kurzfristig für die Revision des EURATOM-Vertrages im Sinne einer Elimination der Förderziele und einer völligen Neudefinition der Inhalte dieses Vertrages wie einer Forcierung erneuerbarer Energieträger und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der Energienutzung insbesondere im Hinblick auf "Aus­stiegsszenarien" einzusetzen und gleichzeitig die Fragen der Sicherheit, des Ge-


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sundheitsschutzes, der Entsorgung, des Transports von spaltbarem Material, des Rückbaus von Atomkraftwerken und der Abfallbehandlung im EURATOM-Vertrag zu verankern

dafür einzutreten, das Europäische Parlament in Analogie zur Verfassung in die EURATOM-Entscheidungsverfahren einzubinden;

auf europäischer Ebene dafür einzutreten,

dass das EURATOM-Forschungsprogramm im Sinne der bisherigen österreichischen Positionen anstelle neuer Nuklearprojekte weiter an das Ziel eines EU-weiten Atomausstiegs angepasst wird und die zukünftig zu gewährenden Mittel in das allgemeine EU-Rahmenforschungsprogramm integriert werden,

4 MilliM-K

dass die an der Finanzierung von AKW in Osteuropa hauptbeteiligten Banken (Eu­ro­päische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung/EBRD und European Investment Bank/EIB) keine neuen Finanzierungen oder Kredite für Atomprojekte vergeben, sondern Mittel in den Ausstieg umlenken;

dafür einzutreten, dass das Wettbewerbsregime der EU im Rahmen des Elektrizitäts­marktes strikte Anwendung findet, auch für das Betreiben von Atomanlagen uneinge­schränkte Gültigkeit hat und dass seitens der Europäischen Union alles unternommen wird, um Stromdumping zu verhindern.

Österreich bekräftigt seine Forderung nach der Stillegung von Kernkraftwerken, ins­besondere solcher, die nahe der österreichischen Grenze gelegen sind. Die Bundes­regierung wird daher ersucht

gegenüber Tschechien ihre Position bezüglich eines Ausstieges aus der Kernenergie im allgemeinen und aus dem AKW Temelin im besonderen erneut zu bekräftigen;

und so bald als möglich in Stillegungsverhandlungen mit der tschechischen Regierung einzutreten;

den entsprechenden tschechischen Regierungsbehörden im Zuge der Erstellung des neuen tschechischen Energiekonzeptes größtmögliche Unterstützung anzubieten, mit dem Ziel, den Ausstieg aus der Atomenergie im allgemeinen und Temelin im be­sonderen und den Umstieg auf die Nutzung erneuerbarer Energieträger – auch durch eine Verstärkung der Energiepartnerschaften – zu fördern;

aktiv gegen einen allfälligen weiteren Ausbau der Atomenergie in Tschechien einzu­treten;

hinsichtlich der Umsetzung des Melker Prozesses weiterhin für eine volle Offenlegung aller relevanter Daten seitens der tschechischen Behörden einzutreten,

Hinsichtlich des EU-Nuklearpakets wird die Bundesregierung ersucht

den Richtlinienvorschlägen der EU-Kommission zu Nuklearer Sicherheit und Entsor­gung von radioaktivem Abfall in der Ende 2003 vorliegenden Fassung nicht zuzu­stimmen;

den Richtlinienvorschlägen nur unter der Bedingung zuzustimmen, wenn – dem ein­stimmigen Beschluss des Umweltausschusses des Europaparlaments vom 4. Novem­ber 2003 folgend – ein höchstmögliches Maß an Sicherheit verankert wird, d.h. im Konkreten:

hinsichtlich des Richtlinienvorschlages betreffend Sicherheit kerntechnischer An­lagen


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Der Richtlinientext soll dahingehend verbessert werden, dass er Sicherheitsnormen, Durchsetzungsmechanismen und Zeitpläne schafft, die dem Stand der Technik (technische, rechtliche und betriebstechnische Systeme müssen der besten verfüg­baren Praxis entsprechen, die derzeit in der Union eingesetzt wird oder sich in Ent­wicklung befindet) entsprechen und die es der Gemeinschaft ermöglichen, das höchst­mögliche Sicherheitsniveau für kerntechnische Anlagen sicherzustellen;

Die Richtlinie soll in Folge durch die Einführung gemeinsamer, konkreter Normen und Kontrollmechanismen ergänzt werden mit dem Ziel, unter Berücksichtigung des technologischen Wandels ein höchstmögliches Sicherheitsniveau aufrechtzuerhalten;

Finanzmittel aus der Nuklearstromerzeugung für Stillegungs- und Abfallentsorgungs­maß­nahmen sollen verpflichtend und zweckgebunden mit einer eigenen, von den Betreibern abgekoppelten Rechtspersönlichkeit eingerichtet werden; dazu soll durch entsprechende EU-Rechtsvorschriften sichergestellt werden, dass Mittel für Still­legungs- und Abfallentsorgungsmaßnahmen in ausreichendem Maß zur Verfügung ste­hen und gleichzeitig eine Behinderung des Wettbewerbs im EU-Energiemarkt ver­mieden wird; die Mittel sollen nachvollziehbar nur für Stillegungs- und Abfallbe­hand­lungstätigkeiten eingesetzt werden und nicht unmittelbar oder mittelbar zur Finan­zierung marktbezogener Tätigkeiten verwendet werden;

Die Mitgliedsstaaten sollen durch die Richtlinie verpflichtet werden, die Exposition der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegenüber ionisierender Strahlungen während des Baus, des Betriebs und der Stillegung von kerntechnischen Anlagen auf das niedrigste tech­nisch erreichbare Niveau beschränkt wird;

Der Zugang zu Information und die Beteiligung der Öffentlichkeit muss gewährleistet sein;

hinsichtlich des Richtlinienvorschlages betreffend Abfallentsorgung

Alle Anstrengungen müssen unternommen werden, damit die ökologischen und ge­sundheitlichen Lasten für künftige Generationen auf ein absolutes Mindestmaß be­schränkt werden; dies impliziert die Minimierung von Transportrisiken- und wegen. Bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente muss das höchste technisch erreichbare Schutzniveau festgeschrieben werden;

Eine ausschließliche Festlegung auf die Lagerung von radioaktivem Abfall in tiefen geo­logischen Formationen als geeignetste Option soll nicht getroffen werden;

Exporte von strahlenden Abfällen aus Kernenergieanlagen – einschließlich Plutonium und abgebrannter Brennelemente – in Drittstaaten zu Zwecken der Wieder­auf­be­rei­tung, zur Herstellung von MOX oder zur Abfallbehandlung sollen verboten werden

Die EU-Kommission sollte die gegenwärtigen Pläne der einzelnen Mitgliedstaaten für die Entsorgung und Endlagerung radioaktiver Abfälle erheben, veröffentlichen und Bemerkungen dazu ermöglichen;

Die Kommission sollte Leitlinien dafür aufstellen, welche Abfallentsorgungs­mechanis­men nicht akzeptabel sind, z.B. Verklappung im Meer, Einbringung in den Weltraum, Wiederaufarbeitung

Die Kommission sollte eine Richtlinie mit Leitlinien für die Anhörung der Öffentlichkeit bezüglich der Erschließung von Standorten zur Endlagerung radioaktiver Abfälle aus­arbeiten. Dabei wären geltende internationale Verträge – wie das Übereinkommen von Århus – und geltende Richtlinien wie die Richtlinie über die strategische Umwelt­prü­fung als Grundlage heranzuziehen, und es wäre das Erfordernis zu formulieren, dass die Personen, die von der Entscheidung einer Behörde oder Aufsichtsbehörde be-


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troffen sind, den Status einer Verfahrenspartei und die Möglichkeit erhalten, ungeach­tet nationaler Grenzen Einwände zu erheben.

Der Zugang zu Information und die Beteiligung der Öffentlichkeit muss gewährleistet sein;

weiters wird die Bundesregierung ersucht

sich weiterhin im Sinne der österreichischen Position im Umweltministerrat dafür einzu­setzen, dass im Rahmen der Verhandlungen zur EU-Umwelthaftungsrichtlinie – ent­sprechend den Vorschlägen des EU-Parlaments und nach Vorbild des österreichischen Atomhaftungsrechts – ein strenges europäisches Atomhaftungsregime verankert wird.

sich auf EU-Ebene für die rasche Überprüfung aller europäischer AKW hinsichtlich Terrorsicherheit (v.a. Terror-Attacken mit Flugzeugen) einzusetzen und für eine ent­sprechende Diskussion und für die Einrichtung bzw. Ausweitung von Flugverbotszonen um alle europäischen Nuklearanlagen einzutreten

in Folge aktiv für die Schließung jener – veralteten – Anlagen einzutreten, für die keine ausreichende Sicherheit gegenüber Terror-Anschlägen mit Flugzeugen gegeben ist;

sich auf EU-Ebene für eine einheitliche, klare Stromkennzeichnung nach dem Prinzip des Händlermixes einzusetzen.

sich dafür einzusetzen, dass es bei den sogenannten Hochrisikoreaktoren (Kosloduj, Ignalina, Bohunice) zu keiner Verzögerung von den gegenüber der EU zugesagten Schließungsdaten kommt.

für eine strenge Anwendung und eine Weiterentwicklung der Störfallinformations­ab­kommen einzutreten

dem Nationalrat und der Öffentlichkeit über die erfolgten Schritte zur Umsetzung der Maßnahmen in der österreichischen Anti-Atompolitik jährlich einen schriftlichen Bericht vorzulegen.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt zum zweiten Mal Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


12.34

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Pfeffer, es wundert mich wirklich, dass Sie gerade über diese Gefahren und diese Bereiche sprechen. Ich frage mich, ob Sie diesen Entschließungsantrag gelesen haben. Ich lese ihn Ihnen vor:

„sich auf EU-Ebene für die rasche Überprüfung aller europäischer AKW hinsichtlich Terrorsicherheit ... einzusetzen und für eine entsprechende Diskussion und für die Einrichtung bzw. Ausweitung von Flugverbotszonen um alle europäischen Nuklear­anlagen einzutreten

in Folge aktiv für die Schließung ...“ – und so geht es weiter.

Wenn ich jetzt Ihren Antrag hernehme, muss ich sagen, es ist sowieso eine Frechheit. (Empörung bei der SPÖ.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, bitte! Es ist keine „Frechheit“, einen Antrag einzubringen!

 



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Abgeordneter Klaus Wittauer (fortsetzend): Das Wort „Frechheit“ nehme ich natürlich zurück.

Ich fühle mich etwas gepflanzt und jeder andere Abgeordnete, der im Unterausschuss war, auch. Sie wissen ganz genau, dass die Einstimmigkeit in diesem Fall nicht gege­ben ist, die Mittel würden so oder so in Brüssel beschlossen. Sie gehen aber die Gefahr ein, dass die alten Richtlinien weiter bleiben, dass das, was Sie uns vorwerfen, weitergeführt wird.

Wir wollen eine Veränderung, wir wollen eine Veränderung zum Positiven. Sie blockieren diese. Sie können sie nicht ganz blockieren, weil Sie in der Opposition sind, aber es ist gegenüber den Österreichern und Österreicherinnen eine verantwortungs­lose Politik, die Sie betreiben. Ich und meine Fraktion, wir lehnen das entschieden ab. Die Bevölkerung wird selbst wissen, was sie von Ihrem Antrag zu halten hat. Aber abschreiben können Sie recht gut. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.35

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. –Bitte.

 


12.36

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ja, es gibt eine Tradition in diesem Haus, die Sie leider heute verlassen, und diese Tradition heißt Vierparteienbeschlüsse in der Anti-AKW-Politik. Ich verweise nochmals ganz deutlich darauf, dass wir ... (Abg. Scheibner: Wir nicht! Wir haben das nicht verlassen! Das haben Sie verlassen!) – Nein, entschuldigen Sie, Herr Klubobmann, Sie waren auch im Juli 2002 dafür, dass wir bei EURATOM einen strikten Kurs fahren. Da gibt es eine Entschließung im Par­lament, die bereits auf dieser Basis getroffen worden ist. (Abg. Scheibner: Das ist ein vernünftiger Antrag, bei dem Sie leider nicht mitgehen!)

Wer jetzt abweicht davon – man kann es ja textlich genau verfolgen –, das sind Sie, das sind die FPÖ und die ÖVP. Wir hatten bereits ein Niveau, das Sie leider jetzt mit Ihrem Entschließungsantrag senken wollen. Wir wollen es ja aufstocken.

Vielleicht ganz konkret zu Ihrer Argumentation, Herr Kollege Wittauer. Sie haben sich ja wirklich rührend darum bemüht, uns zu überzeugen, und ich glaube, das ist auch eine durchaus anerkennenswerte Haltung. Aber die Tatsache, dass ich mir jetzt die Einstimmigkeit bei der Aufstockung sozusagen herausverhandle, wo ich sowieso die Einstimmigkeit, das Einstimmigkeitsprinzip bei der Verwendung habe, das ist ja kein qualitativer Sprung. Denn es geht in erster Linie um die Verwendung der Mittel und die Aufstockung wirklich nur dann, wenn der Neubau verhindert wird, wenn eine Um­rüstung erfolgt und wenn bei denen, die knapp vor Fertigstellung sind, wirklich die opti­malen europäischen Sicherheitsstandards eingehalten werden.

Unsere Angst ist, dass wir mit dieser konzilianten Aufstockungspolitik, die Sie verfol­gen, praktisch unsere Position aufweichen. (Abg. Kopf geht gerade am Rednerpult vorbei.) – Herr Kollege Kopf, ja, gerade uns eint eine lange Tradition der Verhand­lungen. Wir haben ja leider den Fall der ukrainischen Reaktoren K2/R4. Bitte, da sind die EBRD-Mittel gestrichen worden, weil die Sicherheitselemente nicht eingehalten worden sind, weil die vertraglich ausgehandelten Sicherheitsniveaus nicht berücksich­tigt worden sind.

Jetzt hat man die EBRD-Kredite gestoppt, aber – und das ist für mich der springende Punkt – die EURATOM-Mittel fließen weiterhin und wurden auch von österreichischen SteuerzahlerInnen gezahlt. Die Verwendung ist anscheinend auch mit österreichischer


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Zustimmung beschlossen worden. Und gerade K2/R4 ist ja der Ersatzreaktor für das viel zitierte Tschernobyl. Und die K2/R4-Technologie weicht im Wesentlichen nicht deutlich von jener Tschernobyls ab.

Meiner Ansicht nach ist das das Paradebeispiel dafür, dass diese EURATOM-Politik der Mehrheitsfraktionen in diesem Haus nicht in Richtung Abschalten, Ausstieg geht, sondern in Richtung Verlängern und dass womöglich noch Reaktoren zusätzlich er­richtet werden, weil ja die europäische Atom-Lobby über EURATOM-Finanzmittel sehr stark auch Einfluss ausübt. Es ist in ihrem Sinne und vor allem in ihrem Interesse, die Kernenergie in Osteuropa noch zusätzlich auszubauen. Deswegen ist es uns so wichtig, dass wir in der EURATOM-Frage wirklich einen völlig rigorosen Kurs beschrei­ten, den wir schon einmal hatten, nämlich im Juli 2002.

Es ist mir wirklich sehr unangenehm, dass auch Herr Minister Pröll jetzt den Ver­hand­lungsspielraum höher einschätzt als eine konzise Haltung. Ich gebe ja ohne weite­res persönlich zu, dass Verhandeln oft auch einen Sinn hat und oft auch zu Erfolgen führt. Gerade in der EURATOM-Frage haben wir allerdings in der Vergangen­heit die Erfah­rung gemacht, dass da mit Verhandlungen nicht viel herauszuholen ist, sondern dass einfach gebaut, fertiggestellt wird und womöglich neue Kraftwerke errichtet werden. Ich verweise nur – das ist ja das Problem – auf Rumänien, wo das Cernavoda-Kraftwerk 2 mit EURATOM-Mitteln neu errichtet werden soll.

Und was tun wir? – Wir schauen, dass bei der Aufstockung und bei der Verwendung das Einstimmigkeitsprinzip herrscht. Wenn Österreich diese Einstimmigkeit konsequent vertreten hätte, dann könnte es gar nicht zu einem Neubau kommen, dann könnte es nicht zu einem Cernavoda kommen, dann könnte ja dieser gefährliche Kurs in Osteuropa gar nicht mehr weitergefahren werden.

Unterstützen Sie daher bitte unseren Antrag, denn der bewirkt wirklich, dass wir eine strikte Politik verfolgen und uns nicht auf Verhandlungen einlassen, die womöglich zum Neubau von AKWs führen und die letztlich ein eminentes Sicherheitsrisiko für ganz Europa darstellen.

Das sind die realen Fakten, und da steht auch die Glaubwürdigkeit Österreichs auf dem Spiel, dass wir EURATOM wirklich als Ausstiegsprojekt ansehen. Wir brauchen diese Glaubwürdigkeit, damit wir die Stilllegungs- und Ausstiegsprojekte in den AKWS an unseren Grenzen dann doch über die Liberalisierung des europäischen Strom­mark­tes durchsetzen. Es geht um die Glaubwürdigkeit, die wir auch im Einsatz gegen Isar 1 brauchen, die aber durch die EURATOM-Politik und gerade durch Ihren Antrag unter­höhlt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

 


12.41

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich möchte in aller Kürze Folgendes klarstellen: Wenn hier je­mand den Anti-Atom-Konsens verlässt, dann sind das Sie von den Regierungs­par­teien! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Jetzt reicht’s aber!)

Es herrschte nämlich in diesem Land Konsens darüber, dass wir einer Aufstockung des EURATOM-Kredites nicht zustimmen. – Das war Konsens, und den verlassen Sie jetzt, indem Sie einen Antrag beschließen werden, in dem Sie genau dieser Auf­stockung zustimmen. (Abg. Ellmauer: Das liegt auch an den handelnden Personen!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch noch festhalten, dass wir zu einem Kon­sens bereit waren. Ich reiche Ihnen nochmals die Hand und biete Ihnen an: Stimmen


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Sie unserem Antrag zu! Er ist identisch mit Ihrem Antrag, nur die EURATOM-Auf­stockung ist darin nicht enthalten, weil wir das nicht wollen. Ansonsten ist er wortgleich, da wir ihn in langen Wochen gemeinsam ausverhandelt haben.

Ich habe bis heute nicht verstanden, warum Sie zumindest den Rest-Antrag nicht als Vier-Parteien-Antrag akzeptieren wollen. – Das ist mir unverständlich. Dann kommen Sie aber bitte nicht zu uns und beschweren sich darüber, dass die Opposition nicht konsensbereit gewesen sei und den Anti-Atom-Konsens verlasse, denn das ist wirklich völlig absurd und lächerlich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir kommen eh nicht zu Ihnen! Da brauchen Sie keine Angst zu haben!)

Ich kann von dieser Stelle aus nur mutmaßen, dass Sie auf der Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens auch deswegen so beharren, weil Sie offensichtlich in Brüs­sel schon irgendwelche Zusagen getätigt haben, denn sonst hätten Sie ja auch die weitere Möglichkeit der Fertigstellung von AKWs vielleicht nicht in Ihrem Antrag ge­lassen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Nur Unterstellungen!) Was Sie jetzt beschließen, bedeutet, dass wir mit unserem österreichischen Steuergeld dafür bezahlen, dass in Osteuropa AKWs fertig gestellt werden, die wir dann bekämpfen.

Das können wir auf keinen Fall unterstützen. Werfen Sie uns aber bitte nicht vor, wir verlassen irgendwelche Konsenswege! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.43

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor. Damit schließe ich die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Zuerst stimmen wir ab über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 373 der Beilagen betreffend das Volksbegehren „Atomfreies Europa“ zur Kenntnis zu neh­men.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Diese Kenntnisnahme erfolgt mit Stimmenmehrheit.

Wir kommen als Nächstes zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 373 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die die Entschließung, die dem Ausschussbericht an­geschlossen ist, unterstützen, um ein Zeichen. – Die Beschlussfassung erfolgt mit Stim­menmehrheit. (E 36.) – (Abg. Dr. Jarolim: Das sind Perspektiven!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Sima, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend die weitere Vor­gangs­weise Österreichs zur Reform des EURATOM-Vertrages.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Dieser Antrag wird mit Stimmenmehrheit abgelehnt.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 374 der Beilagen betreffend Nichtzustimmung Österreichs zur Auf­stockung des EURATOM-Kreditrahmens zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Kenntnisnahme erfolgt mit Stimmenmehrheit. (Abg. Dr. Cap: Das verstehe ich nicht! Wieder eine Fehlentscheidung!)

Damit haben wir den 2. Punkt der Tagesordnung erledigt.


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3. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 139/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forcierung der Lärmbekämpfung in Österreich (375 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 226/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetz­liche Maßnahmen zur Verhinderung und Reduzierung der Lärmbelästigung (376 der Beilagen)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 3 und 4 der Tagesord­nung.

Die Debatte über diese beiden Punkte erfolgt gemeinsam.

Eine mündliche Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


12.45

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben diesen Antrag vor allem deswegen eingebracht, um einmal Gele­gen­heit zu haben, über dieses wichtige Thema Lärm und Lärmschutz zu sprechen. Lärm – vor allem der Verkehrslärm – gehört ja zu den größten ungelösten Problemen. 80 Pro­zent der Österreicherinnen und Österreicher leiden unter Straßenverkehrslärm.

Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie bis Juli 2004 muss es künftig Aktionspläne und Lärmkarten geben, das heißt, es gibt gewisse Vorgaben. Uns ist dabei aber wichtig, dass Österreich in einem neuen Lärmschutzgesetz auch ein bisschen über die Vor­gaben der Richtlinie hinausgeht und dass die Lärmbelastung wirklich umfassend gere­gelt wird.

Die Kernpunkte unseres Antrags sind folgende: Wichtig ist die Festlegung gesetz­licher und daher auch einklagbarer Grenzwerte anstelle von bloßen Richtwerten, weil das die einzige Möglichkeit ist, wie man den Menschen auch wirklich Rechtssicherheit bieten kann. Sie haben dann ein Instrument in der Hand, um sich vor Lärmbelästigung schützen zu können, sodass es nicht mehr nur eine Gnade ist, sondern man auch wirk­lich etwas dagegen tun kann. Die Absenkung der Grenzwerte habe ich schon erwähnt. Natürlich streben wir auch die Aufstockung der Mittel für den Lärmschutz bei der ASFINAG und bei der ÖSAG an, um auch hier für eine rasche Verbesserung zu sorgen.

Herr Bundesminister! Das neue Lärmschutzgesetz wird eine sehr wichtige und drin­gend benötigte Weichenstellung für die Zukunft. Ich hoffe, Sie machen daraus wirklich ein Gesetz mit Biss und nicht einen zahnlosen Papiertiger ohne Konsequenzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

 


12.47

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Kolleginnen und Kollegen! Auf Grund eines Redaktionsfehlers bringe ich zunächst folgenden Abänderungsantrag ein:


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Abänderungsantrag

der Abgeordneten Sieber, Wittauer, Kolleginnen und Kollegen zu dem dem Aus­schussbericht 376 der Beilagen beigedruckten Entschließungsantrag (TOP 4)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Anstelle des Zitates „EU-Richtlinie 2003/17/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“ tritt das Zitat „EU-Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“.

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In den neunziger Jahren ist es an Österreichs Straßen im Durchschnitt um ein Dezibel lauter geworden. Das ist nicht viel, bemerkt die Arbeiterkammer Wien in einer Presseaussendung. – Für unsere Bundesregierung und den zuständigen Minister Pröll ist dies aber auf jeden Fall Grund genug, entsprechende Maßnahmen zum Wohl der Österreicherinnen und Österreicher zu setzen, denn Lärm beeinträchtigt unsere Lebensqualität und Gesundheit, obwohl er oft nicht einmal als Umweltproblem wahrgenommen wird.

Bisher konnten auch große Erfolge bei der Lärmreduzierung verbucht werden. So ist die Lärmbelästigung seit 1970 insgesamt auf die Hälfte gesunken, und seit 1976 ist die Lärmstörung laufend zurückgegangen. Verkehrslärm – sowohl tagsüber als auch in der Nacht – ist aber nach wie vor die am weitaus häufigsten genannte Lärmquelle. Dabei überwiegen Störungen durch den Straßenverkehr, während dem Schienenverkehr und dem Luftverkehr nur eine lokale Bedeutung zukommt.

Die Aufwendungen für Lärmschutzmaßnahmen an Straßen und Schienenwegen haben deswegen in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Sanierung des gesamten Straßen- und Schienennetzes wird jedoch noch über einen längeren Zeitraum an­dauern. So wurden an Bundesstraßen seit 1983 Lärmschutzwände und lärmarmer Straßen­belag mit einer Länge von insgesamt 728 Kilometern und außerdem vermehrt Schallschutzfenster eingesetzt.

Von 1990 bis 2000 wurden für den Lärmschutz an Straßen und Gebäuden von Bun­desseite rund 180 Millionen € investiert. Interessant ist dabei, dass ab 1992 die Aus­gaben für Lärmreduzierung sukzessive zurückgegangen sind. Erst mit dem Amtsantritt der Regierung unter unserem Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel begannen diese Investitionen wieder kräftig zu steigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ohne Zweifel hat der Bedarf an Lärmschutzeinrichtungen durch den Anstieg des Ver­kehrsaufkommens zugenommen. Es besteht hier also natürlich weiterhin Handlungs­bedarf.

An den bestehenden Autobahn- und Schnellstraßennetzen wurden und werden nun umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen finanziert. So wurde in den Jahren 2000 bis 2003 eine Summe von rund 80 Millionen € für umfangreiche Schutzmaßnahmen investiert.

Für dieses Jahr sind 48 Millionen € budgetiert, und für das kommende Jahr steigt diese Zahl auf 52 Millionen €. Hier von Säumigkeit der Regierung und unserem Bundes­minister Pröll zu sprechen ist also der blanke Populismus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Keine Regierung in Österreich hat bisher so viel Geld für Lärmschutzmaßnahmen bereitgestellt wie diese Regierung unter Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzler Gorbach. (Abg. Mandak: Es hat auch noch keiner so viel Lärm erzeugt!)

Tatsache ist aber auch, dass die Lärmvermeidung schon in vielen Bereichen an ihre Grenzen gestoßen ist. Die technischen Maßnahmen an Fahrzeugen selbst sind nach heutigem Stand der Dinge weitgehend ausgeschöpft, sodass verkehrsorganisatorische Maßnahmen an Bedeutung gewinnen.

Ziel muss es deshalb sein, eine verstärkte Verkehrsverlagerung und -vermeidung zu erreichen. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie des Radwegenetzes in den letzten Jahren trug ebenfalls zur Minderung des Straßenverkehrslärms bei.

Des Weiteren muss der Güterverkehr vermehrt auf die Schiene verlagert werden, um so den besonders störenden LKW-Lärm von den Straßen wegzubekommen. – Auch hier setzt diese Regierung die richtigen Akzente.

Seit der Erstellung des Schienenverkehrslärm-Katasters 1993/94 werden verstärkt Schallschutzmaßnahmen an den Bestandsstrecken der ÖBB geplant. Dieses Projekt umfasst ein Investitionsvolumen von 159 Millionen €. Bis September 2003 hat sich dadurch die Lärmbelastung für 140 000 Anwohner von Bahnstrecken deutlich re­du­ziert.

Trotz aller Maßnahmen in diesem Bereich dürfen aber auf keinen Fall Raumplanung und Bauordnung vergessen werden. So muss in der Ortsentwicklungsplanung ver­mehrt versucht werden, eine räumliche Trennung von stark befahrenen Straßen und Wohngebieten zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Bei uns in Vorarlberg ist die Raumplanung beispielsweise bemüht, den individuellen Einkaufs- und Freizeitverkehr zu verringern, so zum Beispiel durch eine Stärkung der Ortskerne oder mit entsprechenden Verordnungen für Einkaufszentren außerhalb des Siedlungsbereiches. Auch wurde in den letzten Jahren der Stadt- und Landbusverkehr bei uns im Ländle vorbildlich aufgebaut.

Lärmbekämpfung ist in Österreich eine Querschnittmaterie und wird jeweils in der Zuständigkeit des Bundes oder der Länder wahrgenommen. Auf europäischer Ebene ist nun mit der Umgebungslärmrichtlinie ein wichtiger Schritt in Richtung einheitlicher Lärmbekämpfung gesetzt worden.

Mit den bisherigen Bemühungen konnten im Bereich des Lärmschutzes bereits große Erfolge erzielt werden, und mit den budgetierten Mitteln, die zur Verfügung stehen, können – davon bin ich überzeugt – Maßnahmen zur weiteren Lärmreduzierung ge­setzt werden, damit die Österreicherinnen und Österreicher auch in Zukunft ruhig schlafen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heit­lichen.)

12.53

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag der Kolle­gen Sieber und Wittauer ist ordnungsgemäß unterfertigt, steht mit zur Verhandlung und zur Abstimmung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.53

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sie werden sicherlich wissen, dass vier von fünf ÖsterreicherInnen unter Lärmbelastung leiden, dass 80 Prozent der ÖsterreicherInnen Verkehrslärm als störend empfinden. Sie wissen auch, dass es in Österreich keine


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verbindlichen Grenzwerte gibt. Wir haben Richtwerte, die Ende der neunziger Jahre etwas gesenkt wurden – 50 Dezibel bei Nacht und 60 Dezibel bei Tag –, aber das Problem ist, dass die Herzinfarktrate ab 60 Dezibel schon steigt, und zwar immerhin um 30 Prozent. – Das ist ja kein „Klacks“.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde durch verschiedene Studien nachgewiesen, dass insgesamt 2 Prozent der Herzinfarkte mit tödlichem Verlauf auf Verkehrslärm zurückzuführen sind. Da besteht leider neben dem sowieso relativ hohen Blutzoll auf der Straße ein zusätzliches Gefährdungspotential, ein Risikopotential, ja, ein tödliches Potential, dem wir irgendwie die Stirn bieten müssen. Wir brauchen endlich gesetzlich verbindliche Grenzwerte und gesetzlich verbindliche Maßnahmenpakete. Mein Vorred­ner hat schon Recht, es wird in Lärmschutzwände und Lärmschutzfenster investiert, und zwar keine geringen, sogar steigende Summen, aber man sollte an der Quelle ansetzen. Man sollte vorbeugen und verhindern.

Wenn es verbindliche Grenzwerte und klare gesetzliche Richtlinien gibt, dann ist kein zusätzlicher Finanzaufwand notwendig, sondern eine Reduktion des Verkehrs und der Lärmquellen. Das ist doch das Ziel von Grenzwerten und auch das, was mit einem Recht auf Lärmschutz, einem Recht auf Ruhe und auch mit einem Recht auf ent­sprechende Berücksichtigung bei Straßenneubauten gemeint ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

In diese Richtung zielt auch unser Antrag, der ja nicht von ungefähr in der Transit­debatte entwickelt worden ist und der auch Ausdruck einer konkreten lokalen Lärm­belastung in Oberösterreich ist. Sie werden wahrscheinlich nicht wissen, dass die A7 – die Mühlkreisautobahn durch den Stadtteil Bindermichl in Linz – die am meisten lärm­belastete Strecke Österreichs schlechthin ist. Da werden in der Nacht sogar 71 Dezibel gemessen!

Links und rechts dieser A7 wohnen Menschen. Derzeit ist ein großes, finanziell sehr auf­wendiges Projekt in Arbeit, nämlich die Einhausung dieser A7. Das sind aber wieder Finanzmittel, die nicht notwendig wären, wenn wir in der Belastung, das heißt im Ver­kehrsaufwand, zurückgingen. In diese Richtung müssen wir arbeiten. Eine klare ge­setzliche Grenzwertregelung und ein klares gesetzliches Maßnahmenpaket sind ein Hebel, der nichts kostet und von keinen Steuermitteln abhängig ist.

Herr Kollege Wittauer! Sie werden dann sicherlich den Antrag der Mehrheitsfraktionen zur forcierten Umsetzung der EU-Richtlinie vorlegen. Ich darf gleich vorwegnehmen: Das ist uns zu wenig, denn „Forcierung“ ist ein sehr schwammiger Begriff, und die EU-Umgebungslärmrichtlinie hat drei Elemente: zunächst Erhebung und Maßnahmen bis 2008 beziehungsweise 2013. Das sind Zeithorizonte, die für uns viel zu weit weg liegen. Wir brauchen hier und heute gerade auf Grund der Verkehrszunahme – Sie wissen ohnehin: Transit und so weiter – konkrete Vorgangsweisen und konkrete Maß­nahmen.

Der dritte Bereich der EU-Richtlinie ist ja auch noch Vorbeugen und Verhindern – aber bitte bald! Das beste Mittel sind gesetzliche Schranken. Unser Antrag fordert daher Immissionsschutzgrenzwerte, Anweisungen im Hinblick auf die Grenzwertüberprüfung, Anweisungen im Hinblick auf anlagenspezifische Instrumente bei bestehenden Lärm­belastungen und bei zusätzlichen Lärmbelastungen, dass sie im Vorfeld schon redu­ziert werden.

Bitte bedenken Sie, das Ganze hat auch einen wirtschaftspolitischen Faktor. Es ist be­rechnet worden, dass Lärmbelastungen ein Potential von 0,5 Prozent des Brutto­sozial­produktes haben. Umgelegt auf Österreich bedeutet das, dass uns der Lärm 11 Milliar­den € kostet – teilweise durch Mietprobleme, weil ja die Gebäude und die Wohnungen,


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die an lärmbelasteten Straßen liegen, entwertet werden, und teilweise durch die Ge­sundheitskosten.

Wenn Sie schon nicht den medizinischen, den humanen Aspekt akzeptieren, bitte ak­zeptieren Sie zumindest das wirtschaftspolitische Argument! Senken Sie die Ver­schleu­derung von Bruttosozialprodukt-Elementen in Richtung Kaschierung von Lärm­belastung, indem Sie verbindliche Grenzwerte einführen! Nehmen Sie das ernst und stimmen Sie unserem Antrag zu! Machen Sie von mir aus in der EU forcierte Schritte, aber erledigen Sie vielleicht zuerst einmal die heimischen Aufgaben! Kehren Sie vor der eigenen Tür! Nicht nur Lärmschutzfenster, nicht nur Flüsterasphaltbeläge, nicht nur Lärmschutzwälle links und rechts der Autobahn und des Zuges sind hier gefragt, sondern klare gesetzliche, legistische Maßnahmen. – Das wäre unser Appell. Bitte kommen Sie ihm nach! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.59

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

 


12.59

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Moser, Lärm macht krank, da gebe ich Ihnen Recht. Das hat man ja heute früh gemerkt, als die Opposition aufgeschrien hat. Da habe ich auch ein bisschen Herzrhythmusstörungen gekriegt, aber wir haben das überstanden. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Lärm macht krank. Wir wissen, einen großen Teil davon verursacht der Verkehr. Wir berücksichtigen das.

In den Ballungsräumen, in Wien, aber auch in den sensiblen Zonen wie in Tirol werden die Menschen in ihrer Lebensqualität und ihrer Gesundheit beeinträchtigt. Wir wissen das. Persönlich betrifft es uns als Tiroler, aber auch in Wien fahren täglich 175 000 Autos. Daher werden wir da etwas tun müssen.

Verkehrsminister Hubert Gorbach hat dieses Jahr einen Schwerpunkt in Bezug auf Sicherheit und Lärmschutz gesetzt. Ich habe schon fast das Gefühl, unser Hubert Gorbach ist die rechte Hand des Umweltministers. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn ich die Zahlen anschaue (Abg. Dr. Gabriela Moser: Er hat eh zwei Hände!), Frau Abgeordnete: Inzwischen werden bei neu gebauten Straßen zwischen 25 und 50 Prozent in Lärmschutz, in Umweltschutz sowie in ökologische Ausgleichsmaß­nahmen investiert. Das sind doch belegbare Zahlen, meine Damen und Herren!

Allein im Jahre 2004 werden 48,3 Millionen € zusätzlich verwendet. Oder: Im Jahr 2005 sind wir schon bei 52,1 Millionen € – also die Beträge sind stark steigend.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Schiene. Bei der Schiene ist es interessant: Im ersten Halbjahr 2003 haben wir insgesamt 111 Millionen € für Umweltmaßnahmen, also für Maßnahmen gegen den Lärm, ausgegeben. Danke, Hubert Gorbach, dass du uns das ermöglicht hast, natürlich mit mit Hilfe des Umweltministers. Wir wissen das zu schätzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen ein paar Daten nicht verschweigen. Wels – Knoten Voralpkreuz: Von den investierten 146,6 Millionen € werden 73 Millionen € nur für Lärmschutz­maß­nah­men und für ökologische Ausgleichsflächen ausgegeben. Dazu kann ich Ihnen eine ganze Reihe sagen. Zusätzlich werden noch bei der Errichtung von Straßenprojekten in den nächsten Jahren 1,4 Milliarden € nur an Lärm- und Umweltschutzmaßnahmen ausge­geben. Das ist eine ordentliche Zahl, die man natürlich auch im Budget


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berücksichtigen muss, aber auf unseren Minister ist Verlass. Hubert Gorbach wird das schon machen!

In unserem Entschließungsantrag, dem die Opposition natürlich wieder nicht zu­stimmen wird (Abg. Dr. Glawischnig: Der ist schwach, der ist eine Frechheit!), ist eine ganze Reihe von Dingen enthalten. So wird die Regierung aufgefordert, die intensiven Maßnahmen, die schon geplant sind, in Zukunft weiterzuführen und – das ist ganz wichtig – die Umgebungsrichtlinie, die Lärmrichtlinie so schnell wie möglich umzuset­zen. Das ist in unserem Antrag enthalten. Mich wundert es, wenn Frau Abgeordnete Moser von den Jahren 2012, 2013 spricht, denn wir fordern die Regierung auf, das so schnell wie möglich umsetzen. Ich verstehe manche Dinge nicht, und ich verstehe daher auch nicht, dass Sie den Antrag nicht unterstützen, aber Sie werden schon Ihre Gründe dafür haben.

Aber, wie gesagt, die Regierung ist aufgefordert, im Rahmen des Konvents die Kom­petenzen zu bündeln und die Gesetze zu straffen. Bei allem, was mit Lärmschutz zu tun hat, ist eine Riesenunordnung, und die Koordination ist sehr schwierig. Daher sollte man sich anstrengen, um das zu bündeln. Der Minister hat uns zugesagt, dass er sich persönlich dieser Sache annehmen wird. Daher glaube ich auch, dass in dieser Richtung sehr viel Positives geschehen wird.

Die Bekämpfung des Lärms wird auch in Zukunft eine wesentliche Aufgabe sein. Diese Regierung wird diese Aufgabe bewältigen und weiterhin die Gesundheit und die Le­bensqualität unserer Mitmenschen, unserer Mitbürger berücksichtigen und auch ge­währleisten.

Ich bedanke mich herzlich im Vorhinein bei unserem Umweltminister und bei Hubert Gorbach für diese außergewöhnlichen Leistungen und bitte Sie, unseren Antrag zu unterstützen. Er ist gut und macht Sinn. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.04

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.

 


13.04

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass Verkehrslärm und Lärm im Allgemeinen krank machen, darüber sind wir uns hier im Parlament einig. Konzentrationsprobleme, Blut­hochdruck, Herzinfarktrisiko und Nervenleiden sind die am häufigsten auftretenden Folgeerscheinungen. Wir haben es heute schon mehrfach gehört: Rund 80 Prozent der heimischen Bevölkerung leiden nach Erhebungen der Statistik Austria unter großen Lärmeinwirkungen.

Lärmschutz, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, darf in Zukunft in Österreich kein Gnadenakt mehr sein, wozu auch das Schließen von Hintertüren im derzeitigen Lärmschutzrecht gehört. Durch diese Lücken erleidet die betroffene Bevölkerung zum einen schwere gesundheitliche Schäden, und zum anderen wird die Lebensqualität erheblich eingeschränkt. So wird derzeit die Durchführung von Umweltverträg­lichkeits­prü­fungsverfahren zum Beispiel beim Bau von ÖBB-Hochgeschwindigkeitsstrecken von der Abschnittslänge des Bauprojektes abhängig gemacht, wobei nach heutiger Rechtslage etwa bei Bauabschnitten unter 10 Kilometer keine Lärmschutzmaßnahmen erforderlich sind.

Gegen diese Umgehung der schutzwürdigen Interessen der Anrainer klagten in meinem Bezirk Leoben mehrere Gemeinden, darunter auch meine Heimatgemeinde Kammern. Der Vollständigkeit halber sei auch gesagt, dass über alle Parteigrenzen hinweg vollste Übereinstimmung darüber besteht, aber dieser Fall zieht sich leider nun


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schon seit über vier Jahren, und derzeit liegt er beim Verwaltungsgerichtshof. Wie lange es noch dauert, bis eine Entscheidung fällt, ob positiv oder negativ, ist völlig ungewiss. Erschwerend kommt noch dazu, dass bei diesem Streckenabschnitt im Liesingtal statt der bisherigen Holzschwellen neue Betonschwellen zum Einsatz ka­men, wodurch die Lärmbelastung noch zusätzlich gestiegen ist. Die Leidtragenden, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind auch da wieder die betroffenen Anrainer.

Es kann und darf daher wohl nicht sein, dass von starkem Lärm betroffene Menschen erst eine Bürgerinitiative gründen müssen, damit ihre Probleme einmal gehört werden. Die SPÖ fordert daher zum Unterschied zu den Regierungsfraktionen die Einführung gesetzlicher Grenzwerte und eines einheitlichen österreichischen Lärmrechts, damit endlich Schluss ist mit der Zersplitterung der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. (Abg. Scheibner: Auf der Länderebene wollen Sie keine Kom­peten­zen hergeben!) Dies führt in weiterer Folge auch zu einer individuellen Einklagbarkeit des Grenzwertes und damit zu einem Rechtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger auf entsprechende Lärmschutzmaßnahmen.

Zur Verbesserung des Lärmschutzes ist auch die Festschreibung eines gesetzlichen Aktionsplanes notwendig, zusammen mit der finanziellen Aufstockung der Mittel für Maßnahmen gegen Verkehrslärm, besonders für die ASFINAG und die Österreichi­schen Bundesbahnen.

Zum Schaden vieler betroffener Anrainer blieben bisher alle dahin gehenden Anträge von SPÖ und Grünen im Umweltausschuss in der Minderheit. Statt dessen behelfen sich die Regierungsfraktionen mit sinnlosen Absichtserklärungen. Eine große Chance zum Wohle der Menschen wurde vertan – leider; schade für diese Menschen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Der Schluss war nicht gut!)

13.07

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


13.08

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Herr Kollege Dobnigg, Sie tun gerade so, als wären den Regie­rungsparteien die Lärmbelästigung und die möglichen Krankheiten auf Grund von Lärmbelästigungen absolut egal. (Abg. Dobnigg: Das habe ich nicht gesagt!) Ich glaube, da liegen Sie völlig falsch, denn es wurde heute schon mehrfach erwähnt, welch große Bedeutung gerade die Verkehrslärmbekämpfung für die Regierungs­par­teien hat.

Ich kann Ihnen aber auch sagen, wie es damals während Ihrer Regierungsbeteiligung war. Gerade in den Jahren 1992 bis 1997, in denen die SPÖ an der Regierung war, war eine stark fallende Tendenz bei den Lärmschutzmaßnahmen zu erkennen. Erst ab den Jahren 1997 bis 1999 wurden die Investitionen in die Lärmschutzmaßnahmen et­was erhöht, und zwar um etwa 5 bis 8 Millionen €. Ab dem Jahr 2000, als es eine FPÖ-ÖVP-Regierung gab, sind die Investitionen in den Umweltbereich und auch in den Lärmschutzbereich rasant gestiegen. Im Jahr 2000 wurden 11 Millionen ausgegeben, im Jahr 2003 28,7 Millionen, und 52,1 Millionen werden für das Jahr 2005 prognos­ti­ziert. Sie können angesichts dessen nicht sagen, dass der Regierung die Bekämpfung von Verkehrslärm egal sei.

Wenn man es zusammenfasst, dann betragen die Maßnahmen für die Lärmschutz­be­kämp­fung beziehungsweise für den Verkehrslärm 800 Kilometer auf die Gesamtlänge aller Straßen bezogen, was einer Gesamtfläche von 2 Millionen Quadratmeter – damit man sich das vorstellen kann: das sind 350 Fussballfelder – entspricht.


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Das waren Zahlen für das bereits bestehende Straßennetz, aber gerade auch für Neubauprojekte hat die Regierung sehr hohe Investitionen vorgesehen. Bezogen auf das Gesamtbauvolumen werden zwischen 25 und 50 Prozent der gesamten Kosten für Lärmschutz und Umweltschutz aufgewendet.

Kollegin Moser hat vorhin den „Bindermichl“ angesprochen. Dort werden für die Ein­hausung und für die Verkehrslärmberuhigung, also für Lärmschutz und Umweltschutz, über 36 Millionen € aufgewendet.

Auch bei der Bahn wird nicht geschlafen, sondern für den Lärmschutz etwas getan. Es gibt bereits einen bundesweiten Immissionskataster, der die gesamte Lärmbelastung darstellt, es gibt eine Prioritätenreihung, je nach dem, wie viele Personen wo wohnen, und es wurden auch Übereinkommen mit Ländern und Gemeinden verhandelt, sodass eine einheitliche und gute Finanzierung möglich ist.

Der aktuelle Realisierungsstand beträgt in etwa 290 Millionen €, wobei über 493 Ge­mein­den davon betroffen sind, was wiederum für über 300 000 Einwohner eine Lärm­schutzbekämpfung möglich macht. Ganz konkret sind im Jahr 2004 34 Millionen € für Umsetzungsmaßnahmen im Bahnbereich vorgesehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Anhand dieser Zahlen sehen Sie, dass Lärm­schutz­bekämpfung den Regierungsparteien, insbesondere der Regierung absolut nicht egal ist. Gerade für Vizekanzler Gorbach als Verkehrsminister hat das einen sehr großen Stellenwert, und es ist ihm ein großes Anliegen, gerade im Lärmschutzbereich hohe Investitionen zu tätigen.

Im vorliegenden Entschließungsantrag wird aber die Regierung nochmals aufgefordert, größere Anstrengungen zu unternehmen, denn es ist klar, dass noch viel zu tun ist, um den Verkehrslärm zu bekämpfen. Deshalb appelliere ich auch an die Damen und Her­ren der Opposition: Stimmen Sie diesem Antrag zu, denn nur gemeinsam können wir diesen die Menschen krankmachenden Verkehrslärm besiegen! (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

13.12

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer. – Bitte.

 


13.12

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Geschätzte Mitglieder des Hohen Hauses! Wir würden uns gerne dem Antrag anschließen, wenn er weiter reichend wäre. Nachdem unser Antrag weiter reichend ist, werden wir unseren verfolgen, das ist wohl klar. (Abg. Scheibner: Sie können beide unterstützen!)

Während die Behörde bei einer gewerblichen Betriebsanlage Auflagen macht, ist der Lärmschutz bei der Straße noch immer ein Gnadenakt. Das kann es nicht sein. Die Bundesstraßen werden vom Bundesminister verordnet, es gibt aber keine einklagbaren Verträge über die Lärmschutzmaßnahmen zum Beispiel infolge eines Autobahn­ver­laufs.

Ein Beispiel: Tauern Autobahn in Salzburg: Bei der Präsentation der Maßnahmen, die die ÖSAG den Kärntner Gemeinden Rennweg, Krems und Gmünd anbietet, stellt sich heraus, dass es keine einklagbaren Verträge über Ausmaß und Zeitplan der Lärm­schutz­maßnahmen geben wird.

Verbindliche Auflagen sind, wie bekannt, bei Verordnungen prinzipiell ausgeschlossen. Was beim Lärm auffällig ist, ist, dass es sich um ein ähnliches Phänomen wie beim Müll handelt: Die beste Lärmbekämpfung ist die Vermeidung von Lärm – genauso wie


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beim Müll. Im Nachhinein, also nach der Planung von neuen Straßen werden immer Lärmschutzwände errichtet oder Schallschutzfenster finanziert. Viel günstiger ist es, wenn man aktiven Lärmschutz betreibt. Das sollte absolute Priorität haben.

Was bedeutet aktiver Lärmschutz? – Dazu ein Beispiel aus Salzburg: Auf der Tauern Autobahn gilt für die Strecke von Salzburg bis Golling eine Geschwindigkeits­beschrän­kung von 100 km/h in der Nacht. Aber es erfolgt keine Überwachung dieser Geschwin­digkeitsbeschränkung, also fahren alle so schnell, wie es eben möglich ist.

Oder: Vermeidung in der Raumplanung. Es sind zwar in den räumlichen Entwick­lungs­konzepten der Gemeinden jene Grundstücke ausgewiesen, die sich auf Grund des austretenden Lärms nicht zur Bebauung eignen, aber aus meiner Erfahrung als Ge­meindevertreterin gibt es immer wieder Interventionen von Bauwerbern oder den Bürgermeistern selbst, um doch noch zur Errichtung von Bauwerken zu kommen.

Regionalpolitische Aktivitäten sind angesagt, meine Damen und Herren: der Abbau erzwungener Mobilität, die Verteuerung der Mobilität und die Begrenzung der fort­schrei­tenden Zersiedelung der Landschaft mit hohem Flächenverbrauch und wieder einer hohen Mobilitätsnotwendigkeit.

Bei der Bahn hat es in letzter Zeit auch im Gasteinertal, in dem ich lebe, Aktivitäten in Richtung Lärmschutz gegeben, aber es ist zu befürchten, dass die Einsparung im Bahnausbau in der Höhe von 1 Milliarde € zu Finanzierungsproblemen führen wird und dass gerade dann wieder bei den Lärmschutzmaßnahmen eingespart wird, weil es keine rechtliche Verbindlichkeit gibt.

Meine persönliche Einschätzung oder Wahrnehmung von Lärm ist wie folgt: Ich habe einmal eine Anzeige bekommen, weil unsere Ziege im Garten gemeckert hat. Darüber haben sich die Gäste beschwert, denn sie hat immer gemeckert, wenn jemand vorbei gegangen ist, um Kontakt aufzunehmen. Ganz in der Nähe ist allerdings die Bundes­straße, die sehr lärmintensiv ist. Ich habe die Leute gefragt: Was stört Sie mehr: das Meckern der Ziege oder der Lärm der Bundesstraße? – Darauf haben die Leute gesagt: Das sind wir ja gewohnt. – Sie kommen aus den Städten, sie nehmen den Ver­kehrslärm nicht mehr so wahr.

Das Nicht-Wahrnehmen des Lärms führt allerdings trotzdem nicht zu Gesundheit, sondern die Menschen werden krank. Ich bitte Sie, unseren Entschließungsantrag zu unterstützen, weil er weiter reichend ist als Ihrer. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.16

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll. – Bitte.

 


13.16

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Lärm betrifft tatsächlich große Teile der österreichischen Bevöl­kerung. Ich muss aber eingangs, wie ich das öfters tun muss, Frau Abgeordnete Sima korrigieren. Sie hat gesagt, 80 Prozent der Bevölkerung Österreichs würden sich vom Lärm gestört fühlen. Richtig ist, dass sich 28 Prozent der Bevölkerung laut einer Mikro­zensus-Erhebung vom Lärm gestört fühlen. Davon entfallen 80 Prozent auf den Ver­kehrslärm, also sind es insgesamt 22 Prozent. Man sollte also, wenn man über dieses heikle Thema Lärmbelastung diskutiert, schon bei den Daten und Fakten bleiben. Klar ist aber – das verhehle ich nicht –, dass vor allem entlang von Verkehrsschienen, egal, ob das jetzt die Autobahnen, den Straßenverkehr oder die Bahnlinien betrifft, Probleme auftauchen.


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Was auch bereits ausgeführt wurde, ist die Tatsache, dass Lärmschutz in Österreich nicht eindeutig auf Bundes- oder Länderebene konzentriert, sondern eine Annex-Ma­terie von klassischen Kompetenztatbeständen ist, und damit ist eine kompetenzrecht­liche Zersplitterung gegeben.

Trotzdem gibt es Erfolge in der Lärmbekämpfung in unserem Land. Durch Lärmmin­de­rungs- und -schutzmaßnahmen ist die Störung durch Lärm seit 1970 um 50 Prozent gesunken. Das ist auch ein Faktor, der sich sehen lassen kann.

Wie viel wurde zwischen den Jahren 1990 und 2000 zur Lärmbekämpfung in Öster­reich eingesetzt? – 180 Millionen € wurden für Lärmschutz an Straßen im Zuständig­keitsbereich des Bundes zur Verfügung gestellt. 1999 wurde der Grenzwert von 65 De­zibel am Tag und 60 Dezibel in der Nacht um jeweils 5 Dezibel reduziert. Das hat auch zur Folge, dass die errichteten Lärmschutzmaßnahmen der Vergangenheit die­sen An­for­derungen oftmals nicht mehr gerecht werden können. Es wurde hier bereits Hubert Gorbach angesprochen.

Die Finanzierung umfangreicher Lärmschutzmaßnahmen entlang des bestehenden Au­to­bahn- und Schnellstraßennetzes ist geplant. Es waren 2003 31,5 Millionen €, 2004 werden es 48,3 Millionen € sein und im Jahr 2005 52,1 Millionen € laut Aussagen und Investplanung der ASFINAG.

Was den Eisenbahnlärm betrifft: Der Schienenverkehrslärmkataster ist seit 1993/94 angelegt. Die bis September 2002 geplanten und abgeschlossenen Projekte in diesem Bereich umfassen ein Investitionsvolumen von 159 Millionen €. Es konnte damit eine dramatische Reduktion der Lärmbelastung für zirka 140 000 Anrainer an Bahnstrecken erreicht werden.

Was den Fluglärm in Österreich betrifft, so geben auch diese Daten Anlass zur Hoff­nung. Trotz markanter Zunahme der Flugbewegungen hat sich die Lärmbelastung durch den Flugverkehr nicht erhöht. Warum? – Weil vor allem die lauten Kapitel-2-Flug­zeuge auf allen österreichischen Flughäfen mit Ausnahme von Wien untertags verboten sind. Der Anteil der neuen lärmarmen Generation der Kapitel-3-Flugzeuge steigt ständig und trägt damit auch entscheidend dazu bei, dass trotz zunehmender Flugbewegungen die Lärmbelastung im Flugverkehr in Österreich halbwegs konstant gehalten werden konnte.

Trotzdem geben wir uns nicht zufrieden, sondern arbeiten intensiv daran – ich habe schon eingangs auf die Kompetenzzersplitterung verwiesen –, dass wir die Umge­bungslärmrichtlinie der Europäischen Union entsprechend umsetzen.

Was ist das Ziel der Richtlinie? – Die Festlegung eines gemeinsamen europäischen Konzeptes zur Verringerung von schädlichen Umgebungslärmeinwirkungen auf den Men­schen durch gemeinsame Methoden, die entwickelt werden, und durch konse­quente Umsetzung in den Mitgliedstaaten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dazu ist es notwendig, eine Reihe von tech­ni­schen Maßnahmen auf lokaler Ebene umzusetzen. In diesem Sinne bin ich dabei, im kommenden Monat bereits die ersten intensiven Koordinationsgespräche mit den Ländern, mit den verschiedenen Ministerien zu führen, dem BMVIT, BMWA und so weiter, um die Umsetzung und die einheitliche Vorgangsweise in der Frage der Um­gebungslärmrichtlinie der Europäischen Union zu diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.21

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steier. – Bitte.

 



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46. Sitzung / Seite 75

13.21

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Lärm ist, wie wir mittlerweile alle wissen, eines der bri­santesten Umweltprobleme der heutigen Zeit, denn mit Lärm, also akustischem Abfall unserer Zivilisationsgesellschaft, werden wir alle konfrontiert.

Hohe Lärmbelastung stellt ein enormes Gesundheitsrisiko dar und verringert die Le­bensqualität ganz deutlich. Hohe Lärmbelastung ist der Preis grenzenloser Mobilität – fast eine Million Menschen in Österreich fühlen sich durch Verkehrslärm stark beein­trächtigt. Hauptverantwortlich ist, wie auch der Herr Bundesminister gerade ausgeführt hat, vor allem der Straßenverkehr, aber sicher auch der Schienen- und Flugverkehr.

Einen wichtigen Impuls zur Vereinheitlichung der Lärmschutzpolitik könnte die so ge­nannte EU-Umgebungslärmrichtlinie darstellen, die bis Mitte 2004 in österreichisches Recht umzusetzen ist.

In den kommenden Jahren müssen für Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahn­strecken und Großflughäfen sowie darüber hinaus in allen Ballungsräumen strategi­sche Lärmkarten und Aktionspläne zur Lärmminderung erstellt werden. Auch eine Ein­bindung der Öffentlichkeit, der Bürgerinnen und Bürger in die Lärmminderungspläne ist vorgesehen.

Bei der Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie sehen wir aber noch erheblichen innerstaatlichen Diskussionsbedarf. Hier stellt sich, wie schon angesprochen, beispiels­weise die Frage der Kompetenzverteilung für den Lärmschutz und damit im Zusam­menhang die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Lärmschutzgesetz mit ge­setz­lichen und daher auch einklagbaren Grenzwerten für den Lärmschutz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klärungsbedarf ist auch dahin gehend gege­ben, wer für die Erstellung der Lärmkarten und Aktionspläne zuständig sein wird: der Bund, die Länder, die Städte und Gemeinden? Welche Rolle soll beim einzelnen Ver­kehrsträger und dessen Aufsichtsbehörde gegeben sein? Wie wird die Zusammen­arbeit mit unseren Nachbarstaaten im Zuge der Osterweiterung betreffend Verkehrs­lärm sein?

In den letzten Jahren wurde immer wieder ein bundesweit einheitlicher Lärmemissions­kataster gefordert, der auch den Straßenverkehr umfassen soll. Dieser existiert leider bis heute nicht – Daten sind nur rudimentär vorhanden und offensichtlich auch nicht aktuell.

Meine geschätzten Damen und Herren! Wir fordern die Ausarbeitung eines Lärm­schutzgesetzes und gesetzliche Grenzwerte für den Lärmschutz, die auch einklagbar sind. Der zahnlose Entschließungsantrag, den die Regierungsfraktionen vorgelegt haben, reicht unserer Ansicht nach bei weitem nicht aus, um effektive Maßnahmen zum Schutz vor Verkehrslärm sicherzustellen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte.

 


13.24

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte an Sie appellieren, sich einmal vorzustellen, was es bedeutet, an einer stark befahrenen Straße oder an einer Transitroute zu wohnen. Klubobmann Scheibner hat vorhin in einem Gespräch gesagt, dass er schon einmal an solch einem Ort gewohnt hat. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Er wohnt in Wien, da ist auch viel Lärm!) Man kann sich vorstellen, was es auch für das körperliche Befinden bedeutet, direkt an solch einem Ort zu wohnen. (Abg. Scheibner: 20 Jahre!) Sie sind offensichtlich noch


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gut davongekommen (Abg. Scheibner: Danke!), aber die chronischen Belastungen und die Krankheiten derer, die jahraus, jahrein dort wohnen müssen und bleiben müssen, sind nicht zu leugnen. Es gibt auch ärztliche Untersuchungen, die das be­weisen.

Es wurden heute schon einige gesundheitliche Risken bei chronischer Lärmbelastung genannt, auch Lärmschwerhörigkeit, Lärm verringert die Konzentrationsfähigkeit. Ich denke, der Umstand, dass die Konzentrationsfähigkeit hier im Haus nicht unbedingt so hoch ist, ist vielleicht darin begründet, dass es hier manchmal sehr laut ist. Chronische Lärmbelastung führt zu einer beschleunigten Alterung des Herz-Kreislauf-Systems, und dauerhafter Lärm steigert das Herzinfarktrisiko.

Dabei ist das Risiko einer Erkrankung größer, je höher der Lärmpegel ist. Es gibt neue wissenschaftliche Untersuchungen, die besagen, dass das Risiko, an einem durch Lärm verursachten Herzinfarkt zu sterben, größer ist als die Gefahr einer Krebs­erkrankung durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung. Das sagt schon einiges aus, weil das die beiden größten Bedrohungen für die Anrainer an Straßen, an Transi­trouten sind.

Wir wissen, dass 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher vom Straßenlärm besonders betroffen sind, 10 Prozent vom Bahnlärm und 8 Prozent unter Fluglärm zu leiden haben. Ich gehe davon aus, dass es keiner Fraktion hier im Haus und keinem Mitglied dieses Hauses egal ist, wie sich Lärm entwickelt und wem Lärm schadet, aber zu schauen, wie wir Lärm verhindern, und dafür zu sorgen, dass er nicht aufkommt, ist natürlich etwas ganz anderes.

Angesichts dieser Tatsache ist ein neues und wirksames Lärmschutzgesetz dringend erforderlich. Diese Regierung ist aber leider trotz des Wissens über die Gesund­heitsschädigung durch Lärm derzeit nicht bereit, einen wirkungsvollen Lärmschutz gesetzlich zu verankern und gesetzliche Grenzwerte für den Lärmschutz zu realisieren.

Ich appelliere von dieser Stelle aus an die Regierung, die Gesundheit und den Schutz der Bevölkerung endlich ernst zu nehmen, die Ärzte, die vor den gesundheitlichen Schäden des Verkehrslärms warnen, ebenfalls ernster zu nehmen als bisher, denn die machen schon seit Jahren auf die Beeinträchtigungen der menschlichen Gesundheit durch den Straßenverkehr aufmerksam. Sie sollten endlich handeln, meine Damen und Herren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.27

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte.

 


13.28

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Hohes Haus! Grundsätzlich bin ich mit all dem, was meine Vorredner zur Lärm­belästigung und zur Lärmschädigung im gesundheitlichen Bereich gesagt haben, einverstanden. Es ist sicher richtig, dass an erster Stelle die Straßenbenützer zu nen­nen sind, der Verkehrslärm, der dadurch entsteht, aber auch die Schienenstraßen. Es stellt aber – manchmal allerdings etwas weniger beachtet – auch der Fluglärm eine ganz massive Belästigung dar.

Ich gebe meinem Vorredner Gerhard Reheis hundertprozentig darin Recht, was der Verkehrslärm auf Transitrouten bewirkt, möchte Ihnen aber Folgendes sagen: Ich wohne in einer Flugschneise und weiß daher, was Fluglärm bedeutet – das ist sagen­haft; auch wenn sich die Flughafenbetriebsgesellschaft Wien ernorm bemüht, vor­nehmlich Vorstandsdirektor Kaufmann alles unternimmt, dass die Menschen, die dort wohnen und mit verstärktem Flugaufkommen zu leben haben, gewisse Förderungen


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bekommen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Herr Kollege auf der rechten Seite! Von dort wäre ja diese Förderung nicht gekommen, sondern sie kam von Vorstandsdirektor Kauf­mann. (Beifall bei der SPÖ.) Leute, die dort wohnen, bekommen eben Lärm­schutzfenster gefördert. Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Lärmschutz­fens­ter sind sehr gut und schön, wenn sie geschlossen sind, aber es ist keine Lebens­qualität, in einem Haus, in einer Wohnung zu leben, wo permanent die Fenster ge­schlossen sein müssen!

Da wir heute gehört und darüber diskutiert haben, was man alles mit Einhausungen auf Straßen und Schienen machen kann: Beim Flugzeug gibt es keine Einhausungen. Hier gibt es nur die Möglichkeit, auf nationaler Ebene einzuschreiten, was da auch heißt: Nachtflugverbot, Einhaltung der Flughöhen und Flugrouten. Es wäre auch unbedingt notwendig, einmal über die Flächenwidmungen nachzudenken.

Es kann nicht so sein, dass in Bereichen von bestehenden Autobahnen und Flugrouten billig oder relativ billig Wohnungen errichtet werden und im Nachhinein wieder Ver­schwen­kungen gemacht werden sollen dorthin, wo eine weniger dichte Besiedelung ist. Das kann es nicht sein. Das wäre das Florianiprinzip, und so kann seriöse Politik nicht funktionieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Grundsätzlich halte ich die beiden Entschließungsanträge der Abgeordneten Sima und Moser für richtig und wichtig, und sie müssten auch beschlossen werden. Sie, meine sehr geschätzten Damen und Herren der Koalitionsparteien, haben sich jedoch davon verabschiedet, haben sich auf eine EU-Richtlinie zurückgezogen – ich möchte ja nicht annehmen, dass es die Frächterlobby war. (Beifall bei der SPÖ.)

13.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fleckl. – Bitte.

 


13.31

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Von meinen VorrednerInnen wurde schon viel über Lärm gesprochen. Ich möchte es noch einmal bekräftigen: Lärm macht krank! Lärm schädigt nicht nur das Gehör, sondern auch die Psyche, verursacht Schlafstörungen und Kon­zentrationsmängel, senkt sogar die Lebenserwartung drastisch. Tinnitus ist zur Volks­krankheit geworden. Niemand kann sich aussuchen, ob er davon betroffen sein will oder wird, wenn er zum Beispiel Verkehrslärm ausgesetzt ist. Um dagegen etwas zu unternehmen, wären die finanziellen Mittel für ASFINAG und ÖSAG aufzustocken.

Was werden Sie, Herr Minister, zum Beispiel für die Menschen in meinem Bezirk tun, die an einer Hauptverkehrsroute, nämlich der B 320, Ennstal Bundesstraße, leben? (Abg. Scheibner: Wo ist das?) Im Bezirk Liezen in der Steiermark. (Abg. Scheibner: Ich habe das nicht verstanden!) Ich kann Ihnen eine Landkarte bringen, Herr Klub­obmann.

Als Querverbindung zu den Korridoren ist sie eine Hauptverkehrsader in unserem Bezirk und der größte Lärmverursacher im Bezirk Liezen. Die drohende Verkehrs­lawine durch die EU-Erweiterung wird das jetzige Lärmproblem um ein Vielfaches ver­größern. (Abg. Scheibner: Da waren Sie aber enthusiastisch dafür!) – Herr Klubob­mann Scheibner, auch Ihre Lärmbelästigung hier wird vielleicht zu gesundheitlichen Schäden führen, wenn Sie so weitermachen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie meinen, ein Zwischenruf ist eine Lärmbelästigung?!)

Die Menschen müssen weiter an dieser Hauptverkehrsader leben und sich hinter dicht verschlossenen Türen und Fenstern vor dieser Belastung schützen. LKW donnern gnadenlos an Vorgärten vorbei, in denen eigentlich Kinder spielen sollten. Lebens-


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qualität und Freiraum vor allem gehen dadurch weitgehend verloren. Anrainer haben keinerlei rechtliche Handhabe, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Herr Bundesminister! Es bedarf ein wenig politischen Willens, ein Lärmschutzgesetz zu schaffen, das für die Bevölkerung das Leben an Hauptverkehrsrouten deutlich ver­bessert – aber der Glaube daran fehlt mir. Wenn ich die eingebrachte Entschließung ansehe, habe ich erhebliche Zweifel daran.

Die Gesundheit unserer Bevölkerung sollte es Ihnen wert sein, vernünftige Lösungen zu finden, um bleibende Schäden durch erhöhtes Lärmaufkommen zu vermeiden. Eine Lärmschutzwand schluckt immerhin 8 bis 10 Dezibel, sie kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern. Herr Minister, auch das kann Prävention sein und volkswirtschaftlich und sozialpolitisch gesehen dem Staat eine Menge Geld ersparen.

Mit Ihrer heutigen Entschließung werden Sie für die Bevölkerung keine Verbesserung schaffen, und deshalb wird die Entschließung von uns abgelehnt. Zeigen Sie doch endlich einmal Vernunft, stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu und schaffen Sie ein Lärmschutzgesetz, das eine wirkliche Verbesserung für die Bevölkerung dar­stellt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­neh­me.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 375 der Beilagen betreffend Forcierung der Lärmbekämpfung in Österreich zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Be­richt 376 der Beilagen betreffend gesetzliche Maßnahmen zur Verhinderung und Reduzierung der Lärmbelästigung zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit, und damit ist der Antrag ange­nom­men.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 376 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Hiezu haben die Abgeordneten Sieber, Wittauer, Kolleginnen und Kollegen einen Ab­änderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über die dem Ausschussbericht 376 der Beilagen angeschlossene Entschließung in der Fassung des Abänderungs­antra­ges der Abgeordneten Sieber, Wittauer, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Es ist dies mit Mehrheit angenommen. (E 37.)


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5. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (202 d.B.): Bundes­ge­setz, mit dem im Konsumentenschutzgesetz Bestimmungen über den Heim­vertrag eingeführt werden (Heimvertragsgesetz – HVerG), und

über den Antrag 231/A der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über ein Bundes-Heimvertragsgesetz (377 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (353 d.B.): Bundes­gesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit während des Aufenthalts in Heimen und anderen Pflege- und Betreuungseinrichtungen (Heimaufenthalts­gesetz – HeimAufG) (378 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


13.36

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Uns liegen heute zwei Vorlagen des Justiz­aus­schusses zur Abstimmung vor, die einen sehr wichtigen Bereich regeln, einen Bereich, dessen Bedeutung in Zukunft noch viel größerer sein wird.

Lassen Sie mich dazu einige Zahlen nennen: Derzeit wohnen zirka 70 000 Menschen in Österreich in rund 800 Alten- und Pflegeheimen, und derzeit ist etwa jeder fünfte Bür­ger über 60 Jahre alt, aber schon in wenigen Jahrzehnten, im Jahr 2030, wird be­reits jeder dritte Bürger über 60 Jahre alt sein. Es ist daher besonders wichtig, in die­sem Bereich für entsprechende Rechtssicherheit zu sorgen, und zwar durch Re­gelungen, die es bis jetzt nicht gegeben hat.

Dies hat einige Zeit in Anspruch genommen, weil es auch einige kompetenzrechtliche Proble­me gegeben hat, und es galt, zwischen den Kompetenzen des Bundes und der Länder Klarheit zu schaffen. Aber es ist letztlich gelungen, in zwei verschiedenen Be­reichen, die ich Ihnen ganz kurz darlegen möchte, jetzt wirklich solche Regelungen zu schaffen. Diese beiden Bereiche sind einerseits der zivilrechtliche Bereich, zivilrecht­liche Regelungen im so genannten Heimvertragsgesetz, und andererseits geht es um freiheitsbeschränkende Maßnahmen und deren Regelung im Heimaufenthaltsgesetz. Ich möchte in der Folge ganz kurz auf diese beiden Bereiche eingehen.

Das Heimvertragsrecht wurde durch einige zusätzliche Paragraphen im Konsumenten­schutzgesetz neu geregelt. Es wurden Bestimmungen eingeführt, die es in diesem Bereich bisher nicht gegeben hat, die vor allem dem Schutz der Heimbewohner und der zukünftigen Heimbewohner dienen sollen.

Es sind daher in dieser Vorlage erstmals verpflichtende Regelungen vorgesehen für den Heimvertrag über zum Beispiel Räumlichkeiten, Ausstattung, Verpflegung, aber auch über die Leistungen bei Erkrankung der Heimbewohner, über die Höhe des Ent­geltes und über die Beendigung des Heimvertrages.


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Darüber hinaus – das ist auch besonders wichtig und wurde im Justizausschuss durch einen Abänderungsantrag eingefügt – werden in Zukunft in diesem Heimvertrags­ge­setz von Heimverträgen auch Feststellungen gefordert für den Bereich der Per­sön­lichkeitsrechte, die ja unverzichtbar sind. Im Heimvertrag soll vorgesehen sein, wie das Heim diese Persönlichkeitsrechte und deren Gewährleistung sicherstellen will.

Wichtige Regelungen im Konsumentenschutzgesetz sind die verbindliche Schriftlichkeit des Heimvertrages, aber auch Regelungen über eine allenfalls verlangte Kaution und über die Beendigung und Auflösungsmöglichkeit des Heimvertrages.

Der zweite Bereich betrifft, wie ich schon erwähnt habe, das so genannte Heimaufent­haltsgesetz, das neu geschaffen wurde und in dem erstmals Regelungen und Vor­schriften getroffen werden für freiheitsbeschränkende Maßnahmen, die leider immer wieder notwendig sind, und zwar zum Schutz letztlich der Bewohnerinnen und Bewoh­ner und der Betroffenen selbst.

Hier geht es vor allem auch um Rechtssicherheit für beide Bereiche, für die Mitar­beite­rinnen und Mitarbeiter der Pflegeheime und für die Betroffenen, die in Zukunft klare Regeln darüber haben, unter welchen Voraussetzungen solche Freiheitsbeschrän­kun­gen stattfinden dürfen, wann sie wieder beendet werden müssen, wer sie anordnen darf und wie die Kontrolle gewährleistet sein soll, wenn solche beschränkenden Maß­nahmen notwendig werden.

Ganz wichtig ist, festzuschreiben, welche Voraussetzung hier maßgeblich ist, wann überhaupt eine Freiheitsbeschränkung stattfinden darf. Auch das war bis jetzt in keiner Weise geregelt und ist jetzt ganz klar ausgesprochen. Es muss eine psychische Erkrankung oder eine geistige Behinderung vorliegen. Es muss diese Erkrankung oder Behinderung das Leben oder die Gesundheit des Betroffenen oder anderer Menschen in diesem Heim ernstlich gefährden, und es muss die gelindestmögliche freiheits­beschränkende Maßnahme das einzige Mittel sein, um diese Gesundheitsgefährdung abwehren zu können.

Geregelt ist aber auch, wie gesagt, wer Freiheitsbeschränkungen in Zukunft anordnen darf, und vor allem, dass solche Maßnahmen wirklich nur so lange aufrechterhalten werden dürfen, als der Grund für diese Maßnahme besteht, und sofort wieder beendet werden müssen, wenn dieser Grund weggefallen ist.

Die Kontrolle ist in der Form vorgesehen, dass hier eine verbindliche automatisierte gesetzliche Vertretung eintritt. Ganz besonders wichtig war uns, gerade meiner Frak­tion, dass hier auch das Selbstbestimmungsrecht des Bewohners, der Bewohnerin auf­rechterhalten bleibt, denn in erster Linie wird der gesetzliche Vertreter derjenige sein, den die Heimbewohnerin oder der Heimbewohner von sich aus im Vorhinein als sol­chen festgelegt hat. Das kann ein naher Verwandter sein, das kann aber auch ein Rechtsanwalt oder Notar sein. Nur wenn der Heimbewohner keine Regelung im Vorhinein getroffen hat, dann wird durch eine gesetzliche Vertretung, durch den Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, sichergestellt, dass auch diese Men­schen im Falle, dass solche freiheitsbeschränkenden Maßnahmen erforderlich sind, einen entsprechenden Schutz genießen.

Letztlich ist aber auch die Möglichkeit einer Kontrolle durch das Gericht vorgesehen, die vom Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter bei Gericht beantragt werden kann.

Ich bin der Meinung – und ich glaube, das ist das Wesentliche an diesen beiden Rege­lungen –, dass hier, wie ich eingangs erwähnt habe, für einen für die Zukunft ganz, ganz wichtigen Bereich, von dem man aber oft nicht sehr gerne spricht oder hört, wirklich zukunftsweisende Regelungen geschaffen wurden. Ich darf deshalb dem Herrn


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Bundesminister, vor allem aber auch seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Res­sort, die damit befasst waren, für diesen Entwurf danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist klar, dass durch diese Regelungen, wie wir sie heute beschließen werden, und zwar einstimmig beschließen werden, Fälle, wie wir sie in den letzten Monaten gerade auch wieder aus Wien gehört haben, nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden können, dass dadurch aber ein rechtliches Grundgerüst und Rechtssicherheit für alle Sei­ten geboten wird. Nichtsdestotrotz wird die Hauptverantwortung für eine anständige, ordentliche, menschenwürdige Behandlung und Betreuung auch weiterhin vor allem beim Heimträger liegen, der dafür zu sorgen hat, dass eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung für die Heime vorhanden ist, um solche Fälle, wie wir sie leider zum wiederholten Male aus Wien kennen, in Zukunft zu vermeiden. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.44

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


13.44

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man hat selten gesehen, dass seitens der Re­gie­rung so unseriös mit den Interessen der Senioren umgegangen wird, wie das in diesem gegenständlichen Gesetz der Fall ist. (Abg. Dr. Fekter: So ein Blödsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie rühmen sich, eine Gesetzesmaterie 2004 um­zusetzen, obwohl es bereits im Jahr 2000 einen Entwurf dazu gab. (Abg. Dr. Fekter: Es ist gelobt worden von den Senioren! Auch der Charly Blecha hat uns gelobt!)

Ich glaube, Herr Bundesminister, Hand aufs Herz, auch du wirst wissen, dass dieser alte Entwurf wesentlich besser war als der heutige. Wenn Sie also erst heute, 2004, dieses Gesetz beschließen, und zwar mit Wirkung vom 1. Juli 2005, dann möchte ich wissen, mit welcher Berechtigung Sie sich hierherstellen und so tun, also ob Sie auch nur einen Funken Verständnis, einen Funken Interesse an der Verbesserung der Situ­ation der Senioren in den Pflegeheimen hätten. Ich glaube, dass Sie sich in Wirklichkeit angesichts der Situation schämen sollten, meine Damen und Herren.

Wir haben 2000 einen diesbezüglichen Entwurf eingebracht. Herr Professor Barta ist allen, die in diesem Land an dieser Materie interessiert sind und sich auskennen, ein Be­griff im Hinblick auf Patienten-, Medizinrecht. Damals, im Jahre 2000, haben wir gesagt, es muss etwas geschehen. Dieser Entwurf Professor Bartas hat auch inter­na­tionale Anerkennung gefunden. Es war der erste Entwurf, der zusammengefasst dar­gestellt hat, wie die Situation wirklich verbessert werden kann, und der auch einen neu­en Weg gegangen ist: Es wurde die Bundeskompetenz „Vertragsrecht“ dazu benützt, hier eine bundeseinheitliche, das heißt für alle Bundesländer gleiche Regelung zu schaffen.

Aus Gründen, die niemand nachvollziehen kann – offensichtlich einfach deshalb, weil der Vorschlag von der Opposition unterstützt wird –, ist dieser Vorschlag, der von der Fachwelt, der Öffentlichkeit begrüßt worden ist, von Ihnen, Frau Kollegin Fekter, die Sie damals führend waren, einem Unterausschuss zugewiesen worden. In der Zwi­schen­zeit hat man versucht, weil man nicht in der Lage war, die Größe aufzubringen, dieser Vorlage zuzustimmen, etwas Eigenes zu produzieren, was zwar eine Verbes­serung der Situation darstellt, aber wesentlich schlechter als der seinerzeitige Vor­schlag ist. (Abg. Dr. Fekter: Die Kompetenz war ja nicht klar! Es gibt ja ein Verfas­sungsgerichtshoferkenntnis dazu! Haben Sie das verschlafen, Herr Kollege Jarolim?)


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Ich muss eigentlich dem Verfassungsgerichtshof von hier aus danken, weil durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zum Vorschlag Vorarlberg Ihre Einwände, da könne man nichts machen, weil das nicht Bundessache, sondern Landessache sei, richtig gestellt worden sind. Er hat nämlich mehr oder weniger gesagt: Fassen Sie doch den Mut, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, und machen Sie hier einen Entwurf! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Die Stellungnahme der Bun­desregierung hat der Verfassungsgerichtshof ...!)

Ich habe vorhin mit Kollegen Gaál gesprochen, und ich glaube, auch bei dir im 10. Be­zirk hat es in den Seniorenheimen helle Empörung ausgelöst, wie Sie sich hier ver­halten, meine Damen und Herren. Das, was jetzt vorliegt, ist eindeutig schlechter. Sie haben es zustande gebracht, aus dieser einen Materie zwei Materien zu machen, eine Zersplitterung, wo sich wahrscheinlich keiner der Betroffenen mehr auskennt. Gerade für die Senioren und jene Angehörigen, die wissen wollen, welche Rechte sie eigentlich hier haben, wäre es notwendig gewesen, eine Lösung, eine einfach nachvollziehbare Formulierung über den gesamten Bereich zu treffen, die klar und deutlich ausspricht, was den Senioren zusteht, anstatt in einer Art und Weise vorzugehen, die dafür sorgt, dass man einen Anwalt, einen Juristen oder jemand anderen braucht, der einem die Rechte und Pflichten hier erklärt.

Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident Khol erklärt uns permanent, er ist so sehr für Präambeln. Er will die Schöpfung in der Präambel zur Bundesverfassung drin­nen haben. Ja warum haben Sie nicht diesem Gesetz eine Präambel vorangestellt, in der Sie grundsätzlich erklären, was Sie eigentlich mit diesem Gesetz erreichen wollen? Warum haben Sie nicht sichergestellt, dass die Kündigung des Heimvertrages für die Be­troffenen nur dann möglich sein soll, wenn der Betroffene einen weiteren Platz hat? Warum haben Sie nicht sichergestellt, dass sie nur dann möglich sein soll, wenn den Betroffenen ein Verschulden trifft? Sie wissen, wie die Situation für Senioren ist, wenn sie dann keinen Heimplatz haben. Ist Ihnen das völlig egal? Sind diese Interessen für Sie keine Interessen?

Ich frage Sie: Warum haben Sie das gemacht? Warum haben Sie nicht einen Mus­ter­vertrag erstellt, in dem all das drinnen steht, was bundesweit ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren, ich glaube, den Mut sollten Sie schon haben, dieses Match hier zu bestreiten, auch mit Ihren Landeshauptleuten!

Abschließend: Natürlich stellt der Entwurf eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Situ­ation dar – allerdings eine sehr matte Verbesserung. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Hier nicht die Größe gehabt zu haben, einem qualitativ wirklich guten Vorschlag bereits 2000 zugestimmt zu haben, sondern diese larmoyante, bedauerliche Vorgangs­weise gewählt zu haben, das spricht für sich. Ich darf noch einmal sagen, es ist eine kleine Verbesserung, aber für die Art und Weise, wie Sie mit den Interessen der Se­nioren umgehen, sollten Sie sich wirklich schämen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Auf Wiedersehen! Denken Sie an Lainz! Eine Frechheit, so etwas! Selber haben sie die Skandale in ihren Heimen ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

13.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 


13.50

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Herr Abgeordneter Jarolim! Ihre Vorwürfe sind wirklich an den Haaren herbei­ge­zogen, und ich glaube, wider besseres Wissen bemängeln Sie, dass heute erst über diese Regierungsvorlage abgestimmt wird. Sie wissen ganz genau, dass das Er­kennt-


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nis des Verfassungsgerichtshofes abgewartet werden musste. Sie sind ja immer die­jenigen, die vor Gesetzen warnen, die nachher der Verfassungsgerichtshof aufhebt! Und Sie sind die Ersten, die zum Verfassungsgerichtshof laufen, wenn Sie meinen, dass irgendwelche Kompetenzen verletzt werden! Für mich schaut es so aus, dass die SPÖ weiß, dass sie zustimmt, aber damit auf alle Fälle diese Zustimmung mehr oder weniger erkauft wird, kritisiert man halt. Ob es recht ist oder nicht, man übt Kritik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie bemängeln auch, dass das Gesetz erst im Jahr 2005 in Kraft tritt. Gerade weil In­for­mationen stattfinden müssen, weil dieses Gesetz ins Bewusstsein eindringen muss und auch alle Seniorenverbände und so weiter informiert werden müssen, deshalb wird auch der .. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Frau Kollegin, schreien Sie mich nicht nieder! Gestern hat Herr Präsident Fischer Ab­geordneten einen Ordnungsruf erteilt, weil sie eine weibliche Abgeordnete nieder­ge­schrieen haben. Aber Sie schreien mich eigentlich fast immer nieder. Nächstes Mal werde ich mich beim Herrn Präsidenten Fischer beschweren, denn das kann doch auch nicht richtig sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. Silhavy.) Jetzt ersuche ich Sie schon, mich nicht niederzuschreien – was machen Sie? Sie schreien wieder rein!

Herr Abgeordneter Jarolim, Sie bemängeln, dass es keine Präambel gibt. Wissen Sie, das Gesetz ist so gut, dass man, wenn man den ersten Blick darauf wirft, bereits weiß, worum es geht. Da brauche ich nicht eine Präambel, in der ich auch noch erläutere, warum ich dieses Gesetz überhaupt mache.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kritik vom Herrn Abgeordneten Jarolim kann man eigentlich in den Wind schlagen, sie ist für nichts und wieder nichts (Abg. Neudeck: Das ist immer so!) und zeigt wieder nur, dass die Opposition gegen alles und jedes opponiert, sogar gegen das, was sie selber beschließt. Das ist die „Qualität“ der Opposition. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Tatsächlich besteht natürlich eine enorme Notwendigkeit für diese beiden Gesetze, denn tagtäglich lesen wir in den Zeitungen von alten Menschen, die in Heimen schlecht behandelt werden, die schlecht untergebracht werden, die nicht richtig versorgt wer­den. Ganz besonders hat in Wien der Skandal des Pflegeheimes Lainz großen Staub aufgewirbelt. Das zeigt, wie dort Menschen jahrelang misshandelt worden sind (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt doch nicht! Das ist unerhört!), ohne dass die Gemeinde Wien irgendetwas getan hat. – Ich weiß schon, dass Sie das nicht hören wollen, weil die Ge­meinde Wien, die Träger und der Bürgermeister, der in erster Linie verantwortlich ist, immer die Menschlichkeit und das soziale Denken in den Vordergrund stellen. Tat­sächlich aber ist dieses soziale Engagement total auf der Strecke geblieben, als es um Lainz gegangen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber, wie gesagt, wir lesen ununterbrochen von solchen Fällen, jeden Tag kommt ein neuer Fall von schlechter Behandlung alter oder behinderter Menschen ans Tageslicht. Aber ich möchte nicht das Kind mit dem Bad ausgießen. Natürlich gibt es sehr, sehr viele Einrichtungen, die ihre Pflicht ordentlich erfüllen, wo der alte oder behinderte Mensch wirklich entsprechend seiner menschlichen Würde behandelt wird und wo es nichts auszusetzen gibt. Aber die Fälle haben sich gehäuft, wo es Missstände gibt, und deshalb war auch dringender Handlungsbedarf gegeben. Wir müssen jedenfalls die Situation in den Alten- und Behindertenheimen verbessern.

In beiden Gesetzen wird das Interesse und das Wohlergehen des Betreuten in den Mittelpunkt gestellt, und es wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass er auch so behandelt wird, wie es seiner menschlichen Würde entspricht.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um Menschen, die oft ihr restliches Leben in einem Heim verbringen müssen, die oft nicht einmal Angehörige haben, die sich um ihr Wohlergehen kümmern. Das heißt, viele alte Menschen, behinderte Men­schen sind total abhängig von der Leitung des Heimes, vom Pflegeheim, und deshalb ist es dringend notwendig, dass der Gesetzgeber hier entsprechende Voraussetzungen schafft, damit es nicht zu einer schlechten Behandlung oder zu Misshandlungen kommt.

Wie notwendig diese Regelungen sind, die wir heute treffen, zeigt auch eine Über­prü­fung der Heimverträge. Der Herr Sozialminister hat die Heimverträge in Österreich über­prüfen lassen – 300 waren es –, und nahezu jeder der 300 überprüften Verträge enthält mehrere rechtswidrige Bestimmungen in Bezug auf diese Heimaufenthalte. Das zeigt doch, dass ein dringender Handlungsbedarf gegeben ist, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mein Vorredner hat es schon gesagt: Es müssen in Zukunft ganz bestimmte Bedin­gungen im Vertrag enthalten sein, die auch eingehalten werden müssen, eine Auf­schlüs­selung darüber, was die Verpflegung, was die Leistung betrifft, sodass jeder, der in ein Heim kommt, weiß, was er erwarten kann, und er hat auch die Möglichkeit zu vergleichen, ob er nicht in einem anderen Heim besser behandelt wird.

Ein Wort nur noch zum Heimaufenthaltsgesetz, konkret zu den Freiheitsbeschrän­kun­gen. Wir haben anhand des furchtbaren Beispiels Pflegeheim Lainz gesehen und ge­hört, in welcher Form Freiheitsmaßnahmen verhängt worden sind. Um alte Menschen zu disziplinieren, sind sie in Zwangsjacken gesteckt worden, aus denen sie sich nicht selbst befreien konnten. Das soll jetzt ebenfalls unterbunden werden: Die freiheits­be­schränkenden Maßnahmen werden an ganz bestimmte Voraussetzungen geknüpft, sodass es ganz einfach nicht mehr möglich ist, dass, wenn das Personal nicht mehr zurande kommt, in irgendeiner Weise die Freiheit beschränkt wird.

Wie gesagt: Beide Gesetze sind dringend notwendig, um den Menschen, die sich nicht mehr selbst helfen können, die gezwungen sind, in Altenheimen oder in Behin­derten­heimen ihr Leben zu fristen, eine entsprechende rechtliche Situation zu gewährleisten und ein Leben in menschlicher Würde und mit dem nötigen Respekt zu ermöglichen. Wir stimmen jedenfalls zu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Krainer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Krainer –: Lainz gehört nicht zu Wien, oder?)

 


13.57

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Hohes Haus! Frau Abgeordnete Pablé hat ge­rade behauptet, Präsident Fischer hätte gestern einen Ordnungsruf erteilt. – Das ist nicht wahr!

Präsident Fischer hat gestern keinen Ordnungsruf erteilt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 



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13.58

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gebärdendolmetscherin, danke für Ihre Arbeit, die ja sicher nicht leicht ist.

Mein erster und wichtigster Dank gilt natürlich den Mitarbeitern im Ressort, denn es war sicherlich kein Leichtes, in dieser diffizilen Materie letztlich doch zu einem Kon­sensentwurf zu kommen. Hier hat sich wieder das Ressort als solches sehr bewährt. Wie gesagt, die Mitarbeiter haben wirklich erstklassige juridische Qualität unter den ge­ge­benen politischen Bedingungen – das muss ich herausstreichen – in Bund und Land geleistet. (Abg. Dr. Fekter – demonstrativ Beifall spendend – : Die sind hervorra­gend! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Was soll das heißen?)

Nun ganz konkret zur Genese dieser zwei Gesetze. Wir haben es schon gehört: Die Miss­stände beziehungsweise die mangelhafte Gewährleistung von Freiheitsrechten, die mangelhaften Heimverträge – es gibt in verschiedenen Bundesländern überhaupt keine Vorlagen und überhaupt keine gesetzliche Verankerung – sind schon seit Jahren Anlass zu Kritik. Wir haben nach gewissen Erkenntnissen des Bundeskanzleramts ver­fassungsrechtlicher Natur erst im Jahr 2000 auf Bundesebene die Initiative ergreifen können. Und da muss man der SP-Fraktion sehr danken, weil sie durch einen Antrag den Stein ins Rollen brachte. Nur, das Problem ist: Der Stein blieb hängen. Die Be­gutachtung war 2002 bereits abgeschlossen – es handelte sich damals um ein ein­heitliches Gesetz –, dann kamen die Wahlen, und auf einmal wurde die gesetzliche Vorlage gesplittet: Heimaufenthaltsgesetz und Heimvertragsgesetz. Auch die Lesbar­keit und der Informationswert insgesamt sind etwas reduziert worden. Die inhaltlichen Mängel und Defizite möchte ich anschließend noch darlegen.

Diese Verzögerung und diese Aufsplitterung haben sicherlich dazu beigetragen, dass ins­gesamt gesehen jetzt nicht jene Qualität hier zur Beschlussfassung vorliegt, die wir eigentlich angestrebt hätten. (Abg. Dr. Fekter: Ganz im Gegenteil: Die ist besser ge­worden!) – Frau Kollegin Fekter, Sie haben ja schon im Ausschuss argumentiert: Die Menschenrechte brauchen eine eigene gesetzliche Formulierung (Abg. Dr. Fekter: Men­schenrechte gehören nicht in Verträge!) und können nicht in einem Heimaufent­haltsgesetz, in dem vertragliche Angelegenheiten im Zentrum stehen, geregelt werden. (Abg. Dr. Fekter: Weil Menschenrechte nicht vertraglich abdingbar sind!)

Aber wieso haben Sie im Gegensatz zu dem kundigen und auch in der Wissenschafts-Gesellschaft sehr anerkannten Professor Barta Ihren Standpunkt (Abg. Mag. Tancsits: Weil sie auch kundig ist!) fachlich nicht qualifiziert? Ich frage mich: Wem soll ich eher trauen? Einem Universitätsprofessor, der in die Materie schon jahrzehntelang einge­arbeitet ist (Abg. Dr. Fekter: Der seinen Entwurf umgesetzt haben wollte!), oder einer Abgeordneten, die zwar den Justizausschuss leitet, aber wahrscheinlich weniger Erfah­rung hat als ein Universitätsprofessor in diesem Bereich? (Abg. Dr. Fekter: Menschen­rechte wollte ich nicht vertraglich disponiert haben!)

Nun so viel zur Splittung. Aber, Frau Kollegin, seien Sie beruhigt: Ich trage persönlich die Verantwortung dafür, dass ich entgegen massiver Kritik aus meiner eigenen Fraktion diesen Gesetzen auch in der gesplitteten Form zustimmen werde (Abg. Mag. Donnerbauer: Das spricht für Sie, aber nicht für Ihre Fraktion!), allerdings nur unter dem Aspekt, dass auch evaluiert wird und dass die Mängel, die sich schon jetzt abzuzeichnen beginnen, in Zukunft beseitigt werden. (Abg. Dr. Fekter: Wo? Wo? Ich habe noch keinen einzigen gesehen!)

Darum werde ich nun einen Entschließungsantrag, den wir gemeinsam mit Herrn Kol­legen Jarolim und der SP-Fraktion ausgearbeitet haben und der eine Basis für unsere Zustimmung ist, einbringen. (Abg. Steibl: ... Sozialisten ...!) Dieser Entschließungs-


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antrag listet auf, in welche Richtung Verbesserungen gehen müssen: Persönlichkeits­rechte, Informationspflicht, auch eine Leistungsanpassungspflicht (Abg. Dr. Fekter: Das steht ja im Gesetz alles drin!); weiters sollte der Heimvertrag bei einer Kündigung nicht mehr nur um eine Monatsfrist verlängert werden, sondern um eine längere Frist. Auch die Frage der Rückstellung der Möbel der Wohnungseinheiten ist nicht geregelt. Der Verein für Sachwalterschaft sollte praktisch Klagsbefugnis haben, die Mitbe­stim­mung sollte verbessert werden. (Abg. Dr. Fekter: Das ist ja alles Landessache! Der Heimvertrag ist Landessache!)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Gabriela Moser und KollegInnen zum Bericht des Justizausschusses (377 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (202 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem im Konsumentenschutzgesetz Bestimmungen über den Heim­vertrag eingeführt werden (Heimvertragsgesetz-HverG) und über den Antrag der Abge­ordneten Dr. Hannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über ein Bundes-Heimvertragsgesetz (231/A)

„Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert,

1. die Anwendung des Heimvertragsgesetzes in der Praxis zu beobachten und dem Na­tionalrat bis Ende 2005 einen Bericht über die Erfahrungen mit der Anwendung dieses Gesetzes zu geben,“

(Abg. Dr. Fekter: Es ist ja eh beschlossen worden im Ausschuss! Beschließen wir das jetzt zweimal oder wie?),

„2. bei diesem Bericht insbesondere Augenmerk darauf zu legen, inwieweit eine Ver­besserung des Gesetzes“ – und das ist etwas, was nicht in Ihrem Antrag steht – „auf Basis jener Vorschläge möglich wäre, wie sie aus dem Antrag Dr. Jarolim (231/A)“ – das war der ursprüngliche Antrag – „herausgelesen werden können beziehungsweise wie sie von den ExpertInnen im Justizausschuss am 20. Jänner 2004 bei der Debatte über das Heimvertragsgesetz und Heimaufenthaltsgesetz vorgebracht worden sind.“

*****

Wozu haben wir all diese Experten gehabt? Sie haben uns wesentliche Anregungen gegeben, wie wir uns weiterentwickeln sollen. Und dass das garantiert ist, das hält bitte dieser Entschließungsantrag fest. Deswegen ersuchen wir um Ihre Zustimmung für diesen alternativen, oppositionellen Antrag (Abg. Dr. Fekter: Das ist aber ein Topfen!), ge­nauso wie wir sozusagen als Vorausvertrauensleistung – ich wiederhole: als Vor­ausvertrauensleistung! – dieser Regierungsvorlage sicher unsere Zustimmung geben werden.

Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal an Sie, Frau Kollegin Fekter, ap­pellieren: Nehmen Sie diese Anregungen der Opposition zur Kenntnis, schließen Sie sich an! (Abg. Dr. Fekter: Die haben wir ja im Ausschuss schon berücksichtigt!) Wir tra­gen die Vorlage mit, nur ist sie uns zu wenig weit reichend. Die Verständlichkeit sollte besser sein, die Musterverträge sollten österreichweit gelten. Auch Regelungen für die Entgelterhöhung fehlen uns, das müsste nachgebessert werden. Die Minimal­fristen bei der Rückstellung der Wohnungseinheiten habe ich schon erwähnt. Die


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Verschuldensklauseln bei Kündigungsregelungen sind nicht geklärt. Auch die Definition der Freiheitseinschränkungen ist nicht optimal gelungen.

Insgesamt, das war auch eine Anregung aus der Praxis im Ausschuss, müssten wir die Qualifikation des Pflegepersonals in Richtung Wahrnehmung von Freiheitsein­schrän­kungen verbessern, denn oft realisieren diese gar nicht, wie sehr ihre Handlungen bei den PatientInnen oder bei den HeimbewohnerInnen zu Freiheitseinschränkungen füh­ren. (Abg. Dr. Fekter: Pflegepersonal ist Landessache, Frau Kollegin! Sie vermischen hier Landes- mit Bundeskompetenz!) Dass man das noch vorantreiben sollte, hat eine Untersuchung in Deutschland ergeben.

Vor diesem Hintergrund: Ja zu diesem Basisentwurf, aber von Ihrer Seite bitte auch ein Ja zu einer qualifizierten Weiterentwicklung der heutigen Beschlusslage. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Dr. Moser ver­lesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Moser, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


14.05

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zunächst möchte ich mich aus­drücklich für die anerkennenden Worte bedanken, die in Bezug auf die beiden Ge­set­zesmaterien gefallen sind und natürlich primär den hervorragenden Legisten unseres Hauses gelten, die im Gegensatz zu der hier geäußerten Kritik meines Erachtens sehr schnell, also so bald es möglich war, diese Materien zum Abschluss gebracht haben.

Zunächst zur Zweiteilung. Frau Abgeordnete Dr. Moser, das eine ist, um es einmal klarzustellen, im Prinzip eine Novelle zum Konsumentenschutzgesetz. Und es ist ganz klar, dass das Bundessache ist und dass man hier ein bestimmtes Gesetz in einem gemeinsamen Rahmen novelliert. Darin geht es um die Kautionen, um den Kün­digungsschutz, um die Rolle der Heimträger. Was Sie beispielsweise von der Leis­tungs­anpassung einfordern, ist dort längst geregelt, nämlich die Preisminderung, die man im Gegensatz zum Mietrecht nicht erst geltend machen muss, sondern die für die Heimbewohner automatisch gilt. Das steht alles bereits im Gesetz. Es sind auch Verbandsklagen möglich, und zwar durch die Sozialpartner, den Seniorenrat und den VKI. – Das ist das eine.

Die andere Materie ist die Frage der Freiheitsbeschränkungen, also eine ganz andere Materie, die verfassungsrechtlich umstritten war. Das Land Vorarlberg hat dazu ein eigenes Gesetz gemacht. Die Bundesregierung hat dieses beim Verfassungs­gerichts­hof angefochten, und der Verfassungsgerichtshof hat mit Zustellung Juli 2003 für diese Frage die Kompetenzen abgegrenzt. Danach haben die Legisten des Justizminis­te­riums über Ersuchen des Sozialministers sehr schnell, nämlich bis August, diese Ma­terie fertig gestellt.

Dabei geht es um ganz andere Dinge, die im Gegensatz zu Ihrer Kritik sehr solid ge­regelt sind. Es wird, wenn eine freiheitsbeschränkende Maßnahme notwendig ist, ein Antrag gestellt, dann kommt die Sache zu Gericht. Das Gericht muss binnen sieben Tagen eine erste Maßnahme treffen, eine endgültige Maßnahme binnen 14 Tagen, und das unter Beiziehung von Sachverständigen.


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Frau Abgeordnete, Sie haben mit keinem Wort anklingen lassen, welche Regelung Sie hier verbessert haben möchten. Wir wissen es nicht, wir haben alle Ihre Anregungen geprüft und im Ausschuss auch weitestgehend berücksichtigt.

Es werden für die Justiz in dieser Materie, und zwar nur im Heimaufenthaltsbereich, 20 000 Fälle erwartet – 20 000 Fälle! So sehr wird dieses Gesetz benötigt. (Abg. Haidlmayr: Mehr, viel mehr! 60 000 Fälle!) – Nein, das ist ziemlich genau kalkuliert. Wir müssen auch Personal aufbauen, und es gibt auch für die Schulung eine gewisse Legisvakanz, aber es ist in diesem Bereich Usus, dass sich die Gerichte durch die Judikatur längst auf die neue Situation einstellen. Sie können sicher sein, dass diese Regelungen weitestgehend – so weit möglich – in die Judikatur einfließen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Sektionschef Dr. Hopf, bei Herrn Honorar­professor Dr. Georg Kathrein, bei den Richtern Dr. Gert Schernthanner und Dr. Peter Barth. Sie alle haben an diesem Gesetz legistisch mitgewirkt und ihnen verdanken wir diese perfekte Arbeit. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ord­neten der ÖVP.)

14.08

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeord­neter Dipl.-Ing. Regler zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Als ich Dr. Jarolim zugehört habe, habe ich geglaubt, ich bin auf einem falschen Damp­fer. Ich hoffe doch, dass auch die SPÖ diesen Gesetzen zustimmen wird, denn aus meiner Sicht sind diese Gesetze, die wir heute beschließen, ein Meilenstein in der Rechts­sicherheit, vor allem für unsere älteren und pflegebedürftigen Menschen. Daher bitte keine Kritik an Dingen, die sicherlich eine wesentliche Verbesserung für alles bringen!

Es hat bereits die Volksanwaltschaft ein Heimvertragsgesetz urgiert, sogar mehrfach, in ihren Berichten ist das nachzulesen. Ich habe hier schon einmal dazu sprechen dürfen. Und durch das vom Herrn Bundesminister erwähnte Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes wurde auch die Kompetenzlage endgültig geklärt, sodass man nun die gesetzlichen Bestimmungen formulieren konnte.

Aus meiner Sicht ist es sehr sinnvoll, die beiden Gesetze zu trennen, weil durch das Heimvertragsgesetz viel mehr Heime geregelt werden und viel mehr ältere Menschen davon betroffen sind als vom Heimaufenthaltsgesetz, sodass schon einmal die Zahl der Betroffenen eine Trennung sinnvoll erscheinen lässt.

Außerdem sind es völlig andere kompetenzrechtliche Tatbestände. Das Heimvertrags­gesetz basiert auf der Zivilrechtskompetenz gemäß Artikel 10 Abs. 1 Z 6 B-VG, wäh­rend für das Heimaufenthaltsgesetz Artikel 10 Abs. 1 Z 12 B-VG, also das Gesund­heitswesen, maßgeblich ist. Hier eine Vermischung vorzunehmen wäre sicherlich nicht sinnvoll gewesen.

Grundsätzlich muss ich sagen, dass wir auf dem Gebiet der Heimvertragsregelungen bereits ein sehr gutes Beispiel haben, und zwar das Studentenheimgesetz aus dem Jahr 1986, das wirklich eine wesentliche Verbesserung und auch eine Entkrampfung des Verhältnisses zwischen den Heimleitungen und den Heimbewohnern gebracht hat. Man sieht, dass eine klare rechtliche Regelung etwas sehr, sehr Gutes bewirkt. Vor allem wird, wenn klar geregelt ist, was in den Verträgen stehen muss, ein Gleich­gewicht hergestellt zwischen dem Heimträger und demjenigen, der eben auf den Heim­platz angewiesen ist.


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Von den Möglichkeiten, das zu regeln, wurde das Konsumentenschutzgesetz gewählt. Man hätte sicherlich auch das ABGB nehmen können, man hätte eventuell auch ein Sondergesetz machen können. Jedenfalls aber wurde alles, was aus unserer Sicht erforderlich ist, in diesen Gesetzen untergebracht.

Weil immer wieder gesagt wird, es wird die Preisangemessenheit nicht verlangt, darf ich darauf hinweisen: Bitte, das ist einfach keine Bundeskompetenz (Abg. Mag. Johann Maier: Das stimmt nicht!), sondern das ist Landeskompetenz! Hier wäre das Gesetz von der Aufhebung bedroht. Man hat aber in dem gegenständlichen Gesetz festgelegt, dass die Entgelte nach Unterkunft, Verpflegung und besonderen Leistungen aufge­schlüsselt werden müssen. Allein diese Regelung wird dazu führen, dass es zu einer klaren Kostentransparenz kommen wird.

Wir haben auch, obwohl es schwierig war, dies kompetenzrechtlich zu regeln, die Per­sönlichkeitsrechte – ich möchte fast sagen: durch die Hintertür – hereingebracht, indem nämlich im Heimvertrag auch enthalten sein muss, wie die Persönlichkeitsrechte ge­wahrt sind, zum Beispiel das Recht auf Besuche, auf die Wahrung des Fern­melde­ge­heim­nisses, auf eigene Arztwahl und auch das Recht, eigene Möbel mitzunehmen – soweit dies natürlich nach den Gegebenheiten des Heimes möglich ist. Das muss jedenfalls im Heimvertrag geregelt sein.

Von den Schwerpunkten sind folgende besonders wichtig: zunächst einmal die Schrift­lichkeit, weil damit Rechtssicherheit entsteht; die Gebührenfreiheit ist sicherlich ein ganz wesentlicher Punkt, weil damit klargestellt ist, dass dadurch keine zusätzlichen Kosten anfallen; die Möglichkeit der Namhaftmachung von Vertrauenspersonen, um einen höheren Schutz zu haben; die Entgeltminderung bei Mängeln, die in der Leistung des Heimträgers bestehen; die maximale Höhe der Kaution wurde festgelegt, ebenso die Kündigung durch den Heimbewohner – und auch die Kündigung durch den Heim­träger, denn auch dieser hat bitte ein Recht darauf, zum Beispiel das Entgelt zu be­kommen. Er muss schließlich die Bediensteten, Strom, Gas und so weiter bezahlen. Hier muss also ein ausgewogenes Verhältnis herrschen, und die jetzigen Regelungen bieten dieses ausgewogene Verhältnis.

Das neue Gesetz gilt für alle Verträge, die ab 1. Juli 2004 abgeschlossen werden. Der Justizausschuss hat jedoch in einer Entschließung seine Hoffnung ausgedrückt, dass in einer gewissen angemessenen Zeit auch alle derzeit bereits bestehenden Verträge auf diese Schwerpunkte umgestellt werden. Ich bin sicher, dass der Herr Justizminister auch darauf schauen wird, ob sich aus den Erfahrungen der Zeit ein Novellie­rungs­bedarf ergibt, dem dann sicherlich seitens des Justizressorts entsprechend nachge­kom­men werden wird.

In diesem Sinne – ich darf es hier noch einmal zum Ausdruck bringen – begrüßen wir das neue Heimvertragsgesetz ganz besonders. Es ist ein Meilenstein in der Rechts­sicherheit für unsere älteren Menschen! (Beifall bei der ÖVP.)

14.14

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Fekter – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Maier –: Jacky, mach ja das Gesetz nicht schlecht! – Abg. Steibl – in Richtung des Abg. Mag. Maier –: Bleib einmal bei der Sache! ... Arbeiterkammerwahlen!)

 


14.14

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner hat gemeint beziehungsweise zum Ausdruck gebracht, die SPÖ würde diesem Gesetz oder beiden


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Gesetzen nicht zustimmen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Das war der Kollege Jarolim, der diesen Eindruck erweckt hat!)

Werter Kollege Regler! Wir haben im Ausschuss für dieses Gesetz gestimmt (Abg. Mag. Regler: Kollege Jarolim hat den Eindruck erweckt, dass er jetzt nicht mehr ...!) und werden auch hier für dieses Gesetz stimmen (Abg. Dr. Mitterlehner: Habt ihr ihm eine Nachschulung gegeben?), weil es trotz bestehender Mängel aus unserer Sicht eine absolute Besserstellung für Menschen, die in Heimen wohnen, bringt. (De­monstra­tiver Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat einen eigenen Antrag eingebracht. Bedauerlicherweise sind wesentliche Punkte, die die Rechte der Heimbewohner berühren, in Ihrem Antrag nicht enthalten. Herr Bundes­minister, wenn Sie meinen, dass die Anregungen geprüft und aufgenommen wurden, dann verweise ich auf die Diskussion im Justizausschuss: Wesentliche Problem­be­reiche wurden nicht behandelt.

Unser Kompliment gilt natürlich auch den Beamten des Justizministeriums, die hier eine exzellente Arbeit geleistet haben und gleichzeitig mit den föderalen Problemen konfrontiert waren, insbesondere mit der Sturheit – sage ich einmal – der Vorarlberger. Wir haben uns ja bereits in der letzten Periode in einem Unterausschuss mit dieser Ma­terie auseinander gesetzt und mussten erleben, dass in Vorarlberg ein Heimgesetz ohne entsprechenden Rechtsschutz der betroffenen Menschen geschaffen wurde. Das war für uns nicht akzeptabel!

Daher begrüßen wir, dass es zu dieser Entscheidung des VfGH gekommen ist und nun zwei Gesetze vorliegen. Wir – das war immer unsere Forderung – haben uns vorge­stellt, dass diese Materie in einem Gesetz zusammengefasst wird; bedauerlicherweise sind Sie dieser Anregung nicht gefolgt.

Jetzt möchte ich noch als Konsumentenschützer auf die Problembereiche hinweisen – ich habe auch in der Ausschusssitzung darauf hingewiesen –: Es gibt private Heim­träger, die von zukünftigen Heimbewohnern Reservierungskosten verlangen. Was mit diesen Reservierungskosten geschieht, ist in diesem Gesetz nicht geregelt. Es hat diesbezüglich in Österreich bereits einige Strafverfahren gegeben.

Der zweite Kritikpunkt ist, dass es zu keiner Regelung der Entrichtung und Abrechnung des Entgelts gekommen ist. Kollege Regler, ich darf das hier ganz klar sagen: Fragen der Entrichtung und Abrechnung eines Entgelts sind keine Landeszuständigkeit, son­dern ausschließlich eine Bundeszuständigkeit – Kompetenztatbestand Zivilrechts­we­sen. Man kann darüber diskutieren, ob die Frage der Angemessenheitskontrolle in den Kompetenzbereich des Bundes fällt. Nur: Entrichtung und Abrechnung haben Sie nicht geregelt.

Ein weiterer sehr konkreter Kritikpunkt ist folgender: Es besteht das Problem, dass das Konsumentenschutzgesetz überfrachtet ist. Ich als Konsumentenschützer muss mit diesem Gesetz arbeiten. Ich sage Ihnen, auch die Experten tun sich schwer damit. Wie sollen das dann die Menschen verstehen? – Daher gibt es von unserer Seite bereits eine Anregung dahin gehend, dass das Konsumentenschutzgesetz überarbeitet und auch vereinheitlicht wird, was Rücktrittsfristen und dergleichen betrifft.

Ein weiterer Kritikpunkt, der nicht berücksichtigt wurde, ist folgender: Es sollte die Er­höhung des monatlichen Entgelts begründet werden können und Hinweise für Be­schwer­demöglichkeiten geschaffen werden. Auch das ist nicht enthalten.

Der letzte Kritikpunkt schließlich: Wir sind der Meinung, dass Musterverträge auf Basis dieses Gesetzes geschaffen werden sollten, Musterverträge, die allen Heimträgern, gleichgültig, ob sie private Träger oder öffentliche Träger sind, angeboten werden. Wir


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haben das, Frau Kollegin Fekter, sehr sachlich im Ausschuss dargelegt. Diesen Anre­gungen sind Sie nicht gefolgt.

Abschließend darf ich folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Gabriela Moser und KollegInnen betreffend Heim­aufenthaltsgesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit während des Aufenthaltes in Heimen und anderen Pflege- und Betreuungs­einrichtungen (Heimaufenthaltsgesetz – HeimaufG) in der Fassung des Abänderungs­antrages Dr. Maria Theresia Fekter und Barbara Rosenkranz wird wie folgt geändert:

In § 22 soll das Datum des In-Kraft-Tretens anstatt „1. Juli 2005“ lauten „1. Jän­ner 2005“.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesen beiden Gesetzen, denen alle Frak­tionen zustimmen werden, wird die Situation für Menschen in Heimen verbessert. Gesetze allein aber schaffen noch keine Besserstellung, auch deren Einhaltung muss kontrolliert werden. Daher begrüßen wir, dass die Seniorenverbände die Möglichkeit haben, neben den Konsumentenschutzorganisationen Verbandsklagen durchzuführen (Abg. Dr. Fekter: Nicht die Verbände, der Seniorenrat!) – der Seniorenrat –, um Miss­stände, die immer noch vorhanden sind, zu beseitigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.20

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Herrn Abgeordnetem Mag. Maier verlesene Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Moser und KollegIn­nen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


14.20

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Jeder vernünftige Mensch – vor allem natürlich auch jeder kluge Politiker – ist gut beraten, Kritik sehr aufmerksam zu hören und sie dann zur Verbesserung seiner eigenen Vor­schläge zu verwenden. Das tue ich natürlich auch, aber ich stelle fest: Mein ursprüng­liches Urteil, dass es sich bei diesen beiden Gesetzen um einen wirklich bahnbrechen­den Fortschritt, was die Situation unserer älteren und pflegebedürftigen, kranken Men­schen betrifft, handelt und dass diese Gesetze sehr wohl durchdacht und wohl überlegt sind, hat sich durch die hier vorgetragene Kritik nicht ändern müssen.

Wenn ich mir anschaue, was im Abänderungsantrag Jarolim, Moser enthalten ist, dann stelle ich fest: Es dreht sich um das Vorziehen des Gesetzes um ein halbes Jahr. – Das ist erstens nicht sehr viel, zweitens aber muss man, vor allem wenn man ein biss­chen praxisnah an die Sache herangeht, wissen und bedenken, dass die Kontrolle dieser Maßnahmen, die im Heimaufenthaltsgesetz genau geregelt sind, ja auch eine Frist erfordert, um sie wirksam durchzuführen: Der Verein wird Leute aufnehmen müs­sen und er wird sie ausbilden müssen. – Diese Frist von einem halben Jahr ist daher notwendig, damit das Gesetz entsprechend kontrolliert werden kann.


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Was Ihren Entschließungsantrag betrifft, so fordern Sie hier etwas, was ohnehin vor­gesehen ist, nämlich einen Bericht im Jahre 2005 – und ansonsten erfolgt immer wie­der der Hinweis auf die Vorschläge Jarolim, wie ich überhaupt feststellen möchte, dass der Erstredner der SPÖ seine Redezeit vor allem dazu benützt hat, zu versuchen, die Urheberschaft dieser Thematik wieder an sich zu ziehen.

Ich stelle fest, dass dem Justizminister hier wirklich großer Dank auszusprechen ist: Er hat die Sachlage erkannt, er hat sie durch Zahlen, Daten und Fakten mit einer Unter­suchung untermauert. Er hat festgestellt, dass tatsächlich hier der rechtsfreie, ungere­gelte Raum zu einer Vielzahl von Missständen und Defiziten geführt hat. Er hat die juristische Lage geprüft, er hat die Kompetenzschwierigkeiten überwunden und gere­gelt, und er hat ein wirklich wunderbares und in seiner Wirksamkeit sich ganz sicher sehr positiv gestaltendes Gesetz geschaffen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheit­lichen und Abgeordneten der ÖVP.)

Zu Ihrem Kritikpunkt, dass hier sozusagen eine unsachgemäße Zersplitterung stattge­fun­den hätte: Ich – als juristischer Laie allerdings, aber ich gehe es mit Hausverstand an; den kann man vielleicht auch noch ein bisschen ergänzend dazunehmen – finde es eigentlich sehr gut, dass man nicht für den Bereich der Heimbewohner einen völlig eigenen Gesetzeskomplex schafft, denn auch sie sind Bürger – die natürlich in einer be­sonderen Lage sind. Ich finde es absolut positiv, dass im Konsumentenschutzgesetz festgehalten ist, dass dieses natürlich auch in diesem Bereich gilt, darüber hinaus allerdings erweiterte Schutzbestimmungen vorhanden sind. Es kann ja nicht so sein, dass wir so tun, als gäbe man, wenn man in ein Heim geht, die bürgerliche Per­sön­lichkeit ab. Selbstverständlich sind die Konsumentenschutz-Bestimmungen in Kraft, selbst­verständlich gilt das ABGB, und – darum ist es gut, dass es in dieser Materie geregelt ist – darüber hinaus gibt es Schutzbestimmungen und Schutzvorkehrungen. Das finde ich eigentlich besonders sachgerecht! Mir gefällt das sehr gut.

Zum zweiten Gesetz, dem Heimaufenthaltsgesetz: Auch hier teile ich die Meinung derer, die das Gesetz vorgelegt haben – vor allem ist das auch im Ausschuss be­sprochen worden, die Ausschussvorsitzende hat das dargestellt. Dieser Komplex be­trifft etwas ganz Besonderes: die persönlichen Freiheitsrechte und die Menschen­würde – und das muss in einem eigenen Gesetz geregelt sein, nämlich insofern, als es notwendig sein kann, in tragischen und bedauernswerten Fällen, zum Schutz der jeweiligen Persönlichkeit und zum Schutz auch anderer die Freiheitsrechte einzu­schrän­ken, dies allerdings nur genau überlegt, gut kontrolliert und unter der Beachtung der Menschenwürde zu erfolgen hat.

Hier ist auch den Beamten ein Lob zu zollen, das nicht groß genug sein kann, denn die Regelung genau dieser Dinge erfordert ein hohes Maß nicht nur an juristischer Qualifikation, sondern vor allem auch an menschlicher Einsicht und humanem Denken. Allen voran ist hier Herrn Sektionschef Dr. Gerhard Hopf auch von Seiten des Parla­ments zu danken, federführend waren auch Prof. Dr. Georg Kathrein und Dr. Peter Barth diese haben in einer sehr kurzen Frist unter Überwindung vieler Schwierigkeiten ein Gesetz geschaffen, das in Europa einmalig ist, Vorbild sein wird und sicher seine Nachahmer finden wird. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und Abgeordneten der ÖVP.)

14.25

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 


14.25

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese zwei Gesetzesmaterien, die wir heute be-


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schließen, haben – und das ist klar – wirklich schon dringlichen Charakter, weil wir Gesetze in dieser Richtung brauchen. Das ist wirklich außer Streit gestellt: Wir brauchen in diesem Bereich endlich gesetzliche Regelungen.

Nur, Herr Minister: Ich hätte mir unter einem Gesetz, das man neu macht, etwas we­sentlich anderes vorgestellt als das, was jetzt daraus geworden ist – und das ist scha­de! Es ist vier Jahre lang darüber diskutiert worden, und das Ergebnis, das jetzt her­aus­gekommen ist, ist verdammt mager. Wirklich, es ist sehr, sehr dürr! Ich sage Ihnen das jetzt als ehemalige Heiminsassin, die die Situation von innen und von außen kennt: Da hätten sich die Leute, die im Heim sind, etwas anderes erwarten dürfen – aber leider ist das nicht eingetroffen. So ist es, und wir müssen das zur Kenntnis nehmen.

Herr Minister, ich sage Ihnen, wo es schon damit losgeht, dass es nicht passt: Es steht in diesem Heimvertragsgesetz jetzt zwar drinnen, dass aufgelistet werden muss, was das Zimmer kostet, was die Betreuung kostet, was die Verpflegung kostet und so wei­ter und so fort – klingt alles, wenn man es sich nicht genau anschaut, vielleicht aufs Erste nicht schlecht. Man muss aber dann ins Detail gehen!

Wissen Sie, Herr Minister, wenn ich mir heute eine Wohnung nehme – egal, wo –, dann sagt man mir auch nicht einfach nur: Diese Wohnung kostet diesen Betrag!, sondern da muss im Vertrag drinnen stehen, wie viele Quadratmeter die Wohnung hat, und auf Grund dieser Anzahl von Quadratmetern, die jedem zur Verfügung steht, muss ein ortsüblicher Marktwert berechnet werden. Sprich: Der zahlt für seinen Platz dort eine Miete, der zahlt für seinen Platz dort Betriebskosten, weil er auch am Gang unterwegs ist oder andere Dinge macht.

Diese zwei Faktoren müssen einmal ganz klar herausgenommen werden: Es muss klar sein, dass ich pro Quadratmeter diese und jene Leistung zahle, und dann gibt es A-, B-, oder C-Kategorie, denn ob ich in einem Dreibett-Zimmer oder in einem Einzelzimmer liege, ob ich das Klo und die Dusche in meiner Wohneinheit habe oder ob das am Gang draußen ist und ich es mit 30 anderen teile, macht einen wesentlichen Unter­schied, so wie das auch im Mietrecht der Fall ist. Und das, Herr Minister, gehört aus­einander genommen.

Auch die Pflege sollte nicht und darf nicht pauschaliert bleiben, denn es besteht eben ein Unterschied, ob ich Pflege von diplomiertem Personal oder nur eine Altenhelferin oder nur einen Zivildiener brauche, der mit mir vielleicht einmal drei Runden im Garten marschiert. Das sind verschiedene Preise! – Das muss daher auseinander genommen werden, denn wir wollen doch endlich einmal Kostenwahrheit!

Herr Minister, das ist alles nicht passiert! Und ich sage Ihnen auch, warum es nicht passiert ist: weil sich die Heimträger auf nichts besser ausruhen und mit nichts besser sanieren können als mit den Tagsätzen. Das ist eben so. Da wird halt einfach im Tagsatz etwas verrechnet. Ich habe Badebücher gesehen, wo theoretisch jeder einmal pro Woche hätte gebadet werden müssen, aber ein Schnitt von 17 Wochen heraus­gekommen ist, aber der Betroffene hat es für jede Woche einmal bezahlt! – Das muss sich aufhören, Herr Minister, und das hätte ich mir in diesem Heimvertragsgesetz auf jeden Fall erwartet, dass das drinnen steht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Aber, Herr Minister, es ist ja noch nicht zu spät. Es ist absolut noch nicht zu spät! Sie haben immer noch die Möglichkeit, und ich bitte Sie darum – und möchte mich gleich­zeitig mit meiner fachlichen Kompetenz als Unterstützerin dabei anbieten –: Machen wir einen Muster-Heimvertrag, wo genau diese Aufschlüsselungen, die ich jetzt er­wähnt habe, festgelegt sind! Natürlich können wir keine Beträge einsetzen, weil das von Bundesland zu Bundesland verschieden ist, aber die Bewertungen und wie was zu rechnen ist und dass das Zimmer einfach einen Quadratmeterpreis haben muss, der


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ortsüblich ist, das kann ich sehr wohl hineinschreiben! Da verletze ich keine Landes­kompetenz, sondern das ist eben so – im Mietrecht ist das auch nicht anders. Das kön­nen wir schon gemeinsam machen!

Wissen Sie, Herr Minister, wenn wir das gemeinsam machen und wenn es da etwas gibt, dann ist auch die Frage – die da jetzt zwar drinnen vorkommt, aber im Grunde genommen überhaupt nicht im Detail geregelt ist – betreffend diese Platzfreihalte­gebühr oder die Frage, was zu bezahlen ist, wenn ein Heiminsasse nicht da ist, wenn er zum Beispiel auf Urlaub oder im Spital ist, geklärt: Dann zahlt er nämlich nur die Miete und die Betriebskosten, denn wenn er nicht da ist, fallen ja sonst keine Kosten an – und damit ist das klar!

In der Regel ist es so: Wenn heute jemand nicht im Heim ist, dann werden ihm für die Zeit, in der er nicht anwesend ist, nur 10 Prozent der Kosten nachgelassen. Das würde ja bedeuten, dass nur 10 Prozent der Gesamtkosten für die Assistenzleistung oder Be­treu­ung aufgewendet werden und 90 Prozent für das Zimmer mit dem Bett oder was auch immer. Das wird es ja nicht sein! (Abg. Neudeck: Aber ich kann das Personal nicht heimschicken, wenn einer einen Tag nicht da ist! Das geht nicht!) – Herr Minister, können Sie mir zuhören? Das wäre ganz wichtig, denn Sie sollten ja dann aus dem, was ich Ihnen sage, etwas machen!

Herr Minister! Es geht auch um die Rausschmiss-Klausel – ich nenne es jetzt einmal so. Natürlich kann jeder irgendwo hinausgeschmissen werden, keine Frage. Und Leute, die ein starkes Selbstbewusstsein haben, werden wahrscheinlich auch in den tra­ditionellen Heimen nicht immer die sein, die es am leichtesten haben. Nur: Wenn jemand aus einem Heim hinausgeschmissen wird, dann muss ihm zumindest ein Ersatz angeboten werden. Dass man ihn aber nur auf die Straße stellt und sagt: So, und jetzt mache, was du willst, weil du aufmüpfig warst und dich nicht an unsere Spielregeln gehalten hast!, so kann es nicht sein, Herr Minister! Auch da ist noch etwas zu machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt komme ich auf das Heimaufenthaltsgesetz zu sprechen: Klar, es ist wichtig, dass die Freiheitsbeschränkungen, die tagtäglich Tausende Male in Österreich passieren, endlich unterbunden werden – aber sofort unterbunden werden!

Herr Minister! Ich bin froh, dass es so genannte HeimbewohnervertreterInnen geben wird, nur: Wir wissen, in Österreich leben 70 000 alte Leute in den Altenheimen und zirka 30 000 – vielleicht sind es nur mehr 25 000 – in so genannten Behinderten­heimen. Das heißt, das sind 100 000 Leute. Und für diese Zahl von Personen, die von diesem Gesetz jetzt etwas haben sollten, nämlich dass sie ihrer Freiheit jetzt nicht mehr automatisch beraubt werden dürfen, stehen genau 50 Heimbewohnervertreter zur Verfügung! – Ist das eine lächerliche Geschichte oder nicht?

Stellen Sie sich das einmal vor: Wenn heute jemand in seiner Freiheit beschränkt wird, und das Heim ist okay und meldet das am nächsten Tag der Heimbewohnervertretung, dann kann es sein, dass diese erst in drei Wochen auftauchen kann – denn mehr als arbeiten werden diese 50 Leute österreichweit nicht können.

Herr Minister, das kann es nicht sein! Wenn man wirklich will, dass das sofort verfolgt wird, dann muss man zumindest eine ausreichende Anzahl von Heimbewoh­nerver­treterInnen zur Verfügung stellen. (Abg. Dr. Fekter: Überall ist ja nicht Lainz!) – Tun Sie mir nicht dreinreden! Sie können sich ja dann zu Wort melden! (Abg. Dr. Stumm­voll: Bitte! Bitte! ...!) – Das heißt praktisch, dass man einen Schlüssel vorsehen muss, der zum Beispiel lautet: Pro 50 Heimbewohner – vielleicht sind es auch 70 – ein Heim­bewohnervertreter. – Dann kann man darüber reden. Aber mit 50 Heimbewohnerver­tre­tern für fast 100 000 Leute, das ist lächerlich!


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Ich sage Ihnen nämlich jetzt Folgendes, Frau Fekter – nur damit Sie gleich im Bilde sind, was das heißt –: Ich habe Ihnen erzählt, zirka 100 000 Leute leben im Heim. Wissen Sie, wie viele tagtäglich in ihrer Freiheit beschränkt werden? Wollen Sie es wissen? – 100 000! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das bestreitet ja niemand! Deswegen gibt es ja das Gesetz!) Tagtäglich! – Soll ich Ihnen sagen, wodurch allein schon eine all­tägliche Freiheitsbeschränkung erfolgt, an die Sie gar nicht denken? – Dadurch, dass in den Heimen um acht Uhr abends die Haustür zugesperrt und um acht in der Früh wieder aufgesperrt wird. Das heißt, ein Bewohner ist 12 Stunden pro Tag in seiner Freiheit beschränkt. Und das ist Freiheitsbeschränkung!

All jene, die das betrifft, haben jetzt ein Recht darauf, dass entweder richterlich be­scheidet wird, dass sie auf Grund ihrer Behinderung, ihres Gebrechens, ihres geistigen Zustandes 12 von 24 Stunden weggesperrt werden – oder nicht. Das heißt, es wachsen da 100 000 Beschwerden an – und das wollen Sie mit 50 Leuten lösen? Da machen Sie sich wirklich lächerlich, wenn Sie das glauben! Das wird es nicht spielen!

Herr Minister, ich hätte mir erwartet, dass, wenn man ein Gesetz macht und sagt, dass man es im Interesse der Betroffenen macht, man das dann auch tut. – Aber das ist es nicht! (Abg. Dr. Trinkl: Wieso sollen die 100 000 Beschwerden kriegen? – Abg. Dr. Fekter: In den meisten Heimen funktioniert es ja!)

Noch eines, Herr Minister: die Altverträge. Es gibt eine Ausschussfeststellung, dass man die Altverträge anpassen soll. Aber eine Ausschussfeststellung ist nicht Bestand­teil einer Regierungsvorlage, die zum Beschluss ansteht, sie ist nicht etwas, das heute beschlossen wird.

Wissen Sie, wen gerade diese Altvertragsregelungen am meisten betreffen? – Behin­derte Menschen! Diese haben nämlich in der Regel noch 30 bis 40 Jahre vor sich, während der Sie unfreiwillig da drinnen sein müssen. Und denen ändert man die Ver­träge nicht?! – Wenn jemand mit 25 Jahren da drinnen landet, weil es nichts anderes gibt, dann muss er praktisch für den Rest seines Lebens mit dem alten Vertrag weiter­leben.

Herr Minister! Die Altverträge müssen zumindest innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr angepasst werden. Ohne das geht gar nichts!

Deshalb, Herr Minister – ich weiß, ich habe meine Redezeit schon überschritten –: Ich biete mich an, Ihnen bei der Erarbeitung eines Mustervertrages und der entsprechen­den Änderungen zu helfen, denn ich habe die Erfahrung von draußen und von drin­nen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Justizminister Dr. Böhmdorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Justizminister.

 


14.35

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren des Hohen Hauses! Und insbesondere sehr geehrte Frau Abgeord­nete! Ich möchte gleich auf Ihre Ausführungen antworten, damit keine Fragen offen bleiben.

Das ist kein preisgeregelter Mietvertrag. Das ist kein Gastaufnahmevertrag. Das sind Pflegeverträge für Heimbewohner, die den Aufenthalt, die Pflege, die medizinische Leistung und die Räumlichkeiten in einem Paket regeln. (Abg. Haidlmayr: Das will ich nicht! Das ist falsch!)

Die von Ihnen gewünschte Preisregelung der Einzelelemente ist nun einmal nicht Philosophie dieser Bundesregierung. (Abg. Haidlmayr: Das ist ja das Problem! Das ist


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ja das Dilemma! – Ruf bei der ÖVP: Nein, das ist kein Problem!) Es gibt ein System von Angebot und Nachfrage.

Ich bitte um Verständnis: Es war nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Einzel­leistung zu regeln. Dann unterbliebe ja auch – was wir nicht wollen – der Wettbewerb. Und es soll ein Wettbewerb in diesem Bereich stattfinden! Das haben wir also sehr bewusst gemacht.

Sie, Frau Abgeordnete, haben sich selbst widerlegt, indem Sie gesagt haben, Sie möchten einen Musterheimvertrag machen, bei dem wir gerne zusammenarbeiten können – überhaupt keine Frage –, aber gleichzeitig eingeräumt haben, Sie könnten in diesen keine Preise einsetzen.

Also wenn Sie nicht einmal in Musterheimverträge Preise einsetzen können, können wir diese schon gar nicht ins Gesetz schreiben! – Ihre Kritik muss ich in dieser Form beantworten. (Ruf bei den Grünen: Das ist ein Missverständnis!) – Das ist, glaube ich, kein Missverständnis, das ist so herübergekommen. (Abg. Haidlmayr: Die Länder kön­nen verpflichtet werden, Preise einzusetzen!)

Und was die Verbandsklagen, die Sie nicht erwähnt haben, anlangt: Alle Heimverträge können durch die Einbringung von Verbandsklagen, auch durch den Seniorenrat, auch durch die Sozialpartner korrigiert werden. Das ist in der Vergangenheit auch ge­schehen. – Ich glaube, dass auch diese Kritik nicht berechtigt ist.

Wenn Sie sagen, der Bewohnervertreter sei für 100 000 Fälle zuständig, so stimmt das auch nicht, denn neben dem Bewohnervertreter kann das Heim, kann der Sachwalter oder die Vertrauensperson – das kann auch ein ständiger Besucher des Bewohners sein – diesen Antrag stellen. Wir brauchen also nicht die Bewohnervertreter für alle ge­nannten 100 000 Fälle.

Das nur zum Verständnis. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

14.37

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.37

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit einer Regelung des Aufenthaltes in Behinderten-, Pflege- und Altenheimen wurde dargelegt, auch die Notwendigkeit der rechtlichen Regelung einer Materie, die heute teilweise ungeregelt ist. Das hat in vielen Bereichen auch zu Problemen geführt, und dann wird es sozusagen am Kleinen ausgetragen, am Pflegepersonal, wenn dieses im rechtsfreien Raum agieren muss, wie wir es etwa aus dem Wiener Pflegeheimskandal Lainz II noch in unguter Er­innerung haben. Aus institutionellem Unvermögen heraus – auf 30 zu Pflegende zwei Personen! – sagte man dann: Ja, das Personal – das einen aufopferungsvollen Dienst vollbringt! – ist schuld, wenn etwas schief geht! – Daher nun diese notwendigen, gut durchdiskutierten und auf rechtswissenschaftlicher Basis erarbeiteten Neuregelungen.

Ich möchte auch noch einmal auf die Notwendigkeit der Trennung eingehen, von der uns Herr Kollege Dr. Jarolim gesagt hat, dass er sie nicht nachvollziehen könne, und angedeutet hat, dass Sie dagegen stimmen werden. Ich bin froh, dass sich die Meinung der Fraktion in der Zwischenzeit geändert hat.

Ich glaube, es ist schon ganz klar, dass ich, wenn ich auf der einen Seite eine ver­tragliche Regelung habe, das zivilrechtlich – in diesem Fall im Konsumenten­schutz­gesetz – regle, um in Bezug auf all jene Dinge des Pflegevertrages, die uns der Herr


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Bundesminister ausgeführt hat, eine entsprechende Grundlage von Mindeststandards zu haben.

Ich bin, wenn ich von gesetzlichen Mindeststandards spreche, durchaus skeptisch, wenn es um die Frage geht, sozusagen von ganz oben, von Bundesebene einen Mus­tervertrag nachzuschicken. Das würde die Möglichkeit nehmen, in den einzelnen Be­reichen – Interessenvertretungen, Trägerorganisationen, private Träger auf der einen Seite und Seniorenrat auf der anderen Seite – bessere, über diese definierten Stan­dards hinausgehende Verträge im Interesse der Einzelnen zu definieren, auszu­handeln, vorzulegen, und auch die Vergleichsmöglichkeit des einzelnen Heimbewoh­ners oder künftigen Heimbewohners einschränken.

Ganz anders ist die Frage des Heimaufenthaltsgesetzes, daher auch die Trennung. Dabei geht es darum, persönliche Freiheitsbeschränkungen zu regeln beziehungs­weise – positiv formuliert –: der Staat garantiert die persönlichen Freiheiten. Mir ist schon klar, dass das keine Aufgabe ist, die man in einem zivilrechtlichen Gesetz regeln kann und die einem Vertrag unterliegt.

Gerade Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, haben gestern Abend dem Rech­nungshofpräsidenten applaudiert, als dieser gesagt hat, schlanker, aber starker Staat, es gibt Aufgaben, die der Staat nicht abgeben kann. – Ich bin ebenfalls dieser Mei­nung. Ich glaube, eine solche Aufgabe des Staates ist es auch, Freiheitsrechte zu ga­rantieren und nicht etwa Stahl zu erzeugen und zu verkaufen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Freiheitsbeschränkungen und -einschränkungen werden so geregelt, dass sie nur dann vorzunehmen sind, wenn es um die Sicherheit des Einzelnen oder seiner Umgebung geht. Sie sind vom medizinischen Leiter oder von der Pflegeleitung anzu­ordnen, sie sind zu dokumentieren und können vom Betroffenen, von den Angehö­rigen, von der Vertrauensperson oder vom Verein für Sachwalterschaft hinterfragt wer­den und gegebenenfalls – ich bin auch sehr dankbar für die in diesem Gesetz ge­setzten kurzen Fristen – gerichtlich angefochten und aufgehoben werden.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass dieser Punkt nicht nur der Sicherheit und Frei­heitsgewährleistung der Pfleglinge, der alten Bevölkerung dient, sondern auch der Sicherheit des Personals. Ich möchte daher zum Abschluss einen unserer Ausschuss­experten, Herrn Dr. Peter Schlaffer vom Verein für Sachwalterschaft zitieren, der ge­sagt hat: Diese beiden Gesetze sind ein Quantensprung. Beschließen Sie sie daher! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.42

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Becher zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.43

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Ich möchte vorweg eine Bemerkung zu dieser sehr un­sachlichen, unerhörten Behauptung der Kollegin Partik-Pablé machen, die sie hier unter dem Schutzmantel der Immunität gemacht und mit der sie die Pflegerinnen und Pfleger kriminalisiert hat. (Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Neudeck: Nein!) Das finde ich ganz besonders unerhört! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde sagen, es ist vorbildlich, wie Wien mit diesem Problem umgeht. (Abg. Dr. Fekter: Das Magistrat! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Bürgermeister!) Dort gibt es eine öffentlich zugängliche Untersuchungskommission – da wir gestern dieses Problem diskutiert haben –, die von der Mehrheitsfraktion eingesetzt wurde. (Abg. Mag. Tancsits: Wir kennen die ... der Frau Dr. Pittermann, noch als sie hier war!)


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Wenn Sie wirklich Interesse an diesem Problem hätten, dann könnten Sie im Internet nachlesen, was in dieser Untersuchungskommission gesprochen wird. (Abg. Dr. Par­tik-Pablé: Der Bürgermeister von Wien ...!) Dort ist auch festgestellt worden, dass zwar Mängel vorhanden waren, dass kleinere Mängel feststellbar sind, aber eine siche­re Pflege immer gewährleistet war. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Kleinere!?) Das kann man ganz sicher sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das herrschende Problem, dass zu wenig Pflegepersonal vorhanden ist (Abg. Dr. Fek­ter: Was haben Sie für einen Pflegebegriff?), ist nicht nur ein Wiener Problem und ein österreichisches Problem. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich wünsche Ihnen einmal solche „kleineren“ Mängel, wenn Sie einmal in Lainz landen!) Im Vorjahr wurde von der EU eine Studie in Auftrag gegeben, um dieses Problem zu bewältigen. Daran hat sich Österreich interessanterweise nicht beteiligt. Das wird ganz sicher eine wichtige Zukunftsfrage in diesem Bereich sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun möchte ich aber zu diesen beiden Gesetzesvorlagen etwas sagen. Wir hatten jetzt eine vierjährige Vertröstungsphase durch die Regierungsparteien, wir können aber heute diese beiden Gesetzesvorlagen beschließen. (Abg. Neudeck: Nach einer dreißigjährigen Untätigkeitsphase!) Das ist ein Fortschritt, weil es vorher keine ge­setzliche Grundlage gegeben hat. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung – in Richtung Stärkung der Persönlichkeit und der Rechte der Heimbewohner und in Richtung mehr Heimrechtssicherheit. Aber es müssen ganz sicher weitere Schritte folgen. Es gibt noch eine Reihe von Kritikpunkten, Schwachstellen und Mängel in die­sem Gesetz, die zum Wohle der Bewohner geregelt werden müssen.

Ich möchte dazu Professor Barta zitieren, der im Justizausschuss gesagt hat: Die rechtlichen Rahmenbedingungen für alte Menschen sind gut genug, wenn sie die besten sind. – Daher ist es für mich auch nicht ganz nachvollziehbar, dass es zwei Ge­setzesmaterien sind, die auseinander gerissen sind, denn gerade die alten Menschen sind schutzbedürftig, sind besonders schutzbedürftig. Es ist ihnen nicht zumutbar, nun in zwei Gesetzen suchen zu müssen, wo ihre Rechte zu finden sind. Das wäre sicher besser in einem Gesetz verpackt gewesen.

Es gibt auch inhaltliche Schwachpunkte, die anzumerken sind: Das ist zum einen die Leistungsanpassungspflicht; es ist heute schon einiges dazu gesagt worden. Das ist weiters die Angemessenheit des Entgelts, die wir in unserem Initiativantrag drinnen haben. Dies ist bei gemeinnützigen Trägern nicht das Problem, denn dort ist das ge­sichert, aber bei privaten Trägern stellt das ganz sicher eine Messlatte dar. Wenn das im Gesetz nicht enthalten ist, kann man auch von einer Bevorzugung der privaten Träger sprechen.

Die Informationspflicht ist ab nun verankert das ist positiv –, aber auch lückenhaft gere­gelt, denn man muss die Information ausdrücklich verlangen, sie muss also nicht von selbst gegeben werden. Es gibt da noch einige Überlegungen, die angestellt wer­den könnten, wie man das verbessern könnte; zum Beispiel, dass in den Prospekten auch Preise für Leistungen verzeichnet sind, die nicht in der Grundbetreuung inkludiert sind.

Auch wenn wir diese wichtige Gesetzesmaterie heute gemeinsam beschließen werden, so heißt das aber noch nicht, dass eine bundeseinheitliche Regelung dieser Gesetze künftig die Heimaufnahme alter Menschen bevorrangen soll, sondern wir sollten immer alles daran setzen, dass alte Menschen zu Hause betreut werden können – das vor allem auch vor dem Hintergrund, da wir wissen, dass heute jeder Vierte über 80 Jahre an Demenz leidet, dass vier von fünf demenzkranken alten Menschen zu Hause betreut werden und drei von vier wiederum von Familienangehörigen.

Zurzeit ist es so, dass auf 56 Erwerbstätige ein zu Pflegender kommt, im Jahr 2040 wird auf 18 Erwerbstätige ein zu Pflegender kommen. Da ist ganz sicher Handlungs-


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bedarf für die Zukunft gegeben. Diese Vision für das Gesetz hat in der Diskussion eigentlich gefehlt. Ein modernes künftiges Heimgesetz – wobei ein Heim eine moderne Serviceeinrichtung darstellt, die ein Bindeglied sein könnte, die einen fließenden Übergang zwischen stationärer Betreuung und ambulanten Dienstleistungen bieten könnte – sollte diese Anforderungen erfüllen können. Ich glaube, wir müssen noch viel darüber diskutieren, um das für die Zukunft anzubieten und das Beste für die Men­schen für spätere Heimaufenthalte zu ermöglichen.

In diesem Sinne sind wir für diesen ersten Schritt, weitere müssen ganz sicher noch folgen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.49

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Grü­ne­wald zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.49

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Wir werden heute diesem – letztlich – Vier-Parteien-Antrag zustimmen. Trotzdem fällt auf, dass uns, der Opposition, immer wieder von den Regierungsparteien vorgeworfen wird, wir würden das schöne Österreich schlecht machen, alles beschimpfen, alles negieren, destruktiv sein und sie nicht gebührend loben.

Mir ist natürlich schon klar, dass man es sich in der Politik auch einfach machen kann: Alles zu loben wäre nicht schwer, es wäre allerdings auch nicht vernünftig. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es wäre richtig!) Ich hoffe, dass es genügend vernünftige Abgeord­nete hier im Haus gibt, die kritikfähig sind, und auch einige, die sich Kritik anhören können.

Es ist natürlich auch leichter, wenn man nicht von Zweifeln über ein Gesetz, das Sie weitgehend entworfen haben, angekränkelt ist. Es wäre auch manchmal einfach – stelle ich mir vor –, wenn man besonders wenig weiß und sich Entscheidungen leichter machen kann. Man sagt dann einfach ja oder nein, es ist alles leicht.

Daher sollte es nicht unverständlich sein, wenn von unserer Seite nicht gerade jedem Regierungsmitglied und nicht gerade jedem Gesetzentwurf gleich die Attribute „allwissend“, „unfehlbar“, „allmächtig“ zugewiesen werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Eine sinnvolle Kritik gestehen wir Ihnen ja zu!) – Eine sinnvolle Kritik, genau!

Wenn man erkennt, dass auch MinisterInnen und Gesetzentwürfe per se nicht perfekt sein müssen, so halte ich das nicht für unanständig, sondern für berechtigt und kons­truktiv. Ich bin auch froh darüber, dass dieses Gesetz nun kommt, wenn auch etwas spät. In dieser Verzögerung liegt natürlich einiges an Leid für die Betroffenen. Darum macht es mich auch stutzig – zumindest kann ich die Argumentation nicht leicht und auch nicht sofort nachvollziehen –, warum dieses Gesetz letztlich erst eineinhalb Jahre später in Kraft treten soll mit der gar nicht so versteckten und verklausulierten For­mulierung: Wir erwarten zirka 20 000 Beschwerden und dafür müssen wir gewappnet sein.

Aus Ihrer Warte kann ich das nachvollziehen, aber aus der Warte der Beschwer­de­führerInnen, die unter teilweise – sage ich freundlich – suboptimalen, manchmal unter sehr schlechten Bedingungen in Heimen untergebracht werden (Abg. Dr. Partik-Pablé: „Kleinere Mängel“ hat sie gesagt!), verstehe ich es nicht, dass sie eineinhalb Jahre lang warten müssen, bis Sie gerüstet sind, ihnen etwas zu entgegnen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich würde sagen, meine Erfahrung reicht weit zurück. In einer vielleicht etwas zu lange anhaltenden Sturm- und Drangphase habe ich zu meiner Studentenzeit in Tirol im


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berühmt-berüchtigten Michael-Gaismair-Kalender einen Artikel über Heimordnungen verfasst und bin damals – ich sage: damals! – zum Beispiel auf folgende krause Formulierungen gestoßen:

Das Halten von Vögeln und das Füttern derselbigen ist den Heiminsassen verboten. Oder: Wer nicht um 17 Uhr zur Mahlzeit kommt, hat kein Recht auf ein warmes Essen.

Man müsste schauen, ob es das heute noch gibt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist arg! Aber Tauben füttern sehe ich ein!) – Ich bin nicht so uralt, dass diese Heimordnung in das Paläozoikum einzureihen ist. Das ist alles geändert worden?

Man muss sagen, dieses Gesetz hat etwas gebracht. Bisher hatten Heimbewoh­nerIn­nen nur Pflichten, aber keine Rechte. Da ist etwas geschehen. Trotzdem hat sich nicht alles gebessert.

Immer noch werden die Ersparnisse bei Heim- und Pflegepreisen quasi angeknabbert, die teilweise exorbitant hoch sind und Leute auf ihr Taschengeld reduzieren. Das finde ich nicht gut.

Auch das Hineinstopfen in ein Konsumentenschutzgesetz ist mir weniger lieb als eine bundeseinheitliche Regelung.

Es fehlt auch die Leistungsanpassung im Gesetz. Leistungen werden erweitert, Qua­litätssicherungen werden vielleicht – Gott sei Dank – einmal nachjustiert werden. Da sollte noch etwas hinein.

Der Kündigungsschutz ist jedenfalls suboptimal. Die Verschuldensklausel ist nicht da­mit verknüpft, auch eine Ersatzunterbringung in anderen Pflegeheimen oder auf anderen Pflegeplätzen ist meiner Meinung nach ungenügend geregelt.

Die Freiheitsbeschränkung ist eine Gratwanderung, das gebe ich zu. Ich habe selber schon an unserer Klinik erlebt, dass Patienten vor den Toren der Klinik erfroren sind, weil sie sich verirrt haben und nicht mehr in ihr Zimmer, auf ihre Station zurück­gefun­den haben.

Trotzdem stellt sich, so glaube ich, folgende Frage: Was sind mir alte und gebrechliche Menschen wert? – Wenn nämlich im Pflegebereich an professioneller Pflege gespart wird, gehen Fertigkeiten verloren, die diese Verwirrung beschleunigen und begünsti­gen. Ist in diesem Bereich mehr Personal vorhanden, versucht man, Fähigkeiten und Fer­tig­keiten, die noch vorhanden sind, zu erhalten, zu verbessern und verlorene durch Training, Übung, Zuwendung und Gespräche wiederzugewinnen, so kann man das ver­hindern.

Ich glaube, es ist notwendig, dass dieses Gesetz weiter in Diskussion bleibt, um jene Verbesserungen, die ja schon vorgeschlagen waren – ich zitiere da auch Professor Barta –, in nicht allzu ferner Zukunft auch für die Betroffenen und ihre Angehörigen Wirklichkeit werden zu lassen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.55

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass die Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Unter­suchungsausschuss zur Untersuchung der Vorwürfe gegenüber dem Bundesminister für Finanzen, Mag. Karl-Heinz Grasser, einzusetzen.


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Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.57

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Werter Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Ziel jeder Behindertenpolitik muss es sein, dass behinderte Men­schen integriert und selbstbestimmt leben können. Dazu bedarf es eines Ausbaus von ambulanten Betreuungs- und Assistenzdiensten – wir sind dabei, das abzusichern – und der Unterstützung von Familien.

Ab und zu ist es natürlich auch notwendig, dass jemand in einem Heim untergebracht wird. Dabei muss aber gewährleistet sein, dass die persönlichen Freiräume, die Men­schenwürde und auch die Menschenrechte gesichert sind. (Präsident Dr. Khol über­nimmt wieder den Vorsitz.)

In dem neuen Heimvertragsgesetz werden erstmals Rechte und Pflichten zwischen Heimbewohnern und Heimleitung abgesichert und geregelt, was ich sehr wichtig finde. Gleichzeitig wird auch festgelegt, wie freiheitsbeschränkende Maßnahmen, falls sie notwendig sind, aussehen dürfen. Und es gibt erstmals eine Kontrolle.

Bislang gab es in diesem Bereich eine Grauzone, weil auch Pfleger teilweise per­sön­lich überlastet waren. Diese haben dann zum Beispiel freiheitsbeschränkende Maß­nahmen in Form von Netzbetten, Fesselungen oder Ähnlichem durchgeführt. Das wird nunmehr hoffentlich nicht mehr der Fall sein. Es gibt also eine wirkliche Kontrolle.

Was ich gut und wichtig finde, ist unser Entschließungsantrag, in dem nämlich der Herr Justizminister aufgefordert wird, die Situation und die Entwicklung zu beobachten, zu evaluieren und bis 2006 dem Hohen Haus einen Bericht vorzulegen, damit wir eventuell legistisch nachbessern können, falls es Mängel gibt, was in diesem sensiblen Bereich sehr wichtig ist.

Abschließend möchte ich mich beim Präsidium für die Gebärdendolmetschung dieses Tagesordnungspunktes bedanken. Ich habe darum gebeten, weil es mir wichtig ist, dass Gebärdensprache einerseits gezeigt wird und zum Ausdruck kommt, dass auch wir für die Anerkennung der Gebärdensprache sind, und dass andererseits auch ge­hörlose Menschen wichtige Punkte zum Thema Behinderung mitverfolgen können. (All­gemeiner Beifall.)

Ich möchte mich für die Dolmetschung bedanken (Zwischenruf bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ruhe!) und auch meinen kleinen Gebärdensprachenkurs fortsetzen. Es gibt sehr interessante neue Worte, zum Beispiel Bürgercard. – (Der Redner deutet mit dem Kopf bei jedem genannten Begriff auf das in die Gebärdensprache übersetzte Zei­chen.) Das ist nett, oder? – Oder: Steuerreform. – Auch das Wort „Politik“ ist sehr inter­essant. Es wird hin und her gerangelt. (Heiterkeit.) – Oder: Regierung. Oder: Oppo­sition. Oder: Abgeordneter. Das ist der, der auf den Tisch klopft. (Heiterkeit. – Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Doch, ohne weiteres, die kennen ihn auch schon. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

15.02

 



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46. Sitzung / Seite 102

Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über diesen Tagesordnungspunkt, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfra­ge gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur be­treffend Eskalation der Gewalt und der Sprache im Zuge von Studen­ten­protesten der Linken (1376/J)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1376/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verle­sung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Das Universitätsgesetz 2002 wurde am 23. Jänner 2004 vom Verfassungsgerichtshof bestätigt. Dazu wurden sowohl das Organisations- und Studienrecht als auch die Personalregelungen vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform anerkannt. Insbesondere der Bestellmodus des Universitätsrates – weniger als die Hälfte der Mitglieder werden durch die Bundesregierung bestellt – wurde bestätigt.

Die SPÖ hat in ihrem Antrag insgesamt 57 Bestimmungen beanstandet. Lediglich drei davon wurden als verfassungswidrig eingestuft. Nicht die Leistungsvereinbarung als solche wurde vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig beurteilt, sondern die Regelung der Leistungsvereinbarungen wurde wegen einer fehlenden Rechtsschutz­bestimmung zurückgewiesen.

Somit hat das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes keine Auswirkungen auf die Grundpfeiler des Universitätsgesetzes 2002, auf die Autonomie und die weitere Umsetzung und Entwicklung der Universitäten.

Im Vorfeld der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes kam es zu demo­kratie­politisch bedenklichen Protestaktionen: Am 15. Jänner 2004 wurde der Senatssaal der Universität Wien erstürmt, bei welchen erhebliche Sachschäden angerichtet wurden. Bei einer Veranstaltung der Zukunftswerkstätte der SPÖ ist es zu gewalttätigen Ak­tionen gekommen. Rektor Winckler und Sektionschef Höllinger wurden mit Torten be­wor­fen, Sektionschef Höllinger bekam sogar eine Ohrfeige.

Die grünen Studenten (GRAS) haben sich vom Tortenwurf bis heute nicht distanziert („kreative und gewaltfreie Form des Protests“ – APA Nr. 0454 vom 22.1.2004). Wie auf der Homepage der Hochschülerschaft der Universität Wien ersichtlich, hat die Hörer­versammlung den Aktivisten zu der Aktion sogar gratuliert und jede Distanzierung ab­gelehnt.

Der Protest gegen den Organisationsplan der Universität Wien ist nur ein vermeint­licher, denn in den Aussendungen und Broschüren der Organisatoren werden der „Stopp des Bologna-Prozesses“, die „Verhinderung des Ausverkaufs der Univer­sitäten“, der „Abbau jeglicher Zugangsbeschränkungen und Ausbau der studentischen Mit­bestimmung“, „mehr Geld für Bildung aus der öffentlichen Hand“ und die „Strei­chung des Universitätsgesetzes 2002“ gefordert.

Sehr bedenklich ist auch, dass rund 40 Personen den Zugang zum neuen Gebäude der Wirtschaftsuniversität aufgebrochen und die Inaugurationsfeier gestört haben. Dem


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Vernehmen nach waren die meisten keine Studenten, sondern Donnerstags­demons­tran­ten und Globalisierungsgegner. Außer in Graz – ebenfalls im Rahmen einer Inaugurationsfeier – gab es an den anderen Universitäten keine Proteste.

Dem Vernehmen nach trägt im Kern die Gruppe „Linkswende“ („von Antikapitalismus zur Revolution“, „Stop war, fight capitalism“) zur Radikalisierung der Proteste bei. Es handelt sich dabei um eine marxistische Gruppierung, die gegen Kapitalismus, für die Befreiung der (internationalen) Arbeiterklasse, für die Einführung einer Rätedemo­kratie, gegen jegliche Form von Diskriminierung und für den Aufbau eines sozialis­tischen Pols zum Erreichen einer sozialistischen Gesellschaft eintritt.

Laut den Fotos ihrer Homepage (www.linkswende.org) hat diese Gruppierung an der „Tortung“, der Menschenkette sowie der Hörer/innenversammlung an der Universität Wien, an der Demonstration gegen Bildungsabbau, European Social Forum 2003 in Paris, „Marxismus Kongress 2003 der Linkswende“, European Social Forum 2002 in Florenz, Demonstration „Stoppt den Krieg gegen den Irak“ sowie an „Marxism 2003“ in London teilgenommen.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur nachstehende

Anfrage:

1. Wie ist die studentische Mitsprache im Universitätsgesetz 2002 geregelt?

2. Welche Rechte normiert das UG 2002 für jeden einzelnen Studierenden?

3. Welche Beteiligung der ÖH im Rahmen der offenen Planung bei der Entstehung des UG 2002 gab es?

4. Wie setzt sich nach den letzten ÖH-Wahlen die Exekutive der ÖH auf Bundesebene und an der Universität Wien zusammen?

5. Wie schätzen Sie die beschriebenen Vorkommnisse und die Wortwahl der Be­teiligten ein?

In formeller Hinsicht wird gem. § 93 Abs. 1 GOG verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu behandeln.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Brinek als erster Fra­gestellerin zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort. Ihre Wortmeldung darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.02

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Universitäten stehen zur Diskussion. Sie waren immer ein Ort des Dialogs, der argumentativen Auseinandersetzung, des Austausches von Wissen und von Hypothesen, ein Ort der gemeinsamen Anstrengung bei der Suche nach der bes­seren Wahrheit. Das war unter der korporatistischen Idee der Universität, wie sie etwa zur Zeit Humboldts konstituiert wurde, genauso wie in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hunderts. Unsere jetzige Verfassung basiert im Wesentlichen darauf.

Zur Zeit Humboldts war die Idee der Korporation mit der Idee von der Unabhängigkeit vom Staat, von der Selbstregulierung, von der Autonomie verbunden. Im Wesentlichen greifen wir auf diese guten Ideen zurück. Die Vorgaben kamen von den universitären Organen und von sonst nirgendwo.


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Auch die Idee der interessenspolitisch konfigurierten Universität der Nachkriegszeit war geleitet von Dialog, Kommunikation, Austausch von Argumenten und Diskurs. Weil Sie den Kopf schütteln, meine Damen und Herren von der SPÖ: Die Sozialpartnerschaft wird von manchen Seiten gelobt, und sie hat auch ihre Qualität. Vielleicht war das ein reformbedürftiger Ansatz, denn die ÖH war eine Körperschaft öffentlichen Rechts, sie fungierte wie die Arbeiterkammer als standespolitische Interessenvertretung vis-à-vis eines fiktiven Dienstgebers. Da war es natürlich mit der korporatistischen Idee von der Gemeinschaft der Lehrenden und Forschenden vorbei. Aber diese sozialpartner­schaft­liche Idee des ausgehenden 20. Jahrhunderts war auch nicht Gewalt, nicht Attacke, nicht Widerstand, sondern Kommunikation, Dialog und Austausch von Argumenten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ihr Nicken war wahrscheinlich schon der Hinweis auf die Notwendigkeit einer Reform – einer Reform die allgemein in Europa zu diskutieren begonnen wurde. Schließlich hat sie im breit akklamierten, international gewürdigten Entwurf zum UG 2002 geendet.

Das UG 2002 war die Antwort auf die modernen Herausforderungen unserer Univer­sitäten. Das heißt Autonomie für die Universitäten. Nicht zu Unrecht wurden diese Uni­versitäten oft Ministerialuniversitäten genannt. Stichwort: das berühmte Minoritenplatz­schleichen. Irgendwo wird ein Spitzenbeamter schon noch ein Kästchen haben, in dem Mittel für eine Privatidee sind.

Das mag seine Richtigkeit gehabt haben, aber das Zurückgehen zur Humboldt’schen Idee, der Autonomie der Universitäten, zur Selbstverfassung, war notwendig. Die Uni­versität soll sagen, wie die Binnenorganisation aussieht. Die Universität soll über ihre Organe sich selbst regieren. Das war die hehre Idee! Wir kehrten zurück zu diesen Autonomievorstellungen.

Wir haben im Gesetz die Sicherheit der Übernahme der Mitverantwortung der Stu­dierenden geregelt. Das erfolgt im Senat, in den Organen, die gesetzlich gesichert sind, im selben Maß, im selben Umfang wie in den alten gesetzlichen Bestimmungen.

Das ist gesichert in dem neuen Gesetz, und zwar mit dem Globalbudget, mit der Zu­sam­menführung von Entscheidung und Verantwortung, mit der Autonomie in den Stu­dien­kommissionen, nämlich damit, selbst sagen zu können, welche Studienrichtungen eingerichtet werden, welche Bestimmungen erlassen werden oder nicht. Es sollten die Studierenden zumindest wie bisher, vielleicht auch noch mehr, wenn es der Wunsch der Universität ist, vertreten sein.

Diese neue Universität wurde, wie gesagt, international akklamiert, international be­stätigt. Noch heute hören wir, dass Tony Blair und das Kabinett Schröder sagen: So wie es die Österreicher gemacht haben, so müssen wir auch arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Immer noch und immer wieder und von neuem ist diese neu verfasste Universität vom Gespräch, von der Gesprächsbereitschaft, vom Dialog und nicht von anderen Modi der Auseinadersetzung gekennzeichnet.

Ich will allen danken, die sich bisher an den Universitäten dieser Art der Auseinan­der­setzung verpflichtet gefühlt haben, die diese Art der Kultur der Auseinandersetzung gepflogen und andere Stile der Auseinandersetzung unterlassen haben.

Jetzt komme ich auf den besorgniserregenden Teil des jetzigen Zustandes der Uni­versität Wien, meiner Universität, der größten Universität Österreichs und auf einen sehr konsensbereiten, sehr renommierten Universitätsverantwortlichen, den Vorsitzen­den der Rektorenkonferenz Winckler zu sprechen. Er hat die Gesprächsbereitschaft immer wieder und erneut artikuliert und Termine angeboten. Sie wurde im November des vergangenen Jahres demonstrativ abgelehnt. Die Gesprächseinladung, die Ge-


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sprächsaufforderung wurde ignoriert, das Gesprächsgebot wurde massiv gebrochen, und es wurde der Tisch der Verhandlung verlassen. Statt dessen wurde der Weg der Gewalt gewählt.

Das ist ein wirklich besorgniserregender Zustand, weil er ein absolut schlechtes Licht auf die Studierenden wirft, ausgelöst durch ein paar radikale Demokratieverweigerer, ausgelöst durch jemanden, der wahrscheinlich mit den guten Formen der Auseinan­dersetzung nichts am Hut hat und damit alle Studierenden und die Universität Wien insgesamt in Misskredit bringt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diesen Zustand bedauern wir, diesen Zustand beklagen wir!

Was kann das Motiv für die Ablehnung dieser Gesprächsbereitschaft sein? – Mittler­weile ist der Zustrom zu den Universitäten nicht nur nicht abgerissen, sondern laut den Meldungen in den Tageszeitungen gibt es einen ungebremsten Zustrom zu den Uni­ver­sitäten, was uns sehr freut. Das ist eine indirekte Bestätigung sowohl des Gesetzes als auch insgesamt des eingeschlagenen Weges.

Man kann also eine Steigerung des Zustroms zu den Universitäten feststellen, und die Annahme der Universitäten erfolgt in höchstem Maße. Die Studienbeiträge haben sich etwa auf geschlechtsspezifische Zugangsmotive nicht ausgewirkt. Es gibt also offenbar andere Motive, den Schritt der Gewalt, des aktiven Widerstandes zu gehen und die Universität insgesamt in Misskredit zu bringen.

Ich vermute, man wollte im Vorfeld des zu erwartenden VGH-Urteils die richterliche Ent­scheidung beeinflussen (Abg. Dr. Van der Bellen: Na geh! – Abg. Dr. Grünewald: Das Gegenteil!), das Klima radikalisieren, den Boden für radikale Verhältnisse auf­bereiten, die wiederum den Studierenden der Universität selbst, dem Ansehen der dort Agierenden in höchstem Maße schaden. – Das ist die besorgniserregende Erkenntnis aus dieser Handlung!

Von welcher Handlung spreche ich? – Vom Tatbestand der versuchten Körper­ver­let­zung. (Abg. Mag. Molterer: Richtig! Genau!) Das ist die dann holprig genannte Tor­tung. Ich appelliere zum Beispiel an die Grünen, die oft mit sehr viel Sprachgefühl die Debatte führen wollen. (Abg. Dr. Grünewald: Kommt schon noch!) Was ist denn das für ein verschämtes Davonschwindeln von dieser gewalttätigen Attacke, wenn Sie von „Tortung“ sprechen? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zumindest die GRAS, die Grün-Alternative Studentenvertretung, hat sich von dieser Attacke nicht distanziert. (Abg. Dr. Grünewald: Ich mag keine Konditorei!) Bei „Tor­tung“ heißt dann die neue Spracheinführung: ich torte, du tortest, ich torte. Es wäre in­ter­essant zu wissen, was dazu Professor Schmidt-Dengler sagt, der an anderer Stelle sagte, das Gesetz würde autoritäre Züge tragen. – Darüber können wir uns auch noch unterhalten.

Ich sage: Das ist ein Sprachverfall, ein Kulturverfall, ein Wissenschaftsverfall und ein Verfall auf breitester Linie, der mit einem Akt der Gewalt eingeleitet wurde. Man griff zum Akt der Gewalt, einem Schlag ins Gesicht, weil die Argumente versagt haben. Das ist eine Rückkehr zu mittelalterlichen Methoden – aber nicht zu universitären mittel­alterlichen Methoden, dort hat das Argument, dort hat die Auseinandersetzung regiert.

Es kam zu einer enormen Sachbeschädigung. Sachschäden in der Höhe von 12 000 € sind an der Universität Wien angerichtet worden. Natürlich, jetzt kann man sich leicht­fertig über die Versicherungen abputzen, aber wer sind denn wieder die Leidtragenden bei diesen Dingen?

Es kam zu einer Besetzung der Universität Wien, weil man scheute, sich der argumen­tativen Auseinandersetzung zu stellen. (Abg. Mag. Molterer: Das ist die rot-grüne ÖH!)


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Das ist die rot-grüne ÖH der Universität Wien. Bis heute ist die ÖH-Vertretung der Universität Wien diese Distanzierung schuldig geblieben. Vielleicht können Sie, Herr Kollege Grünewald, das für die Grünen heute tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die VSStÖ hat sich zumindest in Teilen – man kann es so interpretieren – distanziert.

Dass sich die ÖH-Vertretung der Universität Wien davon nicht distanziert, ist umso problematischer, als die ÖH-Vorsitzende Patrice Fuchs auch noch uns alle hier zu Gewalttätern gestempelt hat.

Ich zitiere aus einem Artikel im „Standard“ vom 22. Jänner, laut welchem Patrice Fuchs, die „durchaus Sympathien“ für die Gewaltaktionen an der Universität zeigt – ich denke an die VSStÖ-Veranstaltung, wofür der kleinere Saal mit den schlechteren Sicherheitsmaßnahmen gewählt wurde und nicht der größere Saal, der mehr Diskussion zugelassen hätte, wie es Rektor Winckler Stunden davor vorgeschlagen hatte (Abg. Mag. Molterer: Ah, so schaut es aus!) –, sinngemäß sagte, man müsse doch sehen, dass mit dem Uni-Gesetz gesetzliche Gewalt angewendet worden sei. (Abg. Dr. Stummvoll: Unglaublich! Was ist das für ein Demokratieverständnis?!)

Meine Damen und Herren! Wir alle hier werden zu gesetzlichen Gewalttätern gestem­pelt! Lassen Sie sich das einmal auf der Zunge zergehen!

Meine Damen und Herren von der Opposition, distanzieren Sie sich von der Vorsitzen­den der ÖH-Vertretung der Universität Wien! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen.)

Ich muss die Studierenden insgesamt in Schutz nehmen. Dahinter stehen nicht alle Stu­dierenden, dahinter stehen nicht alle Teile der Vertretung der Österreichischen Hochschülerschaft, sondern da agieren linksradikale Gruppen, die ihre Motive in ihrer Homepage nicht einmal verbergen, sondern sogar auch noch offen legen.

Wir sind gegen eine Form von Demokratie, wo wir alle hier gesetzliche Gewalttäter sind. Es wäre interessant, in welchem politikwissenschaftlichen Seminar das aufgear­beitet werden wird. Ich bin froh darüber, dass es dazu ein Protokoll gibt, und damit hat man dann die Möglichkeit, darüber zu reden.

Diese linken radikalen Studenten und Studierenden-Vertreter wollen das Ende der De­mokratie. Sie wollen das Ende der Mehrheitsdemokratie, so wie dieses Gremium hier verfasst ist, sie wollen eine Rätedemokratie.

Was heißt denn das, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Wir fallen zurück in die Zeit der Oligarchen. Da bin ich bei Bertolt Brecht: Wer ernennt die Räte? (Abg. Dr. Grünewald: Hofräte!) Wer kontrolliert die Räte? Wie kommen Sie denn zu dem Rat, der dann die Universitätsanliegen vertritt? (Abg. Dr. Grünewald: Hofrat!) Sind das die Freunde des Herrn Klubvorsitzenden Gusenbauer und die Freunde des Wissen­schaftssprechers Grünewald, die dann sozusagen eine direkte Verbindung zur Links­wende haben? Oder: Wie werden denn diese Räte generiert? – Lesen Sie nach auf der Homepage!

Meine Damen und Herren! Distanzieren Sie sich von den gewalttätigen Attacken dieser Studierenden-Vertreter, die im Namen der Studierenden insgesamt sprechen! (Abg. Dr. Grünewald: Ist das ein Befehl?) – Eine Einladung. Mit Befehlen agiere ich nicht, auch nicht mit anderen Formen der Gewalttätigkeit. – Distanzieren Sie sich und nehmen Sie Stellung! Sagen Sie, ob auch Sie ein Gewalttäter sind, wie Patrice Fuchs Sie mit bezeichnet hat!

Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei – ich weiß es auch von den Freiheitlichen, und ich denke, dass auch in den Rängen der SPÖ einige sitzen – will


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mit dieser Art von Gewalt nichts am Hut haben. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Ich will das hier geklärt haben, meine Damen und Herren! Ich will sehen, wie Sie dazu stehen. Ich will hören, welche Stellung Sie dazu beziehen. Ich möchte wissen, welches Demokratieverständnis Sie haben, meine Damen und Herren!

Ich weiß auch aus eigener Anschauung, dass es diesen Studierenden-Vertretungs­gruppen niemals um den Organisationsplan der Universität Wien gegangen ist, son­dern das Ganze ist gegen die Regierung gegangen, es ist gegen den Bologna-Prozess gegangen. (Abg. Dr. Grünewald: Das ist auch viel wichtiger!)

Meine Damen und Herren! Ich war noch zu Zeiten eines Bundesministers Einem hier im Parlament, und da haben wir doch mit Kollegem Niederwieser den Bologna-Prozess und die Dreigliedrigkeit der Studien beschlossen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nieder­wieser.)

Herr Kollege Niederwieser, distanzierst du dich jetzt auch von diesen Vorhaben und von dieser Position? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.) Dann wirke doch bitte ein auf die radikalen Gruppen, darauf, dass sie nicht gegen den Bologna-Prozess auftreten, gegen eine Weiterentwicklung der Universität, gegen eine Weiter­entwicklung des Wissenschaftssystems! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Fallen Sie doch nicht zurück in eine Zeit, die in den fünfziger Jahren oder in den vierziger Jahren liegt, wenn ganz Europa sich gemeinsam auf den Weg macht, die Studien zu internationalisieren, größere Vergleichbarkeit her­zustellen, den Austausch zu fördern, das Wählen von Orten, an welchen man studiert, zu ermöglichen!

Nein, Sie wollen einen österreichischen links-grünen Alleingang, der offenbar ein Ab­schied­nehmen ist sogar von jenen Punkten, die wir gemeinsam mit der SPÖ be­schlossen haben. Stichwort: Bologna-Prozess.

Bedauerlich finde ich auch, dass diese Gruppen die Durchführung einer Inaugurations­feier – nicht nur in Graz, sondern auch an der Wirtschaftsuniversität – behindert haben. Die Wirtschaftsuniversitätsfeier ist gestört worden durch einen Einbruch über die Hintertür mit einem auf seltsame Weise in die Hände der ÖH gekommenen Schlüssel. Das Schloss wurde aufgebrochen (Abg. Dr. Grünewald: Mit dem Schlüssel wurde das Schloss aufgebrochen?!), und man ist in die Veranstaltung eingedrungen. Ich weiß das, denn ich war dabei. Eine souveräne Aktion des Rektors hat ihnen die Möglichkeit gegeben, zu sagen, was sie wollen. Ich konnte mit eigenen Ohren hören, was dort ge­sagt wurde: Es hat sich der Sprecher mehr oder weniger als Donnerstags­de­monstran­tenführer deklariert. (Abg. Mag. Molterer: Darum geht es! Ah, so was!) Er hat gesagt: Mit studentischer Politik habe ich überhaupt nichts am Hut! – Das hat er gesagt. Es gibt dafür Zeugen, einen Saal voller Leute.

Er hat weiters gesagt: Ich bin gegen Schwarz-Blau! Ich bin gegen die Entwicklung, die die Welt überhaupt nimmt! Ich bin gegen die Globalisierung! Ich bin solidarisch mit den ÖBB, weil dort gerade 12 000 Leute entlassen werden!

Ich habe gedacht, ich höre schlecht. Erstens: Woher weiß dieser selbsternannte Stu­dentenredner, dass 12 000 Leute entlassen werden? (Abg. Silhavy: Weil ihr das verkündet!) – Nein! Weil Sie nicht aufgepasst haben, können Sie jetzt der Debatte nicht folgen.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Problem des Missbrauchs der studentischen Agitation für regierungskritische Studenten, für außerparlamentarische und die Studen­ten betreffende Themen und der Auftrittsmöglichkeiten und ein Missbrauch der studen-


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tischen Funktion. Das bedauere ich aufs Massivste, und das ist in hohem Maße besorgniserregend. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch einmal die Einladung: Ich habe auf keiner Homepage, auf keiner Aussendung, nirgendwo eine Distanzierung der Grünen oder der GRAS gefunden, und ich halte diese Distanzierung für demokratiepolitisch höchst notwendig. Warum? – Weil ich in Sor­ge bin angesichts der Art und Weise, wie etwa auch einige Vertreter der SPÖ mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs umgegangen sind.

Ich darf in Erinnerung rufen: Man hat, wie gesagt, offenbar in Erwartung eines drama­tischen Urteils noch ein bisschen Emotion hineinbringen wollen und eine Veranstaltung organisiert und sich partiell betroffen gezeigt. Man hat natürlich nicht damit gerechnet, dass von den 57 Punkten uns drei Punkte wegen der Form zur Revision überantwortet wurden – nicht einmal mit Auflage einer Frist. Die wesentlichen 54 Punkte wurden vom VGH zur Kenntnis genommen, abgesegnet, für gut befunden. In 54 Punkten haben wir das Hakerl gekriegt, haben wir für unsere Arbeit die Bestnote bekommen. Das ist Ihnen natürlich nicht willkommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Cap hat über die Aussendung gleich gesagt: Juhu, jetzt können wir zurück zum Anfang kommen! (Abg. Dr. Grünewald: Wir sind schon am Anfang!) – Wie kommen Sie auf diese Idee, Herr Kollege Cap? Aus dem Urteil lesen Sie das nicht heraus! Das ist selektive Wahrnehmung, Herr Kollege Cap. So kann man nicht politisch arbeiten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Also: In 54 Punkten bestätigt – eine gute Arbeit der Frau Ministerin und der Spitzen­beamten im Ministerium! Ich bedanke mich noch einmal dafür. Eine gute Arbeit der Koalition, die sich dieser Mühsal der Diskussion über einen zweijährigen Prozess ge­wid­met und gestellt hat und dann ein gutes Ergebnis erreicht hat. Ich verweise noch einmal auf die Unterstützungen, auf den Applaus von auswärts.

Meine Damen und Herren! 57 Bestimmungen – 54 sind geblieben. (Abg. Dr. Cap: Was wollen Sie uns sagen?) Es wird kleinere Reparaturen geben, aber das Universitäts­gesetz ist einschließlich Mitbestimmung, einschließlich Mitwirkung der Studierenden zur Kenntnis genommen und bestätigt worden. (Abg. Dr. Cap: Was ist die Botschaft Ihrer Rede?)

Übrigens – ich bin da bei Professor Mayer; ich orientiere mich gerne an einem Urteil eines Universitätsprofessors –: Hören Sie auf, sagt Professor Mayer, im Zusammen­hang mit studentischer Mitbestimmung von demokratisch zu reden, denn Demokratie heißt Volksherrschaft, und die Universitäten vertreten ihre Interessen im Zuge einer In­ter­essenvertretung. – Volksherrschaft an den Universitäten oder Räteherrschaft lin­ker Prägung, das wollen wir nicht! (Abg. Dr. Cap: Ja, aber was wollen Sie uns sagen?)

Meine Damen und Herren! Ich bin auch ein wenig bestürzt darüber, dass ein anderer Professor, nämlich Schmidt-Dengler, von autoritären Prinzipien spricht. Ich habe mit ihm eine dialogische briefliche Auseinandersetzung gehabt, weil er einmal auch schon im Zusammenhang mit dem Hearing an den Universitäten von autoritären Zügen mancher Personen gesprochen hat, die ihm nicht nach dem Mund geredet haben. Aus­halten von anderen Meinungen – das ist unser Prinzip! (Abg. Dr. Cap: Was ist jetzt der Sinn dieser Rede?)

Meine Damen und Herren! Die Universität war immer ein Ort des Dialogs, der Aus­einandersetzung, der argumentativen Reibung. Wir wollen niemals ein Ort der radi­kalen, gewalttätigen Aktion, des gewalttätigen Widerstandes sein. Meine Damen und Herren! (Die Rednerin weist ein Plakat vor, auf dem es unter anderem heißt: „Vor­wärts zum Start – Smash den Orgplan“.) Homepage-Seiten, die Faust gegen den Rektor, Gewalt gegen den Rektor – das ist nicht meine Universität, das ist nicht unsere


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Universität! Die ÖH Wien distanziert sich nicht von diesem Flugblatt, distanziert sich nicht von dieser Darstellung. Meine Universität, unsere Universität ist eine des Dialogs und der Auseinandersetzung, und so lange wir etwas zu sagen haben, soll sie das auch bleiben. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Frau Bun­desministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Gehrer zu Wort gemeldet. Ihre Re­dezeit, Frau Bundesministerin, sollte 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.23

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Während des Debattenbeitrages der Abgeordneten Brinek wurde die Frage gestellt: Was ist die Botschaft? – Ich möchte Ihnen gerne Nach­hilfe­unterricht geben und sagen, was die Botschaft ist. (Abg. Dr. Jarolim: Wir bitten darum! Sie sind profund genug!)

Die Botschaft ist, dass wir hier im Hohen Haus ein gutes Universitätsgesetz 2002 be­schlossen haben, das die Grundlage für die größte Universitätsreform, die es jemals in Österreich gegeben hat, bildet, was international anerkannt wird. (Abg. Dr. Jarolim: Mit Gelächter wird das international ...!)

Die zweite Botschaft ist, dass wir damit für die Universitäten gute Rahmenbedingungen geschaffen haben, mit denen sie große Chancen im Bereich der Lehre und Forschung haben.

Die dritte Botschaft ist, dass dieses Gesetz verfassungskonform ist. 54 Bestimmungen, die von Ihnen angefochten wurden, wurden klar bestätigt. Der Universitätsrat, die Be­stellung des Universitätsrates, der Senat, das Rektorat, die Zusammenarbeit, der eige­ne Organisationsplan, all die Fragen des Studienrechtes – alles wurde klar bestätigt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Entscheidung gibt der Universität die Sicherheit, zielgerichtet das neue Univer­sitätsgesetz umzusetzen. Und ich möchte mich hier aufrichtig bedanken: Die Univer­sitäten arbeiten hervorragend. 139 Universitätsräte wurden bestellt, 21 Rektoren wur­den bestellt, alle Vizerektoren wurden bestellt, die Senate wurden eingerichtet, flächen­deckend wurden von den Universitätsangehörigen das SAP-System zur Umstellung der Haushaltsverrechnung eingeführt. – Ein großes Dankeschön an alle, die so enga­giert arbeiten!

Nun zum Budget, das immer wieder bemängelt wird. – Den Universitäten stehen 2004 tatsächlich 6 Prozent mehr zur Verfügung als 2003. Dazu erhalten sie Extragelder für Forschungsinfrastruktur, für Vorziehprofessuren, für notwendige Baumaßnahmen, für Sonderlehrveranstaltungen, für Forschungsstipendien, und sie erhalten bedeutend mehr Geld aus der Forschungsoffensive der österreichischen Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dass die Verhältnisse an den Universitäten gut sind, zeigt sich daran, dass wir einen Rekord an Studierenden haben, mehr Studienanfänger als je zuvor – 31 950 –, und die Gesamtzahl der Studierenden ist um 3 Prozent gestiegen. Das heißt, wer in Österreich studieren will, wer dazu die Fähigkeiten hat, kann auch studieren, denn unser Stipen­diensystem ist so ausgeprägt, dass diejenigen, die es brauchen, eine Unterstützung bekommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu den einzelnen Fragen.


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Zur Frage 1: „Wie ist die studentische Mitsprache im Universitätsgesetz 2002 gere­gelt?“

Ich meine, es ist nicht mehr zeitgemäß, dass man an Universitäten 100, 200, 280 Gre­mien hat, in denen beraten wird, sondern es soll klare Kompetenzen und qualitative Mit­sprache geben – eine qualitative Mitsprache, die den Erfordernissen des 21. Jahr­hun­derts entspricht. Die Mitsprache der Studierenden, die wir im Universitätsgesetz ver­ankert haben, sieht wie folgt aus:

Eine Mitsprache als Partner der Universitäten, bei den leitenden Grundsätzen für die Universitäten und bei der Erfüllung ihrer Aufgabe ist im Universitätsgesetz verankert. Im Senat, dem Leitungsgremium der Universität, sind die Studierenden wie bisher – und ich bitte, das wirklich einmal zur Kenntnis zu nehmen! –, wie früher, wie beim UG 93, mit 25 Prozent der Senatsmitglieder vertreten. In den Kollegialorganen zur Erlassung der Studienpläne stellen die Studierenden ebenfalls mindestens ein Viertel der Mitglieder. Die Studierendenvertreter sind in Berufungs- und Habilitationskom­mis­sionen vertreten. Die Lehrveranstaltungen werden evaluiert, und die Universität hat die Verpflichtung, die Beurteilung der Lehrveranstaltungen durch die Studierenden in ihre weiteren Planungen mit einfließen zu lassen, also auch Reaktionen zu setzen auf die Beurteilung der Lehrveranstaltungen.

Die Studierenden sind berechtigt, zum ersten Mal über die Verwendung der Studien­beiträge an ihren Universitäten mit zu entscheiden.

Weitere Verbesserungen, die wir vorgenommen haben, sind: Verbesserungen im Stipendiensystem, für berufstätige Studierende, für Studierende mit Kinderbetreuungs­ver­pflichtungen. Seit 1. Jänner 2004 können Studierende ihre Studienbeiträge, egal, was sie studieren, zum ersten Mal durch die erste Etappe der Steuerreform ab­setzen. – Wir haben also zahlreiche Verbesserungen für die Studierenden vorgenom­men. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 2: „Welche Rechte normiert das UG 2002 für jeden einzelnen Studieren­den?“ 

Jeder Studierende hat das gesetzlich garantierte Recht auf vier Prüfungsantritte. Jeder Studierende hat das gesetzlich garantierte Recht auf drei Prüfungstermine pro Semester. Eine negative Beurteilung der letzten Prüfungswiederholung führt nicht zu einem dauernden Ausschluss vom Studium. Der Rechtsschutz bei Prüfungen ist im Uni­versitätsgesetz 2002 weiterhin voll garantiert.

Diese Regelungen entsprechen dem Universitäts-Organisationsgesetz 1993 und wur­den auf Verlangen der Studierendenvertreter weiterhin in das Universitätsgesetz 2002 aufgenommen.

Zur Frage 3: „Welche Beteiligung der ÖH im Rahmen der offenen Planung bei der Entstehung des UG 2002 gab es?“

Wir haben nach der Methode der offenen Planung gearbeitet. Wir haben eine Univer­sitätsplattform eingerichtet. Diese Universitätsplattform hat sieben Mal getagt. Von den sieben Malen waren am Anfang, bevor die ÖH-Wahl stattgefunden hat, die Studieren­den­vertreter regelmäßig dabei. Damals hatte die AG den Vorsitz, war die Exekutive. Als in der Folge die rot-grüne Mehrheit die Exekutive übernommen hat, sind die Stu­dierendenvertreter nur noch zu zwei von vier Plattformen gekommen und haben dort nichts eingebracht.

Wir haben uns dann sehr bemüht, mit den Studierenden weiter ins Gespräch zu kom­men, haben weitere Veranstaltungen gemacht und Gespräche geführt. Und wir haben auch die Hauptforderung der Studierendenvertreter berücksichtigt: Das waren die


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Mitbestimmung in Studienfragen – berücksichtigt; die Evaluierung mit Konsequenzen – berücksichtigt; drei Prüfungstermine pro Semester – berücksichtigt; vier gesetzlich garantierte Prüfungsantritte – berücksichtigt; Rechtssicherheit bei Prüfungen – eben­falls berücksichtigt.

Wir haben also die Forderungen der Studierendenvertreter aufgenommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 4: „Wie setzt sich nach den letzten ÖH-Wahlen die Exekutive der ÖH auf Bun­desebene und an der Universität Wien zusammen?“

Das Ergebnis der Hochschülerschaftswahlen im Mai ist Folgendes (Abg. Brosz: Ist das Gegenstand der Vollziehung?):

Wahlberechtigt waren 184 498, gültige Stimmen 53 792, Wahlbeteiligung 29,9 Prozent.

Die Exekutive der ÖH auf Bundesebene setzt sich zusammen aus: Grüne Alternative Studierende – 14 Mandate, Verband Sozialistischer StudentInnen Österreichs – zehn Mandate.

Das Ergebnis der ÖH-Wahl an der Universität Wien lautet: Die Universitätsvertretung setzt sich zusammen aus: Grüne Alternative Studierende – neun Mandate, Verband Sozialistischer StudentInnen – sechs Mandate, Kommunistischer Studentenverband – zwei Mandate.

Zur letzten Frage, zur Frage 5: „Wie schätzen Sie die beschriebenen Vorkommnisse und die Wortwahl der Beteiligten ein?“ (Abg. Brosz: Ist das Gegenstand der Voll­ziehung?)

Rektor Winckler hat immer das Gespräch mit den Studierendenvertretern gesucht. Diese Gesprächsbereitschaft hat er auch nach der Besetzung des Rektorates, des Senats­saals und der Tortenattacke bei der Veranstaltung der Zukunftswerkstatt der SPÖ erneuert. Dies zeigt die zutiefst demokratische Grundhaltung des Rektors. Leider hat die ÖH diese Gesprächsbereitschaft bisher nicht erwidert. Ich habe heute von Herrn Rektor Winckler erfahren, dass heute Nachmittag eine Sitzung, eine Be­sprechung des Senats mit dem Rektorat und den Studierendenvertretern angesetzt war. Der Studierendenvertreter hat wieder abgesagt und wird nicht zu dieser Be­sprechung kommen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist unglaublich! Die wollen nur Kra­wall!)

Es ist wichtig – und das meine ich allen Ernstes –, dass gerade an den Universitäten die Argumente zählen und dass wir wieder zu einem konstruktiven und der Universität würdigen Dialog finden. Und es ist bedauerlich, dass eine kleine Gruppe – ich habe versucht, es auszurechnen: etwa 0,02 Prozent der Studierenden – in der Öffentlichkeit ein derartig schiefes Licht auf unsere Universität und auf unsere Studierenden wirft. Reden heißt auch zuhören und die Argumente anderer abwägen. Ich rufe alle, denen unsere Universitäten, denen unsere Studierenden wirklich am Herzen liegen, zu einem akademischen Dialog auf, zu einem Dialog, der den akademischen Voraussetzungen einer Universität auch entspricht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.33

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Sie wünscht 8 Minuten Rede­zeit. – Bitte.

 


15.33

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Frau Minister! Hohes Haus! Seit dem Jahr 2000 steht im Regierungsprogramm,


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dass die Uni-Reform durchgeführt und umgesetzt wird. Es sind die gesamten Pläne also schon seit dem Jahr 2000 bekannt.

Im Jahre 2001 ist dann viel diskutiert worden – so wie auch heute. Im Jahr 2002 ging die Reform durch den Ministerrat, und es ist sehr vieles, was an Kritik gekommen war, mit eingeflossen. Im Juli 2002 wurde das Gesetz im Nationalrat beschlossen. Im Jahr 2003 begann die Umsetzungsphase, angefangen mit der Rektorswahl und der Umstrukturierung der Universitäten, und zu Beginn dieses Jahres tritt das Univer­sitäts­gesetz in Kraft.

Wir haben in den letzten Tagen gelesen, dass der Verfassungsgerichtshof die Ver­fas­sungskonformität dieses Gesetzes bestätigt. Uns freut natürlich sehr, dass die Uni­versitätsorganisation so, wie sie beschlossen wurde, mit den Universitätsräten, auf­recht bleibt und verfassungskonform ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Insofern sind die Proteste einfach zu spät, und wer zu spät kommt, den bestraft nun einmal das Leben. Die Proteste sind fehl am Platz, und die Proteste, die derzeit statt­finden, sind einfach die falsche Wahl der Mittel. (Abg. Mag. Posch: War das ein Origi­nalzitat von Ihnen?) – Das ist von mir, ja, Herr Kollege. Es ist die falsche Wahl der Mittel. Es ist Ihnen vielleicht entgangen, was da auf der Universität vor sich gegangen ist.

Sie wollen auch gar nicht darüber reden, scheint mir, denn wenn ich Aussendungen lese, in denen es heißt, man wolle seitens der Regierung ablenken, muss ich sagen: Sie wollen nicht über die wirklichen Probleme reden, die es auf den Universitäten gibt. Sie wollen auch nicht über die Steuerreform reden. Das haben wir heute in der Früh schon erlebt, ebenso gestern den ganzen Tag über. Sie weigern sich nämlich, hier wirklich zu diskutieren. Sie reden lieber über Internetseiten, die nicht am Programm stehen, und weigern sich, über die Steuerreform zu reden, denn Sie haben keine Kon­zepte. Das ist der Punkt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie wollen auch nicht darüber reden, damit Sie Ihre Konzeptlosigkeit überspielen, da­mit Sie Ihren Zickzackkurs überspielen und vertuschen. (Abg. Dr. Jarolim: Der Unter­haltungswert ...!) – Es ist schön, dass es Sie unterhält. Nur: Das ist die Wahrheit, und das ist das Traurige daran. Deshalb kann man auch nicht darüber lachen.

Sie wollen die Regierung, wo Sie nur können, mies machen, ohne wirkliche Argumente zu haben, denn – ich komme noch einmal auf die Steuerreform zu sprechen – am 20. Oktober hatten Sie all das gefordert, was die Regierung dann auch gemacht hat – und heute sind Sie wieder dagegen!

Das Gleiche ist auch bei den Universitäten der Fall. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ach so?) – Ja, denn Sie wollen auch wieder nicht darüber reden! Sie wollen nicht darüber reden, was Ihre Vorfeldorganisationen hier machen. Das ist das, worüber Sie nicht reden wollen. Sie wollen nicht über Gewalt auf der Universität reden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ich würd’ mich fürchten!) – Ja, Sie sollten sich fürchten, wenn Sie der Rektor dort wären! Zum Glück sind Sie es nicht, aber wenn Sie es wären, dann hätten Sie sich zu fürchten vor solch radikalen Studenten, die Sie von Ihrer Vorfeldorganisation ein­gela­den haben.

Das ist der echte Skandal, den es da gab und über den Sie eben nicht reden wollen. (Abg. Mag. Kogler: Tun Sie sich wenigstens ein bisschen empören! – Heiterkeit bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich verstehe schon, dass Ihnen dieses Thema unangenehm ist, denn bei all den Protesten, die hier stattfinden, werte Kollegen und Kolleginnen der Oppositionsparteien, sind nun einmal Ihre Studentenvertreter federführend. Das ist die dunkelrot-grüne ÖH, die auch die fleißigen Studenten in Gei­selhaft nimmt; das muss man schon auch einmal sagen, denn die fleißigen Studenten


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haben keine Zeit für diese Proteste. Und Sie setzen das auch gegen den Willen der Stu­dierenden um.

Ich muss aber auch eines sagen: Der Rektor hat natürlich keinen Freibrief, zu machen, was er will. Er ist gefordert, auch auf die Studenten einzugehen und ihre Interessen zu berücksichtigen. – Aber er tut das ja auch!

Wenn es dann durch gewaltsames Aufbrechen der Türen zu einer Besetzung des Rek­torats kommt, dann wissen wir ja schon, was geplant ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Mit Schlüssel, wie wir gehört haben!)

Nicht mit Schlüssel! Es wurden versperrte Türen gewaltsam aufgebrochen! Das ist ein Unterschied, und darüber braucht man nicht zu lachen, denn das ist Gewalt, die da auf der Uni stattgefunden hat.

Das war quasi nur die Spitze des Eisbergs, denn dann folgte der Tortenwurf, über den man sich jetzt auch noch lustig macht! Es bleibt jedem selber überlassen, ob er es lustig findet, sich gegenseitig mit Torten zu bewerfen. Das sei jedem unbenommen – wenn man es freiwillig macht. Das ist etwas anderes, als es bei jemandem zu tun, der sich zur Verfügung gestellt hat, um zu reden, um einen Gedankenaustausch durch­zu­führen. Aber das wurde nicht einmal in Anspruch genommen, man hörte sich nicht einmal seine Meinung an! (Abg. Mag. Kogler: Ist das eine Konditor-Anfrage?)

Sie müssen sich das hier eben anhören, auch wenn Sie es vielleicht nicht wollen, aber es ist wirklich erschütternd und traurig, dass es auf der Uni so weit kommt, dass man sich nicht mehr die Meinung der anderen anhört, sondern das unterbindet, indem man mit Torten wirft.

Und nicht nur das: Es ging so weit, dass einer der Anwesenden sogar eine Ohrfeige be­kommen hat, nämlich Herr Sektionschef Höllinger. Und dann finden Sie es skan­dalös, dass die Frau Minister sagt, dass es an der Zeit wäre, sich davon zu distan­zieren?! Da gab es dann Aussendungen, in denen es hieß, dass Sie es auch noch skandalös fanden, dass Sie hier aufgefordert wurden, sich von Tortenwerfen und Ohr­feigen, also von Gewalt zu distanzieren.

Ich hätte mir wirklich erwartet, dass Sie sich von diesen skandalösen Vorfällen distan­zieren und sich auch dafür entschuldigen, denn das hat stattgefunden bei einer Dis­kus­sionsveranstaltung Ihrer SPÖ-Zukunftswerkstätte. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen: Es war Ihre Zukunfts­werkstätte, wo diese gewaltsame Auseinandersetzung stattgefunden hat. Und ich sa­ge: Für Gewaltbereitschaft darf kein Platz auf den Universitäten sein, aber auch nicht in Ihrer Zukunftswerkstätte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Vorgestern, gestern, heute sind es Torten und Ohrfeigen – was folgt morgen? Werden dann Steine geworfen? Das ist das, was niemand will! Nur der, dem die Argumente fehlen, greift zu Gewalt, und das ist genau das, was hier passiert ist.

Wir finden, es ist einfach schade, dass das gute Gesetz, das gemacht worden ist und das genug Möglichkeiten geboten hat, seine Gedanken einzubringen und mitzu­gestal­ten, jetzt durch Vorfeldorganisationen, durch dunkelrot-grüne ÖHs schlecht gemacht wird, denn wir wollen eine moderne Universität, eine wettbewerbsfähige Universität, die sich auch international sehen lassen kann. Aber: Welche Uni kann sich sehen lassen, wenn dort mit Gewalt, mit Torten und Ohrfeigen Meinungsverschiedenheiten und Dis­kussionen ausgetragen werden?

Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ und den Grünen! Distanzieren Sie sich von diesen Vorgängen auf der Universität, distanzieren Sie sich von dieser Gewalt und ge-


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stalten Sie auch einmal ein gutes Gesetz mit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.41

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. 8 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


15.41

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich sehr froh darüber, dass meine Kolleginnen Dr. Brinek und Dr. Bleckmann heute diese Dringliche Anfrage eingebracht haben, und das ganz einfach deshalb, weil Aktionen, wie sie an der Universität Wien stattgefunden haben, tatsächlich einer Debatte hier im Hohen Haus bedürfen und es auch notwendig ist, darüber sehr offen zu reden, denn das Universitätsgesetz 2002 ist ein gutes Gesetz, ist ein Gesetz, das auch der Ver­fassungsgerichtshof für ein gutes Gesetz hält. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Es ist, meine Damen und Herren, darüber hinaus auch ein Gesetz, das sehr lange dis­kutiert und vorbereitet worden ist. Meine Kollegin Frau Abgeordnete Brinek und die Frau Bundesministerin haben auf den Prozessverlauf verwiesen. Es gab einen sehr langen Diskussionsprozess, einen Prozess der offenen Planung, eine Einladung an alle, sich daran zu beteiligen, und selbstverständlich auch eine Einladung an die Öster­reichische Hochschülerschaft und ihre Gliederungen, sich an der Gesetzwerdung zu beteiligen. Es gab einen offenen Dialog, und es gab eine Einladung zu diesem Dialog.

Aber irgendwann, meine Damen und Herren – und das war eben im Jahr 2002 –, muss dann auch entschieden werden. Das Parlament hat dieses Gesetz mit Mehrheit be­schlossen, und der Gesetzgeber in diesem Land ist immer noch dieses Haus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist eigentlich schon befremdlich, wenn die Österreichische Hochschülerschaft Wien, also eine öffentlich-rechtliche Körperschaft – eine öffentlich-rechtliche Körperschaft! –, dieses Gesetz auf ihrer eigenen Homepage ablehnt, nämlich ablehnt in folgender Art und Weise – ich möchte das ganz gerne zitieren –:

Nein zum Organisationsplan!

Hintergrundinfos:

Die HörerInnenversammlung vom 21.1.2004 gratuliert den AktivistInnen zu ihrer Störungsaktion gegen Sektionschef Höllinger und Rektor Winckler bei der Uni-Veran­staltung am 20.1.2004.“

Dann wird es noch besser:

Ebenso lehnen wir jede Distanzierung von der Tortenaktion gegen Höllinger und Winckler ab.“

Weit sind wir gekommen, meine Damen und Herren, wenn die öffentlich-rechtliche Kör­perschaft ÖH Wien gewalttätige Aktionen, die nach dem Strafgesetzbuch zu ahnden sind, auch noch rechtfertigt und verteidigt! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen. – Abg. Mag. Molterer: Die ist doch rot-grün, die ÖH, oder?)

Bei jedem Verständnis für eine engagierte Interessenvertretung, meine Damen und Herren, ich muss schon sagen, es wird dann ganz lustig, wenn auch Vertreter dieses Hauses diese Aktionen verteidigen (Abg. Dr. Trinkl: Was? Nein!?), und wenn das dann noch der Wissenschaftssprecher der Grünen ist, dann wird es besonders interessant, ich darf sagen, sogar pikant.


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Ich darf zitieren, Herr Professor Grünewald:

„Distanzierungsaufforderung von Gehrer skandalös

Grünewald: ÖVP sinkt wieder einmal auf tiefes politisches Niveau

Es ist höchst skandalös,“ – sagen Sie, Herr Dr. Grünewald – „wenn Ministerin Gehrer die Grünen auffordert, sich vom gestrigen Tortenwurf und der Ohrfeige zu distan­zie­ren.“

Herr Professor, wissen Sie, was skandalös ist? – Dass Sie aufgefordert werden müs­sen und es bis heute nicht getan haben. Das ist der eigentliche Skandal! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Brosz: Haben Sie sich distanziert davon? – Abg. Dr. Grünewald: Distanzieren Sie sich einmal!)

Sagen Sie bitte nicht, Sie hätten mit diesen ganzen Aktionen nichts zu tun! Sie prä­sentieren sich hier ja ganz gerne als die Partei des Dialogs und der Offenheit, als die Vertreter der offenen Gesellschaft, der Demokratie, der Basisdemokratie und Ähnliches mehr, und Ihre Vorfeldorganisation, nämlich die grünen Studenten, sagt, es sei genug der Distanzierungen – es hat im Übrigen noch gar keine gegeben –, und bezeichnet diese Aktion – eine Aktion, die nach dem Strafgesetzbuch eindeutig zu ahnden ist, teil­weise mit Offizialdelikt zu ahnden ist, also von der Staatsanwaltschaft von sich aus zu verfolgen ist – als eine „kreative und gewaltfreie Form des Protests“. – So viel zu den grünen Studentenvertreterinnen und Studentenvertretern.

Meine Damen und Herren! Es ist sehr bedenklich, wenn eine öffentlich-rechtliche Kör­perschaft, wie die ÖH der Universität Wien eine ist, von einer „harmlosen Tortung“ spricht. Ich darf Ihnen sagen, dass es hier eine Reihe von Delikten gibt, die nach dem Strafgesetzbuch zu ahnden sind. § 83, vorsätzliche Körperverletzung, § 88 – damit kämen Sie noch relativ gut weg, weil es sich hiebei nur um fahrlässige Körper­ver­letzung handelt –, jedenfalls aber ist es eine strafbare Handlung gegen die Ehre, also eine Beleidigung, die mit einem Freiheitsentzug von zwei bis zu drei Monaten zu ahn­den ist, meine Damen und Herren! – So schauen die Aktionen aus, die Sie von den Grünen rechtfertigen und verteidigen! Das lehnen wir ab, und zwar in aller Deutlichkeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin eigentlich sehr froh darüber, dass sich der Wissenschaftssprecher der SPÖ, Herr Abgeordneter Broukal, hier in aller Klarheit und in aller Deutlichkeit von den Vor­gängen distanziert und davon gesprochen hat, dass das ein unverteidigbarer per­sönlicher Angriff ist, der abzulehnen ist. Das ist eine klare Distanzierung, meine Damen und Herren, die wir auch begrüßen. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen.)

Vielleicht sollte aber der Wissenschaftssprecher der SPÖ ein bisschen auf den Bil­dungssprecher der SPÖ einwirken, denn Dr. Niederwieser ruft zum zivilen Unge­hor­sam auf, was vielleicht nicht ganz so gut getroffen ist.

Ich würde meinen, zumal diese Aktion ja bei einer Veranstaltung der Zukunftswerkstatt der SPÖ stattgefunden hat, dass man da vielleicht eine Sprachregelung findet, damit endlich einmal klar ist, dass wir alle miteinander gewalttätige Aktionen nicht als Mittel des Dialogs sehen. Gesetze werden hier gemacht, und gerade öffentlich-rechtliche Kör­perschaften haben sich an diese Gesetze auch zu halten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusen­bauer. Wunschredezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 



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15.49

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zuhörer auf der Besuchergalerie werden sich die Frage stellen, welches Schauspiel hier heute aufgeführt wird (Abg. Scheibner: Das haben wir heute schon in der Früh gesehen!), denn bis dato ist die Dringlichkeit dieser Anfrage nicht klar geworden. Es hat zwar einen munteren Wettbewerb von Em­pörungsschauspielern gegeben, den bisher Kollege Amon gewonnen hat, aber an Substanz ist nichts eingebracht worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde Sie ersuchen: Lesen Sie sich die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Brinek, Bleckmann und Kollegen wirklich einmal durch! Vor allem die beiden Damen, die diese Anfrage gestellt haben, sollten sie durch­lesen und sich dann die Frage stellen, mit welcher Selbstachtung sie in diesem Haus sitzen, nämlich auf Grund der von ihnen gestellten Frage an die Frau Ministerin: „Wie ist die studentische Mitsprache im Universitätsgesetz 2002 geregelt?“ (Abg. Dr. Bri­nek: Damit Sie es endlich hören!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden doch wissen, was Sie beschlos­sen haben, da brauchen Sie doch nicht die Frau Ministerin zu befragen! Das ist eine peinliche Anfrage, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Kogler: Bravo!)

Zum Zweiten, was die Dramatik der Ereignisse an den Universitäten betrifft, zitiere ich:

„Man soll die Kirche im Dorf und die Topfentorte in der Aida lassen. Jene Studenten, die den Rektor der Uni Wien und einen hohen Beamten des Bildungsministeriums mit Torten attackierten, haben sich nicht mit Ruhm bekleckert, sondern so angepatzt, dass derzeit kaum jemand Geschmack an den Diskussionsargumenten der Studierenden findet.“ – Richtig!

Und weiters: „Der Diskurs droht auf der Topfencreme ins Lächerliche abzugleiten.“ (Abg. Dr. Brinek: Weil er verweigert wurde!)

Das, meine Damen und Herren, schreibt nicht das „Zentralorgan der Linkswende“, son­dern der „Kurier“, der sich bereits am Tag nach diesem Vorfall lustig macht über diese gespielte Empörung von allen Seiten, wo so getan wird, als ob ein Bombenangriff auf die Universität stattgefunden hätte. (Abg. Mag. Molterer: Rechtfertigen Sie das jetzt? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Jeder weiß doch, dass das, was da von Ihnen kommt, keine Argumente sind. Wenn aber Sie, Herr Molterer, von „Gewalt“ reden, dann sollten Sie sich einmal mit der alltäglichen Gewalt wirklich beschäftigen und nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Sie verteidigen das?)

Nein, kein Mensch in der Sozialdemokratie hat das verteidigt (Abg. Scheibner: Sie ziehen es ins Lächerliche! Worin ist da der Unterschied, wenn Sie es ins Lächerliche ziehen?), aber soll ich Ihnen etwas sagen: Ihre Empörung beeindruckt niemanden, sondern wird von Minute zu Minute lächerlicher! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der wahre Grund für diese Dringliche Anfrage ist doch ein ganz anderer: Karl-Heinz Grasser soll offensichtlich heute Nachmittag für ein paar Stunden versteckt werden (ironische Heiterkeit sowie Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), damit er sich nicht die peinlichen Fragen gefallen lassen muss, wie letztendlich seine Steuer­gestionierung tatsächlich ausschaut, damit er sich nicht die unbeantworteten Fragen gefallen lassen muss, woher denn seine Zusatzeinkünfte kommen, ob er diese ver­steuert hat oder nicht, ob der Verdacht der Steuerhinterziehung gerechtfertigt ist, und so weiter.


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Für wenige Stunden soll Karl-Heinz Grasser also geschont werden. Dass sich dafür Abgeordnete dieses Hauses für eine Dringliche Anfrage mit diesen Fragen hergeben, dazu, meine Damen und Herren, kann ich nur sagen: Die Koalitionsfraktionen waren schon einmal in einem besseren Zustand als heute; das kann man wirklich deutlich er­kennen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Brinek: Die sind Ihnen offenbar kein Anliegen, die Univer­sitäten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn schon heute über die Universitäten dis­kutiert werden soll: In einer knapp zehnminütigen und etwas dürren Beantwortung hätten Sie, Frau Bundesministerin Gehrer, ruhig auf die wirklichen Fragen eingehen können. (Abg. Dr. Brinek: Geh!) Wenn Sie sich rühmen, dass das Universitätsgesetz nicht verfassungswidrig ist, so heißt das noch lange nicht, dass das, was da drinsteht, auch gut ist! (Abg. Dr. Brinek: Es ist aber gut!)

Es hat sich doch nichts geändert an total überfüllten Hörsälen! Es hat sich nichts daran geändert, dass sich StudentInnen nächtelang für Seminar- und Laborplätze anstellen müssen! Es hat sich nichts daran geändert, dass StudentInnen bei Lehrveran­staltun­gen auf dem Boden sitzen müssen, weil es nicht einmal Bänke und Sessel gibt!

Es hat sich nichts daran geändert, dass – so die Aussagen eines Rektors – nicht ein­mal die Fenster an den Universitäten geputzt werden können! Es hat sich nichts daran geändert, dass die Universitäten nicht einmal die Stromrechnungen bezahlen können! Es hat sich nichts daran geändert, dass kein Geld für Laboreinrichtungen vorhanden ist! Und es hat sich nichts daran geändert, dass Lehrveranstaltungen abgesagt wer­den! (Abg. Ellmauer: Wir haben keine Märchenstunde, Herr Kollege!) – Das nennen Sie von den Regierungsparteien eine „Weltklasse-Universität“?! Eine Schande ist das, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Gusenbauer distanziert sich also nicht! Wichtig zu wissen!)

Angesichts des Zustandes der Universitäten, angesichts dessen, was heute Studieren­de in Österreich mitmachen müssen, überhaupt kein Wort dazu zu verlieren, sondern sich nur zu preisen und so zu tun, als ob Österreich über die besten Universitäten ver­fügen würde, das, meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, ist keine Zukunftskompetenz! (Abg. Dr. Brinek: Wollen Sie sie schlecht machen, die Unis?)

Es wundert einen auch gar nicht, dass es, was die Universitäten betrifft, so aussieht. Vergleichen wir doch nur, wie die wirklichen Geldströme aussehen: Im Jahre 1999 sind 1,22 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Universitäten ausgegeben worden. – Jetzt sind es nur mehr 1,05 Prozent. Und anders ausgedrückt: Im Jahre 1999 sind noch 4,2 Prozent des Bundeshaushaltes an die Universitäten gegangen, heute nur mehr 3,86 Prozent. Das heißt, obwohl es mehr Studenten gibt, obwohl nach wie vor die österreichische Jugend eine hohe und gute Ausbildung haben will, sind die Ausgaben für die Universitäten gesunken. Und soll ich Ihnen etwas sagen: Man sieht das auch an jeder einzelnen Universität!

Sie alle, die Sie hier sitzen und irgendwann ein Studium absolviert und noch zu Zeiten stu­diert haben, als die Situation eine war wie zu meiner Zeit, als wir 500 StudentInnen an meinem Institut waren – jetzt sind am selben Institut 6 000 StudentInnen –, wissen doch, dass die Zahl der Lehrkräfte völlig identisch ist, ebenso die Anzahl der Hörsäle. (Abg. Ellmauer: Das ist ja nicht wahr! Das stimmt überhaupt nicht!) Dazu kann ich nur sagen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Es wäre Ihre Ver­pflichtung, der heutigen Jugend zumindest ebenso gute Studienbedingungen zu ge­ben, wie wir sie seinerzeit hatten. Das wäre eine vernünftige Vorgangsweise! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Über die Universitäten können wir in der Tat lange diskutieren – und werden wir auch diskutieren müssen, denn die Missstände dort sind eklatant. (Abg. Dr. Brinek: Das ist eine allgemeine Miesmachung, die Sie betreiben!) Aber Ihnen ist es – wie man ja bei allen Ihren Ausführungen hier gesehen hat – nicht um die Studienbedingungen gegan­gen, nicht um die Zukunft der Universitäten, sondern Ihnen ist es ausschließlich darum gegangen, Karl-Heinz Grasser heute zu verstecken. (Abg. Dr. Bleckmann: Ihnen geht es nur um Miesmache!)

Da Sie, Frau Abgeordnete Brinek, heute von einem „Missbrauch“ der Universitäten ge­sprochen haben, darf ich Ihnen sagen: Das, was Sie heute geliefert haben, war im besten Fall der Missbrauch einer Dringlichen Anfrage. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Klubobmann der Grünen hat die Frage der Red­nerreihenfolge entsprechend der Geschäftsordnung problematisiert. Ich werde das prü­fen lassen und im Laufe der Dringlichen Anfrage die Praxis erläutern.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Wunschredezeit: 8 Minu­ten. – Bitte.

 


15.57

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Werte ZuhörerInnen und ZuseherInnen! Ich schätze Übertreibung als Stilmittel – allerdings in Theater, Kabarett oder Satire. Was jedoch heute über die Universitäten zum Teil hier gesprochen wurde, das, muss ich sagen, lässt auch bei einem Gesundheitssprecher, der ich auch noch bin, den Blut­druck höher steigen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Sie können nur die Gusenbauer-Rede meinen!)

Diese Dringliche Anfrage ist mehr als offensichtlich ein Ablenkungsmanöver. Aber ich gebe schon zu, dass es leichter ist, eine Einzelhandlung eines Tortenwerfers – unter 200 000 Studierenden – ins Parlament zu bringen, als Grasser hier zu einer klaren, wahrhaftigen und allen verständlichen Aussage zu bewegen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich finde es auch in höchstem Maße peinlich, ja lachhaft, wenn zwei Wissen­schafts­sprecherinnen hier die Frau Bundesminister fragen, wie denn das Universitäts­ge­setz 2002 die Mitbestimmung der Studierenden geregelt hat. – Sie wissen das doch! (Abg. Dr. Brinek: Weil Sie es offenbar nicht wissen! Sie wissen es offenbar nicht!) Und nun hören es noch einige ÖsterreicherInnen im Rundfunk.

Sie von ÖVP und FPÖ haben aber noch etwas anderes in die Begründung hinein­ge­schrieben. Sie haben gesagt, die Studierenden protestieren nicht primär gegen die Or­gan­isationsreform der Universität Wien, sondern – ich zitiere – sie protestieren gegen die Uni-Reform, gegen den Ausverkauf der Uni, gegen Zugangsbeschränkungen – lesen Sie nach, Frau Abgeordnete Brinek! – und gegen den Abbau der Demokratie. – Ich sage Ihnen: Damit solidarisiere ich mich. (Abg. Mag. Molterer: Keine Distan­zie­rung! Wichtig zu wissen! Was ist mit Gewalt?)

Es protestieren auch Leute gegen Praktiken im Asylgesetz – und trotzdem ist das ein gültiges Gesetz. Nicht jedes Gesetz, das beschlossen wurde, muss von uns akklamiert werden – und auch nicht von den Studentinnen und Studenten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass dieses Gesetz – mit Ausnahme der Rekto­ren­konferenz – auf keine einzige Zustimmung eines demokratisch gewählten univer­sitä­ren Kollegialorganes gestoßen ist. Das wissen Sie! Wenn Sie sagen, das war ein


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Dialog, dann sage ich – und mit mir viele andere –: Das waren Belehrungen! Natürlich hat man mit uns gesprochen, aber es hat sich in der Sache nichts bewegt. (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt überhaupt nicht, es hat viele Abänderungsanträge gegeben!)

Sie bemühen das Stilmittel der Übertreibung, und es kommt mir wirklich so vor, als ob an der Universität die Malaria ausgebrochen wäre – kann man ja fast schon sagen, bei den Zuständen –, und Sie jagen hier im Parlament Stubenfliegen. Das kann es einfach nicht sein! Und ich sage Ihnen auch, es gibt ... (Abg. Mag. Molterer: Keine Distan­zie­rung! ...!) – Herr Molterer, Sie werden mir nicht vorschreiben, was ich hier sage! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Schauen Sie: Für mich ist es wahrscheinlich internalisierter als für Sie, dass Grüne niemals Gewalt protegieren und sich niemals für Gewalt ausgesprochen haben – und das gilt zu jeder Zeit, an jedem Tag und an jedem Ort. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was glauben Sie, wie es ist, eine Torte ins Gesicht zu bekommen?)

Und wenn Sie es hören wollen: Was das Tortenwerfen betrifft, sage ich Ihnen – abge­sehen von Distanzierungen von Gewalt und vom Protegieren von Gewalt (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und was war mit der Solidarisierung von Petrovic mit den gewalt­bereiten Donnerstagsdemonstranten?) – noch etwas: Gerade in Zeiten der Res­sour­cenknappheit ist es auch entwicklungspolitisch ein Unsinn, hochwertige Nahrungs­mittel an Saturierte zu verteilen, wenn Sie das hören wollen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber es gibt noch andere Arten von Gewalt – und wir haben 21 Universitäten in Öster­reich mit sicher 40 000 Beschäftigten und zirka 200 000 Studierenden. Und wenn Sie in Bezug auf die Universitätspolitik fokussierend auf dieses Ereignis in Wien davon ablenken wollen, was Kollege Gusenbauer und auch Van der Bellen schon gesagt haben, nämlich welche Täuschungen Sie gespielt haben im Budget, dass Grasser unge­straft sagen konnte, und Sie wiederholen es immer wieder, die Universitäten bekommen 700 Millionen € mehr – und das war nur eine Verschiebung der Personal­kosten aus dem BKA an die Universitäten, das war kein Zugewinn! –, das ist auch Gewalt des Wortes, aber keine Gewalt von Argumenten. (Abg. Mag. Molterer: Für Sie ist also eine parlamentarische Debatte Gewalt?)

Wenn ich Ihnen heute so zuhöre, dann kann einem schon die Galle hochgehen! Das rechtfertigt gewisse Handlungen nicht, aber tun Sie nicht überrascht! (Abg. Scheib­ner: Das ist eine Zumutung!)

Wenn auf einem Niveau diskutiert wird, dass etwa Bundeskanzler Schüssel den Uni­versitäten dieses Gesetz schmackhaft machen will, indem er die Ausgliederung mit der Ausgliederung und Privatisierung der Marchfelder Schlösser und des Schönbrunner Zoos vergleicht, dann, muss ich sagen, läuft eben keine argumentativ hochwertige Debatte.

Wenn Frau Bundesministerin Gehrer – seien Sie mir nicht böse, ich zitiere Sie ja nur – mit dem guten Rat an die KritikerInnen des Gesetzes kommt und sagt, sie würde ja lieber auf den fahrenden Zug und die Reformlokomotive aufspringen, als sich auf das Geleise zu legen, kann ich das als Aufforderung zum kollektiven Suizid aller Kritiker nehmen: Sie sollen sich aufs Gleis legen – aber gescheiter ist, sie steigen bei ihr auf. – Das ist keine gute Alternative in einer Meinungsfindung und Gesetzwerdung.

Es wurden also Budgetversprechungen gewaltig verbogen, die Demokratie wurde ge­waltig verbogen.

Und jetzt komme ich zu einer anderen Distanzierung: Der Pressesprecher der ÖH, Florian Müller, wurde tätlich angegangen von einem von der Regierung, von Frau Bun­desministerin Gehrer mit Hilfe des ehemaligen Wissenschaftssprechers Martin


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Graf installierten Unirat. Und das Ministerium wurde aufgefordert, sich zu distan­zieren. – Da war nichts! Keine Distanzierung war da!

Eine Studentin stürzt sich auf den Brüstungen der Universität Wien zu Tode, weil ihr das Bauwerk auf den Körper fällt, und stirbt. (Abg. Dr. Brinek: Das war aber eine an­dere Regierung!) Andere haben Angst, dass ihnen die Decke, der Plafond auf den Kopf fällt! So ist der Zustand der Universitäten! (Abg. Scheibner: Wer war denn damals Wissenschaftsminister? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

30 Prozent aller Labors müssten aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen geschlossen werden, weil man dort nicht mehr arbeiten darf, weil es zu riskant und gefährlich ist! – Auch das ist subtile Gewalt, wenn Sie das so hören wollen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Sie haben keine Ahnung!) Keine Ah­nung habe ich? – Ich habe eine gute Ahnung, glaube ich. Ich habe nämlich vielleicht zu viel Ahnung.

Die Zahl der Dissertationen nimmt ab, ebenso jene der Bewerbungen um Planstellen an den Universitäten! Und nachdem es nach der Einführung der Studiengebühren 40 000 Studierende weniger gegeben hat, sprechen Sie dann, wenn es jetzt wieder mehr werden, von einer Steigerung – aber Steigerung vom Minimum aus, das Sie verursacht haben! Und Sie wissen, dieses Minimum wurde in einer Studie untersucht – da können Sie ruhig mit der Hand winken, Sie haben ja keine Mehlspeise in der Hand, Gott sei Dank –: Die Ursachen dafür waren primär die Studienbedingungen an der Universität, die Studiengebühren und dass nunmehr bereits 70 Prozent der Studierenden neben dem Studium arbeiten müssen, um ihr Studium zu finanzieren.

Ich wurde aufgefordert, die Jugend zur Ordnung zu rufen. Aber wissen Sie, ich bin weder ein Pädagoge, noch bin ich bei der STAPO, noch bin ich Hermann Gmeiner oder sein Enkelkind. Studierende sind frei! – Und das heißt nicht, dass ich alles be­klatsche, alles beschimpfe. Auch GRAS ist frei und kein Anhängsel der Partei. Und ich sage Ihnen: Wenn man mit Studierenden redet, schafft man es auch, und ich würde das nicht aufgeben. (Abg. Dr. Brinek: Wollen Sie damit sagen, Winckler hätte nicht geredet?)

Winckler hat mit ihnen geredet, aber wissen Sie: Geredet haben ja auch Frau Bundes­ministerin Gehrer und Schüssel und Grasser mit uns – und wir sind nicht sofort in ihr Lager übergeschwenkt. (Abg. Dr. Brinek: Es geht um die Uni Wien!)

Schauen Sie: Wenn man Beteiligte und Angehörige der Universität – das sind auch Studierende – zu Ohnmächtigen degradiert, muss man mit Emotionen rechnen – das würde ich jedenfalls schon! (Abg. Dr. Brinek: Was heißt da „ohnmächtig“?) Weil sie nicht mehr mitreden dürfen, Frau Brinek! (Abg. Scheibner: Das heißt also, die Opfer sind selbst schuld?!)

Vielleicht verstehen die Zuhörer besser: Studierende werden angehört, sie haben noch etwas zu reden, aber sie haben nicht mitzuentscheiden – das wissen Sie viel besser als ich. (Abg. Dr. Brinek: Und was ist mit dem Senat?) Auch der Senat, der noch von der Universität selbst gewählt wurde, hat ja kaum mehr etwas zu reden, weil der Uni-Rat das letzte Wort hat.

Das heißt, ich bitte Sie ernsthaft: Machen Sie Universitätspolitik – in diesem Fall neh­me ich das Wort „global“ als Grüner gerne in den Mund – etwas globaler als eine Diskussion bei einem Konditor-Ball oder bei der KonditorInnen-Innung. Lassen Sie die Kirche im Dorf! Das sind Ereignisse, die sich niemand gewünscht hat, die auch nicht dazu beitragen sollen, Diskussionen abzubrechen, die man vielleicht mit einer Me­diatorin in den Griff bekommen kann. Aber dadurch ein Bild der Uni zu zeichnen oder


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Ihr Bild der Uni zu festigen – ich sage Ihnen schon: Der Untergang des Abendlandes schaut völlig, völlig anders aus! Ich mache mir nicht diese Sorgen.

Sorgen hingegen sollten Sie dafür, dass die Unis weiter so arbeiten können, wie sie bisher noch arbeiten konnten. Das Budget – und viele Proteste wurden an der Univer­sität Graz vorwiegend von Professoren und Mittelbau getragen; da waren aber Gehrer und Höllinger entschuldigt, bei der Inauguration der beiden neuen Rektoren der Uni­versität Graz und der Medizinischen Universität –, wenn man hier etwas erreicht, ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege, Sie sind am Ende Ihrer gesetzlichen Redezeit!

 


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Zeigen Sie uns, dass Sie auch wollen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Ach­leitner. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Witt­mann: Eine jämmerliche Anfrage ist das!)

 


16.08

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Herren von der Opposition, die meine Vorredner waren! Ich bin wirklich erschüttert, wenn Sie von Ablenkungsmanöver, von Schauspiel und von „lachhaft“ reden, wenn wir hier über ein Thema diskutieren, das wirklich ein Zukunftsthema für uns in Österreich ist. (Abg. Mag. Kogler: Aber wie?)

Gerade Sie sorgen sich ja ständig, wie wir die Ziele für Forschung und Entwicklung erreichen können, und gerade da ist die Organisationsreform, die Reform in den Uni­versitäten, ein ganz wichtiges Ziel. Und eines ist auch noch ganz wichtig zu sagen: Gerade im Bereich von Forschung und Entwicklung wurde noch nie so viel Geld investiert und auch in Aussicht gestellt wie in der Zeit der jetzigen Regierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Ein Tortenwurf als Zu­kunftsfrage!)

1,2 Milliarden € werden bis ins Jahr 2006 gerade für diesen Bereich zur Verfügung stehen, und da wird sich sicher auch auf den Universitäten im Bereich der Forschung einiges ändern. Man kann nur Versäumtes nicht so schnell nachholen.

Die Autonomie und gerade auch die Unabhängigkeit der Unis ist wirklich ganz wichtig, damit man sich den Anforderungen von Fortschritt und Wissenschaft anpassen kann. (Abg. Dr. Wittmann: Ist jetzt Tortenwerfen das Zukunftsthema?) Und es ist ja auch in ganz Europa in Diskussion, dass eine rechtlich und wirtschaftlich selbständige Stellung der Universitäten hergestellt wird.

Autonomie bedeutet Eigenverantwortlichkeit, Eigenverantwortlichkeit im Universitäts-Management. (Abg. Dr. Wittmann: Jämmerlich, peinlich!) Und gerade das ist ein wichtiges Thema, das auch diskutiert werden muss, denn dadurch haben die Uni­ver­sitäten Handlungsspielraum, damit sie eigenständig ihren Fortschritt vorwärts bringen. Und was man noch dazu sagen muss: eigenständige Organisationsformen bei ge­sicher­ten Finanzen durch den Staat. – Gerade im Jahre 2004 erhalten die Unis im Globalbudget einen Betrag von über 1,66 Milliarden €.

Durch diese Chance, die eigenen Organisationsformen zu bestimmen, können die Unis ihre Leistungsfähigkeit steigern und können endlich auch weiterhin im internationalen Wettbewerb mithalten. Gerade dabei bildet dieses Universitätsgesetz einen Meilenstein und eine Grundlage, die ja auch in den Grundpfeilern vom Verfassungsgerichtshof bestätigt worden ist.


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Es ist nun wirklich ganz wichtig, dass die Unis selbst die Möglichkeit haben, ihre Or­ganisationsformen zu bestimmen, und das muss natürlich in Zusammenarbeit mit allen Gremien, mit dem Mittelbau und mit den Studenten möglich sein. Und dass es funk­tioniert, das hat ganz klar auch meine ehemalige Universität, an der ich Assistentin war, die TU in Wien, bewiesen, bei der in guter Zusammenarbeit und bei Mitarbeit aller eine sehr gute Umsetzung dieses Universitätsgesetzes möglich war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Bauer: Es gibt jetzt weniger Demokratie!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition: Gewalt ist sicher kein Ziel, sondern das Ziel ist, dass endlich auch die Unis in die Zukunft schauen können und dass sie zukunftsweisende Organisationsformen bilden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Bauer: Wir reden über Demokratie!)

All jene, die gegen diese Änderungen der Organisationsformen auftreten, sind nicht nur gegen die Organisationsform, sondern grundsätzlich gegen das Universitätsgesetz, sie sind gegen den Bologna-Prozess, was ganz eindeutig heißt, dass sie gegen den Fort­schritt der Universitäten sind. Die Mitbestimmung, die ganz klar im Gesetz institu­tionalisiert ist, ist wichtig. Aber es ist auch ganz bedeutend, dass sie konstruktiv und qualitativ fortgesetzt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Sinne einer zukunftsorientierten Univer­sität und aller wissenshungrigen Studenten ist es wichtig, dass diese Reform nicht von einigen wenigen Revoluzzern hintertrieben wird, sondern dass dieses Gesetz mög­lichst schnell und in bestmöglicher Form umgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Bauer: Es gibt auch Professoren, die das nicht wollen!)

16.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. Wunschredezeit: 7 Minuten. – Sie sind am Wort. (Abg. Dr. Jarolim  in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Lopatka –: Hat die Rede auch der Herr Amon geschrieben? – Gegenruf des Abg. Prinz.)

 


16.13

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist hier die Frage gestellt worden, ob diese Dringliche Anfrage eine Rechtfertigung hat. – Meine Damen und Herren! Diese Dringliche Anfrage setzt sich mit einer Grundsatzfrage auseinander, nämlich ob wir den Weg des Dialoges gehen wollen oder den Weg der Gewaltbereitschaft. Und diese Frage ist eine Kern­frage demokratischer Auseinandersetzung. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen.)

Den Beweis dafür hat Ihr Vorsitzender geliefert, Abgeordnete Bures, denn SPÖ-Vor­sitzender Gusenbauer fand kein Sterbenswörtchen der Distanzierung von diesen ge­walt­bereiten Aktionen. Kein Sterbenswörtchen! (Abg. Bures: Das stimmt doch über­haupt nicht!) Er hat sich lustig gemacht über jene, die sich Sorgen machen (Abg. Bures: Sie sind wieder obergescheit!), über jene, die sich Sorgen machen, wenn an den Universitäten die Dialogbereitschaft nicht mehr vorhanden ist. (Heftige Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Diese Aufforderung hier ist keine Aufforderung von Basisgruppen. (Abg. Bures: Das sind Gruselgeschichten, mehr nicht!) Diese Aufforderung, mit der Faust ins Gesicht zu fahren, meine Damen und Herren, ist eine offizielle Aufforderung der ÖH Wien, einer Körperschaft öffentlichen Rechts. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der unter dem Titel „Vorwärts zum Start! Smash Organisationsreform!“ eine Faust und das Gesicht des Rektors gezeichnet sind. – Ruf bei der ÖVP: Liberal! Liberal!)


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Lassen Sie mich auch noch Folgendes sagen, Herr Professor Grünewald, weil Sie hier fragen, warum diese Frage gestellt worden ist, wie die studentische Mitsprache ge­regelt sei: Diese Frage ist schon berechtigt, denn die Rechtfertigung derjenigen, die gewaltbereit waren, war nämlich einzig und allein darin begründet, dass die studen­tische Mitsprache angeblich außer Kraft gesetzt werden soll.

Lesen Sie im heutigen „Standard“ nach – „Weniger Demokratie wagen?“ –, wo genau das als Begründung angeführt wird, was in der Sache völlig unrichtig ist. Niemand will den Studenten die studentische Mitsprache nehmen! (Abg. Dr. Grünewald: Es geht um die Mitbestimmung an der Universität!)

Was hat aber die bisherige Debatte gezeigt? Sie hat dreierlei gezeigt, und zwar in der Sache selbst:

Erstens: Die Universitätsreform 2002 wurde vom Verfassungsgerichtshof bestätigt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn das ist von Ihnen bisher ganz anders gesehen worden.

Zweitens: Die Rektorenkonferenz begrüßt diese Reform und sieht darin eindeutige Fortschritte im Bereich der Arbeit und der Möglichkeiten an den Universitäten.

Drittens – auch heute, bitte, Titelseite „Standard“: „Rekordwert bei Studienanfängern an den Universitäten“.

Meine Damen und Herren! Diese Reform beginnt jetzt schon Früchte zu tragen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist die Realität. Sie wollen es nicht zur Kenntnis nehmen. Ein Ansturm auf die Unis, eine bessere Organisation des Studien- und Lehrwesens durch dieses Gesetz! (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo sollen sie denn hingehen?) – Und Sie sind wieder einmal gescheitert. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo denn?) Sie sind wieder einmal gescheitert, SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer, mit einer Ihrer unzähligen Verfassungsgerichtshof­be­schwerden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie haben überhaupt keine Ahnung! Gehen Sie doch einmal auf die Uni und schauen Sie sich das an!) Immer nur njet zu sagen, Kollege Gusenbauer, das ist zu wenig, sage ich Ihnen. Das wird zu wenig sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Schauen Sie, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Wir haben die Reformen bereits unter Dach und Fach. Es ist der zuständigen Ministerin gelungen, diese Reform unter Dach und Fach zu bringen, wo es von Seiten sozialdemokratisch oder labourgeführter Regierungen bisher nur Krämpfe gibt und Reformen noch nicht einmal ansatzweise umgesetzt sind.

Auch wenn Sie es nicht hören wollen: Erst diese Woche hat Tony Blair mit knapper Mehrheit die Erhöhung der Studiengebühren durchgebracht – in einem Ausmaß aller­dings, wo ich mich frage, ob das sozial verträglich ist: 4 360 € sind in Großbritannien möglich. (Abg. Mag. Kogler: Das wird jetzt aber nichts mehr! Wo bleibt die Botschaft?) Und bei uns war die Aufregung riesig, bei nicht einmal einem Siebentel dessen. Das Siebenfache unter einer labourgeführten Regierung Tony Blairs! Was sagen Sie da? (Abg. Mag. Molterer: Aha, Labour! – Abg. Dr. Stummvoll: So, so, Labour!)

Und? – Die Studenten werden sich bedanken dafür. Bei uns regen Sie sich auf bei nicht einmal 700 € – dort sind es 4 360 €! Und da sagen Sie: Na und?! (Abg. Mag. Kogler: Wo bleibt die Botschaft?)

Aber auch in Deutschland haben wir jetzt genau die Diskussion. – Sie lachen! – Joschka Fischer, der heimliche Vorsitzende der Grünen in Deutschland, hat wort­wörtlich diese Woche gemeint: Studiengebühren müssen unbedingt auf die Tagesord­nung kommen. – Was sagen Sie dazu, Kollege Grünewald? Was sagen Sie dazu,


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wenn Joschka Fischer in Deutschland meint, Studiengebühren müssten unbedingt auf die Tagesordnung? (Abg. Dr. Grünewald: Die Zeit des Anschlusses ist vorbei! Wann begreifen Sie das endlich?)

Nein, nicht die Zeit des Anschlusses, aber wir müssen schon auch über die Grenzen blicken. Gerade von Ihnen als Wissenschafter hätte ich mir erwartet, dass Sie in Ihren Überlegungen über die Grenzen blicken und nicht in einem Kantönli-Geist nur das Hier sehen. Universitäten stehen im internationalen Wettbewerb, meine Damen und Herren, und Kirchturm-Denken ist da das Falscheste, was es gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Wurm: Wir sind ein souveräner Staat!)

Und noch eines sei Ihnen deutlich gesagt: Das Tortenwerfen ist doch keine Einzel­aktion! VSStÖ-Graz – schauen Sie ins Internet, machen Sie das Internet auf –: Sie haben dort eine ständige Tortung, nämlich die von Kabas, als Anleitung beim VSStÖ-Graz. Und auch die ÖH-Exekutive in Wien hat eindeutig jede Distanzierung von der Torten­aktion abgelehnt und ausgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Das ist der große Unterschied: Wir wollen den Dialog. Auch Rektor Winckler hat den Dialog gesucht, ganz deutlich! Sie lehnen den Dialog an­scheinend ab. Ihnen ist es wichtig, ob jetzt offen oder auch nur andeutungsweise, hier jene zu stärken, die gewaltbereit sind. Und das Eintreten von Türen, meine Damen und Herren, das gewaltsame Besetzen, ist das nicht Gewalt? Ist das Tortenwerfen nicht Gewalt? (Ruf bei der SPÖ: Ist abgelehnt worden! – Abg. Dr. Gusenbauer: Sie sind ein Verleumder!) Ich bin kein Verleumder. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sie Verleumder! Niemand hat die Gewalt begrüßt! – Ruf bei der SPÖ: Ist abgelehnt worden!)

Nein, nicht begrüßt, aber nicht distanziert! Ich habe das nie gesagt. Noch einmal: Sie haben kein Wort der Distanzierung gefunden, Herr Klubobmann Gusenbauer. (Abg. Dr. Gusenbauer: Lopatka ist ein Verleumder!)

Sie haben sich lustig gemacht darüber, und Ihr Abgeordneter Niederwieser hat in der APA sogar noch zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. Lesen Sie nach am 22. Jänner in der APA! – Kollege Niederwieser soll doch herauskommen, um das richtig zu stellen.

Sie haben zu zivilem Ungehorsam aufgerufen! Sie haben zu zivilem Ungehorsam aufgerufen – lesen Sie in der APA nach, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir hingegen gehen weiter diesen Reformkurs und sagen Ihnen eines: Aufrufe zu zi­vilem Ungehorsam und die Art und Weise, wie Sie dieses Thema diskutiert haben, werden von uns nie eine Zustimmung erhalten. Unsere Zustimmung findet der Kurs der zuständigen Ministerin. Diese Reform ist von Erfolg gekennzeichnet, wird vom Verfas­sungsgerichtshof für richtig empfunden und wird jetzt umgesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.20

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. 7 Minu­ten Redezeit. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.20

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Wenn Ihnen in der politischen Auseinanderset­zung schon gar nichts mehr einfällt, dann werfen Sie halt den anderen Gewaltbereit­schaft vor. Das ist Ihr Demokratiediskurs, den Sie führen.

Wenn ich mich hier im Parlamentsplenum umschaue, dann meine ich, dass jeder am liebsten die Torte auf dem Teller hat. Bei manchen sieht man es mehr, und bei manchen sieht man es weniger. Das ist die Wahrheit, und zu der sollte man sich doch endlich einmal verständigen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Wenn es eine Gruppe gibt, die das außerdem noch lustig findet, sodass sie sich ge­gen­seitig die Torten aufsetzen, dann wird sich zumindest einer darüber freuen, das ist die „Konditorei Oberlaa“ oder „Aida“. Diese Konditoreien werden hoffen, dass die das möglichst oft machen als politische Demonstration.

Es ist Nonsens, es ist Unsinn, und es bringt in der politischen Auseinandersetzung in Wahrheit nichts. Das wissen Sie genauso gut wie wir, jeder hier herinnen weiß das. (Abg. Dr. Stummvoll: Uns brauchen Sie das nicht zu sagen!) Daher ist das ein Schat­tenspiel, was Sie da aufführen, und ist völlig nutzlos in der Auseinandersetzung, die wir hier zu führen haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn ich mir Ihre Dringliche anschaue, dann meine ich, die war gar nicht dringlich, sondern die ist erst dringlich geworden, als wir die Dringliche hier beantragt haben, die dahin ging, dass Karl-Heinz Grasser endlich einmal die Fragen beantwortet, die er in der Früh im Rahmen der Fragestunde nicht bereit war zu beantworten. Das war alles. Wir wollten einfach nichts anderes, als dass der Finanzminister die unbeantworteten Fragen der Fragestunde hier am Nachmittag endlich beantwortet.

Wie die aufgescheuchten Hühner sind da viele plötzlich bei der ÖVP-Fraktion herum­gelaufen und haben da eine Dringliche zusammengeschustert. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.) – Sie müssen es am besten wissen, denn sie trägt ja Ihren Namen. Da steht „Brinek“, nicht „Schuster“. „Schuster“ hätte da hergehört! Sie haben also eine Dring­liche zusammengeschustert mit Fragen, die ich wirklich noch nie in einer Dring­lichen lesen durfte. Eine hat ja schon Kollege Gusenbauer zitiert. Interessant ist auch die folgende Frage – es ist eine Testfrage –:

„Wie setzt sich nach den letzten ÖH-Wahlen die Exekutive der ÖH auf Bundesebene und an der Universität Wien zusammen?“ – Anders formuliert: Lesen Sie täglich eine Zeitung, Frau Minister? Wenn ja, welche? – Da können Sie gleich so eine Frage stel­len. So etwas Absurdes habe ich einfach in einer Dringlichen überhaupt noch nie gelesen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Oder fragen Sie am besten: Stimmt es, dass Sie täglich um 12.30 Uhr Hunger ha­ben? – Schreiben Sie das hinein! Die „schwierigste“, fast „gemeinste“ Frage wäre: Wer ist momentan gerade Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur? – Das wären Fragen! Wir wären ganz gespannt auf die Antworten.

Es ist eine „beinharte“ Dringliche, eine der „härtesten“ Dringlichen, die wir in diesem Haus erlebt haben. Hier geht in Ihnen das freie Mandat durch, und Sie sagen: Endlich einmal losgelöst von den Zügeln können wir uns da einmal entwickeln und entfalten! Wir sind ohnehin dauernd unterdrückt, dauernd müssen wir hinter KHG im Trauerzug daherziehen, ihm ununterbrochen die Schleppe halten, die Stange halten, eben das, was er halt gerade zur Verfügung stellt. – Aber da können Sie sich endlich austoben! Dank an die Klubführung – Sie können sich endlich austoben und einmal eine Dring­liche nach Ihrem Geschmack stellen, so wie Sie sie immer schon stellen wollten. Das ist die Dringliche des heutigen Tages. Es ist ein einziges Trauerspiel, was Sie da zur Verfügung gestellt haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber das Allerbeste ist, wenn jemand hier eine Demokratiedebatte führen will, der gerade ein Universitätsgesetz zu verantworten hat, wo Schmidt-Dengler sagt: Demo­kratie? – Autoritäre Züge trägt das! – Das lässt sich ja auch nachweisen, wenn die Studenten aus den bisherigen Mitbestimmungsbereichen möglichst zurückgedrängt wer­den. (Abg. Dr. Brinek: Das ist ja die Problematik!) Anders formuliert, die Parole heißt: Zurück ins 19. Jahrhundert! Endlich wieder die schwarzen – Schwarz ist doch ohnehin Ihre Lieblingsfarbe – Talare, und nach einer gewissen Zeit können wir schnup­pern, ob der Mief von tausend Jahren wieder da ist. Das ist genau das, was Ihr Ziel ist: Zurück ins 19. Jahrhundert!


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Ein Wahlverein Schüssel befindet sich im Uni-Rat, die dürfen sich dort alle einen Titel umhängen, gekoppelt mit seltsamen Figuren. Aber da können uns die FPÖler vielleicht Auskunft geben, wer da noch Eingang gefunden hat. – Das ist das Konzept, das Sie da haben. Und ich sage Ihnen, damit ruinieren Sie die Universität: Aushungern, Studien­gebühren nicht der Universität zur Verfügung stellen, katastrophale bauliche Zustände. (Abg. Dr. Brinek: Warum generalisieren Sie?) – Das müssen Sie einmal alles verant­worten! – Und wirklich schröpfen, schröpfen, schröpfen, am besten wieder einen so­zialen Numerus clausus einführen.

Klubobmann Molterer, Sie waren auch einmal ÖH-Funktionär so wie ich, auch Minister Strasser. Auch Heinz Fischer und viele andere da herinnen waren an der Uni aktiv und traten für die Mitbestimmung, für die Interessen der Studenten, für eine Universität, wo es eine freie Forschung und Lehre gibt, für eine autonome Universität ein. (Abg. Mag. Molterer: Wir machen die autonome Universität! Das ist der Unterschied!) Wir haben uns damals reingehaut. Und wir haben auch für das allgemeinpolitische Mandat der Österreichischen Hochschülerschaft gekämpft.

Was soll diese verräterische Frage in der Dringlichen? – Das heißt ja nichts anderes als: Einrichtungen, Institutionen – wie am Beispiel der ÖH – nehmen wir dann ernst, wenn die Aktionsgemeinschaft die Mehrheit hat. Wenn es dort diese Mehrheit nicht gibt, müssen wir sie einengen, beschränken, drangsalieren und am besten abschaf­fen. – Das ist eine undemokratische Gesinnung! Und da stellen Sie sich hier her und halten uns hier Vorträge über Demokratie? Unfassbar! (Abg. Dr. Brinek: Weil wir keine autoritären Typen sind!)

Das, nachdem Sie heute in der Früh in der Fragestunde nicht einmal imstande waren, endlich den Finanzminister dazu zu verpflichten, Antwort auf die Fragen zu geben. Nein, Sie haben darauf verzichtet, Sie auf Ihrem freien Mandat! – Einpacken, Mandat zurücklegen, zurück an den Start, noch einmal von vorne anfangen! Eine Katastrophe ist das Bild, das Sie da abgeben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Du warst schon besser!) – Für dich reicht es immer noch.

So könnte man das in Wirklichkeit endlos fortsetzen. Es ist leider eine Tragödie, dieses Zurück zur Professorenuniversität, Zurück zu den Inhalten, die Sie als Inhalte in Wirklichkeit definiert sehen wollen, unter Diskriminierung einzelner Studienarten, wie das der Finanzminister gemacht hat, als „Orchideenstudien“. Den ganzen Humanis­mus, den Sie in Sonntagsreden immer so hochhalten, können wir uns in die Haare schmieren, weil das ja gar nicht das ist, was Sie wollen.

Ich könnte das endlos fortsetzen. Dieses unsympathische Licht fängt aber leider ge­rade zu blinken an – leider, denn ich könnte noch einiges dazu sagen. Es ist eine Ka­tastrophe. Ich liebe dieses Land und ich bin so daran interessiert, dass es möglich ist, dass wir bei dem Prinzip der Chancengleichheit bleiben, dass Begabte wirklich die Chance haben, auch eine universitäre Bildung zu absolvieren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Genau das wollen Sie nicht. Sie wollen das Rad zurückdrehen, weil Ihnen das unsym­pathisch ist. Sie wollen keine Leistungseliten, Sie wollen soziale Eliten. Es sollen halt einfach die, die immer schon oben waren, oben bleiben für die nächsten 500 Jahre. Okay, dann soll der nächste Vortragende dort Karl Habsburg heißen. Der weiß, was es heißt, wenn man 500 Jahre immer das Gleiche will, das Gleiche hat, das Gleiche kann und immer oben ist. – Von dieser Geisteshaltung haben wir genug seit 1918, das sei Ihnen heute ins Stammbuch geschrieben! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


16.27


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46. Sitzung / Seite 127

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort hat sich nunmehr Frau Bundesministerin Geh­rer gemeldet. – Frau Ministerin, bitte.

 


16.28

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! (Abg. Mag. Kogler: Nehmen Sie das Ganze noch ernst?) Die­se Heiterkeit, die bei der Opposition ausgebrochen ist, stimmt mich zutiefst traurig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir besprechen ein ernsthaftes und wichtiges Thema. (Abg. Dr. Wittmann: Traurig ist das Schauspiel um den Finanzminister!) Es geht um Formen der Gewalt in unserer Ge­sellschaft, die von allen abzulehnen sind, von allen, die echte und aufrechte Demo­kraten sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Generell zu sagen, jede Gewalt ist abzulehnen oder Nonsens und Unsinn, meine Da­men und Herren, das ist keine Distanzierung! Ich habe mit den Betroffenen, die die Torte ins Gesicht bekommen haben, gesprochen. Das ist ein zutiefst aggressiver Akt, der zu Körperverletzungen führen kann, der zu einem Schock führen kann. Das ist kein Nonsens und kein Unsinn! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich muss auch noch einige Vorwürfe, die da gekommen sind, richtig stellen. Zuerst zu Ihren Ausführungen, Herr Professor Grünewald. Sie haben gesagt, ich sei in Graz nicht anwesend gewesen, ich sei entschuldigt gewesen. – Ja, ich war entschuldigt, mein Mann wurde zum zweiten Mal in Innsbruck operiert. (Abg. Dr. Grünewald: Ich sagte ja nur, dass Sie nicht da waren!) Das wurde ja negativ bemerkt.

Zu den Universitäten: Die bieten gute Bedingungen. Wir haben eine Zunahme der Zahl der Studierenden – sowohl an den Fachhochschulen als auch an den Universitäten. Wenn jemand sagt, dass sich Studierende nächtelang anstellen müssen, um sich anzumelden, dann muss ich dem entgegenhalten, dass er schon lange nicht mehr an einer Universität war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das muss Ihrer Erinnerung entspringen. Das war zu Ihrer Zeit!

Wir haben die Student-Service-Card eingeführt. Die Anmeldung ist vereinfacht worden. Studierende haben Zugänge zu Anmeldungen über das Internet. Es ist alles bestens organisiert worden. Dass es manchmal noch überlaufene Vorlesungen gibt, das ist möglich.

Wir haben ein neues Hörsaalzentrum gebaut. Ich weise auf die SOWI Innsbruck hin, die gebaut wurde. Bestens! Wir haben vorgestern das Ausweichgebäude für die Wirt­schaftsuniversität in Betrieb genommen, weil die Wirtschaftsuniversität saniert wird. Es wird unheimlich viel gemacht! Es kann nicht alles gleichzeitig gemacht werden, weil einfach viele Altlasten da sind, wo wir Schritt für Schritt darangehen müssen, die Be­din­gungen noch zu verbessern.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen auch Ihre Frage beantworten, warum eine Dringliche Anfrage notwendig war. (Abg. Mag. Kogler: Wieso? Sie sind ja nicht die Fragestellerin!) Morgen findet eine Sitzung des Universitätsrates an der Universität Wien statt. Es wird auf der Homepage, im Internet zu zahlreichen weiteren Aktionen aufgerufen (Abg. Mag. Kogler: Das wird immer kurioser!) – Belagerungen, Besetzun­gen, Sitzungen, Fauteuils hinstellen, Essen mitbringen, laute Musik machen –, und es werden nach meiner Information Briefe verschickt, Einladungen unter dem Namen Rektor Winckler zu einem Sit-in am Abend, die Rektor Winckler nicht geschrieben hat. (Abg. Murauer: Die „Zukunftswerkstatt!“ – Abg. Dr. Stummvoll: Fälschungen!)

Heute wäre für die Damen und Herren von der Opposition die Gelegenheit gewesen, sich von all diesen Vorgängen zu distanzieren und damit den jungen Menschen, die ihnen nahe stehen, auch ein Signal zu geben, dass man zu einer demokratischen


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Diskussionskultur zurückkehren soll. Ich bedauere es zutiefst, dass das versäumt wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Redezeit: wunschgemäß 5 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


16.33

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bildungsministerin! Kollege Cap hat ja die Qualität dieser Dringlichen Anfrage bereits ausführlich gewürdigt. Viel­leicht sollten wir sie uns noch einmal näher anschauen: Gestern war es offenbar nicht dringlich – gestern gab es ja keine Dringliche. Heute wurde es dringlich. Jetzt hat die Ministerin gesagt, sie war notwendig. Haben Sie, Frau Bundesministerin, das vielleicht jetzt überhaupt selbst geschrieben, oder wer macht die Dringlichen – denn eigentlich ist das ein Instrument der Abgeordneten? Sie sagen, sie war notwendig, und dann bestellt man sie, und dann kommt sie offenbar. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn man zurückgeht auf die Fragen, dann ist es ja auch nicht uninteressant. Finanzminister Grasser hat ja heute in einem Akt, wo er offenbar nicht ganz mit der Geschäftsordnung umgehen konnte, mehrmals gemeint, dass man Fragen nicht beantworten muss oder dass man beispielsweise auf Fragen, die neu sind, die seit gestern mit Fakten belegt sind, sagt, das habe ich ohnedies schon in parlamen­tari­schen Anfragen beantwortet.

Dann gab es eine Unterbrechung. Da hat er offenbar schnell einen Beratervertrag be­kommen. Darauf sagte er dann immer, das sei nicht Gegenstand der Vollziehung. Prä­sident Khol hat ihm fleißig assistiert und immer auch mitgeteilt, was offenbar nicht Gegenstand der Vollziehung ist.

Jetzt schaue ich mir die Fragen an, und dann frage ich mich schon, ob die Frage „Wie schätzen Sie die beschriebenen Vorkommnisse und die Wortwahl der Beteiligten ein?“ Gegenstand der Vollziehung der Bundesministerin ist. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist Ihnen unangenehm, Herr Kollege!) Aber da hört man nichts davon, ob das Gegenstand der Vollziehung ist oder freigestellt wird oder nicht. Da geht es offenbar ganz einfach. Es ist schon bemerkenswert, wie unterschiedlich in diesem Parlament offenbar mit Re­gierungsmitgliedern und mit Rechten der Opposition und der Regierung umgegangen wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Tut offensichtlich sehr weh!)

Kollege Amon war überhaupt der Beste. Er hat gesagt, das ist ein gutes Gesetz, weil es der Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben hat. Das stimmt schon, bei Ihren Ge­setzen ist das schon ein Qualitätsmerkmal, wenn eines einmal so weit bleibt, dass man es nicht aufhebt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Aber inhaltlich gehört zu einem guten Gesetz etwas mehr, als dass es nicht aufgehoben wird. Das war nicht sonderlich überzeugend.

Aber versuchen wir ein bisschen zum Ernst der Geschichte zurückzugehen, uns damit zu beschäftigen, wie Sie nämlich damit umgehen: Was mich irrsinnig nervt, ist die ständige Aufforderung, mich von irgendetwas distanzieren zu sollen, mit dem ich genauso wenig zu tun habe wie Sie. Das ist ja absurd! Was habe ich mit dem Tortenwerfer zu tun? Ich weiß nicht einmal, wer das war – angeblich jemand von der „Linkswende“. Als ob das irgendetwas mit den Grünen zu tun hätte. Dann verlangen Sie, wir sollen uns von Dingen distanzieren, die morgen stattfinden können. Von was sollen wir uns denn noch alles distanzieren, damit Sie da zufrieden sind? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Wenn Sie es hören wollen, dann sage ich es Ihnen noch einmal: Ich halte diese Form der Auseinandersetzung, auch das Tortenwerfen, für nicht angebracht. (Demonstra­tiver Beifall bei der ÖVP.) Das hat ohnedies jeder gesagt. Das ist ja nichts Neues! Die Frage ist allerdings, was das mit uns zu tun hat. Das ist es ja, worum es hier laufend geht. Ich würde auch glauben, dass man zum Dialog zurückkehren soll.

Aber dann schauen wir uns einmal an, wie Sie damit umgehen: Was heißt denn „Es­kalation der Gewalt“? Stellen Sie sich einmal vor, da gibt es im Ausland jemanden, der sich über die österreichische Situation informiert und „Eskalation der Gewalt“ liest. Dann überlegen Sie einmal, was damit assoziiert wird! Was würde jemand anneh­men? – Aufstände, Prügeleien, wahrscheinlich Schwerverletzte. Das wird damit asso­ziiert, wenn man von „Eskalation der Gewalt“ spricht.

Da sollten Sie sich einmal an der Nase nehmen und überlegen, welches Klima Sie da prägen. Das geht auf Ihre Kappe, wenn Sie so damit umgehen, wenn Sie diese Form von Aktionen, die wir bei weitem nicht gutheißen, in eine „Eskalation der Gewalt“ umdeuten.

Dann sage ich Ihnen noch etwas: Generalsekretär Lopatka präsentierte hier eine Tafel, auf der eine Faust zu sehen ist, die ins Gesicht schlägt. Na sagen Sie mir, wo das stattgefunden hat! Wo gab es einen Faustschlag? Herr Winckler hat einen Faustschlag erhalten? (Abg. Dr. Fekter: ÖH-Homepage!) – Das ist die Form, wie Sie offenbar damit umgehen. Das ist alles egal. Auf dem nächsten Bild wird er wahrscheinlich mit der Trage hinausgetragen. Überlegen Sie sich einmal, was Sie da eskalieren! Das ist ja unglaublich, was Sie da ständig unterstellen! Ich verwahre mich dagegen, wenn Sie mich immer auffordern, mich von irgendetwas zu distanzieren. (Rufe bei der ÖVP.) Was denn? – Die Faust? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was wird denn da signalisiert? – Ein Faustschlag! Sie sagen, dass hier Faustschläge verteilt worden sind. Es ist ja unglaublich, was Sie da machen!

Zurück zur Frage der Qualität an den Unis und zu Ihrer dauernden Deutschland-Pho­bie. Die ist ja auch schon unglaublich. Jedes Mal, wenn man von Bildung redet, sagen Sie „Deutschland“. Ich könnte einen Test machen: Nennen wir irgendeinen Bildungs­ausdruck – mit Sicherheit wird irgendwer von Ihnen „Deutschland“ sagen! – Ist das der einzige Vergleichshorizont, den Sie haben? Bei der FPÖ verstehe ich das ja. Aber dass Sie von der ÖVP ununterbrochen nur von Deutschland reden, wundert mich.

Was die Universitäten betrifft, sollten Sie einmal schauen, wo die entsprechenden Ver­gleichs­werte zu finden sind. Schauen Sie einmal nach Skandinavien und betrachten Sie dort die AkademikerInnenquoten, die Bildungsbeteiligung, die Qualitäten an den Unis! Da brauchen Sie nicht immer nur nach Deutschland zu schauen. Dieser Horizont ist etwas zu beschränkt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.38

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


16.38

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Wie dringlich diese Dringliche für die Auseinandersetzung hier im Parlament ist, ist Ihnen offenbar nicht einmal gelungen, den eigenen Abgeordneten zu erklären. Es sitzen nur sehr wenige hier, und sehr wenige bezeugen, dass sie dieses Thema für unwahr­schein­lich dringlich am heutigen Tag halten. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Ich denke aber doch, dass es einen Grund hat, dass diese Dringliche sehr dringlich ist, nämlich für einen: für den Herrn Finanzminister, den Sie offenbar tunlichst davor schützen, dass er in freier Rede hier im Hause Rede und Antwort stehen muss.


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Offensichtlich hat der Herr Bundesminister von seinem Anwalt schon den Rat bekom­men, nicht zu viel frei zu sagen, denn es könnte ja wieder passieren, was vor dem Sommer bereits geschehen ist: dass er sich verplappert und dass in einer Antwort hier im Parlament wieder etwas ans Tageslicht kommt, was ihn mehr hineinzieht in die Ge­schichten, die ohnedies schon bekannt sind.

Aber trösten Sie sich, sehr geehrte Damen und Herren: Stück für Stück kommt alles ans Tageslicht. Auch wenn Sie es hier verhindern, heute verhindern: Die Pressefreiheit besteht weiterhin. Wir werden in den Zeitungen und Magazinen der nächsten Tage und Wochen wieder neue Enthüllungen lesen. Die Geschichte wird irgendwann einmal auch ihr entsprechendes Ende finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber kommen wir zum Thema Ihrer Anfrage, reden wir über Gewalt an den Univer­sitäten. Es ist eine Torte geworfen worden. Keiner von uns hier hat das als eine Aktion befunden, die unterstützenswürdig ist. Alle haben gesagt, so sind politische Ausein­an­der­setzungen nicht zu führen.

Aber reden wir auch über andere Dinge, die an den Universitäten passiert sind. Kollege Grünewald hat es schon angesprochen, aber die Frau Ministerin hat leider nicht darauf geantwortet. Ich möchte es noch einmal ansprechen: Es ist bereits neun Monate her, dass bei einer Kundgebung vor der Wiener Universität ein Uni-Rat – nicht irgendje­mand, ein von der Frau Bundesministerin Gehrer bestellter Uni-Rat! – bei einer De­monstration auf Studenten eingeprügelt hat. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Ich frage Sie: Ist das Gewalt oder ist das nicht Gewalt? (Abg. Amon: Wenn es so war, ist es Gewalt!) Ein Uni-Rat prügelt auf Studierende, die vor der Universität friedlich de­monstrieren, ein. (Abg. Mag. Kogler: Habt ihr euch davon distanziert? – Abg. Reheis: Wo ist der Aufschrei?) Wo, bitte, bleibt Ihre Distanzierung? Wo bleibt der Aufschrei? – Seit neun Monaten haben wir nichts von Ihnen gehört, Frau Bundesministerin! Seit neun Monaten haben Sie kein Wort dazu gesagt, geschweige denn – was dringend notwendig gewesen wäre –, dass Sie diesen Herrn abberufen hätten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das ist wohl eine ganz klare Disqualifikation für diese wichtige Position an der Univer­sität. (Abg. Mag. Kogler: Das wäre wenigstens Vollziehungssache!) Frau Bundesmi­nis­terin! Ich fordere Sie auf, heute und hier die Gelegenheit zu ergreifen, sich dazu zu äußern, sich zu distanzieren. Das ist eine Gewalttat, Frau Bundesministerin! Sie kön­nen nicht mit unterschiedlichem Maß messen und sagen: Torte geworfen – entsetz­liche Gewalttat. – Ich gebe Ihnen Recht: Das ist nicht das richtige Mittel der politischen Auseinandersetzung, aber bitte nehmen Sie heute die Gelegenheit wahr und äußern Sie sich auch zu diesem Fall! Sagen Sie, was Sie in diesem Fall vorhaben: Werden Sie den Uni-Rat Weiß abberufen oder werden Sie ihn weiter decken? – Ergreifen Sie die Gelegenheit und nehmen Sie dazu Stellung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Kogler: Dann hat diese Dringliche noch einen Sinn!)

Frau Bundesministerin! Der Unmut an den Universitäten ist groß, und die Studenten demonstrieren seit vielen Monaten sehr friedlich. Es ist bis jetzt überhaupt nichts passiert. Der Unmut wird immer größer, und dass er immer größer wird, hat sehr viel mit Ihnen, mit Ihrer Politik und mit Ihrem Umgang mit diesen Problemen zu tun.

Frau Bundesministerin, vergessen Sie nicht, diese Unireform, dieses Universitäts­ge­setz wurde von Ihnen niemals ernsthaft mit den Betroffenen diskutiert. Vergessen Sie nicht, Sie haben die Kritik, die Einwände, die Bedenken der vielen Experten und Expertinnen im Vorfeld niemals ernst genommen. (Ruf bei der ÖVP: Ist ja nicht wahr! – Abg. Ellmauer: Solche Unterstellungen immer!)


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Vergessen Sie nicht, es wurde mit diesem Gesetz die gesetzliche Vertretung der Studierenden de facto um ihr Recht gebracht, und vergessen Sie nicht, dass die Vertretung des Mittelbaus de facto abgeschafft wurde. Das ist nicht irgendwie passiert und ein unabsichtliches Ergebnis von irgendwelchen Prozessen. Nein, Frau Bundes­ministerin: Das ist offensichtlich ein Herzensanliegen von Ihnen!

Bei einer öffentlichen Diskussion hat vor kurzem der Rektor der Universität Klagenfurt mitgeteilt, dass er daran denkt, an seiner Universität soweit machbar Mitsprache­mög­lichkeiten für die Studierenden zu schaffen. Man höre und staune: Dieser Mann be­kommt kurz darauf einen Anruf von Ihnen, Frau Bundesministerin, bei dem Sie ihn warnen, doch nicht in dieser Art und Weise die Mitsprache über die Hintertür einzu­führen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Unerhört!) Das ist beschämend, Frau Bundes­minis­terin! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie und Ihre Fraktionen diskutieren heute mit uns über Demokratie, wo es Ihnen offen­sichtlich ein großes politisches Anliegen ist, quer durch alle Gesellschaftsbereiche Mit­entscheidungsmöglichkeiten, Mitsprachemöglichkeiten und Rechte abzuschaffen und einzuschränken. (Abg. Großruck: Einmal 5 Minuten die Wahrheit sagen! Märchen­stun­de! Wenn Sie die Wahrheit so ernst nehmen wie Ihre Kollegen!)

Frau Kollegin Brinek, Sie reden von „Verlotterung“. – Jawohl, das ist Verlotterung! Das ist Verlotterung der Universitäten und im größeren Ausmaß Verlotterung in vielen ge­sellschaftlichen Bereichen. Es geht hier um Lebenschancen von jungen Menschen an den Universitäten und allgemein von Menschen in diesem Land. (Abg. Großruck: Haben Sie mit normalen Studenten auch einmal gesprochen? Mit der überwiegenden Mehrheit? – Abg. Dr. Brinek: ... Gewaltvorwurf an das Parlament!) Da haben Sie einen zu leichtfertigen Umgang, den wir auch noch öfter hier thematisieren werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.45

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor die beiden nächsten Redner Scheibner und Mag. Kogler das Wort ergreifen, gelangt Frau Bundesministerin Gehrer zu Wort. – Bitte.

 


16.45

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Vorfall auf der Universitätsrampe wurde damals selbst­verständlich von uns verurteilt. Meinen Informationen nach wurde eine Anzeige ge­macht – und das Verfahren wurde eingestellt. Das sind die Tatsachen. (Abg. Dr. Lich­ten­berger: Wie denn? – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Zweite, was ich klarstellen möchte: Die Mitbestimmung wurde nicht abgeschafft. Die Studenten stellen nach wie vor ein Viertel der Mitglieder des Senats. Es gibt zahlreiche Gremien, in denen die Mitbestimmung weitergeführt wird, nur gibt es nicht mehr 298 Einrichtungen, in denen Studierende sitzen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Über die Anzahl der Blumenstöcke dürfen sie mitentscheiden!)

Das Dritte: Ich habe den Rektor in Klagenfurt nicht angerufen. Ich bitte Sie, mir nicht derartige Dinge zu unterstellen. (Abg. Mag. Molterer – in Richtung der Abg. Mag. Kuntzl –: So halten Sie es mit der Wahrheit!) Im Gegenteil: Ich bin froh, wenn Rektoren im Rahmen des bestehenden Gesetzes die studentische Mitbestimmung, die studentische Mitsprache regeln. Ich bin da ganz der Meinung von Rektor Gäbler von der Universität Basel, der sagt:

„Die demokratische Grundhaltung einer Universität entscheidet sich nicht daran, ob Mitbestimmung bis ins Kleinste geregelt ist, wohl aber daran, wie eine Universität mit Studierenden umgeht, und zwar in ganz konkreten Situationen.“


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Wir dürfen stolz darauf sein, dass unsere Rektoren mit den Studierenden demokratisch und partnerschaftlich umgehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. 5 Minuten Wunschredezeit, 14 Minuten Restredezeit der Fraktion. – Bitte.

 


16.47

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! (Abg. Großruck: Die Frau Kuntzl soll sich entschul­digen für ihre Äußerung!) Frau Abgeordnete Kuntzl, mag schon sein, dass niemand von Ihnen hier sagt – und das wäre ja wirklich gar nicht zu beschreiben! –, er unter­stützt diese Tortenaktion. Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Man kann eine gewalttätige Handlung aber auch dadurch verharmlosen, dass man sie ins Lächerliche zieht. (Abg. Dr. Brinek: Genau! – Abg. Mag. Kuntzl: Wer hat das ge­macht?)

Ich wollte mich eigentlich heute in der Debatte gar nicht zu Wort melden, aber ich habe sehr genau zugehört, was da so an Zwischenrufen gekommen ist. Wenn ich da Aus­sagen höre wie „Amon spricht wie ein verkleidetes Tortenstück“, „das ist eine dringliche Torte und keine dringliche Anfrage“, „die Steigerung der Torte ist die Schwedenbombe“ (Ruf bei der ÖVP: Menschenverachtend!), dann frage ich mich, wo der Spaß aufhört und wo die Gewalt beginnt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Du bist einer von denen, die von roten und schwarzen Filzläusen reden!)

Kollege Kummerer: Wo hört der Spaß auf? Ist die Torte etwas anderes? Ist das lustig oder lächerlich? Ist das anders zu bewerten als der Stein, der Molotow-Cocktail oder die Holzlatte? (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: ... Blausäure!) – Ich sage Ihnen: Jede Form von Gewalt gegen eine Meinung, jedes Mittel der Gewalt in politischen Auseinan­dersetzungen ist abzulehnen, nicht zu verharmlosen oder lächerlich zu machen (Abg. Heinisch-Hosek: Und die Burschenschafter?) – und auch nicht mit anderen Dingen zu vergleichen, Frau Kollegin! Egal, wo Gewalt angewendet wird, um politische Argu­mente zu unterdrücken, ist sie abzulehnen und nicht lächerlich zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist auch nicht darüber zu diskutieren, ob ein Faustschlag stattgefunden hat oder eine Ohrfeige. Herr Kollege Brosz! Das hätte ich mir erwartet: Das ist ein Anschlag ge­gen die körperliche Integrität, gegen die Meinungsfreiheit und gegen die Menschen­würde, egal von wem, gegen wen und aus welchen Motiven das durchgeführt wurde. Da darf man auch nicht sagen, wer solche Gesetze macht, schürt Emotionen.

Man kann sagen, es gibt irgendwelche Schwellen und das sei zulässig. Aber dann frage ich mich, ob Sie in Ihrer Argumentation auch wirklich immer mit demselben Maß messen. Ist es wirklich ein Unterschied, ob Linke derartige Aktivitäten setzen oder Rechte? – Für mich besteht da kein Unterschied. Jede Gewalt ist abzulehnen – egal, von wem sie ausgeht und gegen wen sie verübt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich bin schon lange genug in diesem Hohen Haus und habe hier schon viele Debatten, Dringliche Anfragen und Sondersitzungen erlebt, in denen man sich gegen Gewalt ausgesprochen hat. Was hätte man getan, wenn jemand etwa von den Freiheitlichen oder von einer anderen Partei das Thema so ins Lächerliche gezogen hätte, wie Sie das hier gemacht haben?

Ich habe jedoch auch erlebt, wie man versucht hat, wirkliche politische Gewalttaten zu instrumentalisieren, und auch hier im Hohen Haus entsprechende Debatten abgeführt


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hat, anstatt all diesen Vorwürfen, Beweisen und Hinweisen auch wirklich konkret nach­zu­gehen.

Meine Damen und Herren! Ich habe es auch erlebt, dass bei politischen Veran­staltungen Mitglieder von anderen politischen Organisationen – von linken Organisa­tionen – wirklich, Kollege Brosz, mit Faustschlägen und mit Eisenketten auch gegen alte Menschen vorgegangen sind, nur deshalb, weil sie anderer Meinung waren und an einer politischen Veranstaltung teilgenommen haben, die nicht in das Konzept dieser linken Organisation gepasst hat. Dazu hat es hier keine Debatten und keine Distan­zierungen gegeben.

Wir haben hier auch schon über Flugblätter diskutiert, auf denen Politiker der Republik Österreich im Fadenkreuz gestanden sind und es eine Aufforderung zu Gewalttaten gegeben hat. Gott sei Dank hat dieses Maß an gewalttätiger politischer Auseinan­dersetzung in den letzten Jahren abgenommen.

Wehren wir alle gemeinsam den Anfängen, damit wir wieder zu einer Auseinan­derset­zung mit Worten zurückkommen. Ich möchte eine Auseinandersetzung mit Argumen­ten und einen Diskurs und nicht gewalttätige Auseinandersetzungen, mit welchen Mitteln auch immer sie geführt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sie sagen, diese Dringliche ist ein Missbrauch. – Okay, das ist Ihre politische Argumentation, die ist zulässig. Ich sage Ihnen aber: Der Finanz­minister hat es nicht notwendig, dass wir ihn schützen und verhindern, dass er Rede und Antwort steht, denn er ist durch Ihre permanenten Dringlichen Anfragen und Ak­tionen so geübt und trainiert, dass er unsere Unterstützung überhaupt nicht braucht. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie werden sich jetzt schön langsam den Vorwurf gefallen lassen müssen – in den Me­dien ist das ja auch schon einige Male zum Ausdruck gekommen –, dass Sie ei­gent­lich kein anderes Thema mehr haben. (Abg. Mag. Kogler: Sie haben ja keine The­men!)

Ich habe ja die Triumphworte und Aussagen einiger Ihrer Abgeordneten gestern noch vernommen, jetzt habe man uns die Steuerreform wieder „abgestochen“. – Das ist ja das Ziel, das Sie mit dieser Kampagne in Wirklichkeit verfolgen! (Abg. Mag. Kogler: Welche Steuerreform? Es gibt ja keine Steuerreform! Es gibt nur einen Steuermurks!) Sie wollen eben nicht über die positiven Argumente der Regierungspolitik diskutieren, weil Sie selbst keine besseren Konzepte und Argumente für die tagespolitischen Fra­gen und für die wichtigen Zukunftsfragen haben. Darum konzentrieren Sie sich ganz einfach auf diese eine Kampagne gegen den Finanzminister.

Es ist zulässig. Ich sage nicht, dass es ein Missbrauch ist. Meine Damen und Herren! Kollege Cap! Der Spaß hört sich aber dann auf, wenn man bei politischer Gewalt unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Darüber sollte es hier in diesem Hohen Haus einmal einen Konsens geben, denn dann würden wir bei der politischen Kultur in Österreich vielleicht einen Schritt weiterkommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. Der zu berichtigende Sachverhalt wird dargestellt und der richtige diesem entgegengestellt. – Bitte.

 


16.54

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Frau Bundesministerin Gehrer hat uns informiert, dass das Verfahren gegen den Studenten verprügelnden Uni-Rat Weiß eingestellt worden sei.


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Ich stelle richtig: Dieses Verfahren ist nicht eingestellt worden. Der Staatsanwalt hat einen außergerichtlichen Tatausgleich vorgeschlagen, was eine Schuld impliziert. Sie, Frau Bundesministerin, haben es versäumt, dazu Stellung zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek – in Richtung der auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Gehrer –: Warum sagen Sie nicht die Wahrheit?)

16.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als vorläufig letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. Redezeit: 5 Minuten. Restredezeit der Fraktion: 10 Mi­nuten. – Bitte. (Abg. Großruck  in Richtung der das Rednerpult verlassenden Abg. Mag. Kuntzl –: ... dass Sie die Unwahrheit gesagt haben wegen dem Rektor von Klagenfurt!)

 


16.55

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es gäbe ja wieder Anlass für serielle tatsächliche Berich­tigungen und diverses andere. Ich beginne nur kurz damit, dass irgendjemand sich darüber gefreut hätte, dass eine angebliche Steuerreform – wie Sie sich auszudrücken pflegten – „abgestochen“ wurde.

An der Stelle wäre zu berichtigen gewesen: Das kann nicht sein, denn es gibt keine Steuer­reform. (Abg. Dr. Lichtenberger: Steuergeschenke für Unternehmer!) Es gibt irgendwelche Senkungsmaßnahmen für einzelne Klientelen, die der schwarzen Regie­rungspartei nahe stehen. Einer solchen Reform kann man also auch nichts anhaben, denn es gibt sie nicht. In Wirklichkeit werden Probleme verschärft. Eine Reform würde nämlich ganz anders ausschauen.

Aber kommen wir zu dem Thema der beiden Tage, weil Sie das ja so bedauern. Rufen wir uns die Chronologie in Erinnerung. Ich sage Ihnen: Wir sollten tatsächlich die Torte in der Konditorei lassen. Ich finde dieses Instrument des Tortenschmierens nicht in Ordnung. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Mai­noni: ... Spezialisten von Ihnen!)

Aber das ist nicht das Problem. Das ist nur Ihr Problem. Wir sollten auch die Kirche im Dorf lassen. Betrachten wir die Chronologie dieser Sache: Wir haben es hier nicht mit einer Dringlichen Anfrage in Sachen Universitäten zu tun, sondern mit einem Versteck­spiel – einem „dringlichen Versteckspiel“. Hierbei handelt es sich um ein dringendes Finanzministerverstecken und sonst um gar nichts! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Nur das kann das einzige Motiv dieser Dringlichen sein, und deshalb gehört es auch irgendwie zur Sache. Ich mache Ihnen aber die Freude und werde mich auch gleich darauf beziehen, was der Herr Bundesfinanzminister und sein Kabinettchef mit der Uni­versität im Besonderen zu tun haben. Das wäre allenfalls interessant, das haben Sie aber wieder verschwiegen.

Herr Kollege Amon, ich komme nur deshalb darauf zurück, weil Sie es ja selbst nicht wirklich ernst genommen haben. Mit einem gewissen Wohlwollen habe ich beobachten können, wie Ihnen links und rechts das Schmunzeln ausgekommen ist, sodass es in ein richtiges Lachen übergegangen ist. Mir ist das nicht unsympathisch, aber als be­sonders dringlich haben Sie dieses Thema offensichtlich selbst nicht empfunden.

Es besteht ja auch ein weiteres Mal der Verdacht, dass diese Dringliche Anfrage, gleich­wohl als klassisches Institut von Abgeordneten gedacht, gar nicht von Abge­ordneten geschrieben wurde, sondern möglicherweise – nach den Ausführungen der Frau Bundesministerin – im Ressort. Das mag immer schon üblich gewesen sein, aber meiner Meinung nach ist das befremdlich, wenn – und jetzt kommt der Zusam­men-


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hang – ganz offensichtlich eine Gruppe von Abgeordneten die andere Gruppe daran hindern will, eine Dringliche Anfrage einzubringen, und sich dann des Ressorts bedient und sich die Dinge vorfertigen lässt. Von freien Abgeordneten würde man sich etwas anderes erwarten. Lassen Sie sich wenigstens nicht immer dabei erwischen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist schon problematisch, wenn Sie als Abgeordnete die Untersuchungsausschüsse dazu nützen, dem Herrn Finanzminister einfach die Mauer zu machen, und dann im Plenum so verfahren, wie Sie es jetzt tun. Diese Verantwortung müssen Sie aber selbst tragen. Damit werden Sie auch noch konfrontiert werden.

Nächster Punkt: Wenn der Herr Finanzminister sich aussuchen darf, was in den Bereich der Vollziehung gehört und was nicht, und sich ständig in Widersprüche ver­wickelt, dann ist es schon eigenartig, dass ausgerechnet die Fraktion der ÖVP oder auch der FPÖ oder eben wahrscheinlich das Ressort es zusammenbringt, fünf Fragen zu formulieren, von denen eine vielleicht am Rande der Vollziehung vorbeischrammt – in homöopathischen Dosen, in der Nähe, vielleicht.

Vier von den fünf Fragen haben mit der Vollziehung exakt nichts zu tun. Meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Ich frage Sie: Was hat es mit Vollziehung zu tun, wenn Sie wissen wollen, wie irgendein Paragraph eines Gesetzes ausschaut, das die meisten von Ihnen selbst beschlossen haben? – Das ist doch der Tiefpunkt! Das haben Sie heute zu verantworten, und dann regen Sie sich darüber auf, dass irgend­jemand etwas nicht ernst genug nimmt.

Wollen Sie damit wirklich ernst genommen werden? Wollen Sie sich das auch noch aufhalsen? Seien Sie doch froh, dass man das nicht wirklich ernst nimmt! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Aber das muntere Finanzministerverstecken kann nicht einmal im Zusammenhang mit der Universität gelingen. Es gibt nämlich wirklich einen Zusammenhang zwischen Uni­versität und Finanzminister und dem Herrn Kabinettchef, der ja immer weiter in diesem Sumpf versinkt. Ich finde es bemerkenswert – dazu sollten Sie sich einmal äußern –, was das für Zustände bei uns sind, dass der Herr Bundesminister für Finanzen ein Dis­sertationsthema wählt, das mehr oder weniger aus der Regierungserklärung abge­kupfert ist.

Jetzt mag man sich fragen: Schaut die Regierungserklärung so aus, weil das Disser­tationsthema so ausschaut, oder ist es umgekehrt? (Beifall bei den Grünen.) Der so genannte Doktorvater für diese ganze Sache ist kein Geringerer – und das ist ja eigentlich wieder ernst – als der offizielle Leiter einer offiziellen Steuerreform­kommis­sion dieses Ministeriums und dieser Regierung. Das mag Ihnen Wurscht sein, Sie mögen wieder keine Unvereinbarkeiten erkennen – andere auf der Universität schon! Und das halte ich für problematisch! (Abg. Dr. Brinek: Schauen Sie sich andere Dis­sertationsthemen einmal an!) Ja, das Dissertationsthema ist genau die Marketing-Überschrift, mit der Sie sonst die Leute behelligen, nämlich die Senkung der Abga­ben­quote auf 40 Prozent. Na bumm, da wird geforscht werden, da werden die Köpfe rauchen! (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage Ihnen, Herr Professor Kofler ist es bis heute schuldig geblieben, zu sagen, welches Forschungsziel mit dieser Dissertation verfolgt wird und welche Methodik angewandt wird. Es ist nicht einmal klar, in welchem Fach diese Dissertation ge­schrieben wird. Also, KHG, auch hier bitte vor den Vorhang! Das wäre noch eine Ret­tung dieser Dringlichen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend: Auch Herr Kabinettchef Matthias Winkler, der erfolgreich versteckt wird – unter anderem von Ihnen im Untersuchungsausschuss –, hat ja mittlerweile eine


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Diplomarbeit abgeliefert. Das ist jedenfalls auch Gegenstand der Vollziehung insofern, als sich dort jetzt etliche Professoren mit diesem „schmalbrüstigen Werk“ – ich zitiere das „profil“ – auseinander setzen, weil darin dauernd Zitate gebracht wurden, die über­haupt nicht existieren. Schein-Zitate – das ist eine Diplomarbeit, gratuliere!

Schein-Zitat, Schein-Finanzminister, Schein-Dringliche, das haben Sie wunderbar hin­gekriegt! (Ruf bei der ÖVP: Sie sind nicht der, der das beurteilt! – Abg. Großruck: Prorektor Kogler!)

17.01

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Molterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.01

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe mit zum Teil großer Bestürzung – das sage ich Ihnen sehr offen – diese Diskussion der letzten zwei Stunden mitverfolgt. Wenn jemand wie ich eine bestimmte Tradition hat und auch in der Hochschülerschaft gelebt hat, immer gegen Gewalt eingetreten ist und auch in Zukunft gegen Gewalt eintreten wird, dann möchte ich Ihnen nur einige Dinge als Bitte zum Nachdenken mitgeben. Mehr kann ich nicht tun.

Herr Kollege Kogler und andere! Ich halte es für absolut bedenklich, wenn jemand an­lässlich einer gewalttätigen Aktion sagt, man möge die Kirche im Dorf lassen. (Abg. Dr. Brinek: Ja, weil er ...!) Ja was heißt denn das? (Abg. Mag. Kogler: Sie können überhaupt nicht differenzieren!) Was heißt denn das? (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Grünen.) Ich nicht, Herr Kollege Kogler, ich nicht! (Abg. Mag. Kogler: Ich habe mich ja klar dagegen ausgesprochen! Ist ja unglaublich!) Ich distanziere mich von jeder Form der Gewalt, ganz egal, von welcher Seite und in welchem Ausmaß sie ausgeübt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es darf niemand hier in diesem Haus den Eindruck er­wecken, dass es auch nur in irgendeiner kleinen Form eine quantitative Größe gäbe, von der man sagen könnte, man ließe die Kirche im Dorf. Wo kommen wir denn da hin? – Gewalt ist abzulehnen, meine Damen und Herren – egal, von wo, egal, in wel­chem Ausmaß! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine zweite Bemerkung sei mir gestattet, gerade zu den Grünen. Es gibt für mich kei­nen unterschiedlichen Maßstab. Ich sage Ihnen sehr offen, was ich in den letzten Mo­naten und Jahren erlebt habe: dass dann, wenn es gegen diese Bundesregierung ge­gangen ist, mit einem Augenzwinkern argumentiert wurde. Das lehne ich ab, und zwar in aller Klarheit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es darf in diesem Haus – das hoffe ich und davon gehe ich aus – in der Frage Gewalt von niemandem ein Augenzwinkern geben. Es gibt keine gute und keine weniger gute, es gibt keine akzeptierte, nein, es gibt nur eine ablehnenswerte Gewalt! Davon gehe ich doch aus, meine Damen und Herren. Geben Sie das Augenzwinkern in dieser Frage auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine dritte Bemerkung: Auch das Lächerlich-Machen von bestimmten Vorkommnissen ist eine Art von Rechtfertigung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Machen Sie bestimmte Dinge nicht lächerlich, meine Damen und Herren! Ich lasse es nicht zu, und ich werde mich mit aller mir zur Verfügung stehenden, auch persönlichen Mög­lichkeit gegen jede Form von Lächerlich-Machen von Gewalt aussprechen und den Finger drauflegen, wenn jemand glaubt, mit Lächerlich-Machen Gewalt rechtfertigen zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Das ist totale Scheinheiligkeit! – Gegenrufe bei der ÖVP.)


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Vierte Bemerkung: Ich bin dafür, dass wir die Grenzen scharf ziehen. (Abg. Mag. Kog­ler: Das ist Scheinheiligkeit! Ihre Wahlkampagne ist unter jeder Kritik!) Herr Kollege Brosz! (Abg. Dr. Partik-Pablé: ... Ordnungsruf! – Abg. Mag. Kogler: Scheinheiligkeit! Dabei bleibe ich!) Offensichtlich hören Sie nicht gerne zu, wenn ich das sage. Wenn Sie beispielsweise auf den Hinweis hin, dass von der Hochschülerschaft der Uni­versität Wien auf der Homepage die Faust als Zeichen verwendet wird, dieses herun­terspielen, dann sage ich Ihnen genau: Hier ist eine Grenze, die – und ich fordere Sie dazu auf – von niemand überschritten werden darf. Auch ein vielleicht nur spielerisch gemeinter, von mir aber ganz anders empfundener graphischer Auftritt kann nicht klein geredet werden. Er ist da und abzulehnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Auch diese Grenzziehung ist notwendig. Ich fordere Sie auf: Ziehen Sie diese Grenze!

Vorletzte Bemerkung: Frau Kollegin Kuntzl! Es ist eine interessante Methode, hier herauszugehen und zu sagen, die Ministerin hätte jemanden angerufen. Frau Bun­desminister Gehrer hat klargestellt: Sie hat das nicht gemacht. Bleiben Sie auch in die­sem Zusammenhang dabei – wenn auch bei der notwendigen Schärfe der politischen Auseinandersetzung, da tue ich gerne mit –, übertreten Sie auch hier nicht Grenzen! Einfach etwas zu behaupten, was sich im Nachhinein als nicht richtig herausstellt, ist Grenzübertretung in der politischen Auseinandersetzung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die letzte Bemerkung in der Sache: Diese Dringliche Anfrage des Klubs der Öster­reichischen Volkspartei bestätigt selbstverständlich die Notwendigkeit, sich jetzt mit dieser Frage auseinander zu setzen, und stellt klar, dass die Universitätsreform ein gutes Gesetz für die Zukunft unserer Universitäten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.07

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pirklhuber. Die Redezeit beträgt 4 Minuten. – Bitte.

 


17.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Bundesministerin! Frau Außenministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich ein unglaubliches Schauspiel, das wir hier von der Bundesregierung heute vorgeführt bekommen! Ein unglaubliches Schauspiel, weil der Klubobmann der ÖVP wirklich glaubt, uns belehren zu müssen, belehren zu müssen in einer Art und Weise, wie ich es für unangemessen und auch für würdelos Ihrer persönlichen Rolle gegenüber halte, Herr Klubobmann. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihrer Würde entspre­chend ist diese Art und Weise der Belehrung wirklich nicht. Uns hier vorzuführen ... (Abg. Mag. Molterer: Wollen Sie mir das Wort verbieten?)

Ich verbiete Ihnen nicht das Wort. Ich halte es nur für unglaublich, Herr Kollege Mol­terer, dass Sie den Begriff der Gewalt in solcher Einförmigkeit, Einseitigkeit und ohne jede Differenzierung hier verwenden als Politiker, der genau weiß, dass Gewalt ein äußerst komplexes Phänomen ist (Abg. Amon: Erklären Sie hier die Gewalt ...!), von der subtilen Gewalt bis zur staatlichen Autorität vieler Fragen im Hinblick auf den Schutz der Bürgerinnen und Bürger (Abg. Scheibner: Was reden Sie da überhaupt? Das ist ja unglaublich!), auch was die Übergriffe durch Gewalt betrifft, die in subtiler Form in diesem Land passieren. Davon reden wir in diesem Haus, darüber diskutieren wir immer wieder. Die Art und Weise von Diskussionsverweigerung, die Sie hier heute inszeniert haben, ist wirklich beschämend, unglaublich und skandalös, meine Damen und Herren!


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Eines auch zu der Tatsache, die Kollegin Kuntzl hier angesprochen hat, nämlich zu diesem Universitätsrat, der wirklich aktiv vorgegangen ist, der gewalttätig gegen ein Mitglied der Österreichischen Hochschülerschaft agiert hat. Die Art und Weise, wie die Frau Bundesministerin das hier wegschieben will, meine Damen und Herren, ist so etwas von unglaublich und beschämend! Dieser Universitätsrat hätte längst die Kon­sequenzen ziehen und seine Verantwortung zurücklegen müssen. Das wäre politisch korrekt gewesen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

17.09

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Es wurden keine Anträge gestellt. Diese Debatte ist also geschlossen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1014/AB

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zu der Kurzdebatte nach § 57 der Geschäftsordnung betreffend die Anfragebeantwortung der Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit der Ordnungszahl 1014/AB.

Die Anfragebeantwortung ist in schriftlicher Form verteilt worden, sodass sich deren Verlesung durch einen Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein. Ich darf Sie daran erinnern: Begründung 10 Minuten, Stel­lung­nahme des Regierungsmitglieds 10 Minuten, alle weiteren Redebeiträge 5 Mi­nu­ten.

Die Begründung erfolgt durch Frau Abgeordnete Bayr mit einer Redezeit von 10 Minu­ten. – Bitte.

 


17.10

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Beantwortung meiner Anfrage bezüglich österreichischer Ent­wicklungszusammenarbeit, die Ende Dezember zugestellt worden ist, wirft einige neue Fragen auf, und die Antworten erscheinen mir zum Teil in einem fragwürdigen Licht.

Frau Bundesministerin, so frage ich Sie zum Beispiel, ab wann denn die Agentur voll arbeitsfähig sein wird, und Sie antworten mir, ab 1. Jänner 2004. Ich frage Sie, welche Struktur denn diese Agentur haben wird, und Sie antworten mir, dass der Geschäfts­führer ein Unternehmenskonzept binnen sechs Monaten nach Bestellung vorzulegen hat. Ich konstatiere also, dass Sie behaupten, dass etwas schon voll arbeits- und funk­tionstüchtig ist und seit 1. Jänner funktioniert, wofür es noch überhaupt kein Konzept gibt.

Frau Bundesministerin, da Sie ja zu höheren politischen Weihen streben, würde ich Ihnen gerne einen Rat geben: Es ist nicht gut, etwas Neues zu wollen, etwas Neues werden zu wollen und eine neue Struktur machen zu wollen, und sich erst ein halbes Jahr später zu überlegen, was das eigentlich werden soll und wie man es dann ausfüllen möchte. Ich denke, es ist sinnvoll, das vorher festzulegen, vorher über etwas nachzudenken und es dann umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich konstatiere weiter, dass Sie seit Sommer, seit wir hier im Haus die Novelle des EZA-Gesetzes beschlossen haben, ein Gespräch über die neue Agentur und darüber, wie sie ausschauen soll, was genau sie können soll und wie wir sie mit Leben erfüllen wollen, einfach verweigert haben. Sie haben sich der Diskussion mit dem EZA-Unter­ausschuss verweigert, Sie haben sich der Diskussion mit demokratisch gewählten


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Struk­turen verweigert. Ich denke, dass das bei der wirklich relevantesten Umstrukturie­rung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit seit ihrem Bestehen wirklich ein starkes Stück ist! Es bleibt bei mir der sehr schale Nachgeschmack übrig, dass Sie demokratische Strukturen vielleicht nicht so ganz ernst nehmen. Nur, wenn Sie das Präsidentinnenamt anstreben, dann muss ich Ihnen schon sagen: Das hat nichts mit Absolutismus zu tun; was wir in der Hofburg auf jeden Fall nicht brauchen, ist eine Reserve-Sisi. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, ich frage Sie zum Beispiel, wie wir denn bis 2006 die inter­national zugesagten 0,33 Prozent des Bruttonationaleinkommens für unsere Entwick­lungs­hilfeausgaben erreichen wollen. Sie verweisen auf semantisch wohlwollend un­ver­bindliche Passagen aus dem Budgetprogramm, gleichzeitig weisen Sie aber im Anhang zum jetzt vorgelegten Dreijahresprogramm einen Fehlbetrag von 226 Mil­lionen € aus, um diese 0,33 Prozent zu erreichen. Ich konstatiere ebenfalls, dass Sie Versprechungen machen, um in der Öffentlichkeit gut dazustehen, aber in Wirklichkeit keinen Plan haben, wie Sie diese Versprechungen einlösen wollen. Aber offensichtlich sind Sie ein bisschen zu sehr damit beschäftigt, sich um über 400 000 € fotografieren zu lassen, anstatt mit dem Finanzminister über konkrete Erhöhungen und konkrete Modelle für die EZA-Mittel zu verhandeln. (Abg. Hornek: Fragen Sie den Herrn Häupl, was er mit 40 Milliarden Schilling im Jahr macht!) Aber so ist es eben, jeder setzt die Prioritäten im Leben ein bisschen anders. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich konstatiere weiters, dass es international ein unglaublicher Imageschaden für Öster­reich wäre, wenn wir die 0,33 Prozent bis 2006 nicht erreichen. Dieses Nicht­erreichen müssten dann Sie auf Ihre Kappe nehmen. Oder vielleicht müssen Sie es eher auf Ihr Azoren-Pudelhauberl nehmen, das weiß ich nicht ganz genau.

Sie behaupten jedenfalls immer wieder, dass Sie stolz darauf sind, dass wir jetzt im Budgetvoranschlag für 2004 ein Plus von 30 Millionen für die österreichische Entwick­lungszusammenarbeit haben. Aber diese 30 Millionen nehmen sich richtiggehend win­zig aus im Vergleich zu den 226 Millionen, die uns bis 2006 fehlen, geschweige denn von einem Ziel von 0,7 Prozent, wie wir es eigentlich alle anstreben. Dazwischen feh­len Milliardenbeträge, und diese 30 Millionen, die Sie so hochjubeln, nehmen sich auch winzig aus im Vergleich zum Beispiel zu dem, was die Renovierungskosten für die Herrengasse betrifft. Sie nehmen sich winzig aus im Vergleich dazu, was uns die Botschaft in Berlin kostet: über 32 Millionen €. Sie nehmen sich winzig aus im Gegen­satz zu den Ausgaben für das Kulturforum in New York, und sie nehmen sich auch winzig aus im Vergleich zu den Kosten Ihres Hof-Fotografen.

Noch dazu gehen von diesen zusätzlichen 30 Millionen € 12 Millionen € einfach an zu­sätzlichen Verwaltungskosten in die Agentur, eine Agentur, von der Sie immer behaup­ten, dass wir sie unbedingt brauchen, weil die Sektion VII in Zukunft nicht mehr in der Lage sein wird, das viele Mehr an Geld zu verwalten, diese vielen Mehrmittel sinn­gemäß und zweckmäßig einzusetzen. Aber wenn die Mittel nicht wirklich steigen – und es deutet überhaupt nichts darauf hin, dass diese Mittel wirklich steigen – und wenn wir von diesen wenigen steigenden Mitteln beinahe die Hälfte für zusätzliche Verwaltung ausgeben, dann führt sich diese Agentur leider selbst ad absurdum. Das tut mir wirklich Leid. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek.)

Apropos Agentur : Ich lese im „Standard“, dass die ADA, kaum dass sie gegründet ist, schon ArbeitnehmerInnen verleiht. Bei einer Agentur, die keine Strukturen hat und trotzdem schon voll funktionsfähig ist, ist das offensichtlich problemlos möglich. In diesem konkreten Fall geht es um die ehemalige Sprecherin der ehemaligen Vize­kanz­lerin, die Sie in Ihrem Präsidentenwahlkampf unterstützen soll. Mich würde einfach nur interessieren, wo genau geregelt ist, dass die ADA gesetzlich in der Lage ist, Arbeitskräfte zu verleihen. Vielleicht ist es möglich, darauf eine Antwort zu bekommen.


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Frau Bundesministerin, Sie betonen in der Öffentlichkeit immer wieder, wie wichtig Ihnen die österreichische Entwicklungszusammenarbeit ist. Aber wenn man sich die Bilanz näher anschaut, erkennt man, dass sie wirklich nicht befriedigend ist. In Ihrer Zeit als Außenministerin ist das EZA-Budget über Jahre hinweg gekürzt worden. Der Ansatz 1/205, also dieser Teil der Entwicklungszusammenarbeitsgelder, die im Außen­ministerium ressortieren, die von Ihnen geleistet werden, steigen im heurigen Budget­voranschlag erstmals wieder über das Niveau von 1999. Von 1999 bis 2002 gab es ein permanentes Hinunterrasseln dieser Beträge, und das ist wirklich zu beklagen, weil dadurch wesentlich weniger an effektiver, sinnvoller Entwicklungszusammenarbeit mög­lich war und weil es uns dadurch natürlich auch schwerer möglich ist, zum Beispiel die Millenniumsziele zu erreichen und unseren positiven österreichischen Beitrag für die internationale Staatengemeinschaft zu leisten.

Frau Bundesministerin! Ich resümiere gerade nach Lektüre der Anfragebeantwortung, dass sich bei mir der Eindruck erhärtet, dass Sie in der politischen Praxis geneigt zu sein scheinen, ein bisschen auf Sand zu bauen. Aber wer das tut, der geht schnell einmal unter. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lunacek.)

17.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer Stellungnahme im Sinne des § 57 der Ge­schäftsordnung gelangt Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner zu Wort. Die Uhr ist gleichfalls auf 10 Minuten gestellt. – Bitte, Frau Ministerin.

 


17.18

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Bayr, dass Sie eine Anfragebesprechung initiiert haben, denn das gibt mir die Chance, zu zeigen, was ich in der Entwicklungszusammenarbeit in beinahe neunjähriger Arbeit gemacht habe, und auch Bilanz zu ziehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Thema – das wissen Sie – ist mir sehr wichtig. Seit meiner Zeit als Staats­sek­retärin habe ich mich sehr eingehend damit beschäftigt, und ich freue mich, dass es mir gelungen ist, vieles zu verbessern. In keiner Phase – Sie sollten ein bisschen in die Geschichte gehen, Frau Abgeordnete (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald) –, in keiner Phase der über 30-jährigen Geschichte der österreichischen Entwicklungszusam­men­arbeit hat es nämlich so viele wichtige Veränderungen gegeben wie allein in den letzten drei Jahren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke etwa daran, dass die Entwicklungszusammenarbeit jetzt besser organisiert ist. Sie ist kohärenter geworden, und die Projekte für 2004 – wenigstens das haben Sie anerkennen müssen – sind jetzt höher dotiert als je zuvor. Vielleicht darf ich sagen, Bruno Kreisky hat sich zwar 0,7 Prozent als Ziel auf die Fahnen geheftet, aber er hat es nie durchgesetzt. Ich setze das durch, was ich mir auf die Fahnen hefte! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zuerst zum Entwicklungszusammenarbeitsgesetz: Ich habe dieses Thema in der letzten Legislaturperiode zügig angefasst, und es ist eben gelungen, ein neues Gesetz zu machen. Armutsbekämpfung, Friedenssicherung und Umweltschutz sind die we­sentlichen Themen. Frau Abgeordnete! Ich darf Ihnen sagen, diese Themenstellung ändert sich auch in der Zukunft nicht. Die ADA wird sich hauptsächlich mit diesen The­men beschäftigen. Das Konzept ist da und wird voll aufgehen, da brauchen Sie keine Sorge zu haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die mit der Novelle 2003 eingefügte ausdrückliche Verankerung der Anliegen von Be­hinderten und von Kindern verstärkt zusätzlich die Zielsetzung unseres EZA-Gesetzes. Aber auch die Kohärenzklausel, die immer gewünscht wurde, ist da. Das heißt, die


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Entwicklungszusammenarbeit wird jetzt in alle von Österreich verfolgten Bundespoliti­ken eingebunden. Die Koordinationsfunktion liegt im Außenministerium. Das haben Sie sich gewünscht – ich habe es umgesetzt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zusätzlich hat dieses Gesetz eine rechtlich Absicherung der Stellung der österreichi­schen Entwicklungsorganisationen zum Inhalt. Und das ist gut so. Immer haben Sie gesagt, das ist wichtig für uns. Zum ersten Mal enthält das Gesetz so etwas, und natürlich wird die ADA als Durchführungsorganisation genau das umsetzen.

Aber auch die Verwaltungsabläufe werden neu gestaltet. Ich halte das für sehr wichtig.

Und nun zur Frage der Evaluierung. Das haben Sie gar nicht angesprochen, weil die Evaluierung der EZA ein gutes Zeugnis abgibt, und zwar bezüglich Armutsorientierung, Umwelt und Nachhaltigkeit, Gender-Mainstreaming der Frauen, aber auch in vielen anderen Sektoren. Wir haben Evaluierungen aus dem eigenen Haus und Evaluierun­gen aus anderen Häusern, wie zum Beispiel der Schweiz. Da ist immer gute Arbeit ge­leistet worden.

Lassen Sie mich nur den Sektor Wasser herausgreifen. Ich nenne nur eine Zahl, um zu dokumentieren, worum es geht. Allein in Afrika bekommen 1 Million Menschen durch uns, durch Österreich, Zugang zu reinem Trinkwasser. Wenn man weiß, wie viele Men­schen, wie viele Kinder durch schlechtes, verschmutztes Wasser sterben, dann muss man sagen, das ist ein ganz konkreter, wichtiger Beitrag. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir, die wir das Wasserschloss Europas sind, haben da eine mora­lische Verantwortung, die wir umsetzen müssen.

Schließlich eine Anmerkung zur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit: Da gibt es sehr positive Entwicklungen. Zum ersten Mal ist es uns nach harten Um­schichtungsmaßnahmen, die ich immer in meinem Haus durchgeführt habe, gelungen, 30 Millionen € mehr vorzusehen, und das wird selbstverständlich ansteigen. Sie wissen das ganz genau, Frau Abgeordnete! Sie müssen das nicht neu fragen, aber ich sage es Ihnen gerne noch einmal.

Das Budgetprogramm der Bundesregierung sieht in der Budgetvorschau bis 2006 die Erreichung dieses Zieles vor. Das ist klar vorgegeben. (Abg. Dr. Puswald: Wunsch­denken!) – Das ist kein Wunschdenken, das besagt auch der Monterrey Beschluss, der beim Europäischen Rat in Barcelona gefasst worden ist. Sie alle wissen das, und ich stehe dafür, dass das auch umgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heit­lichen.)

Verehrte Damen und Herren! Weiters – auch das gehört zum Konzept – kommt zu­sätzlich zu dem, was bereits vorhanden war, Wirtschaft und Entwicklung dazu. Das bedeutet nicht Exportförderung, sondern das heißt Stärkung des Wirtschaftssektors in den Entwicklungsländern. Das kann Österreichern und österreichischen Unternehmen etwas bringen, aber es bringt vor allem dort etwas, wo es notwendig ist, nämlich in den EZA-Ländern.

Zum Schluss möchte ich sagen, verehrte Damen und Herren, dass da viele positiv denken. Ich zitiere nur zum Beispiel die Leiterin von „Horizont 3000“, der größten Ent­wicklungsorganisation Österreichs, die in einem Interview mit der „Kärntner Kirchen­zeitung“ sagt: Nun gibt es klare Strukturen, die Entscheidungen sind weitgehend nach­vollziehbar, und der Ansprechpartner und die Ansprechpartnerinnen sind kompetent. Ich erwarte ein transparentes Arbeiten mit der ADA. – Was wollen Sie mehr, verehrte Damen und Herren? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.25

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Debatte ein.


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Im Zuge der weiteren Debatte sind alle Redezeiten einheitlich mit je 5 Minuten fixiert.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.25

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir Leid (Abg. Dr. Pus­wald: Uns auch!), dass zu einem Thema, das so wichtig ist, da es um die ärmsten Menschen der Welt geht, ausgerechnet unsere Frau Bundesministerin von Ihnen – ich sage es jetzt so, wie ich es empfinde – so angeschüttet wird angesichts des Enga­gements und der brillanten Leistungen, die sie in der Vergangenheit für die Ärmsten der Armen erbracht hat. Frau Bundesministerin, herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist unserer Bundesministerin Ferrero Waldner, die vorher bereits als Staatssek­retärin im entwicklungspolitischen Bereich tätig war, alleine zu verdanken, dass der Entwicklungspolitik seit 2000 soviel Augenmerk geschenkt wurde und wird wie nie zuvor. Während in sämtlichen anderen Budgetbereichen in der letzten Legislatur­peri­ode, weil wir gespart haben, um das Nulldefizit zu erreichen, Geld gestrichen wurde, hat sie es erkämpft, dass in der Entwicklungszusammenarbeit nicht gestrichen wurde. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das sieht der Rechnungshofpräsident anders!) Zusätzlich ist seit letztem Jahr, also in Zeiten wie diesen, eine Steigerung von – Frau Kollegin Bayr sagt, das sei lächerlich – 40 Prozent für die Entwicklungszusammenarbeit, für die Ärms­ten, die es am allerdringendsten brauchen, erkämpft und erstritten worden. 30 Millionen € mehr! (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind 20 Millionen € zusätzlich für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit, 6 Millionen € zusätzlich für die Entwicklungshilfe in den Oststaaten (Abg. Mag. Lu­nacek: Aber nicht zusätzlich!) und 4 Millionen zusätzlich für die internationalen multi­lateralen Organisationen. Frau Kollegin Bayr! Sie sagen, das sei lächerlich. Das haben Sie im Ausschuss nicht gesagt, und wir können durchschauen, wozu das dienen soll.

Unsere Frau Bundesministerin Ferrero-Waldner hat es aber – abgesehen von diesen großen Mittelzuwendungen und dem auch durch sie in unserer Regierungserklärung fest­geschriebenen Ziel, 2006 0,33 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für diesen so wichtigen Bereich aufzubringen – auch noch geschafft, dass die Entwicklung konti­nuierlich in diese Richtung geht. Sie hat eines der modernsten Entwicklungszusam­men­arbeitsgesetze in Europa geschaffen, und Sie können in der neuen „Furche“ nachlesen, dass wir dadurch endlich in die Lage versetzt werden, Mittel der EU, der EU-Töpfe anzuzapfen, an die wir bislang nicht herangekommen sind, weil in anderen Ländern eben solche nationalen Agenturen in die Presche gesprungen sind. Für uns wird es jetzt möglich, es gibt dadurch endlich mehr Geld für die Ärmsten der Welt, und das wird exekutiert von einer der qualitativ besten Entwicklungsorganisationen, die es gibt. Das ist nämlich die österreichische Entwicklungszusammenarbeit im Außenamt, und diese qualifizierten Mitarbeiter gehen jetzt zum Teil in die neue Agentur. Ich gehe davon aus, dass dadurch, aber noch mehr durch die neue Struktur die hohe Qualität erhalten bleibt.

Immerhin wurde im „Economist“ eine Studie veröffentlicht, wonach wir zu einem Zeit­punkt, als wir im internationalen Vergleich mit den Mitteln für die bilaterale EZA noch am unteren Ende lagen, trotzdem an neunter Stelle der Entwicklungszusammenarbeit lagen. Dies auf Grund der hohen Qualität der Projekte, der besonders großen Nach­haltigkeit der Projekte und auch auf Grund der vielen Migrantinnen und Migranten, die wir in Österreich aufnehmen. Das ist ein Verdienst unserer Bundesministerin, die keine billige politische Polemik lebt, sondern Dienst am Nächsten. Frau Bundesministerin, herz­lichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)


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Völlig fassungslos bin ich als entwicklungspolitische Sprecherin, wenn dann gesagt wird, wir hätten die neue EZA-Struktur nicht diskutiert. Wir haben nicht einen, sondern viele entwicklungspolitische Unterausschüsse der neuen Struktur (Abg. Mag. Lunacek: Einen!), der ADA gewidmet. Im Oktober 2003 wurde von Seiten der Opposition vorge­schlagen, einen weiteren Unterausschuss abzuhalten. Laut Ihrem Ersuchen sollte die­ser Termin nach dem 27. November liegen, weil wir gemeinsam eine entwicklungs­politische Reise nach Washington und New York durchgeführt haben.

Von uns wurden dafür – obwohl ich aus Tirol anreise (Abg. Mag. Lunacek: Die Minis­terin hat erst wieder im Februar Zeit!) und die Frau Bundesministerin sehr viele Ter­mine hat – die Termine 27. November und 9. Dezember vorgeschlagen. Zu beiden Ter­minen konnte leider Kollegin Lunacek nicht. Der 21. Jänner, ein weiterer von uns vor­ge­schlagener Termin, konnte von der Frau Abgeordneten Bayr nicht wahrgenommen werden. Letztlich haben wir uns dann auf den 12. Februar geeinigt, wobei wir auch an­geboten haben, dass man zwischendurch, zumal das wichtig ist, ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte den Schlusssatz, Frau Kollegin!

 


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (fortsetzend): ... die dringendsten Fragen mit dem Geschäftsführer der ADA, Kollegen Linhart, diskutieren kann. Das wurde von Ihrer Seite abgelehnt. Es geht Ihnen leider um Polemik und nicht um die Sache. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.31

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Gleiche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.31

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Zu den vielen Veränderungen in den letzten 30 Jahren: Man muss nicht zur Selbstapo­theose greifen und sich mit Kreisky vergleichen, das machen schon andere, und das Urteil steht immer anderen besser an, als sich selbst verklären zu müssen. Tatsache ist, dass das EZA-Budget seit 1999 unter Ihrer Regentschaft gekürzt worden ist, dass es seit 2004 erstmals wieder eine Erhöhung um 30 Millionen € gibt, wobei aber zu be­achten ist, dass davon 40 Prozent, nämlich 12 Millionen sofort wieder in den Ver­waltungsaufwand für diese ADA fließen.

Da stellt sich schon die Frage, ob es angesichts der stagnierenden Mittel für die EZA der Schaffung einer eigenen Agentur bedurft hätte oder ob man nicht mit den vor­han­denen Mitteln, mit den bestehenden Strukturen über die zuständige Sektion im Außen­ministerium auch das Auslangen hätte finden können. Da hätte man sich zumindest den Verwaltungsaufwand in der Höhe von 12 Millionen € erspart, und das sind immer­hin nach altem Geld 165 Millionen Schilling. Das ist also nicht so wenig, und daher muss man das auch einmal sagen.

Auch international steht eines fest: Die BIP-Quote von derzeit nicht einmal 0,30 Pro­zent belegt einen der letzten Plätze. Alle EU-Staaten außer Italien und Griechenland geben prozentmäßig mehr für die EZA aus. Zum Vergleich: Dänemark zahlt sogar 1 Prozent des BIP; das muss schon gesagt werden.

Wie Sie es zuwege bringen wollen, bis zum Jahr 2006 0,33 Prozent des BIP für die EZA auszugeben, das bleibt also weithin ungeklärt. Es bleibt dieser Fehlbetrag in der Höhe von 226 Millionen €, und das ist kein kleiner Betrag. Die Ankündigung allein ge­nügt uns nicht, weil Sie werden auch im Jahre 2006 noch Außenministerin sein (Abg. Mag. Hakl: Wir haben noch nicht 2006!) – ich gehe davon aus, dass das so sein wird, dass wir Sie noch länger als Außenministerin haben werden –, und dann werden Sie


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den Wahrheitsbeweis dafür antreten müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Den wird sie dann in der Hofburg antreten!)

Eines sollte hier nicht verschwiegen werden, weil Kollegin Bayr Sie gefragt hat, Sie aber keine Antwort darauf gegeben haben. Ich gratuliere taxfrei zur Auszeichnung im Ö3-Wecker als one of the hundred sexiest women in the world. Das ist ein charmantes Urteil, das ich unterstütze. Aber die Frage bleibt offen: Wie verhält es sich mit dieser Frau Andrea Krameter? Ist Frau Krameter ohne Bezüge karenziert: ja oder nein? Sie haben dazu nichts gesagt.

Zweitens: Hat die ADA als GesmbH, die zu 100 Prozent im Eigentum der Republik Österreich steht, die Berechtigung, Personal zu verleihen? – Wir würden Sie bitten, dass Sie sich jetzt nicht verschweigen, sondern darauf entsprechend Bezug nehmen.

Abschließend, weil nicht allzu viel Zeit bleibt und wir beim Budget sind, muss man schon eines sagen: Das Budget des Außenamtes ist eher knapp bemessen. Was noch schwerer wiegt, ist der Umstand, dass diese Mittel ungleich verteilt werden. Es gibt teure Prestigeprojekte – das hat Kollegin Bayr schon gesagt –, wie die Botschaft in Berlin, das Kulturforum in New York, der Umbau in der Herrengasse, aber bei anderen Bereichen wird gespart. (Abg. Mag. Mainoni: Dort sollten Sie einmal hinschauen, nach New York!)

Das ist zum Beispiel die Auslandskulturpolitik. In der Auslandskulturpolitik wird massiv gespart. Das betrifft die Beiträge zu internationalen Organisationen, und das betrifft nicht zuletzt auch die Entwicklungszusammenarbeit. (Zwischenruf der Abg. Mag. Hakl. – Abg. Mag. Mainoni: Schauen Sie einmal nach New York!)

Das ist nicht nur meine Erfindung. Zum Beispiel schreibt der „Kurier“ in diesem Zusam­menhang von einem gewissen Hang zur barocken Repräsentation. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. – Die Details wie Fotos und so weiter hat Kollegin Bayr schon ausführlich erwähnt. (Abg. Hornek: Sie sprechen für sich!)

Ihre Politik steht einfach unter keinem glücklichen Stern, das ist schon des Öfteren auf­gefallen. Es gibt auch nichts, woraus man einen gewissen politischen Gestaltungs­willen, einen politischen Willen ablesen könnte, wo die Reise hingeht – politisches Ge­stalten im Sinne dessen, dass ich das umsetzen möchte, was ich will und verändern will; das muss einmal gesagt werden. Und Sie sollten die Antwort, was die Frau Kra­meter angeht, nicht schuldig bleiben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mol­terer: Auf diese Unterstützung kann Präsident Fischer verzichten! Präsident Fischer war ganz unglücklich jetzt!)

17.36

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. Gleiche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.36

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es ist offenkundig, was die SPÖ hier versucht: Das ist reine Schikane. Genau in 14 Tagen gibt es einen EZA-Ausschuss, genau in 14 Tagen kann über alles, was Sie nicht zu wissen vorgeben, Aufklärung geschaffen werden. (Abg. Mag. Lunacek: Der letzte war vor mehr als drei Monaten!) Nein, es muss heute und jetzt sein. Die Schikane der Sozialdemokraten ist vordergründig! (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Sie, Frau Kollegin Bayr, glauben immer – ich bin mir sicher, dass auch Frau Kollegin Lunacek das Gleiche sagen wird –, dass Sie die NGOs sozusagen für sich gepachtet haben. Sie glauben immer, Sie müssen als Schutzheilige, als Verteidiger für diese Or­gani­sationen auftreten. Diese brauchen das überhaupt nicht. Die NGOs brauchen das


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überhaupt nicht! Ich sage Ihnen, welche Meinung die NGOs vor allem über diese ADA haben.

Sie alle werden Frau Mag. Navara kennen, wenn Sie sich in der Materie auskennen, und das unterstelle ich Ihnen, dass Sie sie kennen. Frau Mag. Navara ist die Leiterin von „Horizont 3000“ (Abg.Mag. Lunacek: Die hat die Ministerin gerade vorhin zitiert!); ja, genau, sie ist die Leiterin, das wissen Sie. Dass das die größte Entwick­lungshilfe­organisation Österreichs ist, das werden Sie auch wissen. Daher sind ihre Meinung und ihr Wort sehr wichtig.

Sie hat ein Interview zum Thema ADA gegeben. In diesem Interview hat sie gesagt – ich zitiere –: Die ADA ist ein Resultat einer 15 Jahre andauernden Abwägung, ob, wann und mit welchem Profil eine Agentur der österreichischen Entwicklungs­zusam­menarbeit eingerichtet werden sollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da haben wir es ganz genau. Bis zum Jahr 2000 gab es eine SPÖ-Regierung, und 15 Jahre lang ist abgewogen, hin und her überlegt worden, es ist aber nichts geschehen. Sie spricht das ganz richtig an. (Abg. Dr. Puswald: Wer war Außenminister zu dieser Zeit?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Bayr schwingt sich am 2. Juli 2003 zu einer Presseaussendung auf, in der sie feststellt, dass die vor der Gründung stehende Austrian Development Agency mehr Bürokratie und weniger Trans­parenz bringen werde. – Ich sage Ihnen, was Frau Mag. Navara, die sich als Leiterin der größten Hilfsorganisation auskennt, dazu sagt. Sie sagte:

Nun gibt es klare Strukturen, und ich erwarte ein sehr transparentes Arbeiten mit der ADA. – Zitatende.

Auf der einen Seite gibt es eine politisch motivierte Aussage, auf der anderen Seite eine Aussage einer echten Person, die sich in der Materie wirklich auskennt. (Abg. Dr. Gusenbauer: Was ist der Unterschied zwischen einer „echten“ und „unechten“ Person?)

Frau Kollegin Bayr, laut Ihrem Pressedienst sagen Sie weiter: schwarz-blauer Posten­schacher! Sie waren also zu diesem Zeitpunkt absolut hellseherisch, weil zu diesem Zeitpunkt war überhaupt keine Personalentscheidung getroffen worden. Frau Mag. Na­vara, die kompetente Person, sagt dazu: Die Ansprechpartner und Ansprechpart­nerin­nen bei der ADA sind äußerst kompetent. – Auch da steht wieder Aussage gegen Aus­sage, und es ist völlig klar, wem hier Glauben geschenkt werden soll, meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Molterer: Im Zweifel dem Experten!)

Noch ein Punkt zu dem 0,7 Prozent-Ziel. – Wissen Sie, wann dieses Ziel definiert wurde? – Sie wissen es natürlich, vor allem Frau Abgeordnete Lunacek wird es auch wissen, weil sie sich mit der Materie sehr wohl beschäftigt. Unter Bruno Kreisky ist das Ziel 0,7 Prozent definiert worden. Während der SPÖ-Regierung, also bis zum Jahr 2000 ist dieses Ziel zwar wie ein Banner vor sich hergetragen worden, das wollen wir haben, aber geschehen ist überhaupt nichts. Das ist die Realität, das hat es mit den 0,7 Prozent als Ziel tatsächlich auf sich.

Warum ist denn in über 20 Jahren nichts geschehen, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Ich frage Sie, Frau Kollegin Bayr. Ihre Partei war damals an der Regierung und hat den Bundeskanzler gestellt. (Abg. Bayr: Allein? Wer war noch in der Re­gierung?)

Die jetzige Regierung handelt, tut viel mehr, als immer nur langfristige Ziele zu pos­tulieren. Ich sage Ihnen: In unserem Regierungsprogramm – die Frau Bundesministerin


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hat es bereits gesagt – ist das 0,33-Ziel festgeschrieben, und daher haben wir be­schlos­sen, dass im heurigen Jahr eine Erhöhung um 30 Millionen € erfolgen wird.

Sie haben in Ihrer Regierungszeit überhaupt nichts getan, nur geredet darüber, und jetzt nörgeln Sie – wir aber handeln! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir handeln! Wir haben ein neues EZA-Gesetz, es gibt eine Erhöhung der EZA-Mittel, und wir schaffen eine klare Struktur, mit der diese Mittel umgesetzt werden können. Sie plauschen – wir handeln, deshalb sind wir auch die Reformregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Gleiche Redezeit. – Bitte.

 


17.41

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Zuerst eine kurze Richtigstellung zu Karin Hakl, die meinte, wir hätten deshalb nicht darüber diskutiert, weil ich an zwei Terminen nicht konnte. (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Hakl.)

Frau Hakl, Sie wissen ganz genau: Der Termin 9. Dezember – da ging es um eine Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses, wo Vorsitzender Schieder nicht konnte – wurde vorgeschlagen für eine Sitzung des Unterausschusses Entwicklungs­zusammen­arbeit und wurde dann von der ÖVP abgelehnt. So war es und nicht anders herum!

Zu den inhaltlichen Punkten. – Einiges ist schon von Frau Bayr und Herrn Posch gesagt worden, ich möchte mich auf drei andere Aspekte konzentrieren.

Erstens: Auf eine Frage in der Anfrage – denn um diese geht es ja auch –, nämlich wie denn jetzt eine bessere Kohärenz und Koordination sichergestellt werden soll, nennen Sie, Frau Ministerin, als einzigen Punkt für diese Kohärenz die verstärkte Zusam­men­arbeit zwischen „Wirtschaft und Entwicklung“, und dass die ADA die Sekretariats­funktion für die „Plattform Wirtschaft und Entwicklung“ übernimmt. Da werden das Fi­nanz­ministerium, das Wirtschaftsministerium, das Bundeskanzleramt, das Unterrichts­ministerium, die Wirtschaftskammer, die Kontrollbank, das Österreichische Wirtschafts­service genannt, die alle koordiniert werden.

Wissen Sie, dass die Koordinations- und Kohärenzfrage eigentlich eine war, bei der es um die internationalen Finanzinstitutionen im Finanzministerium ging, um die Nah­rungs­mittelhilfe im Landwirtschaftsministerium und so weiter – die sind alle noch extra verteilt, nichts von Kohärenz!

Ihnen geht es nur um den Punkt „Wirtschaft und Entwicklung“ – und dann hat die ADA da eine Sekretariatsfunktion! Das erscheint mir schon äußerst fragwürdig, noch dazu, wo es in diversen Ausschüssen zweimal auf meine Fragen, wie es denn mit diesen Zu­wendungen von Dritten, von Privaten aussieht, die die ADA erhalten kann – meine Ver­mutung war: Sind das vielleicht Firmen, die hier der ADA etwas widmen könnten? –, von Ihnen immer nur keine Antwort gab. Sie sagten nur: Na ja, zu diesen Dritten gehört vielleicht der ERP-Fonds. – Das ist keine private Organisation! Wer diese Privaten sein können, dazu gab es von Ihnen kein Wort, Frau Ministerin!

Die Vermutung bleibt im Raum stehen: Soll da vielleicht ermöglicht werden, dass ir­gend­eine Firma, die dann vielleicht gerne einen Auftrag hätte, hier eine Zuwendung macht? – Ich möchte da niemandem etwas unterstellen (Zwischenbemerkung von Bun­desministerin Dr. Ferrero-Waldner), aber wenn das nicht gewollt ist, dann muss man da klare Richtlinien festlegen, dass das auch nicht geschehen kann! So aber bleibt das offen im Raum stehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Zweiter Kritikpunkt: Frau Ministerin, Sie sind in dieser Anfrage gefragt worden, was denn jetzt die inhaltlichen Schwerpunkte sind – und da beziehen Sie sich auf die Millenniums-Entwicklungsziele der UNO, dass sich Österreich klar zu diesen bekannt hat und dass bei der Mittelverwendung verstärkt auf die Nachweisbarkeit dieses er­höhten Mitteleinsatzes geachtet werden wird. Sie selbst haben auch immer gesagt, wie wichtig die Bekämpfung von AIDS- und HIV-Infektionen ist.

Wissen Sie, Frau Ministerin, was Sie, was die Bundesregierung 2002 gesagt hat? – Ja, es wird etwas gezahlt zum Global Fund gegen AIDS, gegen Malaria, gegen Tuber­kulose. Damals hat das Gesundheitsministerium 1 Million € gezahlt – das Außenamt hat nichts dafür gezahlt! Und Sie heften sich immer auf die Fahnen, wie wichtig Ihnen der Kampf gegen AIDS ist! Frau Ministerin, wo bleibt das Geld dafür? – Nichts gibt es für den Global Fund! (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Ferrero-Wald­ner.)

Dort wird derzeit überlegt, ob Österreich in diesem Gremium, das da einberufen wurde, überhaupt noch dabei sein soll, denn schließlich zahlt Österreich ja nichts. Das war eine Ihrer Fassaden, wo Sie sagen können: Wir zahlen ja etwas dafür! – Und wenn es dann wirklich um mehr Geld geht, dann kommt nichts! Das ist Ihre reale Politik, Frau Ministerin, zum Beispiel in diesem Bereich Millennium-Entwicklungsziele. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Drittens: In der Anfragebeantwortung – in der Anfrage ging es auch um die Wichtigkeit von Kindern, von behinderten Menschen in der Entwicklungszusammenarbeit; das tei­len wir ja auch, natürlich ist das wichtig – haben Sie formuliert, dass Kinder und eben auch Behinderte eine zentrale Zielgruppe sind und dass Sie die Politik fortsetzen werden, sich die nötige Expertise von verschiedenen internationalen Institutionen zu holen, zum Beispiel von UNICEF. Da frage ich mich schon, ob Sie diese Expertise auch eingeholt haben, als Sie – vor ein bisschen weniger als einem Jahr war es – Kranke und Kinder, die im Krieg zu Schaden gekommen sind, aus dem Irak nach Österreich geholt haben, Frau Ministerin.

Wissen Sie, dass wir, als die Entwicklungspolitik-SprecherInnen in New York waren, auch mit der UNICEF-Leiterin Carol Bellamy gesprochen haben? Einer ihrer Mitarbeiter hat uns auf die Nachfrage, ob denn auch Carol Bellamy und UNICEF diese Kinder-Hol-Aktion als wirklich effizient und nachhaltig im entwicklungspolitischen Sinn sehen, ge­sagt: Nein, das war es nicht! – Und das haben sie Ihnen in einem Gespräch auch ge­sagt. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner.)

Frau Ministerin! Sie haben sich diese Expertise nicht geholt (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – und ich frage mich, warum Sie das nicht getan haben. Ich kann nur sagen: Mein Fazit ist, Ihnen ist anscheinend der Druck auf die Tränendrüse lieber als eine effiziente und nachhaltige Politik. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Steibl.)

17.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung wieder auf.

Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Stadlbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 



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17.47

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Herr Minister – ich hoffe, er kommt wieder. Nun geht es geht wieder um das Heim­vertragsrecht beziehungsweise das Heimaufenthaltsgesetz.

Seit Frühjahr 2000 gibt es im Nationalrat ja einen fertigen SPÖ-Gesetzentwurf zum Heimvertragsgesetz, wo am Anfang FPÖ und ÖVP immer dagegen waren. Wir alle ha­ben noch im Ohr, dass Vertreter der FPÖ gesagt haben: Das brauchen wir nicht, das ist nicht notwendig! Umso mehr freue ich mich, dass heute Vertreter der ÖVP gesagt haben, dass es sehr wohl notwendig ist, und dass nun auf Grund unseres Drucks und des Drucks der Öffentlichkeit endlich ein Gesetz vorliegt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Es ist zwar noch immer nicht optimal, aber es ist zumindest ein erster positiver Schritt, und den gilt es durchaus zu begrüßen.

Es ist aber nicht so, wie auch im ORF dargestellt wurde – vor allem von Herrn Mück, der dafür verantwortlich ist –, dass alle mit diesem Gesetz einverstanden sind und dass das die große Konsensmaterie ist. Wir sind nicht für alles, es gibt natürlich Kritikpunkte, aber uns geht es um die Menschen, um die Betroffenen, und darum werden wir heute zustimmen.

Ich möchte aber trotzdem noch eine kurze technische, aber auch inhaltliche Kritik an­bringen, warum wir von diesem Gesetz nicht so begeistert sind. Zum einen, sehr geehrte Damen und Herren, können wir in der Sprache des Gesetzes wieder einiges erkennen – durch die Sprache wird ja immer wieder sichtbar, wie weit sich eine Ge­sellschaft entwickelt, und in Gesetzestexten und durch die Sprache von Gesetzes­texten wird sichtbar, was einer Regierung wichtig ist. Sprache ist entlarvend!

Wenn wir im Gesetz lesen von „sachgerechter Betreuung“, „voll belegt“ oder „ein­quartiert“ – Kollegin Partik-Pablé hat heute sogar von „Pfleglingen“ gesprochen –, dann weisen diese Wörter nicht darauf hin, dass es sich hiebei um Menschen handelt, die in Heimen einen Teil ihres Lebens verbringen. Durch diese Ausdrucksweise wird ein Men­schenbild sichtbar, das die SPÖ nicht vertritt! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Würde des Menschen ist unantastbar, und das sollte auch in der Sprache des Gesetzes sichtbar werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist kein eigenständiges Gesetz – das haben schon einige meiner Vorredner und Vorrednerinnen gesagt –, und diese massive Kritik bringen nicht nur wir vor, sondern auch die Experten. Dass das ein Problem ist, zeigt ja auch, dass sogar VertreterInnen von ÖVP und FPÖ verwirrt sind, weil es zwei Gesetze sind und nicht eines.

Unseren Entschließungsantrag, mit dem wir heute eine Beobachtung und einen Bericht über die Erfahrung fordern, wollen wir natürlich im Zuge des Heimvertragsgesetzes einbringen. Im Ausschuss, sehr geehrte Frau Kollegin Fekter und sehr geehrte Frau Kol­legin Rosenkranz, haben wir etwas anderes beschlossen, dort ging es um das Heimaufenthaltsgesetz. – Sie sehen, sogar Sie sind verwirrt. Es geht in diesem Entschließungsantrag um etwas anderes. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Zur inhaltlichen Beurteilung. – Hinsichtlich der Vertretung der Bewohner und Bewoh­nerinnen ist es ein Problem, wenn der oder die Betroffene nicht mehr selbst seine Vertretung auswählen kann, wenn es um eine freiheitsbeschränkende Maßnahme gehen soll. Das widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht.

Frei wählen kann man ja nur, wenn sich der oder die Betroffene für einen Rechts­anwalt, eine Rechtsanwältin oder für einen Notar oder eine Notarin entscheidet. Be-


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wohner und Bewohnerinnen, die nur wenig Geld zur Verfügung haben, sind hier krass benachteiligt.

Auch Angehörige haben keine Mitwirkung, aber sind sie nicht genau diejenigen, die das Vertrauen der Betroffenen genießen? Ich frage, wo da die Familienfreundlichkeit der ÖVP ist, die sie so gerne beschwört. Meiner Meinung nach sind die familiäre Ver­tretung und Mitbestimmung zu wenig berücksichtigt.

Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass beim Tod eines Bewohners oder einer Be­wohnerin das Zimmer sofort zu räumen ist, stelle ich Ihnen die Frage: Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, am selben Tag, an dem man erfahren hat, dass ein lieber Mensch aus der Familie gestorben ist, sofort das Zimmer oder die Wohnung räumen zu müssen? – Ich denke, das ist pietätlos und muss unbedingt geändert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe dieses Gesetz unter anderem auch als Grund dafür, den Dialog zwischen Bund, Ländern und Heimträgern verstärkt zu führen. Dabei muss unbedingt auch die Pflegegeld-Causa in Oberösterreich berücksichtigt und besprochen werden.

In Oberösterreich schaut es auf Grund der Heimverordnung so aus, dass Personen, die Pflegegeld erhalten und zu Hause gepflegt werden, 100 Prozent des Pflegegeldes für die Pflege zur Verfügung stehen. Wenn aber eine Person in einem Pflegeheim ist, bekommt sie nur 80 Prozent für die Pflege zur Verfügung gestellt; die bekommt das Pflegeheim, und die restlichen 20 Prozent werden aufgeteilt, wobei sich der Bund mindestens 10 Prozent einbehält. – Das ist nicht einzusehen. Der Bund pflegt nicht, er erspart sich hier nur etwas auf Kosten der Betroffenen, und das muss unbedingt geändert werden.

Abschließend möchte ich nur bemerken, dass ich hoffe, dass die Personen, die mit diesem Gesetz arbeiten, sehr sensibel mit dem Instrument der Überwachung und der Freiheitsbeschränkung umgehen, denn was für den einen Schutz bedeutet, kann für den anderen möglicherweise eine Einschränkung sein.

Aber ich bin froh darüber, dass wir heute eine Minimalvariante beschließen – im Sinne der Menschen, die unsere Unterstützung brauchen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.53

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Franz. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

 


17.53

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Damen und Herren! Es geht um das Heimvertragsgesetz, um das Heimauf­enthaltsgesetz, aber in erster Linie geht es um den Menschen. Es geht um den Men­schen, der pflegebedürftig ist, es geht um den Menschen, der sein Zuhause verlassen muss, weil er dort nicht mehr bleiben kann, weil er dort eventuell nicht mehr gepflegt werden kann. Es ist ein Mensch in einer besonderen Situation, er hat mitunter keine Angehörigen mehr. Es geht um eine anständige, menschengerechte, menschenwür­di­ge Pflege.

Als Vorsitzende eines Gemeindeverbandes, der in Vorarlberg Träger eines Pflege­hei­mes ist, weiß ich, dass der Mensch hier in den Mittelpunkt gerückt werden muss.

Ich bin froh darüber, dass wir im Heimvertragsgesetz den Leistungskatalog klarstellen, damit die Menschen, die in ein Heim gehen, wissen, worauf sie sich einstellen müssen, was sie zu erwarten haben, und dass das vertraglich festgelegt wird. Dies ist auch eine


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Bereicherung für die Pflegenden im Haus, damit sie wissen, was die Standards sind, was dieser Leistungskatalog beinhaltet.

Ich meine aber auch, dass das Heimaufenthaltsgesetz sehr wichtig ist, nicht nur für die Bewohnerinnen und Bewohner, sondern für alle, die in diesen Pflegeheimen pflegen, damit sie gewisse Maßnahmen, die notwendig sind, setzen können, die dann natürlich auch dokumentiert werden, und dass sie hier Rechtssicherheit bekommen.

Es wurde vorhin schon Dr. Schlaffer, der beim Expertenhearing dabei war, zitiert, der gesagt hat, diese beiden Gesetze seien ein Quantensprung. Er hat aber auch gesagt, dass in keinem anderen Land ein solch gutes Gesetz besteht. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade durch die steigende Lebenserwartung sind immer mehr Menschen gezwungen, ihren Lebensabend in einem Heim zu verbringen. Wir wissen auch, dass es immer mehr Menschen gibt, die an Altersdemenz leiden. Deshalb ist es auch wichtig, dass hier ein Vertrag geschaffen wird, dass insbesondere bei freiheitsbeschränkenden Maß­nahmen Regelungen gelten, sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner als auch für die Pflegerinnen und Pfleger.

Die nun vorliegenden gesetzlichen Rahmenbedingungen sind für alle im Heim wichtig, sowohl für die, die dort wohnen, die dort leben, als auch für jene, die dort pflegen, die sich um die alten Menschen beziehungsweise um die Pflegebedürftigen kümmern.

Es bleibt zu hoffen, dass Wiener Skandale in Pflegeheimen endgültig der Vergan­gen­heit angehören (Abg. Mandak: Nicht nur in Wien!) und der Mensch im Mittelpunkt allen Bemühens in Österreichs Heimen steht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.56

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

 


17.57

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon einige Male das Wort „Quanten­sprung“ im Zusammenhang mit den zwei Gesetzen, die wir heute beschließen, gehört, nämlich zum einen mit dem Einfügen von Bestimmungen über Heimverträge ins Kon­su­mentenschutzgesetz und zum anderen mit einem eigenen Heimaufenthaltsgesetz, beschließen werden.

Dieses Wort hat ein Experte im Hearing gesagt, und insofern wundere ich mich doch über die sehr selektive Wahrnehmung der Kollegin Stadlbauer, denn genau dieser Ex­perte hat dann auch gesagt: Bitte, beschließen Sie dieses Gesetz.

Ich habe relativ wenig an Kritik an diesem Gesetz gehört, obwohl einige der Experten sicher ein anderes Gesetz lieber gehabt hätten.

Verwirrt bin ich teilweise doch auch, was die Argumentation der SPÖ betrifft, zum einen beginnend beim Kollegen Jarolim, zum anderen auch jetzt von der Kollegin Stadl­bauer, zwischendurch mit der Einbringung eines eigenen Entschließungs­antra­ges, was die Evaluierung betrifft, denn an und für sich haben wir diese Evaluierung im Ausschuss gemeinsam beschlossen, geschätzte Damen und Herren. (Zwischenruf der Abg. Stadlbauer.) Insofern wundere ich mich, dass es Ihnen immer wieder gelingt, neue Dinge auf ein Gesetz draufzusetzen, wo schon Einstimmigkeit bestand. Wir werden dieses Gesetz ja letztlich auch einstimmig beschließen. – Da kenne sich noch jemand bei Ihnen aus!

Geschätzte Damen und Herren! Wir beschließen hier ein Gesetz, von dem jeder Ein­zelne von uns sehr schnell betroffen sein kann, viele von uns wahrscheinlich betroffen sein werden. Wir beschließen ein Gesetz in einem – entschuldigen Sie, wenn ich das so sage – Markt, der explosionsartig wächst und der ganz einfach Regeln braucht,


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neue, erstmals formulierte Regeln, damit es in diesem Bereich nicht möglich ist, dass schwarze Schafe ihr Unwesen treiben.

Wobei ich ausdrücklich betonen möchte: Ein Großteil der Heime wird wirklich exzellent geführt, und die Menschen, die dort tätig sind, engagieren sich auch und sind mit Herz, Hirn und Verstand, wie ebenfalls eine Expertin formuliert hat, bei der Sache.

Es fehlt, glaube ich, hier weniger am Menschen. Das Beispiel Lainz in Wien zeigt es ja: Es können ganz einfach nicht wenige Menschen dafür sorgen, dass alles perfekt funk­tioniert. Was hier sehr oft fehlt – und dafür sind die Länder zuständig –, das sind die not­wendigen Strukturen, die notwendigen Ressourcen, und ich glaube, wir alle sind gefordert, zu versuchen, die notwendigen Ressourcen und Strukturen zur Verfügung zu stellen.

Geschätzte Damen und Herren! Es war nicht einfach, dieses Gesetz zustande zu brin­gen. Es musste sich der Bund erst um die Kompetenzen sorgen, mit den Ländern ge­mein­sam in Diskussionen sicherstellen, dass dieses Gesetz gewollt wird und auch durch­geführt wird. Jetzt ist es so weit, und ich möchte feststellen, dass wir mit dieser Gesetzesmaterie teilweise Neuland betreten, dass wir damit auch eine europäische Vorreiterrolle spielen und dass wir mit diesem Gesetz vor allem beweisen, dass es uns wichtig ist, dass mit den betroffenen Menschen wirklich in Würde umgegangen wird, vor allem mit jenen, die sich selbst nicht mehr im notwendigen Ausmaß um ihre Rechte kümmern können. Wir schaffen mit diesem Gesetz vor allem auch Rechtssicherheit für alle Betroffenen, sowohl für die Heimbewohner als auch für jene, die die Menschen pflegen.

Ganz zum Schluss möchte ich noch festhalten, das ist in vielen Bereichen eigentlich nur ein Rahmen, den wir heute beschließen, und es ist notwendig, dass die Länder jetzt selbst tätig werden und diese Gesetze noch mit entsprechenden Verträgen erfül­len. Ganz besonders die Menschen, die in diesen Bereichen tätig sind, werden gefor­dert sein, dieses Gesetz mit dem zu erfüllen, von dem ebenfalls eine Expertin – ich ha­be es schon einmal zitiert – gesagt hat, dass es das Wichtigste ist, dass man hier wirklich mit Herz, mit Hirn und mit Hand dabei ist. Ich glaube, das ist das Wichtige, und ich möchte abschließend all jenen Menschen, die in diesem Bereich engagiert und oft unbedankt tätig sind, sehr herzlich für ihre Arbeit danken. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.02

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Turkovic-Wendl. – Bitte.

 


18.02

Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kol­legen! Vielleicht haben Sie am vergangenen Samstag beim „Ö1 Klassik-Treffpunkt“ zu­ge­hört, wäre durchaus möglich. Kammersängerin Marjana Lipovsek war in dieser Sen­dung zu Gast. Sie hat über das gemeinsame Erarbeiten eines Werkes gesprochen und dabei gesagt: Oft kommen ganz unterschiedliche Künstler zusammen, mit sehr unter­schiedlichen Auffassungen. Aber wenn wir dann erkennen, was eigentlich das Ziel un­serer gemeinsamen Arbeit ist, und wir gemeinsam schwitzen, dann kommt auch etwas sehr Gutes heraus. Sie hat noch hinzugefügt: Das wäre vielleicht auch ein Weg für un­sere Parlamentarier.

Ich habe jetzt die Reden und die Meinungen meiner 17 Vorredner zu diesen beiden Gesetzen, zu dem Heimvertragsgesetz und zum Heimaufenthaltsgesetz, verfolgt. Bei allen Unterschieden und auch krassen Vorwürfen, die heute immer wieder im Raum ste­hen, möchte ich eine positive Einstellung gewonnen haben, nämlich zur weiteren


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Entwicklung dieser Thematik, die doch den Eindruck erweckt hat, dass wir das Wohl, den Schutz und die Sicherheit der pflegebedürftigen Menschen zu unserem gemein­samen Ziel gemacht haben. Das habe ich daraus erkannt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das würde bedeuten, meine werten Kollegen, dass wir doch imstande sind, gemein­sam für etwas zu schwitzen.

Die Tatsache, dass wir älter werden, ist gegeben. Wir wollen alle älter werden, aber das Werden dieses Älter-Seins ist nicht unbedingt attraktiv, und daher ist auch die Vor­stel­lung, dass wir weniger werden und in Bereichen unseres Lebens dann abhängig vom Wohlwollen von anderen sind, nicht unbedingt ein Thema, das wir oft in unsere Gespräche einfließen lassen. Und wenn es dann zu Pflegeskandalen kommt, dann sind die Zeitungen voll, es riecht nach Sensation, es bietet auch Voyeurismus. Ich bitte Sie, mich nicht misszuverstehen, natürlich müssen Missstände aufgezeigt und auch be­hoben werden, aber krasse Schuldzuweisungen helfen der Lösung, wie Menschen besser miteinander umgehen können, wirklich nur zum Teil.

Wir haben nämlich die Eigenschaft entwickelt, wahrscheinlich über Jahrtausende, dass wir sofort erkennen, wer in unserer Runde der stärkere ist und wer der schwächere. Und die Versuchung, das auszunützen, ist immer präsent. Es wird also eine ganz große Herausforderung für unsere Gesellschaft sein, eine ganz neue Einstellung zum Älter-Werden, zum Älter-Sein, zum Abhängig-Sein von anderen zu finden und mit Information und einer gehörigen Portion Sensibilität dieses Thema voranzutreiben, zu entwickeln.

Diese beiden Gesetze, die nun beschlossen werden, tragen bedeutend zur Aufmerk­samkeit für die Schwächeren bei. Ich finde das gut. Sie bieten zumindest die ersten Ansätze zur Sicherheit, zur Bestätigung der Rechte der Älteren und zum Gefühl, von der Gesellschaft geachtet zu werden – verstanden und geschätzt wäre noch besser. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.06

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte.

 


18.06

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich gebe die Zustimmung zu diesem Gesetz mit einigem Bauchweh, weil es kein optimales Gesetz ist – es ist auch schon in einer Reihe von Wortmeldungen angeklun­gen –, aber es ist ein Gesetz. Insofern ist es sehr ... (Abg. Dipl.-Ing. Regler: Ein gutes Gesetz!) – Es ist ein Gesetz, dem ich wirklich mit Bauchweh zustimme, denn es ist nicht optimal.

Es ist heute sehr viel die Rede gewesen von Qualität, von „Menschenrechte sichern“, von „Mensch in den Mittelpunkt stellen“. Ja, aber ich ersuche Sie, einzubekennen, dass das Voraussetzungen braucht. Und wenn heute hier ein Gesetz beschlossen wird, dann ist es nicht nur gut, dass es das Gesetz gibt und dass man die Einhaltung auch kontrollieren kann, sondern es geht darum, dass auch die Ressourcen, die Geldmittel zur Verfügung gestellt werden, damit eine Änderung herbeigeführt werden kann.

Wenn heute die Rede war von Zwangsmaßnahmen gegen alte Menschen, von Zwangs­maßnahmen gegen Menschen mit Behinderung, dann möchte ich sagen: Das passiert in den ganz seltensten Fällen als Akt der Aggression von Seiten des Pfle­gepersonals, meistens weil es hilflos überfordert ist. Deswegen werden Menschen in Österreich in Gitterbetten gesperrt, in Netzbetten gefesselt und an Stühlen festge­bun­den. Das ist derzeit noch die Realität, und ich sage Ihnen: Hacken Sie nicht immer nur


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auf Wien herum! Diese Realität gibt es leider in jedem Bundesland Österreichs! (Beifall bei den Grünen. – Widerspruch bei der ÖVP.) – Natürlich, leider, das gibt es! (Abg. Schöls: Keine Ahnung!)

Es muss Ihnen allen klar sein und uns allen klar sein: All das, was heute hier an sehr schönen Worten und Werten eingefordert worden ist – und ich unterstütze diese Werte aus ganzem Herzen –, wird in der Zukunft Geld kosten, viel mehr, als wir heute dafür zur Verfügung stellen. Wir brauchen viel mehr Pflegepersonal, wir brauchen Altenbe­treuerinnen und Altenbetreuer, und zwar solche mit einem anerkannten Schulab­schluss, die auch entsprechend bezahlt werden. Wir brauchen diplomiertes Personal, wir brauchen eine altersgerechte medizinische Versorgung, damit in den Heimen wirk­lich eine menschenwürdige Unterbringung, ein menschenwürdiges Leben möglich ist, und zwar sowohl für alte Menschen als auch für Menschen mit Behinderung.

Derzeit, das kann ich Ihnen auch sagen, ticken die Uhren anders. Derzeit geht es nämlich in Richtung Pflege mit der Stoppuhr in der Hand, das ist die derzeitige Ent­wick­lung, in Richtung möglichst hohe Spezialisierung. Es geht dahin, dass man alten Menschen empfiehlt oder sie dazu überredet, die Haare abzuschneiden, damit die Pfle­ge weniger Aufwand bedeutet. So schaut die Realität derzeit aus.

Ich habe mir auf Gemeindeebene von Kollegen der freiheitlichen Fraktion anhören müssen, dass ein Altenheim mit einem Standard, wie wir es in Feldkirch gebaut haben, ein Vier-Sterne-Hotel für alte Menschen sei, das nicht notwendig ist. Genau darum geht es, dass so etwas nicht mehr vorkommt. (Abg. Scheibner: Wer hat das gesagt?)

Wenn Sie hier von Qualität sprechen, dann stehen Sie bitte auch künftig dazu, dass die finanziellen Grundlagen dafür geschaffen werden, sowohl auf Bundesebene als auch auf Länder- und Gemeindeebene, denn sonst ist das Ganze, was hier gesprochen wird, nichts anderes als leere Worte, und die Realität bleibt für die Betroffenen genau die gleiche. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.10

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.

 


18.10

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das neue Heimvertrags- und -aufenthaltsgesetz ist die Basis dafür, dass „Lainz“ nie wieder vorkommt. Und da wun­dere ich mich schon – das ist auch der Grund, warum ich mich heute noch zu Wort ge­meldet habe –, dass die Kollegin Becher in der Debatte heute noch den Mut hat, im Zusammenhang mit Lainz wörtlich von „kleinen Pflegemängeln“ zu sprechen.

Jetzt sage ich Ihnen, Kollegin Becher, und der sozialdemokratischen Fraktion, was „kleine Pflegemängel“ sind. Ganz konkret wird in einer Zeugenaussage eines Pflegers deponiert: Eine geistig behinderte Patientin wurde aus einem Gitterbett geholt und davor aufgestellt. Dann bekam sie links und rechts eine Ohrfeige, schrieb die Stations­gehilfin. Wenn dieser Pflegling schmutzig war, wurde er mit eiskaltem Wasser geba­det. – Ein „kleiner Pflegemangel“ Ihrer Meinung nach.

Die Kehrseite zeigt aber auch das Schicksal einer hoch betagten Patientin, die wegen schwerer Körperbehinderung und leichter Demenz wochenlang im Bett lag. Eine weitere Patientin hatte den Wunsch, einfach nur das Tageslicht, Bäume zu sehen – sie wurde ebenfalls im Bett liegen gelassen. Man sagte, man habe auf sie vergessen. – Auch ein „kleiner Pflegemangel“.

Ich könnte Ihnen noch etliche Fälle aufzählen, die aus den tragischen Protokollen von Lainz hervorgehen.


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Deshalb, das muss ich wirklich sagen, freuen wir uns sehr und sind sehr, sehr stolz auf dieses Gesetz. Es haben ein freiheitlicher Justizminister und ein freiheitlicher Sozial­minister kommen müssen, um dieses Gesetz dem Hohen Haus vorzulegen.

Lieber Dieter Böhmdorfer! Wir bedanken uns wirklich recht herzlich bei dir, dass du dieses Gesetz heute zum Beschluss vorlegst. Es ist ein Meilenstein, damit „Lainz“ wirklich nicht mehr vorkommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte auch noch auf eines hinweisen: Dieses Gesetz wird auch die Kontrolle ermöglichen. Das heißt, die Patienten haben in Zukunft Rechte. Die Rechtsbegleitung ist gegeben, und das noch dazu auf Kosten der öffentlichen Hand. Wenn Sie da noch von einem nicht fertigen oder nicht so guten Gesetz sprechen, dann weiß ich nicht, was ein gutes Gesetz in Ihren Augen ist.

Was Sie machen, das ist eine weitere Verleugnung des ganzen Lainz-Skandals. Wenn Sie die morgige „Kronen Zeitung“ zur Hand nehmen, sehen Sie es schwarz auf weiß: Es ist dank unserer Kollegen im Wiener Landtag, die eine Anfrage an die Stadträtin Pittermann gestellt haben, nun endlich herausgekommen, warum es zu wenig Pflege­personal gibt: weil im letzten Jahr 300 Ausbildungsplätze nicht einmal besetzt wurden. Das ist eine Tatsache.

Da greift man wie in anderen Bereichen auch immer wieder zurück auf den Stehsatz: Wir brauchen mehr Pflegekräfte aus dem benachbarten Ausland, das heißt mehr Zu­wanderer. Ich sage Ihnen: Wenn wir nicht einmal in der Lage sind, unsere eigenen Aus­bildungsplätze auszuschöpfen, dann ist das die Kapitulation – aber in dem Fall des Wiener Gesundheitssystems.

Dieses Gesetz wird uns dabei helfen, so wie meine Vorrednerin auch ausgeführt hat, dass Menschen in Würde, mit Rechtssicherheit und mit der nötigen Betreuung und Achtung alt werden können. Ich glaube, dass wir alle darüber nachdenken sollten, denn es könnte uns alle selbst einmal treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.14

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Daher schließe ich die Debatte.

Wir gelangen zu den Abstimmungen, und zwar gelangen wir zuerst zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Konsumentenschutzgesetz Bestimmungen über den Heimvertrag eingeführt werden, samt Titel und Eingang in 377 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung mit Einstimmigkeit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ein­stimmig angenommen wurde.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 377 der Beilagen hinsichtlich des Antrags 231/A betreffend ein Bundesgesetz über ein Bundes-Heimvertragsgesetz zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich im Falle der Zustimmung um ein Zeichen ersuchen. – Die Beschluss­fassung erfolgte einstimmig.


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Wir gelangen als Nächstes zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Moser betreffend einen Bericht über die Anwendung des Heimvertragsgesetzes in der Praxis.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Dieser Entschließungsantrag Dr. Jarolim, Dr. Moser wird mehrheitlich abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Heimaufenthaltsgesetz in 378 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Gabriela Moser einen Abänderungs­antrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den von diesem Abänderungsantrag betroffenen Teil des Gesetzes und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Wie gesagt, haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Dr. Gabriela Moser einen Abände­rungs­antrag betreffend § 22 der Vorlage eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass der Abänderungsantrag zu § 22 keine Mehrheit gefunden hat.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die der Vorlage in der Fassung des Aus­schuss­berichtes zustimmen, um ein Zeichen. – In dieser Abstimmung findet die Fassung des Ausschussberichtes eine mehrheitliche Annahme.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichts.

Ich bitte, dass jene Damen und Herren, die dem zustimmen, dies bekunden. – Ich stelle fest: Die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile sind einstimmig in zweiter Lesung angenommen worden.

Wir kommen nun zur dritten Lesung der Vorlage.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Die Vorlage ist in dritter Lesung mit Einstimmigkeit angenommen.

Wir kommen noch zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 378 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Entschließung zustimmen, um ein Zei­chen. – Ich stelle fest: Die dem Ausschussbericht in 378 der Beilagen beigedruckte Entschließung ist vom Nationalrat einstimmig angenommen. (E 38.)

7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (294 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Ge­richts­organisationsgesetz, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2003),

über die Regierungsvorlage (309 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Strafge­setz­buch geändert wird, und


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über die Bürgerinitiative (10/BI) betreffend „Höhere Strafen für Kindesmiss­brauch“ (379 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (18 d.B.): Fakultativ­protokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Ver­kauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie (380 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Als Erste kommt Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschrän­kung: 8 Minuten. – Bitte.

 


18.19

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Hohes Haus! Mehr als 40 000 Menschen haben die Bürger­initi­ative unterstützt, die höhere Strafen für Kindesmissbrauch und Kinderpornographie ge­for­dert hat. Am 18. September 2003 wurde diese Petition an Nationalratspräsident Dr. Andreas Khol übergeben. Darin wurde der Nationalrat ersucht, die Strafen für Kindesmissbrauch drastisch zu erhöhen, den Strafrahmen für die Produktion von Kinderpornos, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornos anzuheben.

Hohes Haus! Heute liegt diese Verschärfung des Sexualstrafrechtes dem Hohen Haus zur Beschlussfassung vor, und ich hoffe doch, dass wir hier eine einstimmige Be­schlussfassung zustande bringen.

Auch die EU, der Europarat und die Vereinten Nationen haben in verschiedenen Rechtsakten die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Strafbestimmungen zu erlassen, welche Kinderpornographie, die sexuelle Ausbeutung von Kindern, den Menschenhandel wirk­sam bekämpfen – bedauerlicherweise ein sich immer weiter wie ein Krebsge­schwür ausbreitendes Geschäft, das inzwischen den Drogenhandel wirtschaftlich schon über­flügelt.

Bei dieser Gesetzesvorlage – da haben wir auch eine effiziente Bekämpfung im Auge – ist es den Regierungsfraktionen ein besonderes Anliegen gewesen, die Strafen für Kin­derpornotäter nicht am unteren, liberalen Ende anzusiedeln. Wir wollen nämlich nicht das mildeste Strafrecht für Kinderpornotäter in der EU haben, sondern einen effizienten Strafrahmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Daher haben wir die Re­gierungsvorlage in einigen Bereichen massiv verschärft.

Die Kinderschutzkonvention der Vereinten Nationen und die EU schützen Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren, und auch wir haben dieses Alter im Gesetz verankert. Damit ist Pornographie unter 18 Jahren verboten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch Prostitution unter 18 Jahren ist verboten, und ich gebe zu, es gibt natür­lich gelegentlich jüngere Mädchen, die illegal der Prostitution nachgehen. Niemand denkt aber daran, nur weil es in der Praxis vorkommt, gleich die Prostitution ab 14 zu erlauben. So sehen wir das auch bei der Kinder- und Jugendpornographie. Auch sie soll in Österreich unter 18 Jahren verboten sein. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Ich möchte daher das Strafrecht für Pornographie unter 18 nicht liberalisieren. Ich weiß, dass es den Wunsch gibt, den Jugendlichen ab 14 mehr Pornofreiheit zu gewäh­ren, wenn dies freiwillig geschieht, wenn die Jugendlichen hier ihre sexuellen Wünsche


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ausleben wollen und Pornographie, eigene Pornographie verbreiten, verkaufen, in den Verkehr bringen wollen. Ich bin dagegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man das liberalisiert und ab 14 Jahren alles erlaubt, dann ist es nicht mehr weit dorthin, dass Bilder von 14-Jährigen, die wie 11 oder 12 ausschauen, in den Verkehr gebracht werden. Dann bereiten wir den Bo­den für die Pädophilie und für diesen kriminellen, ungustiösen Markt. Das möchte ich nicht unterstützen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher kann meine Fraktion auch nicht dem Wunsch nachkommen, Jugendliche ab 14 vom Schutzzweck auszunehmen und Pornographie von Jugendlichen bereits ab 14 im Internet zu erlauben, deren Besitz zu erlauben, deren Produktion und Verbreitung zu erlauben.

Nach dem Expertenhearing haben wir die Definition dessen, was Pornographie ist und was bloß erotische Bilder sind, näher bestimmt. Selbstverständlich wollen wir nicht Urlaubsfotos vom Nacktbadestrand oder von Babys in der Badewanne sofort pönalisie­ren. Ich glaube aber, dass es nicht angeht, Kinder zu fotografieren und Nacktbilder von Kindern im Internet zu verkaufen. Bedauerlicherweise findet die pädophile Szene über sehr neutrale Nacktbilder im Internet ihren Markt. Es genügt das bloße Nacktbild, um Signale auszusenden, an welche Kundschaft das gehen soll.

Wir wissen von der Stelle für die Bekämpfung des Cyber Crime im Innenressort, dass es nicht der Hardcore ist, der sozusagen die Szene anspricht, sondern die Einstiegs­droge sind ganz harmlose Dinge. Daher halte ich es für gerechtfertigt, hier den stren­geren Weg zu gehen, nicht die Einstiegsdrogen per se zu liberalisieren und dem Pädo­philenmarkt und dem Kinderpornomarkt neue Felder zu eröffnen und den Boden auf­zubereiten. Wir in Österreich wollen nicht Zufluchtsort für diese kriminellen Taten sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.25

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


18.25

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist in dem Haus unbestritten, dass alle Parteien hier der Initiative der Europäischen Union – das muss man ja dazusagen: es ist ein europäischer Rahmenbeschluss, der umzusetzen ist – natürlich zustimmen, weil keiner von uns will, dass Jugendliche und Kinder sexueller Gefährdung ausgesetzt wer­den. Keiner von uns will, dass hier eine Pornographieindustrie entsteht. Keiner von uns hier will all das, was die Kollegin Fekter in den Raum gestellt hat, unterstützen, sondern das ist natürlich massivst zu bekämpfen. (Abg. Dr. Fekter: Gut so, wenn Sie das nicht wollen!) Man muss sich nur anschauen, ob es auch tatsächlich um dieses gemeinsame Anliegen geht oder ob da noch etwas mehr mitschwingt.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen sagen, es gab auch deshalb bis 1999 eine Arbeitsgruppe zum Sexualstrafrecht, die sich unter Beiziehung von Experten – von Psychologen, von Therapeuten – mit diesen Folgen, mit diesen Fragen auseinander gesetzt hat und die hier unterwegs war, um eine effiziente Verbesserung des Schutzes auch unter Maßgabe der Bedürfnisse der Jugendlichen, der Kinder zu erreichen. Ich persönlich und wir alle haben es eigentlich nicht verstanden, warum einer der ersten Schritte im Justizministerium die Auflösung dieser Arbeitsgruppe war. Ich weiß auch, dass es sicherlich nicht der damalige Herr Justizminister war, der das betrieben hat, sondern dass es offensichtlich eine falsch verstandene Moralität ist, sich mit derartigen Themen überhaupt nicht auseinander zu setzen. Das ist natürlich das Allerschlech­teste, und das wird den Jugendlichen in dem Zusammenhang nicht helfen können.


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Nicht nur, dass diese Arbeitsgruppe aufgelöst worden ist, haben wir hier im Rahmen dieses Unterfangens auch ein Expertenhearing gehabt, in dem wir Experten darüber befragt haben, ob das, was vorgesehen ist, wirklich auch das Beste ist, ob man hier also tatsächlich all jene Maßnahmen wieder findet, die dem Jugend- und Kinderschutz nützen. Dort haben uns Experten darauf hingewiesen, dass es eben nicht so ist, sondern dass es sehr viele unbestimmte Begriffe gibt und dass es hier auch Gefahren gibt.

Das ist das, was mir persönlich außerordentlich missfällt, nämlich dass wir hier sogar Jugendliche erfassen, die miteinander in einer Beziehung leben, die Zuneigung zueinander haben. Und, meine Damen und Herren, Handys hat heutzutage jeder, Fotohandys hat auch jeder, und wir leben eben in einer Welt, in der Kommuni­ka­tionsmittel wie SMS von den Jugendlichen besonders angenommen werden. Die Fra­ge, die hier im Raum gestanden ist und noch immer steht (Abg. Dr. Fekter: ... wenn wir das wirklich haben!), Frau Kollegin Fekter, war letztlich die, ob es wirklich strafbar sein soll und darf und ob es sinnvoll ist, wenn sich zwei Jugendliche, die miteinander in Beziehung stehen, ein Foto von sich selbst schicken – jeder von uns kennt das (Abg. Dr. Fekter: Es geht um Pornos! Pornos!) –, auf dem sie sich selbst darstellen in einer Weise (Abg. Dr. Fekter: Es geht um Pornographie!), die dann strafrechtlich ahndbar ist. (Abg. Dr. Fekter: Sagen Sie dazu, dass Sie Pornos haben wollen!)

Was heißt „Pornos“, Kollegin? – Das ist ja eine absolut perfide Entgegnung, die Sie da unternehmen. Das ist grotesk! (Abg. Dr. Fekter: Es geht um Pornographie!) Sie sind wieder einmal an sich gegen jeden wirklich am Kinder- und Jugendschutz ausge­richteten Experten und versuchen hier, diese eigenartige Moralisierung aufzusetzen (Abg. Dr. Fekter: Es geht um Pornos!), wie wir sie teilweise auch aus Diskussions­beiträgen des Herrn Präsidenten Khol kennen, meine Damen und Herren! Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass das der Jugend nicht nützt, sondern schadet! Da nützt Ihnen die gesamte Argumentation, der ja jegliche sachliche Rechtsgrundlage fehlt, überhaupt nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, das besonders Scheinheilige an der ganzen Diskussion ist Folgendes: Wir alle wissen seit langem – keiner von uns freut sich darüber, aber wir sind damit kon­frontiert –, dass es im Bereich der Seelsorge massive Probleme gibt. (Abg. Neudeck: Massive nicht!) Es gibt welche, man muss sich jedenfalls damit auseinander setzen. Ich freue mich nicht, ich sage das nicht. (Abg. Dr. Fekter: Bei Ihren sozialistischen ...! – Abg. Dr. Trinkl: Portugal!) Ich habe nur gesagt: Setzen wir uns auch mit dem Thema auseinander, nachdem bereits in der Behandlung des Entwurfs darauf hingewiesen worden ist, dass zwar Ärzte, Psychotherapeuten und alle möglichen Gruppen genannt werden, aber diese Gruppe sehr wohl nicht!

Wenn ich mir das hier anschaue – ich möchte nicht die Geschichte Groer nennen –: Missbrauchsvorwürfe, Priester, Sellrain, Pfarrskandal, am 17. Dezember 2003. Wir kennen den Fall aus Boston, wo es um Bischöfe geht. „Steirischer Pfarrer unter schwerem Tatverdacht“, am 12. Juni 2002. Immer wieder gibt es großen Widerstand innerhalb der Kirche, sich damit auseinander zu setzen.

Ich bin darüber nicht glücklich, und es sind auch die Kirchenvertreter darüber nicht glücklich. Es gibt auch seitens der Kirchen durchaus den Vorschlag, dies mit hereinzu­nehmen und anzusprechen, dass dies ebenfalls Gegenstand dieser Schutznormen sein muss. Meine Damen und Herren, ich verstehe nicht, warum Sie sich hier nicht dazu aufraffen können, klare Worte zu finden und zu sagen (Abg. Dr. Fekter: Die Experten haben gesagt ...!): Wir schützen, aber es gibt nicht Grenzen dort, wo wir mit Scheinheiligkeit argumentieren, und nehmen daher die Seelsorger nicht aus. (Abg. Dr. Fekter: Die sind nicht ausgenommen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Meine Damen und Herren! Ich betrachte das als beschämend. Es zeigt Ihre Moralität, nämlich offensichtlich auch bei den Jugendlichen nicht zu unterscheiden, was sachlich ist. Das ist etwas, was wir ablehnen. Ich bedauere das zutiefst. Wir gehen mit dem sonstigen Gesetz mit, aber bei diesen scheinheiligen, unerträglichen und von Experten auch tatsächlich als solche dargestellten Punkten gehen wir nicht mit. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter – in Richtung Präsidium –: Tatsächliche Berichtigung, bitte!)

18.31

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Ab­geordnete Dr. Fekter zu Wort gemeldet. Ich mache darauf aufmerksam, dem zu be­richtigenden Sachverhalt den tatsächlichen Sachverhalt gegenüberzustellen. – Bitte.

 


18.31

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Kollege Jarolim hat gerade behauptet, Seelsorger wären vom Sexualstrafrecht ausgenommen. – Das ist falsch!

Seelsorger unterliegen selbstverständlich auch dem Sexualstrafrecht, speziell in jenem Paragraphen, in dem es um die Ausnützung des Autoritätsverhältnisses geht, insbe­son­dere auch dann, wenn sie Erzieher sind oder wenn Ihnen Kinder anvertraut worden sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Nur dann! – Abg. Dr. Puswald: Nur dann! Tatsächliche Berichtigung!)

18.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine tatsächliche Berichtigung? – Das ist eine persön­liche Erwiderung. (Abg. Dr. Jarolim: Das war jetzt tatsächlich etwas, aber nicht das Richtige!) Die könnte ich Ihnen zugestehen, wenn Sie angesprochen worden wären, was aber nicht der Fall ist. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 


18.32

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Wenn man die Auffassungen von Pornographie und insbesondere von Kinderpor­nographie von vor ungefähr zehn Jahren mit der heutigen Sicht vergleicht, dann muss man schon sagen: Es liegen Welten dazwischen!

Ich habe mir das angeschaut. Im Jahre 1994 wurde hart diskutiert, ob der Besitz von kinderpornographischen Bildern strafbar sein soll. Dann hat man sich endlich durch­gerungen zu einer geringen Freiheitsstrafandrohung von sechs Monaten – wie gesagt: durchgerungen. Es war zwar jeder schockiert über einen Film, den seinerzeit meine Kollegin Apfelbeck zeigte, aber tatsächlich hat man Bedenken gehabt, wirklich hart durchzugreifen.

Ich zitiere jetzt keine Namen von Abgeordneten, aber hier hat bei dieser Debatte ein Abgeordneter beispielsweise gesagt: Es ist leider nicht dazu gekommen, eine Gesamtreform des Pornographiegesetzes mitzutragen. Das wäre gewesen: eine klarere Regelung und Einführung von absoluten Verkaufs- und Tauschverboten in Bezug auf pornographische Darstellungen mit unter 14-Jährigen, ebenso auch porno­graphische Gewaltdarstellungen. Das heißt, es ist nicht gelungen, das durchzusetzen.

Weiters sagte eine Abgeordnete: Ich finde es besonders wichtig, jeglichen Besitz von derartigen Kassetten – das sind diese Gewalt- und Kinderpornographie-Kassetten –, egal, wie viele es sind, zu bestrafen. Es stand lange zur Diskussion: Wie viele muss er denn haben, damit er bestraft wird? – Das war also damals die Diskussion. Eine Abgeordnete hat ferner gesagt: Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt auch


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wesentliche Argumente, die gegen die Strafbarkeit des Besitzes von kinderporno­gra­phischen Aufnahmen sprechen.

Ich sage das, damit man sieht, wie sehr sich das Bewusstsein geändert hat. Denn heu­te weiß man, dass Kinderpornographie zu einem richtig großen Geschäftszweig gewor­den ist – Frau Abgeordnete Fekter hat schon darauf hingewiesen –, und weltweit war­ten die Abnehmer, und zwar riesige Abnehmermassen, darauf, dass sie neues Material bekommen. Da scheuen sie vor keinem Mittel, vor keiner Methode und vor keinerlei grauslichen Handlungen zurück, um zu diesem Material zu kommen.

Viele Kinder – das müssen wir uns hier auch ins Bewusstsein rufen – leiden unvor­stellbare Qualen bei der Herstellung dieser pornographischen Darstellungen. Sie wer­den ausgebeutet, sie werden praktisch für ihr Leben ruiniert, weil sie für Pornos miss­braucht werden. Deshalb müssen das Herstellen, das Verbreiten, aber auch der Besitz strengstens bestraft werden! Da bin ich absolut einig mit Frau Abgeordneter Fekter. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß schon, wir werden wahrscheinlich die Kinderpornographie allein mit Strafen nicht unterdrücken können. Aber auf der an­deren Seite ist die gerichtliche Strafandrohung doch ein sehr wirksames Instrument, um strafbare Handlungen einzudämmen und vor allem um ernst genommen zu wer­den. Würden wir sagen: Wir können mit Strafen ohnehin nichts ändern, deshalb ma­chen wir überhaupt nichts, dann würden wir ja in unseren Absichten überhaupt nicht ernst genommen werden. Deshalb sind wir dafür, dass, wie es in der Regierungs­vor­lage vorgesehen ist, die Strafen wirklich erhöht werden, drastisch erhöht werden, und stimmen dieser Regierungsvorlage zu. Ich finde, es muss unserer Gesellschaft ganz klar demonstriert werden, dass das Herstellen, das Verbreiten und auch das Besitzen kinderpornographischer Darstellungen wirklich etwas Verwerfliches sind.

Weil heute vom Kollegen Jarolim angeschnitten worden ist – die Diskussion hat sich ja schon lange entwickelt – die pornographische Darstellung von 14- bis 18-Jährigen, die im Einverständnis hergestellt wird: Uns geht es darum, dass wir den Markt mehr oder weniger austrocknen wollen oder zumindest versuchen wollen, den Zugang zu porno­graphischen Aufnahmen zu verhindern. Deshalb sind wir dafür – da diese EU-Richtlinie vorsieht, dass auch die mündigen Minderjährigen in diese Bestimmungen hineinkom­men –, dass auch das mit einer Strafdrohung versehen ist.

Ich möchte kurz darauf eingehen, welche wesentlichen Änderungen in der heutigen Sexualstrafrechts-Novelle außerdem enthalten sind. Erstens ist dies der Menschen­han­del zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Menschenhandel zum Zweck der Aus­beutung durch Organentnahme, weiters der Menschenhandel zum Zweck der Aus­beutung der Arbeitskraft, verbotene Vermittlung von Adoptionen, die Förderung der Prostitution und pornographischen Darbietungen Minderjähriger – also lauter Punkte, die in unserer heutigen Zeit wirklich ungeheuer aktuell sind – und vor allem auch die sexuelle Belästigung, das heißt beispielsweise das Grapschen in öffentlichen Ver­kehrsmitteln. Bisher hat das Opfer überhaupt keine Möglichkeit gehabt, sich dagegen zu wehren, nun gibt es einen Tatbestand.

Herr Abgeordneter Jarolim! Ich möchte auch auf den Seelsorger eingehen, wir haben ja im Vorfeld sehr viel darüber diskutiert. Sie wissen ganz genau, dass im § 212 das Autoritätsverhältnis, die Aufsichtspflicht und so weiter beinhaltet sind und auch der Missbrauch, der damit verbunden sein kann. Daher fällt natürlich der Seelsorger darun­ter. Meistens sind es Ministranten, die missbraucht werden; natürlich hat da der Seel­sorger eine gewisse Aufsichtspflicht. Daher brauchen Sie nicht die Angst zu haben, dass der Seelsorger durch eine Gesetzeslücke fällt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube wirklich, Sie machen sich da unnötig Sorgen. Kein Mensch möchte einen


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Seelsorger decken, der sich an minderjährigen Kindern vergeht. Da glaube ich wirklich, dass Sie nur aus reinem Spektakel hineinreklamieren wollten, dass der Seelsorger eben auch in diese Gruppe gehört. (Abg. Dr. Jarolim: Die Ärzte stehen aber drin!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass wir mit diesem Sexual­straf­rechtsänderungsgesetz wirklich etwas getan haben, um zu zeigen, dass es uns ernst ist mit der Bekämpfung der Pornographie, mit der Bekämpfung sexuellen Miss­brau­ches und dass wir darauf Wert gelegt haben, immer wieder zu betonen, wie wichtig die sexuelle Integrität ist. Ich glaube ja, dass alle zustimmen werden, und es ist besonders schön, dass wir zu diesem Konsens gefunden haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.40

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

 


18.40

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar vecer, poštovane dame i gos­podo! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Eigentlich woll­te ich nicht über die Seelsorger sprechen, aber jetzt, nachdem dieses Thema ange­sprochen wurde, möchte ich mich dazu auch nicht verschweigen. Es ist jetzt nämlich genau jene Art von Diskussion entstanden, wo sozusagen – wir Grünen nehmen uns da jetzt heraus – hier die Regierung steht und da die Opposition, in diesem Fall die Sozialdemokraten, Letztere mit einer Forderung, die ich hundertprozentig unterstütze.

Was passiert jetzt in dieser Diskussion, wenn die Regierung sagt: Uh! Die Seelsorger werden in dieser Begrifflichkeit der Seelsorger nicht in dieses Gesetz aufgenom­men!? – Ich habe in der Vorwegdiskussion im Ausschuss und im Vorgespräch immer wieder den Vorschlag gemacht: Bitte nehmt sie auf! Nehmt sie auf zum Schutz der Seelsorger in diesem Land!

Die Seelsorger – und ich verwende jetzt bewusst die männliche Form, weil ich noch nie Fälle von Seelsorgerinnen, mit kleinem „i“, gehört habe, wo das ein Problembereich gewesen wäre; aber Kollege Jarolim hat Ihnen all das ohnedies aufgezählt – wären, auch vor diesen Pauschalverdächtigungen, die es immer wieder gegen sie gibt, am besten dadurch zu schützen, dass man klar hineinschreibt, dass sie nicht nur dann, wenn sie – wie die Vorsitzende des Justizausschusses gesagt hat – insbesondere Erzieher oder Lehrer sind, einer strafrechtlichen Verantwortung ausgesetzt sind. – Sie sind nur dann einer strafrechtlichen Verantwortung ausgesetzt, wenn sie Lehrer oder Erziehungsberechtigte sind (Abg. Dr. Fekter: ... Aufsichtspersonen! ... Autoritätsver­hältnis! So wie der Bürgermeister! ... Sozialarbeiter!), aber sie sind es nicht als Seel­sorger! Sie sind es dann genau nicht!

Meine Damen und Herren! Gerade jene, die Seelsorger kennen und mit ihnen in Kon­takt kommen – nehmen wir an, das sind entweder evangelische oder katholische Men­schen –, wissen ja extrem genau, wo die Abgrenzungen sind. Die wissen genau, dass Seelsorger – und das hat gerade meine Kollegin Sabine Mandak gesagt – als solche ja Seelentherapeuten sind. Sie haben ja vielfach genau diese Wirkungen, dass es zu einem – und ich spreche auch aus Erfahrung, ich bin nämlich auch römisch-katho­lisch – völlig anderen Abhängigkeitsverhältnis zwischen Menschen kommt als zwi­schen irgendjemand anderem. Das Verhältnis zwischen einem Seelsorger und seinem „Schützling“ – „Schützling“ hier nicht im Sinne von jenem eines Erziehers oder Lehrers, sondern im Sinne von gläubigem Menschen – ist ein anderes als in anderen Berufen, und es kommt einem solchen, das beim Beruf eines Therapeuten gegeben ist, durch­aus nahe.


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Darum sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Sie erweisen den Seelsorgern einen Bärendienst, indem Sie sie hier vermeintlich schützen. Der größte Schutz wäre die Präzision, denn dann weiß auch jeder einzelne Seelsorger, aber auch der Rechtsanwender, was zu geschehen hat.

Deshalb unterstütze ich die Forderung der Sozialdemokraten in diesem Punkt ganz vehement und meine, dass Sie sich Ihre diesbezügliche Haltung vielleicht noch einmal überlegen sollten.

Aber jetzt ganz allgemein zum Sexualstrafrecht einige kurze und hoffentlich präzise Be­merkungen.

Die Grünen haben seit vielen Jahren eine Änderung und Veränderungen, positive Ver­änderungen des Sexualstrafrechts extrem unterstützt und versucht, auch darauf einzu­wirken, dass solche erfolgen. Es sind ja einige Kolleginnen und Kollegen hier, die da­mals dabei waren – ich glaube, im Jahr 1995 war es, als sich die große Arbeitsgruppe, die heute schon angesprochen wurde, im Justizministerium zusammengesetzt hat, ein großer Saal voller Leute mit ganz viel Fachwissen. Auch wir waren dort einbezogen. Also das ist eine Sache, die jetzt schon relativ lange währt.

Ich verschweige nicht, dass ich über das Ergebnis eines so langen Diskussions­pro­zesses und einer Reform in vielen Teilen zufrieden, aber in einigen Teilen auch ent­täuscht bin, enttäuscht vor allem durch eine bestimmte Art von Inkonsequenz. – Ich spreche zwar immer dem Zutun von Abgeordneten das Wort, nämlich dass sie sich doch mit Vorlagen der Regierung auseinander setzen und sie abändern sollen. Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ haben es in diesem Fall getan, aber sie haben keine Änderung zum Guten, sondern in diesem Fall zum Schlechten vorgenommen. Also nicht immer ist es so, dass die Abgeordneten auf diese Weise positive Beiträge leisten, nämlich in diesem Fall ein Abgehen von dem Prinzip, dass man sich dieser veralteten Sprache und dieser überkommenen Begrifflichkeit, wie beispielsweise „Unzucht“, be­dient, und deren endgültiges Eliminieren aus dem österreichischen Strafrecht. Da wur­de inkonsequent vorgegangen, denn der § 219, welcher lautet: „Ankündigung zur Herbeiführung unzüchtigen Verkehrs“, ist noch immer im Gesetz enthalten.

Das ist vielleicht ein Ihnen nicht so relevant erscheinender Detailpunkt, aber er ist we­sentlich, um das auszudrücken, was dieses Gesetz auch soll.

Die zweite – jetzt von allen hier andiskutierte und brisante – Frage im Zusammenhang mit der Kinderpornographie: Frau Dr. Partik-Pablé! Wenn hier jemand auch nur an­deutungsweise meint, dass hier ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete im Raum ist, der oder die das, was man unter „Kinderpornographie“ versteht, nicht ächtet, dann tut er das ganz bewusst als bösartige Unterstellung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

In all den Diskussionen, die ich erlebt habe, habe ich nie auf Seiten eines Kollegen oder einer Kollegin auch nur eine Mentalreservation erlebt, sondern das ehrliche Be­mühen – und da muss ich der Vorsitzenden unseres Justizausschusses auch ein Lob aussprechen (demonstrativer Beifall des Abg. Grillitsch) –, zu einer Lösung zu kommen, mit der alle einverstanden und zufrieden sind. Das Expertenhearing, das auf unsere Bitte und auf Ihre Initiative entstanden ist, war hier auch konsistent und klar und hat auch noch zu positiven Veränderungen geführt. Und das ist gut. Darum ist diese Mentalreservation, die hier so mit versteckten Andeutungen ausgesprochen wird, dem inzwischen im Justizausschuss eingekehrten konstruktiven Klima wirklich nicht sehr zuträglich.


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Wir wollen die Bekämpfung von Kinderpornographie! Was wir aber gleichzeitig wollen, ist, einen Weg zu suchen, der das in der Realität auch wirklich machbar werden lässt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich war 1994 bei den Diskussionen zum Thema Kinderpornographie hier dabei. Meine Damen und Herren! Wissen Sie, wie viele Leute sich im Innenministerium sozusagen mit dem Aufspüren von kinderpornographischen Machwerken im World Wide Web be­schäftigen? – Es ist eine Mini-Abteilung: Es sind zwei Leute, die das tun – und was diese an Arbeit haben, ist ungeheuerlich, denn das World Wide Web ist im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos! Jetzt bekommen sie Leute dazu. Ich habe nirgends eine Bemerkung, weder vom Justizminister noch von Abgeordneten der Regierungs­frak­tionen, darüber gehört, wie man sich eigentlich vorstellt, dass man das, was jetzt rich­tigerweise vielfach verpönt wird, verfolgen wird.

Ich zweifle sehr an der Effizienz der Strafverfolgung auf der Grundlage dieses Ge­setzes, wie es jetzt beschlossen werden wird, denn hier wird nämlich keine Differen­zierung – ich fasse es jetzt sehr global – beziehungsweise zu wenig Differenzierung vor­genommen zwischen Null- und 18-Jährigen. – Das ist die Situation auf der einen Seite, und auf der anderen Seite steht das legitime Anliegen der Opposition, das wir in unserem Abänderungsantrag zum Ausdruck bringen, nämlich zu sagen: Entschuldi­gung, wie kommt eigentlich ein Mensch – ein Erwachsener, ich rede jetzt von über 18-Jährigen – dazu, wenn er im geschützten Raum pornographische Aufnahmen von sich macht oder von sich machen lässt – das ist alles nicht verboten in diesem Land – und diese dann jemand ins World Wide Web stellt, dass er dann vollkommen ungeschützt ist? Ja wie kommt ein über 18-Jähriger dazu? (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Wir wollen die Pönalisierung und den Schutz auch für jene, die über 18 Jahre alt sind, aber nicht, dass hier eine puritanische Moral einkehrt, die einfach nicht dem realen Leben entspricht! Dadurch werden Sie kein Kind, das für kinderpornographische Auf­nahmen missbraucht wird, mehr schützen. Sie werden keinem Kind – ich rede jetzt von Kindern unter 14 Jahren – dadurch helfen, dass man meiner Ansicht nach zwar vielleicht gut gemeinte, aber in der Umsetzung falsch verstandene Vorstellungen in einem Gesetz umsetzt. – Das ist unsere Sorge!

Wir haben das auf Grund des Expertenhearings und dessen, was die Experten dort vorgeschlagen haben, in einem Abänderungsantrag zusammengefasst und bitten Sie: Denken Sie noch einmal darüber nach, ob eine Möglichkeit besteht, das so, wie es dort übereinstimmend vorgebracht wurde, nämlich von solchen, die wirklich etwas davon verstehen – wir tun es nicht, ich fühle mich nicht als Expertin auf diesem Gebiet, und Sie, Frau Vorsitzende, sind es auch nicht; niemand hier ist es, darum laden wir ja Ex­perten ein, um ihre Meinung zu erfragen –, auch tatsächlich umzusetzen. Das ist meine letzte Bitte.

Kolleginnen meiner Fraktion werden selbstverständlich darauf eingehen, was noch in diesem Gesetz enthalten ist: Stichwort sexuelle Belästigung. Meine Zufriedenheit mit der Lösung, die da getroffen wurde, Herr Bundesminister, hält sich aber schon in Gren­zen. Als Frau, die sozusagen jahrelang mit der Tatsache sexuelle Belästigung – egal, ob verbal oder handgreiflich – konfrontiert war, muss ich allerdings auch sagen, dass dieses Signal an sich, das mit dieser inperfekten Regelung gesetzt wird, schon wichtig ist, heißt doch dieses Signal ganz klar: Grapschen ist nicht erlaubt! Grapschen ist ver­boten! Und wenn das ankommt, dann haben wir schon etwas erreicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


18.51


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits und Dr. Jarolim, den Frau Abgeordnete Stoisits im letzten Teil ihrer Ausführungen dargelegt und erläutert hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt, wird verteilt und steht mit zur Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Freundinnen und Freunde betreffend Sexualstrafrecht, eingebracht im Zuge der Debatte über Gemein­samer Bericht des Justizausschusses über das Bundesgesetz, mit dem das Strafge­setzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Auslie­ferungs- und Rechtshilfegesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Straf­rechtsänderungsgesetz 2003) (294 d.B.) und das Bundesgesetz, mit dem das Strafge­setzbuch geändert wird (309 d.B.) sowie die Bürgerinitiative betreffend "Höhere Strafen für Kindesmissbrauch" (10/BI) (379 d.B.)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Abänderungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch, die Straf­prozessordnung 1975, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafrechtsände­rungsgesetz 2003) in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages Dr. Fekter, Neudeck (Strafrechtsänderungsgesetz 2004) wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I Ziffer 18 hat § 207a samt Überschrift zu lauten:

„Pornographische Darstellungen Unmündiger

§ 207a. (1) Wer eine pornographische Darstellung einer unmündigen Person (Abs. 4)

1. herstellt oder

2. zum Zweck der Verbreitung einführt, befördert oder ausführt oder

3. einem anderen anbietet, verschafft, überlässt, vorführt oder sonst zugänglich macht,

ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat gewerbsmäßig begeht. Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder so begeht, dass sie einen besonders schweren Nachteil der unmündigen Person zur Folge hat; ebenso ist zu bestrafen, wer eine pornographische Darstellung einer unmündigen Person (Abs. 4) unter Anwendung schwerer Gewalt herstellt oder bei der Herstellung das Leben der dargestellten unmündigen Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gefährdet.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ist zu bestrafen, wer sich eine porno­graphische Darstellung einer unmündigen Person (Abs. 4) verschafft oder eine solche besitzt.

(4) Pornographische Darstellungen Unmündiger sind


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1. wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung an einer unmün­digen Person oder einer unmündigen Person an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier,

2. wirklichkeitsnahe Abbildungen eines Geschehens mit einer unmündigen Person, dessen Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, dass es sich dabei um eine geschlechtliche Handlung an der unmündigen Person oder der unmündigen Person an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier handelt,

3. wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien oder der Schamgegend Unmündiger, soweit es sich um auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen los­gelöste sowie anreisserisch verzerrte Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen;

4. bildliche Darstellungen, deren Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, es handle sich um eine Abbildung mit einer unmündigen Person im Sinne der Z 1 bis 3.“

2. In Artikel I wird nach Ziffer 27 folgende Ziffer 27a eingefügt:

„27a. § 219 samt Überschrift hat zu lauten:

‚Missbrauch pornographischer Darstellungen

§ 219. (1) Wer eine pornographische Darstellung einer anderen Person ohne deren Zustimmung verbreitet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wer eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person an einen größeren Personenkreis verbreitet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(3) Wer, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person

1. herstellt oder

2. zum Zweck der Verbreitung einführt, befördert oder ausführt oder

3. einem anderen anbietet, verschafft, überlässt, vorführt oder sonst zugänglich macht,

ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(4) Wer in den Fällen der §§ 201, 202, 205 oder 212 unter den dort genannten Begehungsweisen eine pornographische Darstellung einer anderen Person herstellt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(5) Wer die Tat gewerbsmäßig begeht, ist im Falle der Abs. 1 bis 3 mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und in den Fällen des Abs. 4 mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen,. Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren in den Fällen der Abs. 1 bis 3 und von einem bis zu zehn Jahren im Falle des Abs. 4 ist zu bestrafen, wer die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder so begeht, dass sie einen besonders schweren Nachteil der abgebildeten Person zur Folge hat; ebenso mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (in den Fällen des Abs. 3) und von einem bis zu zehn Jahren (im Falle des Abs. 4) ist zu bestrafen, wer eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person unter Anwendung schwerer Gewalt herstellt oder bei der Herstellung das Leben der dargestellten min­derjährigen Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gefährdet.


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(6) Pornographische Darstellungen im Sinne der Abs. 1 bis 5 sind wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung oder der Genitalien einer Person, soweit es sich um auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste sowie anreißerisch verzerrte Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen.’“

Begründung:

In ihrem kürzlich im Auftrag des BMSG erstellten Entwurf eines Nationalen Aktionsplan Kinder- und Jugendrechte (YAP) haben die KinderschutzexpertInnen Österreichs folgende Forderung erhoben:

„Schaffung eines Tatbestandes der zielgenau die wichtigen Punkte im Bereich Kinder-/Jugendpornografie betrifft (kommerzielle Herstellung und Vertrieb, Weitergabe von pornografischen Darstellungen ohne Zustimmung von der über 14-jährigen) anstelle der Generalisierung dieses Bereiches wie im StRÄG 2003 beinhaltet.“

In diesem Sinne soll § 207a StGB (weiterhin) Darstellungen mit Unmündigen erfassen. Für mündige Minderjährige („Jugendliche“) soll ein eigener Tatbestand (§ 219 StGB) geschaffen werden, der im Sinne deren Grundrechts auf einverständliche sexuelle Kontakte und in Berücksichtigung des Umstands, dass – im Gegensatz zur Situation bei Unmündigen – grundsätzlich legale Kontakte abgebildet werden (auf die die Be­teiligten sogar einen grundrechtlichen Anspruch haben), nicht Abbildungen sexueller Vorgänge generell pönalisiert und dann Ausnahmen schafft, sondern umgekehrt jene Umstände festlegt, in denen auch bei mündigen Personen der Umgang mit porno­grafischen Darstellungen den Einsatz des Strafrechts erfordert, insb. dort wo der Be­reich der privaten Sexualität verlassen wird.

Wird eine pornographische Darstellung einer Person ohne deren Zustimmung an andere verbreitet, so erscheinen auch erwachsene Personen schutzbedürftig. Die Min­derjährigkeit soll in § 219 kein Kriterium sein. Diese Schutzlücke für erwachsene Per­sonen soll nun geschlossen werden.

Ebenso erscheint die Herstellung von Gewaltpornografie nicht nur bei Minderjährigen strafbedürftig. § 219 Abs. 4 soll daher idealkonkurrierend mit den §§ 201, 202, 205, 212 und 106 (letzterer, dann wenn keine geschlechtliche Handlungen sondern nur die Genitalien abgebildet werden) zur Anwendung kommen (so wie etwa auch § 214).

Bei Minderjährigen soll allerdings die Verbreitung an einen größeren Personenkreis generell untersagt werden, ohne Rücksicht auf ihre Zustimmung (§ 219 Abs. 2).

Ebenso sollen bei Minderjährigen kommerzielle Motive anderer Personen ausgeschal­tet werden.

Auch bei nichtpornografischen (bloß erotischen oder bloßen Nackt)Darstellungen kann es zu unerträglichen Verletzungen der Privat- und Intimsphäre kommen (so etwa bei heimlichem MMS-Versand per Handy oder Veröffentlichung auf einer Internetseite). Solche Verletzungen werden durch § 7 MedienG und § 78 UrhG zivilrechtlich ge­ahndet. Die Beseitigung dieser Schutzlücke durch Einführung auch strafrechtlicher Sanktionen erscheint (auch im nicht-pornografischen Bereich und bei nicht wirk­lichkeitsnahen Darstellungen) überlegenswert, soll aber einer generellen Regelung vorbehalten bleiben, die nicht nur sexuelle Vorgänge erfasst, sondern umfassend unerträgliche Verletzungen der Privat- und Intimsphäre auch strafrechtlich ahndet.

§ 207b wurde in § 219 Abs. 4 nicht einbezogen, weil jene Fälle, die nicht von den Abs. 1 bis 3 erfasst sind und keine Begehungsweisen nach den §§ 201, 202, 205 oder 212 als Teil legaler privater Sexualkontakte Jugendlicher erscheinen. Gerade in


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diesem Bereich erscheint aber § 207b problematisch und wird deshalb im Nationalen Aktionsplan Kinder- und Jugendrechte (YAP) die Forderung nach einer Evaluierung dieser Bestimmung im Hinblick auf die befürchtete Einschränkung jugendlicher Selbst­bestimmung erhoben. Vor Vorliegen des Ergebnis dieser Evaluierung sollte der An­wendungsbereich des § 207b nicht erweitert werden.

Der § 219 idgF (Ankündigung der Herbeiführung unzüchtigen Verkehrs) schützt die Interessen des Einzelnen, in der Öffentlichkeit nicht ungewollt mit Ankündigungen konfrontiert zu werden, die auf die Herbeiführung eines geschlechtlichen Verkehrs abzielen. Im strafwürdigen Bereich scheinen hier die Bestimmungen des Porno­graphie­gesetzes ausreichend. Diese Strafbestimmung braucht daher – wie auch noch im Ministerialentwurf und der Regierungsvorlage vorgesehen – nicht mehr aufrecht er­halten werden, zumal die von den Regierungsfraktionen beantragte unveränderte Bei­behaltung dieser Strafbestimmung der ausdrücklichen Intention des Gesetzes zu einer sprachlichen Modernisierung („Unzucht“ etc) entgegenläuft.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Redezeit voraussichtlich 6 Minuten. – Bitte.

 


18.51

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Strafrechtsänderungsgesetz 2003 bein­haltet zwei große Blöcke: einerseits die Änderung des Sexualstrafrechtes, worüber ja schon einiges hier vom Rednerpult aus ausgeführt wurde, und als zweiten Block: Schutz unbarer Zahlungsmittel, die bisher in Österreich nicht geschützt waren. Im zwei­ten Teil geht es also darum, Kreditkarten- und Bankomatkartenbetrüger auch hier in Österreich verfolgen zu können.

Sehr viel ist ja bereits, wie gesagt, über das Sexualstrafrecht diskutiert worden, den­noch möchte ich noch einige Anmerkungen dazu in diese Diskussion einbringen und Folgendes vorausstellen: Das Internet ist heute aus der wirtschaftlichen Welt nicht mehr wegzudenken; es ist ja auch ein wirklich wahres Hilfsmittel für viele wirt­schaftliche Beziehungen, eröffnet aber gleichzeitig auch den Verbrechern ein geradezu unermessliches Feld und noch nie da gewesene Möglichkeiten.

Es gibt die Internet Watch Foundation, die im August des Vorjahres veröffentlicht hat, dass sich die Kinderpornographie im Internet im Jahre 2002 verdoppelt hat – und dass die Täter immer geheimere Wege finden, um einen Zugang zu diesen Seiten zu finden und so Pädophilen ein Betätigungsfeld eröffnen, das wirklich unbeschreiblich ist.

Ich habe hier einen Auszug aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom November des Vorjahres, wo zu lesen steht: „Mach dich in Chat-Rooms an sie heran!“ In diesem Artikel der „FAZ“ wird sehr deutlich beschrieben, welche Wege heute Internet-Ver­brecher – ja, ich möchte sie wirklich so nennen – gehen.

Es ist also höchste Zeit, dass der österreichische Gesetzgeber auf diese Entwicklung reagiert, und auch da muss eben der Schutz des Jugendlichen im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen. Mit aller Kraft wollen wir gegen Verbrecher dieser Art vorgehen, damit diese ganz klar wissen, dass sie, wenn sie solche Dinge tun, auf alle Fälle mit Konsequenzen zu rechnen haben.

Diese Bestimmungen, die wir heute hier neu beschließen, dienen einerseits der Prävention, sollen aber vor allem auch den Behörden genügend Werkzeug in die Hand geben, um mit aller Härte gegen solche Verbrecher vorzugehen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geradezu erschreckende Details hat uns in dem bereits genannten Hearing im Ausschuss Herr Altenburger vom ORF präsentiert: Menschen aus Deutschland, auch aus Österreich fahren wenige Kilometer über die Grenze und bedienen sich sozusagen dort Länge mal Breite. Wir haben Schilderungen über Mütter gehört, die ihre Kinder vermieten, und wir haben Schilderungen gehört, dass Kinder in Fenstern angeboten und Plakate ausgehängt werden. Ebenso wurde uns gesagt, dass um 100 € Kinder nach Österreich mitgenommen werden können und hier nicht nur für pornographische Aufnahmen missbraucht werden, sondern dass hier auch sexueller Missbrauch mit ihnen betrieben wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund begrüße ich aus­drücklich auch die Änderung des § 64 StGB, wonach die Tat unter Strafe gestellt wird – egal, ob die Tat im Ausland oder im Inland begangen wurde.

Leider, aber natürlich auch Gott sei Dank waren es deutsche Behörden, die den „berühmten“ Jirí K. letztendlich einer behördlichen Verfolgung zugeführt bezie­hungs­wei­se diesen hinter Gittern gebracht haben. – Wir in Österreich waren jedenfalls auf Grund unserer Gesetzeslage nicht imstande, diesen Herrn zur Strecke zu bringen.

Meine Damen und Herren! Die Opposition kritisiert, dass Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren gleich behandelt werden, und sie fürchtet – Herr Kollege Jarolim hat es im Ausschuss so bezeichnet –, dass Jugendliche, die in Zuneigung einander verbunden sind, bei uns strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt werden. – Dazu möchte ich sagen: Ja, das kann dann sein, wenn Kinder und Jugendliche pornographische Darstellungen ins Web stellen und diese pornographischen Darstellungen auch verbreitet werden.

Niemand will den Kontakt von Jugendlichen unter Strafe stellen, aber Pornographie bleibt Pornographie, wer immer diese Dinge ins Web stellt. – Ich bitte jedenfalls Sie von der SPÖ zur Kenntnis zu nehmen, dass die Mehrheit dieses Hauses der Meinung ist, dass diese Behandlung, wie das eben im Gesetz vorgesehen ist, erfolgt.

Hinweisen möchte ich auch noch darauf – Frau Kollegin Stoisits hat ja darüber schon gesprochen –, dass die Befragung und die Aufklärung durch die Experten im Aus­schuss dazu geführt haben, dass § 207a Abs. 4 neu gefasst wurde und dass daher jene Vorgänge, die Sie befürchten, wahrscheinlich zu keiner strafrechtlichen Verfol­gung führen.

Ich glaube auch behaupten zu können, dass viele Minderjährige froh sein werden, dass sie nicht in Jahren danach immer noch Bilder im Internet finden, auf denen sie als Ju­gendliche abgebildet sind. Ich bin der Überzeugung, dass wir durch diese Vorgangs­weise auch die Jugendlichen selbst schützen.

Ein Wort noch zur gerade reflexartigen Diskussion der Opposition über die Aufnahme der Seelsorger in die Bestimmungen des § 212 StGB. Ich glaube, dass diese Dis­kus­sion einfach ungerechtfertigt ist, weil, wie hier schon mehrere Male betont wurde, auch Seelsorger natürlich vom Gesetz erfasst sind, wenn sie als Erzieher, wenn sie als Aufsichtsperson oder als Betreuungsperson ihre Tätigkeit ausüben (Zwischenruf der Abg. Mandak) und sich in diesem Zusammenhang an Kindern vergehen. – Ich glaube aber, dass Ihre vielleicht heiter gemeinte Kontaktnahme im Beichtstuhl ... (Abg. Dr. Pus­wald: Dazu ist es zu ernst, als dass wir das heiter meinen!)

Herr Puswald, hören Sie doch auf damit! Schauen Sie sich einmal einen Beichtstuhl an – und sagen Sie mir dann, wie dort ein sexueller Übergriff stattfinden soll! (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald und Zwischenruf des Abg. Dr. Einem.) – Ich glaube, dass in diesem Bereich eine strafrechtliche Handlung bei Gott – und das im wahrsten Sinn des Wortes – keinen Platz hat.


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Meine Damen und Herren von der SPÖ, hören Sie doch auf damit, aus dieser Frage politisches Kleingeld schlagen zu wollen! Ich glaube, das lohnt sich wirklich nicht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Zum Schluss kommend: Das vorliegende Strafrechtsänderungsgesetz ist ein Beweis dafür, dass diese Regierung angetreten ist, um lange Diskussionen, wie sie auch von Kollegin Stoisits hier ins Treffen geführt wurden, endlich zum Abschluss zu bringen und Entscheidungen herbeizuführen. Ich bin der Überzeugung, dass diese heutige Ent­scheidung eine gute ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neudeck.)

18.59

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Puswald zu Wort. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

 


18.59

Abgeordneter Dr. Christian Puswald (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sozialdemokratie bekennt sich bedingungslos zur Regelung aller Punkte, die im Bereich des Sexual­strafrechts regelungsbedürftig sind, und unterstützt alle dahin gehenden Intentionen einhellig. Daran kann es keinen Zweifel geben. Jeder, der etwas anderes unterstellen möchte, ist bewusst bösartig.

Die Sozialdemokratie verwahrt sich aber auch dagegen, dass durch eine völlige Igno­ranz aller einhelligen Expertenmeinungen, wie sie sich in den Debatten vor der Ge­setzwerdung in den Ausschusssitzungen ergeben haben, dass entgegen allen Bedenken, die auch seitens der Legisten aus dem Ministerium, allen voran Sektions­chef Miklau, zum Ausdruck gebracht wurden, hier Gesetzestexte entweder bewusst schlampig oder jedenfalls von so mangelhafter Qualität verfasst werden, dass es uns unmöglich ist, diesem Gesetzesvorhaben, dem wir weitestgehend zustimmen werden, vorbehaltlos zuzustimmen. Ich stelle hier klar: Für diese mangelnde Qualität sind nicht die hervorragenden Beamten des Ministeriums verantwortlich, sondern es handelt sich dabei ausschließlich um mangelnde Qualität infolge entweder mangelnden Verständ­nisses seitens der Regierungsparteien oder bewusster Ignoranz.

In diesem Zusammenhang empört mich die tatsächliche Berichtigung der Frau Dr. Fek­ter, die als Ausschussvorsitzende dieses Instrument geradezu missbraucht hat. Dieser Missbrauch der tatsächlichen Berichtigung, Frau Dr. Fekter, disqualifiziert Sie aber auch als Ausschussvorsitzende. (Abg. Dr. Fekter: Lesen Sie die Geschäftsordnung! Das war eine ganz ... tatsächliche Berichtigung!) Und ich sage Ihnen auch warum. Sie waren am 20. Jänner Vorsitzende in der Sitzung des Justizausschusses, in der Herr Sektionschef Miklau ausdrücklich, zur Frage der Seelsorger befragt, erklärt hat, dass die Seelsorger vom derzeitigen Gesetzestext nur zum Teil erfasst sind. Sie wissen genau, dass es hier eine Lücke gibt, die es zu schließen gälte. (Abg. Dr. Fekter: Jarolim hat gesagt, sie sind nicht erfasst!) Man findet weder im Gesetzestext noch in den Erläuternden Bemerkungen entsprechende Korrekturen dazu.

Sie nehmen daher bewusst in Kauf, dass es sich in Zukunft um Vorfälle handeln kann, die nicht gesetzlich geregelt sind, wie sie in diversen Korrespondenzen mehrfach zum Ausdruck gebracht wurden und wie sie mehrfach in der Vergangenheit zu Übergriffen geführt haben, die wir alle nicht wollen und denen wir allen vorkehren sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich Ihnen im Übrigen noch den Text des § 218 vorhalten darf, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Ich fürchte mich davor, wie mangelhaft dieser Text ist und wie man ihn im schlimmsten Fall allenfalls von der Justiz anwenden könnte. In diesem Zu­sam­menhang erschiene mir nämlich die Praxis und die Handhabung der Gesetze, die ich in


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den letzten Tagen im Iran kennen lernen durfte, geradezu liberal. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Apropos Iran: Ich möchte kurz vom Thema abschweifen, aber das erscheint mir wich­tig, weil wir nämlich auch von Strafbarkeit im Zusammenhang mit dem Strafrechts­än­de­rungsgesetz sprechen. Ich würde mir sogar eine Strafe für diese Regierungspolitik in Bezug auf Außenpolitik und Wirtschaftspolitik wünschen. Ich hatte die Ehre, bei der Iran-Reise dabei zu sein. Man muss sich einmal die „Tehran Times“ anschauen (der Redner hält ein Exemplar derselben in die Höhe), in der zum Ausdruck kommt, wie wichtig dieser Besuch der österreichischen Delegation genommen wurde, wenn man bedenkt, wie grob fahrlässig hier die österreichische Bundesregierung versagt hat, indem die zugesagten Besuche der Minister Grasser, Strasser, Gorbach und Barten­stein einfach gecancelt wurden. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist eine Schande!) – Das ist eine Schande und das darf sich nie mehr wiederholen, wenn man bedenkt, welcher Schaden da zugefügt wurde!

Es wird in der letzten Ausgabe der Zeitschrift „NEWS“ ausdrücklich zitiert, dass es der Verkehrsminister des Iran abgelehnt hat, Verträge mit Austrian und Mobilkom zu unterfertigen, die für unsere Wirtschaft so dringend benötigt worden wären. Und das, nur weil ihm unser Herr Infrastrukturminister einfach einen Weisel gegeben hat, um es leger auszudrücken. Das ist jener Infrastrukturminister, der die Stirn hatte, sich gestern hier herzustellen und uns allen weismachen zu wollen, wie er sich als Verkehrsminister für die Wirtschaft in Brüssel einsetzt. (Abg. Dr. Fekter: Was hat das mit dem Sexual­strafrecht zu tun?) Also: Diese Regierung versagt in der Wirtschaftspolitik ganz massiv, wie auch die Frau Außenministerin durch Abwesenheit geglänzt und uns damit außen­politisch massiven Schaden zugefügt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grillitsch: Thema verfehlt!)

Das ist im Übrigen keine Erfindung von den „bösen“ Roten, sondern das ist die Be­richterstattung im letzten „NEWS“, wo sich alle empört haben, die an dieser Wirt­schaftsdelegation teilgenommen haben. Es ist nicht nur eine Verhöhnung der irani­schen Gesprächspartner auf Regierungsebene, es ist auch eine Verhöhnung der öster­reichischen Wirtschaftstreibenden, die höchstrangige Vertreter in größter Zahl wie noch nie in den Iran geschickt haben. Und unsere Bundesregierung glänzt einfach durch Ab­wesenheit! Das ist eine Schande sondergleichen! (Abg. Dr. Jarolim: Tölpelhaft!) – Tölpelhaft und unprofessionell! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Vielleicht darf ich Ihnen noch sagen, wie man es richtig macht. Da zitiere ich gerne Ihre „Salzburger Nachrichten“, die ja bekanntlich der SPÖ nicht gerade nahe stehen. Dort hieß es wörtlich, und zwar in der Ausgabe vom 28. Jänner:

„Dass Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl an der Klestil-Reise teilnahm, könnte sich bezahlt machen. Niessl zeigt sich im SN-Gespräch hoffnungsfroh, dass das Burgenland den Zuschlag für ein Technologie-Gewerbezentrum erhält.“ – Dieses Projekt sei unterschriftsreif. (Abg. Grillitsch: Zeit! Es ist Zeit, dass Sie aufhören!)

Somit sehen Sie, wie Sozialdemokraten Wirtschaftspolitik machen. Und das ver­gleichen Sie dann mit Ihrer Politik! Dann sage ich Ihnen, welcher Vergleich mich sicher macht. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gradwohl: Bravo!)

19.04

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Ich bin ja froh, dass man diese Unsinnigkeiten aufklärt! – Abg. Dr. Brinek: Das persische Sexualstrafrecht!)

 



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19.04

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Puswald hatte zum Strafrecht und zu dieser Reform wenig zu sagen. Er hat anscheinend den Gedanken, hier das iranische Strafrecht ein­zuführen.

Herr Bundesminister Gorbach wird den Iran demnächst besuchen. Herr Bundes­minis­ter Haupt und Herr Staatssekretär ... (Abg. Dr. Puswald: Wenn alles zu spät ist!) – Das war nicht zu spät, gar nicht! Sie sind ja nur neidig, dass Ambrozy nicht mitfahren konn­te. Wenn all die Freiheitlichen mitgefahren wären, die Sie jetzt aufgezählt haben, dass sie nicht dort waren, dann hätten Sie gesagt, die Blauen fahren nur spazieren. (Abg. Dr. Puswald: Alles vorbei!)

Es war eine hochrangige Delegation im Iran. Herr Bundesminister Haupt und Herr Staatssekretär Waneck waren dort, die vieles eingefahren haben. Es war vielleicht ein Fehler, dass man Sie mitgenommen hat. Das wird man sich merken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kommen wir wieder zum Thema, denn Sie haben es verfehlt! Ich werde mich nun dem Thema etwas widmen, Herr Kollege.

Mit dieser Novelle zum Strafrechtsänderungsgesetz wird die von den Freiheitlichen seit Jahren geforderte Verschärfung des Sexualstrafrechts umgesetzt. In erster Linie kön­nen wir mit dieser Gesetzesänderung den Schutz unserer Kinder erhöhen. Das ist seit vielen Jahren ein wichtiges Anliegen der freiheitlichen Abgeordneten. Vielen Öster­reichern waren die bisherigen Strafbedingungen zu niedrig; so gab es eine Bürger­initiative, immerhin unterzeichnet von 40 000 Österreicherinnen und Österreichern, mit der Forderung, die Strafen für Kindesmissbrauch drastisch zu erhöhen – ebenso die Strafen für die Produktion und den Konsum von Kinderpornographie.

Ich freue mich, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir diesen besorgten Menschen heute unser verschärftes Gesetz präsentieren können. Das Schutzalter für Porno­graphie wird von 14 auf 18 Jahre angehoben. Die Strafdrohungen für pornographische Darstellungen Minderjähriger werden erheblich verschärft und Anregungen von Exper­ten aus dem Hearing eingearbeitet. Was den Sextourismus im Ausland betrifft, so werden Besuche bei minderjährigen Prostituierten bis 18 Jahre bestraft; bisher galt das Schutzalter bis zum 14. Lebensjahr.

Vergewaltigung und Missbrauch von Unmündigen können, wenn sie zum Tod des Opfers führen, mit lebenslangem Freiheitsentzug geahndet werden. Und wir schützen unsere Kinder vor potenziellen Wiederholungstätern. Bisher war es durchaus möglich, dass ein Täter nach der Verurteilung weiterhin im Dienst blieb und vielleicht mit Kin­dern und Jugendlichen weiter gearbeitet hat. Auch dem haben wir einen Riegel vor­geschoben.

Meine Damen und Herren! Wenn man das Experten-Hearing verfolgt hat, konnte man hören, dass die Expertin Perner dort von einem Fall berichtet hat, dass im Magistrat Wien – also kein Seelsorger, sondern im Magistrat Wien! – eine Dienstnehmerin ihrem Vorgesetzten erklärt hat, dass sie von einem anderen Vorgesetzten sexuell belästigt wird. Es wurde festgestellt, dass sie auf Grund dieser Belästigung erheblich abge­nommen hat. Der Vorgesetzte, an den sie sich gewandt hat, hat dann gemeint, das habe ihr ohnehin ganz gut getan. – So wird das in der Gemeinde Wien behandelt! (Abg. Dr. Puswald: Sie sind ja so originell!)

Sie sind anscheinend nur auf einem Auge gutsichtig, nämlich wenn es um die Seel­sorger geht. Den Balken im eigenen Auge sehen Sie nicht. (Abg. Dr. Puswald: Aber in Graz ...!)


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Meine Damen und Herren! Bei Vergewaltigungen wurde bisher unterschieden, ob sie von einem Fremden, dem Lebenspartner oder dem Ehepartner begangen wurden. Künftig wird jede Vergewaltigung mit derselben Strenge verfolgt. Ab sofort ist jeder, der jemanden anderen durch sexuelle Handlungen an sich oder anderen belästigt, mit Strafe bedroht. Mit diesem Strafrechtsänderungsgesetz leisten wir einen großen Bei­trag für jene Menschen, die sich nicht immer selbst schützen und zur Wehr setzen kön­nen. Schutz dem Opfer und nicht dem Täter steht dabei im Vordergrund! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das war aber ein „frenetischer“ Applaus!)

19.08

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. Ich erteile es ihr.

 


19.08

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzter Herr Minister! Da Sie es ja immer so tief bedauern, dass die Opposition beim Weihrauchschwingen nicht so eifrig ist wie Ihre Regierungskollegen, darf ich aus­nahmsweise mit einem positiven Faktum dieser Novellierung beginnen. Es ist natürlich mehr als begrüßenswert, dass die Vergewaltigung in der Ehe endlich der Vergewal­tigung außerhalb der Ehe gleichgestellt wird. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Es ist schade genug, dass es bis zum Jahr 2004 gedauert hat, bis auch der Gesetz­geber klarstellt, dass eine Ehefrau – und um diesen Fall handelt es sich ja meistens – nicht eine Art Verfügungsgewalt durch den Ehemann zu dulden hat und in ihrer sexuel­len Integrität weniger Schutz genießt als gegenüber einem Fremden.

Leider ist ein weiterer Bereich, bei dem es um die gefährliche Drohung in der Familie geht, nicht gleichermaßen geregelt, nämlich durch eine Gleichstellung mit gefährlichen Drohungen in anderen Fällen. Es gibt das Problem, dass die gefährliche Drohung in der Familie – also das berühmte Vorkommnis, der eine sagt zur anderen, ich bring’ dich um, wenn das so weiter geht – nicht einem Offizialdelikt gleichgestellt wird und damit eine Strafverfolgung extrem schwierig wird.

Lassen Sie mich das mit einem Beispiel aus der Praxis untermauern! Es gibt immer wieder Fälle, in denen sich eine Frau zuerst an die Behörde wendet, weil sie sich mas­siv bedroht fühlt oder massiv bedroht wird, dann diese Beschwerde entweder von der Behörde nicht ernst genug genommen wird oder aber die Frau selbst unter dem Druck ihres Ehepartners – in den meisten Fällen wiederum des Mannes – diese Beschwerde zurückzieht und die Ermächtigung zur Strafverfolgung damit nicht mehr besteht.

Die Polizei kann daraufhin nicht selbst tätig werden und das weiter verfolgen. Es gibt Fälle, bei denen wenige Tage danach die Frau tatsächlich sozusagen als Mordopfer endet. Ich glaube, das sollte man ernster nehmen und wirklich klarstellen, dass die gefährliche Drohung in der Familie keine Bagatelle ist und nicht bloß als Antragsdelikt behandelt werden kann, sondern als Offizialdelikt behandelt werden müsste, um tatsächlich den Opfern Schutz zukommen zu lassen und nicht die Opfer zu erzwun­genermaßen Mitwirkenden an der Gewalttat zu machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein dritter Bereich, bei dem man ein bisschen zwiespältige Gefühle, im besten Sinne, haben kann – meine Kollegin Terezija Stoisits hat es schon angesprochen –, ist die Re­gelung der sexuellen Belästigung. – Sehr gut, wunderbar, dass endlich auch von Seiten des Gesetzgebers gesagt wird, das ist nicht irgendein Kavaliersdelikt, bei dem


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man damit diese schenkelklopfende, schulterklopfende Heiterkeit am Stammtisch ab­feiern kann, sondern das ist eine Straftat.

Sexuelle Belästigung ist eine Straftat! Aber dummerweise ist die Formulierung ziemlich schief gegangen. Sie beschränken das auf sexuell eindeutige Handlungen, das heißt, das Grapschen auf den Oberschenkel ist schon wieder zulässig, da nehmen Sie es nicht so genau. Ich frage mich, warum es zum Beispiel nicht möglich war, eine sehr eindeutige Definition, was sexuelle Belästigung ausmacht, wie es auch bei der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz geregelt ist, zu übernehmen – vielleicht nicht in der ganzen Bandbreite, aber eindeutig im Tatbestand zu übernehmen.

Ich frage mich auch, warum es weiterhin möglich sein soll, Fälle zu haben, wie sie vor zwei, drei Jahren, wenn ich mich richtig erinnere, für Aufsehen gesorgt hatten, als in der U-Bahn ein wildfremder Mann versuchte, eine U-Bahn-Benützerin gegen ihren Willen zu küssen. Das bleibt mit Ihrem Gesetz weiterhin möglich und zulässig, das ist keine strafbare sexuelle Belästigung. (Abg. Dr. Fekter: Nein! Das ist sexuelle Beläs­tigung! Das ist genau dieser Punkt! Der ist erfasst!)

Nein, eben nicht, denn das wird eindeutig nicht als sexuelle Handlung mit Involvierung der primären Geschlechtsmerkmale gewertet! (Abg. Dr. Fekter: Das ist ein Unsinn!) Da würde ich mir wünschen, dass klargestellt wird, dass die beabsichtigte Herabwürdigung in der sexuellen Belästigung geahndet wird und dass sich dann nicht womöglich unbe­teiligte Dritte über die Lautstärke eines Paares aufregen können.

Der letzte Punkt, den ich kurz ansprechen möchte, der nur indirekt in diesem Gesetz angerissen ist, uns jedoch in einigen Wochen bereits direkt beschäftigen wird, ist die Frage Menschenhandel oder – genauer gesagt – Frauenhandel, wenn ich mir wieder die Statistik ansehe. Das stellen Sie zwar schön unter Strafe, aber wir wissen doch aus der Praxis, dass Frauenhandel und Menschenhandel zu den am schwierigsten nach­zuweisenden Delikten zählen, und zwar deswegen, weil man es den Opfern fast un­möglich macht, dies auch als Zeuginnen zu beweisen.

Man braucht ja im Regelfall Zeuginnen, damit man die Täter irgendwie dingfest ma­chen kann. Es gibt vielfach Fälle, bei denen Frauen, insbesondere aus Ländern des Südens oder des Ostens, gegen ihren Willen in die Prostitution gezwungen werden, schwungvoll Frauenhandel betrieben wird, Frauen als Kellnerinnen, als Hausange­stellte und so weiter angeworben werden und sich dann in der Zwangsprostitution unter fast sklavenähnlichen Verhältnissen wieder finden. Diesen macht man den Aus­stieg unmöglich, weil sie sofort in der Abschiebung landen, und man gibt ihnen noch nicht einmal das Mindeste, was man tun könnte, nämlich Zeuginnenschutz.

Wie wollen Sie jemals Frauenhandel effektiv verfolgen, wenn die Zeuginnen zum Teil schon abgeschoben werden, bevor der Prozess noch begonnen hat? So kann es sicher nicht gehen. Da kann ich Ihnen nur dringend ans Herz legen, sich im Justiz­ausschuss bei der Behandlung der Strafprozessnovelle jetzt schon Gedanken zu ma­chen, damit ich dann im Plenum, wenn wir das beschließen sollen, diesen Punkt nicht wieder kritisieren muss. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

 


19.15

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Ich darf Kollegin Weinzinger beruhigen: Der von ihr genannte Fall ist hier mit


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gemeint – oder wie immer Sie das nennen wollen. – Das auch als Information für die Zuhörerinnen- und Zuhörerschaft.

Ich möchte aber auf einen Aspekt hinweisen, der mir im Zusammenhang mit der vor­hergehenden Debatte nicht unwesentlich erscheint. 1900 hat Ellen Key das „Jahr­hundert des Kindes“ ausgerufen und damit den Fokus auf die Persönlichkeit des Kin­des gelegt. Damit entstand eine Reihe von Forschungsinitiativen, wobei die Fokus­sierung auf die persönliche, auf die biologische und auch auf die psychische Reifung des Kindes gelegt wurde. Das Kind an sich wurde erforscht.

Wir können heute mit gutem Gewissen sagen, dass daher ein 14-Jähriger oder eine 14-Jährige in der Regel nicht mit aller Souveränität zwischen erotischer Selbstent­fal­tung und etwa einem pornographisch motivierten Verführer Widerstand-leisten-Können unterscheiden kann.

Es ist daher gerechtfertigt, wenn wir den Weg der Europäischen Union gehen und diese psychische Situation von 14-, 15-, 16-Jährigen berücksichtigen und unter Schutz stellen, sodass dieser/diese Jugendliche diesen pornographisch motivierten Verführern und Geschäftemachern nicht ausgeliefert sein können. Es war Jiří K., der in Österreich bis jetzt nicht verfolgt werden konnte, sondern in Deutschland verfolgt werden musste. Diesen Missstand haben wir ausgeräumt.

Ich möchte auch in Erinnerung rufen, dass mit Menschenhandel, mit Ausbeutung zum Zweck des Missbrauchs der sexuellen Freiheit mehr und größere Geschäfte gemacht werden als mit Drogenhandel und dass mit der Ausweitung der virtuellen Kom­munikation der Fantasie in Wirklichkeit keine Grenzen gesetzt sind. Das heißt, wir müs­sen uns auf eine ständige Nachjustierung einstellen.

Ich meine auch, dass eine entsprechende Richterinnen- und Richterschulung ange­messen und angebracht sein wird sowie auch eine öffentliche Aufklärung, ein öffent­licher mutiger Diskurs, der nicht zulässt, dass bestimmte Dinge toleriert und vertuscht werden und andere nicht.

Ich fordere dazu auf, ich lade dazu ein – auch die Medien –, nicht wegzuschauen und die Dinge beim Namen zu nennen. Ich finde das wichtig. Ich war eine junge Abge­ordnete, als wir in den späten achtziger Jahren Vergewaltigung in der Ehe überhaupt erst strafbar gemacht haben. Ich erinnere mich an die Widerstände, die aus allen mög­lichen Männerreihen gekommen sind, als gesagt wurde, jetzt werden die erotischen Schreie Gegenstand einer Verfolgung werden.

Das ist auch ein Zeichen dessen, dass sich das Verständnis von Persönlichkeits­schutz, von Würde und Menschenwürde verändert und sich auch die Einstellung dazu geändert hat. Insofern hat sich in den letzten zehn, 15 Jahren auch etwas geändert. Wir stehen heute – Gott sei Dank! – vor der Situation – die ÖVP und die ÖVP-Frauen bekennen sich dazu –, Vergewaltigung in der Ehe als Offizialdelikt aufzufassen und dementsprechend zu ahnden.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass klar ist, dass der vom Kollegen Jarolim genannte Fall, dass zwei Jugendliche – wie er gesagt hat – miteinander in Beziehung treten, etwas anderes ist als das, was wir mit der reißerischen, auf sich selbst be­zo­genen pornographischen Darstellung festgehalten haben. Ich weiß, dass es dazu auch eine Judikatur gibt. Es gibt dazu auch klare Erkenntnisse und klare Aussagen. Wir müs­sen uns daher nicht fürchten, dass man mit dieser Bestimmung nicht umgehen könne. Natürlich, wie gesagt: Richterschulungen, Aufklärung, mehr Wissen darüber können uns immer weiterhelfen, um sicherer im Urteil zu werden.

Ich meine, dass mit dem Sexualstrafrecht immer schon gesagt wurde, was die Gesell­schaft nicht will beziehungsweise will, dass sich das Sexualstrafrecht daher laufend


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verändern und den Herausforderungen und Problemen der Gesellschaft Rechnung tragen müssen wird. Die virtuelle Kommunikation, die virtuellen Medien und die Weiter­entwicklung dessen, was Persönlichkeit, Schutz und Würde der Menschen bedeutet, werden uns veranlassen, auch in Zukunft das Sexualstrafrecht zu ändern, anzupassen und auf die jeweilige Höhe der Zeit zu bringen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

19.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


19.20

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden heute die Reform des Sexualstrafrechts beschließen, und es wird dieser Beschluss, was sich schon im Ausschuss und überall dort, wo Abgeordnete dazu das Wort ergriffen haben, eindeutig gezeigt hat, mit Stimmeneinhelligkeit erfolgen. Es ist klar, dass jeder hier im Hohen Haus den Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, Kinderpornographie, die Förde­rung der Prostitution von Minderjährigen, die Mitwirkung von Minderjährigen an porno­graphischen Darbietungen ablehnt. Jegliche Unterstellung, das dem nicht so wäre, ist böse Infamie. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind der Regierungsvorlage von Anfang an po­sitiv gegenübergestanden und haben auch dem Gesetzentwurf zum Großteil zuge­stimmt – außer bei drei Paragraphen, und zwar bei den §§ 207a, 212 und 218. Wir ha­ben unsere Bedenken genau dargelegt, und zwar auch nach dem Experten-Hearing.

Auch zur Arbeit im Ausschuss möchte ich etwas sagen. Frau Vorsitzende, es wurden von mehreren geladenen Experten wohlbegründete Bedenken geäußert. So sagte zum Beispiel der im Ausschuss geladene Kinderpsychiater, dass er Schwierigkeiten mit der Terminologie hat, dass er wegen der Terminologie gezwungen ist, als Gutachter im Gerichtsverfahren zu sagen, dass er sich nicht zutraut, die entsprechenden Gutachten zu machen, weil die medizinische Terminologie eine andere ist als die, die in der Justiz verwendet wird. Ich glaube, das ist ernst zu nehmen! Ich rede von Professor Berger. Sie waren dabei, Sie haben es gehört. (Abg. Dr. Brinek: Ja, ich war dabei!)

Ich kann auch das Landesgericht Innsbruck zitieren, wo die Richter bei der Begutach­tung geschrieben haben, man solle unbestimmte Gesetzesbegriffe mit einfacheren Worten definieren. Auch da hat es diesen Wunsch gegeben, aber dem wurde nicht nachgekommen.

Außerdem sagte Professor Berger, dass einige Bestimmungen in diesem Gesetz über­schießend sind, dass er zum Beispiel die Kriminalisierung von normalen sexuellen Ver­haltensweisen Jugendlicher befürchtet. (Abg. Dr. Brinek: Das haben wir mit unserer Formulierung verbessert!)

Ich weiß, dass Sie zwei Begriffe verbessert haben, und zwar die reißerische Dar­stel­lung. Das ist gut und wichtig, aber das ist meiner Auffassung nach und der Meinung des Professors Berger nach, wie man seinen Ausführungen entnehmen kann, nicht genug. Ich habe danach mit dem Herrn Professor auch noch gesprochen.

Herr Dr. Graupner, ein ausgewiesener Fachmann im Sexualstrafrecht, hat uns einen Abänderungsantrag zur Verfügung gestellt, der es wert ist, diskutiert zu werden, und Sie hätten heute die Gelegenheit, da zuzustimmen. Ich lade Sie ein, sehr geehrte Da­men und Herren von ÖVP und FPÖ, gehen Sie mit bei diesem Antrag! Dann könnten wir alle diesem Gesetz mehr als beruhigt zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es ist schon vieles zu den anderen Bestimmungen des Gesetzes gesagt worden, wie zum Beispiel zum § 212 StGB. Dass im § 212 in der taxativen Aufzählung verschie­dener Berufsgruppen – wie etwa der klinischen Psychologen, der Psychotherapeuten – die der Seelsorger nach wie vor nicht enthalten ist, ist für uns nicht akzeptabel. Des Weiteren sollten im § 218 StGB andere Formulierungen Platz greifen.

Besonders wundert mich, Herr Bundesminister für Justiz und sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass sich, obwohl dieses Gesetz auf Grund des Rah­menbeschlusses der EU hier beschlossen werden wird, in dem ganzen Abände­rungsantrag zum Sexualstrafrecht kein Straftatbestand findet, der die kommerzielle Sex- beziehungsweise Pornographieindustrie betrifft. Es steht nämlich im Artikel 6 die­ses Rahmenbeschlusses zu lesen:

Die Verantwortlichkeit juristischer Personen: Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine juristische Person für eine Straftat nach den Artikeln 2, 3 und 4 – etwa Ausbeutung – verantwortlich gemacht werden soll.

Das ist in Ihrem Abänderungsantrag nicht zu finden, und es gibt daher auch keine Sanktionen diesbezüglich. In diesem Rahmenbeschluss werden als Sanktionen vorge­schlagen, dass der Betrieb geschlossen werden könnte, dass man unter richterliche Aufsicht gestellt werden könnte, außerdem die vorübergehende oder endgültige Schließung von Einrichtungen, die zur Begehung der Straftat genutzt werden.

Diese Bestimmungen fehlen in Ihrem Antrag. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Warum fehlen die strafrechtlichen Tatbestände immer dort, wo es sich um eine juristi­sche Person handelt? – Das ist für mich nicht nachvollziehbar! Auch das wäre zu im­plizieren, wenn man diesen EU-Rahmenbeschluss ernsthaft umsetzen würde. Hier ist die Regierung noch in Handlungsverzug. Da wünsche ich mir genau das, was die EU mit Ihnen sozusagen paktiert hat, vertraglich festgelegt hat. Es müssen genauso juris­tische Personen für eine Straftat verantwortlich gemacht werden. Es handelt sich dabei um die so genannte Sexindustrie und um die so genannte Pornographieindustrie, und dieser muss Einhalt geboten werden. Dass solche Firmen geschützt werden, das ist, sehr geehrter Herr Bundesminister, nicht einsichtig! (Beifall bei der SPÖ.)

19.27

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Justizminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Justizminister.

 


19.27

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich wollte mich in dieser Debatte, die zum Teil unerwartet kontroversiell verläuft, so rechtzeitig zu Wort melden, dass ich noch die Möglichkeit habe, Sie alle zu ersuchen, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben, weil ich glaube, dass ein gemeinsamer Wille betreffend die Intention dieses Ge­setzes beziehungsweise dieser Novelle in überwiegendem Maße zu erkennen ist.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass dieses Gesetz dem geänderten gesellschaft­li­chen Willen in vielen Bereichen Rechnung trägt und auch die geänderten gesellschaft­lichen Auffassungen berücksichtigt. Wir kämpfen alle, wie ich meine, gegen die Zu­nahme der Pornographie. Wir stellen auch im Bereiche der Vergewaltigung einiges klar: Es ist unsinnig, einen Unterschied zwischen schwerer und minder schwerer Ver­gewaltigung zu machen. Es ist auch nicht sinnvoll, einen Unterschied zwischen Verge­waltigung in und außerhalb der Ehe zu machen.

Das Gesetz trägt auch neuen Phänomenen Rechnung. Es bekämpft den Menschen­handel und die sexuelle Ausbeutung im Zusammenhang mit dem Menschenhandel,


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und es bekämpft die Vermittlung der verbotenen Adoptionen. Im besonderen Maße wendet es sich gegen die Zunahme der Kinderpornographie.

Ziel dieses Gesetzes ist die Wahrung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung. Diese erhält mit der Beschlussfassung dieses Gesetzes in Österreich einen höheren Stellenwert.

Der Dissens ist, glaube ich, nicht so hoch einzuschätzen. Die Versendung pornogra­phischer Fotos – leider ist Abgeordneter Jarolim jetzt nicht hier – kann man auch an­ders sehen. In vielen Bereichen schützen wir die Jugendlichen vor Unbedachtheiten. Es kann durchaus sein, dass eine Jugendliche oder ein Jugendlicher, ein Mädchen oder ein Bursch im Alter von 15 oder 16 Jahren ein pornographisches Bild von sich im Rahmen einer Beziehung versendet, so wie Abgeordneter Jarolim das gesagt hat, und dass es dieser Jugendlichen oder diesem Jugendlichem einige Zeit später sehr Leid tut, dies getan zu haben, wodurch aber eine irreversible Situation herbeigeführt wurde. Bedenken wir auch das! Vielleicht ist da etwas mehr Schutz besser als zu wenig Schutz. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auch der Seelsorger wird in seiner Funktion als Aufsichtsperson vom Strafrecht er­fasst, und das ist zweifellos ein wichtiger Punkt an dieser Novelle.

Ich darf Sie nochmals bitten, diesem Gesetz im Sinne des Konsenses aller Parteien Ihre Zustimmung zu geben.

Ich bedanke mich bei Herrn Sektionschef Dr. Miklau und bei Herrn Dr. Manquet und bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür, dass letztendlich eine Gesetzes­ma­terie, die in einem sehr schwierigen Zusammenhang steht, in ein Gesetz gefasst wer­den konnte, dem offenkundig alle Parteien die Zustimmung geben werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.30

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

 


19.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Kollege Puswald ist leider nicht im Hause. Sollte er noch während meiner Rede kommen, hätte ich ihm noch etwas zu sagen. Bitte, Herr Klubobmann, würden Sie mir bitte sagen, wenn er kommt!

Der zur Debatte stehende Tagesordnungspunkt eignet sich gut, eine Replik über die Justizpolitik der letzten Jahre zu machen. Es ist in diesem Bereich einiges geschehen. Man hat Schwerpunkte gesetzt, etwa im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung und bei der Bewältigung der steigenden Häftlingszahlen. Es wurde auch daran gearbeitet, die Opferrechte zu stärken, und es wurde, wie wir heute schon sehr oft gehört haben, daran gearbeitet, Sexualdelikte stärker zu bekämpfen.

Das ist sicherlich keine einfach Materie, aber eine ernorm wichtige Materie. Das kann man sehen, wenn man die Entwicklung verfolgt. Es steigt die Zahl der Delikte in fast allen strafrechtlichen Bereichen. Ich erinnere daran, dass im November des Vorjahres über 600 000 Straftaten in Österreich gemeldet wurden. Das ist eine Steigerung von über 13 Prozent.

Auch die Zahl der Häftlinge steigt, und zwar gibt es eine Steigerung von über 22 Pro­zent. Das führt zu Problemen in den Justizanstalten, und damit sollten wir uns intensiv beschäftigen. Es kommt in einzelnen Justizanstalten zu Überfüllungen von mehr als 140 Prozent. Wenn man sich die Verbrecherverteilungen ansieht, so stellt man fest,


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dass Straftäter verschiedenster Nationalitäten unter den Häftlingen sind. In diesem Bereich hat unser Justizminister sicherlich gute Arbeit geleistet. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Es ist eine deutliche Steigerung des Anteils der Ausländer zu verzeichnen, es sind österreichweit beinahe 40 Prozent, in Wien sogar über 60 Prozent. Da läuten die Alarmglocken, und man sollte dagegen schleunigst etwas unternehmen.

Deshalb finde ich – und das getraue ich mich hier auch einmal zu sagen –, dass die etwas unkonventionelle, aber sehr wohl interessante Alternative, von der Minister Böhmdorfer in den letzten Tagen und Wochen gesprochen hat, zumindest eine Über­legung wert ist, nämlich die Idee, Gefängnisse in anderen Staaten zu bauen und damit dazu beizutragen, die Kosten bei uns in Österreich zu senken. Es könnten dadurch Kosteneinsparungen von an die 10 Millionen € pro Jahr erzielt werden. Aber es geht dabei nicht nur um einen finanziellen beziehungsweise monetären Erfolg, sondern auch um eine vorbeugende Wirkung, die wir damit erreichen könnten. Damit würden wird auch dazu beitragen, dass Österreich sicherer wird.

Es ist aber auch die Drogenkriminalität ein sehr wichtiger Punkt, wo gehandelt werden muss. Auch in diesem Bereich sind in den letzten Jahren steigende Zahlen zu ver­zeichnen, ähnlich wie bei den Straftaten. Unter den Drogendealern gibt es einen enorm hohen Anteil an Schwarzafrikanern. Es besteht da großer Handlungsbedarf, akuter Handlungsbedarf. Mit den vielen Aktivitäten im Justizbereich, den zahlreichen Novellen und Gesetzen werden da klare Akzente gesetzt.

Man kann sagen: Die Justizpolitik ist auf einem guten Weg, und es steht an, dass man hier sowohl der Vorsitzenden des Justizausschusses, Frau Dr. Fekter, als auch un­serer Justizsprecherin, Frau Dr. Partik-Pablé, die seit Jahrzehnten für eine gute Politik kämpft, und ganz besonders unserem Bundesminister Böhmdorfer dafür einen großen Dank ausspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

Auch die geplante Gesamtreform der Strafprozessordnung, die für das heurige Jahr ansteht, wird sicherlich ein großer Wurf werden. Es werden daran sehr viele Beteiligte massiv arbeiten, und es werden darüber sehr viele kontroversielle Diskussionen ge­führt werden, aber ich bin sicher, dass am Ende ein gutes Gesetz herauskommen wird. Auch die Opposition ist aufgefordert, daran mitzuarbeiten.

Aber auch das heute hier zu beschließende Strafrechtsänderungsgesetz leistet einen wichtigen Beitrag zu einer vernünftigen und guten Justizpolitik. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Jarolim.) Damit sorgen wir für den Schutz unserer Kinder, den Schutz unserer Frauen, für den Schutz vor Pornographie und Prostitution und vor sexuellem Miss­brauch. Darüber hinaus wird damit – Frau Kollegin Weinzinger hat es bereits erwähnt – auch die langjährige Ungerechtigkeit, nämlich der Unterschied zwischen der Verge­wal­tigung innerhalb und jener außerhalb der Ehe, beseitigt. Das ist eine wichtige Ände­rung, die Licht in eine graue Gesellschaft bringen wird, wo es dringend notwendig ist.

Ich glaube abschließend sagen zu können: Wir sind auf einem guten Weg! Nochmals ein Dank an alle Verantwortlichen im Justizbereich. Wir werden diesem Gesetz gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.35

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Mandak. – Bitte.

 


19.35

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Von der Wahlwerbung zurück zur Tagesordnung: Herr Kollege Trinkl, wir haben schon einmal die Frage besprochen, ob auch Seelsorger vom Gesetz in gleichem Umfang


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erfasst werden sollen wie Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen, Beamte oder Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe. Sie haben da­mals einen sehr eigenartigen Ausspruch getan, indem Sie sagten, eine heiter gemeinte Kontaktaufnahme im Beichtstuhl sei darunter wohl nicht zu verstehen. Es wäre sehr interessant, zu erfahren, was Sie mit diesem Ihrem Ausspruch meinen.

Als sehr aktive Christin kann ich Ihnen eines sagen: Es gibt unter den Christinnen und Christen in Österreich und sicherlich auch unter Angehörigen anderer Konfessionen sehr viele Personen, denen es sehr wichtig wäre, wenn auch die Seelsorger in diesem Gesetz angeführt würden, weil es genau die Kirche ist, die oft sehr „schwammig“ auf Angriffe reagiert, die da sehr viel verschleiert, die immer wieder versucht, interne Rege­lungen, so wie sie das nennt, zu finden. Ich hätte es sehr begrüßt, wenn auch die Seel­sorger in diesem Gesetz ... (Abg. Dr. Fekter: Es gibt ein Konkordat!)

Das hat mit dem Konkordat nichts zu tun! Die Gläubigen, die von den Seelsorgern be­treut werden, stehen in dem gleichen Verhältnis wie Klientinnen oder Klienten oder Patientinnen oder Patienten. Deswegen wäre es sehr gut und notwendig gewesen, bei diesem Gesetz diesen Schritt zu setzen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir unterstützen selbstverständlich den effektiven Schutz von Kindern und Jugend­lichen vor sexuellem Missbrauch und vor Ausbeutung. Aber was einfach nicht gut ist, was Sie aber vorhaben und was in allen Bereichen nur Unverständnis hervorrufen wird, ist eine Änderung im Kinder- und Jugendpornographiebereich insofern, als Sie den Säugling mit einem bis zu 18-jährigen jungen Menschen gleichsetzen. Wie in allen anderen Bereichen kann man dies auch im Bereich der Pornographie nicht tun. Die Entwicklung der Sexualität erfordert ganz klar auch eine Abstufung in der Ge­setz­gebung. Sie haben eine ganz klare Haltung des Europäischen Gerichtshofes für Men­schenrechte, der das Recht auf Sexualität von Jugendlichen betont, ... (Abg. Dr. Bri­nek: Das ist unbenommen!) Nein, das ist eben nicht unbenommen. (Abg. Dr. Brinek: Na sicher!) Sie, Frau Kollegin Brinek, haben zuvor versucht, uns das Gesetz zu erklären, haben es interpretiert, aber ich muss Ihnen sagen: Wissen Sie, wenn man ein neues Gesetz schreibt, dann ist es besser, wenn man klar und präzise formuliert und nicht so schwammige Formulierungen gebraucht, dass die Bestimmung so ausgelegt werden kann, dass zum Beispiel das Versenden von Fotos eines 17-Jährigen an seine Freundin genau darunter fällt. (Abg. Dr. Fekter: Es geht um Pornographie!)

Na ja, bitte, aber das ist jetzt auch nicht geregelt, liebe Kollegin Fekter! Es ist nicht geregelt, und es gibt sehr wohl Fotos, die Jugendliche versenden, die unter den Begriff der Pornographie fallen können. Genau das machen Sie hier auf. (Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Uns wäre es recht gewesen, und wir haben das in unseren Abänderungsantrag mit aufgenommen und vermerkt, dass wir da eine andere Grundhaltung haben. Was wir meinen, kann ich Ihnen gerne sagen: Wir wollen sehr wohl, dass Kinder und Ju­gend­liche unter Schutz gestellt werden, wo es notwendig ist. Wir wollen aber nicht, dass Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren kriminalisiert werden, wenn sie solche Fotos verschicken. Nach Ihrem Gesetzentwurf werden sie das aber sehr wohl. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Hakl: Werden sie nicht!)

Ein Letztes noch: Ein Punkt, der heute überhaupt nicht zur Sprache gekommen ist, ist die Hilfe für und die Unterstützung der Opfer. Aber es geht auch um die Hilfe für die Täter. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass sehr viele derer, die sexuellen Miss­brauch begehen und die man oft als Abschaum der Gesellschaft hinstellt, selbst Miss­brauchte sind. Dieser Umstand fällt immer wieder unter den Tisch, und man bedenkt nicht, dass auch die Täter Hilfe brauchen.


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Im Bereich der Prävention müssen wirklich auch die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit hier Programme erarbeitet werden. Ja, diese Programme müs­sen nicht einmal erarbeitet werden, die Programme gibt es! Diese sind in den Schulen zum Teil gelaufen, aber aufgrund von Sparmaßnahmen werden sie leider nicht mehr durchgeführt. Da könnten Sie zum Schutz der Jugendlichen und der Kinder sehr viel tun. – Bitte, tun Sie es auch! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Justizminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


19.41

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Nur kurz zu Ihren Ausführungen, Frau Abgeordnete Mandak: Es geht hier nicht um harmlose Fotos, es geht um porno­graphische Fotos, und wir haben über Wunsch der Opposition auch hinzugefügt, dass es sich zum Beispiel um reißerisch verzerrte Darstellungen des Genitalbereiches han­deln muss, um Strafbarkeit herbeizuführen. Also in diesem Zusammenhang vom Baby bis zum 18. Lebensjahr von einer Gleichschaltung harmloser Fotos zu sprechen, halte ich für stark verfehlt, was die wahren Intentionen des Gesetzes anbelangt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.41

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. – Bitte.

 


19.41

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie ist sicherlich unser aller Anliegen. Das ist wohl bei allen Frak­tionen hier im Haus vorauszusetzen – alles andere wäre eine infame Unterstellung. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Ausweitung der Straftatbestände und auch die Anhebung des Strafmaßes geht insoweit tendenziell in die richtige Richtung, als es darum geht, das krasse Missver­hältnis im Strafrahmen zwischen Gewalt und Sexualdelikten einerseits und Vermö­gens­delikten andererseits abzubauen. Nur möchte ich einmal mehr davor warnen, das Thema selbst zu missbrauchen, indem sinnvolle und längst fällige Neuregelungen mit überholten, verzopften Moralvorstellungen verbrämt werden. (Abg. Scheibner: Geh, geh, geh!) Die ohnehin schon überforderte Exekutive wird künftig wohl mehr mit dem Aufspüren von Liebespärchen und übermütigen Teenagern beschäftigt sein (Abg. Steibl: Das ist aber wirklich an den Haaren herbeigezogen! Das passt ja gar nicht zu Ihnen! Sie sind so eine vernünftige Frau und erzählen da solche Schauermärchen!), statt sich um die Verfolgung von tatsächlich verabscheuungswürdigen Verbrechen, wie den sexuellen Missbrauch von Kindern, kümmern zu können, Frau Kollegin. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin, gerade an Ihre Adresse richte ich meinen Appell! Wenn man das Thema Kinderschutz wirklich ernst nimmt und nicht für billige Sympathiehascherei miss­brau­chen will, muss man erkennen, dass mit der Anhebung des Strafrahmens noch nicht genug getan ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Täter ist nämlich selten der große Unbekannte im Park. Die Täter kommen groß­teils aus dem Familien- und Bekanntenkreis und stehen nicht selten in einem Auto­ritäts­verhältnis zum Opfer.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher muss man insbesondere bei der Prä­ventionsarbeit, beim Opferschutz und bei der Opferfürsorge ansetzen. Und hier leisten Organisationen wie Interventionsstellen, Kinderschutzzentren und Ähnliche wirklich Großartiges. Sie arbeiten mit Kindern und Jugendlichen mit Gewalterfahrung, überneh­men die Nachbetreuung, bieten Prozessbegleitung und kostenlose Beratung, schulen Eltern, LehrerInnen, KindergärtnerInnen im sensiblen Umgang mit betroffenen Kindern oder darin, Missbrauchsfälle überhaupt erst zu erkennen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren – vor allem auf der rechten Seite dieses Hau­ses! Wenn Ihnen der Schutz von Kindern und Jugendlichen wirklich ein Anliegen ist, dann lassen Sie es zu, dass diese wertvolle Arbeit auch geleistet werden kann und die entsprechenden Organisationen nicht finanziell ausgehungert werden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren, missbrauchen Sie dieses wichtige The­ma nicht dazu, die moralische Mottenkiste wieder zu öffnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Ja wer tut denn das?! Jetzt hören Sie einmal auf!)

19.44

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Strafrechts­ände­rungs­gesetz 2003 in 379 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag und vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Ziffer 18 § 207a bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Abänderungsantrag aus­spre­chen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist das die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 18 § 207a in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer diesem Teil des Gesetzentwurfes seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein dies­bezügliches Zeichen. – Es ist dies mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über Artikel I Ziffer 20 und 27 in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich für diese Teile des Gesetz­entwurfes aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies mit Mehrheit angenommen.


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Die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben weiters einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer Ziffer 27a in Artikel I bezieht.

Bei Zustimmung zu diesem Zusatzantrag bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist das die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Aus­schuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein beja­hendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Fakultativprotokolls in 18 der Beilagen die Geneh­migung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chen­des Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Justizausschusses, wonach der vorliegende Staats­vertrag im Sinne des Artikels 50 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzes zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses im Sinne des Artikels 49 Absatz 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die Kundmachung dieses Staatsvertrages in arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russi­scher und spanischer Sprache durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu erfolgen hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (53 d.B.): Kündigung des Übereinkommens über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt (346 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 291/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch geändert wird (347 d.B.)


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11. Punkt

Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Pensionskassengesetz geändert werden (348 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt als erste Debattenrednerin Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

 


19.49

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Hohes Haus! Die Tagesordnungspunkte 9, 10 und 11 sind in der Debatte zusammengefasst, und daher möchte ich kurz einiges erläutern, da es doch um sehr unterschiedliche Themen geht.

Beim Tagesordnungspunkt 9 geht es um ein Adoptionsübereinkommen aus dem Jahr 1965. Dieses Adoptionsübereinkommen hat nur einen sehr geringen Anwen­dungsbereich, weil es nur auf gewisse Mitgliedstaaten beschränkt ist. Gleichzeitig ist es durch das Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusam­menarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption abgelöst worden. Wir haben daher eine wesentlich bessere internationale Rechtsgrundlage, und aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, dieses alte Adoptionsübereinkommen zu kündigen.

Ganz anders sind die beiden Tagesordnungspunkte 10 und 11 zu sehen; das sind beides Wirtschaftsgesetze. Im Tagesordnungspunkt 10 betreffend das Handelgesetz­buch geht es darum, dass die Haftungsgrenzen für Wirtschaftsprüfer dort neu geregelt sind und auch das Inkrafttreten von gewissen strengen Haftungsgrenzen um zwei Jahre verschoben wird.

Das Gleiche ist im Bankwesen- und Versicherungsaufsichtsgesetz in Tagesordnungs­punkt 11 der Fall. Auch da ist die legistische Maßnahme bloß ein Hinausschieben des Zeitpunktes des Inkrafttretens, beispielsweise für die externe Rotation. Dies ist deshalb notwendig geworden, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil im Vorfeld dazu doch ernsthafte Bedenken aufgetaucht sind, ob auf dem Markt so hohe Haftungs­grenzen sinnvoll sind, wenn diesbezüglich keine Versicherungen abgeschlossen wer­den können, weil es keine Rückversicherungen gab, oder umgekehrt, ob die externe Rotation auch tatsächlich effizient ist bei der Kontrolle von Bilanzmanipulationen.

Es gibt nur ein einziges Land, in dem die externe Rotation in Rechtskraft ist, und das ist Italien. Auf Grund des Parmalat-Skandals ist eindeutig bewiesen, dass die externe Rotation nicht verhindert, dass es zu Bilanzmanipulationen kommt.

Im Zuge dieser Debatte sind dann natürlich auch Bedenken dahin gehend aufgetaucht, dass mit diesen einzelnen Maßnahmen, nämlich Haftungsbestimmungen und Rotation, der Abschlussprüfer nicht das Auslangen gefunden werden kann, um eine hervor­ragende Qualität des bilanziellen Werkes, der Kontrolle der Zahlen und der so genann­ten Wirtschaftshygiene zu gewährleisten.

Daher haben wir den politischen Willen der Bundesregierung auch in einem sehr um­fas­senden Entschließungsantrag dokumentiert. Wir wollen eine Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfer, Unvereinbarkeiten beseitigen, und es soll die Selbstkon­trolle nicht möglich sein. Man kann nicht vorher die Bilanzen erstellen und sich dann als Abschlussprüfer noch einmal über dieses Zahlenwerk machen.


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Wir wollen auch Maßnahmen gegen den Insiderhandel verschärfen. Wir wollen die Sicherung der Verlässlichkeit der Finanzinformationen verbessern. Dieses Wirtschafts­hygienepaket werden wir heuer parlamentarisch beraten und spätestens nächstes Jahr in Kraft setzen. Wir brauchen Zeit dafür, und dafür war es notwendig, die legistischen Anpassungen im Bankwesengesetz und im Handelsgesetzbuch noch ein bisschen hinauszuschieben, nämlich bis Ende 2005. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Ich erteile es ihm.

 


19.54

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann mich, was die Handelsgesetze anlangt, im We­sent­lichen den Ausführungen der Kollegin Fekter anschließen. Es ist in der Tat so, dass derzeit im Gesetz eine Regelung enthalten ist, nach der mit 1. Jänner dieses Jah­res die externe Rotation bei den Wirtschaftsprüfern notwendig gewesen wäre. Es ist letztlich gelungen – und dafür muss man, glaube ich, hier wirklich allen Fraktionen danken –, diesen Fehler des Herrn Grasser zu sanieren – es ist ja eine Grasser-Vor­lage gewesen – und dort eine Bestimmung zu schaffen, die wahrscheinlich für die heutige Zeit realitätsnäher ist.

Wir haben ja in der Zwischenzeit gesehen, dass es sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten zu einer derartigen Lösung nicht kommt. Ich glaube, es gibt auch, wenn man über Corporate Governance spricht, eine Reihe anderer Regelungen, um Schutzmaßnahmen wirklich effizienter einzuführen. Ich denke zum Beispiel, dass  Stock-Option-Pläne für Aufsichtsratsmitglieder unzumutbar sind, weil es nicht so sein sollte, dass Aufsichtsräte auf Grund der Möglichkeit, aus den Stock Options erhöhte Einnahmen zu lukrieren, eine riskantere Vorgangsweise genehmigen sollten. Ich denke daher, dass es sinnvoll wäre, das abzuschaffen.

Es gibt auch eine aktuelle Diskussion, die sicherlich noch weiter geführt wird. Letztlich muss man sagen, dieser Entschluss hat dazu geführt, dass wir uns einige Unannehm­lichkeiten ersparen werden, dass wir, was die Rotationsfrage anlangt, sicherlich noch­mals überlegen werden, was da effizienterweise gemacht werden kann, und dann auf Basis profunder Erkenntnisse eine neue Entscheidung treffen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lentsch: Wieso sagt er jetzt plötzlich „wir“?!)

19.55

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 


19.56

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Die Vorsitzende des Justizausschusses hat schon in einem großen Bogen eigent­lich ziemlich detailliert berichtet (Abg. Dr. Jarolim: In einem weit gespannten Bogen, kann man sagen!), um welche Tagesordnungspunkte beziehungsweise um welche Inhalte es sich handelt, und ergänzt hat es Herr Abgeordneter Jarolim. Folglich kann ich mich auf ein paar grundsätzliche Bemerkungen beschränken, weil ich Sie hier nicht langweilen möchte, indem Sie etwas doppelt hören.

Aber die Materie, mit der wir uns da beschäftigen, ist eine sehr wichtige, denn das gesamte Wirtschaftsleben, insbesondere das Verhalten der Anleger, das Verhalten der Investoren, orientiert sich daran, wie sicher die Investitionen sind beziehungsweise wie


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abgesichert die Investitionen sind, wie zuverlässig die Wirtschaft arbeitet und welche Kontrollmechanismen es gibt, um das alles sicherzustellen.

Die Skandale, die es in der letzten Zeit weltweit gegeben hat, haben dazu beigetragen, dass die Anleger, aber auch die Investoren ziemlich verunsichert sind und auch sehr viel Geld verloren haben. Immerhin haben ja diese Börsenskandale eine sehr große Geld­vernichtung nach sich gezogen.

Es ist notwendig, dass insbesondere die Kapitalgesellschaften besser kontrolliert wer­den, um Missstände möglichst zu verhindern. Und wir haben uns überlegt: Wie können wir da eine bessere Kontrolle einführen? Die wirtschaftshygienischen Maßnahmen, von denen Frau Abgeordnete Fekter gesprochen hat, müssen natürlich genau ausgear­beitet werden.

Wir haben immer wieder mit Interessenkollisionen zu rechnen, und um diese Interes­sen­kollisionen einigermaßen in den Griff zu bekommen, um niemandem zu schaden, aber auch, um das Ziel zu erreichen, haben wir uns jetzt eine Frist von einem Jahr ge­setzt, in dem wir versuchen werden, alle diese divergierenden Interessen möglichst einer guten Lösung zuzuführen.

Ich glaube, wir brauchen entsprechende Maßnahmen, und wir sind uns, wie ich meine, über alle Parteigrenzen hinweg einig darüber, dass es notwendig ist, hier etwas zu tun. Ich hoffe, dass wir in den gemeinsamen Gesprächen zu einer guten Lösung kommen, die wir dann in einem Jahr präsentieren werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.58

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

 


19.58

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine Damen und Herren! Ich werde meine Ausführungen jetzt tatsächlich kurz halten. Ich möchte nicht die Geschichte ausbreiten, warum es zu dieser Vorgangsweise überhaupt gekommen ist, möchte mich aber beim Herrn Minister Böhmdorfer bedanken, der hier – das ist jetzt ehrlich gemeint; er schaut jetzt schon so skeptisch (Heiterkeit) – salopp ausgedrückt Übleres verhindert hat.

Ich weiß, wie groß da der Druck war, andere Entscheidungen zu treffen. Die Mehrheit des Parlaments ist immer noch die Mehrheit, aber jetzt ist es zu einer einver­nehm­lichen Vorgangsweise des Nationalrates gekommen, und daran knüpfen sich auch hohe Erwartungen. Herr Minister, und das ist jetzt meine kritische Anmerkung, aber im positiven Sinn: Es ist jetzt an Ihnen, diese hohen Erwartungen auch zu erfüllen, denn das, was Sie sich jetzt im Zusammenhang mit Corporate Governance als Ziel gesetzt haben, nämlich – und das haben Frau Dr. Fekter, Frau Dr. Partik-Pablé und Herr Dr. Ja­rolim auch schon gesagt – dass das Vertrauen in eine optimale Führung öster­reichischer Unternehmen und in den österreichischen Kapitalmarkt eine wirklich uner­läss­liche Voraussetzung dafür ist, dass es Investitionsentscheidungen von sowohl in­län­dischen vor allem aber auch ausländischen Investoren für Österreich gibt, ist nicht ganz einfach. Da ist die funktionierende Kontrolle von Unternehmen ein Teil.

Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nutzen, ein anderes Vorhaben, das letzten Sommer stark in Diskussion stand, hier anzusprechen: Dieses Paket enthält auch ver­besserte Maßnahmen auf gesetzlicher Ebene gegen den Insiderhandel. Ich lege Wert darauf, auch Ihre diesbezüglichen Bestrebungen, die ich zwar noch nicht im Detail, aber doch bereits kursorisch kenne, zu unterstützen. Ich kann sagen, dass die Grünen sich dem sicher anschließen werden, wie wir uns in dieser Vorgangsweise insgesamt


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konstruktiv im wahrsten Sinne des Wortes mit den Regierungsparteien kurz geschlos­sen haben. Aber enttäuschen Sie uns nicht in unserer Erwartung! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.01

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Justiminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


20.01

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich danke den bisherigen Debat­tenrednern dafür, dass sie gerade in diese Entschließung, die heute voraussichtlich gefasst werden wird, große Hoffnung setzen.

Ich möchte dort anschließen, wo Frau Abgeordnete Mag. Stoisits geendet hat. – Wir wollen und werden Sie nicht enttäuschen! Wir wissen, wie wichtig es für den Wirt­schaftsstandort Österreich ist, dass wir vor allem in den Kapitalgesellschaften Sauber­keit präsentieren, damit wir die Standortnachteile, die wir durch die Osterweiterung ökonomisch haben werden, durch qualitative Standortvorteile wettmachen. Dies in der Weise, dass wir denjenigen, die sich für unseren Kapitalmarkt und für unsere Wirt­schaft interessieren, zeigen, dass in Österreich sauber und konsequent gewirtschaftet wird, dass man sich auf die österreichischen Unternehmungen verlassen kann und dass wir Herzeigeunternehmungen in der Welt haben. So werden wir, wie erwähnt, die Standortnachteile, die wir sicherlich ab 1. Mai 2004 zu befürchten haben, wettmachen und ausgleichen können.

Es wartet sehr viel Arbeit auf uns, insbesondere auf Herrn Sektionschef Dr. Hopf, Frau Dr. Sonja Bydlinski und Herrn Mag. Heinz Majer. Sie werden das Schwergewicht der Arbeit zu tragen haben. Ich wünsche ihnen dafür alles Gute! – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.02

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. – Bitte.

 


20.02

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nun, obwohl von meinen Vorrednern schon viel gesagt wurde, zum Tagesordnungspunkt 10 kurz Stellung nehmen und eingangs dem Herrn Bundesminister ein Zitat widmen, und zwar aus den „Selbstbetrachtungen“ von Marc Aurel. Kollege Kogler, der ja heute schon einmal Experte für Zitate war, wird bestätigen können, dass es sich diesmal um ein sehr korrektes Zitat handelt:

„Oft drängt uns ungestüme Ungeduld zu rascher Tat, wo tiefere Einsicht kluge Unter­lassung fordert.“ (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Bitte noch einmal!)

In diesem Fall war es daher richtig, gerade wenn wir vor dem Hintergrund der Bilanz ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) – Danke, Kollege Jarolim! Auch dir werde ich nächstes Mal ein hoffentlich passendes Zitat widmen können! – Wesentlich ist aber, dass wir uns heute vor dem Hintergrund der Bilanzskandale, die bekannte Namen haben, einig sind, dass wir zum Schutz der Gläubiger, zum Schutz der Anleger, aber insbesondere auch zum Schutz des Wirtschaftsstandortes Österreich und unseres Kapitalmarktes entsprechende Maßnahmen setzen müssen, und zwar ordnungs­politi­sche Maßnahmen, welche die funktionierende Kontrolle in den Unternehmen, die Qua-


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lität und Zuverlässigkeit der Abschlussprüfungen und die Verhinderung von Kapital­marktdelikten durch strenge rechtliche Bestimmungen zum Inhalt haben.

Klar ist auch – wie die geführte Diskussion sehr deutlich gemacht hat –, dass unter die­sem Blickwinkel die externe Rotation keine optimale Lösung darstellt. – Im Gegenteil: In Italien hat sich gezeigt, dass diese genau dafür nicht reicht. Auch haben wir fest­ge­stellt, dass die massiven Erhöhungen der Haftungsgrenzen für die Wirtschaftsprüfer nicht versicherbar sind, damit ihren Regelungszweck verfehlen und vor allem für kleine Wirtschaftsprüfer verheerende Folgen hätten.

Wir haben uns daher vorgenommen, dieses große Paket zu schnüren, das nun im Ent­schließungsantrag beinhaltet ist. Ich möchte dazu allerdings – und ich wäre dankbar, wenn mir der Herr Justizminister jetzt sein Ohr leihen könnte! – eine Anmerkung ma­chen, und zwar, dass bei jeder der Maßnahmen, die jetzt gesetzt werden, auch zwei Voraussetzungen berücksichtigt werden müssen: Sie müssen praxisgerecht für die Wirtschaft und die Unternehmen umsetzbar sein, und sie müssen mit einem ver­tretbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis ausgestattet sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Freiheitlichen.)

Darauf werden wir – und dafür werden Sie Verständnis haben – im gemeinsamen Ge­setzgebungsprozess besonders achten.

Lassen Sie mich auch mit einem Zitat schließen, das Sie ermutigen soll und diesmal von Schiller ist! (Abg. Dr. Glawischnig: Langsam und laut!)

„So möge nun gelingen, worum wir lang genug gerungen!“ (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.06

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


20.06

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Noch einmal Bezug nehmend auf das, was Kollege Ikrath gesagt hat ... (Abg. Dr. Stummvoll: Das war gut!) Das war sehr solide, der Mann kennt sich im Bankgeschäft aus. Da erhebt sich immer die Frage, wieso und zu welchem Zweck jemand von der ÖVP eigentlich im Parlament sitzt. Aber er macht es ja gut für seine Klientel! (Abg. Prinz: Keine unqualifizierten Bemerkungen, Herr Kollege!) Das ist halt so!

Ich will nur darauf hinweisen, dass wir uns da mittlerweile auch ganz gut auskennen, und daher möchte ich Ihnen in einem Punkt tatsächlich widersprechen. – Ich betone, dass wir diesen Regelungen zustimmen, weil wir uns in den Verhandlungen ange­nähert haben. Was die externe Rotation betrifft, sage ich Ihnen aber, dass es so ein­fach nun auch nicht ist und aufgeschoben nicht aufgehoben ist. Das soll für das Proto­koll vermerkt sein.

Wir hätten ja ansonsten den Rechtszustand für die externe Rotation schon herbei­geführt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) – In Wirklichkeit hatten wir ihn ja, wir wollten nur nicht zu laut darüber reden! Auch darüber haben wir uns verständigt. Siehst du, so weit geht das! Italien ist jetzt vielleicht kein gelungenes Beispiel.

Aber ich sage Ihnen: Wir brauchen gar nicht bis Italien zu fahren. Bleiben wir in der Steiermark stehen! (Abg. Jakob Auer: Was haben Sie gegen die Steiermark?) – Ich habe gar nichts gegen die Steiermark, aber dort ist ein politisch-wirtschaftliches Sys­tem am Werk, bei welchem eigentlich ein Prüferwechsel in bestimmter Art und Weise auch nicht schlecht getan hätte. Wir sollten uns nämlich vergegenwärtigen, dass bei


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der ESTAG – keine unnamhaften Personen; ich will jetzt auch kein Urteil sprechen, das gehört gar nicht da her! – beispielsweise nach längerer Aufrollung eines so genannten Netzwerkes – wobei ich jetzt nur die Begriffe übernehme, die zum Teil auch aus der ÖVP kommen – Prüfer tätig sind, die eigentlich ganz am Schluss dieser Kette selbst wieder Geschäfte mit diesen Töchtern, Enkeln, Urenkeln der ESTAG machen.

Ich muss Ihnen sagen: Da gibt es einigen Bedarf! Ich denke jetzt nur an die Beteili­gun­gen der Aufsichtsräte. Das ist schon schlimm genug – von wegen Ehrenkodex, der da ausgerufen wurde! Wenn man sich nur annähernd an die Regeln der Corporate Go­vernance gehalten hätte, dann hätte es in der Steiermark nie so weit kommen können! Im Nachhinein stellt sich aber die Frau Landeshauptfrau hin und spricht von irgend­einem Ehrenkodex.

Tatsächlich wurden Aufsichtsräte lückenlos dabei ertappt, dass sie über durchge­schaltete Tochter- und Enkelfirmen Geschäfte mit der Muttergesellschaft machen, deren Aufsicht ihnen anvertraut wurde. Das sind abenteuerliche Zustände! Da werden wir noch viel mehr zu tun haben.

Aber – und damit höre ich auch schon auf – selbst Wirtschaftsprüfer haben sich dabei erwischen lassen. In Anbetracht dessen müssen wir uns sicher noch mehr einfallen lassen als bloß interne oder externe Rotation, und das könnte auch für den Moment noch die gemeinsame Klammer sein. – In diesem Sinne: Aufgeschoben ist nicht aufge­hoben. (Beifall bei den Grünen.)

20.09

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, der Kün­digung des Übereinkommens über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt in 53 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch geändert wird, samt Titel und Eingang in 347 der Beila­gen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das Gesetz ist in dritter Lesung ebenfalls einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 347 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Bejahung. – Es ist dies einstimmig angenommen. (E 39.)


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Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Pensions­kas­sengesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 348 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies eben­falls einstimmig in dritter Lesung angenommen.

12. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (252 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das All­gemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Gebühren­gesetz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden (382 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 309/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Ge­bäude- und Wohnungsregister (GWR-Gesetz) geschaffen und das Vermessungs­gesetz geändert wird (383 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 und 13 der Tagsordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


20.12

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! An sich ist dieses E-Government-Gesetz in der Zielsetzung ein richtiges Gesetz. Es besteht Grundkonsens darüber, dass man ein derartiges Gesetz möglichst rasch, weit reichend und schnell einführen soll.

Es ist daher schade, dass man auf die wirklich sehr fundierten Einwendungen der Experten bei einem langen Hearing hier im Parlament nicht Bedacht genommen hat, die entsprechenden Bedenken und Empfehlungen nicht ernst genommen hat und nicht versucht hat, diese einzubauen. – Ich möchte nur diese Hauptbedenken hier wieder­geben.

Eines der grundlegendsten Bedenken betreffend dieses Gesetz ist, dass es vollkom­men unleserlich ist und daher Akzeptanz beim Einzelnen dementsprechend schwer zu finden sein wird. Es ist nicht einmal mehr für Rechtsexperten leserlich, weil es eine Ma­terie umfasst, die juridisch nur schwer fassbar ist, weil sie überwiegend technisch zu interpretieren ist. Die Regelung, die in diesem Gesetz formuliert ist, ist daher zu kom­pliziert, weil die Annahme einer derartigen Regelung davon abhängt, wie einfach der Zugang ist und wie einfach die entsprechenden Möglichkeiten sind. Das ist in diesem Fall nicht gewährleistet!


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Man hätte das wesentlich einfacher machen können: Man hätte ganz einfach mit dem bisher vorhandenen Gesetz betreffend die elektronische Signatur weiterarbeiten kön­nen. Man hat eine funktionierende Lösung beim Finanzministerium. Diese funktionie­ren­de Lösung wird nun aber nach fünf Jahren beziehungsweise bis 2008 in diese komplizierte Regelung überzuführen sein.

Ich weiß nicht, warum man die vorhandenen einfachen Regelungen, die man mit einem ganz einfachen Gesetz auch beibehalten können hätte, zu einer komplizierten Materie zusammenfasst, die darüber hinaus – das ist das zweite Bedenken – viel zu teuer wird, weil ja eigene Zustelldienste anzukaufen sind, wenn man mit den Behörden in Kontakt treten will. Stellen Sie sich einmal den Bürger vor, der einmal oder zweimal im Jahr mit dieser Behörde Kontakt hat und sich dafür bei einem professionellen elektronischen Zusteller einklinken und dafür etwas zahlen muss! Das ist sicherlich für Rechtsanwälte oder für Steuerberater in Ordnung, aber allein diese Eintrittsbarriere wird die Akzeptanz dieses Gesetzes sehr, sehr fraglich erscheinen lassen.

Ein weiteres Problem ist, dass durch die Zustellung das Risiko von der Verwal­tungs­ebene auf den Einzelnen verschoben wird. So wie es jetzt ist, trägt bei längerer Abwe­senheit die ausstellende Behörde das Risiko, in Zukunft wird das Risiko der Einzelne, also der Bürger selbst tragen. Das ist absolut nicht bürgerfreundlich! Zudem ist der Zu­gang für behinderte Menschen überhaupt nicht gegeben. Die diesbezüglichen EU-Richtlinien werden nicht eingehalten. Eigentlich müsste dieses Gesetz aber für alle anwendbar sein, wenn sie mit Behörden in Kontakt treten.

Es ist schade, dass man die erwähnten Bedenken nicht eingearbeitet hat, denn es wäre ein Leichtes gewesen, da auf einen Grundkonsens zu kommen. – Ich glaube, es müsste eine gemeinsame Grundlage für die Gesetzwerdung sein, dass ein Gesetz einfacher, billiger und für alle anwendbar gemacht wird.

Der Grund für die Kompliziertheit dieses Gesetzes liegt darin, dass man sich eines zentralen Dienstleisters bedient, der letztendlich über die bereichsspezifischen Per­sonenkennzahlen einen Schlüssel bekommt, der jederzeit bei diesem Dienstleister wieder reproduzierbar ist. Wenn dieser Schlüssel einmal hergestellt ist, ist er dort auch wieder reproduzierbar. Und dieser Dienstleister ist komischerweise das Innenminis­terium, das gleichzeitig auch die Rasterfahndung sozusagen als Instrumentarium anzu­wenden hat. Da besteht doch ein Interessenkonflikt, wenn in diesem Gesetz bestimmt wird, dass dieser Dienstleister das Innenministerium ist! Im Hinblick darauf frage ich mich: Warum wird dieser Datenverbund überhaupt geschaffen? Warum endet der Weg nicht im jeweiligen Bereichsministerium? Warum bedient man sich eigentlich nicht eines privaten Dienstleistungsanbieters, und warum muss es das Innenministerium sein, wenn man diese Daten nicht doch irgendwann einmal verbinden will?

Ich glaube, das ist nicht notwendig in diesem Gesetz. Dieses schießt weit über das Ziel hinaus! Und es ist natürlich auch von der Betrachtungsweise her äußerst bedenklich, dass gerade diejenigen, welche die Fahndung nach Daten organisieren, letztendlich sozusagen auch zum Schlüsselverwahrer aller Daten der Ministerien gemacht wer­den. – Ich halte das für äußerst bedenklich, und ich glaube, dass wir uns damit noch viele, viele Probleme aufhalsen werden!

Es wurden auch verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, und zwar von unab­hän­gigen Professoren, die das auch geprüft haben. Dieses Gesetz greift auch in die Ver­waltungsorganisation der Länder und somit auch in Länderkompetenzen ein. Daher ist natürlich verfassungsrechtliche Bedenklichkeit gegeben, wenn diese Regelungen in einem einfachen Bundesgesetz erfolgen und nicht in Verfassungsbestimmungen ge­troffen werden.


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Das ist schade, denn das Grundanliegen wäre richtig und erstrebenswert. Die vorlie­genden Regelungen sind jedoch zu kompliziert, zu teuer, verfassungsrechtlich bedenk­lich, das Risiko der Zustellung wird von der Verwaltungsbehörde auf den Einzelnen ver­schoben, der Zugang für Behinderte ist nicht gewährleistet, und dieser Daten­verbund im Innenministerium ist datenschutzrechtlich ganz bedenklich. Daher würde ich vorschlagen, damit man zu einer einheitlichen und besseren Regelung kommt, dass diese Materie nochmals im Verfassungsausschuss diskutiert wird und die Be­schwerden und Empfehlungen ernst genommen werden.

Wir stellen daher einen Rückverweisungsantrag an den Verfassungsausschuss.

Wir wären in der Lage, in vier Wochen ein perfektes Gesetz zu liefern, weil jeder daran interessiert ist, ein billigeres, unkomplizierteres und leichter zugängliches E-Govern­ment-Gesetz zu erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

20.19

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neu­gebauer. – Bitte.

 


20.19

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass wir mit Recht mit diesem E-Government-Gesetz das umsetzen, was der Bürger und die Wirtschaft von uns verlangen: Letztere haben nämlich einen Anspruch darauf, dass die Akten lau­fen und nicht der Bürger. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das geschieht mit diesem Gesetz. Und ich weiß, dass wir in Österreich damit – und das haben mir auch die Sachverständigen im Verfas­sungs­ausschuss mitgeteilt – europaweit zu einer der modernsten Verwaltungen kom­men. Darauf können wir mit Recht stolz sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Wir schaffen die rechtlichen Grundlagen, den elektronischen Rechtsverkehr zwischen Behörden und Bürgern auf eine effiziente Basis zu stellen. Zentrum dieser Vorlage ist die Bürgerkarte, die Verfahrensabläufe durch elektronischen Identitäts- und Echt­heits­nachweis unter Wahrung des Datenschutzes ermöglicht.

Ein zweiter Schwerpunkt ist das Standarddokumentenregister. Wenn man etwa Staats­bürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde, Meldenachweis einmal als elektronisch lesbar und korrekt erkannt hat, dann können diese Daten immer wieder verwendet werden. Einmal Urkunde – immer wieder Urkunde.

Es wird die elektronische Zustellung von Schriftstücken geben, nachprüfbar durch die Amtssignatur, und diese elektronische Zustellung macht nur einen Bruchteil der Kosten für einen Zustellungsnachweis bei der Post aus. Ich habe noch sehr eindrucksvoll das Beispiel eines Sachverständigen im Ohr, der gemeint hat, die Kosten einer Lenkerauskunft betragen, wenn man sie persönlich einholt, 9,48 €, macht man das auf dem traditionellen Postweg, betragen die Kosten 4,50 € – auf dem nunmehr vorge­schlagenen elektronischen Weg: 48 Cent. Die Einsparung spricht für sich.

Aber darüber hinaus gibt es noch eine Menge anderer Vorteile. 168 Stunden pro Wo­che, also rund um die Uhr, gibt es den Zugang zur Verwaltung für Bürger, Wirtschaft und alle, die daran Interesse haben. Es gibt aber keinen Zwang, und das ist deutlich aus­zusprechen. Es wurde berichtet, dass 42 Prozent der Haushalte einen eigenen Internetanschluss haben, aber derjenige, der diesen Dienst auch weiterhin nicht in Anspruch nehmen möchte, kann sich durchaus über Gemeinden, Bezirksverwal­tungsbehörden in einem bürgerkartenähnlichen Verfahren begleiten lassen.


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46. Sitzung / Seite 192

Was die Kritik an der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Inneres betrifft, so gehe ich doch davon aus, dass die Zugangshindernisse des Datenschutzgesetzes sehr wohl auch für das Ministerium aufrecht bleiben. Das Gesetz ist von jenen Damen und Herren im Bundeskanzleramt, die auch mit den Aufgaben des Datenschutzes betraut sind, erstellt worden, und ich möchte nur darauf hinweisen, dass der Datenschutzrat – mit den Stimmen der sozialdemokratischen Kollegen! – diesen Entwurf positiv begut­achtet hat. (Abg. Mag. Johann Maier: So stimmt das nicht, Kollege Neugebauer! Das stimmt nicht!)

Ich bedanke mich bei den Beamten und Beamtinnen des Bundeskanzleramtes dafür, dass sie eine so schwierige Materie in einfacher Weise in der Benutzerfreundlichkeit auch tatsächlich zu Papier gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind Vorreiter im europäischen Raum, was den Ausdruck des Dokumentes mit dem gleichen Wert wie das Original betrifft, und wir sind schneller in Europa, was die elektronische Zustellung betrifft.

Als Ziel für einen barrierefreien Zugang ist eine Frist von vier Jahren vorgesehen, wo­bei wir in einer Entschließung deutlich gemacht haben, dass bei neuen Webseiten diese Frist möglichst bald unterschritten werden sollte.

Ich möchte im Zusammenhang damit – der Herr Präsident war so nett, für die Ver­teilung zu sorgen – im Einvernehmen mit Kollegin Dipl.-Ing. Elke Achleitner einen Ab­än­derungsantrag einbringen, der die Regelungen über die Möglichkeit, die Bürger­kartenfunktionen künftig auch auf E-Card zu speichern, ins ASVG überführen sollte. Die entsprechende Novelle wird allerdings erst später erfolgen, sodass eine Außer­krafttretung der Bestimmung mit 30. Juni 2004 erfolgen soll.

Im Ausschuss wurden Bedenken über die Verfassungsmäßigkeit des Zustande­kom­mens der in Rede stehenden Bestimmung, was das Zustellgesetz betrifft, geäußert. Auch diesbezüglich ist eine entsprechende Regelung in diesem Abänderungsantrag ent­halten.

Es ist ein wesentlicher Schritt, ein starker Schritt hin zu einer Modernisierung der Ver­waltung und ein weiterer wichtiger Beitrag zu einem Wettbewerbsvorteil unserer Unter­nehmen und für unsere Bürger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.23

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in sei­nen Kernpunkten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Neugebauer, Dipl.-Ing. Achleitner schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt. Ge­mäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung wurde er auch vervielfältigt und verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Neugebauer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner zum Bericht des Verfas­sungs­ausschusses (382 der Beilagen) über die Regierungsvorlage (252 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Gebührenge­setz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:


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Der dem Bericht des Verfassungsausschusses (382 der Beilagen) über die Regie­rungsvorlage (252 der Beilagen) eines Bundesgesetzes, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zu­stell­gesetz, das Gebührengesetz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereins­ge­setz 2002 geändert werden, angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Art. 2 (Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991) Z 14 lautet der letzte Satz des § 82 Abs. 13 letzter Satz:

„Zugleich tritt treten § 13 Abs. 9 sowie § 14 Abs. 8, in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, außer Kraft; § 13 Abs. 4a tritt erst mit Ablauf des 30. Juni 2004 außer Kraft.“

2. In Art. 3 (Änderung des Zustellgesetzes) Z 10

a) wird in § 28 Abs. 2 der Klammerausdruck „(§ 30 Abs. 1)“ durch „(§ 30 Abs. 2 Z 2)“ ersetzt;

b) lautet § 30 Abs. 1 und 2 wie folgt:

„(1) Den gemäß § 29 zugelassenen Zustelldiensten gebührt für die Erbringung der in § 28 Abs. 1 Z 1 bis 9 bezeichneten Leistungen ein Entgelt, das von der den Zustell­auftrag erteilenden Behörde zu begleichen ist. Dieses Entgelt entspricht dem Entgelt, das jener zugelassene Zustelldienst für die Zustellleistung (Abs. 2 Z 1) erhält, dem nach Durchführung eines Vergabeverfahrens gemäß den Bestimmungen des Bundes­vergabegesetzes 2002, BGBl. I Nr. 99/2002, die Erbringung der Verteilerleistung (Abs. 2 Z 2) und der Verrechnungsleistung (Abs. 2 Z 3) zugeschlagen wurde.

(2) Folgende Leistungen von Zustelldiensten sind zu unterscheiden:

1. Die Zustellleistung ist die Zustellung von Dokumenten gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 bis 9 an die eigenen Kunden eines Zustelldienstes;

2. die Verteilerleistung hat die Weiterleitung zuzustellender Dokumente an andere zu­gelassene Zustelldienste zum Zweck der Zustellung an deren Kunden zum Gegen­stand;

3. die Verrechnungsleistung umfasst die Weiterleitung des von der Behörde für eine Zustellung bezahlten Entgelts an andere zugelassene Zustelldienste, sofern diese an einen ihrer Kunden zugestellt haben, und die Verrechnung der weitergegebenen Entgelte mit den Auftrag gebenden Behörden.“

Begründung:

Die Regelungen über die Möglichkeit, die Bürgerkartenfunktionen künftig auch auf den im ELSY verwendeten Chipkarten („e-card“) gespeichert zu haben, sollten aus syste­matischen Gründen in das ASVG überführt werden, da sie einen allgemeineren An­wen­dungsbereich haben als das AVG. Bis zum Inkrafttreten der geplanten ASVG-Novelle, mit der dieses Ziel verwirklicht werden soll, wird aber die Regelung des § 13 Abs. 4a AVG beizubehalten sein, weshalb das Außerkrafttreten dieser Bestimmung erst mit 30 Juni 2004 erfolgen soll.

In der Diskussion im Verfassungsausschuss wurde die Meinung vertreten, dass § 30 Abs. 1 letzter Satz Zustellgesetz eine gesetzliche Regelung sei, die unter Art. 14b Abs. 4 B-VG zu subsumieren sei. Um jeden Zweifel über das verfassungsmäßige Zu­standekommen der in Rede stehenden Bestimmung auszuschließen, schien eine Umformulierung geraten, die unter Aufrechterhaltung des wesentlichen Inhalts dieser Bestimmung eine Bezugnahme auf vergaberechtliche Aspekte über die bloße Zitierung


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des Bundesvergabegesetzes 2002 hinaus vermeidet. Hiemit wird den in der Diskussion im Ausschuss geäußerten Bedenken Rechnung getragen.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


20.24

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abge­ord­neter Neugebauer hat behauptet, dass im Datenschutzrat über das Gesetz ein­stimmig, also auch mit den Stimmen der Sozialdemokraten, abgestimmt wurde. – Diese Behauptung ist unrichtig, weil erstens nicht über das Gesetz abgestimmt wurde, sondern über die Stellungnahme des Datenschutzbeirates, und zweitens manche Teile dieses Berichtes nur mehrheitlich, also gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, be­schlossen wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

20.24

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


20.25

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner, Kollege Neuge­bauer, hat natürlich in seiner Art auch den wirtschaftlichen Vorteil dieses Gesetzes gepriesen, und ich möchte auf dieses Argument eingehen, weil zum Beispiel die Stel­lungnahme des Verbands für Informationswirtschaft zu dieser Gesetzesvorlage bei Gott nicht äußerst positiv war, Herr Kollege Stummvoll.

Es wurde massiv kritisiert, und zwar erstens, es sei ein Bürgerkartengesetz. Es stellt sich mit Recht die Frage, warum man E-Government primär und eingeengt an diesem Identifikations- und Authentifizierungsinstrument beziehungsweise technologischen Kon­zept aufhängt. Das ist zum Beispiel kritisiert worden.

Es wurde auch kritisiert, dass praktisch die neuen Formen der inoffiziellen elektroni­schen Kommunikationsbeziehungen zu wenig berücksichtigt worden sind und dass die Chance, wirklich ein sozusagen kommunikatives, partizipatives Gesetz vorzulegen und zu entwickeln, im Hinblick darauf, dass die Bürger auch Anrechte auf elektronisches Service, auf Auskunft, auf Information haben, versäumt worden ist.

Daran sind, bitte, nicht die ExpertInnen schuld, die auf Grund der eingeschränkten politischen Auftragslage ihr Bestes geben. Ich muss Frau Ministerialrat Kotschy und Herrn Professor Posch an dieser Stelle mein Kompliment aussprechen. Sie haben in ihrem Bereich sicherlich Optimales geleistet, nur die politische Zielvorgabe, die poli­tische Zielsetzung war meines Erachtens mangelhaft. Schauen Sie selbst im Gesetz nach, es steht dort lapidar:

„Dieses Bundesgesetz dient der Förderung rechtserheblicher elektronischer Kommu­nikation.“

Diese Kommunikation soll ja auch einen Sinn haben im Hinblick auf mehr Bürger­rechte, mehr Teilnahme, bessere Zugänge et cetera. Was macht das Gesetz? Es ver­einfacht die Kommunikation für jene Menschen, die sich die Bürgercard leisten. Die Bür­gercard gibt es nämlich nicht umsonst, sie kostet etwas. Ich spreche nicht nur von der Aufnahme der Stammzahlen und dem damit verbundenen Aufwand, et cetera, et cetera, sondern die Karte erfordert auch einen finanziellen Aufwand, und dieser rentiert sich für einen Durchschnittsbürger, eine Durchschnittsbürgerin ja gar nicht.


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Es gibt vielleicht – das war noch der Sinn Ihres Abänderungsantrages, Frau Kollegin – vor Ort bei den Behörden sozusagen elektronische Stationen mit beratenden Beamten, sodass man dort einsteigen kann, nur braucht man dazu die Bürgercard als Vor­aussetzung. Und das ist eine Investition, die sich für den Durchschnittsbürger nicht aus­zahlt. – Das sei einmal von unserer Seite kritisiert.

Andere kritische Momente hat mein Vorredner, Herr Dr. Wittmann, schon ins Treffen geführt. Es sind datenschutzrechtliche Gründe, die wir anführen, die uns an der Zu­stimmung hindern. Meine Kollegin Haidlmayr wird dann auch noch die Restriktionen für Menschen mit Behinderungen näher darlegen.

Das reicht für uns aus, dass wir diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung erteilen werden, hingegen aber sehr wohl eine Evaluierung verlangen. Wir haben einen ent­sprechenden Antrag vorbereitet, den ich kurz vorstellen darf.

Da es sich ja um eine wichtige Materie handelt, nicht nur für die Verwaltung, auch für die Wirtschaft und auch für all die rechtskundigen Institutionen, ist es wichtig, auch zu evaluieren, und deshalb folgender Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Evaluierung des E-Government-Gesetzes (Bürgerkartennutzung)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundeskanzler wird beauftragt, eine begleitende Evaluierung des E-Government-Gesetzes durchführen zu lassen. Dabei soll ab Inkrafttreten des Gesetzes zwei Jahre lang insbesondere erhoben werden, wie viele Amtswege – aufgeschlüsselt nach ein­zelnen Gebietskörperschaften – mittels Bürgerkarten vorgenommen werden im Ver­gleich dazu, wie viele Amtswege mittels bestehender E-Government-Lösungen durch­geführt werden. Diese Evaluierung ist sodann dem Nationalrat zur Beratung vorzu­legen.

*****

Genau das, was in der Wirtschaft gang und gäbe ist, nämlich zu evaluieren, zu schauen, inwieweit die Investition sich rentiert hat, wo sie adaptiert werden muss, ver­langen wir mit unserem Entschließungsantrag. Ich hoffe, dass Sie eben im Sinne einer effizienten Verwaltung diesem Antrag auch Ihre Zustimmung geben.

Im Prinzip hat Österreich sicher eine Vorreiterfunktion, eine Schlüsselfunktion, aber das Gesetz müsste verständlich sein, es müsste ein Rahmengesetz sein, es müsste bürgerfreundlicher sein und es müsste die Datenschutzkriterien besser erfüllen. Dann hätten Sie unsere Zustimmung, auch die Zustimmung der Experten, die zu einem Großteil auch bei den Ausschussberatungen skeptisch waren. Deshalb hoffe ich, dass in zwei Jahren evaluiert wird und wir dann nachbessern. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.29

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der von Frau Abgeordneter Dr. Moser verle­sene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Moser, Dr. Wittmann, Mag. Stoisits, Mag. Maier ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 



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20.30

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Ich kann mich ganz einfach des Eindrucks nicht erwehren, dass die Opposition die Möglichkeiten, die dieses E-Government-Gesetz bietet, entweder nicht verstehen will oder ganz einfach wirklich nicht versteht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Stummvoll: Ja, genauso ist es!)

Sie wollen nicht wahrhaben, welche Chancen dieses E-Government-Gesetz als Rah­mengesetz bietet. Es bietet neue Chancen für die Verwaltung, aber in erster Linie – und das ist ein besonderer Aspekt – neue Chancen für die Bürger. E-Government bietet die Möglichkeiten und auch die Veranlassung zu einer Verwaltungsmoderni­sierung. Gerade im Bereich der Verwaltungen müssen durch E-Government und durch die Einführung des elektronischen Aktes die Reformen innerer Abläufe verbessert werden, was die Effizienz steigert, die Rationalisierung verbessert und die gesamten Abläufe in Zukunft noch viel besser, mit höherer Qualität, auf den Kunden abstimmt.

Ergebnis ist eine schlankere Verwaltung, und das wollen wir doch alle miteinander. E-Government ist nämlich nicht, wie Sie vielleicht glauben, nur ein reiner Ankauf von Hardware und Software, was dann irgendjemandem zur Verfügung gestellt wird, sondern es steht viel mehr dahinter. Für die Kunden besteht etwa die Möglichkeit des so genannten One-Stop-Shops, das heißt, sie haben in Zukunft einen Ansprech­partner. Stellen Sie sich vor, was das bei einem behördenübergreifenden Weg für Vor­teile bietet, welche Möglichkeiten sich dadurch bieten, welch große Zeitverminderung Sie dadurch erreichen!

Verwaltung wird Ihnen durch E-Government in Zukunft auch 24 Stunden sieben Tage in der Woche zur Verfügung stehen, sodass Sie nicht mit eingeschränkten Öffnungs­zeiten konfrontiert sind, sondern die Verwaltungstätigkeiten zu jeder Tages-, aber auch Nachtzeit abwickeln können, und das noch dazu mit unterschiedlichen Medien. Sie können via Internet Verwaltungstätigkeiten, Behördenwege abwickeln, aber auch mit Ihrem Handy per SMS.

All diese Möglichkeiten sind ein Wegweiser für eine Steigerung der Verwaltungs­trans­parenz, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin selbst in der öffentlichen Ver­waltung, im Magistrat in Linz, tätig, und wir führen dort den elektronischen Akt ein. Es bedeutet sehr viel Aufwand, die Abläufe neu zu gestalten und neu durchzuführen, aber ich sehe auch ganz deutlich, welche Rationalisierungseffekte dadurch möglich sind.

Ich bin froh darüber, dass Österreich die Wichtigkeit der Informations- und Kommuni­kationstechnologie früh genug erkannt hat. Wir können wirklich zu Recht darauf stolz sein, dass neue Untersuchungen von IT-Beratungsunternehmen der Europäischen Kom­mission festgestellt haben – wie gestern präsentiert wurde –, dass Österreich, was Online-Dienstleistungen betrifft, auf den vierten Platz vorgerückt ist (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) und in Bezug auf Wachstum gegenüber dem Vorjahr sogar den ersten Platz einnimmt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gerade im Verwaltungsbereich bietet dieses vorliegende E-Government-Gesetz die gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Es wurde vom Kollegen Wittmann und auch von der Kollegin Moser angesprochen, dass dieses Gesetz sehr komplex ist. – Klar ist es komplex, weil es eine Querschnitts­materie ist und viele weitere Gesetze berücksichtigen muss. (Abg. Dr. Jarolim: Es ist ein schlechtes Gesetz!) Natürlich ist auch die Technologie, die dahinter steckt, kom­plex. Es wird der höchstmögliche Datenschutz gewährleistet, und gerade bei den bereichsspezifischen Personendaten ist es nicht so einfach, mit diesen Datenbanken


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zu hantieren, nicht so einfach wie das bloße E-Mail, das aber keinen 100-prozentigen Datenschutz gewährleistet.

Kurz zusammengefasst: komplizierte Gesetzesmaterie, komplizierte Technologie, aber sehr einfache Anwendung für den Bürger, derart einfache Anwendungen, dass es ohne große Einschulung jederzeit für jeden anwendbar und sehr leicht durchführbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine Voraussetzung für ein erfolgreiches E-Government bildet die Sammlung von Da­ten, die Sammlung von Registerdaten. Das ist im ersten Schritt die Sammlung von Gebäude- und Wohnungsregisterdaten, aber auch Adressregisterdaten. Es ist Vor­aussetzung, dass Daten generell zur Verfügung stehen und auch generell in einem zentralen Register gesammelt werden.

Es ist schon klar, dass das für jene, die diese Daten sammeln müssen, großen Auf­wand bedeutet, und das sind in erster Linie die Gemeinden, das sind die Städte, aber in diesem Antrag, der hier vorliegt, in der Novellierung des Vermessungsgesetzes, wurde auch darauf Rücksicht genommen, sodass der Erlös von geokodierten Adres­sen – jeder Adresse, die eine Position dazu bezogen hat – bis auf eine Aufwendung zur Gänze zu den Gemeinden zurückfließt. Ich finde, das ist eine wirklich sehr faire Regelung, die auch in Richtung Qualität der Daten einen sehr guten Aspekt bringt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Städte, Gemeinden, der Bund und die Länder haben noch weit mehr wertvolle positionsbezogene Daten. Und auch da ist es wichtig, dass diese in Zukunft gebündelt werden, denn dann bieten sie einen großen wirtschaftlichen Faktor und stehen jederzeit auch in Katastrophenfällen schnell zur Verfügung. Auch da wird es in Zukunft wichtig sein, genauso wie bei E-Government, dass Bund, Länder und Gemeinden in einer gemeinsamen Geodatenpolitik zusammenarbeiten, dass diese wertvollen Schätze, die jetzt vorliegen, wirklich auch entsprechend genutzt werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die neuen Technologien bieten große Chancen in der Vereinfachung von Behördenwegen und in der Beschleunigung von Behörden­wegen. Eine schnelle Entwicklung muss aber auch durch rasche Entscheidungen ge­troffen werden, und es kann nicht sein, wie ständig von der Opposition gefordert wird, dass wir gerade in schnelllebigen Technologiebereichen andauernd die Gesetzgebung verzögern wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Das Problem ist, dass es ein sehr schlechter Gesetzentwurf ist!)

20.36

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­mel­det hat sich Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

 


20.37

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Abgeordneten! Meine Damen und Herren! Der Redebeitrag des Ab­geordneten Dr. Wittmann tut mir sehr Leid, einfach deswegen, weil ich am Anfang, vor allem in den Beratungen des Ausschusses, das Gefühl hatte, dass es durchaus Verständnis für die Problemlage einerseits gibt und dass andererseits auch der Mut vorhanden ist, hier mit uns mitzugehen.

Ich denke, dass das, was dem Parlament heute vorliegt – was wir vorgelegt haben –, ein modernes, innovatives und mutiges Gesetz ist. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.) Es bringt einen Mehrwert für die Verwaltung, einen Mehrwert für die Bürger und auch einen schlankeren Staat. Es ermöglicht mehr Kommunikation in beide Rich­tungen, mehr Sicherheit für jeden Einzelnen von uns.


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Wir haben das eine oder andere Mal auch vom Datenschutz geredet, und Sie werden sich sicher daran erinnern, dass im Ausschuss gerade vom sonst eher kritischen Pro­fessor Thienel keinerlei datenschutzrechtliche Bedenken geäußert wurden, sondern ganz im Gegenteil. (Abg. Mag. Johann Maier: Aber verfassungsrechtliche Bedenken!) Keine Bedenken wurden geäußert! (Abg. Mag. Johann Maier: Verfassungsrechtliche Be­denken hat er geäußert!) – Im Bereich des Datenschutzes sicher nicht, Herr Abge­ordneter! (Abg. Dr. Jarolim: Herr Staatssekretär, Sie verlangen Mut zur Unvernunft!)

Ich darf Ihnen auch noch sagen, dass gerade die Sicherheitsvorkehrungen, die wir im Datenbereich getroffen haben, die Identifikation, also die Bürgerkarte, auch als Referenzmodell in den EU-Gremien diskutiert werden, meine Damen und Herren!

Selbstverständlich – und das möchte ich schon auch anmerken – ist das Procedere, wie dieses Gesetz gemacht wurde, ein Teil dessen, was für die Güte dieses Gesetzes spricht. Wir haben mit den Beratungen im Jahr 2001 begonnen und das Konzept der bereichsspezifischen Personenkennzeichnung dargestellt. Seit Anfang Mai erfolgte die Mitarbeit in den E-Government-Arbeitsgruppen der Länder, es hat also eine sehr enge Vernetzung der Städte, der Gemeinden, des Bundes und der Länder gegeben. Die Vorstellung eines ersten Gesamtkonzeptes 2002 ist im März erfolgt, Mitte des Jah­res 2002 folgten erste Textentwürfe, und so weiter, und so weiter. Geendet hat dieser Prozess am 23. Dezember 2003 mit dem Ende der dreimonatigen Stillhaltefrist im No­tifizierungsverfahren.

Meine Damen und Herren! Worum geht es eigentlich in diesem Gesetz und was drückt dieses Gesetz aus? – Die Parameter sind erstens die Bürgerkarte, die das Gesetz regelt, der elektronische Identitätsnachweis, die Authentizität und Identifikation mit der elektronischen Signatur.

Das Zweite sind die bereichsspezifischen Personenkennzeichen, die eine exakte Iden­tifi­kation auf datenschutzrechtlicher Basis liefern, und drittens das Standarddokumen­tenregister mit dem elektronischen Nachweis von Personendaten.

Wie wir von Vertretern des A-Trust gehört haben, hat jeder einzelne Bürger in Öster­reich zwischen zehn und 15 Passwörter, die er natürlich, weil er sie sich nicht alle merken kann, entweder aufschreibt oder er formuliert sie so, dass sie leicht abrufbar sind, also mit seinem Namen, mit seinem Vornamen, mit dem Namen seiner Kinder und so weiter. Das ist in diesem Bereich nicht möglich. Es ist eine Bürgerkarte ge­schaffen worden, die eindeutig und sicher die Identifikation jedes Einzelnen bei der Behörde erlaubt, aber auch im E-Banking oder im E-Billing.

Das Standarddokumentenregister, meine Damen und Herren, ist der Nachweis immer wieder benötigter Daten, also die Geburtsurkunde, die Adresse, der Staatsbürger­schaftsnachweis, und erlaubt, was wir One-Stop-Shop nennen. Es handelt sich dabei beispielsweise um Optimierungen bei der bestehenden Meldeverpflichtung bei der Personenstandsbehörde und der Staatsbürgerschaftsbehörde.

Die bereichsspezifischen Personenkennzeichen sind Kennzeichen, die nicht durchgän­gig nachvollziehbar sind, sodass alle Daten nicht immer verfügbar sind, sondern sicher­stellen, dass nur jene Bereiche abgefragt werden, die zusammengehörige Le­bens­sachverhalte darstellen. Das ist präventiver Datenschutz mit einer intelligenten Technologie. Durch das Gesetz sind zahlreiche Verbesserungen im Sinne der Bür­gerfreundlichkeit gegeben.

Da hier immer wieder von den Kosten die Rede ist: Meine Damen und Herren! Ein Zertifikat für die sichere Signatur inklusive der Bürgerkartenfunktion kostet zwischen 10 und 12 €. Ein Kartenleser – eine einmalige Investition – 20 €; 50 Prozent davon werden rückerstattet. Dazu kommt noch eine einmalige Registrierungsgebühr von 10 €.


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Wie kommt der Bürger – und auch das ist ausgeführt worden in unser Experten-Fra­gestunde – zu einer sicheren Signaturkarte mit der Bürgerkartenfunktion? Denken Sie daran, dass in diesem Jahr vier Millionen Bankomatkarten ausgegeben werden! Bis zum Jahr 2006 werden 6,5 Millionen Bankomatkarten ausgegeben werden. Der Aus­tausch erfolgt alle drei Jahre. Man kann hier also immer wieder die neueste Technik einsetzen. Auf allen diesen Bankomatkarten gibt es eine schlummernde, sichere Sig­natur, die man nur abrufen muss. Wo kann man das abrufen? – Man kann es bei­spielsweise abrufen in den Bank-Geschäftsstellen, bei den Notaren, bei den Rechts­anwälten, bei den Telekom-Shops und in der Wirtschaftskammer Österreich, meine Damen und Herren. Es ist also keine Hexerei, die Bürgerkartenfunktion zu aktivieren.

Wenn ich Ihnen noch weitere Beispiele liefern darf – ich habe das auch schon im Aus­schuss erwähnt –: Wenn wir heute eine Meldebestätigung einfordern, erfordert das, dass ein schriftlicher Antrag eingebracht wird, und nach drei bis vier Wochen bekommt man die Meldebestätigung. Kosten: 15,10 €. Mit der Bürgerkarte erhalten Sie selbige über das Internet, bei eingeschaltetem Computer, nun in zwei Minuten. Kosten: 3 €. Mit einer einzigen Meldeabfrage haben Sie also die Kosten der Signatur herinnen.

Es wurde weiters sichergestellt, dass für Menschen, die keinen Zugang zum Internet ha­ben, die Gemeinden oder Bezirksverwaltungsbehörden Organwalter für Betroffene ermächtigen, sodass Anträge im bürgerkartentauglichem Verfahren gestellt werden können. Selbstverständlich sind all diese Erledigungen weiterhin auch in Papierform möglich, die Übergangszeit läuft bis 2008.

In diesem Sinne: Es wurde heute bereits gesagt, dass gerade in dieser Offensive für das E-Government 2003/2005 wesentliche Fortschritte gemacht wurden, vor allem im letzten Jahr. Es wurde schon der Platz eins von Österreich bei der Entwicklung und beim Wachstum von E-Government erwähnt, der Platz vier im Gesamtranking der E-Government-Basisdienste und Platz zwei bei den vollständigen interaktiven E-Go­vern­ment-Angeboten.

Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Es tut mir Leid, dass Sie nicht mitgegangen sind. Ich betone noch einmal: Wir haben alles Mögliche getan, um in Abstimmung mit den Gemeinden, aber auch mit den Fachleuten, ein Gesetz zu­stande zu bringen, das eine moderne Verwaltung ermöglicht – ein modernes Gesetz und ein sicheres Gesetz im Bereich der Signaturen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.45

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


20.46

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für uns alle steht außer Streit – und das haben wir immer wieder betont –, dass technologische Entwicklungen sowohl für die Verwaltung als auch für die Menschen nutzbar gemacht werden müssen. Die Frage ist nur: Entspricht das E-Government-Gesetz diesen Anforderungen?

Ich frage konkret: Wer von Ihnen von den Regierungsparteien hat das E-Government-Gesetz tatsächlich gelesen, und wer hat es tatsächlich verstanden? (Abg. Krainer: Niemand!) Das Problem besteht darin, werte Kolleginnen, werte Kollegen, dass dieses Gesetz nicht verstanden wird, und dazu kommt noch: Es ist irrsinnig kompliziert. Und wenn wir heute von Pressemeldungen gehört haben, dass Österreich auf Platz vier liegt, wie der Herr Staatssekretär gesagt hat, und Wien auf Platz drei bei den Service-Websites, dann gibt es dafür einen Grund: Es ist ein einfaches Verfahren. Und ich


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frage mich: Was passiert in zwei Jahren, in drei Jahren und in vier Jahren? (Abg. Mag. Molterer: Dann sind zwei, drei, vier Jahre vergangen!)

Die Städte in Österreich, insbesondere die Stadt Wien – und ich gratuliere der Stadt Wien zu diesem Erfolg, zu diesen erfolgreichen Angeboten –, haben es nur deswegen geschafft, weil es die Menschen angenommen haben, die Wirtschaft angenommen hat und weil es allgemein akzeptiert wurde. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wien hat aber auch die höchste Arbeitslosenrate!)

Dieses Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird kaum angenommen wer­den. Es genügt nämlich nicht, ein Gesetz zu machen, es muss auch akzeptiert werden. Genau dasselbe Problem hatten wir beim Signaturgesetz. Nur 30 000 Anwen­der! Ein Gesetz allein ist zu wenig. Es ist der Regierung nicht gelungen, die digitale Signatur entsprechend bekannt zu machen.

Ich möchte kurz auf die Ausführungen meiner Vorredner, insbesondere auf die des Kollegen Neugebauer eingehen. Ich kenne seine Presseaussendung von heute, und jetzt habe ich seine Worte gehört. Er meint – und ich zitiere ihn –:

Experten haben vorige Woche im Verfassungsausschuss in einer Präsentation dar­gelegt, dass die Bedenken der SPÖ nicht gerechtfertigt sind. Sie haben nicht nur den einfachen Zugang zum E-Government, sondern auch dessen Rechtssicherheit mit Daten und Fakten belegt. – Zitatende.

Kollege Neugebauer, waren wir beide bei verschiedenen Veranstaltungen? – Das frage ich mich, denn ich kann Ihnen sehr konkret sagen, was diese Experten wirklich gesagt haben, nämlich dass keine absolute Sicherheit gegeben ist, dass es verfassungs­rechtliche Bedenken gibt, dass es Bedenken gibt insbesondere im AVG und dass es Bedenken gibt, dass die Datenschutzkommission als Stammzahlenregisterbehörde fun­giert und gleichzeitig für die Beschwerden der Bürger verantwortlich sein soll. Ich frage Sie jetzt: Wo beschwert sich ein Bürger? Ist das dieselbe Beamtin, derselbe Beamte, die/der für die Stammzahlenregisterbehörde zuständig ist und die/der dann gleichzeitig die Beschwerde erledigt?

Hohes Haus! So kann es wohl nicht sein. Wir halten diese Regelung übrigens für verfassungswidrig.

Oder in der Frage der Signatur: Es wird immer sehr groß herausgestellt, man könnte dann mit dem Handy entsprechende Aufträge erteilen. Aber wissen Sie auch, was dann passiert? – Der private Signaturschlüssel liegt auf dem Server des Mobilfunk­be­treibers. Und wer weiß, was dort mit diesem privaten Signaturschlüssel passiert?

Kollege Neugebauer, Sie haben auch gemeint – und ich sage das hier noch einmal –, im Datenschutzrat habe die SPÖ zugestimmt. Sie waren nicht dabei; ich war dabei. Ich kann Ihnen sagen, dass wir über eine Stellungnahme abgestimmt haben, und wir ha­ben bei dieser Abstimmung immer einzelne Punkte berücksichtigt.

Lassen Sie mich zum Schluss auf das Hauptproblem kommen! Die Bundesregierung hat mir in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung mitgeteilt, im E-Government-Projekt der Bundesregierung sei die Einhaltung höchster Datensicherheit ein durch­gehendes und vorrangiges Prinzip. Wenn ich mir nun die Antworten der Bundesminis­terien zu meiner Anfragenserie betreffend „Wireless-LAN“; Sicherheits- und Daten­schutz­probleme anschaue, dann stellt sich etwas ganz anderes heraus, nämlich dass Datensicherheit im Bereich der österreichischen Bundesministerien ein Objekt der Spe­kulation bleibt.

Greifen wir das Innenministerium heraus, das in Zukunft über noch mehr Daten ver­fügen wird, das als Dienstleister bereichsspezifische Personenkennzeichen entwickelt!


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Es hat im Jahr 1998 die letzte Sicherheitsüberprüfung des Computernetzwerks durch­geführt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, was sich der Innenminister denkt. Meint er, Sicherheitsüberprüfungen seien so etwas wie ein Pickerl für eine Gas­therme oder für ein Auto? Hier geht es doch um viel mehr! Es geht um Datenschutz und Datensicherheit, und die ist aus unserer Sicht im Innenministerium nicht gegeben.

Wenn ich mir die Empfehlung der Datenschutzkommission zum Thema Abfragen aus dem Zentralen Melderegister ansehe und durchlese, in der die Datenschutz­kom­mis­sion rechtspolitische Überlegungen anstellt und darauf hinweist, dass für das E-Go­vernment, für dessen Akzeptanz die Datensicherheit oberstes Prinzip ist und daher auch drei Empfehlungen an den Innenminister ausgesprochen hat, weil die ZMR-Abfragen – was Sie in diesem Hause bestritten haben – teilweise rechtswidrig waren, dann frage ich mich: Kann man diesem Ministerium und diesem Innenminister über­haupt noch trauen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben sehr begründet, und die nachfol­genden Redner werden das auch noch genauer ausführen, einen Rückverweisungs­antrag eingebracht, weil auch wir diese Notwendigkeit sehen. Uns geht es einerseits um Datensicherheit, aber andererseits auch um den Zugang. Es darf nicht zu einem „digital divide“ kommen. Es geht darum, dass es leicht und einfach für die Bürger ist. Diese Vorlage entspricht dem nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

20.53

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Mag. Hakl. – Bitte.

 


20.53

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das E-Government-Gesetz – mei­ne Vorredner haben es schon gesagt – katapultiert Österreich an die Spitze der Europäischen Union, was die Verfügbarkeit dieser Dienste nicht nur für die Unter­neh­men – da waren wir schon bisher an der Spitze –, sondern endlich auch für die Bürger betrifft.

Für die Unternehmen haben wir schon weit über 90 Prozent sämtlicher Dienste zur Gänze online angeboten. Bei den Bürgern waren wir nur bei nicht ganz 80 Prozent, und ich freue mich, dass wir dieses Angebot jetzt ausweiten können.

Wenn sich die Oppositionsparteien offensichtlich recht schwer dabei getan haben, dieses Gesetz zu verstehen, so muss ich sagen, das ist bei wirklich nicht tief gehender Befassung auch nachvollziehbar. Es ist kompliziert. Man tut sich – so wie ich als Jurist – noch relativ leicht, wenn man sich die Zeit nimmt, sich zusammen mit einem EDV-ler die ganze Sache einmal ausführlich durchzulesen.

Unsere Abgeordneten haben das getan, haben das also sehr ernst genommen. Dabei fällt einem auf: Herrlich, der Bürger muss sich diese Arbeit gar nicht machen, denn das, was der Bürger tun muss, betrifft eine gewohnte Funktion. Ähnlich wie die Ban­komatkarte muss er in diesem Fall die Bürgerkarte bedienen können, oder er kann ähnlich dem SMS mit dem Handy seine Amtswege erledigen. Das ist eigentlich relativ leicht nachvollziehbar und genau das, was wir uns alle einmal gewünscht haben.

Ganz im Zentrum dieses Gesetzes stand natürlich die Datensicherheit. Zur Daten­sicherheit sind – vielleicht weil Grundlegendes noch nicht ganz verstanden wurde – einige haarsträubende Dinge sowohl in Presseaussendungen als auch hier im Plenum zum Besten gegeben worden. (Abg. Mag. Molterer: Ob es tatsächlich das Beste war, ist fraglich!)


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46. Sitzung / Seite 202

Ich darf noch einmal ganz kurz ausführen, dass solche Schlüsselpaare, deren einer Teil nicht öffentlich ist, im Bundesministerium für Inneres nur bei der Bildung der Stammzahl verwendet werden. Das heißt, die Stammzahl ist nichts anderes als die ZMR-Zahl, die es schon gibt und die jeweils einen einzelnen Bürger bezeichnet – nicht mehr und nicht weniger. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Kenntnis dieses Schlüs­sels dem Innenministerium in keiner Art und Weise irgendwelche neuen Zugangsmög­lichkeiten zu Daten eröffnet. Das Datenschutzgesetz selbst bleibt in gleicher Weise aufrecht. Das Einzige, was durch diese Verschlüsselungstechnologie ermöglicht wird, ist eine wesentlich größere Sicherheit als nur mit der ZMR-Zahl, die bereits jetzt bei vielen Anwendungen ständig verwendet wird. Im Zentrum dieses Gesetzes steht somit die Sicherheit, vor allem aber auch der Nutzen für Bürger und Unternehmen.

Bei diesem Gesetz gibt es eigentlich nur Gewinner. Für die Unternehmen werden die Amtswege billiger, kürzer, effizienter. Für die Behörden wird es nach einer sicherlich sehr schwierigen Umsetzungsphase, die auch einen entsprechenden Mehraufwand erfor­dern wird, möglich sein, im Backoffice die Verfahren transparenter, schneller und kostengünstiger abzuwickeln. Der Bürger kann von zu Hause aus – wenn er will, er ist dazu nicht gezwungen – seine Amtswege erledigen und muss dafür keine Gebühr bezahlen, denn wir wollen auch einen gewissen Anreiz schaffen, mit dieser neuen Technologie und mit diesen neuen Möglichkeiten zu arbeiten. Das ist also eine Win-win-win-Situation für alle Beteiligen.

Ich möchte in diesem Sinne auch den damit befassten Experten und Beamten, die dieses Gesetz entwickelt haben und Österreich zu einem Vorreiterland in Europa machen, ganz herzlich danken. Sie sehen, dass sich ihre Anstrengungen zum einen gelohnt haben, wenngleich sie von der Opposition zum Teil noch nicht ganz verstan­den werden konnten. – Herzlichen Dank und ich freue mich auf die Anwendung. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Wollen Sie nicht dem Herrn Staatssekretär auch noch danken?)

20.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 


20.58

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Frau Hakl hat die ganze Zeit über davon ge­sprochen, dass es bei diesem Gesetz nur Gewinner gibt. Da frage ich mich schon: Frau Hakl, wo leben Sie denn? (Beifall bei den Grünen.) Mit welchen Menschen sind Sie denn konfrontiert? Sie werden doch nicht glauben, dass es nur Menschen auf der Ebene, auf der Sie sich bewegen, gibt! Denken Sie einmal an die ganz – unter Anfüh­rungszeichen – „normalen“ Menschen! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Hakl! Wenn Sie sagen, da gebe es nur Gewinner, dann frage ich Sie: Was ist denn mit blinden Menschen? Die haben wohl einen Gewinn, den Sie mir aber zuerst einmal nennen müssen. Wissen Sie, was die werden? – Die werden diskriminiert, dass es sich gewaschen hat! Das ist Tatsache! Sie wissen, dass heute eine Website, die man barrierefrei macht, keine neue Erfindung mehr ist, das hat inzwischen fast jeder. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wer heute eine neue Website macht, der macht das mit einer Selbstverständlichkeit, ohne dass er darüber nachdenkt, weil das einfach Standard ist. Und was machen Sie? – Sie verweigern das, indem die Webseiten, die in Zukunft herauskommen wer­den, genau nach dem alten Schema gemacht werden. Man sagt: Ab 2008 werden wir es irgendwie umstellen, damit es für blinde Menschen auch lesbar ist.


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46. Sitzung / Seite 203

Herr Staatssekretär! Wenn das Ihr Anspruch an Dynamik, an die neue Zeit ist, dann möchte ich in Ihrer Zeit auch nicht leben müssen, das sage ich Ihnen auch noch dazu. Das ist so etwas von zynisch, dass man sich das überhaupt nicht mehr vorstellen kann. (Abg. Großruck: Sagen Sie doch auch einmal was Positives! Wenn Sie da draußen sind, schimpfen Sie immer nur!)

Jetzt erzähle ich Ihnen etwas. Sie wissen, dass gerade blinde Menschen zu jener Gruppe gehören, die ein Formular im traditionellen Sinn einfach nicht lesen können, weil das einfach nicht geht. Für diese Menschen wäre genau dieses E-Government-Gesetz ganz wichtig gewesen, denn dann hätten sie Formulare über ihre Braillezeile ablesen können. (Abg. Mag. Hakl: Schnellstmöglich!) – Wenn bei Ihnen „so schnell wie möglich“ fünf Jahre sind, dann muss ich sagen: Super, da möchte ich Ihr Tempo nicht haben! (Abg. Mag. Hakl: Maximal!) Das möchte ich Ihnen auch dazu sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich lese Ihnen jetzt etwas vor. Hören Sie zu, es müsste Ihnen eigentlich bekannt vorkommen!

Im Regierungsprogramm der derzeitigen Bundesregierung findet sich unter der Über­schrift „Behinderte Menschen“ auf Seite 17 ausdrücklich der Passus: „Ermöglichung eines barrierefreien Zugangs zum e-government ...“.Und das ist eines der nächsten Vorhaben, die Sie in Ihrem Regierungsprogramm versprochen, aber jetzt schon wieder gebrochen haben.

Es gab bis Jahresende 2003 kein Behindertengleichstellungsgesetz, wie es verspro­chen war. Von dem, was im Regierungsprogramm steht, haben Sie sich jetzt mehr oder weniger verabschiedet, indem Sie gesagt haben, die blinden Leute sind uns völlig Wurscht, wir tun ja sowieso, was wir wollen. Wir sind wir, und das muss genügen. – Und das ist so was – sage ich jetzt einmal – von präpotent gegenüber behinderten Menschen, dass das wirklich nicht mehr auszuhalten ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man mit solch einer Ignoranz da durchfährt und das Gesetz auch noch lobt. (Abg. Mag. Hakl: Ausschussfeststellung!) Also das geht in mein normalbürgerliches Hirn nicht hinein. Es tut mir Leid. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Moser, Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen zur Re­gierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Gebührengesetz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden (252 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes (382 der Beilagen).

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes, mit dem ein E-Government-Gesetz er­lassen wird sowie das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Zustell­gesetz, das Gebührengesetz 1957, das Meldegesetz 1991 und das Vereins­gesetz 2002 geändert werden (252 der Beilagen), wird wie folgt geändert:

Artikel 1 (E-Government-Gesetz) wird abgeändert wie folgt:

Dem § 1 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Bei der Umsetzung der Ziele dieses Bundesgesetzes ist Vorsorge dafür zu treffen, dass behördliche Internetauftritte, die Informationen anbieten oder Verfahren elektro­nisch unterstützen, so gestaltet sind, dass internationale Standards über die Web-


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Zugänglichkeit auch hinsichtlich des barrierefreien Zugangs für behinderte Menschen im Zeitpunkt des Anbietens im Web eingehalten werden.

Behördliche Internetauftritte, die Informationen anbieten oder Verfahren elektronisch unter­stützen und bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes im Web angeboten werden, sind bis spätestens 31. Dezember 2005 an die internationalen Standards über die Web-Zugänglichkeit auch hinsichtlich des barrierefreien Zugangs für behinderte Menschen anzupassen.“

*****

Das, Frau Hakl, wäre ein zeitgemäßes Gesetz, wenn man davon reden kann. (Abg. Mag. Hakl: Wir haben eine Ausschussfeststellung in diesem Sinne gemacht!) Es ist nicht fair, blinde Menschen einfach aus so einem Gesetz auszublenden, wo das doch die erste Möglichkeit gewesen wäre, dass sie wirklich Behördenwege übers Internet abwickeln. Das haben Sie diesen Menschen ganz bewusst verweigert. Schämen Sie sich dafür! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Großruck: Das ist uner­träg­lich!)

21.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt um 21 Uhr den Vorsitz übernommen und hatte ausreichend Zeit, die Stenographischen Protokolle unserer heutigen Fragestunde sowie der Debatte über die Dringliche Anfrage zu lesen und auch zu prüfen, ob die Anregung von Klubobmann Van der Bellen richtig ist, was die Rednerreihenfolge betrifft.

Ich möchte dazu Folgendes mitteilen: Herr Kollege Van der Bellen hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Rednerreihenfolge bei der Dringlichen Anfrage falsch war. Die Rednerreihenfolge, die wir gewählt hatten – und ich übernehme dafür als Vor­sitzführender um 15 Uhr die Verantwortung –, war folgende: Volkspartei, Ministerin, Freiheitliche Partei, Volkspartei, SPÖ und Grüne. – Diese Reihenfolge ist falsch! Die Rei­henfolge muss sein: Volkspartei, wenn sie Anfragestellerin ist, Ministerin, dann – wenn man die Volkspartei, es geht nämlich der Stärke nach, mit den Freiheitlichen tauscht – Freiheitliche, SPÖ und dann erst die Volkspartei und die Grünen.

Ich bitte um Verständnis, das war ein Fehler. Es wird nicht mehr passieren.

Herr Kollege Cap hat einen Ordnungsruf bei mir angeregt, und zwar im Zusam­men­hang mit einer Feststellung von Finanzminister Grasser, der einem Fragesteller gesagt hat:

„Zweitens sollte diese Frage, wenn ich mir das erlauben darf, eigentlich unter Ihrer Würde sein. Ich möchte sie auch sehr scharf zurückweisen, denn Sie unterstellen ...“

Ich habe das sehr sorgfältig geprüft, habe den Maßstab des § 111 Strafgesetz, also Eh­renbeleidigung, Kränkung und ähnliche Dinge, angelegt, habe mir die ganzen Ordnungsrufe der letzten vier Gesetzgebungsperioden angeschaut und muss sagen: Es ist keine elegante Feststellung, aber es ist nicht so, dass die Würde des Hauses dadurch verletzt wurde. – Ich erteile keinen Ordnungsruf.

Während der Dringlichen und während der Fragestunde hat es jede Menge Zwi­schenrufe gegeben, die ordnungsrufwürdig gewesen wären. Beispielsweise wurde von einer Seite immer wieder „Verleumder“ in eine bestimmte Richtung gesagt. Niemand hat dafür einen Ordnungsruf verlangt. Ich werde daher bei dieser ganzen Dringlichen – Schwamm drüber! – keine Ordnungsrufe erteilen.


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Ein Ordnungsruf wurde allerdings beantragt für Abgeordneten Peter Pilz, der während dieser hektischen Anfragebeantwortung der zweiten Frage heute in der Früh offen­kundig drei-, viermal „Schmiere“ gerufen hat, als der Redner sprach.

Ich habe im Stenographischen Protokoll gesehen, dass Frau Dr. Partik-Pablé – ich habe das hier heroben alles nicht gehört, so laut war es hier – durch Zuruf mehrmals und heftig einen Ordnungsruf verlangt hat, aber dann auch ihre Fraktion. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Von mir aus schenken Sie ihm den Ordnungsruf! Es ist schon passiert!) Ich habe das Protokoll gelesen, es steht viermal hintereinander innerhalb von drei Minuten „Schmiere“ drinnen – und dafür muss ich Abgeordnetem Peter Pilz einen Ordnungsruf erteilen, was ich hiemit tue.

Ich möchte alle Damen und Herren bitten, wirklich zu verstehen, dass es im Interesse des Vorsitzes ist, möglichst wenig Ordnungsrufe zu erteilen. Ich glaube, dass in der Prä­sidialkonferenz heute eine sehr gute und fundierte Aussprache stattfand und dass wir alle – jeder: auch das Regierungsmitglied, auch die Fragesteller – auf die Würde dieses Hauses achten sollten. Das klingt so geschwollen, aber es geht nun einmal um das Bild, das wir in der Öffentlichkeit bieten – ich habe schon wieder sieben, acht E-Mails bekommen, die bekomme ich immer sofort direkt. Ich glaube, dass es in unser aller Interesse ist, in der Regel einen „Kammerton“ anzuschlagen, obwohl es auch hin und wieder ohne Furioso nicht geht, aber es muss nicht con brio sein.

*****

Kollegin Haidlmayr hat einen Antrag der Abgeordneten Gabriele Moser, Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen eingebracht. Er ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. Er wünscht sich eine dreiminütige Redezeit. – Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Abgeordneter.

 


21.08

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heute vorliegende E-Government-Ge­setz ist aus unserer Sicht der richtige Weg, Österreich, die österreichische Verwaltung hin zu einem modernen und schlanken Staat zu bringen. Es ist aus unserer Sicht nicht überheblich und auch nicht präpotent, sondern es ist der Anfang, der Start für eine ganz wichtige Technologisierung der österreichischen Verwaltung. Man sollte sich, glaube ich, in diesem Zusammenhang immer vor Augen halten, dass eine Einsparung von nur 2 Prozent in der öffentlichen Verwaltung eine Einsparung in der Größen­ordnung von 1 Milliarde € bedeutet. Das ist ein erheblicher Brocken, wo wir uns, wenn wir uns beispielsweise die Steuerreform vor Augen führen, sehr schwer tun, ihn den Bürgern wieder zurückzugeben.

Meine Damen und Herren! Es ist dies eine konsequente Fortführung der Verwal­tungs­vereinfachung, die die Bürger wieder etwas näher zur Verwaltung bringt, die den Bür­gern einiges an Kosten abnimmt und daher aus unserer Sicht zu unterstützen ist.

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Neugebauer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner zum Bericht des Verfas­sungs­ausschusses (383 der Beilagen) über den selbständigen Antrag (309A der Beilagen) der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dipl.-Ing. Elke Achleit-


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ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­des­gesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR-Gesetz) geschaffen und das Vermessungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Verfassungsausschusses (383 der Beilagen) über den selb­ständigen Antrag (309A der Beilagen) der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Ga­bitzer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR-Gesetz) geschaffen und das Vermessungsgesetz geändert wird, angeschlossene Ge­setzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Art. 1 (GWR-Gesetz) lautet § 12 Z 1:

„1. hinsichtlich des § 4 Abs. 4, des § 6 Abs. 1 Z 3 und des § 6 Abs. 3, soweit dieser sich auf den Bundesminister für Inneres bezieht, der Bundesminister für Inneres;“

2. In Art. 2 (Änderung des Vermessungsgesetzes) Z 9 wird in § 44 Abs. 3 der Ausdruck „§ 9a Abs. 3 Z 1 bis 5 und 7“ durch den Ausdruck „§ 9a Abs. 3 Z 1 bis 5 und 8“ ersetzt.

3. In Art. 2 (Änderung des Vermessungsgesetzes) Z 13 wird in der Novellierungs­an­ordnung der Ausdruck „Abs. 4“ durch „Abs. 5“ ersetzt; im dem § 57 anzufügenden Absatz tritt an die Stelle der Absatzbezeichnung „(4)“ die Absatzbezeichnung „(5)“. Weiters wird im nunmehrigen § 57 Abs. 5 der Ausdruck „§ 47a Abs. 1 und 3“ durch den Ausdruck „§ 47a“ ersetzt und wird folgender Satz angefügt:

„Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist ermächtigt, von dem der Kund­machung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/200x folgenden Tag an alle erforder­lichen Maßnahmen zu treffen, damit der Zugang zum Adressregister gemäß § 47a mit 1. Jänner 2005 gegeben ist. Dies umfasst auch die Erlassung der Verordnung gemäß § 47a Abs. 2.“

Begründung

Die Änderungen sind aus redaktionellen Gründen bzw. zur Vorbereitung der Ein­richtung des Adressregisters erforderlich.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der von Herrn Abgeordnetem Bucher verlesene Abän­de­rungsantrag ist hinreichend unterstützt, steht mit in Verhandlung und wird abge­stimmt.

Obwohl ein diesbezüglicher Antrag nicht gestellt wurde, verfüge ich die Verteilung an alle Abgeordneten, weil der Antrag sehr komplex und umfangreich ist. In Zukunft würde ich vorschlagen, Herr Kollege Bucher, so etwas von vornherein zu vervielfältigen und zu verteilen, weil es auch mühsam ist, das zu verlesen. Bitte es zu verteilen, denn es sind so viele verschiedene Zahlen darin enthalten, dass man das rein akustisch nicht nachvollziehen kann.

Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Prähauser. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 



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21.12

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätz­te Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Achleitner hat den Sozialdemokraten un­ter­stellt, sie würden entweder die Chancen, die dieses Gesetz bietet, nicht erkennen oder das Gesetz nicht verstehen.

Frau Kollegin Achleitner, ich darf Ihnen sagen, wir verstehen das Gesetz sehr gut. Da­her haben wir auch Probleme mit dem Erkennen der Chancen für den Herrn Innen­mi­nister, die sich aus diesem Gesetz ergeben. Diesbezüglich haben wir große Sorgen.

Außerdem bekritteln wir die Vermischung von privatem und öffentlichem Anwendungs­bereich, was mit einem Tempo herbeigeführt wird, das für uns nicht nachvollziehbar ist.

Außerdem macht uns der unterschiedliche Zugang von Jung und Alt zu diesem Gesetz vorsichtig, auch wenn wir gehört haben, dass die Übergangsfrist bis 2008 läuft. Ich möchte dazu anmerken: Ein Mann, eine Frau, der/die heute 75 ist, ist dann 79. Warum sollte das Umgehen mit dieser modernen Technologie für diese älteren Menschen einfacher werden, oder sind flächendeckende Schulungen für Seniorinnen und Senioren geplant? Das schließe ich – außer sie zahlen sich das selbst – aus.

Meine Damen und Herren! Ich habe auch ein Problem mit dem Datenschutz. Ich gehe davon aus, dass sich alte Menschen natürlich Dritter bedienen müssen. Wir haben in den Ausschüssen gehört, dass die Gemeinden angewiesen werden, Einrichtungen zu installieren, damit die Menschen dort hingehen können. Dass man dabei Dritte ins Vertrauen ziehen muss und so die eigenen Daten preisgeben muss, hat man anscheinend nicht bedacht. Oder wollte man das? Ich glaube, dass das auch anders zu handhaben sein sollte.

Auch die Verknüpfung von Bankomatkarten- und Bürgerkarten-Funktionen ist für uns ein echtes Problem, das nicht ausdiskutiert wird. Der Wirtschaft wird es ermöglicht, Bürger zu zwingen, alle Daten mit nachgewiesener Richtigkeit offenzulegen. Hat der Bürger umgekehrt die Chance, auch alle Daten des Unternehmens, mit dem er ein Rechts­geschäft abwickelt, zu kontrollieren? Wir wissen, dass bei Rechtsgeschäften der Hauptwohnsitz preisgegeben werden soll. Das hat aber, wie wir wissen, bisher anders stattgefunden: Man konnte postlagernd Geschäfte abwickeln, man konnte mit Adressen Geschäfte abwickeln. Wichtig war die Bezahlung des Ganzen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass hier eigentlich der Weg zum „gläsernen“ Menschen im Vordergrund steht, nicht das Service am Bürger. Ich frage mich, warum zum Beispiel Einwendungen des Landes Salzburg, des Landes Oberösterreich, verschiedener Bundesländer, aber auch des Finanzministeriums in die Beratungen nicht mehr mit einbezogen wurden. Hiezu kann ich nur feststellen, das Finanz­ministerium einerseits ist dagegen, diese Art zu wählen, der Herr Finanzminister hat im Ministerrat aber zugestimmt. So bleibt mir nur zu sagen, was dem Herrn Finanzminister lieb ist, ist den Bürgern dann teuer. Das, meine Damen und Herren, können wir in dieser Form nicht unterstützen.

Da wir aber guten Willen zeigen wollen, verweise ich noch einmal auf unseren Rück­verweisungsantrag. Sprechen wir miteinander die Themen noch einmal durch und machen wir das, was sich der Herr Staatssekretär so wünscht: ein gemeinsames Gesetz, das wirklich den Bürgern dient und nicht, wie es scheint, Einzelnen einseitig!

Die Frage der Zustellung und der daraus erwachsenden Kosten ist gänzlich unbekannt. Und das sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande nicht zumuten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.15

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Langreiter 5 Minuten zu uns. – Bitte.

 


21.15

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweifelsohne, Herr Kollege Prähauser – und da stimme ich meinen Vorrednern zu –, ist dieses Gesetzeswerk von den Bestim­mun­gen her sehr komplex.

Herr Kollege Maier – ich glaube, er ist nicht mehr im Saal –, ich habe das Gesetz auszugsweise gelesen, den Rest habe ich von Experten lesen lassen. Letztendlich stehe ich hier als „Politikschaffender“ und nicht als Kronjurist dieser wunderschönen Republik. Aber klar ist für uns auch, dass der Einsatz moderner Kommunikations­tech­nologien einfach ein Gebot der Stunde ist. Und der Umgang Bürger – Behörde wird künftig über diese Technologien laufen. Insofern waren also die Ausführungen der Ex­per­ten sehr spannend und auch sehr aufregend. Es hat Kritikpunkte gegeben, aber ich habe, auch von Seiten der Opposition, relativ wenig Lösungsvorschläge zu den Kritik­punkten gehört. Das lässt den Umkehrschluss vermuten, dass das grundsätzlich alle gutheißen und sich vielleicht auch sagen: Probieren wir das Ding einmal aus.

Ein Experte hat gesagt, das sei die Spitze des Eisberges. Das heißt, das ist der erste Weg, der vorgegeben wird, denn wir brauchen jetzt Grundlagen, um uns zu orientieren und künftig investieren zu können und gleichzeitig auch der Wirtschaft die Möglichkeit zu geben, dass sie sich wirklich auf diesen Prozess vorbereitet.

Einer der Experten hat auch gesagt, dass die internationale Vergleichbarkeit eine her­vorragende ist. Die Bundesrepublik Deutschland beneidet uns um dieses Gesetzes­werk.

Zu Salzburg: Keine Frage, Salzburg hat vom legitimen Recht Gebrauch gemacht, diesbezüglich den Konsultationsmechanismus einzuschalten. Es hat im Bundeskanz­ler­amt ein klärendes Gespräch stattgefunden – dafür bin ich dankbar, Herr Staats­sekretär –, bei dem Klarstellungen getroffen worden sind, aber natürlich gleichzeitig von den Beamten auch der eine oder andere Kritikpunkt gekommen ist, nämlich klarerweise: Kosten fallen an! Das ist so. Alles, was nichts kostet, ist nichts wert. Uns muss das etwas wert sein, nämlich nicht nur den Ländern, sondern auch dem Bund. Und letztendlich ist das auch eine Zukunftstechnologie, der wir nicht mehr auskommen.

Ich vertraue hier auch auf die Mitglieder der Salzburger Landesregierung, vor allen Din­gen auf Landeshauptmann Schausberger und auch seinen ressortzuständigen Kolle­gen Eisel, die bei den künftigen Finanzausgleichsverhandlungen durchaus in der Lage sein werden, sich dieses Geld wieder zurückzuholen. Burgstaller und ihr Schatten­kabinett werden da nichts aufzuweisen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Datenschutz ist angesprochen worden. – Herr Kollege Maier! Man ist bemüht, auch Schutzmechanismen in das Gesetzeswerk einzubauen, aber es gibt eben das Innenminister-Syndrom, und davon kommen Sie nicht weg. Bei Ihren Einwänden geht es nicht um datenschutzrechtliche Gründe, sondern Sie haben den Innenminister immer wieder auf dem Kicker. Es dient, wie ich meine, einer Gesetzeswerdung überhaupt nicht, wenn man den politisch Verantwortlichen und womöglich auch der Beamtenschaft von vornherein unterstellt, womöglich auch künftig Missbrauch zu treiben.

Sie zögern, Sie zaudern, Sie tauchen durch. Ihre Kollegen in Salzburg haben Ihnen das vorgemacht, machen es Ihnen vor. Sie verhindern damit aber eine Zukunfts­technologie.


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Zu einer anderen Gesetzesmaterie, weil auch die Beamten dafür hier sind. Das Ge­bäude- und Wohnungsregister mit dem Adressenregister ist wichtig für die Verifizierung von Informationen. Das ist absolut notwendig, ist ein hervorragendes Service, das künftig auch angeboten wird. Ich bin froh, dass dieses Service jedermann dient und dass die Daten vor allen Dingen den Gemeinden nicht sehr viel Geld und sehr viel Aufwand kosten.

Ich danke hier der Beamtenschaft, vor allem dem Bundesamt für Eich- und Vermes­sungswesen – Präsident Hochwartner ist mit seinen Mitarbeitern hier – für die Arbeit, die sie geleistet haben, und wünsche ihnen mit dieser Rechtsgrundlage alles Gute.

Informationen über die neuen Kommunikationstechnologien auf der einen Seite und vielleicht auf der anderen Seite irgendwann einmal demokratiepolitische Instrumente, wie die elektronische Bürgerbeteiligung, das sind künftig spannende Diskussions­momente, die wir auch in diesem Hohen Haus noch haben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir müssen diesen ersten Schritt setzen. Mit dem Abänderungsantrag, der heute eingebracht wurde, sind auch die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt wor­den. Ich darf Sie auch auf die Seite 2 hinweisen. – Meine Redezeit ist zu Ende, bitte lesen Sie das! Wir setzen um, wir zögern nicht.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie wollen mit Ihrem Rückver­weisungs­antrag zurück in die Vergangenheit! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

21.20

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl. Redezeit: ebenfalls 5 Minuten. – Bitte.

 


21.21

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte kurz auf meinen Vorredner replizieren. Wir beschuldigen und unterstellen der Beamtenschaft überhaupt nichts, ganz im Gegenteil: Wir haben noch immer jede Gelegenheit genützt, um uns bei den öffentlich Bediensteten sowohl des Bundes, der Länder aber auch der Gemeinden für ihre Dienstleistungen zu bedanken. – Das möchte ich in aller Klarheit hier festhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Gestatten sie mir ein paar Bemerkungen. Ich möchte auf meinen Kollegen Dr. Witt­mann eingehen, der ja bereits ausgeführt hat, dass wir so wie auch viele Organi­sationen und viele Bürgerinnen und Bürger große Erwartungen in dieses Gesetz ge­setzt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schade. Ich habe einen ähnlichen Eindruck wie Kollege Maier: Wenn man sich die Verhandlungen im Verfassungs­ausschuss und die Meinungen der Experten angehört hat, hat man gesehen, dass noch viele Fragen zu klären gewesen wären. Es wäre uns gut angestanden, wenn wir so ein zukunftsträchtiges Projekt, das von der Zielsetzung her richtig ist, noch in einigen Punkten im Detail diskutiert hätten. Herr Staatssekretär! Dann wären wir immer noch die Ersten innerhalb der EU.

Gestatten Sie mir, auf einen sehr wesentlichen Bereich hinzuweisen. Über die Proble­matik, ob es verfassungskonform ist oder nicht, will ich mich hier nicht verbreitern. Dazu fehlt mir die Zeit. Aber, liebe Bürgermeisterkollegen: Ich wundere mich ja, wie ruhig ihr alle seid. Wir haben nämlich in den letzten Jahren mit einem enormen Finanz­aufwand unsere EDV-Einrichtungen auf den modernsten Stand gebracht. Von den Experten wurde uns jetzt klipp und klar mitgeteilt, wir können all das – ich sage es sehr salopp – wieder einmal entsorgen und alles neu aufrüsten.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage Sie nicht nur, was das kostet, son­dern auch, wer es bezahlt. Es ist ganz lustig, wenn der Bund da bei allen Tätigkeiten über eine andere Gebietskörperschaft verfügt. Gestern haben wir von einer zukünftigen Steuerreform gehört. Dazu gibt es zwar noch kein Papier, aber auch da werden die Gemeinden wieder zur Kasse gebeten. Ich denke, dass die Gemeinden hervorragende Arbeit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger leisten. Wenn man solche Gesetze macht, muss man auch die Finanzierung sichern! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben auch schon im Ausschuss die Diskussion darüber geführt, was denn die Zustelldienste kosten werden. Auch das hat man nur oberflächlich behandelt, obwohl Experten klipp und klar darauf hingewiesen haben, dass das wahrscheinlich ebenfalls ein schöner Betrag sein wird.

Ich sehe da also einige Punkte, über die man noch gemeinsam diskutieren sollte, vor allem im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der österreichischen Ge­meinden. Es wir ja noch interessant – das werden wir uns auch noch im Detail anschauen –, wie weit es jetzt wirklich verfassungsrechtlich hält, dass man in Verfah­renskompetenzen der Länder und der Gemeinden eingreift.

Ich wundere mich – da wir doch oft so viel von Föderalismus hören –, dass in allen Stellungnahmen der Länder, des Städte- und des Gemeindebundes grundsätzlich jeder sagt, alles ist paletti. Auch wir haben immer gesagt, grundsätzlich ist die Ziel­richtung eines solchen Gesetzes richtig, aber wir haben ganz genau jene Punkte aufgezeigt, wo Handlungsbedarf besteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nichts ist paletti! Lieber Kollege Auer! Ich bin neu­gierig, wie wir diese Mittel in den Gemeinden aufbringen werden und wie wir – ich will es meinem Vor-Vorredner nicht noch einmal nachreden – mit der älteren Generation in dieser Angelegenheit umgehen werden. Es gibt hier viele Fragen, und daher ist die Sache gemäß dem Antrag von Kollegen Wittmann, so glaube ich, im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher und vor allem unserer Kommunen wert, im Ausschuss noch einmal diskutiert zu werden. Ich lade Sie ein, diesem Rückverwei­sungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.26

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Pendl, es ist schon eigenartig, wie Sie den Zugang zu neuen Technologien wählen. Würde man Ihnen folgen, dann dürften wir nie auf den Computer umsteigen. Es wird nämlich immer jemanden geben, der Probleme damit hat. – Jawohl, neue Technologien bereiten Probleme, aber man kann sich diesen neuen Technologien nicht verschließen. Je früher man sich auf diese einstellt, umso eher wird Österreich vorne dabei bleiben. Das gilt für alle Generationen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zu Ihrer Frage, wer das bezahlt: Wie bei allen Neuerungen sind hier alle Gebiets­kör­perschaften gefordert, ihren Beitrag zu leisten. So war es auch in der Vergangenheit.

Nächster Punkt: Sie meinen, viele Fragen seien noch offen. Würden wir warten, bis alle Fragen, die Sie aufwerfen, geklärt werden, dann würden wir wahrscheinlich nie zu einer Beschlussfassung kommen. (Abg. Großruck: Sankt-Nimmerleins-Tag!) Da bin ich wieder einmal bei einem Punkt, der immer wieder zu bemerken ist. Wenn man auf der Homepage – und jetzt bin ich dort, wo diese Technologie hinführt – der SPÖ nachliest, dann findet man dort den Satz:


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46. Sitzung / Seite 211

„E-Government soll den Staat den BürgerInnen näher bringen. Vermehrt soll es möglich sein, den oft mühsamen ‚Amtsweg’ per PC durchzuführen.“ (Abg. Marizzi: Richtig!)

Man höre und staune! Da sind Sie dafür. Man könnte also denken, Sie stimmen die­sem Gesetz heute zu. Jetzt haben Sie aber so viele Bedenken, dass Sie wieder einmal nicht dem zustimmen können, was notwendig ist, um Österreich vorne zu halten. Die­ser Bereich ist aber ganz entscheidend dafür, dass Österreich innerhalb der Euro­päischen Union vorne mit dabei bleibt. Vom Standard, von der Transparenz und von der Bürgerfreundlichkeit her entspricht dieses Gesetz genau dem, was europaweit und auch weltweit gefordert wird.

Sie argumentieren aber auch immer wieder mit datenschutzrechtlichen Bedenken da­gegen. Ich darf das hier ganz klar und deutlich festhalten: Entgegen den gerade wieder vom Kollegen Maier vorgebrachten Behauptungen verschafft der Umstand, dass das Zentrale Melderegister Dienstleister der Stammzahlenregisterbehörde sein wird, über­haupt keinen erweiterten Zugang zu den Daten. – Das muss man ganz deutlich sagen. Diese Stammzahl ist kein Passwort, mit dessen Hilfe man einen Zugang zu den Daten eröffnen kann. Es gibt keine Automatismen in der Form, dass die Kenntnis der Identität der Person den Zugang zu den Daten dieser Person verschafft. Das ist ganz klar gemäß dem Datenschutzgesetz geregelt, wobei in jedem Einzelfall zu entscheiden ist, ob eine Datenübermittlung stattfinden darf oder nicht.

In der „Parlamentskorrespondenz“ vom 22. Jänner ist nachzulesen, dass von der Op­position der Nutzen für die Bürger vermisst wird. – Auch hierzu ein klares Wort: Die Bür­ger haben natürlich enormen Nutzen durch dieses Gesetz. Der Zugang ist dann, wie es mehrere Vorredner schon gesagt haben, an sieben Tage in der Woche rund um die Uhr möglich. Auch die Verwaltungsabläufe werden natürlich viel rascher durchge­führt werden können.

Der dritte ganz entscheidende Punkt: Sie haben die Kosten von der negativen Seite her betrachtet. Natürlich werden die Kosten durch diese neue Technologie auch mini­miert, weil eben langwierige Amtswege und postalische Eingaben dann nicht mehr not­wendig sein werden. Das alles zeigt natürlich auch, dass Ihre Argumente gegen dieses Gesetz eigentlich relativ rasch zu entkräften sind.

Dann wird beklagt, das Gesetz sei kompliziert. – Wenn man Schutzmechanismen möchte – wobei Sie andererseits wieder in Frage stellen, ob diese tatsächlich gegeben sind –, dann braucht man natürlich auch entsprechende Regelungen, die wiederum nicht mit einigen wenigen Sätzen abgetan werden können.

Zusammenfassend kann ich daher sagen, dass dieses Gesetz auf Bundesebene höchst notwendig ist und das fortsetzt, wofür das Bundesland Salzburg Vorreiter war. (Abg. Marizzi: Auch Wien!) – Wien ist weit hinten! Seit 2002 ist zum Beispiel in Salzburg die elektronische Bezahlung von Gebühren möglich. In Wien war das erst 2003 möglich. Ich könnte Ihnen noch andere Beispiele nennen. Wien hat das erst nachher eingeführt. Ich habe nur davon gesprochen, wer Vorreiter ist; aber es ist gut, dass Wien das eingesehen hat.

Vielleicht werden ja auch Sie noch überzeugt und in Zukunft einsehen, dass wir mit diesem Gesetz genau den richtigen Weg gehen. Schade, dass Sie ihm nicht zustim­men. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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46. Sitzung / Seite 212

21.31

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Grundsätzlich sind natürlich auch wir der Meinung, dass eine moderne öffent­liche Verwaltung vor dem Einsatz moderner Kommunikationstechnologien nicht Halt machen darf. Darin sind wir uns einig. Es gibt eine Vielzahl von staatlichen Aufgaben, die den Kontakt zwischen Bürger und Staat verbessern können, aber vor allem gibt es zwei Problemkreise, die es zu beachten gilt: Das ist einerseits der Datenschutz und die Datensicherheit und andererseits der einfache und gleiche Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger.

Es ist eben so, dass es Missbrauchsgefahr gibt. Man denke daran, was bisher schon ge­schehen ist, etwa die Weitergabe von Datensätzen, der ungesetzliche Verkauf von Meldedaten durch das Innenministerium und so weiter. Es gibt also eine Reihe von datenschutzrechtlichen Problemen, die durch die Regierungsvorlage nicht zur Gänze ausgeräumt werden können.

Vor allem ist der Umstand problematisch, dass die Datenschutzkommission gleichzeitig Behörde in operativer Verwaltungstätigkeit und Kontrollinstanz ist. – Das heißt, es wäre theoretisch sogar möglich, dass die Datenschutzkommission gegen sich selbst ermitteln müsste.

Es gibt also eine Reihe von Problemen – das hat vor allem das Expertenhearing ge­zeigt –, und es stellt sich eine Reihe von Fragen, so zum Beispiel, warum das Gesetz vom Bundesgesetz über elektronische Signaturen abweicht. Offensichtlich hat sich also das Signaturgesetz nicht bewährt, denn sonst hätte man es novellieren können.

Auch die Frage, warum man alle Behörden zwingt, ab 2007 auf dieses komplizierte Verfahren umzusteigen, ist offen geblieben. Die Sorge, dass ausgehend vom Zentralen Melderegister gleichzeitig ein Datenverbund geschaffen werden kann, in dem sämt­liche Dateien im Bereich der Behörden technisch verknüpft werden können und es ermöglicht wird, darauf zuzugreifen, und dass das Bundesministerium für Inneres jene Behörde ist, die auch technisch in der Lage ist, diesen Datenverbund zu bewerkstelligen und zu kontrollieren, das ist schon eine sehr gravierende Angele­genheit.

Es ist die Frage zu stellen, warum gerade bei einer so sensiblen Materie nicht für eine klare Trennung zwischen der durchführenden Behörde, also der Stammzahlenregis­terbehörde, und der für den Datenschutz zuständigen Behörde, der Datenschutzkom­mission, gesorgt wird.

Gerade diese Bedenken hatten fast alle Experten, die beim Expertenhearing anwesend waren, obwohl sich alle der Notwendigkeit von E-Government bewusst waren. Es haben aber fast alle moniert, dass die Fragen der Sicherheit und des Datenschutzes nicht befriedigend gelöst seien.

So hat Professor Thienel darauf hingewiesen, dass die Verfassungsmäßigkeit nicht überall gegeben sei. Herr Zeger von der ARGE Daten hat zum Beispiel gesagt, dass sich das Gesetz übertrieben mit dem Problem der Identifikation beschäftige, dass die Sicherheit besser gewährleistet sei, wenn sie durch unterschiedliche Systeme garan­tiert wäre und dass das System die Menschenwürde berühre, weil es objektiv zur Über­wachung geeignet sei. – Das ist einfach ein Punkt, über den man nicht hinwegkommt.

Herr Einzinger von der ISPA, dem Fachverband der Internet-Provider, hat moniert, dass das ein Personenkennzeichnungsgesetz sei, dass es in Wahrheit ein Gesetz von der Verwaltung für die Verwaltung sei und dass es besser gewesen wäre, das Sig­naturgesetz anzupassen.


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46. Sitzung / Seite 213

Aus all diesen Gründen lehnen wir dieses E-Government-Gesetz ab – nicht, weil wir uns der Notwendigkeit einer modernen Verwaltung verschließen wollen, sondern weil aus den erwähnten Gründen der Schutz des Bürgers nicht gewährleistet ist und die bestehende Vorlage – das hat man schon beim Verfassen der Vorlage gemerkt – vor allem vom Interesse der Verwaltung getragen ist und nicht vom Interesse der Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der SPÖ.)

21.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Machne. Re­dezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.35

Abgeordnete Helga Machne (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn man sich die Debatte so anhört – und das zieht sich ja auch schon durch den vergangenen Tag, durch die Debatte über die Steuerentlastung –, dann hat man schon den Ein­druck, dass Sie immer dafür und dagegen zugleich sind. (Abg. Dr. Stummvoll: Zick­zack! – Abg. Mandak: Differenziert nennt man das!) Sie alle wissen ja, dass am E-Government kein Weg vorbeiführt. E-Government ist natürlich die Zukunft und bringt Nutzen für uns alle.

Erstens wird für den Bürger die Kommunikation mit den einzelnen Gebietskörper­schaf­ten billiger und schneller, und vor allem kann er dann mit dem Staat kommunizieren, wenn er will.

Zweitens ist E-Government natürlich die beste Voraussetzung für eine echte Ver­waltungsreform.

Drittens wird E-Government enorme Kosten sparen, was natürlich auch im Interesse unserer Bürger ist und auch von Ihrer Seite immer gefordert wird.

Das vorliegende Gesetz wurde mit Weitblick, mit Visionen und sehr ambitioniert aus­gearbeitet. Ich darf Ihnen ein Beispiel erzählen. Herr Kollege Wittmann! Sie haben ja gemeint, das Gesetz wäre zu kompliziert. Dr. Helbok, der Stadtamtsleiter von Kufstein, hat bereits vergangene Woche eine Veranstaltung mit den Stadtamtsdirektoren von Tirol durchgeführt. Er hat sich intensiv mit dem Gesetz befasst und meinte zu mir wort­wörtlich:

Auf dieses Gesetz haben wir lange schon gewartet. E-Government ist eine Spitzen­sache, und das vorliegende Gesetz ist super ausgearbeitet. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich bin ich sehr froh, dass auch der Städte- und Gemeindebund daran mitge­arbeitet hat und E-Government begrüßt. Außerdem eröffnet uns E-Government noch ganz andere Möglichkeiten und Chancen. Sie alle erinnern sich ja an die Volkszählung 2001 und an das wirklich unwürdige Schauspiel der vielen Reklamationsverfahren der Gemeinden untereinander. Diese Reklamationsverfahren haben unsere Verwaltungen monatelang blockiert. Das Buhlen um Einwohner, etwa bei Studenten, sollte dann auch endlich aufhören. Das Ganze hat unter der Gemeinden sehr viele Irritationen und Un­stim­migkeiten hervorgerufen.

Mit dem inzwischen exzellent funktionierenden Zentralen Melderegister stehen uns ja nun ganz andere Möglichkeiten der Volkszählung zur Verfügung, die in Zukunft viel­leicht auch in kürzeren Abständen durchgeführt werden könnte, aber hier haben wir sicher noch Verhandlungsbedarf.

Jedenfalls möchte ich allen am Gesetz Beteiligten wirklich herzlich gratulieren. Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet.


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Gestatten Sie mir noch ein Wort zur Barrierefreiheit. In der Ausschussfeststellung ist auch der barrierefreie Zugang für Behinderte verankert. Österreich ist das erste Land, welches Barrierefreiheit in den Verfahren gesetzlich zusichert. Es wurde bereits jetzt zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden vereinbart, dass die Barrierefreiheit gewährleistet wird.

Der Ausschuss geht weiters auch davon aus, dass die Behörden alle Anstrengungen unternehmen werden, das Ziel des barrierefreien Zugangs bereits früher, also vor 2008, zu erreichen, dass sie also diese lange Übergangsperiode nicht auszuschöpfen haben. Ich hoffe, dass das auch gelingt und bin davon überzeugt, dass die Gemeinden das locker schaffen werden. Wir alle haben ja schon vor vielen Jahren mit der Um­stellung auf EDV angefangen, und zwar in allen Gemeindeverwaltungen.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich würde sagen, Sie beenden Ihren Zickzackkurs und gehen mit uns in die Zukunft! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. Auch er spricht 5 Minuten zu uns. – Bitte.

 


21.39

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf das stattgefundene Hearing zurückkommen, damit hier keine Legendenbildung entsteht. Natürlich haben – und wir sind stundenlang in diesem Hearing gesessen – viele Experten pro, aber viele auch contra dieses Gesetz gesprochen. Ich muss auch sagen, das Hearing war sehr gut vorbereitet, es wäre aber wahrscheinlich, wenn wir alle klug wären, ein Rückverweisungsantrag sinnvoll. Wir sind ja nicht auf Grund eines Justament-Standpunktes gegen dieses Gesetz, sondern wir meinen – und da haben schon viele der Vorredner aus meiner Fraktion die Punkte angeführt –, auf der einen Seite werden die Gemeinden zahlen, auf der anderen Seite gibt es natürlich Fragen zu den verfassungsrechtlichen Be­stim­mungen.

Ich habe mir erlaubt, dort einige Fragen zu stellen: Welche Kosten hat dafür in Zukunft der Bürger zu tragen? Was kostet das Gesetz – eine Frage an Sie, Herr Staats­sekre­tär – den Bund? Was kostet es die Länder? Was kostet es vor allem die Gemeinden? Und was sind insbesondere die Einsparungseffekte im Bund? – Leider wurde mir nur eine Frage beantwortet: Was zahlt der Bürger?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bürger zahlt 10 € für den Kartenleser, er zahlt 10 € für die Signatur, und er wird 60 bis 70 € für die Karte zahlen. Das ist ein Betrag von 80 bis 90 € für den Bürger. Wenn er sich bei einer Abfrage dann 48 Cent erspart, heißt das, er kann einige hundert Abfragen machen, um den Einsatz von 90 € hereinzubringen. – Soweit die Einsparung.

Noch etwas, weil immer von der Win-Win-Situation gesprochen wird: Die Einwände des Städtebundes wurden negiert, und vor allem der Datenschutzrat wurde überhaupt nicht berücksichtigt. Ich gehe jetzt nicht darauf ein, was die Juristen und die Techniker gesagt haben – da hat es ja unterschiedliche Meinungen gegeben –, aber auf einen Punkt möchte ich eingehen, weil vor allem Frau Hakl immer von der Win-Win-Situation spricht: Sie hätte sich den Behindertenvertreter anhören sollen, als er gemeint hat, die Be­hinderten werden bei diesem Gesetz doppelt diskriminiert! Wenn wir vernünftig gewesen wären und noch vier Wochen angehängt hätten, dann hätten wir bestimmt ein gutes Gesetz gemacht.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der letzte Punkt: Dr. Thienel hat als Experte in seinem Debattenbeitrag gemeint, das Gesetz ist nicht verfassungsgemäß, zu­mindest – wortwörtlich! – nicht in großen Teilen. Einer der Experten hat wirklich zum Ausdruck gebracht, was auch wir meinen: dass dieses Gesetz von der Verwaltung und für die Verwaltung, aber nicht für den Bürger ist.

Ich glaube, wenn Sie gewollt hätten – aber das war wieder einmal eine „Speed kills“-Aktion in den letzten Stunden –, dann hätten wir vier Wochen weiterverhandelt, und wir wären sicher mitgegangen. Aber das wollten Sie nicht. Daher stimmen wir gegen dieses Gesetz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Winkler. Redezeit wunschgemäß 4 Minuten. – Bitte.

 


21.43

Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Staats­sekre­tär! Hohes Haus! Das vorliegende E-Government-Gesetz wird – das haben wir heute schon mehrfach gehört – die Verwaltung Österreichs nachhaltig verändern, und zwar in einem äußerst positiven Sinne. Durch dieses Gesetz werden enorme Kosten sparen, wie wir schon gehört haben, und den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Behörden in Zukunft viele Wege ersparen. Die ÖVP bekennt sich daher nicht umsonst zu diesem Gesetz in besonderer Weise, denn es wird auch dazu führen, dass Österreich eine der europaweit modernsten Behördenverwaltungen erhalten wird.

Da heute mehrfach die Expertenaussagen angesprochen wurden, möchte ich vorweg feststellen, dass wir alle wissen: drei Experten – fünf Meinungen! So betrachtet, darf man das Glas auch halb voll sehen.

Ich möchte, nachdem meine Vorredner schon sehr detailliert auf die verschiedenen Aspekte des Gesetzes eingegangen sind, in meiner Rede nochmals die Vorteile dieses neuen Gesetzes betonen. Wenn ich mich dabei in vielen Punkten wiederhole, so möchte ich damit nur die Wichtigkeit und die Richtigkeit dieser Aussagen unter­streichen.

Durch das E-Government-Gesetz werden die Voraussetzungen für die Einführung einer neuen Bürgerkarte, ein Standarddokumentenregister zum elektronischen Nach­weis von wichtigen Personenstands- und anderen Daten sowie die Möglichkeit zur elektronischen Zustellung von behördlichen Schriftstücken geschaffen. Dadurch wer­den die rechtlichen Grundlagen für den elektronischen Rechtsverkehr zwischen Bürge­rinnen und Bürgern sowie der Behörde geschaffen.

Welche Vorteile ergeben sich daraus vor allem für die Bürgerinnen und Bürger? – Do­kumente, die man bei jeder Beantragung immer wieder erneut mitnehmen musste, wird man in Zukunft zu Hause lassen können. Dokumente wie Geburtsurkunden, Staatsbür­gerschaftsnachweise oder Gewerbescheine werden im Standarddokumentenregister abgespeichert und müssen dann nicht mehr vorgelegt werden. Auf dem Privatcom­puter und im Büro oder auf anderen Terminals wird es in Zukunft jedem Bürger möglich sein, behördliche Anträge zu stellen, sich Bescheide ausstellen und elektronisch übermitteln zu lassen. Das oft stundenlange Anstellen bei Behörden – das ist sehr vielen bekannt – wird der Vergangenheit angehören.

Geschätzte Damen und Herren! Es wurde in diesem Zusammenhang kritisiert, dass dies nur Bürgern helfe, die sich mit Computern auskennen, beziehungsweise dies nur dann hilfreich sei, wenn auch die Bezirksverwaltungsbehörden beziehungsweise Ge­mein­den diese moderne Verwaltung anbieten, denn das E-Government-Gesetz sieht ja nur die freiwillige Einführung vor. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Tatsache ist,


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dass bereits 42 Prozent der österreichischen Haushalte über einen Internet-Zugang verfügen. Die Online-Verbindung mit dem World Wide Web nimmt ständig zu. Wir haben dies, wie bekannt, auch steuerlich gefördert, indem wir die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit der Breitbandtechnik geschaffen haben. Aber unsere Kinder lernen ebenfalls bereits in den Unterstufen der Schulen den Umgang mit den Com­putern, und immer mehr Senioren interessieren sich für Kurse über Computer bezie­hungsweise den Umgang mit dem Internet. Für Personen, die keinen Zugang zum Internet besitzen, werden bei den Gemeinden Servicestellen eingerichtet. Betonen möch­te ich auch, dass die Inanspruchnahme des elektronischen Rechtsverkehrs gebührenbefreit ist.

Hohes Haus! Ich möchte mit diesen Ausführungen sagen, dass es in wenigen Jahren fast jedem Bürger möglich sein wird, Zugang zum E-Government zu erhalten, und jede Behörde diese Möglichkeit anbieten wird. Wir sind das erste Land Europas, das die einfachsten, schnellsten und kostensparendsten Behördenverfahren anbieten wird. Darauf können wir stolz sein! Ebenso haben wir die Voraussetzungen dafür ge­schaffen, dass es einen barrierefreien Zugang für Behinderte geben wird.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ziel des E-Governments ist nicht die Überwachung oder der „gläserne“ Mensch, Ziel des E-Governments ist die sichere Kommunikation zwischen Antragsteller und Behörde. Zu diesem Zweck haben wir ge­nug Sicherungen im elektronischen Behördenverkehr eingebaut, um Missbrauch vorzubeugen.

Hohes Haus! Wir werden mit diesem Gesetz den elektronischen Rechtsverkehr ermög­lichen, und wir nehmen damit eine Vorreiterrolle in ganz Europa ein. Ich bin mir sicher, dass sich das E-Government bewähren wird und alle übrigen Länder des Kontinents uns in diesem Bereich folgen werden, um nicht zu sagen: uns auch darum beneiden werden! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, 2 Minuten Redezeit sowie der zu berichtigende und dann der berichtigte Sachverhalt.

 


21.48

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner hat von einer frei­willigen Einführung des E-Governments für die Gemeinden gesprochen. – Das ist nicht richtig!

Ich stelle fest: Nach den Vorlagen der Bundesregierung sind die Gemeinden ab dem Jahre 2008 verpflichtet, das E-Government-Gesetz in ihrem Bereich zu vollziehen. Das heißt, alle Kosten dafür fallen auf die Gemeinden und die Bürger. (Beifall bei der SPÖ.)

21.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Redezeit wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.

 


21.49

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei einem derartigen Gesetz muss man sich immer die Frage stellen, ob durch eine solche Maßnahme die Kluft zwischen denen, die sich der entsprechenden Tech­nologie bedienen können und dazu den Zugang haben, und denjenigen, die dies nicht haben, vergrößert oder nicht. Nach dem, was viele Experten sagen, besteht die be­rechtigte Befürchtung, dass es nach Einführung dieses Gesetzes zu einem „digital


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46. Sitzung / Seite 217

divide“ kommen wird, zum Beispiel für Menschen, die in ländlichen Regionen leben, für ältere Menschen und vor allem – und darauf möchte ich mich hier konzentrieren – für behinderte Menschen.

Der Vorschlag der Bundesregierung wurde von den Experten im Hearing als in diesem Zusammenhang zu wenig weit reichend eingeschätzt. Auch die Ausschussfeststel­lun­gen, die uns vorliegen, sind in diesem Zusammenhang als äußerst inhaltsleer zu be­zeich­nen, sie sind weiterhin benachteiligend für behinderte Menschen. Die Experten haben einen barrierefreien Zugang als in diesem Gesetz nicht gewährleistet einge­schätzt. Aus Expertensicht, der auch wir uns anschließen, wäre es dringend notwen­dig, festzuschreiben, dass neue Internet-Angebote barrierefrei sein müssen – ab sofort, ab Geltung dieses Gesetzes –, bestehende Angebote aus unserer Sicht bereits bis 31. Dezember 2005 umgestellt sein müssten, barrierefrei zugänglich sein müssten.

Die Entschließungsanträge, die vorliegen, sind insofern durchaus als Ausdruck der Ignoranz gegenüber besonderen Bedürfnissen zu bezeichnen. Man muss sich vor Augen halten, dass selbst die EU bereits in diesem Jahr einen barrierefreien Zugang zu derartigen Verfahren ermöglichen wird. (Unruhe im Saal.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Das gilt dem allgemeinen Geräuschpegel! Man versteht sein eigenes Wort nicht mehr!

Bitte, Frau Kollegin.

 


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (fortsetzend): Danke schön. – In diesem Zusam­menhang möchte ich betonen, dass ich die Äußerungen des ÖVP-Behinderten­spre­chers, des Kollegen Huainigg, für durchaus bedauerlich halte, da er es als besonders wichtig bezeichnet, dass der barrierefreie Zugang bis 1. Jänner 2008 sichergestellt sein sollte. Ich denke, dass es möglich wäre und viele gute Gründe dafür gibt, dass wir die­sen barrierefreien Zugang für Behinderte ab sofort sicherstellen sollten. Auch das ist ein Grund mehr, unserem Rückverweisungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vorläufig letzte Rednerin hiezu ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


21.52

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wegen eines kleinen legistischen Fehlers bei einem Datum in dem Abänderungsantrag für das Gebäude- und Wohnungsregister und für die Novellierung des Vermessungsgesetzes (Abg. Dr. Jarolim: Wenn das der einzige Fehler wäre ...!) wurde dieser Abänderungsantrag zurückgezogen und in einer korri­gierten Form neu eingebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Vorlesen!)

21.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich möchte darauf hinwei­sen, dass sich dieser Abänderungsantrag vom Stammantrag dadurch unterscheidet, dass das Datum „1. Jänner 2005“ jetzt gestrichen wurde. Während es früher geheißen hat: „Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist ermächtigt, von dem der Kund­machung des Bundesgesetzes“ et cetera „folgenden Tag an alle erforderlichen Maß­nahmen zu treffen, damit der Zugang zum Adressregister gemäß § 47a mit 1. Jänner 2005 gegeben ist“, ist dieses Datum jetzt gestrichen. Das ist der einzige Unterschied.

Ich möchte trotzdem alle Fraktionen fragen, ob sie eine Unterbrechung der Sitzung zum weiteren Studium möchten oder ob das hinreichend klar ist. Herr Kollege Van der


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46. Sitzung / Seite 218

Bellen? Herr Kollege Cap? (Die Abgeordneten Dr. Cap und Dr. Van der Bellen schütteln verneinend den Kopf.) – Dann ist der eine Antrag zurückgezogen.

Dieser Antrag ist eingebracht, ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Fritz Neugebauer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner zum Bericht des Ver­fassungsausschusses (383 der Beilagen) über den Selbständigen Antrag (309/A der Beilagen) der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dipl.-Ing. Elke Achleit­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundes­gesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR-Gesetz) geschaffen und das Vermessungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Verfassungsausschusses (383 der Beilagen) über den Selb­stän­digen Antrag (309/A der Beilagen) der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR-Gesetz) ge­schaffen und das Vermessungsgesetz geändert wird, angeschlossene Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Art. 1 (GWR-Gesetz) lautet § 12 Z 1:

„1. hinsichtlich des § 4 Abs. 4, des § 6 Abs. 1 Z 3 und des § 6 Abs. 3, soweit dieser sich auf den Bundesminister für Inneres bezieht, der Bundesminister für Inneres;“

2. In Art. 2 (Änderung des Vermessungsgesetzes) Z 9 wird in § 44 Abs. 3 der Ausdruck „§ 9a Abs. 3 Z 1 bis 5 und 7“ durch den Ausdruck „§ 9a Abs. 3 Z 1 bis 5 und 8“ ersetzt.

3. In Art. 2 (Änderung des Vermessungsgesetzes) Z 13 wird in der Novellie­rungs­anordnung der Ausdruck „Abs. 4“ durch „Abs. 5“ ersetzt; im dem § 57 anzufügenden Absatz tritt an die Stelle der Absatzbezeichnung „(4)“ die Absatzbezeichnung „(5)“. Im ersten Satz von Abs. 5 wird nach dem Wort „Satz,“ die Wortfolge „§ 47a Abs. 2 und 4,“ eingefügt. Weiters wird folgender Satz angefügt:

„Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist ermächtigt, von dem der Kund­machung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxx/200x folgenden Tag an alle erfor­derlichen Maßnahmen zu treffen, damit der Zugang zum Adressregister gemäß § 47a gegeben ist. Dies umfasst auch die Erlassung der Verordnung gemäß § 47a Abs. 2.“

Begründung

Die Änderungen sind aus redaktionellen Gründen beziehungsweise zur Vorbereitung der Einrichtung des Adressregisters erforderlich.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen. – Herr Kollege Wittauer, Frau Kollegin Frieser, wir gehen an die Abstimmung; vielleicht können wir die Plätze einnehmen.


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46. Sitzung / Seite 219

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über einen Rückverweisungsantrag der Abge­ordneten Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen, über den ich sogleich abstimmen lasse.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, dass dieser Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das All­gemeine Verwaltungsverfahrensgesetz und weitere Gesetze geändert werden, als Verhandlungsgegenstand an den Verfassungsausschuss rückverwiesen wird, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, und daher ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein E-Government-Gesetz erlassen wird sowie das Allgemeine Verwal­tungsverfahrensgesetz und weitere Gesetze geändert werden, in 382 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Neugebauer, Dipl.-Ing. Achleitner, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen einen Ab­än­derungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Abänderungsanträgen betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 1 § 1 Abs. 3 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Abänderungsantrag der Kollegin Moser aussprechen, um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die erforderliche Mehr­heit und ist daher abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Art. 1 § 1 Abs. 3 in der Fassung des Aus­schussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die hiefür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Neugebauer, Dipl.-Ing. Achleitner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 2 Z 14 und Art. 3 Z 10 bezieht.

Wer diesem Abänderungsantrag seine Zustimmung erteilt, den ersuche ich um ein be­jahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Man konnte dem zustimmen, Herr Kollege Posch.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­berichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein be­jahendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Ge­setzentwurf hat somit auch in dritter Lesung die erforderliche Mehrheit gefunden und ist angenommen.


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46. Sitzung / Seite 220

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Gabriela Moser, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Evaluierung des E-Government-Gesetzes – Bürgerkartennutzung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und daher ist der Antrag abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Gebäude- und Wohnungsregister geschaffen und das Vermessungsgesetz geändert wird, in 383 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Neugebauer, Dipl.-Ing. Achleitner, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 1 § 12, Art. 2 Z 9 und Z 13 bezieht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetz­entwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berück­sichtigung des Abänderungsantrags der Abgeordneten Neugebauer, Dipl.-Ing. Ach­leitner, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die sich für den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes unter Berücksichtigung des eben erwähnten Abänderungsantrages aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Herr Kollege, Sie stimmen nicht zu? (Abg. Eder: O ja!) Kollege Posch, stimmen Sie zu oder nicht? – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Nunmehr ist es einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 383 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist wiederum einstimmig angenommen. (E 40.)

14. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (093 Hv 61/03a) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Reinhold Lopatka (372 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 14. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wortmeldungen liegen keine vor. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Jarolim: So ein netter junger Mensch!) – Ich bitte, den allgemeinen Geräuschpegel zu dämpfen!

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 372 der Beilagen und wollen Folgendes beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ... um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Rein­hold Lopatka wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein


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46. Sitzung / Seite 221

Zusammenhang zwischen der vom Privatankläger behaupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Reinhold Lopatka besteht, und daher wird einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Na­tionalrat Dr. Reinhold Lopatka nicht zugestimmt.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Einstimmig angenommen.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft, aber die Sitzung noch nicht beendet, meine Damen und Herren!

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Untersuchung der Vorwürfe gegenüber dem Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser.

Da dieser Antrag inzwischen an alle Abgeordneten verteilt wurde, braucht seine Ver­lesung durch den Schriftführer nicht zu erfolgen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Kogler, Kräuter, Freundinnen und Freunde auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Ausschuss zur Untersuchung der Vorwürfe gegenüber BM für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser

Begründung:

Karl-Heinz Grasser hat

1. als Finanzminister während des Abfangjäger-Vergabeverfahrens dieses so beein­flusst, dass das teuerste Produkt gegen die Empfehlung des Verteidigungsministers zugunsten einer ihm nahestehenden Interessensgruppe den Zuschlag erhielt;

2. als Finanzminister über den Verein zur „Förderung der New Economy“ Gelder des Industriellenvereinigung besorgen lassen und Mitarbeiter seines Kabinetts während deren Dienstzeit seine Website gestalten lassen;

3. als Finanzminister an eine Firma Aufträge vergeben, die an der Erstellung der Web­site beteiligt ist;

4. als Finanzminister ein Mitglied seines Kabinetts dazu angehalten, die gesetzwidrige Einrichtung einer Karl-Heinz Grasser-Stifung in der Finanzprokuratur zu unterstützen;

5. als Finanzminister zugelassen, dass die Gelder der Industriellenvereinigung vom New-Economy-Verein in den „Karl-Heinz Grasser-Sozialfonds“ geschleust wurden;

6. als Finanzminister zugelassen, dass durch Vortäuschung der Gemeinnützigkeit durch den Verein, der www.karlheinzgrasser.at betreibt, Steuern nicht bezahlt wurden;


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46. Sitzung / Seite 222

7. als Finanzminister Freunde, denen er privat und geschäftlich verbunden ist, auf Steuerkosten im eigenen Ministerium bewirtet und philharmonisch unterhalten;

8. als Finanzminister unterlassen, seine Anteile an Unternehmen dem Nationalrat zu melden und damit das Unvereinbarkeitsgesetz verletzt;

9. als Finanzminister darüber dem Nationalrat in der Beantwortung mehrerer schrift­licher Dringlicher Anfragen in zahlreichen Punkten keine oder unwahre Auskünfte gegeben.

Dort, wo der Verdacht auf gerichtlich strafbare Handlungen besteht, sind bereits ge­richtliche Vorerhebungen eingeleitet. Davon unabhängig ist die politische Verant­wortung zu klären. Diese Aufgabe kommt nach der Bundesverfassung dem Nationalrat zu.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgender Gegenstände einen Untersuchungsausschuss einzu­setzen:

1. Untersuchung der Rechtmäßigkeit aller Abläufe und Entscheidungen innerhalb des Beschaffungsvorganges betreffend die Eurofighter-Kampfjets, insbesondere im Verant­wortungsbereich des Bundesministers für Finanzen, Mag. Karl-Heinz Grasser;

2. Politische Verantwortlichkeit für die steuerliche Beurteilung der Homepage und Ho­norare für KHG;

3. Politische Verantwortlichkeit für den Versuch der Beeinflussung eines Beamten der Finanzprokuratur im Verlauf des gescheiterten Versuchs der Gründung der Karl-Heinz Grasser-Stiftung durch einen Mitarbeiter des Kabinetts des Finanzministers;

4. Politische Verantwortung für die zweckwidrige Überweisung von Geldern der IV auf das Konto des „Sozialfonds“ durch Mitarbeiter des Kabinetts des Finanzministers;

5. Politische Verantwortlichkeit für die Verwendung von MitarbeiterInnen des BMF für private Zwecke;

6. Verantwortung für die Vergabe von Beratungsaufträgen im Bereich des BMF an Fir­men, wie Lehman Brothers, Ernst & Young, Matrix GmbH, Hochegger u.a., die in einem Nahe- oder Gefälligkeitsverhältnis zu Karl-Heinz Grasser stehen;

7. Organisations- und Personalführungsmängel im Beriech des BMF, die zur falschen Beratung des Bundesministers im Umgang mit den Bestimmungen des Unverein­barkeitsgesetz führten;

8. Politische Einflussnahme beim Verkauf von im Bundeseigentum befindlichen Im­mobilien;

9. Politische Einflussnahme beim Verkauf der Voest

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis: 5 ÖVP, 4 SPÖ, 1 FPÖ, 1 Grüne einzusetzen.


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In formeller Hinsicht verlangen die unterfertigten Abgeordneten die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit in dieser De­batte 5 Minuten, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeter Staatssekretäre sollen ni­cht länger als 10 Minuten dauern.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Seine Redezeit: 10 Minuten. – Herr Kollege, ich erteile Ihnen das Wort.

 


22.02

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Es gibt zweierlei Gründe dafür, dass diese Debatte am Schluss der Sitzung stattfindet, obwohl alle heimgehen wollen. Aber dazu ist man ja in erster Linie nicht gewählt, nämlich rechtzeitig heim­zugehen, wenn man seine Hausaufgaben noch nicht erfüllt hat. Zweitens wäre es längst sinnvoll gewesen, einen Untersuchungsausschuss gegen den Herrn Finanz­minister einzusetzen. Die alten Gründe sollten bekannt sein, neue kommen hinzu.

Eigentlich hätten wir uns dieses Gemurre am Ende jeder Sitzung schon allein dadurch erspart, dass wir einem Untersuchungsausschuss in der Vergangenheit zugestimmt hätten. Wenn Sie schon allen rationalen Gründen für einen Untersuchungsausschuss nicht folgen wollen, dann folgen Sie wenigstens Ihrer eigenen aufrichtigen Irrationalität. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Wenn Ihnen nicht mehr einfällt!)

Es fällt uns schon etwas ein, es fällt vor allem dem Herrn Finanzminister immer etwas ein, und es fällt vor allem den Aufdeckern immer wieder etwas ein. Sie haben das gar nicht vor sich liegen, schreien aber dazwischen.

Ich sage Ihnen, was neu ist: Neu sind die Zahlungsströme, neu sind die Spenden- und Kontenbewegungen, und das ist nicht nichts. Ich greife nur einen kleinen Aspekt heraus. (Abg. Murauer: Das interessiert nicht einmal mehr die Grünen!) – Herr Kollege Murauer! (Abg. Murauer: Ja sicher!) MAGNA spendet auch. Gestern noch hat der Herr Kabinettschef heftig dementiert. Rudas  hat angekündigt (Abg. Scheibner: Der ist aber nicht von uns!), er werde sofort zum Kadi laufen.

Wer heute nachgelesen hat, was geplant ist, wird sich eines Besseren belehren lassen und das aus gutem Grund. (Abg. Neudeck: Wo kommt der her?) – Schauen Sie, Sie sollten einigen von uns wenigstens zu Gute halten, dass wir nicht a priori auf Vorver­urteilungen oder sonst etwas aufbauen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gerade Sie!) Wir hatten im Unterausschuss das Problem, dass wir bei vielen Beraterverträgen die Dinge anders gesehen haben. Wir sind aber eines Schlechteren belehrt worden, das haben wir gestern bemerkt.

Sie werden es nicht so leicht haben, uns beziehungsweise mir irgendeinen Vorwurf dahin gehend machen zu können, dass wir unsere Aussagen nicht auf Dokumenten aufbauen könnten. (Abg. Scheibner: Das bringen wir jederzeit zusammen!) Und jetzt kommen wir zu diesen neuen Fakten zurück. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nur auf Ver­dacht!) Kommen wir zur Magna-Spende zurück.

Wissen Sie, wie der Vorgang möglicherweise ist? (Rufe bei der ÖVP: Möglicherweise!) Möglicherweise ist er so, wie Sie ihn in Ihren Parteizentralen ständig haben, dass näm-


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lich die Industriellenvereinigung sozusagen als Zwischenstation, als Partei­spen­den­­waschanlage dient, dass dort zweckgewidmete Gelder gepackt werden (Abg. Scheib­ner: Es ist schon schwer um diese Zeit!), die dann in gleicher Höhe weiter überwiesen werden.

Wissen Sie, warum das so üblich ist? – Das ist nichts Gesetzwidriges. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Welche Spekulationen!) – Reden Sie nicht dazwischen! Das ist ganz normal, weil das österreichische Parteiengesetz diesen Vorgang geradezu begünstigt und her­beiführen will.

Das Blöde ist jetzt nur, dass das eine parteigesetzliche Frage und keine steuer­rechtliche Frage ist. (Abg. Scheibner: Sie wissen das aber sehr genau!) Magna – deren Leute offensichtlich mit dieser Praxis sehr vertraut sind, daher dürften Sie öfter auf diese Art und Weise zu Spenden kommen – hat sich gedacht, wieso soll das bei der New Economy anders sein? (Zwischenruf des Abg. Großruck.)

Ja, es ist Ihnen nicht eingefallen. Uns fällt es ein und auf. Es macht steuerrechtlich natürlich einen Riesenunterschied, selbstverständlich! Spätestens jetzt ist selbst der Finzsche Weißwaschsalon am Ende seines Lateins, denn hätte Magna diesem so genannten „Verein zur Förderung der New Economy“ direkt gespendet, wäre selbst Finz nicht mehr in der Lage, da einen Paravent vorzuschieben, weil das wäre selbst­verständlich 1 : 1 steuerpflichtig. – Auch das ist nur ein kleiner Nebenaspekt der neuen Erkenntnisse, die sich seit gestern auftun. Und jetzt haben Sie zumindest diesen einen Aspekt bekommen. (Abg. Mag. Mainoni: Ist das eine Vermutung oder haben Sie Beweise?)

Das grundsätzliche Problem ist aber, dass wir hier einen Finanzminister haben, der sich einen Verein gründen lässt, der zur Industriellenvereinigung schnorren geht, der auch sein Geld bekommt und dessen Mitarbeiter aus dem Ministerium diese so ge­nann­te Homepage bedienen müssen. All das sind Dinge, zu denen der Herr Finanzminister mittlerweile schweigt. Er hat sich auch im Unterausschuss dazu ver­schwiegen, wir haben es gehört. Der Untersuchungsausschuss wäre das einzige Mittel, weil dann auch hier im Haus andere Regeln herrschen würden. (Abg. Groß­ruck: Wieso können Sie, wenn jemand schweigt, etwas hören?) Er würde uns endlich von diesem lästigen Zustand befreien, dass ich zu Ihnen sprechen muss und Sie immer gleichlautend dazwischenrufen müssen.

Das wäre aber eine Erkenntnis, die einigen von Ihnen zu denken geben sollte, und das ist auch passiert! Ich habe heute im Fernsehen gesehen, dass einige Abgeordnete der ÖVP – von der FPÖ ist das schon länger bekannt – gemeint haben, es wäre besser, würde der Herr Finanzminister einmal alle Dinge auf den Tisch legen, einmal unter einem das ganze Konglomerat erklären und das möglicherweise und sinnvollerweise auch dem Parlament zur Verfügung stellen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wieso Einem?)

Herr Kollege Molterer! Wahrscheinlich haben Sie heute ausnahmsweise die „ZiB 1“ nicht gesehen. Das war, glaube ich, ein sehr weit vorausschauender Abgeordneter Ihrer Fraktion. Machen Sie sich das dann selbst aus! Es gibt dazu mehrere Interviews, die nur noch nicht ausgestrahlt sind. Diese kommen erst in der „ZiB 3“, Sie werden dann Gelegenheit haben, diese anzusehen. (Abg. Mag. Molterer: Warum wissen Sie das?) – Ich wollte Sie nur animieren, ein bisserl mitzudenken.

Jedenfalls machen das andere Abgeordnete Ihrer Fraktion trotz dieser Dekrete, die wir hier immer vernehmen müssen, doch. Jetzt sollten Sie sich nur mehr einer Frage zu­wenden. Ich lasse die anderen Dinge (Abg. Mag. Molterer: So macht man das!) wie diese Beraterkarussellverträge aus. Wenn Sie mich provozieren, Herr Kollege Molterer, sage ich Ihnen (Abg. Mag. Molterer: Kogler weiß, was in der „ZiB 3“ ausgestrahlt


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wird!), wie der Herr Finanzminister auf Kosten der Steuerzahler mit dem Rechnungshof umspringt, der ein Hausorgan, wie Sie immer sagen, eine Institution des Parlaments ist. Der Herr Finanzminister ist dabei ertappt worden, dass er Beraterverträge vergeben hat, die nicht passen. (Abg. Scheibner: Jetzt haben wir Sie ertappt mit der „ZiB 3“!) – Nein, nein!

Was heißt da ertappt? – Das ist eine Ankündigung, und Sie werden sich davon überzeugen können, was Ihre eigenen Abgeordneten sagen.

Der Herr Finanzminister hat ein paar Beraterverträge in Auftrag gegeben, die wieder nicht gepasst haben. Der Rechnungshofpräsident hat ihn erwischt. Was macht der Herr Finanzminister? – Gegenüber einem Rechnungshofbericht gibt er ein weiteres Gutachten in Auftrag, um die Argumente des Rechnungshofpräsidenten zu widerlegen. Das war nicht der größere finanzielle Schaden, aber Sie haben gestern nicht richtig zugehört: Es ist ein Millionenschaden durch diese Beraterverträge entstanden, aber dazu wurde geschwiegen. Auch das hätte jedoch aufgeklärt gehört, und dazu würde es jetzt die Gelegenheit geben. (Abg. Neudeck: Das sind aber alte Hüte!)

Das war kein alter Hut, weil das haben Sie nicht wissen können, dass der Herr Finanz­minister auf Steuergeldkosten ein Gutachten in Auftrag gibt, um den Rechnungshof zu widerlegen. Er ist zwar eh wieder schiffbrüchig geworden, aber das war Steuergeld, und daher hätte uns das zu interessieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie können uns den nächsten Programmpunkt sagen!)

Ich sage Ihnen nur, dass selbst diese so genannte Beratervertragsangelegenheit einen Ausschuss verdienen würde, weil ein Schaden von mehreren Millionen € dabei ent­standen ist.

Ich komme zurück zum Ausgangspunkt und zu Magna. Was Sie offensichtlich schon vergessen haben, ist, dass diese Vorwürfe, die Sie als alte Hüte bezeichnen, aktueller sind denn je und dass sich auf Grund der neuen Vorwürfe andere Zusammenhänge ergeben und all das in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Wenn Magna dem Finanzminister zigtausende Euro zukommen lässt und wenn Magna einer der Hauptnutznießer der Gegengeschäfte sein soll, wie Sie immer behaupten, dann ist es doch interessant, zu wissen, dass genau das Finanzministerium und sonst niemand erfolgreich und ständig dafür interveniert hat, dass ganz bestimmte Be­wertungs- und Zahlungsvarianten im Abfangjägerdeal zur Anwendung kommen sollen. Sie wissen das ganz genau, Herr Scheibner! Die militärische Kommission wollte etwas anders, die ersten Ergebnisse waren anders, und der Rechnungshof wird das in sei­nem Bericht veröffentlichen. (Abg. Neudeck: Das wissen Sie auch schon!) – Das hat der Herr Verteidigungsminister selbst herausgegeben. (Abg. Scheibner: Das kommt morgen im „Morgenjournal“!)

Die Intervention des Finanzministeriums ist am Schluss der Etappe ausschlaggebend für die Typenwahl gewesen. (Abg. Scheibner: Sagen Sie auch dazu, dass der Rech­nungshof gesagt hat, nur diese Entscheidung ist richtig!) Und jetzt reimen Sie sich das zusammen. Wären Sie alle so vernünftig, wie es einzelne Kollegen schon ankündigen, dann würden wir endlich in einem Untersuchungsausschuss zum Arbeiten kommen (Abg. Scheibner: Dann müssten Sie endlich wieder etwas arbeiten!) und müssten nicht um 22 Uhr darüber debattieren, was schon längst hätte stattfinden sollen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

22.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ans Rednerpult tritt nun Herr Abgeordneter Kopf. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 



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22.12

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wahlkampfstrategen, die Analytiker der SPÖ sind nach der Nationalratswahl 2002 zur Erkenntnis gekommen, dass es unter anderem ein Fehler war – Zitat –, Karl-Heinz Grasser im Wahlkampf nicht attackiert zu haben. (Oj-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Neu­deck: Das können wir untersuchen!)

Liebe Kollegen Kogler und Kräuter, Sie haben es vielleicht noch nicht bemerkt, wir haben keinen Wahlkampf mehr. Sie kommen wie so oft auch diesmal zu spät, aber das dafür – das attestiere ich – mit Ausdauer und Hartnäckigkeit. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin fast versucht, selbst einen Antrag auf Untersuchungsausschuss einzubringen. (Ja-Rufe bei den Grünen. – Demonstrativer Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wissen Sie, was ich dabei untersuchen lassen würde? – Was hat dieser Finanz­minister Karl-Heinz Grasser, was seine erfolglosen Vorgänger Staribacher, Klima und Edlinger nicht hatten? – Das wäre einmal wert, untersucht zu werden! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wissen Sie, wie ich das in Anlehnung an Ihren neun Punkte umfassenden Antrag begründen würde? (Abg. Gáal: Anständigkeit!) – Karl-Heinz Grasser hat erstens im Budget 2001 erstmals nach 30 Jahren einen Überschuss erwirtschaftet. (Beifall bei der ÖVP.)

Karl-Heinz Grasser hat zweitens im Jahr 2002 das Budget ausgeglichen gestaltet. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Wurm: Auf wessen Kosten?)

Karl-Heinz Grasser hat drittens das Budget 2003 trotz Konjunkturflaute und entgegen dem Budgetvoranschlag mit einem Defizit von gerade einmal 0,9 Prozent abgeschlos­sen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Aber bei uns war es noch null!)

Karl-Heinz Grasser hat viertens durch die Konjunkturpakete I und II ein zusätzliches Wirtschaftswachstum in diesem Land von 0,5 Prozent generiert. (Beifall bei der ÖVP.)

Karl-Heinz Grasser hat mittels Wachstumspaket 2003 noch einmal ein Wachstum in der Höhe von 0,5 Prozent generiert, und er hat sechstens den Schuldenstand der ÖIAG von 6,3 Milliarden auf 1,7 Milliarden reduziert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Karl-Heinz Grasser hat siebtens mit einer Verwaltungs­reform und Einsparungen die Grundlage dafür geschaffen, dass wir jetzt achtens im Jahr 2004 die Steuerzahler um 500 Milliarden € und neuntens im Jahr 2005 um noch einmal 2,5 Milliarden € entlasten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Liebe Freunde von der Opposition! Sie wollen den Vorgang der Abfangjäger­beschaf­fung untersuchen lassen. Das hat der Rechnungshof bereits getan und festgestellt, dass dieser Vorgang korrekt und einwandfrei abgelaufen ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Liebe Freunde! Sie wollen die Steuerpflicht bei Homepage und Honoraren des Finanz­ministers beziehungsweise des Vereines untersuchen lassen. Die Finanzbehörden haben längst festgestellt, dass alles steuerlich korrekt abgelaufen ist. (Abg. Dr. Einem: Das hat schon Staatssekretär Finz untersucht!)

Sie wollen die Vergabe von Beratungsaufträgen untersuchen lassen. (Abg. Dr. Cap: Weihrauch!) Das wird der Rechnungshof zu gegebener Zeit zu überprüfen haben, und wir können dann selbstverständlich dazu Stellung nehmen. (Abg. Dr. Cap: Weihrauch!) Tatsache ist, dass entgegen Ihren Behauptungen der Herr Finanzminister im


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Rechnungshofunterausschuss stundenlang, also nicht so, wie Sie vorher behauptet haben, keine Auskünfte gegeben hat, sondern stundenlang entgegen der üblichen Praxis zur Verfügung gestanden ist und alle Auskünfte gegeben hat, die von ihm ver­langt wurden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Gipfel der Hilflosigkeit dieses Antrages ist Punkt 7, den Sie hier beantragen. Der Finanzminister hat gesagt, er sei beim Umgang mit den Be­stimmungen des Unvereinbarkeitsgesetzes schlecht oder falsch beraten worden. Sie wollen allen Ernstes, Organisations- und Personalführungsmängel im Bereich des Finanz­ministeriums untersuchen lassen, die zur falschen Beratung des Bundes­ministers im Umgang mit den Bestimmungen des Unvereinbarkeitsgesetzes geführt ha­ben? (Abg. Dr. Cap: Nicht so blöd!) Dafür wollen Sie einen Ausschuss bemühen, und dafür wollen Sie Steuergeld verwenden? (Ja-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Das sind lauter SPÖ-Beamte!)

Die Hilflosigkeit dieses Antrages ist wirklich nicht mehr zu überbieten. Meine Damen und Herren! So einen Antrag kann man nur ablehnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.17

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu uns. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Ah-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Am Wort ist der Redner!

 


22.17

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Neudeck – in Richtung des Redners –: Der Aufdecker!) Hunderttausende Fernsehzuschauer haben sich heute bei der Fragestunde die Augen gerieben (Abg. Neudeck: Weil sie noch geschlafen haben!), sie haben es nämlich nicht geglaubt, was sie da sehen und auch hören mussten, nämlich Karl-Heinz Grasser im O-Ton – ich zitiere –: Es gibt keine unterschiedlichen Aussagen vom Finanz­staatssekretär und vom Finanzminister in der Steuercausa. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Die ganze Welt weiß, dass Grasser immer behauptet, es ist privat, und Finz behauptet, es ist dienstlich. Zu Recht haben sich die beiden Kommentare eingehandelt, wie zum Beispiel jenen im morgigen „Standard“, die nicht ohne sind – ich zitiere –: Es „leistete sich Grasser eine Frechheit dem Parlament ge­genüber, die ihn endgültig als jugendlich-arroganten Verächter demokratischer Institu­tionen ausweist“. – Gute Nacht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber es ist auch nicht von schlechten Eltern, was Sie sich gestern geleistet haben. Sie haben nämlich beschlossen, dass keine Fragen offen sind, dass alles bis ins Detail geklärt ist. Meine Damen und Herren! Hand aufs Herz! Herr Kollege Großruck, was sagen Sie am Wochenende in Ihrem Wahlkreis, wenn man Sie fragt: Was ist denn los mit Grasser? Was werden Sie da sagen? Werden Sie sagen, es seien keine Fragen offen, es seien alle Details geklärt? Werden Sie das sagen? (Abg. Großruck: ... ich werde fragen: Was ist Ihnen lieber: Kräuter oder Grasser?!)

Herr Kollege Großruck! Die Damen und Herren von der FPÖ werden es leichter haben, die werden nämlich ganz sicher diesem Antrag auf Untersuchung zustimmen.

Was haben die Damen und Herren von der FPÖ schon vor drei Monaten gesagt? (Abg. Scheibner: Was haben wir alles gesagt?) Und damals war die Suppe noch we­sentlich dünner, meine Damen und Herren! Sie war damals auch schon vom Grasser selbst dick eingebrockt. (Abg. Neudeck: Da haben Sie sich etwas eingebrockt!) – Zum


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Beispiel die 175 000 €, Kollege Neudeck! Straftatbestände haben noch keine Rolle gespielt.

Was hat Herr Dolinschek beispielsweise gesagt? – Zustimmung zum Unterausschuss nicht ausgeschlossen.

Josef Bucher schließt eine Zustimmung zu Unterausschuss nicht aus.

Scheuch: Ich bin der Letzte, der für Grasser kämpfen würde.

Scheuch: Ansonsten muss halt Staatssekretär Finz wieder Persil kaufen gehen.

Strutz: Die FPÖ soll den Untersuchungsausschuss zu Grasser nicht verhindern.

Haider: Wenn man nichts zu verheimlichen hat, kann man sich problemlos einem Ausschuss stellen. – Meine Damen und Herren! Ich freue mich, Sie werden also zustimmen.

Auch Karl Schnell sagt, er hat das Gefühl, dass man von den Unregelmäßigkeiten des Herrn Grasser ablenken will. Wenn man Grasser weiterhin die Mauer macht, dann findet das nicht mehr seine Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Haben Sie selbst auch noch etwas?) – Ich habe noch etwas, Kollege Scheibner.

Meine Damen und Herren! Auch ich bekomme von zornigen Finanzbeamten diese Broschüre zugeschickt – darin werden die Finanzbeamten in die Abgründe der Kor­ruption eingeweiht –, und ich kann Ihnen diese Broschüre nur dringend empfehlen; Sie erhalten sie im Bundesministerium für Finanzen, Abteilung I/1. Das ist jene Stelle, wo auch der Vertragsbedienstete Mag. Johannes Pasquali arbeitet, und dieser Mann be­treut die private Minister-Homepage. Was vielleicht Sie von der ÖVP interessieren wird: Er ist Bezirksrat der FPÖ.

Meine Damen und Herren! Sie sollten diese Korruptions-Broschüre lesen. Ich finde es eigentlich ziemlich unappetitlich: Die beiden Autoren des Vorworts heißen Karl-Heinz Grasser und Alfred Finz.

Meine Damen und Herren! Da Grasser so drängt, dass sich die Justiz beeilen möge, sage ich Ihnen Folgendes: Jetzt gibt es diesen Verein einige Jahre, und es sind dort etwa 5 Millionen Schilling oder 350 000 € geparkt. Dieser Verein hat – Stand vorges­tern – noch nicht einmal eine Steuernummer. Das möchten Sie als Normalsterblicher in dieser Republik einmal probieren. – Das zur Korruption, meine Damen und Herren! (Abg. Miedl: Kollege! Welcher Verein hat denn eine Steuernummer?)

Ein Allerletztes. Was sagt eigentlich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zu Grasser. Am 19. Juni 2003 sagt Schüssel auf die Frage: Und der Internetauftritt Grassers? Fol­gendes: Da wird eine Mücke aufgeblasen, diese Attacke wird ein Bauchfleck der Sonderklasse!

Meine Damen und Herren! Diese Mücke ist längst ein Elefant, und was den Bauchfleck betrifft, den werden Sie absolvieren am 7. März, nämlich in Kärnten und in Salzburg. – Gute Nacht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

22.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Neudeck für 5 Minuten ans Rednerpult. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Halleluja!)

 


22.22

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zweitklubobmann Cap, wenn Sie „Halleluja“ singen, weiß ich nicht, was das soll. Wahrscheinlich ist es der Dank für die Abschreibung des Kirchenbeitrages. (Abg. Scheibner: Er war Ministrant!) – Sie waren Ministrant, Herr Cap; na ja, nie in


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einem gescheiten Beruf, immer nur in der Kirche, schön eingefangen, und dann in der SPÖ – ist eine gute Karriere!

Mir fällt auf, dass der Zweit-, Dritt- oder Erstklubobmann Gusenbauer nicht anwesend ist, dass Kollege Matznetter nicht hier ist. Die ganze Geschichte Grasser war heute Causa prima, aber anscheinend ist den beiden und noch einigen anderen der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses peinlich und sie entziehen sich durch ihre Nicht-Anwesenheit dem Umstand, dass sie vielleicht doch nicht zustimmen. Das ist sehr interessant.

Kollege Kogler, ich hatte immer ein bisschen Angst, wenn es geheißen hat: der Grün-Anteil im ORF!, denn ich hatte immer gedacht, das sei Raiffeisen, jetzt weiß ich, dass Sie das sind, denn Sie haben eine Programmvorschau (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP) und wissen schon genau, was wann kommt.

Bei den Ausführungen des Kollegen Kopf, bei dem ich mir eigentlich gedacht hatte, dass ich dem, was er sagt, nichts hinzufügen kann, ist mir, als er die Zahlen genannt hat, aufgefallen: Solange Bundesminister Grasser Freiheitlicher war, war seine Per­formance wesentlich besser! (Heiterkeit.) Jetzt ist er der Unabhängige – irgendwie wird er sich entscheiden müssen.

Meine Damen und Herren! Zum Ernst der Sache – Kollege Cap, Sie schauen so böse. Lächeln Sie ein bisschen! Ich mache das auch, wenn Sie reden. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Cap, ein Untersuchungsausschuss ist ein wichtiges parlamentarisches Instru­mentarium, und der Einsatz dieses Instrumentariums ist uns für SPÖ-Wählermaxi­mierung eigentlich zu schade. Ihre Parteistrategie lautet: Generalangriff auf den Finanzminister! – Er hat zu gute Werte, er hat zu viele Sympathien, er hat als unabhängiger Minister mit starker Unterstützung der FPÖ und der ÖVP eine gute Steuerreform gemacht. Dieser Mann gehört beschädigt!

Auch wenn Sie an der konstruktiven Arbeit scheitern, meine Damen und Herren von der Opposition, bei Ihrem Vernichtungsfeldzug gegen Grasser haben Sie ganze Arbeit geleistet. Ich habe das Gefühl, das „S“ in „SPÖ“ steht nicht für „sozial“, sondern für Skandalisierungspartei, meine Damen und Herren! (Ruf bei der SPÖ: Sozialdemo­kratisch!)

Es ist skandalös, wie man mit einem Mitglied einer Bundesregierung umgeht, versucht, ihn zu kriminalisieren und zu beschädigen.

In Ihrem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses haben Sie im ersten Punkt das Abfangjäger-Verfahren erwähnt. Meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen! Sind Sie so selten im Rechnungshofausschuss oder in den Unterausschüssen? Es ist vom Rechnungshof alles geprüft, und die Anschuldigungen, die Sie hier immer in den Raum stellen, haben sich in nichts aufgelöst. Meine Damen und Herren! Alles wieder aufzuwärmen ändert nichts an den Fakten.

Mir wird ein Artikel, den ich am Mittwoch in der „Presse“ gelesen habe, jetzt etwas klarer. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Überschrift: „Hohe Miete in ,News‘-Turm“.

Im „News“-Tower ist das WSW, Wohnservice Wien, eingemietet – Miete: 31,6 € pro Quadratmeter –, auf mehreren Tausend Quadratmetern. Der Rechnungshof meint, dass das WSW diese Flächen gar nicht braucht.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich an Ihre Aufregung, als die Riemergasse übersiedelt ist (Zwischenruf bei der SPÖ) – warten Sie, der Bogen spannt sich so weit, dass wir zu Grasser kommen! – in ein neues, modernes Gebäude. Die Miete dort ist


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halb so hoch, und das Gericht braucht diese Räumlichkeiten. Das WSW jedoch mietet Räumlichkeiten an, die es gar nicht braucht, und zwar um die doppelte Miete.

Ich habe gestern von Kollegen Hornek gehört, dass die SPÖ 40 Millionen € für Öffentlichkeitsarbeit ausgibt. Da weiß man, was da los ist, denn die WSW-Marketing-Chefin Claudia Nekvasil sagt der „Presse“, dass für diese hohe Miete natürlich eine Gegenleistung des „NEWS“-Verlages zu erwarten oder vereinbart ist. – Das steht, bitte, in der „Presse“!

Meine Damen und Herren! Sie zitieren bei den Angriffen auf den Finanzminister immer „NEWS“. Sind diese Veröffentlichungen in „NEWS“ eine der Gegenleistungen, die sich das WSW mit dieser Miete erkauft? Wäre das nicht eine Frage, die ein Untersuchungsausschuss zu klären hätte?

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie werden sich daher nicht wundern, dass wir Ihrem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht zustim­men. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.27

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Kogler, Dr. Kräuter, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschus­ses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, dies durch ein Zeichen zu bekunden. – Das ist die Minderheit, und daher ist der Antrag abgelehnt.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 326/A bis 330/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1375/J bis 1392/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 22.28 Uhr – das ist im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.28 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien