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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

936. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 22. Dezember 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

936. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 22. Dezember 2021

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 22. Dezember 2021: 9.01 – 17.21 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversor­gung und der Wettbewerbsbedingungen geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Wirtschafts­kammergesetz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechnikerge­setz 2019 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungs­rechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Sterbeverfügungsgesetz erlassen wird sowie das Suchtmittelgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz, das Verwertungsgesell­schaftengesetz 2016 und das KommAustria-Gesetz geändert werden (Urheberrechts-Novelle 2021 – Urh-Nov 2021)

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsge­setz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsge­setz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz und das Rohrleitungsgesetz geändert werden (Mindestversicherungssummen-Valorisierungsgesetz 2021 – MinVersValG 2021)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsan­waltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das Zivilrechts-Mediations-Gesetz und das Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz geän­dert werden


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 2

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das Presseförderungsge­setz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (WEG-Novelle 2022 – WEG-Nov 2022)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebe­dingter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Be­darfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz und das Sanitätergesetz geändert werden

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maß­nahmengesetz geändert werden

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Ge­sundheits- und Krankenpflegegesetz, das Gesundheitsberuferegister-Gesetz, das Kran­kenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Be­rufsreifeprüfungsgesetz geändert werden (OTA-Gesetz)

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz geändert wird

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz geändert wird

27. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 1. Halbjahr 2022

*****

Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache des Präsidenten Dr. Peter Raggl ..........................................      11

27. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 1. Halbjahr 2022 .....................................................................    131


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 3

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs ....................    133

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    135

Personalien

Verhinderung ............................................................................................................      11

Ordnungsrufe .............................................................................................  119, 121

Aktuelle Stunde (91.)

Thema: „Wachstum, Wohlstand, Fortschritt – zur Sicherung des Wirtschafts­standortes Österreich“ ...........................................................................................      16

RednerInnen:

Sonja Zwazl .............................................................................................................      16

Andrea Kahofer .......................................................................................................      18

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      20

Marco Schreuder ....................................................................................................      23

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................      26

Ing. Isabella Kaltenegger .......................................................................................      28

Stefan Schennach ...................................................................................................      29

Michael Bernard ......................................................................................................      31

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      32

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      33

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      36

Ausschüsse

Zuweisungen .............................................................................................................      35

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert wird (1167 d.B. und 1212 d.B. sowie 10844/BR d.B.) .........................................................................................................      37

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................      37

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Wirtschaftskam­mergesetz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechniker­gesetz 2019 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden (2092/A und 1213 d.B. sowie 10845/BR d.B.) ..............................................................................      37


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 4

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................      37

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird (1214 d.B. sowie 10793/BR d.B. und 10846/BR d.B.) .............................................      37

Berichterstatterin: Elisabeth Wolff, BA ...................................................................      37

RednerInnen:

Andrea Kahofer .......................................................................................................      38

Mag. Christine Schwarz-Fuchs .............................................................................      40

Josef Ofner ..............................................................................................................      41

Andreas Lackner .....................................................................................................      43

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................      45

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rot-weiß-roter Impfscheck iHv. 500 Euro um weitere Lock­downs zu verhindern, durch erzielen einer 90% Impfquote“ – Ablehnung ...  39, 47

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      46

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      46

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      46

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert wird (1176 d.B. und 1221 d.B. sowie 10815/BR d.B.) .....................................................      47

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................      47

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      47

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................      49

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      50

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      50

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................      51

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Zwang- und Beugehaft für Ungeimpfte“ – Ab­lehnung ..........................................................................................................  48, 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      52

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrecht­liche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geän­dert werden (2093/A und 1222 d.B. sowie 10816/BR d.B.) ............................................      53

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................      53

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      53

Florian Krumböck, BA ............................................................................................      54

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................      55

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      56

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 5

Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................................................................      57

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Sterbeverfügungsgesetz erlassen wird sowie das Suchtmittelgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (1177 d.B. und 1255 d.B. sowie 10806/BR d.B. und 10837/BR d.B.) ..............................................      57

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      57

RednerInnen:

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      58

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................      59

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      62

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................      63

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      64

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      65

Mag. Franz Ebner ....................................................................................................      67

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      69

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird (1175 d.B. und 1256 d.B. sowie 10838/BR d.B.) .......................................................................      69

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      69

RednerInnen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      69

Barbara Tausch .......................................................................................................      71

Mag. Sandra Gerdenitsch ......................................................................................      72

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      72

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      74

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz, das Verwertungsgesellschaf­tengesetz 2016 und das KommAustria-Gesetz geändert werden (Urheberrechts-Novelle 2021 – Urh-Nov 2021) (1178 d.B. und 1257 d.B. sowie 10839/BR d.B.)           74

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................      74

RednerInnen:

Stefan Schennach ...................................................................................................      74

Marco Schreuder ....................................................................................................      76

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      78

Barbara Tausch .......................................................................................................      78

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      79

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      81

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994,


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 6

das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsge­setz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz und das Rohrleitungsgesetz geändert wer­den (Mindestversicherungssummen-Valorisierungsgesetz 2021 – MinVersValG 2021) (1170 d.B. und 1258 d.B. sowie 10840/BR d.B.) .....................................................      81

Berichterstatter: Sebastian Kolland ........................................................................      81

RednerInnen:

Otto Auer .................................................................................................................      81

Horst Schachner .....................................................................................................      82

Michael Bernard ......................................................................................................      83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      83

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechts­anwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsan­wärter, das Zivilrechts-Mediations-Gesetz und das Zweite Bundesrechtsbereini­gungsgesetz geändert werden (2094/A und 1259 d.B. sowie 10841/BR d.B.) .......      84

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      84

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das Presseförderungsge­setz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden (1260 d.B. sowie 10842/BR d.B.) ................................................................      84

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      84

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      84

Marco Schreuder ....................................................................................................      85

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................      85

Stefan Schennach ...................................................................................................      85

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................      86

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................      86

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (WEG-Novelle 2022 – WEG-Nov 2022) (1174 d.B. und 1286 d.B. sowie 10807/BR d.B. und 10843/BR d.B.) ..................................................................................................      86

Berichterstatterin: Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................      86

RednerInnen:

Eva Prischl ...............................................................................................................      87

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      89

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      91

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................      92

Markus Leinfellner ..................................................................................................      93


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 7

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      93

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      95

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird (2083/A und 1217 d.B. sowie 10826/BR d.B.) ...............................................................................................      95

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ...........................................................................      95

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      95

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2069/A und 1224 d.B. sowie 10855/BR d.B.) .........................................................................................................      95

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................      96

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert wird (1225 d.B. sowie 10856/BR d.B.) ...............................................................................................      95

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................      96

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebeding­ter Armutsfolgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird (1231 d.B. sowie 10794/BR d.B. und 10857/BR d.B.) .........................................................................      96

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................      96

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (2067/A und 1235 d.B. sowie 10858/BR d.B.) ..............................................................................      96

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................      96

RednerInnen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................      97

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................      98

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      99

Andreas Lackner .....................................................................................................    101

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................    102

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „1.000 Euro Österreich-Gutschein“ – Ablehnung .....  100, 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    103

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    103


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 8

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    103

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    103

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird (2091/A und 1267 d.B. sowie 10817/BR d.B.) .........................................................................................................    103

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    104

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz und das Sanitätergesetz geändert werden (2064/A und 1268 d.B. sowie 10795/BR d.B. und 10818/BR d.B.) .........................................................................    104

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    104

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (2065/A und 1269 d.B. sowie 10819/BR d.B.) ..............................................................................    104

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    104

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnah­mengesetz geändert werden (1969/A und 1270 d.B. sowie 10796/BR d.B. und 10820/BR d.B.) .........................................................................................................    104

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    104

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbli­che Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2061/A und 1271 d.B. sowie 10797/BR d.B. und 10821/BR d.B.) ..............................................    104

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    104

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................    105

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    108

Markus Leinfellner ..................................................................................................    109

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................  112, 122

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    114

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................    115

Martin Preineder .....................................................................................................    116

Christoph Steiner ....................................................................................................    117

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „eine breit angelegte, niederschwellige Aufklärungs- und Informa­tionsoffensive zur Corona-Schutzimpfung“ – Ablehnung .........................  107, 123


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 9

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Impfpflicht, nein zur Diskriminierung Ungeimpfter und hinkünftig Ungeimpfter, ja zum Plan B!“ – Ablehnung .......................  111, 123

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    122

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    122

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    122

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    122

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    122

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Gesund­heits- und Krankenpflegegesetz, das Gesundheitsberuferegister-Gesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert werden (OTA-Gesetz) (1164 d.B. und 1274 d.B. sowie 10798/BR d.B. und 10822/BR d.B.) .......................................    123

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    124

RednerInnen:

David Egger .............................................................................................................    124

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................    125

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    126

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutz­gesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert werden (1163 d.B. und 1275 d.B. sowie 10823/BR d.B.) .....................................................    126

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    127

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz geän­dert wird (1173 d.B. und 1276 d.B. sowie 10824/BR d.B.) ......................................    126

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    127

RednerInnen:

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................    127

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................    128

Markus Leinfellner ..................................................................................................    129

Korinna Schumann .................................................................................................    130


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 10

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 24, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    130

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    130

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz geändert wird (2062/A und 1278 d.B. sowie 10825/BR d.B.) ..............................................................................    131

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    131

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    131

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend 2G-Regel an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (3977/J-BR/2021)

Karl Bader, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Gutachten, Studien und Umfragen (3978/J-BR/2021)

Karl Bader, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Gutachten, Studien und Um­fragen (3979/J-BR/2021)

Karl Bader, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öf­fentlichen Dienst und Sport betreffend Gutachten, Studien und Umfragen (3980/J-BR/2021)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Messengerdienste und Datenlöschung auf Mitar­beitergeräten im Kabinett (3633/AB-BR/2021 zu 3928/J-BR/2021)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Dominik Reisin­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ÖVP/Grüne-Bundesregierung verschlechtert die finanzielle Lage der Menschen und der Kommunen – Gemeinden sind aber Motor der wirtschaftlichen Erholung nach der Krise und nah bei den Menschen (3634/AB-BR/2021 zu 3929/J-BR/2021)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Stei­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 271/E-BR/2020 (3635/AB-BR/2021 zu 3922/J-BR/2021)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Stei­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 273/E-BR/2020 (3636/AB-BR/2021 zu 3921/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 302/E-BR/2020 (3637/AB-BR/2021 zu 3924/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 283/E-BR/2020 (3638/AB-BR/2021 zu 3925/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 281/E-BR/2020 (3639/AB-BR/2021 zu 3926/J-BR/2021)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung 298/E-BR/2020 (3640/AB-BR/2021 zu 3927/J-BR/2021)


 


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 11

09.01.01Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Peter Raggl, Vizepräsident Günther Novak, Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs.

09.01.02*****


Präsident Dr. Peter Raggl: Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Bundes­rätinnen, geschätzte Bundesräte! Liebe Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich eröffne die 936. Sitzung des Bundesrates.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Frau Bundesrätin Andrea Mi­chaela Schartel.

Ich darf am Beginn der heutigen Bundesratssitzung die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort Margarete Schramböck recht herzlich im Bundesrat be­grüßen. – Es freut uns sehr, dass du da bist. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

09.01.39Schlussansprache des Präsidenten


Präsident Dr. Peter Raggl: Sechs Monate sind ein kurzer Zeitraum. Sechs Monate hat meine Präsidentschaft hier im Hohen Haus, die Präsidentschaft im Bundesrat gedauert. Noch neun Tage darf ich dieses hohe, sehr ehrwürdige Amt ausüben. Heute ist die letzte Bundesratssitzung während meiner Präsidentschaft, und aus diesem Anlass darf ich einige Abschiedsworte aus der Präsidentschaft heraus an Sie alle richten. Ich darf heute ein wenig Bilanz meiner Bundesratspräsidentschaft ziehen, ich darf eine Bewertung der derzeitigen Situation in unserem Land vornehmen, und ich darf auch ein wenig in die Zukunft blicken.

Meine Präsidentschaft hier im Hohen Haus, im Bundesrat, stand unter dem Motto „Star­ke Regionen, starke Republik“ und fügte sich damit in das Thema Masterplan ländlicher Raum ein, das schon von vier Präsidentschaften vor mir besetzt wurde – in jenen Mas­terplan, den unser damaliger Tiroler Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter 2017 mit einer gewissen Voraussicht zur Weiterentwicklung des ländlichen Raumes erarbeitet hat.

Perspektiven für den ländlichen Raum aufzuzeigen stand im Mittelpunkt meines par­lamentarischen Fachgespräches, das ich schon im Juli, gleich zu Beginn meiner Präsi­dentschaft, habe durchführen dürfen. Wir haben in einem hochkarätig besetzten Gre­mium über neue Impulse für Tourismus und Landwirtschaft gesprochen. Wir haben da­rüber nachgedacht, wie insbesondere der Tourismus in der Stadt, aber auch auf dem Land nachhaltig gestärkt werden kann. Wir haben das Resümee gezogen, dass gerade im ländlichen Raum Landwirtschaft und Tourismus ein unzertrennliches Paar sind. Es wurde insbesondere herausgearbeitet, dass der Einsatz von regionalen Lebensmitteln sowohl für die Landwirtschaft als auch für den Qualitätstourismus ein gemeinsamer Weg, ein gemeinsames touristisches Erfolgsmodell sein kann.

Mitte Juli erfolgte dann die für mich sehr ehrende und feierliche offizielle Übergabe der Präsidentschaft – wie es sich für Tirol gehört mit einem landesüblichen Empfang am Heldenplatz. Gemeinsam mit unserem Landeshauptmann Günther Platter durfte ich die­ser Zeremonie beiwohnen, und gemeinsam mit vielen von euch durften wir – coronabe­dingt nur wenig eingeschränkt – im Dachfoyer des Hohen Hauses ein, so glaube ich, schönes Übernahmefest feiern.


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Im Zeichen der Förderung des ländlichen Raumes stand auch die parlamentarische En­quete des Bundesrates unter dem Titel „Postcorona – Neue Wertschätzung für den länd­lichen Raum“, die ich organisiert habe. Die Enquete wurde dankenswerterweise vom ORF live übertragen, sodass bundesweit alle interessierten Bürgerinnen und Bürger an diesem so wichtigen Thema teilhaben durften und konnten.

Ein Ziel einer Enquete ist es, Expertise aus verschiedensten Richtungen, aus verschie­denen politischen Ebenen, aber auch von Fachleuten hier im Hohen Haus zusammenzu­tragen, zu bündeln und dann für uns alle hier in beiden parlamentarischen Kammern als Entscheidungsgrundlage aufzulegen. Die Enquete, die sehr hochkarätig besetzt war, hat uns gezeigt, dass die Pandemie eine neue Wertschätzung des ländlichen Raums mit sich gebracht hat. Der Wunsch, am Land in einer gesunden Umwelt zu leben, von bäuer­licher Nahversorgung zu profitieren und in der Geborgenheit einer ländlichen Gemein­schaft zu leben, ist deutlich gewachsen.

Was waren die Erkenntnisse aus dieser Enquete? – Eine Erkenntnis war, dass die Politik für den ländlichen Raum eine enorme Bandbreite hat. Bundesministerin Köstinger hat davon gesprochen, dass es, um die ländlichen Räume vital zu halten, einen großen Ins­trumentenkoffer braucht, den wir nutzen müssen, um diese Bandbreite der Politik für die Entwicklung der ländlichen Regionen einzusetzen.

Bundesministerin Leonore Gewessler hat auch den Klimawandel als wesentlichen An­satzpunkt für den ländlichen Raum gesehen. Sie sagt, der Klimawandel erfordert ein neues Denken in regionalen Kreisläufen. Sie sieht die Regionen als Triebfeder für neue Entwicklungen.

Bundesministerin Schramböck – sie ist heute auch hier – hat davon gesprochen, welche Bedeutung die Digitalisierung im ländlichen Raum hat. Die Digitalisierung ermöglicht den Gegentrend zur Zentralisierung, sie schafft wertvolle Arbeitsplätze in den Regionen, um insbesondere den Jungen eine Perspektive zum Verbleib in den jeweiligen Heimatge­meinden zu geben.

Neben dem Ziel, Arbeit und Wertschöpfung auf das gesamte Land zu verteilen, ist vor allem ein modernes Angebot an Kinderbetreuung ein Schlüsselkriterium dafür, dass die Menschen im ländlichen Raum leben und weiterhin dort arbeiten können. Da braucht es die Bündelung aller Kräfte von Bund, Ländern und Gemeinden, insbesondere auch in finanzieller Hinsicht.

Eine völlig neue Situation wird der Wettbewerb der Regionen um Arbeitskräfte sein – das wurde auch von den Experten hier beschrieben. Darauf müssen sich die Stakeholder in den ländlichen Regionen einstellen und versuchen, jeweils ihre Chancen wahrzu­nehmen.

Nicht zuletzt ist als Ergebnis der Enquete festzuhalten, dass unsere Landwirtschaft es­senzielle Beiträge zum Erhalt eines attraktiven ländlichen Raumes leistet. Ich komme dann ein bisschen später noch darauf zu sprechen.

Eine Lehre aus meiner Präsidentschaft ist folgende: Geht der Bauer, geht auch die übri­ge Gesellschaft aus dem ländlichen Raum. – Diese Erkenntnis haben Landeshaupt­mann Günther Platter und ich auch beim sogenannten Almgipfel auf der Falkaunsalm am Kaunerberg gewinnen können. Mit einem hochkarätig besetzten Podium wurde dort über die Zukunft der heimischen Alm- und Tourismuswirtschaft diskutiert. Es geht also nicht nur darum, den Talboden vital zu halten, sondern es geht auch darum – und da gibt es einen unabdingbaren Zusammenhang –, das sogenannte obere Stockwerk in unserem schönen Land vital zu halten.

Der Bundesrat hat in den letzten Jahren mit dem Masterplan ländlicher Raum jetzt schon über die fünfte Präsidentschaft die Themenführerschaft für die ländlichen Regionen


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übernommen. Diese und andere Initiativen der Zukunftskammer Bundesrat wurden über die Fraktionsgrenzen hinweg gesetzt und sind Ausdruck der Zusammenarbeit zwischen den Ländern und auch zwischen den Parteien.

Der Bundesrat ist aber auch, das wurde gestern von Bundesrat Christian Buchmann angesprochen, die Europakammer des Parlaments. Als Präsident unserer Europakam­mer besuchte ich mit einer Delegation des Bundesrates das Vereinigte Königreich, um mir in London, in Belfast und auch in Edinburgh vor Ort die Situation der Briten nach dem Brexit anzusehen, und zu hören, wie man in den einzelnen Landesteilen versucht hat, die Pandemie zu bewältigen.

Ich kann jedem hier im Haus, aber auch darüber hinaus, der die Mitgliedschaft Öster­reichs in der EU jemals in Zweifel zieht, nur raten, sich etwa von der schottischen Regie­rung informieren zu lassen, welchen Aderlass dieser Brexit dort an den Universitäten mit sich gebracht hat. Hoch qualifizierte Arbeitskräfte sind dort nach dem Brexit massenwei­se abgewandert. Der europaweite Forschungsbetrieb liegt in diesen Ländern fast auf dem Boden, und im Tourismus fehlen die Arbeitskräfte da wie dort. In Nordirland, darü­ber wurde ich informiert, gibt es enorme Schwierigkeiten für die Landwirtschaft, was ins­besondere den Import und den Export von landwirtschaftlichen Produkten, aber auch von Vieh betrifft, und auch in London fehlen die Arbeitskräfte, insbesondere im Touris­mussektor.

Übrigens glaubte auch Großbritannien im Sommer – wir waren im Frühherbst dort –, mit dem groß gefeierten Freedom Day – diesbezügliche Forderungen habe ich auch schon in diesen Kreisen hier gehört – die Pandemie bereits überwunden zu haben. Leider wis­sen wir mittlerweile, in London wurde letzte Woche wieder der Katastrophenfall ausge­rufen.

Der Bundesrat ist nicht nur der Vertreter der Länder und Regionen in Wien, er ist auch das Scharnier der ländlichen Regionen zur internationalen Politik. In meiner Präsident­schaft durfte ich eine große Zahl von Besuchern, Botschafter, regionale Präsidentinnen und Präsidenten, empfangen.

Ein Höhepunkt meiner Präsidentschaft, das muss ich ehrlich gestehen, war die Weltkon­ferenz der Parlamentspräsidenten im Austria Center Vienna. Ich habe dabei als Mit­gastgeber zahlreiche bilaterale Gespräche führen dürfen, unter anderem mit der Vor­sitzenden des Föderationsrates der Russischen Föderation und auch der japanischen Parlamentspräsidentin.

Bei jedem dieser Gespräche habe ich auch die Gelegenheit genutzt und die Situation in den ländlichen Räumen der jeweiligen Länder hinterfragt. Vielfach wurde mir von mas­siven Problemen berichtet, die Regionen vital zu halten. So waren etwa Vertreter aus Tschechien sehr interessiert daran, zu erfahren, wie es in Österreich bisher gelungen ist, dass unsere ländlichen Räume noch so prosperieren. In Tschechien sind die länd­lichen Räume nämlich bereits zu einem großen Teil ausgestorben. In Geisterdörfern wohnen dort nur noch wenige alte Menschen. Die Jungen und insbesondere die Frauen sind längst in die Städte gezogen.

Allein dieses Gespräch war ein sehr interessanter und prägender Austausch für mich, den ich nicht so schnell vergessen werde und der mir immer Triebfeder für Initiativen zur Stärkung unserer ländlichen Räume sein wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie bereits gesagt: Der Bundesrat ist ein Themenset­zer, der in vielen Dingen den tagespolitischen Diskussionen weit voraus ist. Das ist unser gemeinsamer Erfolg. Und der Tiroler Vorsitz ist diesen erfolgreichen Weg der Europa- und Zukunftskammer weitergegangen.


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Ich möchte heute aber nicht nur zurück-, sondern auch nach vorne blicken. Was erwartet uns in den nächsten Monaten? – Im Sommer hatten wir alle gehofft, die Pandemie mit einer hohen Impfrate in den Griff zu bekommen. Wir erinnern uns: Impfvordrängler wur­den an den Pranger gestellt, weil zu wenig Impfstoff da war. Die Wirtschaft zeigte damals bereits deutlich Aufwärtstendenzen, die Arbeitslosenzahlen waren zurückgegangen, und die Hoffnung, bald wieder in das sogenannte normale Leben zurückkehren zu können, war nicht nur in Österreich, sondern auch international deutlich zu spüren. Die Stimmung in der Bevölkerung war positiv, und wir alle glaubten, wir hätten eine große Krise doch schon zum großen Teil hinter uns.

Mittlerweile stehen wir vor einer völlig anderen Situation: Wir haben leider viel zu viele ungeimpfte Bürgerinnen und Bürger, Österreich musste in einen weiteren Lockdown, und eine neue Variante des Virus lässt uns für Jänner ehrlich gesagt nichts Gutes er­warten. Die Pandemie hat uns in den letzten zwei Jahren ständig vor neue Herausforde­rungen gestellt. Für die Pandemie gibt es leider kein Handbuch, das uns durch die Krise führt. Sie hat jeden Einzelnen von uns und unsere Gesellschaft verändert und in gesell­schaftlicher Hinsicht Gräben aufgerissen. Die Pandemie spaltet und lässt Aggressionen keimen. (Bundesrat Steiner: Die Maßnahmen, nicht die Pandemie!) Das bereitet nicht nur mir, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern draußen große Sorgen, vor allem dann, wenn im eigenen Umfeld enge Freunde einander nicht mehr in die Augen sehen können oder sich sogar Familien zerstreiten.

Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Der Kanzler hat gestern schon betont: Es gibt in der Pandemie nur einen Feind, und der Feind ist das Virus. Lassen wir uns von diesem Virus nicht auseinanderdividieren! Suchen wir nicht danach, was uns trennt, sondern achten wir vielmehr darauf, was uns eint, nämlich der Wunsch, diese Pandemie zu überwinden und allen wieder ein gutes Leben zu er­möglichen.

Ich respektiere daher ausdrücklich die Meinung jener, die etwa die Impfpflicht ablehnen, auch wenn ich diese Meinung nicht teile. Ich verurteile niemanden wegen seiner entge­gengesetzten Meinung, was ich aber ablehne, ist die Art und Weise, wie die Kritik an den Maßnahmen vorgetragen wird. Und da schließe ich an die gestrigen Ausführungen von Kollegen Appé an, die mich sehr beeindruckt haben: Gerade hier im Bundesrat hat sich der Ton über die letzten Monate in einer Weise verschärft, die nicht dazu beitragen wird, der Bevölkerung mehr Vertrauen in das Handeln der Politik zu geben. Wie sollen wir denn die zunehmende Aggression auf den Straßen eindämmen, wenn wir selbst hier im Hohen Haus den Bürgerinnen und Bürgern ein schlechtes Beispiel in unserem Um­gang miteinander geben?

Der Kern unserer Demokratie ist der gewaltlose Ausgleich entgegengesetzter Interes­sen, dabei entscheiden Mehrheiten und die Achtung des Schutzes von Minderheiten. Das ist zu akzeptieren, weil unser demokratisches System sonst nicht funktionieren wird. Eine Abstimmungsniederlage hier im Parlament auf die Straße zu tragen, das ist sicher nicht der richtige Weg. Das würde nur zu einer weiteren Eskalation führen, die wir alle nicht haben wollen.

Es liegt also nicht nur an der Regierung, es liegt auch an uns Bundesrätinnen und Bun­desräten, den Bürgerinnen und Bürgern nun Sicherheit zu vermitteln. Damit meine ich nicht nur die Sicherheit vor dem Covid-Virus, da ist auch jeder Einzelne gefragt, etwas dagegen zu tun und sich situationsgerecht zu verhalten, sondern ich meine vielmehr, die Sicherheit zu geben, dass die Repräsentanten der Demokratie wissen, wie in schwieri­gen Situationen miteinander umzugehen ist, und dass sie ein gutes Beispiel dafür ab­geben, wie man trotz gegensätzlicher Meinungen miteinander auskommt.

Da nehme ich jetzt keine Fraktion aus: Wir alle sind dafür verantwortlich, ein gutes Vor­bild dafür zu sein, wie man mit konträren Meinungen umgeht, nämlich gewaltlos, mit


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Respekt vor dem anderen und mit der Absicht, auch künftig eine gute Gesprächsbasis zu haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Letzte Woche habe ich einer Sitzung des Tiroler Landtages beiwohnen dürfen. Dort sind fast die gleichen politischen Gruppierungen vertreten, dort geht es um die gleichen The­men, dort gibt es die gleichen unterschiedlichen Meinungen und Interessen, aber was uns unterscheidet, das ist die Art, wie die Debatten geführt werden. Die Debatten werden dort ebenfalls heftig geführt, aber im Vergleich zum Bundesrat nicht untergriffig oder gar beleidigend – und das ist der große Unterschied!

Ich bitte Sie daher, heute auch im Zeichen eines vorweihnachtlichen Friedens unter Be­weis zu stellen, dass harte Kritik hier natürlich Platz hat, dass sie aber nicht beleidigend ist und für die Zukunft, die nicht einfach werden wird, weiter eine tragfähige Gesprächs­basis bietet.

Ich komme zum Schluss. Am Ende möchte ich mich bei allen bedanken, die sich in den letzten sechs Monaten für meine Präsidentschaft, aber auch für uns alle ins Zeug gelegt haben. Ich möchte mich bedanken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bun­desratskanzlei, beim Bundesratsdienst, der unter der Leitung von Direktorin Susanne Bachmann und ihrer Stellvertreterin Alice Alsch-Harant stets eine verlässliche Stütze für den geordneten Ablauf hier im Plenarsaal ist. Auch den Mitarbeitern des Hohen Hau­ses und der Klubs und ganz besonders meiner Assistentin Paula Jenner gilt mein Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesra­tes Arlamovsky.)

Ein ganz besonderer Dank gilt natürlich auch meinem Pressesprecher Thomas Neuhau­ser, der mir während meiner Präsidentschaft jederzeit – und wirklich jederzeit – mit Rat und Tat zur Seite gestanden ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Mein ausdrücklicher Dank gebührt auch den Fraktionsvorsitzenden. Außerhalb des Ple­narsaales, muss ich sagen, hat die Zusammenarbeit stets gut funktioniert. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Das wird oft zu wenig gewürdigt – ich rede jetzt vor allem von der Präsidiale –, ich möchte das hier aber ausdrücklich tun und mich auch da für die gute Zusammenarbeit bedanken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Meiner Nachfolgerin Christine Schwarz-Fuchs wünsche ich viel Erfolg für die Präsident­schaft Vorarlbergs – wir sind ja Nachbarn, wir werden das über die kurze Strecke über­geben. Ich wünsche dir, liebe Christine, dass sich zum Frühjahr hin nicht nur die Situation in der Pandemie verbessert (Bundesrätin Schwarz-Fuchs: Schön wär’s!), ich wünsche dir auch, dass sich das politische Klima wieder normalisiert und verbessert.

Ich habe diese Präsidentschaft mit Stolz und Freude ausgeübt und werde auch sehr gerne auf diese Zeit zurückblicken.

Ihnen allen hier im Plenarsaal und vor allem zu Hause vor den Bildschirmen wünsche ich eine gesegnete Weihnachtszeit. Nützen Sie diese Zeit, um sich darauf zu besinnen, was Ihnen am wichtigsten ist: Ihre Familie, Ihre Freunde, Ihre Heimat. Gehen Sie trotz aller Widrigkeiten, die uns die Pandemie bereitet, mit Hoffnung und Zuversicht ins neue Jahr. Dieses Land hat schon viele schwierige Zeiten durchgemacht, wir haben uns im­mer wieder aufgerappelt, und wir haben nach politischen Konflikten, die durchaus schon heftiger waren als jene heute, immer wieder zueinandergefunden. Denken wir nun bes­ser an das, was uns in diesem Land eint, und nicht an das, was uns trennt! – Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.23


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 16

09.23.40Aktuelle Stunde


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Wachstum, Wohlstand, Fortschritt – zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich“

Ich darf Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck nochmals herzlich willkommen heißen. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bun­desministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktionszugehörigkeit mit jeweils einer Redezeit von 5 Minuten. Zu­letzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile es ihr und ma­che darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte, Frau Bundesrätin.


9.24.53

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident, ich möchte mich auch bei dir für deine Präsidentschaft bedanken. Du hast das wirklich mit Engagement und mit sehr viel Gefühl gemacht. Man merkt, wie viel dir diese Präsidentschaft bedeutet hat. Ein herzliches Dankeschön dafür! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Frau Minister, ein herzliches Dankeschön auch dafür, dass du heute da bist (Bundesrat Steiner – erheitert –: Na dank schön! Da müssen wir uns schon bedanken!) und dass wir dem Wirtschaftsstandort Österreich die richtige Position geben dürfen und auch da­rauf aufmerksam machen, wie viel Kraft, wie viel Dynamik, wie viel Flexibilität in unserer Wirtschaft steckt. Das haben wir in den Sommermonaten gezeigt: Der Motor der Wirt­schaft ist gelaufen – das können wir am Wirtschaftswachstum ablesen sowie daran, wie die Entwicklung am Arbeitsmarkt gewesen ist.

Ich denke, das ist der Mix der Betriebsgrößen, die wir in Österreich haben – das sind die Kleinst-, die Klein-, die Mittelbetriebe und die Leitbetriebe. Wir sind verbundene Gefäße, und gerade dieser Mix ermöglicht uns ein flexibles Handeln in den schwierigsten Situa­tionen – wir haben das in der Finanzkrise gesehen, und wir haben jetzt leider die Situa­tion mit der Pandemie. Ohne Unterstützung, ohne Wirtschaftshilfen wäre es aber nicht so gut gelaufen.

Ich hebe einige Maßnahmen heraus, die wirklich sehr wichtig waren und die auch sehr rasch umgesetzt wurden und eine große Hilfe sind: zum Beispiel der Härtefallfonds gera­de für unsere kleinen Unternehmen, für unsere kleinsten Unternehmen. Dieser ist auch sehr unbürokratisch und sehr schnell abgewickelt worden, 98 Prozent sind bereits aus­bezahlt worden. Weitere wesentliche und wichtige Punkte sind auch der Ausfallsbonus oder die Kurzarbeit, die auch ein Projekt der Sozialpartner war, die daran mitgearbeitet haben, dass das so gut und so rasch möglich wurde.

Ein wirkliches Erfolgsprojekt ist die Investitionsprämie (Bundesrat Steiner: Das Kauf­haus Österreich!), die während der Pandemie ganz einfach wichtig für die Konjunkturbe­lebung ist. Wenn man sich das anschaut: Wir haben 243 000 Anträge, 5 Milliarden Euro


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Förderung, und diese haben ein Investitionsvolumen von rund 78 Milliarden Euro aus­gelöst. Wir wissen, dass drei Viertel der Unternehmen diese Investitionen nicht in dieser Höhe und vielleicht überhaupt nicht getätigt hätten. So haben wir Arbeitsplätze erhalten und Arbeitsplätze geschaffen und damit auch die Lebensqualität in unseren Regionen gestärkt. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Das hat den Wirtschaftsstandort Österreich gefestigt. Ich sage: Danke schön, das ist Standortpolitik mit Weitblick! Österreich ist da ein Vorbild – in keinem anderen Land hat es diese Förderung gegeben.

Neben der Investitionsprämie ist die ökosoziale Steuerreform die größte Konjunkturmaß­nahme der Zweiten Republik. Für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichi­schen Wirtschaft ist die Senkung der Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent besonders wichtig. Die stufenweise Senkung der KöSt auf 23 Prozent schafft ein Ent­lastungsvolumen von ungefähr 700 Millionen Euro, und das ist für uns in Österreich, für 80 000 Unternehmen ganz wichtig.

Österreichs Wirtschaft ist erfolgreich, wir sind vor allem sehr erfolgreich im Export – 6 von 10 Euro erwirtschaften wir im Export –, und auch da ist es wichtig, dass unsere Betriebe Unterstützung haben. Gemeinsam mit dem Ministerium, gemeinsam mit unse­ren Außenhandelsbüros werden Märkte aufbereitet und unsere Betriebe unterstützt. Es gilt ganz einfach, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft national, aber auch inter­national zu stärken.

Ich sage auch Danke für und begrüße das Projekt österreichische Standortstrate­gie 2040, wozu du Wirtschaft und Experten eingeladen hast, die sich mit der Wertschöp­fungskette der Zukunft beschäftigen und den Fokus auf Zukunftsthemen setzen, damit Österreich weiterhin im internationalen Vergleich punkten kann, und natürlich auch die Digitalisierung – es ist wesentlich und wichtig, dass wir da alle mitnehmen und uns einen hohen Standard erhalten – in Österreich vorantreiben.

Energie ist ein wesentliches Thema und natürlich auch die grüne Technologie, die neuen Berufe. Wichtig sind auch die Investitionen in Erneuerbare. Das sind wichtige Investi­tionen, wenn sie in die regionale Wertschöpfung fließen. Das stärkt auch den Standort und schafft Arbeitsplätze, vor allem in unserem ländlichen Raum.

Wir müssen ganz einfach offen sein, für alle Technologien. Wir brauchen mehr Wasser­kraft, mehr Wind, mehr Fotovoltaik, auch mehr Biomasse. Wir brauchen mehr erneuer­bares Gas und vor allem Wasserstoff. Die Energiewende ist eine große Chance für unseren Standort Österreich, und ich bedanke mich da recht herzlich für all die Initiativen und Unterstützungen, die gesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Dass wir wirtschaftlich erfolgreich sind, dass wir auch im Export so erfolgreich sind, hängt vom großen Know-how ab, das wir in unseren Betrieben haben. Wir können nicht mit Billigpreisen punkten, sondern wir punkten mit unserem Wissen, und das ist wesentlich. Da ist der wichtige Faktor der Mensch. Wir dürfen bei all dem nicht vergessen, dass es ganz wichtig ist, dass wir verstärkt auf Ausbildung setzen, auf Qualifikation unserer Jugend.

Mir ist es ganz besonders wichtig, dass wir nicht immer wieder den qualifizierten Zugang zum Gewerbe als etwas Negatives, als etwas Einschränkendes betrachten. Nein, der qualifizierte Zugang – sagen wir ruhig: die Gewerbeordnung – ist ganz einfach wichtig, weil da Wissen weitergegeben wird, weil wir auf diesem Wissen aufbauen, und dieses Wissen ist es auch, das uns diese Entwicklung ermöglicht. Deshalb ist es mir ganz wichtig, dass wir den jungen Menschen, vor allem jenen, die die duale Ausbildung er­greifen, auch die nötige Wertschätzung entgegenbringen. Wir wissen, dass unsere Be­triebe Fachkräfte brauchen, das ist in aller Munde, das könnt ihr überall nachlesen. Die


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Wertschätzung gegenüber diesen Fachkräften ist mir in unserem Land aber noch viel zu niedrig, wir bringen sie ihnen nicht entgegen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Es gibt keine gute, es gibt keine schlechte Ausbildung, es gibt nur Ausbildung, und die ist wichtig. Egal welche Ausbildung unsere Jugend wählt, jeder Jugendliche muss ganz einfach die Wertschätzung dafür erhalten. Das ist ganz wichtig, und es hängt auch sehr viel von uns ab.

Wenn wir weiterhin auf unsere Stärke vertrauen, wenn wir weiterhin auf unsere hoch qualifizierten, motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen, wenn wir Unterneh­merinnen und Unternehmer haben, die mit Weitblick und Ruhe und auch mit der nötigen sozialen Kompetenz ihre Betriebe führen und gleichzeitig auch die Unterstützung der Regierung, der Politik haben, dann glaube ich, dass Österreich gut aufgestellt ist, dass wir auch diese jetzt sehr schwierige Situation sehr gut bewältigen und dass wir weiterhin einen Topplatz im internationalen Wettbewerb haben werden. Der Wirtschaftsstandort Österreich ist ein begehrter Standort. Wir erkennen es daran, dass wir viele Gründungen haben und sehr viele internationale Firmen überlegen, sich hier in Österreich niederzu­lassen.

Ich sage noch einmal ein herzliches Dankeschön. Nur gemeinsam, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, können wir Österreich – auch den Wirtschaftsstandort – un­terstützen. Damit helfen wir uns allen, und vor allem geben wir unseren Kindern einen guten Ausblick und einen guten Start in die Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.33


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile dieses. – Bitte.


9.33.49

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hau­se! Ich bin, ich möchte schon fast sagen, sehr beruhigt, Sie heute hier zu sehen, Frau Ministerin. Ich hatte schon Angst, dass Sie der Regierung abhandengekommen sind, denn wir haben in der Krise, in der Regierungskrise und auch vor und während des vierten Lockdowns, nicht wirklich viel von Ihnen gehört. Mit „wir“ meine ich die Unterneh­merInnen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Ofner und Steiner.)

Na ja, gelesen hat man etwas – eine Unterschrift auf einem ominösen Papier, wonach Sie ja aus der Regierung ausscheiden würden, wenn Sebastian Kurz geht. (Bundesrat Steiner: Die Tiroler ÖVP hat immer dann ...!) Und einmal habe ich etwas gehört, das ich in der momentanen Situation für nicht sehr angebracht halte: eine Aussage, in der Sie die Wiener Unternehmerinnen und Unternehmer kritisieren, dass Aufholbedarf bestehe, was die Sonntagsöffnungszeit betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, diese kontroverse Diskussion jetzt, in dieser Situation, den Unternehmerinnen und Unternehmern auch noch zuzumuten und ihnen das vorzuwerfen (Zwischenruf des Bundesrates Bader), ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, der letzte Sonntag, dieser eine Tag mit den 180 Millionen Euro, war sicherlich gut für die Wirtschaft, war sicherlich wichtig. Gerettet hat er bestimmt nichts. Am meisten wäre den Unternehmerinnen und Unternehmern geholfen gewesen, wenn Sie, Frau Ministe­rin, sich dagegengestellt hätten, als Ihre Regierung das Epidemiegesetz ausgehebelt hat, denn dann wären diese Unternehmerinnen und Unternehmer keine Bittsteller, die sich von Lockdown zu Lockdown hanteln und in einer Warteschleife warten müssen, ob, wann und wie viel an Wirtschaftshilfe sie bekommen werden. (Beifall bei der SPÖ.) Diese Warteschleife dauert manchmal so lange, dass es die Unternehmen trotz der immensen Kraft, die unsere Unternehmerinnen und Unternehmer haben, nicht überleben.


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Zu den Wirtschaftshilfen möchte ich schon eines sagen: Der Verlustersatz von 40 Pro­zent für den Monat Oktober, in dem 30 Prozent der Tage Lockdown war, war schon fast ein Schildbürgerstreich.

Nun aber zum Thema der Aktuellen Stunde: Wohlstand, Fortschritt. Ich möchte einmal mit Wohlstand beginnen. Diesen hätte sich so manche kleine Unternehmerin und so mancher kleine Unternehmer sehr, sehr gerne erwirtschaftet, während sie zusehen mussten, wie die großen Handelsketten von den Socken über Kleidung und Elektroge­räte bis hin zu den Haushaltsgeräten alles verkauft haben, was jetzt bei ihnen in den Lagern liegen bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben zwar zaghaft angemerkt, der Handel sei nicht das Zentrum der Ansteckun­gen – ja, das stimmt –, Alternativvorschläge habe ich nicht gehört. Die UnternehmerIn­nen haben aber auch das wieder mitgetragen, aus dem Wissen heraus, dass Gesundheit unser höchstes Gut ist. Ich möchte aber schon auch Folgendes sagen: Auch die Ge­sundheit der Unternehmerinnen und Unternehmer ist ein hohes Gut. Der Sozialdemokra­tische Wirtschaftsverband fordert jetzt schon so lange, dass Kleinstunternehmen mit unter fünf Mitarbeitern ab dem vierten Tag Krankengeld bekommen sollen, unabhängig davon, ob die jeweiligen Personen 43 Tage krank sind oder nicht, denn für sie ist Krank­heit nicht nur lebensgefährlich, sie ist auch existenzbedrohend für sie und ihre gesamten Familien. (Beifall bei der SPÖ.) Da verschwimmt die Grenze vom Wohlstand zum Leer­stand sehr.

Ja, Wohlstand muss das Ziel sein. Jetzt aber ist das Ziel Existenzsicherung. 4,3 Prozent allgemeine Inflation mag sich im Moment als Zahl nicht so erschreckend anhören, wenn wir aber den Miniwarenkorb anschauen, in dem die Treibstoffe drinnen sind, in dem Energie drinnen ist, sind wir bei 10 Prozent. Unsere energieabhängigen Produzenten – die kleinen – stemmen das nicht! Sie können das nicht mehr schaffen! Und: Die Kaufkraft schwindet, denn es ist ja auch für die Menschen immer teurer.

Das zweite Wort ist Wachstum. Wirtschaftswachstum ist ein sehr heikles Pflänzchen. Das wuchert nicht wie Unkraut. Es braucht eine ordentliche Basis, gute Erde und gute Pflege. In der Pandemie muss für die Zukunft vorgesorgt werden. Was wir schon gehört haben – da hat Frau Kollegin Zwazl natürlich recht –: Wir brauchen Fachkräfte. Ohne Fachkräfte gibt es kein Wachstum, und diese Fachkräfte brauchen Kinderbetreuung. Bessere Kinderbetreuung erleichtert die Selbstständigkeit und wirkt dem Fachkräfte­mangel entgegen. (Beifall bei der SPÖ.) Leider ist mein Bundesland Niederösterreich da sehr säumig. Dass beide Elternteile Vollzeit arbeiten, ist angesichts der Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen sehr, sehr schwer.

Wachstum braucht auch Investition. Für Einpersonenunternehmen ist es sehr, sehr schwer, gerade aus der Krise heraus, zu investieren. Deshalb fordert auch da der SWV schon so lange eine Möglichkeit auf steuerfreie Investitionsrücklagen, so wie Kapitalge­sellschaften das haben.

Jetzt wird es kompliziert, jetzt kommen wir zum Fortschritt: Mit Verlaub, Frau Ministerin, wie Sie auf das Thema zugehen, erschließt sich mir nicht. Da ist mein Vertrauen enden wollend. Das Kaufhaus Österreich ist für mich nicht vergessen, auch wenn es zu ver­gessen ist. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben sich nie mit einem Wort für die Steuer­million – es war eigentlich über 1 Million Euro –, die da in den Sand gesetzt wurde, bei den Unternehmerinnen und Unternehmern entschuldigt.

Ich habe wieder hineingeschaut, ich habe Schmuck gegoogelt. Es wurden mir einige Firmen vorgeschlagen, und dann kam: Nichts Passendes gefunden? Dann googeln Sie, aber bitte in Österreichdomains! – Das ist eh lieb, aber kein Fortschritt! (Beifall bei der SPÖ.)


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Zum Fortschritt gehören auch technische Voraussetzungen und dazu gehört der Glasfa­serausbau. Diesen braucht es jetzt! Ohne schnelles Internet haben Kleinst- und Kleinun­ternehmen, Einpersonenunternehmen einen großen Wettbewerbsnachteil. Diese kön­nen dann innovative Ideen nicht umsetzen, Entwicklungsschritte nicht setzen. In Nieder­österreich wird so viel davon geredet, aber der Ausbau lässt auf sich warten. In einigen Gemeinden in meinem Bezirk wurden Umfragen gemacht, denn wenn mehr als 40 Pro­zent der Haushalte den Glasfaserausbau finanzieren, dann kommt er. Frau Ministerin, Glasfaserausbau ist Grundversorgung, das gehört in die öffentliche Hand! (Beifall bei der SPÖ.) Das darf nicht davon abhängen, wie viele Haushalte mitfinanzieren. Da geht es um die Sicherung des Wirtschaftsstandortes und auch um diesen vielbeschworenen ländlichen Raum und dessen Entwicklung, denn wenn nicht einmal Homeoffice gemacht werden kann, dann wird es Abwanderung geben. – So viel zu den Eingangsworten des Herrn Präsidenten Raggl.

Zum Schluss: Verantwortung für die österreichische Wirtschaft und den Wirtschafts­standort zu übernehmen bedeutet auch, dem Tiroler Wirtschaftsbundobmann Hörl und Ihrer Ministerkollegin Köstinger nicht zu ermöglichen, dass Tausende Skifahrer aus Ka­tastrophengebieten zu uns gebracht werden. Ab Freitag gibt es Einreisebeschränkun­gen. Ihre Aufgabe ist es, den Wirtschaftsstandort nachhaltig zu schützen. Dazu gehört auch, dass Sie verhindern müssen, dass uns Omikron, worüber wir jetzt schon verhee­rende Prognosen präsentiert bekommen – ich hoffe nicht, dass sie eintreten –, überrollt. Wie stehen wir dann erstens einmal gesundheitlich in diesem Land da? Wie stehen die UnternehmerInnen dann nach dem nächsten Lockdown da? Diesen gilt es hinauszu­zögern und zu verhindern. Wie stehen wir international da? Der Ruf ist schon lange nicht mehr der, der er einmal war.

Wenn das beherzigt wird, dann wird es auch etwas mit Wohlstand, Fortschritt, mit Wachstum und mit dem Wirtschaftsstandort Österreich. Die Unternehmerinnen und Un­ternehmer tragen alles Menschenmögliche dazu bei. Ihnen gilt mein, unser Dank. Es ist unglaublich, wie leidgeprüft diese in den letzten beinahe zwei Jahren sind, was sie ge­leistet haben, worauf sie verzichtet haben, wo sie durchgewandert sind.

An dieser Stelle möchte ich all den Unternehmerinnen und Unternehmern eine schöne Weihnachtszeit wünschen. Auch sie brauchen ein bisserl Zeit und Raum für sich und ihre Familien. Es war eine schwere Zeit. (Beifall bei der SPÖ.) Danke an unsere Un­ternehmerinnen und Unternehmer, die Österreich am Laufen halten! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.44


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses.


9.44.23

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Kollegin Zwazl, ich glaube, Sie haben es sehr gut auf den Punkt gebracht, Sie haben gesagt, Europa schaut auf Österreich, Österreich ist ein Vorbild für die ganze Welt geworden. Das stimmt, aber dahin gehend, dass es ein Vorbild dafür ist, wie man es nicht macht. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, kein Land in Europa – zumindest Europa, weltweit traue ich mich jetzt nicht zu sagen, aber soweit ich weiß, auch weltweit – hat eine derartige Flut von einander widersprechenden, absurden, wöchentlich sich ändernden und unvorhersehbaren Be­schränkungen für die Wirtschaft, für die Bevölkerung, für den Einzelnen gemacht, wie Österreich in den letzten drei Monaten. (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein, das stimmt ganz sicher nicht!) Kein Land hat es geschafft, beginnend mit Anfang November, sich zum internationalen Hotspot des Infektionsgeschehens hochzustilisieren, die Leute in Angst


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und Schrecken zu versetzen, wenn sie nur hören, die Oma oder der Onkel oder der Bub fährt nach Österreich. Da haben wir wirklich Vorbildwirkung entwickelt, wie man es nicht macht. (Bundesrätin Zwazl: Machen Sie doch nicht die österreichische Wirtschaft schlecht!)

Deswegen wundert es mich, dass jetzt von der ÖVP das Thema vorbildliches Wirtschaf­ten in Österreich, Fortschritt, Wohlstand und so weiter gewählt wird, da alles gemacht wird, den Fortschritt zu stoppen, die Wirtschaft zu bremsen, die Unternehmen zu ruinie­ren, das Eigenkapital zu erodieren, die einzelnen Unternehmensbetreiber in den – unter Anführungszeichen – „Wahnsinn“ zu treiben (Bundesrätin Zwazl: Das sagt einer, der nicht in der Wirtschaft ist!) und die Kaufkraft und den Wohlstand der Unternehmer, ge­nauso wie der Mitarbeiter und Angestellten, erodieren zu lassen. Das ist erstaunlich! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Mir erzählen Sie nicht, was in der Wirtschaft los ist!)

Liebe Frau Kollegin Zwazl, Sie werden mir doch nicht erklären, dass es, wenn man im November davon redet: Wir machen jetzt einen Lockdown, wir machen einen Lockdown für die Ungeimpften, wir sperren die Ungeimpften ein, wir lassen sie nicht mehr rein!, Nein, doch nicht, wir machen einen Lockdown für alle!, Nein, den heben wir auf, aber für die Geimpften vielleicht doch nicht!, Wir sperren die Gastronomie - - (Bundesrätin Zwazl: Wir reden vom Wirtschaftsland!) – Ja, wir reden von der Wirtschaft. (Bundesrätin Zwazl: Ich bin Unternehmerin! ...!) – Sie werden mir doch zugestehen, dass das Zusperren des Landes, das Beschränken, das Lockdownverhängen in der Gastronomie, die Betre­tungsverbote – mit der Wirtschaft zu tun haben. Sie werden ja nicht meinen, dass Wirt­schaft nur mit Worten zu tun hat. (Bundesrätin Zwazl: Nein, aber unsere Wirtschaft ist stabil und gut und das kommt nicht von ungefähr!) Sie werden ja nicht meinen: „haltet Euch an Worte! / Dann geht Ihr durch die sichre Pforte / Zum Tempel der Gewißheit ein.“ – Das ist vielleicht im „Faust“ vor 200 Jahren ein kluger Sager gewesen, für die Wirtschaftspolitik des Jahres 2021 ist es nicht genug. Wir müssen also zu den Fakten zurückkommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Spielchen, liebe Kollegen der Regierungsfraktionen, geht ja munterst weiter. Es geht munterst weiter, es gibt jede Woche irgendwelche neuen Geschichten. Drei Wo­chen lang war die Impfpflicht das große Thema. Erfreulicherweise ist die Impfpflicht jetzt angesichts der Omikrongeschehnisse ein bisschen in den Hintergrund getreten. Jetzt sind die neuen Warnungen: Omikron kommt wie eine Wand, wir müssen im Jänner wie­der alles zusperren! – Das ist genau das, was die Unternehmer nicht wollen, egal ob Industriebetriebe, Dienstleister, Hotellerie, Gastronomie – ausgenommen vielleicht die Inhaber von Spar und Billa, der Rewe-Gruppe, weil sie wissen, dass sie immer offen bleiben. Je mehr zugesperrt wird, desto mehr Geschäft machen sie. Diese nehme ich aus, die Vorstandsetagen dieser beiden Unternehmen freuen sich, sie sind aber natürlich nicht allein die österreichische Wirtschaft.

Frau Kollegin (in Richtung Bundesrätin Zwazl), Sie reden von der Vorbildwirkung Ös­terreichs, schauen wir einmal, wie sich diese Vorbildwirkung gesamtökonomisch ausge­wirkt hat! Sie kennen ja die Zahlen für das Jahr 2020, die Frau Minister wird sie hoffent­lich auch wissen. Wir haben in den Jahren davor ein plus/minus ausgeglichenes Budget gehabt. Die Kosten der sogenannten Lockdownmaßnahmen der Pandemie, die Sie als die Kosten des Virus bezeichnen, die in Wirklichkeit durch die Maßnahmen, die Sie ge­macht haben, die Kosten der Behinderung der Wirtschaft sind, liegen bei ungefähr 40 Mil­liarden Euro. Damit haben wir einen Teil des Schadens ausgeglichen und den Unterneh­men das Überleben ermöglicht.

Von einem ausgeglichenen Budget sind wir zu einem Budgetdefizit von 31 Milliarden Euro, 8,9 Prozent des Jahresbruttosozialprodukts, gekommen. In den ersten sechs Mo­naten dieses Jahres – weitere verlässliche Zahlen habe jedenfalls ich noch keine gese­hen – haben wir ein weiteres Defizit von 12,6 Milliarden Euro produziert. Damit haben


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wir die Gesamtverschuldung des österreichischen Staates um circa 12,5 Prozent ange­hoben. Wir nähern uns mit rascher Geschwindigkeit der 90-Prozentmarke eines Jahres­bruttosozialprodukts. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Na bravo! Danke an Schwarz-Grün!) Die Reallöhne sind in Österreich in den letzten zwei Jahren je nach Schätzung und je nach Berechnungsmethode um zwischen 2,5 und 3 Prozent gesunken. Die Unterneh­mensgewinne, also die Erträgnisse und der Lohn, den der Unternehmer für seine Tätig­keit hat, sind ins Bodenlose gefallen. Die Eigenkapitalquoten der Unternehmen, die Ei­genmittel, sind dabei, sich aufzulösen. Bis jetzt wird da nicht gegengesteuert, sondern es wird die Verunsicherung weitergetrieben und davor gewarnt, dass wir vor der abso­luten Katastrophe stehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Da man aber nicht nur schwarzmalen soll, sondern auch zeigen muss, wie es anders geht, müssen wir uns das einzige Beispiel in Europa und in der westlichen Welt ansehen, das einzige Beispiel eines Landes, das vernunft- und tatsächlich evidenzbasiert der Krise begegnet ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Der Kollege lächelt schon, weil er es weiß und dieses Land daher nicht erwähnt: Es ist das Land Schweden. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wir müssen uns das einfach anschauen. Das Land, das da nicht mitgemacht hat, das nicht jede Woche neue Geschichten gemacht hat, das die Bürger nicht eingesperrt hat, das die Unternehmen nicht in den Ruin getrieben hat, das das wirtschaftliche Geschehen nicht weitgehend aus der Schuldenbüchse, nicht aus dem Schatz des Staates bezahlt hat, welche Ergebnisse hat dieses Land? – Eines, denke ich, wissen wir sicher, und das ist unbestritten, wenngleich es in den Medien nicht zu finden ist: dass Schweden zumindest seit August 2021 in ganz Europa das Land mit den mit Abstand niedrigsten Infektionszahlen, mit Abstand niedrigsten Hospitalisierungszahlen und geringsten To­desraten ist, weil dort eine Gesamtimmunität der Bevölkerung erreicht wurde, und das bei einer geringeren Impfquote als in Österreich, das muss man hinzufügen. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.) – Sie lachen.

Ja, ich würde auch lachen; da kann man auch nur mehr lachen, aber da kann man nur über das reden, was man vorher gesagt hat, wenn man die wichtigen - - (Bundesrätin Zwazl: Nein, über Ihre Ausführungen! Wenn man alles so verdreht, ich meine ...!) – Na ja, wenn man alles so zerredet, wenn man sagt, das Einzige, was wir sagen dürfen, ist: Wir sind gut, wir sind ein Vorbild, wir sind die Schönsten, wir bewältigen alles, wir werden modern, wir digitalisieren, wir schaffen den Mangel an Fachkräften ab!, wenn ich das einfach sage, dann kann ich natürlich über alles andere lächeln, denn dann ist mir ja wurscht, was tatsächlich passiert, weil ich mich an die Worte halte.

So, jetzt schauen wir einmal, was in Schweden ökonomisch passiert ist: Wir haben letz­tes Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft von 6,5 oder 6,6 Prozent gehabt, Schweden circa 2 Prozent; wir haben ein Defizit von 31 Milliarden Euro produziert, Schweden circa 12 Milliarden Euro; wir haben heuer allein im ersten Halbjahr ein Defizit von 12 Milliarden Euro produziert, Schweden steuert auf einen ausgeglichenen Haushalt zu; die Arbeitslo­senquote ist in Schweden nicht gestiegen, sie ist derzeit auf einem historischen Tiefst­stand. (Ruf bei der SPÖ: Sozialdemokratisch ...!) – Ja, ja, das ist ein sozialdemokratisch organisiertes Land, deswegen – und da komme ich zum Abschluss gleich zu Ihnen (neu­erlicher Zwischenruf bei der SPÖ) – wundert es mich ja, dass gerade die Sozialdemokra­ten und gerade die große Virologin Rendi-Wagner Schweden überhaupt nicht erwähnt, dort nicht hinschaut, offenbar nicht ein einziges Mal mit dem zuständigen Obersanitäts­beamten – oder wie er sich nennt – in Schweden, der das Ganze geleitet hat, telefoniert. Er hat im März 2020 dort die Führung übernommen und hat gesagt: Wir brauchen die Herdenimmunität, in einer Pandemie zu impfen hilft nichts, wir müssen den Dingen lo­cker und gelassen entgegentreten! (Beifall bei der FPÖ.) Warum telefoniert sie nicht mit ihm, und warum versucht sie (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), die Regierung mit immer neuen Maßnahmen zu toppen?


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Frau Kollegin Kahofer, was Sie gesagt haben, ist ja alles richtig (Beifall bei Bundesrä­tInnen der SPÖ – Ruf bei der SPÖ: Bravo!), nur: Stellen Sie sich vor, Frau Kollegin Kahofer, die SPÖ, vertreten durch Rendi-Wagner, hätte die Pandemie dirigiert und hätte gesagt, welche Maßnahmen es gibt! – Da wären wir aus dem Lockdown überhaupt nicht mehr herausgekommen und unsere Verschuldung wäre nicht 31 Milliarden Euro (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), sondern wahrscheinlich 51 Milliarden Euro, weil sie gesagt hät­te, wir lassen den Lockdown und zahlen alles aus dem Staatsbudget! (Beifall bei der FPÖ.)

Das kann ja nicht sein, deswegen ist mein Weihnachtswunsch an die Sozialdemokratie: Nicht jeder von Ihnen, aber vielleicht jeder Dritte oder Fünfte von Ihnen – der Kollege lacht immer so (Bundesrätin Grimling: Wir wollen keine ...!) – könnte einmal einen schwedischen sozialdemokratischen Kollegen anrufen, könnte sich mit ihm online treffen – online natürlich (Zwischenruf des Bundesrates Kovacs), mehr darf ein Sozial­demokrat in Zeiten des notwendigen Social Distancing nicht tun (Zwischenrufe der Bun­desrätinnen Grimling und Schumann) –, und könnte mit ihm online über die Erfahrun­gen, über die Fehler, die gemacht worden sind und die nicht gemacht worden sind, über die wirtschaftlichen Entwicklungen und so weiter reden, oder er könnte die Seiten des schwedischen Gesundheitsministeriums, des schwedischen Wirtschaftsministeriums aufrufen und sich über die tatsächlichen Entwicklungen, die Fakten, die Wirtschaftslage und das Infektionsgeschehen im Vergleich zu Österreich informieren. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Mit diesem - -


Präsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesrat Hübner, darf ich um den Schlusssatz bitten? Herr Bundesrat Hübner, Schlusssatz! Wir haben eine beschränkte Redezeit, 10 Minuten.


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Ich wünsche allen schöne Weihnach­ten und Lichter der Erkenntnis. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.54


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreu­der. Ich erteile dieses.


9.55.09

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident, auch im Namen meiner Fraktion möchte ich mich ganz herzlich für die Präsidentschaft in wirklich schwierigen Zeiten bedanken. Sie haben das ausgesprochen gut gemacht, und ich muss gestehen, ich werde diesen Akzent, den ich wirklich gerne höre, durchaus vermissen; aber Vorarl­bergerisch ist auch sehr schön, das möchte ich hier auch betonen. Vielen herzlichen Dank!

Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier ja über den Wirtschaftsstandort. Herr Präsident, eigentlich betrifft das Motto Ihrer Präsidentschaft, „Starke Regionen, starke Republik“, durchaus auch eine Wirtschaftsstandortfrage und ist so auch klug gewählt, auch wenn ich als Wiener Bundesrat natürlich den starken urbanen Raum betonen möchte; den brauchen wir ja für einen guten Wirtschaftsstandort auch, der ist auch ganz wichtig, auch im internationalen Kontext. Genau diese Entwick­lung von Kreislaufwirtschaft, von regionalen Produkten, von regionaler Versorgung ist ja auch ganz wichtig für einen Wirtschaftsstandort, aber natürlich darf man auch die In­ternationalität nicht übersehen.

Was ich sehr wichtig finde, wenn wir über den Wirtschaftsstandort sprechen: Das ist ja nicht nur eine Frage des Wirtschaftsministeriums, es ist eine Querschnittsmaterie – ich glaube, das muss man immer wieder betonen –, zum Beispiel eine Querschnittsmaterie mit dem Bildungsministerium hinsichtlich Bildungsfragen oder mit dem Klimaschutzmi­nisterium im Bereich Klimaschutz. Auf den Klimaschutz wird mein Kollege Adi Gross, der das viel besser kann als ich, noch genauer eingehen.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 24

Wenn wir uns derzeit die Wirtschaftsstandortfragen anschauen, dann müssen wir uns natürlich auch die Herausforderungen anschauen. Es ist schon gesagt worden: Natürlich ist die Covid-Krise jetzt eine der Hauptherausforderungen, die wir haben, darum kom­men wir gar nicht herum, und das hat eine ganze Reihe an Folgen, etwa die Lieferket­tenproblematik, die wir durchaus auch haben, Inflationsraten, die uns natürlich Sorgen machen, die mit der Covid-Krisenbewältigung zu tun haben.

Weil die zwei VorrednerInnen sehr stark kritisiert haben, was gemacht worden ist, möch­te ich aber schon auch betonen, was zum Beispiel in Sachen Investitionsprämie in die­sem Land geleistet worden ist. Ich werde – international – wirklich angerufen und ge­fragt: Wie habt ihr das gemacht? (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.) So zu fördern, genau in den Bereichen, die zukunftsträchtig sind (Bundesrat Spanring: Drittschlechtestes ... in der ganzen EU, das musst einmal schaffen!), weil es für unsere Wirtschaftsstandortpolitik auch ganz wichtig ist, dass wir überall digitale Kom­petenz haben, auch in den Unternehmen, dass wir in den Klimaschutz investieren, auch in den Unternehmen, und dass wir in Lifescience investieren, auch in den Unternehmen, das ist einzigartig, und ich bin – das sage ich ganz offen – sehr stolz darauf. (Ruf bei der SPÖ: Parallelwelt!)

Betreffend Fachkräftemangel – der ist ja auch schon angesprochen worden – ist na­türlich die Ausbildung ein Schlüssel für die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes. Wenn man über den Fachkräftemangel spricht, muss man schon auch über gewisse Herausfor­derungen sprechen, vor denen wir in Österreich noch stehen; das ist sehr herausfor­dernd, und da muss man im Sinne des Wirtschaftsstandortes natürlich auch eng mit dem Bildungsministerium zusammenarbeiten.

Ich kann nicht so leidenschaftlich wie Frau Kollegin Zwazl für die Lehrlinge werben, das macht sie immer sehr eindrücklich, aber natürlich brauchen wir, wenn wir einen Fachkräf­temangel haben, auch Unternehmen, die diese Fachkräfte ausbilden; das ist enorm wichtig, und da kann man gar nicht genug Werbung machen. Wir wissen, und das ist schon eine Herausforderung, dass Bildungsnähe und Bildungsferne – auch wenn ich dieses Wort eigentlich gar nicht mag – in Österreich noch sehr stark vererbt werden. Da haben wir Nachholbedarf, da müssen wir ein viel durchlässigeres System schaffen. Wir brauchen ein Bildungssystem, das auch die sogenannten bildungsfernen Schichten stärker an Bildung heranführt. À la longue werden wir im Zusammenhang mit Fachkräf­ten natürlich auch über Migration sprechen müssen, und – seien wir uns ehrlich – wir sollten auch nicht Menschen loswerden wollen, die wir ausgebildet haben und die in Berufen arbeiten, die wir dringend brauchen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrä­tInnen der SPÖ.)

Ein wichtiger Punkt, das sei mir schon noch gestattet: Wir kennen das ja – und als Wiener Bundesrat kenne ich das natürlich ganz gut –, es gibt immer diese Umfragen betreffend die internationale Ansiedlungspolitik. Wo werden Unternehmen ihre Standorte ansiedeln?

Da gibt es immer diese berühmte Mercerstudie – und Mercer, das wissen wir ja, ist nicht unbedingt ein sehr linksliberaler Mensch, sondern eher ein Trumpist, aber es ist schon interessant, welche Kriterien internationale Firmen anwenden, wenn sie sich überlegen, wo sie sein wollen. Da sind die Steuerfragen und die wirtschaftspolitischen Fragen nur zwei Themenbereiche von ganz vielen. Da geht es um Kulturangebot, da geht es um Infrastruktur, da geht es um die Frage, welchen öffentlichen Verkehr es vor Ort gibt, welches Bildungsangebot es für die Kinder gibt, wie es mit Elementarpädagogik, die mit öffentlichem Verkehr erreichbar ist, ausschaut und so weiter. – Wien ist in diesen Studien immer sehr stark, das ist auch eine wichtige Sache. Wien hat Anziehungskraft für inter­nationale Unternehmen – das ist auch gut so.


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Einen Punkt möchte ich aber noch ansprechen, denn mit dem beschäftige ich mich schon seit vielen Jahren, und heute habe ich einmal die Gelegenheit, das hier auch los­zuwerden. Wenn es auf diesem Gebiet nämlich einen Experten gibt, den ich Ihnen wirk­lich ans Herz legen kann – lesen Sie seine Bücher! –, ist das Richard Florida. Richard Florida ist ein Sozialwissenschafter, und er hat etwas sehr Interessantes gemacht – er hat damit in den USA angefangen und dann bemerkt, dass es international funktioniert. Er hat sich vor allem mit der Kreativwirtschaft beschäftigt, und als Obmann der Fach­gruppe Werbung und Marktkommunikation und selber als Unternehmer in diesem Be­reich habe ich natürlich sehr viele Anknüpfungspunkte mit der Kreativwirtschaft.

Er hat sich angeschaut, in welchen Städten und welchen Regionen die Wirtschaft in diesem Bereich am erfolgreichsten ist. Zufällig hat eine Kollegin von ihm eine Liste von Städten, wo es eine besonders intensive Diversitätspolitik gibt, gemacht: Wo haben Frauen gute Chancen? Wo gibt es Antirassismusmaßnahmen? Wo gibt es eine leben­dige LGBTIQ-Kultur? Wo gibt es ein lebendiges Kulturangebot? – Und siehe da: In den Städten und in den Regionen, in denen eine Kultur der Vielfalt sehr gelebt wurde, war auch die Wirtschaft am erfolgreichsten. Das finde ich schon interessant, dass wir dann, wenn wir auch aktiv Diversitätspolitik betreiben – die Frauen, die MigrantInnen, die LGBTIQs unterstützen – tatsächlich auch Wirtschaftspolitik und Standortpolitik machen, weil man in diesen Städten natürlich auch lieber arbeitet als anderswo und weil sich internationale Firmen dort auch lieber ansiedeln.

Ich möchte noch kurz zum Bereich Digitalisierung etwas sagen. Wir beide (in Richtung Bundesministerin Schramböck) haben schon öfter mit dem Thema zu tun gehabt. Es ist keine Frage, dass die Herausforderung der Digitalisierung vor allem bei unseren KMUs, in unserem von KMUs dominierten Wirtschaftssystem ein ganz wichtiges Thema ist. Mit KMU digital ist da wirklich etwas Gutes geschaffen worden, das halte ich auch für wichtig. Ich glaube, das muss man auch ausbauen, das gehört auch noch näher an die Betriebe heran. Das ist eine tolle Initiative.

Vielleicht ist auch Folgendes ganz interessant – wenn ich heute schon mit Studien und Richard Florida dahergekommen bin –: Es gibt eine andere interessante Studie, die ich mir diesbezüglich angeschaut habe, nämlich eine von Katharina Dengler und Britta Martthes, die sich die „Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt“ angeschaut haben. Was ich nämlich schon auch interessant finde: Wenn wir über digitale Kompetenzen sprechen, müssen wir auch immer über humane Kompetenzen sprechen – was kann die digitale Arbeit nicht machen?

Das ist ganz interessant: Die beiden haben festgestellt, dass 70 Prozent der Arbeit, die wir vollbringen, nicht von Computern zu erledigen sind, einfach weil das Empathische, das Menschliche, das Kreative, das Menschen können, gar nicht ersetzbar ist. Bei den 30 Prozent, die durchaus ersetzbar sind, ist deren These sogar – das fand ich ganz spannend –, dass durch die Artificial Intelligence, durch Robotik und durch Digitalisie­rung ganz viele neue Berufe entstehen, die deutlich mehr sind als das, was wir verlieren werden. Das heißt aber natürlich auch, dass wir die Kompetenzen brauchen, dass wir die Menschen brauchen. Das heißt, was wir eigentlich auch brauchen, ist, dass wir Men­schen ein bisschen die Angst vor der Digitalisierung nehmen, da nämlich Robotik, Arti­ficial Intelligence, mehr Digitalisierung auch eine Chance darstellen, denn wenn man sich da gut auskennt, ist man international vorne, und das halte ich für ganz wichtig.

Ein Satz noch zum Schluss: Wir haben in den letzten Jahren immer, wenn es um Wirt­schaftspolitik geht, sehr oft und gerne viel über Start-ups gesprochen. Das halte ich auch für wichtig, aber es gibt natürlich auch viele Betriebe, die es schon gibt, und die müssen wir selbstverständlich in genau demselben Ausmaß mitnehmen wie die Start-ups. Das halte ich immer für ganz wichtig. Wir sollten die bestehenden Betriebe nicht verlieren, wenn es um den Bereich Innovation, Digitalisierung, Klimaschutz und Lifescience geht.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 26

In dem Sinne wünsche ich für die Strategie alles Gute. Ich glaube, wir müssen da alle eng zusammenarbeiten, auch in der Region. Ich finde es auch wichtig, dass wir das im Bundesrat diskutieren, weil es tatsächlich nicht nur eine Frage der Bundesebene ist, sondern wirklich für jede Region, für jede Gemeinde, für jedes Bundesland. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.05


Präsident Dr. Peter Raggl: Für eine erste Stellungnahme hat sich Frau Bundesmi­nisterin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Schramböck zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.


10.05.21

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! „Österreich“ ist „bisher recht gut durch die Corona-Krise gekom­men“. Das ist kein Zitat von mir, sondern das ist das Ergebnis des OECD-Berichtes, den ich erst am Montag gemeinsam mit Generalsekretär der OECD Mathias Cormann vor­gestellt habe. Das sind internationale Vergleiche mit vielen Ländern, dabei werden viele Komponenten und viele Faktoren unser aller Lebenswelten, all der Lebenswelten jener, die in Österreich leben, berücksichtigt. Ja, dieser Bericht sagt ganz klar, dass wir es gut gemacht haben. Dass es immer noch besser geht, ist klar, aber diese Zahlen zeigen eindeutig die Stärken, die wir in dieser Krise gezeigt haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Eine dieser Stärken sind unsere mutigen Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn nur im Miteinander, nur im Gemeinsamen funk­tioniert es im Unternehmen. Was wir als Politik tun können, ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sie es schaffen können.

Auch die Insolvenzzahlen zeigen es uns. Es ist darauf hingewiesen worden, dass es den Betrieben sehr, sehr schlecht gegangen ist. – Ja, solche Lockdowns sind nicht lustig, im Gegenteil, sie sind schwierig zu bewältigen, und ja, das sind Herausforderungen, an die man vor fünf Jahren noch gar nicht hat denken können, denn dieser Virus, der da plötz­lich in den letzten Jahren aufgetreten ist, ist etwas Neues, etwas ganz anderes. Diese Unternehmen haben sich darauf konzentriert, und die Insolvenzzahlen zeigen uns: Sie liegen bei circa einem Drittel von dem, was wir früher in normalen Jahren an Insolvenzen hatten. Man kann also schon sagen, dass diese Hilfen, gerade in dieser Krise, angekom­men sind. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Schauen wir uns jetzt das andere Thema an – die Bewältigung der Krise als ganz wich­tigen Punkt habe ich gerade genannt –, nämlich dass wir gleichzeitig auch Impulse setzen. Diese haben wir gesetzt, das sieht man am Wirtschaftswachstum. Für das Jahr 2021 liegt es bei circa 4,1 Prozent, sowohl von internationalen als auch von öster­reichischen Wirtschaftswissenschaftlern veranschlagt, und ist damit höher als das Wirt­schaftswachstum von Deutschland und auch höher als das Wirtschaftswachstum vieler anderer Länder – für das Jahr 2022 sind es 5,2 Prozent.

Blicken wir andererseits auf die Arbeitslosenquoten! Diese waren sehr, sehr hoch am Beginn dieser Covid-Krise, als wir alle gemeinsam gelernt haben, damit umzugehen, aber die Mechanismen, die wir eingeführt haben – die Kurzarbeit, aber auch die sonsti­gen Unterstützungshilfen für die Unternehmen –, haben gewirkt und wir haben heute eine geringere Arbeitslosigkeit als wir sie im Vergleichszeitraum des letzten Jahres hat­ten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ja, die Branchen sind unterschiedlich, die Unternehmen sind unterschiedlich und des­halb auch unterschiedlich betroffen, und sie werden unterschiedlich getroffen. Deshalb war es mir wichtig, dass es am letzten Wochenende zum ersten Mal seit den Sechziger­jahren wieder die Möglichkeit gegeben hat, an einem Sonntag zu öffnen, und zwar ös­terreichweit zu öffnen, und dass jedes Bundesland mitgemacht hat. – Danke an alle, die


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das ermöglich haben! Das war ein Schulterschluss, und ich sage nur: Jeder Tag zählt für den österreichischen Handel. (Bundesrat Steiner: Na, dann sperren wir nicht mehr zu! Dann lassen wir offen!)

Schauen wir auch darauf, was die Beschäftigten geleistet haben! Ich möchte auch die­sen ganz besonders danken, denn die Beschäftigten haben in diesen Covid-Zeiten gro­ße Herausforderungen zu bewältigen. Sie sind es, die exponiert sind – gerade im Han­del –, die tagtäglich Großartiges leisten. Wir sollten also gemeinsam auch ein großes Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Handels schicken. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Von dem Danke haben sie nichts!)

Und zu dem einen Thema: Ich habe nicht die Wiener Unternehmerinnen und Unterneh­mer kritisiert, bei Weitem nicht. Ich habe extra betont, es geht um die sogenannten Tou­rismuszonen, die in jedem Bundesland in Österreich individuell genutzt werden, darum, Chancen nicht vorüberziehen zu lassen, nämlich dann, wenn mehr Menschen im Land sind, wenn der Tourismus boomt, Chancen zum Beispiel auch an den Abenden. Das kann regional gelöst werden, und das tun halt alle Bundesländer in Österreich, nur Wien nicht. Meine einzige Anregung war, darauf, wie da die Möglichkeiten zu nutzen sind, einmal genauer hinzuschauen. Mitnichten habe ich die Wiener Unternehmerinnen und Unternehmer kritisiert, im Gegenteil: Sie haben meine vollste Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Hinsichtlich der Maßnahmen, die wir gesetzt haben, möchte ich Sie auch darauf auf­merksam machen, dass viele davon für die Klein- und Mittelbetriebe, ja sogar für die EPUs sind. Wir haben also niemanden alleine und im Regen stehen gelassen, denn der Härtefallfonds ist erneut aufgelegt worden und wird sehr, sehr stark genutzt.

Wir haben die Garantien, wir haben unterschiedlichste Maßnahmen, und auch die Kurz­arbeit gilt für jeden Mitarbeiter, auch wenn man nur einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin hat, und eben nicht nur für die Leitbetriebe. Es ist wichtig, auf die KMUs in Österreich zu schauen.

Ganz wesentlich, wenn wir in die Zukunft schauen, sind Investitionen – fast alle von Ih­nen haben das angesprochen, das ist ein wesentliches Thema –, und die Investitions­prämie ist da das Mittel der Wahl. Wir sind wirklich Vorbild, und darauf können wir auch stolz sein. Weltweit gibt es keine Maßnahme, die so umfassend, so weitreichend ist und bei der gleichzeitig der Fokus auf dieser Twin Challenge, auf dieser gemeinsamen He­rausforderung – auf der einen Seite digitale Transformation und auf der anderen Seite ökologische Transformation – liegt. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

Es ist ganz wesentlich, dass die Unternehmen das genutzt haben. Man braucht nur da­rauf zu schauen, dass 240 000 Anträge eingereicht wurden – wir sind jetzt dabei, diese abzuarbeiten –, dass die Unternehmen die Rechnungen einreichen und dass schon sehr, sehr viele ihr Geld bekommen haben – es wurden schon über 200 Millionen Euro ausbezahlt – und diese Krise genutzt haben, in Maschinen, in Innovation, in digitale Wei­terbildung zu investieren und andere Investitionen im digitalen Bereich zu tätigen; aber auch der Tourismus hat das in dieser Phase, in der sie Zeit hatten, genutzt, um entspre­chend umzubauen.

Ein zweites großes Projekt für die Zukunft ist natürlich die ökosoziale Steuerreform. Während in anderen Ländern wie Deutschland darüber diskutiert wird, Steuern zu er­höhen und die Belastung sowohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Unternehmen zu erhöhen, haben wir ein klares Signal gesetzt – ein Signal, dass Steuern reduziert werden sollen, dass Steuern reduziert werden, und zwar für beide Seiten: für jene, die arbeiten, wie auch für jene, die investieren und die diese Unternehmen führen.

Die österreichische Standortstrategie ist in Ausarbeitung. Über 1 500 Unternehmen, Ins­titutionen, Organisationen und Wissenschaftler sind bereits eingebunden, und wir arbei­ten entlang von sieben Leitlinien die Stärken Österreichs heraus, und zwar für die nächste


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Generation, für unsere Jugend, damit auch sie noch Wohlstand und Arbeitsplätze hat. Dafür müssen wir jetzt die Grundlage schaffen, und ja, sie geht in Richtung Innovation, sie geht in Richtung neue Technologien wie Green Materials, sie geht in Richtung Ener­giewende. All das werden Sie dort wiederfinden.

Energie spielt im Augenblick eine wichtige Rolle. Wir mussten und wir müssen genau darauf schauen, und deshalb werden wir jetzt auch die Ökostromabgaben, die im Zu­sammenhang mit der Ökostromförderung stehen, aussetzen. Sie werden auf null ge­setzt, um sowohl Haushalte als auch Unternehmen zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Ja, wir haben große Herausforderungen mit den Wellen, die auf uns zukommen, was das Virus betrifft, aber wir können auch etwas tun. Wir können uns impfen lassen, wir können FFP2-Masken tragen und wir können uns zusätzlich testen lassen. Das Impfen spielt da eine ganz wesentliche Rolle, und wenn ich – und dazu darf ich noch einmal kurz nach Wien blicken – sehe, dass die Abgeordneten der FPÖ im Wiener Landtag alle geimpft sind, dann sehe ich das als einen Schulterschluss, als einen Blick in Richtung etwas Gemeinsames, das wir nur gemeinsam lösen können. (Bundesrat Spanring: ... das ist Freiheit ...! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Nur gemeinsam können wir den nächsten Generationen helfen, ihnen eine gute Basis geben, und unser Beitrag ist auch, uns impfen zu lassen. Und darum möchte ich Sie, jeden Einzelnen, der zählt, auch bitten, sich impfen zu lassen, denn Impfen wirkt auch auf die Wirtschaft (Bundesrat Ofner: ... euer Beitrag zur Wirtschaft wäre einmal inter­essant! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), und der Booster ist ein ganz wesentlicher Beitrag zum Wirtschaftsstandort. Jeder von Ihnen (in Richtung FPÖ) zählt also auch. Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ewig schade, dass der Plat­ter niemand anderen gefunden hat! Ewig schade! – Zwischenbemerkung von Bundesmi­nisterin Schramböck in Richtung Bundesrat Steiner. – Bundesrat Steiner – in Richtung Bundesministerin Schramböck –: Ich höre nichts mehr!)

10.15


Präsident Dr. Peter Raggl: Ich danke der Frau Bundesminister für ihre Stellungnahme.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. Ich erteile dieses.


10.16.18

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident, danke für diese sinnhaften Worte. Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, die Corona­pandemie und die dadurch immer wieder notwendig gewordenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens stellten und stellen eine massive Belastung für unsere Wirtschaft dar.

Im Vorjahr musste Österreich einen historischen Wirtschaftseinbruch verzeichnen, der deutlich stärker war als der in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009, aber Österreich hat durch eine Vielzahl von Maßnahmen sehr erfolgreich gegengesteuert. (Bundesrat Hüb­ner: Ja, genau!) Die Kurzarbeit hat einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, Arbeits­plätze zu sichern, und auch nicht rückzahlbare Zuschüsse und Garantien zur Deckung des Liquiditätsbedarfs haben zur Stabilisierung der österreichischen Wirtschaft beige­tragen.

Das hat dazu geführt, dass Österreich mit seinen Coronahilfen für Wirtschaft und Arbeits­markt im EU-Vergleich einen Spitzenplatz belegte, und darauf können wir berechtigter­weise stolz sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)


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Je besser dies weiterhin gelingt, desto besser ist die Zukunft der heimischen Wirtschaft und damit Wertschöpfung, Wachstum und Arbeit in Österreich gesichert. Die Wirt­schaftspolitik steht jedenfalls auch weiterhin vor einer Vielzahl von Herausforderungen.

Die Covid-Krise war ein harter und realer Stresstest für die Robustheit unserer Unter­nehmen. Liquiditätsstärkende Maßnahmen sind daher wichtig, damit krisenbedingte Um­satzausfälle keine Insolvenzen hervorrufen, die es ohne die Pandemie nicht gegeben hätte.

Deshalb sind Investitionsanreize wie unsere Investitionsprämie ein wichtiges Signal in Krisenzeiten. Es werden auch in Zukunft weitere gezielte Investitionsanreize notwendig sein, um Wachstum zu fördern und den Strukturwandel zu begleiten. Österreich hatte im europäischen Vergleich bei den digitalen Technologien deutlich Aufholbedarf, aber mit dem Beschluss der 1,4-Milliarden-Euro-Breitbandoffensive wurde ein wichtiger Schritt für eine leistungsfähige digitale Infrastruktur gesetzt. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei BundesrätInnen der Grünen.)

Vor allem Innovationskraft ist entscheidend für Wachstum und Arbeitsplätze in Öster­reich. Die Basis dafür ist gut. Bei der Zahl der Erfindungen und Patentanmeldungen liegt Österreich im EU-Vergleich auf Platz 7. Als kleines Land mit neun Millionen Einwohnerin­nen und Einwohnern ist Österreich auch auf den Handel mit anderen Ländern, auch außerhalb der EU, angewiesen. Der Export mit einer Exportquote von über 50 Prozent hat für unsere Wirtschaft eine zentrale Bedeutung. Jeder zweite Job in Österreich hängt direkt oder indirekt vom Export ab.

Zusammenfassend: Die Chancen für die österreichische Wirtschaft liegen in der Ent­wicklung der Wachstumsmärkte, in der Diversifizierung der Wertschöpfungsketten sowie in der Digitalisierung und Ökologisierung.

Geschätzte Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch zwei grundsätzliche Überlegungen in die Diskussion einbringen: Die Unterbrechung der Wertschöpfungsket­ten hat uns drastisch vor Augen geführt, dass die Abhängigkeit Europas von Lieferanten, egal von wo auf der Welt, fatal ist.

Die Verlagerung der Produktionen von Zulieferteilen, von Pharmazeutika und vielem mehr in Billiglohnländer hat zwar kurzfristig für hohe Gewinnspannen gesorgt, erweist sich aber jetzt als riesiger Nachteil und als Gefahr für die Wirtschaft Europas.

Wir müssen hier in einer gemeinsamen Kraftanstrengung eine Strategie entwickeln, um Europa und damit unser Österreich von dieser Abhängigkeit zu lösen. Was nützen uns beste Gesamtprodukte, wie etwa unsere europäischen Top-Automarken, wenn wir von den Mikrochips aus Asien abhängig sind? Da gilt es, aus der Krise zu lernen und aus der Schwäche eine Stärke für die Zukunft zu machen.

Ebenso wichtig meiner Meinung nach – und hier sind wir alle gefragt –: Tragen wir alle dazu bei, dass der derzeitige Boom für die regionale Versorgung kein Strohfeuer ist! Das ist für mich auch eine Schnittstelle zur Landwirtschaft. Die Bedeutung der regionalen Sicherung der Grundversorgung, insbesondere im Lebensmittelbereich, wurde vielen Menschen in Zeiten der Krise bewusst. Machen wir daraus eine Stärke! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.20


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schen­nach. Ich erteile ihm dieses.


10.21.07

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident, auch von meiner Seite noch einmal Gratu­lation für Ihre Präsidentschaft im letzten halben Jahr.


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Es ist klar, liebe Isabella Kaltenegger, dass man, wenn die ÖVP hier eine Aktuelle Stun­de beantragt, ein Thema einbringt, das das ein bisschen zu einer Weihestunde, Weih­rauchstunde, was auch immer macht. Und wenn es dann so weit geht, dass Marco Schreuder sogar von internationaler Seite wegen der Digitalisierung und der Wirtschafts­hilfen angerufen wird, dann soll man, glaube ich, das Kalbl im Stall lassen. Schauen wir uns die Digitalisierung an! Da ist Österreich von 140 Ländern auf Platz 21, Tendenz fal­lend. Ich glaube nicht, dass die Anrufe dahin gehend: Wie macht ihr das bei der Digitali­sierung?, viele sind, denn da würde ich andere Länder anrufen, zum Beispiel Dänemark oder Irland. Das wäre wahrscheinlich interessanter.

Betreffend Wirtschaftshilfen war vieles in Ordnung, aber eines war nicht in Ordnung, Frau Bundesministerin: dass diese Koalition diese im September hat auslaufen lassen. Da war eigentlich schon klar – wir wissen das ja schon seit Juli –, was uns im Herbst und zum Jahreswechsel blühen wird. Und da lassen Sie die Hilfen auslaufen und versuchen, sie dann wieder startklar hinzubekommen, treiben unsere Steuerberater und Steuerbe­raterinnen wieder in einen Wahnsinn hinein, denn deren Beantragung ist nicht einfacher geworden! Gerade die Vereinigung der Steuerberater und -beraterinnen hat gesagt, sie wissen gar nicht mehr, wie sie das Telefon abheben sollen.

Dann kamen diese Hilfen wieder einmal zu spät und zu wenig treffsicher. Erst seit 16.12. können sie beantragt werden. Was passiert denn, wenn etwas wieder so verspätet ist, wenn der Betrieb ins Stocken gekommen ist? Die Liquiditätsprobleme sind wegen dieser mangelhaften Vorbereitung für viele Betriebe da. Nach wie vor vermissen wir, dass mit den Hilfen auch die Arbeitsplatzgarantie auszusprechen ist. Das ist wieder nicht dabei. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir alle erinnern uns ja an die Hilfen für die AUA. Wir haben damals auch gesagt, das ist richtig und gut. Was hat die AUA, nachdem sie die Millionen bekommen hat, als Erstes gemacht? – Personal abgebaut! Das ist Unsinn. Das heißt, da muss man sagen, wir helfen einem Unternehmen, aber nicht, um Personal abzubauen, sondern um genau in einer Krise Personal in Beschäftigung zu halten. Das ist etwas ganz Wichtiges. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch nebenbei: Ich meine, Sie und wir sind alle überrascht, dass Sie jetzt noch im Amt sind, denn man hätte ja geglaubt, dass Sie als eine der Leuchtfiguren des türkisen Pro­jekts auch Ihren Rücktritt bekannt geben. Aber es soll so sein! Sie haben ja erst vor Kurzem gesagt: Wir alle stehen hinter Kurz, die Landeshauptleute auch. – Da haben sich aber relativ viele Landeshauptleute schon vertschüsst.

Aber kommen wir zur Digitalisierung! Sie haben ein bisschen eine Voodooökonomie im Laufen. Erstens: „Jeder digitale Arbeitsplatz schafft drei weitere“. – Erklären Sie das einmal den VerkäuferInnen im Supermarkt! Oder: „Je mehr Roboter, desto weniger Ar­beitslose“. – Das ist etwas, worüber wir sagen, das ist ein bisschen Voodoo. Es ist auch interessant: Eine Ihrer letzten Aussagen war, die Coronakrise sei keine Niederlage, sie sei eine Premiere. Eine Premiere von what? Nicht einmal als Gesundheitskrise ist sie eine Premiere.

Deshalb muss man sagen: Bitte, bitte, bitte passen Sie da mehr auf! Ich glaube vor allem, im Gegensatz zu manch anderen, dass wir diese Digitalisierung überhaupt nicht im Griff haben, dass wir bei der Digitalisierung verdammt aufpassen müssen. Sie ist notwendig, aber sie darf nicht dazu führen, dass man Arbeitsplätze abbaut, sondern dass man Arbeit erleichtert. Deshalb wollen wir da nicht hineingehen.

Ein letzter Satz, weil Sonja Zwazl hier sitzt: Was ist aus der Start-up-Lehrlingsgeschichte geworden? Die ist irgendwie tot. Da habe ich schon ewig lange nichts gehört. Das war ein groß angekündigtes Projekt von Ihnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.26



BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 31

Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


10.26.58

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Diese Bundesregierung – ich denke, die schlechteste aller Zeiten – schafft es, seit sie ins Amt kam, mit den von ihr getroffenen Maßnahmen unsere Wirtschaft immer wieder an die Wand zu fahren.

Die Unternehmer in unserem Land fühlen sich wie ein angeschlagener Boxer im Ring. Jedes Mal, wenn sie nach K.o.-Schlägen durch Ihre unverhältnismäßig getroffenen Maß­nahmen, die Sie, Frau Minister, noch zusätzlich durch unterlassene Hilfeleistung in Form von nicht ausgezahlten, aber großartig angekündigten Förderungen verstärken, wieder nach Luft ringen und ihre letzten Kräfte gemeinsam als Team mit ihren Mitarbeitern bün­deln und sich aufrichten, kommen Sie, Frau Minister, und verabreichen den Betrieben den nächsten K.o.-Schlag mit Ihren zusätzlichen Auflagen.

Anstatt unsere Betriebe zu entlasten, damit Arbeit zu schaffen und Wohlstand zu sichern, setzen Sie mit Ihren überambitionierten Maßnahmen unter dem Titel Covid-Pandemie oder Klimawandel Arbeitnehmer und Arbeitgeber noch mehr unter Druck. Die vielen Klein- und Mittelbetriebe in Österreich benötigen dringend eine Lohnnebenkostensen­kung. Es würde auch vielen österreichischen Betrieben helfen, wenn Sie sich, anstatt dass Sie, Frau Minister, auf Kosten aller Steuerzahler unter dem Titel Kaufhaus Öster­reich mühselig erarbeitetes Steuergeld verschwenden, endlich dafür einsetzten, dass durch die Besteuerung am Ort der Wertschöpfung auch für multinationale Konzerne der Wettbewerbsnachteil der österreichischen Unternehmensstruktur ausgeglichen wird. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Frau Minister! Ohne auf Ihre Anschläge gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner, wie zum Beispiel die NoVA-Erhöhung, die Mineralölsteuererhöhung, die generelle Einführung ei­ner flächendeckenden Lkw-Maut und so weiter, genauer einzugehen, wäre es nach frei­heitlicher Meinung sinnvoll, Maßnahmen zu treffen, die das Eigenkapital stärken. Es kann nicht sein, dass wir in Österreich bereits mehr als 50 Prozent Gesamtsteuerbelas­tung haben.

Frau Minister, wenn Sie den Titel der heutigen Aktuellen Stunde „Wachstum, Wohlstand, Fortschritt – zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich“ ernst nehmen, dann folgen Sie unserem freiheitlichen Vorschlag: 20 Prozent Körperschaftsteuer sind mehr als genug. Die Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital durch Einführung einer Ei­genkapitalverzinsung und Abschreibungen über einen Zeitraum, der zumindest dem deutschen Standard entspricht, sind Erfordernisse, die zur Stärkung des Eigenkapitals und damit des Wirtschaftsstandortes Österreich beitragen.

Frau Minister, wenn Sie den Titel der heutigen Aktuellen Stunde ernst nehmen und in die österreichische Geschichte nicht für immer als Ministerin eingehen wollen, die es geschafft hat, der österreichischen Wirtschaft einen bleibenden Schaden zugefügt zu haben, dann setzen Sie sich dafür ein, dass sich die Abwicklung der Coronahilfen un­kompliziert, zuverlässig und rasch gestaltet. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Wirtschaft hat stets kooperiert und auch harte Maßnahmen hingenommen und sogar mitgetragen, aber frotzeln lassen sich die Betriebe nicht.

Für Gastronomie- und Tourismusbetriebe wären zum Beispiel folgende Maßnahmen sinnvoll: die Verlängerung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes von 5 Prozent bis min­destens Ende April 2022; verkürzte Abschreibungsdauer für Restaurant- und Hotelge­bäude; degressive Abschreibungsdauer auf die tatsächliche Nutzungsdauer zum Bei­spiel für Zimmereinrichtungen, Bäder, Sauna- und Wellnesseinrichtungen; Förderung für


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Renovierungsarbeiten in bestehenden Gebäuden und Einrichtungen; Streichung aller unnötigen Bagatellsteuern und Gebrauchsabgaben; Bestandsgarantie von Bewilligun­gen bei Betriebsübergaben; Forcierung österreichischer Vertriebslösungen für Onlinebu­chungen; Verringerung der enormen Bürokratie und unzähliger Aufzeichnungspflichten vom Schädlingsmonitoring bis zur Allergenverordnung – 190 Auflagen und Verordnun­gen sind untragbar –; Rückkehr zur Wertschätzung der Branche und Beendigung des kollektiven Generalverdachts gegenüber dem Unternehmertum, speziell der Tourismus­wirtschaft. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Frau Minister, ich möchte Sie nur dahin gehend aufklären, dass Sie nicht verpflichtet sind, die ÖVP-Landwirtschaftspolitik auch für die komplette Wirtschaftspolitik zu über­nehmen. Kurz skizziert: Bevor wir der EU beigetreten sind, konnte jeder Landwirt, der ordnungsgemäß gewirtschaftet hat, aufgrund vernünftiger Produktpreise leben. Dann verhandelten ÖVP und SPÖ, es kam zu folgendem Ergebnis: ein um zwei Drittel ge­ringerer Produktpreis, wovon ein Drittel durch Förderungen degressiv ausgeglichen wer­den sollte. Im Endeffekt haben zwei Drittel der Landwirte ihre Betriebe zugesperrt, und das verbleibende Drittel haben Sie zu Bittstellern abgestempelt, deren Überleben nur mehr durch die Förderung abgesichert ist. Das einzige Selbstversorgerland, das sogar sehr viele produzierte Lebensmittel exportierte, wandelt sich in ein Land, welches ab­hängig vom Ausland ist, wenn es zum Beispiel um genug Fleisch für unsere österrei­chischen Familien geht.

Frau Minister, Ihre Coronawirtschaftspolitik geht in dieselbe Richtung. Sie sperren unse­re Betriebe massenweise zu, versprechen ihnen ...


Vizepräsident Günther Novak: Bitte, Herr Kollege, kommen Sie zum Ende!


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Zusätzlich schließen Sie dann noch diskrimi­nierend, grundrechtsverletzend eine ganze Bevölkerungsgruppe als Konsumenten aus und unterstützen damit die ausländischen Großkonzerne.

Nur als Kennzahl: Die ersten 14 Tage des Lockdowns für Ungeimpfte haben Amazon-Österreich ein Umsatzplus von 39 Prozent gebracht. Ich verbleibe in der Hoffnung, Ihre Ideenfindung im Sinne des Titels der Aktuellen Stunde angeregt zu haben. (Beifall bei der FPÖ.)

10.32


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.


10.32.51

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! „Wachstum, Wohlstand, Fortschritt“ – ein sehr an­spruchsvolles Thema, das viele Lesarten erlaubt. Vielleicht ein bisschen abseits der Ta­gespolitik entspringt folgende Frage einer Lesart: Wie sichern wir ein gutes Leben für alle, sodass ein solches auch für künftige Generationen möglich ist?

Vielleicht tut es gut, sich einmal ein bisschen zurückzulehnen und diese Fragen zu stel­len. Da geht es dann schnell um eine Hinterfragung eines rein BIP-orientierten Wohl­standsbegriffes; da geht es dann schnell um Fragen der gerechten Verteilung auch im globalen Maßstab, denn ohne diese ist ein gutes Leben für alle nicht realisierbar. Es geht natürlich um die Frage, in welche Branchen, in welche Wohlfahrtsleistung investiert wer­den soll und in welche nicht mehr. Das sind viele Fragen, die uns beschäftigen werden und denen man sich aktiv stellen sollte. Was wir aber jedenfalls unmittelbar wirtschaftlich konkret tun können, ist, Investitionen zu setzen und auszulösen, die den Zielen einer gerechten, sozialen und ökologisch nachhaltigen Gesellschaftsentwicklung förderlich sind, und zwar mit der nötigen Konsequenz, auch wenn es Debatten auslöst.


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Gerade jetzt ist ein guter Zeitpunkt, über künftige Strategien nachzudenken – aus der Covid-Krise sozial und wirtschaftlich möglichst gut herauszukommen, ist klarerweise eine Aufgabe der öffentlichen Hand –, nach vorne zu schauen, und zwar über Akuthilfen, die in sehr großem Umfang bereitstanden und -stehen, hinaus.

Eine wirklich große Bedrohung, der wir uns weiter zu stellen haben, ist zweifelsfrei die Klimakrise. Das Positive dabei ist, dass gerade deren Bekämpfung mannigfaltige Chan­cen bietet. Ein Beispiel ist der Ausbau erneuerbarer Energien zur Stromversorgung. Ein Beispiel ist die Dekarbonisierung der gesamten Industrie, die in wenigen Jahrzehnten ansteht. Ein Beispiel ist die thermische Sanierung des gesamten Gebäudebestandes, die komplette Umstellung der Heizsysteme. Ein weiterer riesiger Investitionsbereich ist die Gestaltung eines ökologisch und sozial nachhaltigen Mobilitätssystems. Da geht es um forcierten Bahnausbau, generell um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, um flä­chendeckende Radinfrastruktur und flächendeckendes Ladestellennetz und so weiter.

Die gesamte Autoindustrie steht vor oder ist eigentlich mitten drin in einem grundle­genden Strukturwandel, der aktiv angegangen werden muss, um davon zu profitieren und die Arbeitsplätze zu sichern.

Es geht um die Transformation in eine Kreislaufwirtschaft und in eine Bioökonomie, die zahllose Chancen für innovative Unternehmen und gerade für Österreich als Land, das eigentlich kaum Rohstoffvorkommen hat, bietet. Das Schöne dabei ist, dass sich all die­se Maßnahmen sozial positiv auswirken. Weshalb? – Indem sie langfristige Perspekti­ven bieten. Sie generieren Jobs, sie stabilisieren Preise – das ist gerade im Energiebe­reich ganz wichtig –, sie bedingen ein gutes Bildungs- und Ausbildungssystem. Öster­reich hat das Potenzial, in Europa oder weltweit Green-Tech-Leadership zu überneh­men, nämlich aufgrund von Ehrgeiz, ja, von Innovations- und Forschungsgeist, ja, aber vor allem aufgrund einer ganz pragmatischen, wirtschaftlichen, ökologischen und so­zialen Logik.

Wichtig ist – das möchte ich noch ansprechen –, solche Investitionen auch mittel- und langfristig zu forcieren. Da kommt die berechtigte Debatte über eine künftige Flexibilisie­rung des Stabilitätspaktes beziehungsweise der Maastrichtkriterien ins Spiel – die sind ja derzeit ausgesetzt –: Das bedeutet, bestimmte Investitionen etwa in Klimaschutz, in nachhaltige Verkehrssysteme, in wichtige Digitalisierungsprojekte sind auch künftig aus den Stabilitätskriterien herauszunehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Die EU-Kommission votiert durchaus dafür, solche Zukunftsinvestitionen nicht als Defizit anzurechnen. Warum? – Um für die Zukunft gewappnet zu sein – um die gestrigen Wor­te des Bundeskanzlers zu verwenden –, die Klimakrise zu bewältigen. Ein Fehler wäre es jedenfalls, diese Debatte schon vorweg abzudrehen, denn es sind Investitionen, die unumgänglich sind – da bleiben wir lieber dran. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Schennach.)

Die Zukunft bleibt jedenfalls spannend. „Mutig in die neuen Zeiten“, heißt es in der Bun­deshymne. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.37


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.


10.37.54

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um den Wirtschaftsstandort Österreich. Sie haben vorhin die am Montag präsentierte OECD-Studie angesprochen. Es ist natürlich Ihre Aufgabe, die positiven Teile herauszustrei­chen, es gibt aber auch die negativen Teile – und es ist mein Job, diese herauszustrei­chen. Im Wirtschaftsbericht der OECD für Österreich werden nämlich gravierende Baustellen


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aufgezeigt, zum Beispiel bei den Pensionen, beim Arbeitsmarkt und beim Budget. Die wichtigsten Handlungsempfehlungen kommen in der Bundesregierung leider nicht an.

Der Rechnungshof fordert unter anderem eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung oder auch bei der Berufsreglementierung. In der Gewerbeordnung oder auch im Öff­nungszeitengesetz sieht man, dass alte Regelungen, teilweise anachronistische Rege­lungen innovativen Konzepten, die gerade auch dem ländlichen Raum helfen würden, im Weg stehen.

Das beste Beispiel dafür sind die Hofläden beziehungsweise Dorfläden: Im ländlichen Raum hat man nämlich nicht die privilegierte Position, die wir zum Beispiel in Wien ha­ben, wo alle 200 Meter ein Supermarkt steht, wo es auch ein nicht geringes Angebot von Supermärkten mit langen Öffnungszeiten – teilweise bis 21 Uhr – und am Sonntag nicht nur Tankstellenshops, sondern auch viele Supermärkte in den Wiener Bahnhöfen, die of­fen haben, gibt. Im ländlichen Raum ist die Auswahl deutlich geringer. Es gäbe zwar das innovative Konzept der Dorfläden und Hofläden mit automatisierten Verkaufsstellen, Ver­kaufsautomaten, dieses moderne Konzept wurde allerdings abgedreht. Es wird zwar die Vielfalt der regionalen Nahversorgung beschworen, die konkreten Innovationskonzepte werden aber überreguliert. Es gibt Petitionen, zahlreiche Aufrufe der Bevölkerung, natür­lich auch von den Oppositionsparteien, die haben bisher alle noch nichts genutzt.

Dort, wo Reformen angekündigt werden, bleibt es aber bei den großen Ankündigungen. Es gibt mehrere Beispiele dafür. Das erste ist die Rot-Weiß-Rot-Karte, die unbrauchbar ist. Wir wissen, dass der große Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitermangel für die öster­reichischen Betriebe ein großes Problem ist. Der gesetzliche Rahmen ist aber nicht mehr zeitgemäß, die Verfahren sind zu bürokratisch und dauern zu lange. Selbst die Austrian Business Agency meinte in einer Aussendung, dass die Unternehmen und die künftigen Mitarbeiter für eine Bewilligung zwei bis drei Monate Zeit einplanen sollen – das ist na­türlich viel zu lange.

Jetzt haben Sie ja angekündigt, dass die Austrian Business Agency ein One-Stop-Shop für die Rot-Weiß-Rot-Karte werden soll, aber Ihr Kollege in der Regierung, Arbeitsminis­ter Kocher, hat gesagt, dass das keinen Zusatznutzen zum AMS bringt und das nur eine zusätzliche Beratungsstelle wäre. (Bundesministerin Schramböck: Das stimmt nicht! Das ist nicht wahr!) Das wäre also wieder nur eine teure doppelgleisige Struktur, und die wäre auch nicht dafür da, dass man Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen in der EU sucht, weil die ja mit der Rot-Weiß-Rot-Karte weniger zu tun haben.

Wir haben im Nationalrat Anträge gestellt, ein Fast-Track-Verfahren für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus dem Ausland kommen, einzuführen, weil ja gerade in innovati­ven Branchen ein sehr harter internationaler Wettbewerb um Talente herrscht. Die auf­wändigen Verfahren und Wartezeiten, die es in Österreich gibt, stellen aber einen großen Wettbewerbsnachteil dar. Das führt sogar dazu, dass österreichische Unternehmen des­wegen abwandern.

Zweiter Punkt, das Gründerpaket: Das haben Sie sehr oft erwähnt. Das haben Sie für Herbst angekündigt und bisher ist noch nichts gekommen. Jetzt haben Sie den Schwar­zen Peter sozusagen dem Justizministerium zugespielt. Die Ausgestaltung dieses Gründerpakets ist aber laut Ihrem Gutachten sehr ambitioniert. Jetzt haben wir gehört, dass doch keine Erleichterungen bei Notariatsakten und so weiter geplant sind. Diese Reform droht schon vor der Präsentation nur zum Reförmchen zu verkümmern. Es würde aber dringend diese Erleichterungen, neue Gesellschaftsformen oder die Möglich­keit von Gründungen auf Englisch und vor allem auch endlich moderne Formen der Mit­arbeiterinnen- und Mitarbeiterbeteiligung brauchen.

Der letzte Punkt zum Thema Standortsicherung, nämlich Standortsicherung als PR-Stunt am Beispiel Sandoz Kundl/Novartis: Da ist es sehr eigenartig, mit welchen Halb­wahrheiten argumentiert wird. Sie haben sich, Frau Ministerin, im Sommer 2020 für die


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Rettung der letzten Penizillinproduktion in der westlichen Welt feiern lassen. (Bundes­ministerin Schramböck: Ja ...!) Tatsächlich ist aber noch gar nichts gerettet, weil die versprochenen Zusagen zum Erhalt des Werkes von der EU-Kommission noch nicht ge­nehmigt wurden. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Schramböck.) Man hört, dass es nicht so gut mit einer Genehmigung dafür aussieht, der Deal ist noch nicht durch. Welche vertraglichen Konsequenzen so eine Ablehnung hätte, verschweigen Sie uns aber konsequent. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.43


Vizepräsident Günther Novak: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch­mals die Frau Bundesministerin gemeldet. Nicht mehr? (Bundesministerin Schram­böck: Nein danke, es ist alles gesagt!) – Gut, danke.

Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

10.43.31Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Günther Novak: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebe­antwortungen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

Anfragebeantwortungen

(Anlage) (siehe auch S. 10)

B. Zuweisungen

Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

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BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 36

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Vizepräsident Günther Novak: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zu­gewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Ta­gesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände sowie die Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das erste Halb­jahr 2022 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 37

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Günther Novak: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beab­sichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, 10 und 11, 14 bis 17, 18 bis 22 sowie 24 und 25 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Nein.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.45.151. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert wird (1167 d.B. und 1212 d.B. sowie 10844/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Wirtschaftskammerge­setz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechnikerge­setz 2019 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden (2092/A und 1213 d.B. sowie 10845/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird (1214 d.B. sowie 10793/BR d.B. und 10846/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 1 bis 3 ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Ich bitte um die Berichte.


10.46.20

Berichterstatterin Elisabeth Wolff, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbs­bedingungen geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Weiteres bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bi­lanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Wirtschaftskammergesetz 1998, das Wirtschafts­treuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Arbeiterkammerge­setz 1992 geändert werden.

Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 38

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Weiteres bringe ich den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über eine COVID-19 Förderung für betriebliche Testungen geändert wird.

Der Bericht liegt ebenso in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben. – Vielen Dank.


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr das Wort.


10.48.05

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Hohes Präsi­dium! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher! Ich bezie­he mich in meiner Rede auf die drei in den Berichten verlesenen Bundesgesetze und beginne mit dem Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbe­werbsbedingungen, das geändert werden soll.

Gleich vorweg: Wir werden diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung erteilen. Es ist ei­nerseits sehr begrüßenswert, dass sich die EU mit dem Gedanken des Schutzes der kleinen heimischen, bäuerlich produzierenden Betriebe auseinandersetzt, die nationale Umsetzung lässt aber doch einige Fragen offen und stellt für uns keine ausreichende Abdeckung der Anforderungen dar.

Ein erstes Erstaunen, ja fast Entsetzen, ereilt einen da, wenn in den Erläuterungen zu lesen ist, dass die Konsumentinnen und Konsumenten und ihr Kaufverhalten an den niedrigen Lebensmittel- und Produktpreisen in Österreich schuld seien, und das vor dem Hintergrund, dass es in Österreich nachweislich ein sehr hohes Preisniveau gibt. Grund­sätzlich aber hat diese Erkenntnis – nennen wir es so – nichts mit den jetzigen Beschlüs­sen zu tun. Der Grundgedanke aus der EU-Richtlinie resultiert ja daraus, dass kleine heimische Betriebe vor allem gegenüber den großen der Agrar- und Lebensmittelindus­trie geschützt werden sollen, und deshalb empfiehlt die EU auch eine Umsatzschwelle von 350 Millionen Euro. In diesem Gesetzesbeschluss wird die Schwelle aber auf 1 Mil­liarde Euro hinaufgesetzt. – Was verstehen wir unter Kleinbetrieb? (Beifall bei der SPÖ.)

Damit rutschen natürlich auch all jene, vor denen die Kleinsten gewissermaßen ge­schützt werden sollen – nämlich aufgrund unlauterer Handelspraktiken –, in den Schutz mit hinein. Das stelle ich mir in der Umsetzung äußerst schwierig vor.

Die Sinnhaftigkeit ist damit für uns nicht wirklich gegeben, der Schutzschirm gilt nicht nur für die Richtigen, sondern anscheinend vor allem für die Wichtigen – Spender. Weiters fehlt uns auch das Verständnis, warum im Bundesministerium für Landwirtschaft, Re­gionen und Tourismus eine neue Behörde etabliert werden muss, wo wir doch eine sehr gut funktionierende Bundeswettbewerbsbehörde haben. Jetzt muss es eine Erstanlauf­stelle geben?!

Auch bekommt die Arbeiterkammer keine Amtsstellung, so wie die Landwirtschaftskam­mer oder die Wirtschaftskammer. Die Arbeiterkammer hat aber auch im Zuge der Begut­achtung festgestellt, dass dieses Gesetz die Gefahr von steigenden Preisen nicht hemmt, sondern begünstigt. Es ist auch eine Bezugnahme auf Tierschutzanforderungen


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 39

nicht ausreichend berücksichtigt. Wir werden daher nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dem zweiten Block werden wir zustimmen, obwohl uns nicht ganz verständlich ist, wa­rum es unter dem Motto Fortschritt und Digitalisierung nicht möglich sein soll, dass Be­schlüsse von Körperschaften in Hybrid- oder Videositzungen gefasst werden können, sondern in ein immer kleiner werdendes Gremium nach oben verschoben werden. Posi­tiv ist, dass die Bilanzbuchhalter nun doch mehr tun dürfen, wie es auch ihren Kompe­tenzen entspricht.

Was ganz bestimmt unsere Zustimmung findet, ist die Verlängerung der Förderung für die betrieblichen Testungen bis 31. März 2022. Wir haben im Ausschuss gehört, dass in unseren Betrieben 7,2 Millionen Tests durchgeführt wurden. Dafür wurden in ungefähr 6 000 Anträgen 72 Millionen Euro beantragt, 100 Millionen sind zugesichert. 48 Prozent des Testaufkommens entfallen auf Betriebe mit unter 50 Mitarbeitern – also das ist schon etwas, da wird von unseren UnternehmerInnen in Zusammenarbeit mit den Mitar­beiterInnen wieder so allerhand geleistet. In Niederösterreich wurden 18,2 Prozent der gesamten Testungen durchgeführt – auch dafür ein Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

Und es ist auch sehr positiv anzumerken, dass vorgesehen ist, für PCR-Tests die För­derung pro Test auf 15 Euro oder den Kostenersatz anzuheben. Der Aufwand und die Kosten sind einfach höher. Diese Testungen werden auch notwendig sein, damit wir alles gut am Laufen halten, damit wir rechtzeitig filtern, rechtzeitig sortieren, damit die Ansteckungsgefahr gemindert sein wird, wenn es denn so kommt, wie befürchtet wird. Die Impfkampagne, das muss ich schon sagen, hat diese Regierung versemmelt, und zwar ganz gewaltig. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird auch nicht ausreichen, nur mit dem erhobenen Zeigefinger dazustehen. Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rot-weiß-roter Impfscheck iHv. 500 Euro um weitere Lockdowns zu verhindern, durch erzielen einer 90% Impfquote“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend eine Impfprämie in Höhe von 500 Eu­ro in Form von Gutscheinen, die bei österreichischen Betrieben eingelöst werden kön­nen, aufzulegen. Die Gutscheine sollen dabei für alle Menschen nach dem 3. Stich (auch rückwirkend) und sobald eine Impfquote von 90% erreicht ist, gewährt werden.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Bravo!)

10.54


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rot-weiß-roter Impfscheck iHv. 500 Euro um weitere Lockdowns zu verhindern, durch erzielen einer 90% Impfquo­te“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Christine Schwarz-Fuchs. Ich erteile ihr das Wort.



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10.55.12

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Wir diskutieren hier drei relativ unterschiedliche Themen aus dem Bereich Wirtschaftspolitik unter einem. Ich werde nacheinander auf alle drei eingehen.

Beginnen möchte ich mit dem wohl akutesten und aktuellsten der drei Themen, mit den betrieblichen Testungen. Besonders aktuell und auch akut ist das Thema deshalb, weil sich die neue Omikronvariante immer weiter ausbreitet. Deshalb ist es überaus wichtig, dass wir neben einer Impfstrategie auch eine gute Teststrategie haben. Das Testen di­rekt am Arbeitsplatz ist ein sehr niederschwelliges Angebot, das dabei hilft, Infektionen frühzeitig zu erkennen und Infektionsketten schnellstmöglich zu unterbrechen.

Sehr erfreulich ist deshalb, dass jetzt auch PCR-Tests und PCR-Gurgeltests durch diese Regelung abgedeckt sind. Es ist zweifellos im Interesse der Allgemeinheit, dass dieses Angebot unterstützt wird. Das zeigt auch die Nachfrage: In rund 6 000 Betrieben wurden bisher schon über 7,2 Millionen betriebliche Tests vorgenommen. Zu diesen 6 000 Be­trieben zählt auch das Unternehmen, das ich in Vorarlberg führe. Ich kann daher aus der Praxis berichten, dass die betrieblichen Testungen gut funktionieren.

Da die PCR-Tests mit einem größeren Aufwand für die Unternehmen verbunden sind, gibt es für diese einen höheren Aufwandsersatz, und zwar 15 Euro pro Test. Mit diesem Betrag wird die gesamte Abwicklung inklusive Logistik unterstützt. Eine im Betrieb ein­geschulte Person reicht, um diese Tests in den Unternehmen durchzuführen, dazu ist kein medizinisches Personal notwendig. Dadurch stellen wir sicher, dass unsere heimi­schen Betriebe weiterhin starke Partner in der Bekämpfung der Pandemie sein können.

Es ist mir an dieser Stelle deshalb sehr wichtig, einmal Danke zu sagen: Danke an alle Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihren Mitarbeitern die Möglichkeit der Inan­spruchnahme betrieblicher Testung geben, und Danke an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dieses Angebot dann auch annehmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Bravo!)

Die Verlängerung dieser Unterstützung bis Ende März ist eine wichtige Maßnahme, da­mit wir möglichst gut durch den Omikronwinter kommen. (Bundesrat Steiner: ... Omi­kronwinter!) Es ist auch ein wichtiges Zeichen, das wir vor den Feiertagen aussenden: Gehen Sie regelmäßig testen! Die langfristige Lösung ist aber auch eindeutig: Bitte las­sen Sie sich impfen und boostern, nur so schaffen wir den endgültigen Weg aus dieser Situation!

Den Weg aus einer für lange Zeit sehr schwierigen Situation wird auch die Änderung des Bundesgesetzes zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingun­gen weisen. Auch das ist ein Thema, das mir als Unternehmerin sehr am Herzen liegt, es geht nämlich um fairen Wettbewerb. Fairer Wettbewerb ist eigentlich eine Grundvo­raussetzung für das Funktionieren unseres Systems der ökosozialen Marktwirtschaft. Doch da, wo es marktbeherrschende Stellungen gibt und somit der Markt versagt, braucht es gezielte Eingriffe und klare Spielregeln, damit ein faires Miteinander gewähr­leistet werden kann.

Dass das bei Lebensmitteln nicht funktioniert, sieht man daran, dass die Preise im Supermarkt über die Jahre gestiegen sind, davon bei den Produzenten aber sehr wenig ankommt. Woran liegt das? – Im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel gibt es de facto nur drei große Player. Diese Marktkonzentration sorgt dafür, dass die Handels­riesen ihren Lieferanten viele Bedingungen einfach aufdrücken konnten.

Klare neue Regelungen entlang der Versorgungskette unterbinden das künftig. Es gibt keine einseitigen Änderungen der Lieferbedingungen mehr, es darf sich niemand mehr


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weigern, einen Vertrag schriftlich abzuschließen, kurzfristige Stornierungen dürfen nicht mehr vorkommen, es darf niemand zu einem Exklusivvertrag gezwungen werden, und es gibt klare Regelungen zu Zahlungszielen und Zahlungsbedingungen, denn es kann beispielsweise nicht sein, dass verderbliche Ware, die innerhalb von wenigen Tagen verkauft wird, nach mehr als 30 Tagen noch immer nicht bezahlt ist. Bei nicht verderbli­chen Waren wird eine Grenze von 60 Tagen eingezogen. Das ist sehr sinnvoll, praktika­bel und fair.

Eine wichtige Einrichtung, die zur Gewährleistung der gebotenen Fairness beitragen wird, ist die im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus neu ein­gerichtete Ombudsstelle. Bei dieser weisungsfreien Erstanlaufstelle können sich Produ­zentinnen und Produzenten niederschwellig Beratung holen. Mit all diesen Maßnahmen verbessert sich vieles für kleine Lebensmittelproduzenten.

Noch ein Wort zu meiner Vorrednerin, Kollegin Kahofer von der SPÖ: Sie hat bemängelt, dass die Umsatzschwelle, anders als in der EU-Richtlinie vorgesehen, nicht 350 Millio­nen Euro, sondern 1 Milliarde Euro beträgt. Das wurde nicht ohne Grund so gemacht. In Deutschland ist die Umsatzschwelle auch weit höher, und wir wollen die österreichi­schen Betriebe gegenüber Deutschland nicht benachteiligen.

Großer Dank gilt deshalb Bundesministerin Elisabeth Köstinger, die diese EU-Richtlinie während der österreichischen Ratspräsidentschaft verhandelt und somit entscheidende Hebel dafür in Bewegung gesetzt hat, dass die Kleinen in der Wertschöpfungskette geschützt werden und ein fairer Wettbewerb entsteht. Auch die nationale Umsetzung ist sehr gelungen, auch dafür Danke an die Bundesministerinnen Schramböck und Köstin­ger, die das gemeinsam ausgearbeitet haben. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätIn­nen der Grünen.)

Zu guter Letzt noch ein paar Sätze zum dritten Thema dieser Debatte. Es handelt sich dabei im Vergleich zu den anderen beiden Punkten um eine eher technische Angelegen­heit, die aber trotzdem wichtig ist, weil sie eine Entbürokratisierung und Vereinfachung von Abläufen beinhaltet.

Bisher war es lange notwendig, dass sich Unternehmen zu grenzüberschreitenden Um­satzsteuermeldungen und -zahlungen in jedem EU-Land separat registrieren. Seit 1. Juli 2021 ist das vereinfacht und zentral über ein One-Stop-Shop-Portal der EU möglich. Auch wenn das vereinfacht wurde, ist es dennoch eine Sache, die viele Unternehmen von externen Bilanzbuchhaltern oder Buchhaltern erledigen lassen. Damit klar und ein­deutig geregelt ist, dass Bilanzbuchhalter und Buchhalter das für österreichische Unter­nehmen erledigen dürfen, braucht es eine Anpassung der entsprechenden Gesetze.

Alle drei Vorhaben in diesen Tagesordnungspunkten schaffen wichtige Rahmenbedin­gungen für unsere heimischen Unternehmen, von der Unterstützung in akuten Lagen über die Verbesserung von systemischen Marktbedingungen bis zur Entbürokratisie­rung. Aus diesem Grund bitte ich um Unterstützung aller drei Anträge. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.03


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. Ich erteile ihm das Wort.


11.03.25

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen! Vor allem aber liebe Zuschauer vor den Bildschirmen! Bevor ich zum Thema Wirtschaft Stellung nehme, möchte ich etwas aufgreifen, das Kollege Appé gestern angesprochen und Präsident Raggl heute zum Thema gemacht hat.


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Wie du richtig formuliert hast, gibt es in diesem Land Menschen, die keinen Respekt vor dem Amt des Politikers haben, gibt es Menschen, die Politiker auch bedrohen. – Ja, da muss ich dir recht geben, das erfahren wir als Freiheitliche schon seit Jahren verstärkt, dass es zu Drohungen kommt, dass es zu Drohbriefen kommt. Dem sind wir leider aus­gesetzt. Vielleicht steht das auch in unmittelbarem Zusammenhang damit, dass viele Politiker hier herinnen keinen Respekt vor den Menschen haben. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Na geh! Der Zusammenhang ..!)

Wenn wir hier herinnen Politiker sitzen haben, wie wir gestern ja auch erfahren durften, die Menschen als Demokratie- und Staatsverweigerer bezeichnen – und heute hat Herr Raggl mit seiner Aussage, dass es nicht der richtige Weg sei, wenn Menschen und auch Mandatare auf die Straße gehen, wieder ins gleiche Horn geblasen – dann, muss man sagen, ist es natürlich auch verständlich, dass sich viele Menschen von dieser Politik nicht mehr vertreten fühlen und daher auch keinen Respekt gegenüber Politikern zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben auch heute wieder gesehen, dass wir einen Präsidenten gehabt haben, der genauso wenig ein Verbinder ist wie der Neokanzler. Er versteht sich, wie es Kollege Schennach gestern angesprochen hat, als einer jener Lemminge, die überall nachhüp­fen und sich den gleichen ÖVP-Politsprech zulegen. Hier herinnen gehört es aber nicht dazu, dass wir Parteigehorsam demonstrieren (Bundesrätin Schumann: Was will jetzt die FPÖ? Ich kenn mich noch immer nicht aus! Was wollt ihr?), sondern dass wir den Menschen eben eine Stimme geben. Das sind jene Menschen, denen Sie gerade mit Ihrer Politik und Ihrem Chaos Sorgen und Ängste bereiten. Wir sind da, um diese Men­schen entsprechend zu vertreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss Ihnen daher leider sagen, dass wir mit sehr getrübter Freude auf die Präsi­dentschaft des Herrn Raggl zurückblicken. Wir hoffen, dass hier im Hohen Haus wieder eine neue Qualität der Vorsitzführung Platz greift, eine neue Qualität mit Objektivität, vor allem aber ohne parteipolitische Motivation. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenber­ger.) Das wäre unser vorweihnachtlicher Wunsch für den künftigen gemeinsamen Um­gang hier im Hohen Haus. Gerichtet ist dieser Wunsch auch an meine Vorrednerin, der wir für ihre kommende Präsidentschaft alles Gute wünschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zum Thema Wirtschaft: Wenn Corona etwas Positives gebracht hat, so war es die Bewusstseinsveränderung der Menschen in Bezug auf Regionalität. Wir haben ge­rade im ländlichen Raum gesehen, dass es eine erhöhte Wertschätzung für Regionalität gegeben hat, vor allem für regionale Produkte und im Zusammenhang damit auch für die landwirtschaftlichen Betriebe, die natürlich vermehrt auf Direktvermarktung gesetzt haben und beispielsweise mit Hofläden oder auch über Genusshütten zusätzliche Ein­kommen generieren.

Diese Direktvermarkter sind natürlich auch wichtig für die Nahversorgung im ländlichen Raum. Daher wäre es auch längst an der Zeit, für diese Betriebe endlich jene Vorausset­zungen zu schaffen, beispielsweise mit einer Änderung der Gewerbeordnung, unter de­nen es zu einer wirklichen Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen kommt. Jetzt spreche ich bei diesen Betrieben und bei den Landwirten nicht einmal vom Einkommen und von den Pensionen, denn da bekommt ja jeder, der sich illegal Zugang zu unserem Land, nach Österreich, verschafft, mehr als jene, die tagtäglich für unsere Landwirtschaft da sind, die unsere Natur bewirtschaften und dafür sorgen, dass wir Produkte höchster Qualität genießen können (Beifall bei der FPÖ) – das aber meistens für einen Hunger­lohn, der den Landwirten nicht einmal die Selbstkosten ersetzt. Das ist natürlich auch Politik à la ÖVP, denn Sie sind seit Jahrzehnten für die Landwirtschaft zuständig, aber Sie haben mit ihr gleich wenig am Hut wie mit der Wirtschaft. (Beifall bei der FPÖ.)

Da legen Sie es ja gleich an: Wir fahren von einem Lockdown zum anderen, schädigen die Wirtschaft jeden Tag nachhaltig, und von dieser Chaospolitik profitieren die Onlineriesen –


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und nein, mit Onlineriesen meine ich nicht (in Richtung Bundesministerin Schramböck) Ihren Rohrkrepierer à la Kaufhaus Österreich, sondern ich meine Amazon und Google und wie sie alle heißen. Unter Ihrem Unvermögen und der Inkompetenz dieser Regie­rung hat die Wirtschaft in den letzten zwei Jahren immens gelitten und ist im freien Fall alleingelassen worden, weil es seit zwei Jahren keine Planungssicherheit gibt. Wir haben Gastro auf, Gastro zu, Hotellerie auf, Hotellerie zu, einmal mit 3G, einmal mit 2G. Dassel­be gilt für den Handel: Handel auf, Handel zu, Baumärkte auf, Baumärkte zu. Keiner kennt sich mehr aus, außer das intelligente Virus natürlich, denn das weiß ganz genau, wo es zuschlagen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Also bitte: Halten wir das Virus nicht für intelligenter, als es ist! Liebe Frau Ministerin, dort wäre es einmal notwendig, zu boostern, dort wäre es notwendig, dass Sie sich dafür einsetzen, dass unsere Wirtschaft wieder floriert (Bundesrat Steiner: Bravo!), anstelle hier billige ÖVP-Parteipolemik einzusetzen und Ihre überflüssigen Redebeiträge abzu­geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend möchte ich zum Wintertourismus überleiten, denn da schaffen wir auch das zweite Mal hintereinander den absoluten Irrsinn, dass wir die Gäste wieder einmal aus unserem Land aussperren und die Touristiker wieder keine Perspektive für den kommenden Winter haben. Dabei wäre es natürlich sinnvoll, dass Sie einmal eine Politik anlegen, bei der jeder planen kann und bei der es vor allem den Touristikern auch möglich ist, entsprechende wirtschaftliche Erfolge zu erzielen.

Da kann man teilweise aber nur herzhaft lachen, wenn man sich beispielsweise die Ver­ordnungen, die dieser Regierung in Bezug auf die Langlaufloipen einfallen, anschaut. Dort gilt 2G, wenn man Eintritt zahlen muss, aber 3G, wenn man keinen Eintritt zahlen muss. Das sind ja wirklich Situationen (Bundesrat Steiner: Blödheiten!), die an den Tag gelegt werden, die ein absoluter Wahnsinn sind. Es wäre wirtschaftlich gut, wenn Sie sich einmal wirklich einsetzen und solchen Blödheiten eine Absage erteilen würden. (Beifall bei der FPÖ.) Da kann man dem Wienerberger-Chef Scheuch inhaltlich nur voll­kommen zustimmen, wenn er sagt: „Wenn ich eine Krise so managen würde, wäre ich schon weg“.

Damit wären wir aber schon bei meinem und unserem zweiten Weihnachtswunsch, dass Sie nämlich vielleicht endlich auch Ihr Versprechen wahr machen, das Sie ja auch schriftlich abgegeben haben: Treten Sie ab! Herr Kurz ist nämlich schon weg, falls Sie es verschlafen haben. Das wäre ein Gewinn für unsere Wirtschaft, das wäre ein Gewinn für Österreich, und wir hätten alle ein frohes Weihnachtsfest, das ich Ihnen allen von Herzen wünsche. (Beifall bei der FPÖ.)

11.11


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


11.12.04

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Ofner, es ist immer wieder erstaunlich, wie locker ihr die Tagesordnung seht, denn was du jetzt ge­sprochen hast, hat mit den Tagesordnungspunkten, um die es geht, meiner Meinung nach gar nichts zu tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Ofner: Das musst nicht du beurteilen! – Bundesrat Steiner: Gut, dass deine Meinung nichts zählt!)

Durch das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbs­bedingungen werden unlautere Handelspraktiken verboten, und das ist gut so. Es wird eine EU-Richtlinie umgesetzt und in nationales Recht umgewandelt. Das war jetzt auch höchste Zeit.


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Was sind die Hauptgesichtspunkte dieses Gesetzentwurfes? – In der Agrar- und Le­bensmittelversorgungskette bestehen oft erhebliche, wirklich erhebliche Ungleichge­wichte in Bezug auf die Verhandlungsmacht von Lieferanten und Käufern von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen. Durch die Richtlinie sollen Lieferanten, welche oft kleine und mittlere Betriebe sind, in der Lebensmittelkette gestärkt werden. Im vertikalen Verhältnis können ungleiche Machtverhältnisse für die Akzeptanz von Vertragsklauseln durch ei­nen Vertragspartner ausschlaggebend sein. Es ist einfach wichtig, wie das geregelt ist. Marktmächtigere Unternehmen können in der Lage sein, Konditionen zu bestimmen, die nachteilig für schwächere Geschäftspartner sind. Einzelne Produkte oder Produktgrup­pen können aus dem Sortiment des Handels genommen werden. Letztlich könnte das zum Ausscheiden von bäuerlichen Betrieben aus dem Markt führen und eine höhere Konzentration bewirken, die langfristig für den Wettbewerb schädlich sein könnte.

Ein wichtiger Punkt ist eine Maßnahme, die dem sogenannten Feareffect entgegenwirkt, also der Angst, Klagen einzubringen, weil befürchtet wird, dass man ausgelistet wird. Das ist die sogenannte Beschwerdestelle. Diese ist notwendig – wir brauchen dafür eine zusätzliche Behörde, Kollegin Kahofer! Dort ist es nämlich möglich, das anonym und vertraulich einzubringen. Dort wird auch im Vorfeld analysiert, welche rechtlichen An­knüpfungspunkte vorliegen. Das ist sozusagen ein niederschwelliger, unbürokratischer Zugang, der wichtig ist.

Die Richtlinie verbietet bestimmte Handelspraktiken und enthält auch eine Liste von unter allen Umständen verbotenen Handelspraktiken in den Beziehungen zwischen Käu­fern und Lieferanten. Auch bestimmte, in der Praxis relevante Praktiken sind umfasst, zum Beispiel das Fordern von Rabatten, Sonderkonditionen, besonderen Ausstattun­gen, Rücknahmeverpflichtungen oder Haftungsübernahmen.

Der Fokus auf den niedrigsten Preis für den Endkonsumenten führt mittel- und langfristig dazu, dass die erste Stufe der Lieferkette, nämlich die Produzenten, also die Bäuerinnen und Bauern, massiv unter Druck gesetzt werden und letztlich viele Marktteilnehmer, insbesondere kleinere, aus dem Markt ausscheiden, was zu Arbeitsplatzverlusten führt, die Produktvielfalt verringert und die Marktkonzentration automatisch erhöht. Und das ist eben das Gegenteil der Zielsetzung des Wettbewerbsrechts, schadet langfristig den KonsumentInnen und geht zulasten von Arbeitsplätzen, von Resilienz und Vielfalt.

Die Konsumentenwohlfahrt darf nicht nur die Preise für Konsumenten im Fokus haben, sondern sie muss auch auf langfristige Auswirkungen wie insbesondere Qualität, Innova­tion und Vielfalt abgestellt werden. Das ist wirklich wichtig.

Noch einmal zusammengefasst: Basierend auf einer EU-Richtlinie werden unlautere Handelspraktiken für den Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen verboten. Bäuerinnen und Bauern verdienen faire Preise und faire Handelsbedingungen für ihre Erzeugnisse. In ungleichen Machtverhältnissen ist es eben notwendig, klare gesetzliche Regelungen dafür zu schaffen. Das betrifft nicht nur den Lebensmitteleinzelhandel, es betrifft auch die verarbeitende Industrie, und das gar nicht so wenig.

Ich freue mich sehr, dass nun ein Gesetz vorliegt, das auch die Direktvermarktung der Bäuerinnen und Bauern absichert, denn die bisher üblichen Einschränkungen der Direkt­vermarktung verhindern auch wieder Innovation, Weiterentwicklung und Unabhängigkeit der bäuerlichen Betriebe, sozusagen auch ein zweites Standbein.

Mit dem Verbot dieser Praxis wird sich nun beispielsweise in den Verträgen mit den Molkereien oder anderen verarbeitenden Betrieben einiges ändern. Es freut mich auch, dass es den Grünen in den Verhandlungen gelungen ist, dass zwei Hauptforderungen der IG-Milch, die den bäuerlichen Betrieben mehr Unabhängigkeit verschaffen will und bereits vor 15 Jahren auf die marktbeherrschende Stellung der Molkereien aufmerksam machte, in das Gesetz eingearbeitet worden sind. Noch immer schreiben Molkereien


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den zuliefernden Genossenschaftsmitgliedern vor, wie viel ihrer Milch sie direkt vermark­ten dürfen oder verbieten die Direktvermarktung überhaupt. Auch aus weiteren Bran­chen sind ähnliche Entwicklungen bekannt.

Konkret wurden im Gesetz den Regelungen, was EU-rechtlich zu verbieten ist, zwei weitere entscheidende Punkte hinzugefügt: Die Direktvermarktung darf nicht unange­messen eingeschränkt werden, und Direktvermarkter dürfen nicht aus unsachlichen Gründen in Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung benachteiligt werden. Auch dieses Szenario kennen wir bisher zur Genüge. Das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz – so würde ich es nennen – ist ein großer Erfolg für die bäuerlichen Betriebe, deren Position und Unabhängigkeit gegenüber Handel und verarbeitender Industrie nun eindeutig gestärkt wird.

Abschließend noch ein paar Worte zur Einigung der nationalen Ausgestaltung der GAP-Mittel, der Agrarfördergelder, die heute gemeinsam von Ministerin Köstinger und unserer Agrarsprecherin Olga Voglauer präsentiert wird. Es war so etwas wie eine doppelte Premiere: Für die Grünen war es das erste Mal, die GAP zu verhandeln, und ich glaube, für das Landwirtschaftsministerium war es das erste Mal, das mit einer anderen Partei zu verhandeln. Die Verhandlungen haben sich ausgezahlt: Sie haben sich für die kleine­ren und bäuerlichen Betriebe und für die Biobetriebe ausgezahlt.

Es wird in Österreich – und das ist wirklich historisch – erstmals eine Förderobergrenze geben: Bei 100 000 Euro ist Schluss. Es werden die ersten 20 Hektar deutlich höher gefördert, und es ist gelungen, die Förderungen für die Biobetriebe in den Verhandlun­gen nochmals deutlich zu erhöhen.

Mit dem Gesetz gegen unlautere Handelspraktiken und mit der GAP-Einigung im eben beschriebenen Sinne ist heute ein guter Tag für die bäuerliche Landwirtschaft und für die ökologische Landwirtschaft. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.20


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Dr. Magarete Schramböck. Ich erteile ihr das Wort.


11.20.19

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Werter Bundesrat! Heute bei diesen Verhandlungspunkten geht es um mehrere Themenbereiche, die allesamt wichtig sind, die Unterschiedlichstes abdecken, Folgendes aber ist zentral: den Standort zu sichern, die Unternehmen zu sichern, die Arbeitsplätze der Zukunft zu sichern und damit heute die Pandemie zu bekämpfen. Ne­ben dem Impfen, das ganz wesentlich ist, mit dem jeder und jede wirklich einen Beitrag leisten kann, ist auch das Testen wesentlich. Die Betriebe haben gezeigt, dass sie diese Maßnahme, die wir gesetzt haben, auch intensiv nutzen. Die Maßnahme, die Betriebe dabei zu unterstützen, sehr einfach und bequem für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tests in den eigenen Räumlichkeiten anzubieten, geht vom Wirtschaftsministerium aus.

Nun gehen wir noch einen Schritt darüber hinaus, indem es nicht mehr notwendig ist, PCR-Tests vor Ort im Betrieb selbst zu machen, sondern das auch außerhalb möglich ist. Ich erwarte mir dadurch wieder sehr viele Initiativen von Unternehmen, die diese Chance ergreifen und diese Förderung nutzen, um ihren Kunden, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und jenen, die in den Ortschaften leben, in denen sie angesiedelt sind, noch mehr PCR-Tests anzubieten. (Bundesrat Spanring: ...! Das gibt’s gar nicht! ... gibt’s gar nicht!)

Ganz wichtig ist dabei, dass wir den Betrag von 10 Euro auf 15 Euro anheben. Die 15 Euro decken die erhöhten Kosten der PCR-Tests ab, und mit dieser Unterstützung erwarte ich mir auch, dass die Unternehmen weitere Schritte setzen. Danke für Ihre Un­terstützung für diese Erweiterung und die Verlängerung des betrieblichen Testens!


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Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass das wirtschaftliche Leben auch in anderen Berei­chen weitergeht und wir deshalb Themen vorantreiben müssen. Eines ist die Fairness in den Lebensmittellieferketten, und da geht es vor allem darum, die Kleineren entlang der gesamten Wertschöpfungskette vor einer Marktmacht der Größeren zu schützen. Ich schaue mir an, wie viele Unternehmen das sind, die Landwirte nicht mit dazugerechnet: Allein in diesem Bereich sind 4 700 Unternehmen mit 77 000 Beschäftigten tätig.

Die KMUs in dieser gesamten Wertschöpfungskette sollen die Möglichkeit bekommen, einfach und ganz gezielt aufzuzeigen, wenn es Ungerechtigkeiten gibt. Konflikte vorab zu lösen ist immer besser, als sie dann in diesem gesamten Prozess drinnen zu haben, und die neue Anlaufstelle schafft ganz klar diese Möglichkeit. Es ist ein wichtiger Schritt für die Lebensmittellieferketten in Österreich sowie für die mittelständischen und kleinen Unternehmen, und daher bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

Ganz zum Schluss möchte ich Präsidenten Peter Raggl zu seiner erfolgreichen Präsi­dentschaft gratulieren, die sehr, sehr viel für den Wirtschaftsstandort, für die Regionalität und letztendlich für die Zukunft der Arbeitsplätze in Österreich geleistet hat. Herzlichen Dank für diese gute Zusammenarbeit!

Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einige Tage, die Sie im Kreis Ihrer Familie verbringen können. Erholen Sie sich gut! Wir sehen uns im nächsten Jahr wieder. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.24


11.24.23

Vizepräsident Günther Novak: Ich darf hier bei uns im Plenum Frau Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt, Frau Mag. Karoline Edtstadler, begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. (Rufe bei der FPÖ: Nein!) Nein, Stim­menmehrheit. Okay. Das ist die Stimmenmehrheit. Aufpassen beim Aufzeigen! (Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Steiner: Auf­passen mit Zählen ...!) – Ja, Herr Kollege Steiner, schau auf deine Kolleginnen und Kol­legen! Es hat einer aufgezeigt. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebliche Testungs-Gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 47

Handzeichen. (Bundesrat Steiner: Jetzt zeigen wir auf! Ich sag’s dazu in Zukunft! – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Rot-weiß-roter Impfscheck iHv. 500 Euro um wei­tere Lockdowns zu verhindern, durch erzielen einer 90% Impfquote“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. (Bundesrat Steiner: Wir stimmen nicht zu!) – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

11.27.464. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert wird (1176 d.B. und 1221 d.B. sowie 10815/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


11.28.13

Berichterstatter Sebastian Kolland: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­fassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert wird.

Die Unterlagen liegen Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm das Wort.


11.28.59

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin, Frau Minister! Ja, der Tagesordnungspunkt behandelt eine – unter Anführungszeichen – „Reparatur“ des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes, die der Verfassungsgerichtshof notwendig gemacht hat, weil er die Verhängung von Beugehaft zur Durchsetzung unvertretbarer Handlungen in Verwaltungsverfahren als verfassungs­widrig aufgehoben hat. Gründe waren das Fehlen einer Beschränkung der Haft und ei­nes ordentlichen Rechtsschutzes.

Nun sind wir allerdings so weit, dass am 31.12.2021, also in wenigen Tagen, die vom Verfassungsgerichtshof gesetzte Übergangsfrist ausläuft, und dann wäre im Verwal­tungsverfahren die Verhängung der Beugehaft nicht mehr möglich. Man kann sagen: Ja, das ist dann wirklich kein perfektes Gesetz, wenn man es letztendlich nicht durchsetzen kann; denn wenn die vorgesehene Verhängung von Geldstrafen nicht mehr reicht oder wenn der Betroffene kein Geld hat und Geldstrafen nicht eingehoben werden können, dann muss der Staat ja Weiteres tun. Das werden wahrscheinlich meine Nachfolger auch so argumentieren, das hat auch was.

Wir sind da allerdings in der ganz besonderen Situation, dass wir ja in den letzten drei, vier Wochen eine Diskussion über die Impfpflicht in Österreich und die Frage, was passiert, wenn sich jemand der Impfpflicht widersetzt, gehabt haben. Zwar gibt es die Erklärung, auch von der Frau Minister, es wäre politisch nicht gewollt, die Impfpflicht mit


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Beugehaft durchzusetzen. – Ja, was aber politisch gewollt und nicht gewollt ist, ändert sich seit den letzten 20 Monaten so schnell, mit einer solchen Frequenz (Bundesrat Spanring: ... keinen Lockdown!) und mit einem solchen Mangel an Errötungen der spre­chenden Personen, dass wir dem Ganzen keinerlei Glauben und auch keinerlei Gewicht beimessen, wenn man sagt: Wir wollen es politisch nicht!

Wenn wir das Verwaltungsvollstreckungsgesetz jetzt dahin gehend reformieren, dass die Beugehaft wieder möglich ist, dann ist für alles, für das es verwaltungsrechtlich eine Strafe gibt, die Beugehaft durchzusetzen. Ob das dass sie beim Impfzwang möglich ist  dann gesetzlich auch so ausgeschlossen wird, dass es hält, ist sehr die Frage. Wir sind daher der Meinung, dass diese Macht oder die Möglichkeit, die Verhängung von Beugehaft in Verwaltungsverfahren durchzusetzen, der österreichischen Staatsmacht, vertreten durch die Bundesregierung, derzeit nicht geboten werden sollten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich erinnere daran, wie oft wir schon scheinbar unverrückbare Zusagen sich in Luft auf­lösen gesehen haben. Wir haben alles gehabt: Kein Lockdown mehr für Geimpfte!, Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei!, Die Pandemie ist eine Pandemie der Ungeimpften!, Wir sehen Licht am Ende des Tunnels!, und so weiter. All das hat oft nicht einmal Wo­chen gehalten. Wir sind daher der Meinung, dass es nicht einmal reicht, sich jetzt der Möglichkeit, gegen Verwaltungsübertreter Beugehaft zu verhängen, zu widersetzen, sondern dass wir auch eine klare Feststellung treffen wollen, dass wir derartige Beuge­maßnahmen gegen Leute, die sich nicht impfen lassen, verhindern wollen.

Ich lese dazu – dann komme ich auch schon zu meinem Antrag, den ich einbringe – vielleicht nur ein paar Zahlen vor, die ich mir gerade im amerikanischen Impfschadens­reportsystem angeschaut habe. Das wird ausschließlich aus offiziellen Bundesquellen, von der Bundesgesundheitsbehörde, der FDA – also der Bundeslebensmittel- und Arz­neimittelagentur –, gespeist; es nennt sich Vaccine Adverse Event Reporting System, das kann jeder einsehen.

Das einfach nur so als Hintergrund, warum es doch vielleicht manche Leute gibt, die sagen: Nein, ich lasse mich nicht impfen! – dass das nicht nur Verrückte sind, die von irgendwelchen Demagogen verführt worden sind, sondern Leute, die sich denken: Ange­sichts der geringen Wirkung bei der jetzigen Variante, die uns bedroht, ist mir das Risiko doch zu hoch! – Das ist keine Aussage für oder gegen die Impfung, das ist einfach nur zum Behalten und zum besseren Verstehen. Ich sage das, nachdem wir ja heute viel darüber gehört haben, die Minderheiten, die anderen zu verstehen, Toleranz zu üben, transparent zu sein.

In Amerika hat es bis 10.12. – das ist die letzte Aktualisierung, die ich eingesehen habe – mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 20 244 Todesfälle und 33 675 dauerhaft gesundheitlich Geschädigte im Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen verschiedener Hersteller gegeben. Die anderen Zahlen lese ich nicht vor. Das ist bei einem Land von der Größe Amerikas vielleicht statistisch nicht viel, wenn man das in Prozenten oder Promille ausdrückt, aber es sind insgesamt weit über 50 000 Leute, die mit ihrem Leben oder dauerhaft mit ihrer Gesundheit dafür gezahlt haben, dass wir der Meinung sind: Alle müssen sich impfen lassen!

Eine Aufklärung, eine Information über diese Effekte fehlt, ein Zugang zu einer evidenz­basierten Entscheidung ist den Leuten, die unter Impfpflicht gestellt werden, nicht mög­lich.

Wir bringen daher folgenden Antrag ein, den ich hiermit verlese:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Zwang- und Beugehaft für Ungeimpfte“


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Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die im Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 einen § 5 Abs 1a einfügt. Dieser lautet: ,Niemand darf mittels Zwangs- oder Beugestrafen zu Duldungen, Unterlassungen und unvertretbaren Handlungen in Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfpflicht ver­pflichtet werden.‘“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, diesem Antrag sollten alle zustimmen, seien Sie jetzt insoweit geläutert, als Sie sich generell entschieden haben, einer Impfpflicht nicht zuzustimmen, seien Sie so weit, dass Sie sagen: Na, vielleicht bin ich dann doch für die Impfpflicht, aber keinesfalls dafür, die einzusperren, die Angst vor den Folgen haben! Ich glaube, alle können ei­nem solchen Vorbehalt in einem zu beschließenden Gesetz zustimmen, daher würde es mich, gerade vor Weihnachten, nicht sehr erfreuen, wenn aus prinzipiellen Gründen oder vielleicht aus uns unbekannten, bösen Vorbehalten zu unserem Antrag Nein gesagt wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.35


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Dr. Johannes Hübner, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Zwang- und Beugehaft für Ungeimpfte“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile ihm das Wort.


11.36.28

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns mit einer Novelle des Verwaltungsvollstreckungsge­setzes. Warum tun wir das? – Der Vorredner hat bereits ausgeführt, dass die Grundlage dafür ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist. Damit wir nicht mit 31.12. dieses Jahres in einem regelungslosen Zustand sind und ohne Zwangsinstrument der Vollstre­ckungsbehörden auskommen müssen, kommt es heute zu dieser Novelle. In dieser No­velle wird auch eine höchstzulässige Gesamtdauer der Beugehaft von einem Jahr nor­miert, und sie sieht – das begrüße ich außerordentlich – zudem ein Rechtsmittel nach dem Vorbild der Schubhaftbeschwerde vor. Es erweitert also den Rechtsschutz, und das ist, glaube ich, im Sinne der Normunterworfenen.

Kollege Hübner hat namens seiner Fraktion erläutert, warum seine Fraktion diesem No­vellierungsvorschlag nicht zustimmen kann. Ich habe mich im Vorfeld auch mit namhaf­ten Juristen zu dieser Thematik auseinandergesetzt, weil es mich interessiert hat, wie da die rechtlichen Meinungen sind. Mir wurde glaubhaft versichert, dass die Beugehaft nicht dazu dient, eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung, wie das zum Beispiel eine Impfpflicht ist, durchzusetzen. Im Entwurf des COVID-19-Impfpflichtgesetzes ist zudem keine bescheidmäßige Verpflichtung – dass Personen mit Bescheid auferlegt würde, sich impfen zu lassen – vorgesehen. Gibt es also keinen Bescheid, gibt es auch keine Beugehaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Beugehaft ist auch keine Strafe, und deswegen ist es ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass im Entwurf des Impfpflichtge­setzes festgehalten ist, dass es keine Freiheitsstrafen geben wird. Es steht damit der


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Novellierung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes also nichts im Wege, wir können dieses Gesetz guten Gewissens beschließen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.38


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.


11.39.11

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Mi­nisterin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Haft, der Entzug der persönlichen Freiheit – das muss immer das allerletzte Mittel sein, um ein Recht durchzusetzen. Dennoch ist es eben in extremen Fällen notwendig, damit der Rechtsstaat funktionieren kann, allerdings natürlich in eng definiertem Rahmen, was eben die Voraussetzungen und die Dauer betrifft, und es müssen ausreichend taugliche Rechtsschutzinstrumente, also Rechtsmittel, zur Verfügung gestellt werden, um sich entsprechend wehren zu kön­nen. Mit der Begrenzung auf ein Jahr, mit der Gesamtbeschwerde – Kollege Buchmann hat das schon im Einzelnen ausgeführt, deshalb kann ich mir das aus Zeitgründen er­sparen – wird dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes entsprochen. Daher ist dem Gesetz auch zuzustimmen.

Zum Antrag, den die FPÖ gestellt hat, möchte ich auch noch einige Worte sagen, auch wenn es den Kollegen jetzt eh nicht zu interessieren scheint (in Richtung des in ein Gespräch vertieften Bundesrates Hübner), ich sage es aber trotzdem: Ja, es handelt sich bei dem, was wir hier beschließen, um ein Dauerrecht. Diese Bestimmung, die vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, soll auf Dauer saniert werden. Beim Entwurf des Impfpflichtgesetzes handelt es sich ja um eine befristete Maßnahme, daher gehört, wie das ja auch in Aussicht gestellt wurde, ein Ausschluss einer Beugehaft in dieses befristete Gesetz und eben nicht ins Dauerrecht, das wir hier beschließen. Das wäre sonst eine Systemwidrigkeit, die wir nicht verantworten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir alle gemeinsam sind für den Erhalt und die Pflege des Rechtsstaates verantwortlich, deshalb ist diesem Gesetz auch zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.41


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.


11.41.39

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Es geht um eine Neuregelung der Beugehaft. Beu­gehaft ist ja an sich nichts Neues, die hat es immer schon gegeben. Es wird sie auch in Zukunft geben, allerdings nur dann – das muss man ja noch einmal wirklich unterstrei­chen –, wenn eine Durchsetzung anders nicht möglich ist, etwa durch Geldstrafen, und wenn die Verhältnismäßigkeit gegeben ist. Und – auch das sei noch einmal unterstri­chen – die jetzige Regelung bringt deutliche Verbesserungen mit sich: die zeitliche Be­schränkung, die Beugehaftbeschwerde, periodische Überprüfungen, ob das überhaupt noch angebracht ist, und einen leichteren Zugang zur Verfahrenshilfe.

Im Hinblick auf das, was die FPÖ gesagt hat, ist es wichtig, anzumerken und zu betonen: Es geht bei der Beugehaft um eine Durchsetzung von individuellen Rechtsakten. Das heißt, es muss eine bescheidmäßige Festlegung erfolgen, und genau das ist im Impf­pflichtgesetz überhaupt nicht vorgesehen. Somit war die Aufhebung eine gute Gele­genheit, das Gesetz zu verbessern.

Ich möchte auch noch ein paar Sätze zum Antrag der FPÖ sagen: Das kommt jetzt wahnsinnig harmlos daher, ist es aber meiner Meinung nach in Wahrheit nicht. Sie wis­sen genau, dass im Impfpflichtgesetz keine bescheidmäßige Anerkennung vorgesehen


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ist, das heißt, eine Beugehaft ist überhaupt nicht möglich. Es ist nicht möglich! Indem Sie mit diesen Gedanken sehr bewusst spielen, solche Behauptungen in den Raum stellen, so tun, als ob es ein Kalkül wäre, das irgendwo im Hinterkopf zu haben, verun­sichern Sie ein weiteres Mal. Sie schüren damit Angst und Sie schüren damit vor allem Aggressivität, weil man sagt: Jetzt werde ich auch noch eingesperrt!, was einfach über­haupt nicht stimmt, in keiner Weise erwogen wurde und rechtlich nicht einmal möglich ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.43


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend hat sich Frau Bundesministerin Mag. Ka­roline Edtstadler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


11.43.58

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Abschließend zu diesem Punkt, aber auch abschließend für das heurige Jahr möchte ich damit beginnen, Ihnen Danke zu sagen: Danke für die gute Zusammenarbeit, Danke für dieses Miteinander, das wir gerade in Zeiten wie diesen, in der Pandemie so dringend brauchen, über Parteigrenzen hinweg, Danke, dass Sie da sind, die Interessen hinaustragen und umgekehrt die Interessen abholen, nämlich aus den Bundesländern, dort, wo die Men­schen ihre Ängste, ihre Sorgen haben.

Danke auch für die sehr qualifizierten, hochwertigen Meldungen und Reden zu diesem Tagesordnungspunkt, dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz, bei dem es ja, wie es schon dargelegt worden ist – und ich kann mich hier kurz halten –, aufgrund eines Er­kenntnisses des Verfassungsgerichtshofes eine Verbesserung geben wird.

Warum machen wir diese Sanierung, warum nehmen wir nach Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof diese Möglichkeit der Sanierung wahr? – Weil wir Beugehaft einfach brauchen, da es Verfahren gibt, bei denen es um höchstpersönliche Leistungen und das Durchsetzen von höchstpersönlichen Leistungen geht, bei denen die Beugehaft als Möglichkeit gegeben sein muss.

Ich möchte auf das eingehen, was Bundesrat Buchmann und auch Bundesrat Gross schon ausgeführt haben: Diese Beugehaft kann ja nur dann eingesetzt werden, wenn es eben um diese persönliche Leistung geht, also zum Beispiel die Ausreise aus dem Bun­desgebiet, und das ist auch der größte Anwendungsbereich. Im Fremdenrecht brauchen wir diese Möglichkeit, damit tatsächlich eine Mitwirkung erfolgt. – Das zu diesem Punkt.

Ansonsten ist wirklich von allen jetzt gesagt worden, worum es geht. Auch Ihnen, Herr Bundesrat Hübner, möchte ich dafür danken, dass Sie das ganz klar dargelegt haben. Als Jurist wissen Sie, worum es geht: Es geht auch um einen verbesserten Rechts­schutz, es geht darum, dass wir Höchstfristen einführen. An dieser Stelle möchte ich aber die Gelegenheit nützen, zu sagen: Bitte vermischen wir die Dinge nicht! Ich unter­stelle jetzt einmal, dass Sie genau wissen, worum es geht und dass diese Beugehaft niemals im Zusammenhang mit der Impfpflicht angewendet werden könnte. Sie bringen aber dennoch jetzt diesen Antrag ein, der rechtlich ja ein Nullum ist, um es einmal so zu sagen.

Ich möchte vor allem auch von dieser Stelle aus jetzt sagen, warum dem so ist. Erstens – das haben wir im Verfassungsausschuss sehr intensiv besprochen, und ich habe es auch dort gesagt –: Es wird keine Beugehaft geben, da es rechtlich schlicht und ergrei­fend nicht geht, denn wenn es einen Bescheid gibt, dann ist eine Geldleistung gefragt, und die könnte man mit einer Beugehaft nicht durchsetzen.

Zweitens: Wir möchten die Menschen nicht zum Zahlen einer Geldstrafe bringen, son­dern davon überzeugen, dass sie sich impfen lassen; deshalb schließen wir im Impf­pflichtgesetz – und das ist das Gesetz, das wesentlich ist – aus, dass eine Geldstrafe,


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die verhängt wird, in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt werden kann. Das wird es nicht geben! Zudem wird auch in den Erläuterungen des jetzigen Entwurfs, der ja noch bis 10. Jänner in Begutachtung ist, klargestellt, dass selbstverständlich keine Beugehaft verhängt werden kann, um die allgemeine Impfpflicht durchzusetzen. Es ist mir ganz wichtig, das zu sagen.

Ich möchte schon auch sagen, dass ich mich natürlich nicht der Illusion hingebe, dass ich Sie oder die FPÖ jetzt davon überzeugen kann, dass das so ist. Ich höre auch Ihre Worte, dass Sie sozusagen der Politik beziehungsweise der Regierung nicht mehr trau­en. Das nehme ich zur Kenntnis, okay. Ich sage Ihnen aber, und diese Message ist wichtig, vor allem für die Menschen da draußen, die es betrifft: Dem ist nicht so, streuen Sie den Menschen nicht Sand in die Augen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Hören wir endlich auf, noch weiter zu verunsichern! Und ja, geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte von der FPÖ, ich kann es Ihnen nicht er­sparen, das an dieser Stelle zu sagen: Das tun Sie leider!

Unsere Hand ist ausgestreckt, meine Hand ist ausgestreckt, ich habe gesagt: Reden wir auch über die Impfpflicht! Ich glaube, es ist höchst an der Zeit. Und um sozusagen mit einem europäischen Blick zu schließen: Wenn Sie in Länder schauen, in denen über die Parteigrenzen hinweg dafür gesorgt wird, dass Information unter die Menschen kommt, dass sie aufgeklärt werden, dass sie diese Möglichkeiten wahrnehmen, dann sehen Sie, dort gibt es höhere Impfquoten. (Anhaltende Zwischenrufe der BundesrätInnen Bernard, Spanring und Steiner-Wieser.) Das ist mein Wunsch ans Christkind, wenn ich das we­nige Tage vor Weihnachten so formulieren darf: Ich würde es mir wirklich wünschen, dass wir in das Jahr 2022 mit einer Kultur starten, die verbindender ist, mit einer Ge­sprächskultur, die gemäßigter ist, mit einem Zugehen auf Menschen und damit, Gräben zuzuschütten, denn das brauchen wir. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn ich mir überlege, wie Demonstrationen ablaufen, wenn ich mir überlege, wie be­stimmte Berufsgruppen, von den Ärzten über die Pfleger bis zu den Polizisten, an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt sind, dann kann ich nur sagen: Fassen Sie sich vor Weih­nachten ein Herz, überlegen Sie, wofür es sich wirklich zu kämpfen lohnt: ein Österreich, in dem wir alle unsere Freiheiten leben können, ohne krank zu werden und ohne ein Gesundheitssystem zu haben, das an der Kapazitätsgrenze angelangt ist! – Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen besinnliche Feiertage. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.49


11.49.32

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung eines Entschließungsantrages betreffend „keine Zwang- und Beugehaft für Un­geimpfte“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


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11.50.335. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (2093/A und 1222 d.B. sowie 10816/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


11.50.55

Berichterstatter Sebastian Kolland: Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Födera­lismus über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden.

Die Unterlagen liegen Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, erstens, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben, und zweites, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B‑VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. Ich erteile ihm das Wort.


11.51.48

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Kollegen! Frau Minister! Ich kann dort fortsetzen, wo ich aufgehört habe, da wir im gleichen Themenbe­reich sind. Es geht jetzt formal um die Verlängerung von diversen Fristen für Covid-19-Sonderbestimmungen, im Wesentlichen um ein halbes Jahr, vom 31.12. dieses Jahres bis zum 30.6.2022. Wir werden dem nicht zustimmen – nicht weil Fristverlängerungen generell schlecht sind, sondern weil sie der Einstieg dahin gehend sind, die bisherige, unserer Ansicht nach völlig verfehlte, unverhältnismäßige, die Menschen belastende, die Wirtschaft störende bis zerstörende Politik fortzusetzen.

Wir sind der Ansicht, dass wir aus dieser Politik aussteigen müssen, und wir müssen die Regierung dazu bringen, sich dieser Ansicht anzuschließen. Dazu müssen wir auch die Abgeordneten davon überzeugen, sich noch einmal mit dem Thema auseinanderzuset­zen. Die Frau Minister meint, unser letzter Antrag, der abgelehnt wurde, wäre ein recht­liches Nullum, sie meint, das komme sowieso nicht. – Ich verstehe dann nicht, warum einem Antrag, der etwas festschreibt, was sowieso nicht kommt, nicht zugestimmt wird. Dann kann man ja das, was man eh nicht will, auch gesetzlich verankern. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Aber gut, es hat jeder seine Auftraggeber und seine Dinge, denen er nachfolgen will.

Zur Frage der Gesamtsituation, in der wir sind – (in Richtung Bundesministerin Zadić) die Frau Minister ist dafür nicht zuständig, andere Kollegen haben das gemacht –: Wir haben vor Kurzem erst Einreisebeschränkungen und Quarantänepflichtbestimmungen gegenüber Ländern mit den höchsten Impfquoten in Europa erlassen, nämlich dem Impf­weltmeister Norwegen, der bei einer Quote von über 85 Prozent liegt, und Großbritan­nien, das auch bei 81 Prozent liegt. Wir haben da jetzt Quarantäneeinreisebeschränkun­gen erlassen, viele Länder lassen Flieger aus diesen Ländern überhaupt nicht mehr lan­den, lassen Personen aus diesen Ländern nicht mehr einreisen. Das zeigt, das, was wir da tun – die Leute mit aller Gewalt impfen, impfen, Impfen als Zukunft –, kann es aus


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irgendwelchen Gründen nicht sein; aber auch die völlig wirkungslosen Zusperraktionen können es nicht sein.

Auch wenn man Pseudofachausdrücke aus dem Englischen einführt und nicht mehr zu­sperrt, sondern downlockt, nicht mehr verstärkt, sondern boostert, keine Heimarbeit mehr macht, sondern Homeoffice, und keine Heimschule, sondern Homeschooling, ist damit kein wissenschaftliches, tragfähiges Gebäude errichtet, sondern es wird, um es vielleicht im Regierungsstil verständlicher zu machen, nur ständig more of the same.

England, übrigens – weil es heute heißt: Katastrophe! –, hat gar nichts gemacht. Dort gibt es keinen Lockdown, die Nachtgastronomie ist bis 5 Uhr in der Früh offen. Dort gibt es nur die Empfehlung, eine Maske zu tragen, und die Empfehlung, Abstand zu halten. Auch in London herrscht kein Lockdown, um das schöne Fachwort noch einmal zu ver­wenden, sondern man hat Militärangehörige zur Verstärkung des Gesundheitsdienstes beigezogen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die Dinge, die wir tun, macht man also auch im Auge des Orkans nicht, weil man dort zumindest seit Juni 2021, als dieser Freedomday gefeiert und die Maßnahmen aufgehoben wurden, erkannt hat, dass diese Maßnahmen schlicht und einfach nichts bringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen bitten wir um Verständnis dafür – dass wir Unterstützung bekommen, schlie­ße ich bei dem bisherigen Verhalten ohnehin aus –, dass wir einer weiteren – unter An­führungszeichen – „unendlichen“ Verlängerung dieser Maßnahmen durch eine jeweils sechsmonatige Perpetuierung der Fristen sicher nicht zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.55


Vizepräsident Günther Novak: Ich darf Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić bei uns im Plenum begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Florian Krumböck. Ich erteile ihm das Wort.


11.56.11

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Corona prägt die Debatte und die Gesetzgebung im Hohen Haus. Für mich ist es daher keine Überraschung, dass sich meine erste Rede im Bundesrat auch mit Corona bezie­hungsweise mit der Frage, wie wir mit der Pandemie umgehen und leben, beschäftigt. Ich versuche – anders als (in Richtung Bundesrat Hübner) der Kollege, der gerade wie­der bei der kreativen Auslegung der Tagesordnung und der Inhalte war –, mich dabei auch an die Sache zu halten.

Der vor uns liegende Beschluss des Nationalrates hat dazu vier Punkte zum Inhalt: Die Bundesregierung kann ihre Beschlüsse via Videokonferenz fassen. Gemeinderäte, Stadtsenate, Gemeindevorstände und die Ausschüsse in den über 2 000 Gemeinden im Land können ihre Arbeit via Videokonferenzen und via Umlaufbeschlüsse fortsetzen. Die Verwaltung und die Verwaltungsgerichtsbarkeit können diese Möglichkeit nutzen, und auch bei Vergabeverfahren kann man auf den technologischen Stand von heute zurück­greifen. Wir ermöglichen damit den wichtigsten Organen unseres Staates, auf dem glei­chen Niveau arbeiten zu können, wie wir das auch in unserer alltäglichen Arbeit von vor der Pandemie gewohnt sind.

Manche könnten ja meinen, dass das selbstverständlich sein muss, geschätzte Damen und Herren! Meine Erfahrung in der Kommunalpolitik  und die habe ich mit der erst zweiten Sitzung im Bundesrat  zeigt, dass das nicht so ist. Ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Sankt Pölten: Dort hat es mehrere Jahre an persönlichem Einsatz gekostet,


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 55

bis sich die SPÖ-Stadtregierung dazu durchringen konnte, Livestreams aus dem Ge­meinderat anzubieten, obwohl das technisch und rechtlich ganz einfach möglich war. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Umso wichtiger ist es, dass wir heute die Weichen stellen, dass wir weiterhin in Gremien Beschlüsse fassen können; dass Unternehmen und Private zu ihren Bescheiden kom­men, an denen oft auch viele Arbeitsplätze hängen; dass die Verwaltungsverfahren wei­terhin zügig durchgeführt werden können, um die ohnehin oft schon langwierigen Verfah­ren nicht weiter zu verzögern; und dass Vergaben, an denen erneut wieder viele Arbeits­plätze hängen, weiterhin durchgeführt werden können. Einfach zusammengefasst lässt sich sagen: Wir sorgen mit dem Beschluss heute dafür, dass die Republik auch in Zeiten der Pandemie nicht stillsteht, und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir zum Schluss meiner ersten Re­de noch eine persönliche Bemerkung: Wir haben in eineinhalb Jahren der Pandemie alle miteinander die Vorzüge von Videokonferenzen kennenlernen dürfen. Bei der Vorberei­tung auf die heutige Rede und mit Blick auf die gestrigen und heutigen Debatten – wie gesagt meine ersten Debatten, die ich als Mitglied im Bundesrat miterleben durfte – wurde mir bewusst, welche Vorteile uns Videokonferenzen auf jeden Fall bieten: Wenn man es mit künstlicher Aufregung zu tun hat, mit entsprechendem Tonfall und dazugehö­rigen Reden, die skandalisieren und auseinandertreiben wollen, kann man die Lautstär­ke ganz einfach selbst regulieren. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Mir jedenfalls ist die Tonlage, die Lautstärke und die Art und Weise der Debatte, die unser Bundeskanzler Karl Nehammer und die Mitglieder der Bundesregierung gestern im Hohen Haus gezeigt haben  nämlich mit ausgestreckter Hand und nicht mit gestreck­tem Bein , deutlich lieber. Genau auf diese konstruktive Zusammenarbeit, bei der man aufeinander zugeht, freue ich mich sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.59


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. Ich erteile ihr das Wort.


12.00.10

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Mi­nisterin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wie der Vorredner bereits erläutert hat, geht es um die Verlängerung einer Covid-19-Gesetzge­bung. Konkret geht es auch um die Ermächtigung von Gemeinden, Beschlüsse per Vi­deokonferenz beziehungsweise im Umlaufweg zu fassen. Wir vonseiten der Sozialde­mokratie stimmen allen Verlängerungen bei diesem Tagesordnungspunkt zu, auch dem Einsatz von Videotechnologie bei Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichten so­wie der Möglichkeit beschleunigter Vergaben. Aus Sicht der Gemeinden waren diese Ermächtigungen wichtig, um die Gemeindearbeit in den herausfordernden Zeiten auf­rechterhalten zu können.

In meiner Gemeinde kam in den Lockdownphasen der Umlaufbeschluss zur Anwen­dung. Auf Videokonferenzen konnten wir nicht zurückgreifen, da die technologische Aus­rüstung und die Geschwindigkeit des Internets in meiner Gemeinde wie in vielen anderen österreichischen Landgemeinden mangelhaft sind. Wünschen würde ich mir für meine Gemeinde, aber auch für alle anderen strukturschwachen Gemeinden eine technologi­sche Aufrüstung. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht schnelles Internet und Videostreaminganlagen, damit Bürgerinnen und Bür­ger online bei den öffentlichen Gemeinderatssitzungen dabei sein können. Das nötige Geld fehlt aber, um die Herausforderungen der Krise als Chance für den ländlichen Raum zu realisieren. Da besteht dringender Handlungsbedarf.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 56

Ich möchte kurz noch auf einen weiteren Punkt eingehen. Die jeweils gültigen Covid-19-Auflagen beeinträchtigten nicht nur unsere Beratungs- und Sitzungskultur, sondern auch die Arbeitsabläufe in den Gemeindeverwaltungen. Öffentliche Gemeinderatssitzungen finden seit März 2020 in vielen Gemeinden nicht mehr in den dafür bestimmten Sitzungs­sälen statt, sondern mussten übersiedelt werden und werden zumeist in Turnsälen ver­anstaltet – ein Mehraufwand, den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Ämtern zusätzlich schultern, genauso wie sie unter erschwerten Bedingungen den Bürgerser­vice in gewohnter Qualität aufrechterhalten und die Umsetzung der Covid-19-Auflagen im eigenen Wirkungsbereich bewerkstelligen. Zusätzlich waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit beschäftigt, Teststraßen einzurichten, einen Impfbus zu organisieren und so weiter. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Auch bei den Gemeindemitarbeitern und -mitarbeiterinnen wird es Zeit, dass sich die Wertschätzung in einer besseren Bezahlung und in einer Personalaufstockung äußert. Die Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitersuche stellt sich bereits jetzt als äußerst schwierig dar. In meiner Gemeinde folgte einer Ausschreibung in der Verwaltung genau eine Per­son, und einen Posten in der Reinigung schreibe ich bereits seit zwei Jahren regelmäßig aus, ohne eine einzige ernsthafte Bewerbung zu erhalten. Meine Nachbargemeinden kämpfen mit ähnlichen Problemen.

Mittlerweile sind wir Gemeinden unattraktive Arbeitgeberinnen. Abhilfen liegen auf der Hand, das Aushungern der Gemeinden ist keine davon. Deshalb auch in meiner letzten Rede im Jahr 2021 der Appell: Stärken wir die Gemeinden! Sichern wir deren Finanzie­rung, damit sie ordentlich arbeiten können! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.04


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.


12.05.02

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Ich mache es kurz – wir haben es gehört –: Es geht darum, die Erleichterungen von Abläufen für weitere sechs Monate sicherzustellen, und zwar auf allen Ebenen. Da geht es um Arbeitsweisen in der Justiz, um die Mög­lichkeit, in der Regierung Videokonferenzen abzuhalten und vor allem auch auf Gemein­deebene ohne physische Anwesenheit Beschlüsse herbeizuführen.

Ich denke, man kann feststellen, dass viele dieser betroffenen Erleichterungen – das ist mindestens schon die zweite Verlängerung – sich insgesamt bewährt haben. Sie haben gezeigt, wie hilfreich Digitalisierung sein kann. Ich persönlich habe das auch sehr deut­lich gemerkt. Vor allem dann, wenn man vom Zentrum Wiens sehr weit weg wohnt, in Vorarlberg, ist es schon angenehm, auf professionelle Weise zwischendurch 1, 2 Stun­den lang eine Besprechung abhalten zu können und dafür nicht in Summe 15 Stunden fahren zu müssen.

Trotzdem ist es wichtig, diese Verlängerungen weiterhin zu befristen. Das war von An­fang an eine wichtige Festlegung und Forderung. Das soll auch so beibehalten werden, auch wenn es vielleicht mühsam ist, schon wieder zu verlängern. Auch wenn sich einiges bewährt hat – da werden sicher alle zustimmen –, bin ich der Meinung, dass man erst dann, wenn die Pandemie vorbei ist und wir diese Sonderregelungen nicht mehr brau­chen, in Ruhe darüber beraten soll, was man in Dauerrecht übernehmen kann – und nicht davor.

Jedenfalls, denke ich, beschließen wir weiterhin sehr sinnvolle Erleichterungen für vieler Leute Arbeit. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.06


12.06.59


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 57

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

12.08.426. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Sterbeverfügungsgesetz erlassen wird sowie das Suchtmittel­gesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (1177 d.B. und 1255 d.B. sowie 10806/BR d.B. und 10837/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


12.09.17

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesmi­nisterin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des National­rates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Sterbeverfü­gungsgesetz erlassen wird sowie das Suchtmittelgesetz und das Strafgesetzbuch geän­dert werden.

Da die Strafbarkeit einer Tötung auf Verlangen gemäß § 77 Strafgesetzbuch nicht ange­tastet wurde, beschränkt sich der vorliegende Beschluss allein auf die Frage, unter wel­chen Voraussetzungen es künftig zulässig sein soll, jemandem bei seinem Suizid Hilfe zu leisten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.



BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 58

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


12.10.36

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Es gibt beim heute zu diskutierenden sogenannten Sterbeverfügungsgesetz einige positive Ansätze, die wir auch zur Kenntnis nehmen. Letztendlich bleiben für uns in diesem Gesetzentwurf aber viele Fragen unbeantwortet, sodass wir diesen keinesfalls mit gutem Gewissen mittragen können.

Grund für die heutige Diskussion ist ein Entscheid des Verfassungsgerichtshofs, und dazu kann man jetzt stehen, wie man will, auf jeden Fall ist dieses Erkenntnis so zu akzeptieren. Da kommt auch meine erste Kritik: Dieses Erkenntnis ist schon lange genug bekannt, und für so ein wichtiges Gesetz – das in Wahrheit höchst sensibel behandelt werden muss, weil es einfach sehr viele kontroversielle Meinungen dazu gibt – hätten wir uns ganz einfach eine längere Diskussion mit allen politischen Parteien und natürlich auch den verschiedenen Organisationen – Hospiz, Palliativpflege, Psychiater, Psycholo­gen, Heimpflege und so weiter – gewünscht, ja vielmehr sogar erwartet.

Ein breit angelegtes Beratungsforum des Nationalrates oder auch des Bundesrates bei­spielsweise, eine Enquete oder eine Anhörung – all das wären Möglichkeiten gewesen, aber diese Chance hat man ungenutzt gelassen.

Gerade einmal drei Wochen Begutachtungsfrist für ein so heikles Thema sind für uns unzureichend. In diesen drei Wochen sind auch 139 Stellungnahmen eingegangen, die aber wenig berücksichtigt wurden; manche sogar gar nicht, glaube ich. Angesichts der gesellschaftspolitischen Tragweite dieser Entscheidung fehlt mir da die Bereitschaft für einen offenen Diskurs, was dann aber wahrscheinlich wiederum auf den durch diese dreiwöchige Begutachtungsfrist künstlich erzeugten Zeitdruck zurückzuführen ist.

Frau Minister, uns ist klar, dass es mit Sicherheit sehr schwierig ist, da eine tatsächlich ausgleichende Entscheidung treffen zu können, und ich gestehe Ihnen auch zu, dass das höchstwahrscheinlich Ihr Ansinnen war. Als positiv sehe ich auch die Tatsache, dass die Einschränkung auf „volljährige und entscheidungsfähige“ kranke Personen in den Gesetzentwurf eingearbeitet wurde.

Was hingegen unklar ist, ist der Begriff der „unheilbaren“ Krankheit: Ohne genaue Def­inition lässt das den entscheidenden Ärzten doch wieder einen sehr weiten Interpreta­tionsspielraum, und wir alle wissen, dass auch Ärzte nur Menschen sind, denen man hiermit schon eine sehr große Bürde auferlegt.

Als positiv erachten wir auch das verpflichtende Aufklärungsgespräch durch zwei Ärzte – wir wünschen uns aber, dass es zumindest noch ein weiteres Gespräch geben soll, dies sollte mit einem Psychiater stattfinden.

Nun komme ich zu unseren Kritikpunkten: Alleine die Begrifflichkeit „Sterbeverfügung“ ist missverständlich, es sollte eigentlich Suiziderklärung heißen. Im Gesetzentwurf ist dann auch noch von „sterbewillige Person“ die Rede: Auch das ist unkorrekt, das sollte ganz klar suizidwillige Person heißen, denn nicht jede sterbewillige Person ist auch sui­zidwillig. Da besteht schon ein großer Unterschied, fragen Sie einmal in der Palliativme­dizin nach.

Unser größter Kritikpunkt an diesem Gesetzentwurf ist, dass kein geregelter Vorgang der Selbsttötung vorgesehen wird. Meine Damen und Herren, bei diesem hochsensiblen und heiklen Thema muss Ihnen klar sein, dass die Begleitung, die der oder dem Sui­zidwilligen beisteht, meist nur irgendeine vertraute Person ist, die aber ungeschult ist.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 59

Was geschieht, wenn dann währenddessen Nebenwirkungen auftreten? Was ist, wenn das Präparat nicht ausreichend wirkt, um letal zu sein? Was ist mit Erster Hilfe? Was ist, wenn die suizidwillige Person dann noch irgendetwas äußert oder es sich dann doch noch anders überlegt?

Da gibt es also wirklich viele Unklarheiten, Unschärfen und auch Unsicherheiten – und wenn es nur darum geht, dass man ganz klar im Gesetz regeln würde, dass zum Beispiel Erste-Hilfe-Maßnahmen nicht gesetzt werden dürfen. Das alles, ganz ehrlich, muss furchtbar sein für jene Personen, die sich bereit erklären, bei einer Selbsttötung zu be­gleiten, eine ganz massive psychische Belastung.

In diesem Entwurf fehlen uns weiters auch die klaren Vorgaben von Meldepflichten der mitwirkenden Personen, um klarzustellen, dass sicher kein Straftatbestand erfüllt wird. Eine derartige Dokumentation wäre in vielerlei Hinsicht notwendig, ist aber nicht eindeu­tig geregelt.

Letztendlich ist auch nicht geregelt, was mit dem tödlichen Präparat passiert, wenn es zum Beispiel nicht vollständig verwendet oder der Suizid dann doch nicht durchgeführt wird. Das war zum Beispiel auch einer der Kritikpunkte der Apothekerkammer in einer Stellungnahme – und ja, das ist ein tödliches Präparat, das dann in Umlauf ist.

Auch nicht geregelt ist, dass jene Menschen, die unterstützend beim Suizid dabei sind – also jene, die Beihilfe leisten –, die mit Sicherheit einer großen psychischen Belastung ausgesetzt sind, entsprechende Unterstützung finden sollen: An wen können sie sich wenden? Wem müssen sie berichten? Wer hilft ihnen im Fall des Falles?

Wie gesagt: Ich gestehe Ihnen zu, Frau Minister, dass diese Gesetzesfindung mit Sicher­heit eine sehr schwierige ist, und wir erkennen auch klar an, dass versucht wurde, ei­niges Positive im Sinne leidender und beeinträchtigter Personen auf den Weg zu brin­gen. Letztendlich ist dieser Gesetzentwurf aber für uns trotzdem noch nicht fertig durch­dacht und enthält auch die eine oder andere mögliche unabsichtliche Stolperfalle für den Suizid begleitende Personen.

Das Wichtigste – ganz unabhängig von diesem Gesetzentwurf – ist, dass die Palliativ­medizin in Österreich endlich entscheidend ausgebaut und mit entsprechenden finan­ziellen Mitteln ausgestattet wird. Ich weiß, es gibt die Willensbekundungen dazu – die reichen uns aber nicht aus, denn das kennen wir aus der Vergangenheit: Versprochen wurde viel, gehalten leider wenig, und letztendlich wurde dann doch wieder alles kaputt­gespart. Wir Freiheitliche haben dazu einfach definitiv einen anderen Zugang. (Beifall bei der FPÖ.)

12.17


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr dieses.


12.18.03

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Livestream! Dieser Tagesordnungspunkt ist für mich ein sehr emotionaler, und ich sage es gleich vorweg: Ich bin nicht glücklich darüber, dass wir heute hier über dieses Sterbeverfügungsgesetz abstimmen werden.

Kollege Schennach hat es im Ausschuss gesagt: Es ist eine Gewissensfrage eines jeden und einer jeden von uns, natürlich auch für mich. Warum? – Für uns, und natürlich auch für mich, ist Leben ein absolutes Gut, daher müssen wir alles tun, um beim Leben zu helfen – aber nicht beim Töten oder beim Selbsttöten. Der Schutz des Lebens ist das höchste Gut, von Beginn bis zum Schluss. Es bleibt ja immer ein Restrisiko, auch das


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 60

haben wir im Ausschuss gehört, wegen Missbrauch et cetera – ich werde das dann aber noch genauer ausführen.

Kollege Spanring – wo ist er?, ah, da oben –, ja, du hast recht: Auch wir hätten uns viel, viel mehr gewünscht, auch wir hätten viel, viel mehr gewollt. Wie gesagt, es ist ein sehr schwieriger Akt, heute dieses Gesetz hier auf den Weg zu bringen.

Warum braucht es dieses Sterbeverfügungsgesetz überhaupt? – Herr Kollege Spanring hat es schon ausgeführt: Der Verfassungsgerichtshof hat das bisherige Verbot der Hil­feleistung zum Suizid mit Wirkung ab 1. Jänner 2022 aufgehoben. Wenn wir nichts getan hätten, wäre alles ungeregelt gewesen, es hätte keinerlei gesetzliche Regelungen dazu gegeben.

Somit haben wir uns auf den Weg gemacht, um ein Gesetz zustande zu bringen, und es wurde sehr, sehr viel für diese Entscheidungsfindung getan. Da bin ich nicht deiner Mei­nung, Kollege Spanring, denn es gab wirklich sehr viele Gespräche im Vorfeld in den jeweiligen Klubs, es gab Expertenmeetings, wir haben uns auch in Salzburg im Se­niorenbeirat intensiv unterhalten, es gab in Salzburg schon Ende 2020 und jetzt wieder 2021 Bioethiktage des Salzburger Ärzteforums, da haben wir von den Expertinnen und Experten sehr viel zum Thema assistierter Suizid gehört.

Was wir da erfahren haben – Stichwort Niederlande, auch das haben wir im Ausschuss gehört –, macht schon betroffen, gerade mich als Seniorenvertreterin. Der Österreichi­sche Seniorenrat hat bereits im Dialogforum Sterbehilfe seine Wünsche und Forderun­gen ganz zu Beginn des Gesetzwerdungsprozesses – Sie werden es wahrscheinlich wissen, Frau Ministerin – eingebracht, von denen auch viele in diesen Entwurf eingear­beitet wurden und darin enthalten sind, daher kann man einmal grundsätzlich diesen Entwurf positiv bewerten.

Die Befürchtungen von unserer Seite waren und sind aber natürlich noch groß – das gebe ich schon zu –, dass mit dieser Entscheidung die bekannte Büchse der Pandora geöffnet wird, denn niemand will seinen Angehörigen eine Last sein. Ein Recht wird dann schnell einmal zur Pflicht, vielleicht wird auch Druck aufgebaut, und das wollen wir um jeden Preis verhindern.

Ja, wir von der ÖVP hätten einiges anders gemacht. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Sterbeverfügungsgesetz die einzige Ausnahme im StGB ist, dass wir den neuen Status quo in den Verfassungsrang heben und dass Töten auf Verlangen aus unserer Sicht nicht angetastet werden darf.

Bei der Erarbeitung waren uns drei Kriterien besonders wichtig: Die Achtung der Men­schenwürde, der Respekt vor dem Leben und der Respekt vor der selbstbestimmten und höchstpersönlichen Entscheidung sehr schwer kranker Menschen. Wir haben speziell als Seniorenorganisationen darauf gedrungen, dass die Willensentscheidung frei und selbstbestimmt getroffen wird und es zu keinem Missbrauch dieser neuen Regelung kommt. Daher war es unser Ziel, ein möglichst enges Korsett, einen möglichst engen Rahmen zu setzen, weil uns – ich habe das schon erwähnt – der Schutz des Lebens höchstes Gut ist.

Die Eckpunkte – Kollege Spanring hat es kurz erwähnt –: Straffreie Beihilfe zum Suizid können nur Personen erhalten, die unheilbar krank oder schwer krank und volljährig sind. Zwei unabhängige Ärzte und ein Notar oder Patientenanwalt müssen den freien Ster­bewillen und die Entscheidungsfähigkeit bestätigen, über Alternativen aufklären und die­se auch aktiv anzeigen. Vor dem Selbstmord ist eine Bedenkzeit einzuhalten, je nach Zustand zwischen zwei und zwölf Wochen.

Es darf vor allem niemand gezwungen werden, diesen Weg zu gehen oder jemanden auf diesem Weg zu begleiten. Auch ich bin der Meinung, Kollege Spanring, dass das


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sicherlich eine große psychische Belastung für jeden Menschen ist, jemanden auf die­sem Weg zu begleiten.

Wir haben auch ein Werbeverbot und ein Verbot wirtschaftlicher Vorteile in dieses Ge­setz hineingenommen. Ich hoffe sehr, dass es zu keinen organisierten Vereinen et cetera kommt, die sich jetzt auf den Weg machen, um doch in irgendeiner Art und Weise Ge­schäft mit diesem Gesetz zu machen.

Ich hoffe sehr, dass es mit diesem vorliegenden Beschluss gelungen ist, ein Verfahren zu schaffen, das wirklich Schutz vor Missbrauch bietet und einen Ausweg aus dem Sui­zidwunsch aufzeigt. Daher ist es uns ganz, ganz wichtig, die Hospiz- und Palliativversor­gung umfassend auszubauen, damit man den Betroffenen in dieser so schwierigen Zeit die notwendige Unterstützung bietet. Es gibt bereits einen Ministerratsbeschluss, dass in den nächsten drei Jahren 108 Millionen Euro für ein flächendeckendes Angebot im Be­reich der Hospiz- und Palliativversorgung zur Verfügung gestellt werden sollen; nächstes Jahr 21 Millionen Euro, 2023 36 Millionen Euro und 2024 dann 51 Millionen Euro.

Kollege Spanring, du kannst dir sicher sein, wir werden da ganz stark darauf drängen, dass dieses Palliativ- und Hospizgesetz ganz, ganz bald hier im Hohen Haus sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat beschlossen wird, denn für uns geht das eine nur mit dem anderen, das sind für uns kommunizierende Gefäße. Auch die Suizidberatung
und -prävention soll jährlich mit 2,5 Millionen Euro dotiert werden. Wichtig ist: Hospiz- und Palliativbetreuung darf keine Frage der Kosten sein, sondern muss für alle möglich und leistbar sein.

Wir haben Frau Präsidentin Klasnic von der Hospizbewegung im Rahmen einer Aus­sprache hier gehabt – auch Kollegin Schumann war dabei –, und sie hat uns dieses Konzept nahegebracht, auch was die Palliativ- und Hospizbewegung in Österreich bie­tet. Es braucht daher auch einen breiten Ausbau.

Ich denke da zum Beispiel an Salzburg: Wir haben ein Tageshospiz in Leogang, das erste im ländlichen Bereich, es wurde gerade eröffnet und leistet großartige Arbeit. Ich wünsche mir, dass weitere Hospize im ländlichen Bereich kommen, nicht nur in den Ballungszentren. Das ist für mich gelebte Suizidprävention.

Eine Anregung noch zum Schluss, Frau Minister: Der Österreichische Seniorenrat schlägt vor, dass es jährlich vom Gesundheitsministerium eine Aufschlüsselung geben soll, wie viele Menschen einen assistierten Suizid in Anspruch genommen haben und bei welchen Erkrankungen das stattgefunden hat. Es soll auch angeführt werden, wie oft Präparate bezogen wurden und wie viele dadurch zu Tode gekommen sind. Wir haben das auch im Ausschuss angemerkt: Eine Evaluierung würden wir uns sehr, sehr wün­schen, eine solche könnte ja dann in einer Novelle dazu angedacht werden. Das wäre unser Wunsch auch aus dem Seniorenbereich.

Mein persönlicher Wunsch – es ist Weihnachten –: Ich wünsche mir, dass dieses Gesetz nicht gebraucht wird oder ganz, ganz selten zur Anwendung kommt, denn an der Hand eines Menschen, nicht durch die Hand eines Menschen zu sterben muss unsere Devise sein.

Ich bedanke mich bei allen Damen und Herren im Hospiz- und Palliativbereich – ich kenne einige sehr engagierte Menschen von der Hospizbewegung Salzburg –, die zum Teil ehrenamtlich Menschen in diesen schwierigen Situationen begleiten, dass sie diese so wichtige Aufgabe für uns übernehmen, und wünsche ihnen viel Kraft. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 62

12.27


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als nächste Rednerin zu Wort ge­meldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.


12.27.50

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, dem Dank, den Frau Kollegin Eder-Gitschthaler an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizwesens, aber ge­nerell des gesamten Pflegewesens ausgesprochen hat, schließe ich mich selbstver­ständlich sehr gerne an, weil das die Menschen sind, die eben Menschen in der letzten Lebensphase, in der schwierigsten Lebensphase begleiten und die selbst auch höchsten Anforderungen ausgesetzt sind. Also vielen herzlichen Dank von dieser Stelle aus. (Bei­fall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Ar­lamovsky.) Wir haben nicht nur zu danken, die Arbeit gehört selbstverständlich auch aufgewertet.

Wir müssen uns heute mit einer hochsensiblen Materie beschäftigen, weil der Verfas­sungsgerichtshof – das wurde schon mehrfach angesprochen – § 78 StGB, Strafgesetz­buch, zum Teil aufgehoben hat. Ich lese die Bestimmung noch einmal zur Verdeutlichung vor: „Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“ Die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“ wurde für verfassungswidrig erklärt, weil der Verfassungs­gerichtshof das Recht auf Selbstbestimmung am Ende des Lebens entsprechend höher eingestuft hat.

Das ist auch im Zusammenhang mit einer Rechtsentwicklung in anderen europäischen Staaten zu sehen. Österreich hatte da eine sehr strenge Gesetzgebung, und da sollte sozusagen eine andere Wertung vorgenommen werden. Das veranlasst uns, als Ge­setzgeber tätig zu werden, damit auch ein entsprechender Rahmen geschaffen werden kann.

Wir wissen, es gab auch einige dramatische Anlassfälle, in denen sich zum Beispiel je­mand strafbar gemacht hat, der einen Sterbewilligen, einen unheilbar Schwerkranken in die Schweiz gefahren hat, wo es liberalere Gesetze gibt. Selbst ein Taxilenker hätte sich zum Beispiel strafbar gemacht, wenn ihm ein Fahrgast auf der Fahrt – und die Fahrt zum Beispiel in die Schweiz ist ja recht lang – erzählt, was der Grund der Fahrt ist. Dieser Taxifahrer hätte sich schon strafbar gemacht, wenn er die Fahrt nicht sofort abgebrochen hätte. Das sind Fallkonstellationen, die natürlich Anlass geben, die Bestimmung zu hin­terfragen.

Der Gesetzgeber hätte gar nichts tun müssen, dann hätte in diesem Bereich ein rechts­freier Raum bestanden, und jede Hilfe zur Selbsttötung wäre straflos geblieben. Jetzt hat man eben dieses zweistufige Verfahren eingezogen, mit den Sicherheitsankern, durch die Missbrauch möglichst ausgeschlossen werden soll. Ausschließen kann man Miss­brauch nie, aber man muss eben die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass es zu Miss­brauch kommt. Es wurde schon erwähnt: Zwei ärztliche Personen, von denen eine über eine palliativmedizinische Ausbildung verfügen muss, müssen unabhängig voneinander Aufklärungsgespräche führen. Sie müssen auch den eigenen Willensentschluss der Person beurteilen, möglichst ausschließen, dass auf die Person Einfluss ausgeübt wor­den ist, auch bestätigen, dass die Person fähig ist, diesen Entschluss zu fassen, über die Einnahme des Präparats und darüber, wie es funktioniert, aufklären und bestätigen, dass eine unheilbare Krankheit vorliegt, die mit sehr viel Leid verbunden ist. Es ist auch eine Bedenkzeit vorgesehen, und danach kann diese Sterbeverfügung bei einem Notar, bei einer Notarin oder bei einer Patientenvertretung vorgenommen werden.

Es sind also einige Sicherheitsanker vorgesehen. Es wurden – das ist auch anzuerken­nen, Frau Ministerin – sehr viele Meinungen einbezogen, und eben auch die Parlaments­parteien. Ich war in Arbeitsgruppen dabei, wie auch meine Kollegin im Nationalrat Selma Yildirim. Es sind also sehr viele Meinungen – Fachmeinungen, Expertisen – eingeflos­sen, damit in Anbetracht der Ausgangssituation eine möglichst missbrauchsfeste Regelung


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 63

getroffen werden kann. Es gibt auch die Bestimmung, dass kein wirtschaftlicher Nutzen daraus gezogen werden darf, auch ein Werbeverbot wird ausgesprochen.

Frau Kollegin Eder-Gitschthaler hat sehr viele Hoffnungen und Wünsche geäußert. Ich möchte es anders formulieren: Für mich sind es nicht Hoffnungen und Wünsche, son­dern ich gehe davon aus, dass diese Bestimmungen dann auch so umgesetzt werden, wie sie beschlossen werden (Beifall bei der SPÖ), denn sonst würden wir sie nicht be­schließen. Wenn ich nur Hoffnungen und Wünsche hätte, wäre mir das zu vage, da würde ich das nie beschließen. Dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas pas­sieren könnte, was wir nicht wollen – dass auf Menschen Druck ausgeübt wird –, zu hoch, dann könnte man es gar nicht mit gutem Gewissen beschließen. Da müssen wir sichergehen können.

Deshalb fordere ich Sie auch auf, Frau Ministerin, dieses Gesetz wirklich genauestens zu begleiten und zu evaluieren und beim leisesten Missbrauchsverdacht schon wieder tätig zu werden. Dann müssen wir uns sofort wieder zusammensetzen und eine miss­brauchsfestere Lösung erarbeiten. Es sieht danach aus, dass an wirklich vieles gedacht wurde. Ein Restrisiko besteht aber immer, wir können nie hundertprozentig vorhersehen, wie Gesetze in der Praxis angewandt werden. Das heißt, da müssen wir laufend genau hinschauen und, wie gesagt, beim ersten Verdachtsfall schon tätig werden, denn da geht es um Menschenleben, das höchste Gut überhaupt.

Natürlich müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Die palliativmedizinische Versorgung muss mit Sicherheit flächendeckend gewährleistet sein, und die Situation in der Pflege muss dringend verbessert werden, damit sich niemand veranlasst fühlt, aus dem Leben zu scheiden, nur weil er oder sie sich als Belastung empfindet. Das wäre menschlich eine Katastrophe, und das könnten wir nicht hinnehmen.

In diesem Sinne: Ja, diesem Gesetz ist zuzustimmen, weil wirklich an sehr vieles ge­dacht wurde, aber es ist laufend zu beobachten, und beim ersten Anlassfall müssen wir sofort wieder tätig werden. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.35


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr dieses.


12.35.55

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Wie wollen wir leben? – Mit dieser Frage setzen wir uns täglich auseinander, indem wir unseren Alltag gestalten und Pläne für die Zukunft schmieden. Wofür aber kein Platz ist, ist die Auseinandersetzung mit dem Tod, wenn wir nicht gerade dazu gezwungen werden. Es ist auch nicht opportun, sich mit der Vergänglichkeit des Lebens zu befassen.

Umso größer und umso bedeutender ist die Entscheidung des Verfassungsgerichts­hofes, in deren Folge wir heute das Sterbeverfügungsgesetz und die Änderungen im Strafgesetzbuch und im Suchtmittelgesetz beschließen werden. Ich kann mich nur mei­nen VorrednerInnen anschließen und Danke sagen, auch an Herrn Spanring, für die vielen Aspekte, die in den vorangegangenen Reden schon aufgezeigt worden sind. Ich glaube, es fällt keinem von uns heute leicht, einfach hier die Hand zu heben und zu sagen: Ja, jetzt haben wir ein Gesetz! – Man muss also schon sehen, dass eine sehr, sehr intensive Auseinandersetzung stattgefunden hat, dass mit betroffenen Personen in Dialog getreten worden ist und es natürlich ganz viele verschiedene Zugänge zu diesem Bereich gibt.

Ich möchte es noch einmal grob zusammenfassen: Grob zusammengefasst sagt nämlich der VfGH, dass das Recht auf Selbstbestimmung sowohl das Recht auf die Gestaltung


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des Lebens als auch das Recht auf menschenwürdiges Sterben umfasst. Dazu kann auch die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden. Dieser Tatbestand wurde bis jetzt mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt.

Das neue Sterbeverfügungsgesetz regelt in Zukunft die wirklich engen Voraussetzun­gen, unter denen es möglich sein wird, selbstbestimmt zu sterben. Das Kernstück der neuen Regelung – und das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen – ist tat­sächlich die Entscheidungsfähigkeit, denn nur wer tatsächlich entscheidungsfähig ist, kann von der Sterbeverfügung Gebrauch machen – ganz im Gegensatz zu der Patien­tenverfügung, die wir bereits haben, mit der man schon quasi im Voraus eine Planung machen kann. Eine Person, die beschließt, ihr Leben zu beenden, muss sich der Trag­weite dieser Entscheidung bewusst sein, und sie muss diese frei von Willensmängeln treffen. Dazu wird es eben diesen formellen Prozess mit ärztlichen Aufklärungsgesprä­chen, mit dem Prüfen der Voraussetzung, mit einer Abkühlungsphase und natürlich der dazugehörigen rechtlichen Dokumentation geben.

Es ist aber – und ich betone das noch einmal – wirklich ausschlaggebend, dass die ster­bewillige Person bis zum Schluss entscheidungsfähig bleibt. Durch diese Vorkehrungen wird einerseits der Kreis derjenigen eingeschränkt, die Zugang zum Instrument der Ster­beverfügung haben, und andererseits sind auch Mechanismen vorgesehen, um dem Missbrauch vorzubeugen.

Im Zuge der Debatte um ein selbstbestimmtes Sterben ist auch immer mit VertreterInnen der Palliativ- und Hospizversorgung diskutiert worden – Kollegin Andrea Eder-Gitsch­thaler hat es schon gesagt.

Mir ist auch ganz wichtig, noch einmal zu betonen, und die Erfahrungen aus diesem Bereich zeigen das auch, dass eine gut ausgebaute Palliativ- und Hospizversorgung den Wunsch nach einem frühzeitigen Beenden des Lebens durchaus reduziert. Insofern ist es wichtig, nicht nur die gesetzliche Grundlage für ein selbstbestimmtes Sterben zu schaffen, sondern gleichzeitig auch einen bedarfsgerechten und flächendeckenden Aus­bau und Aufbau im Bereich der Palliativ- und Hospizversorgung sicherzustellen.

Diesbezüglich wird – du hast es ganz ausführlich gesagt, Kollegin Eder-Gitschthaler – vonseiten der Regierung wirklich alles getan, und es wird auch gut angeschaut werden, und ich glaube, auch vonseiten des Ministeriums wird, was das Gesetz betrifft, falls ir­gendwelche Unschärfen auftreten, sofort gehandelt werden. Ich denke, da sind wir uns in diesem Raum, in diesem Rahmen, in diesem Land wirklich sicher und einig, dass wir gut darauf schauen, was mit Menschen passiert, die nicht mehr lebenswillig sind und sich zum Sterben entschließen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.41


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


12.41.33

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich vermute, dass wir uns in diesem Haus einig sind, dass wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der es möglichst wenige Suizide gibt. Wir müssen aber trotzdem akzeptieren, dass es trotz al­lem, was man als Gesellschaft, als Familie, in der Ärzteschaft und in der Palliativversor­gung versucht, Personen gibt, die nach allem dennoch Suizid begehen möchten.

Der VfGH hat eine Passage im § 78 StGB, was die Hilfeleistung zum Suizid betrifft, auf­gehoben, und würden wir diesbezüglich nichts beschließen, hieße das, dass die Beihilfe zum Suizid ungeregelt wäre. Das wollen die meisten von uns hier wahrscheinlich auch nicht. Deswegen ist es rein aus pragmatischen Gründen, selbst wenn man viele Kri­tikpunkte teilt, die du, Kollege Spanring, auch vorgebracht hast, notwendig, etwas zu


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beschließen. Die Kritikpunkte betreffen Fragen der Terminologie, dass etwa im Gesetz beziehungsweise in den Erläuterungen das begrüßenswerte Werbeverbot von der Mög­lichkeit, Informationen zu geben, wo die gesetzlich zulässigen Leistungen angeboten werden, nicht so genau abgrenzt ist, oder das begrüßenswerte Verbot wirtschaftlicher Vorteile nicht abgegrenzt wird von einem Selbstkostenersatz für die Personen, die die gesetzlich zulässigen Leistungen anbieten – Punkte, die einer Regelung bedürfen.

Es gibt bereits ein gesetzliches Vorbild für eine Regelung, was das Lebensende betrifft, das ist die Patientenverfügung, und so ähnlich ist auch diese Sterbeverfügung konstru­iert: Es ist ebenso notwendig, dass es eine medizinische Beratung gibt. Es ist ebenso notwendig, dass es eine rechtliche Beratung gibt. Diese beiden Beratungsschritte sind bei der Sterbeverfügung sinnvollerweise noch ausführlicher, es sind sogar noch mehr Personen, die zu so einer Beratung beigezogen werden müssen.

Letztlich verbleibt ein erkenntnistheoretisches Problem für die kleine Gruppe von Perso­nen, um die es hier geht – denn es geht ja nur um eine Teilmenge der Personen, die Suizid begehen wollen, nämlich die, die jemand anderen brauchen oder beiziehen möch­ten, um dessen Hilfeleistung dazu in Anspruch zu nehmen, und das ist ja hoffentlich wiederum nur eine sehr kleine Teilmenge der Suizidwilligen –, nämlich dass das ihr ernsthafter und vor allem selbstbestimmter Entschluss ist. Und die erkenntnistheoreti­sche Frage ist: Wie gewährleistet man, dass das tatsächlich ein selbstbestimmter Ent­schluss ist? – Es wird in dem Gesetz darauf abgestellt, dass es auf jeden Fall eine volljährige Person sein muss, dass es eine entscheidungsfähige Person sein muss und auch dass eine unheilbare beziehungsweise schwere Krankheit im Sinne des Gesetzes vorliegt, was auch Fälle einschließt, in denen der medizinische Zustand nicht durch eine Krankheit, sondern vielleicht durch einen Geburtsfehler oder durch einen Unfall oder durch eine missglückte Operation zustande gekommen ist.

Wenn durch die Beratungsschritte und durch die Einhaltung der sonstigen gesetzlichen Erfordernisse kein Zweifel mehr daran besteht, dass es tatsächlich der selbstbestimmte Wille dieser Person ist, dann ist es – so wie auch du, Frau Ministerin, schon gesagt hast – aufgrund der Achtung der Menschenwürde, des Respekts vor dem Leben, aber vor allem auch des Respekts vor der höchstpersönlichen Entscheidung dieser schwerst­kranken Menschen geboten, dass diese Personen auch eine Hilfeleistung für ihren selbst­bestimmten Suizid in Anspruch nehmen dürfen. – Danke.

12.45


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadić. Ich erteile ihr dieses.


12.46.07

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Mit dem Er­kenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2020 wurde die bisherige Regelung, mit der die Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos verboten war, für verfassungs­widrig erklärt. Somit standen wir als Bundesregierung vor einer immensen Herausforde­rung und mussten für dieses hochsensible Thema in einer zugegebenermaßen sehr knappen Frist von etwa einem Jahr eine Regelung treffen, und das war gar keine ein­fache Angelegenheit, weil es sich um ein sehr emotionales Thema handelt und wir eine sehr schwere Entscheidung treffen mussten.

Unser Ziel war es, eine umsichtige Lösung zu finden, wie wir schwer kranken Menschen, die in einer sehr schwierigen Phase ihres Lebens sind, eine Möglichkeit schaffen, ihr Leben in Würde zu beenden, und gleichzeitig aber auch Missbrauch verhindern.


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Das Ihnen vorliegende Sterbeverfügungsgesetz ist das Ergebnis eines umfassenden Prozesses. Wir haben im Rahmen des Dialogforums im Justizministerium versucht, möglichst allen von der Regelung Betroffenen eine Stimme im Gesetzwerdungsprozess zu geben und eine breite Diskussion zu führen. Dieses Dialogforum war wichtig, es war von Wertschätzung, von gegenseitigem Zuhören geprägt, und ja, man war nicht immer einer Meinung, aber man hat versucht, die andere Seite zu verstehen. Teilgenommen haben Religionsvertreter und -vertreterinnen, EthikerInnen, JuristInnen und MedizinerIn­nen, VertreterInnen von Betroffenen. Wir haben aus unterschiedlichsten Erfahrungen eine Liste an Vorschlägen sammeln können, und es war ein sehr wichtiger und produk­tiver Austausch, und die Ergebnisse dieses Austausches sind in diese Regelung einge­flossen.

Unser oberstes Ziel war, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verantwortungs­voll umzusetzen, damit einerseits die verschiedensten Wünsche berücksichtigt werden und andererseits aber auch die Befürchtungen ernst genommen werden. Mit dieser Regierungsvorlage zeichnen wir einen klaren Weg, einen Weg, der Rechtssicherheit gibt, der den freien Willen schützt und den notwendigen Schutz vor Missbrauch darstellt. Wir haben eine ausgewogene und moderne Lösung für dieses hochsensible Thema gefunden, und ich erlaube mir, diese Lösung und diesen Lösungsvorschlag auch kurz zu skizzieren.

Das neue Sterbeverfügungsgesetz soll regeln, unter welchen Voraussetzungen der as­sistierte Suizid möglich sein soll, und zwar für schwer kranke oder unheilbar kranke Menschen, die volljährig und entscheidungsfähig sind. Nur jenen steht dieser Weg oder diese Möglichkeit zum assistierten Suizid offen. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass die Person von zwei Ärzten oder Ärztinnen aufgeklärt wird, die einerseits die Krankheit feststellen – dass es sich tatsächlich um eine schwere oder unheilbare Krank­heit handelt – und andererseits aber auch die Entscheidungsfähigkeit der Person bestä­tigen.

Nach einer Frist von zwölf Wochen beziehungsweise zwei Wochen, wenn es sich um eine Person handelt, die sich in der terminalen Phase ihres Lebens befindet, kann bei einem Notar beziehungsweise einer Notarin oder einem Patientenanwalt beziehungs­weise einer Patientenanwältin eine sogenannte Sterbeverfügung errichtet werden, und diese Sterbeverfügung ermöglicht dann den Zugang zu einem letalen Präparat in der Apotheke.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sprechen über ein hochsensibles Thema, das uns alle berührt, auch deswegen, weil es um die grundlegende Frage des Menschseins geht. Wir möchten alle, dass unsere Lieben, unsere Familienangehörigen am Ende ihres Lebens ein gutes Ende haben, dass es ihnen gut geht, dass sie ihren Lebensabend, aber auch ihr Lebensende in Würde verbringen können, dass sie aber auch die notwen­dige Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Wir wollen ja auch das Leben schüt­zen, denn es soll niemand den Weg des Sterbens wählen, wenn es andere Möglichkei­ten gibt.

Es gibt daher parallel zu dieser Diskussion über das Sterbeverfügungsgesetz einen mas­siven Ausbau des Hospiz- und Palliativwesens, und das ist nicht nur ein Lippenbekennt­nis. Es gibt einen Gesetzentwurf im Gesundheitsministerium, der begutachtet wurde und der demnächst beschlossen wird. Und ja, da werden wir in den nächsten drei Jahren auch 108 Millionen Euro aufstellen. Wenn man das mit der heutigen Zahl vergleicht – da sind wir ungefähr bei 6 Millionen Euro –, ist das, glaube ich, schon ein sehr massiver Ausbau. Ja, es soll auch insbesondere dieses Stadt-Land-Gefälle aufgegriffen werden, denn mir ist sehr wohl bewusst, dass gerade im ländlichen Raum die Hospiz- und Pal­liativversorgung nicht gut ausgebaut ist.


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Ebenso – und ich glaube, das ist auch sehr wichtig – wurde vor Kurzem im Ministerrat beschlossen, dass es zukünftig für Suizidprävention, aber auch psychosoziale Unter­stützung 2,5 Millionen Euro geben wird. Ich glaube, dass das insbesondere in diesen Zeiten besonders wichtig ist, und es ist uns daher als Bundesregierung wichtig, auch auf diese Weise das Leben zu unterstützen.

Bei der Erarbeitung des Sterbeverfügungsgesetzes waren wir von drei Kriterien geleitet, die mir besonders wichtig sind: Das sind die Achtung der Menschenwürde, der Respekt vor dem Leben sowie der Respekt vor einer selbstbestimmten und höchstpersönlichen Entscheidung schwer kranker Menschen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei all jenen zu bedanken, die an der Entwick­lung dieser Regelung mitgewirkt haben, die auch immer wieder an mich herangetreten sind und mit mir diskutiert haben, die sich auch die Zeit genommen haben, Vorschläge zu liefern. Allen voran möchte ich natürlich dem Koalitionspartner danken, denn ich weiß, wie schwierig diese Verhandlungen waren und wie emotional sie geführt wurden. Ich möchte mich aber auch bei den Oppositionsparteien bedanken, allen voran bei der SPÖ und den NEOS, die diese Regelung mit unterstützen, wodurch dieses sehr schwierige Thema breit getragen wird. Da bin ich sehr dankbar!

Ich hoffe, dass diese Regierungsvorlage auch hier eine möglichst breite Zustimmung findet und dass Sie keinen Einspruch erheben werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Grü­nen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.53


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. Ich erteile ihm dieses.


12.53.41

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Ja, die Debatte über das Sterbeverfügungsgesetz ist wohl eine der schwierigsten, sensibelsten und heikelsten Materien – das ist schon gesagt wor­den –, mit denen sich die Politik aktuell auseinandersetzen muss. Das spürt man auch während der Debatte hier im Hohen Haus, das ist einfach spürbar.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Entscheid, die Beihilfe zum Suizid straffrei zu stellen, der Politik wahrlich eine Mammutaufgabe übertragen. Aufgrund dieses Ent­scheids musste ein neuer rechtlicher Rahmen geschaffen werden, um die Beihilfe zur Selbsttötung zu ermöglichen, denn ansonsten wäre die Beihilfe zum Suizid ab Jänner völlig ungeregelt erlaubt und straffrei gestellt, was natürlich völlig unvorstellbar ist.

Ich persönlich habe auch aus meiner religiösen Überzeugung heraus keine Freude mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Ich teile da die Meinung der ehemali­gen Nationalratsabgeordneten Elisabeth Pittermann – denn treffender kann man es nicht auf den Punkt bringen –, die sagte: Es war „immer mein Wunsch [...], eine Gesellschaft zu haben, wo das Töten eines anderen unmöglich ist“. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

In einem Rechtsstaat ist aber natürlich die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu akzeptieren. Ich begrüße auch das deutlich sichtbare Bemühen der Regierung und aller Beteiligten, zu einer verantwortungsvollen Regelung zu kommen, wie dies auch durch das vorliegende Gesetz, durch die Regierungsvorlage, weitgehend zum Ausdruck kommt.


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Zum Rahmen der Regierungsvorlage haben ja die Vorredner schon Stellung genommen. Das vorliegende Sterbeverfügungsgesetz birgt aber dennoch einige Unsicherheiten, auf die ich hinweisen möchte.

Wir dürfen, denke ich, in diesem Zusammenhang nie vergessen, dass jedes einzelne Leben wertvoll ist, dass der Tod und das Sterben immer in Verbindung mit Heil und Würde stehen müssen. Menschenwürde darf nie durch Alter, Aussehen, Leistungsfä­higkeit, Gesundheitszustand oder andere Kriterien eingegrenzt oder reduziert werden. Durch die getroffene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes besteht mitunter die Gefahr, dass Druck auf Betroffene, insbesondere auf Ältere, ausgeübt wird, zum Beispiel aus wirtschaftlichen Gründen. Es darf nicht dazu kommen, dass Hochbetagte im Le­bensfinale unter Rechtfertigungsdruck kommen, weil sie möglicherweise als Last für die Gesellschaft gesehen werden könnten. Daher steht für mich auch ganz klar fest: In un­serer Gesellschaft muss es selbstverständlich sein, dass für alle Menschen weiterhin trotz Alter, Krankheit, Demenz oder Behinderung beste medizinische Therapien und Be­gleitung gewährleistet sind, ohne dass man sich rechtfertigen muss. Es darf nie zu einer Unterteilung in wertes und unwertes Leben kommen. Das lehrt uns auch ein Blick in die Geschichtsbücher.

Ich bin davon überzeugt, dass wir als Gesellschaft weiterhin alles im Sinne der Devise von Kardinal Franz König tun müssen – Kollegin Eder-Gitschthaler hat das Zitat bereits erwähnt, aber weil es so wichtig ist, möchte ich es wiederholen. Er hat formuliert: „Der Mensch soll nicht durch die Hand eines Menschen sterben, sondern an der Hand eines Menschen.“ – Das sollte für uns als Gesellschaft das oberste Ziel sein und bleiben. Dazu trägt vor allem die Hospiz- und Palliativbewegung schon jetzt einen Löwenanteil bei, oft abseits öffentlicher Aufmerksamkeit, im Hintergrund, aber mit großem Herz und Engage­ment.

Hospiz- und Palliativversorgung stehen für ein würdevolles und lebenswertes Leben bis zum Lebensende durch aktive und umfassende Betreuung. Oder anders gesagt: Die Hospiz- und Palliativversorgung begleitet am Lebensende bestmöglich und ermöglicht ein Sterben in Würde.

Die Landesvorsitzende der Hospiz Oberösterreich, Dr.in Christina Grebe, hat mir die Mo­tive vieler Menschen folgendermaßen geschildert, sie sagte:

Die allermeisten Menschen, die den Wunsch haben, zu sterben, sagen nicht kategorisch: Ich will nicht mehr leben. Wenn sie das sagen, meinen sie meistens: Ich will so nicht mehr leben!, weil sie schwer unheilbar krank sind und große Leiden ertragen müssen.

Da kommt aber eben der Hospiz- und Palliativbewegung große Bedeutung zu. Sie lindert Leiden, begleitet Betroffene und auch Angehörige und leistet einen unschätzbaren Dienst an der Gesellschaft, wie gesagt, oft im Hintergrund, dafür aber umso wertvoller.

So schwierig, sensibel und heikel die notwendige Neuregelung des assistierten Suizides auch ist, so positiv ist die damit verbundene Zusage zu bewerten, in den nächsten drei Jahren 108 Millionen Euro in den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung zu inves­tieren, um somit zu einer möglichst flächendeckenden und auch niederschwelligen Ver­sorgung zu kommen.

In Oberösterreich, in meinem Heimatbundesland, werden in den kommenden Jahren bis zu 42 Plätze in fünf Hospizen neu geschaffen. Der Ausbau der Hospiz- und Palliativbe­treuung ist wohl der einzig zielführende Ansatz, um möglichst viele Menschen am Le­bensende aktiv und gut begleiten zu können und um dafür zu sorgen, dass die Inan­spruchnahme des assistierten Suizides die Ultima Ratio bleibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, abschließend ist es mir wichtig, festzuhalten, dass auch ich eine Evaluierung des Gesetzes nach einer gewissen Zeit für unbedingt notwen­dig halte, um sicherzustellen, dass kein Druck auf Betroffene entsteht, dass Missbrauch


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verhindert wird und es zu keiner Kommerzialisierung kommt. Gleichzeitig gilt aber auch da das Motto: Vorsorgen ist besser als heilen. – Daher plädiere ich dafür, auch bei der Suizidprävention anzusetzen. Es ist schon erwähnt worden, dafür sind zusätzliche 2,5 Millionen Euro vorgesehen. Damit wird die Ursache bekämpft und nicht nur das Pro­blem.

Weiters sollte das Verbot der Tötung auf Verlangen in den Verfassungsrang gehoben werden. Mit der Erlaubnis zum assistierten Suizid ist die Tür zur aktiven Sterbehilfe geöff­net; achten wir gemeinsam mit allen Mitteln darauf, dass diese Tür nicht noch weiter aufgerissen wird! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.02


13.02.18

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.02.557. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird (1175 d.B. und 1256 d.B. sowie 10838/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


13.03.17

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Na­tionalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafpro­zeßordnung 1975 geändert wird.

Die Änderungen der §§ 209a und 209b Strafprozeßordnung sind am 1.1.2017 in Kraft getreten. Da die Anwendungsfälle ursprünglich nicht ausgereicht hatten, um die tat­sächliche Wirkung der Kronzeugenregelung auf die Aufklärung von gewichtigen Kor­ruptions- und Wirtschaftsstrafsachen beurteilen zu können, wurde von einer endgültigen Übernahme in den Rechtsbestand vorerst Abstand genommen und die Geltung neuer­lich bis 31. Dezember 2021 befristet, wobei rechtzeitig davor eine Evaluierung der prak­tischen Anwendung der Bestimmungen und ihrer Effizienz stattfinden sollte.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erhe­ben. – Danke.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl. Ich erteile dieses.


13.04.55

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 70

und auch hier! Was täten KrimiautorInnen ohne KronzeugInnen? Und viel wichtiger: Was täten Gerichte und was täten die Korruptionsbekämpfung und die Wettbewerbsbehörden ohne KronzeugInnen? – Genau diese Frage stellten sich in den letzten zehn Jahren auch viele ExpertInnen und AnwenderInnen und beantworteten sie mit der Empfehlung, die Regelung aufrechtzuerhalten und zu verbessern.

Kurz zur Historie: 2009 wurde die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ge­gründet, und man wollte noch weitere Strategien und auch Maßnahmen entwickeln, um die Effektivität der Strafjustiz bei der Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korrup­tion zu erhöhen. 2011 war dann die Geburtsstunde der sogenannten großen Kronzeu­gInnenregelung in der Strafprozeßordnung. Sie wurde bis 2016 befristet, um zu evaluie­ren, was sie für die Aufklärung von Korruptions- und Wirtschaftsstrafsachen gebracht hat. Die ExpertInnen standen aber bei der Prüfung der Auswirkungen vor dem Problem, dass es zu wenige Fälle gab, die man prüfen und eventuell vergleichen konnte. Daher wurde die Kronzeugenregelung nochmals auf weitere fünf Jahre befristet eingeführt. Das würde nun in einer Woche enden.

Letztes Jahr fand dann wieder eine Evaluierung mit ExpertInnen, die sich das schon vorher angesehen hatten, und auch mit StakeholderInnen statt. Sie haben sie positiv beurteilt und empfahlen auch, sie weiterhin anzuwenden, aber sie zeigten auch Unklar­heiten in der Anwendung auf und machten Vorschläge für mehr Effektivität in der Hand­habung, die dann in diese Gesetzesänderung, die wir heute hoffentlich beschließen, aufgenommen wurden.

Nun wird wieder um sieben Jahre verlängert, obwohl ursprünglich eine unbefristete Re­gelung angedacht war, aber die Befristung hat wohl den Sinn, dass diese Regelung am Tapet und im Gespräch bleibt und ihre Effektivität und auch ihre Auswirkungen auf die Verfahrensdauer – eine Kürzung der Verfahrensdauer steht im Regierungsprogramm – weiterhin im Auge behalten werden.

Die Regelung betreffend Verbände soll im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz diskutiert werden, was noch ansteht.

Was ist nun neu und worum geht es? – Als erste Rednerin darf ich es ein bisschen er­klären: KronzeugInnen sind Personen, die mutmaßlich eine schwere Straftat begangen haben – vom organisierten Verbrechen über schwere Gewaltverbrechen bis zu Verbre­chen gegen den Staat oder eben solche, die in die Zuständigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft fallen. Die mutmaßlichen TäterInnen müssen freiwillig an die Staatsanwaltschaft oder – das ist jetzt neu und an die Praxis angepasst – an die Kriminalpolizei herantreten, um um den KronzeugInnenstatus anzusuchen. Vorausset­zung für die Anerkennung als Kronzeuge oder Kronzeugin ist, dass der Aufklärungsbei­trag die Schwere der eigenen Tat übersteigt. Für diese Aufklärungsmitarbeit wird das Verfahren gegen die KronzeugIn als TäterIn mittels Diversion beendet; das bedeutet, mit einer Geldstrafe, gemeinnütziger Arbeit oder auch mit einem Tatausgleich. Das bedeutet eben auch, dass kein Strafurteil ausgesprochen und die Person auch nicht vorbestraft wird. Das wird als guter und zur Tat ausgewogener Anreiz für die Mitarbeit zur Aufklärung der Straftat gesehen.

Das Wettbewerbsgesetz kennt schon seit 2005 eine KronzeugInnenregelung, deren Ziel die Aufdeckung von Kartellen, wie zum Beispiel eben Preisabsprachen, ist; nun wird das mit der Strafprozeßordnung verknüpft.

Kurz zum Inhalt und zum Sinn dieser Regelung: Die an einer wettbewerbsrechtlichen Straftat beteiligten Unternehmen sind sich natürlich bewusst, dass sie mit hohen Geld­strafen rechnen müssen, wenn diese Kartellabsprachen aufgedeckt werden, und daher investieren sie sehr viel in die Geheimhaltung. Es wird dann natürlich auch schwieriger für die Strafverfolgungsbehörden, diesbezüglich zu Ermittlungsergebnissen zu kommen.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 71

Daher sind beteiligte MitarbeiterInnen dieser Unternehmen bei dieser Aufklärung sehr hilfreich. Man verspricht ihnen sozusagen einen größeren Anreiz, um da mitzuarbeiten und solche kartellrechtlichen Absprachen anzuzeigen oder eben auch frühzeitig ihr Wis­sen bereitzustellen. Daher wird ihnen auch die Nichtverfolgung der Straftat in Aussicht gestellt, aber erst dann, wenn sie ihr Wissen über die begangene Straftat bekannt gege­ben haben.

Neu ist eben, dass sie dieses Wissen – in der Vergangenheit – bekannt gegeben haben müssen und erst dann um den Kronzeugenstatus ansuchen können. Das soll eben einen noch größeren Anreiz bieten, aber es soll im Sinne der Verfahrensökonomie auch zu einer schnelleren Aufklärung und kürzeren Verfahren führen. Und nicht zu vergessen: Wir sind auch international dazu verpflichtet, diese KronzeugInnenregelung implemen­tiert zu haben.

Der wichtigste Effekt dieser Regelung – das habe ich auch schon betreffend Verfahren wegen Gewaltdelikten erwähnt – ist aber eine gute und Erfolg versprechende Aufklä­rung, weil sie Präventivcharakter hat. Je leichter eine Straftat aufgedeckt werden kann und je mehr Instrumente für diese Aufdeckung zur Verfügung stehen – und in diesem Fall: je leichter man zu MithelferInnen bei der Aufklärung kommt –, desto höher ist das Risiko der Aufdeckung und desto stärker ist der Präventivcharakter, desto mehr werden also potenzielle StraftäterInnen von der Begehung schwerer Delikte, von diesen Taten abgehalten. Die KronzeugInnenregelung beziehungsweise deren Verlängerung ist daher sehr begrüßenswert. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.11


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. Ich erteile dieses.


13.11.26

Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In meiner ersten Rede hier im Hohen Haus darf ich zur Kronzeugenregelung sprechen, eine durchaus interessante Materie, wenn auch nicht gerade reißend in Anspruch genommen; das heißt aber nicht, dass sie nicht wichtig ist.

Wir haben es von der Vorrednerin schon gehört: Seit über zehn Jahren gibt es in Öster­reich diese Kronzeugenregelung; mit 1.1.2011 wurde damit ein neuer Weg in der Straf­prozeßordnung beschritten – vorerst befristet, weil das ganz ehrlich gesagt noch in den Kinderschuhen steckte. Nach mittlerweile elf Jahren und etwa 15 Fällen möchte man meinen, die Notwendigkeit der Kronzeugenregelung sei nicht sehr hoch, doch nicht alles, was keinen reißenden Anklang findet, ist unnütz. Im Gegenteil: Eine im letzten Jahr durchgeführte Evaluierung hat einhellig ergeben, dass auf die Kronzeugenregelung nicht verzichtet werden kann und diese als generell positiv bewertet wurde. Darüber hinaus sei der Weiterbestand von Kronzeugenregelungen auch aufgrund europarechtlicher und internationaler Vorgaben erforderlich.

Fakt ist, dass komplizierte Regelungen und die geringe Sicherheit für jene, die sie in Anspruch nehmen wollen, vom Gebrauch abschrecken. Das darf nicht sein, daher ist eine Verbesserung, eine Evaluierung für praktikable Lösungen unumgänglich.

Ich möchte noch einmal ganz kurz den Kern der heutigen Änderungen der Strafprozeß­ordnung herausheben: Es geht um die Verlängerung der mit Jahresende auslaufenden großen Kronzeugenregelung um weitere sieben Jahre und um die Einbeziehung der Kriminalpolizei in den Kreis der Behörden, an die der Kronzeuge – zusätzlich zur Staats­anwaltschaft – herantreten kann, sowie um eine Verlängerung der begleitenden Evaluie­rung, was sicherlich wichtig ist.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 72

Die vorliegenden Änderungen der Kronzeugenregelung sind zwar noch nicht die großen Würfe, doch ein paar Schritte vorwärts, daher auch die große Unterstützung unserer­seits. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

13.14


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. Ich erteile dieses.


13.14.40

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschau­erinnen und Zuschauer, die uns von zu Hause aus folgen! Unter Kindern ist Verpetzen ja nicht sonderlich beliebt, allerdings erweisen Kronzeuginnen und Kronzeugen der Ge­sellschaft einen Dienst, wenn sie auspacken; so tragen sie zur Aufklärung von Verbre­chen bei, die sonst vielleicht gar nie entdeckt, geschweige denn aufgeklärt worden wä­ren. In Zeiten wie diesen ist eine solche Regelung wichtiger denn je.

Mir wird nicht leicht übel, aber was ich heute in der „Krone“ gelesen habe, verursacht mir dann doch ziemliche Bauchschmerzen. Die SPÖ gibt ein klares Bekenntnis gegen Kor­ruption und gegen Wirtschaftskriminalität ab, und auch die Menschen im Land wünschen sich jetzt endlich ein Ende korrupter Vorgänge und Machenschaften, aber wenn das, was die „Krone“ heute titelt, wirklich stimmt – betreffend die aufgetauchten Chats des Herrn Schmid –, na dann: Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage jetzt nicht, was ich mir denke, denn das hätte mehrere Ordnungsrufe zur Folge. In Anbetracht des nahenden Weihnachtsfestes kann ich nur sagen: Na halleluja! Wir stecken offenbar nicht nur in einer Gesundheitskrise, wir sind offenbar auch mittendrin in einer veritablen Staatskrise – und jedes Mittel, jedes Werkzeug zur Korruptionsbe­kämpfung kommt uns da gelegen.

Wir von der SPÖ – noch einmal – sind klar gegen Korruption, deshalb unterstützen wir auch die Verlängerung dieser Kronzeugenregelung, denn diese ist eben ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität und somit etwas sehr Sinnvolles. Wir brauchen jedes taugliche Werkzeug zur Korruptionsbekämpfung, wir brauchen solche Instrumente offenbar wie einen Bissen Brot, wie man heute – sollte es stimmen – wieder sieht.

Abschließend möchte ich auch hervorheben, dass für Kronzeuginnen und Kronzeugen die Möglichkeit besteht, sich direkt an die Kriminalpolizei zu wenden. Das erleichtert die Kontaktaufnahme. Was wir uns wünschen, ist eine Dauerrechtslösung, da sich die Rege­lung in der Praxis bewährt hat. Eine Verbesserung, die ich seitens der SPÖ abschließend anrege, ist eine Klarstellung der zivilrechtlichen Folgen hinsichtlich Schadenersatzforde­rungen. Diese fehlt nämlich gänzlich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile dieses.


13.17.28

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ja, Frau Kollegin Gerdenitsch, als Sie das mit der „Kronen Zeitung“ jetzt angesprochen haben, da ist man im Sektor der ÖVP ein bisschen nervös geworden, da haben gleich alle angefangen, zu googeln; ich glaube, die einen oder anderen Artikel dazu wurden inzwischen gefunden.

Bei dieser Änderung der Strafprozeßordnung geht es um die Kronzeugenregelung; es wurde im Großen und Ganzen von meinen beiden Vorrednerinnen alles ausgeführt. Die


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meisten kennen das wahrscheinlich aus diversen Filmen oder auch aus Serien. Kronzeu­gen sagen eben gegen kriminelle Strukturen, zum Beispiel gegen das organisierte Ver­brechen, aus und genießen dadurch einen gewissen Vorteil beziehungsweise, wenn es notwendig ist, auch staatlichen Schutz. Österreich ist dabei in der Vergangenheit – das liegt nicht an dieser Novelle – bereits einen etwas eigenwilligen Weg gegangen, was es, und genau so muss man es formulieren, eigentlich erschwert, Kronzeugen zu finden. Das ist schade.

Wie wichtig Kronzeugen sind, das können wir ganz aktuell, im Besonderen seit Bekannt­werden der Machenschaften rund um die vermutete türkis-schwarze Korruption, sehen; das geht ja mit dem, was jetzt bekannt geworden ist, inzwischen quasi auch schon ein bisschen Richtung organisiertes Verbrechen.

Ich sehe das wie so oft als verpasste Chance, man hätte da ein bisschen mehr verein­fachen können und eine tatsächliche Verbesserung schaffen können. Trotzdem werden wir heute dieser Verlängerung der Kronzeugenregelung natürlich zustimmen, allein schon vor dem Hintergrund der Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

13.19


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadić. Ich erteile dieses.


13.19.33

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Kron­zeugenregelung ist und bleibt ein wichtiges Instrument im Kampf gegen die Korruption und auch die Wirtschaftskriminalität. Sie ist, wie wir sie kennen, seit 2011 in Kraft und kam insbesondere in der sogenannten Telekom-Affäre zur Anwendung. Sie wäre mit Ende des Jahres ausgelaufen, und daher war es dringend notwendig, diese Kronzeu­genregelung zu verlängern.

Wir haben bereits unter Einbindung jener Behörden, die diese Regelung am häufigsten anwenden – das sind eben die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Wett­bewerbsbehörde und der Bundeskartellanwalt –, einiges an Erfahrungen gesammelt und diese Regelung entsprechend adaptiert, um sie besser und in der Praxis effizienter zu machen. Daher war es wichtig, diese Regelung nicht nur zu verlängern, sondern sie auch zu verbessern.

Für mich ist aber klar, dass wir insbesondere auf die Kritikpunkte der Vergangenheit reagieren, indem wir zum Beispiel die Möglichkeit, eine Aussage abzugeben, was bisher nur bei der Staatsanwaltschaft möglich war, in Zukunft auch auf die Kriminalpolizei ausweiten, weil es einfach verständlich ist, dass die Personen, die eine Aussage tätigen wollen, das auch bei der Kriminalpolizei machen können.

Die Kronzeugenregelung wird mit dem heutigen Beschluss um sieben Jahre verlängert, und ich kann Ihnen versprechen, dass wir diese Zeit nutzen werden, um eine umfas­sende Evaluierung vorzunehmen. Wir haben nämlich aus der Praxis gehört, dass diese Regelung wesentlich stärker verändert und geändert werden sollte, damit sie besser wird, damit sie tatsächlich zur Anwendung kommt, weswegen diese umfassende Eva­luierung und grundlegende Änderung vorgenommen werden soll. Vordergründig war es aber notwendig, die Regelung zu verlängern, damit sie nicht mit Ende des Jahres aus­läuft.

Ich möchte schon noch einmal hervorheben, dass diese Regelung insbesondere für die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaften ein sehr wichtiges Instrument ist und auch immer wieder Anwendung findet. Ich hoffe daher, dass diese Regierungsvorlage Ihre Zustimmung findet und Sie keinen Einspruch erheben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.22


13.22.18


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 74

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.22.498. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Urheberrechtsgesetz, das Verwertungsgesellschaftenge­setz 2016 und das KommAustria-Gesetz geändert werden (Urheberrechts-Novel­le 2021 – Urh-Nov 2021) (1178 d.B. und 1257 d.B. sowie 10839/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


13.23.11

Berichterstatter Sebastian Kolland: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 und das KommAus­tria-Gesetz geändert werden.

Die Unterlagen liegen Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme somit gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank für die Berichterstat­tung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


13.24.01

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Nach mir wird jemand blumenreich verteidigen, was man einer Gruppe, nämlich den Kreativen, den Künstlern und Künst­lerinnen im Bereich der erzeugenden Kunst, im Bereich der Musik, im Bereich der bil­denden Kunst, versprochen und was man gebrochen hat.

Als die EU die Urheberrechtsrichtlinie im Jahre 2019 beschlossen hat, ging dem eine extrem lange Diskussion mit vielen Demonstrationen von jungen Leuten voraus, und jetzt liegt, wenn auch verspätet, sozusagen die österreichische Umsetzung vor.

Das Justizressort hat einen wirklich guten, in seinem Rahmen extrem bemühten Entwurf ausgearbeitet – und dann ist es passiert: Von dem Moment an gab es Rückschritte um Rückschritte um Rückschritte. Möglicherweise wird Marco Schreuder nach mir erzählen, wie man sich diese Rückschritte vom Koalitionspartner hat abringen lassen, denn Tat­sache ist ja, dass die Kreativen auf die Frage: Was ist unverzichtbar?, immer gesagt haben: Unverzichtbar ist ein an Verwertungsgesellschaften abtretbarer Verfügungsan­spruch für die öffentliche Wiedergabe ihrer Werke und ihrer Darbietung auf großen Platt­formen. – Nur ist dies in der Regierungsvorlage jetzt nicht mehr enthalten! Das war vom


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 75

Justizministerium richtig und gut und ähnlich wie in Deutschland ausgearbeitet, aber jetzt findet sich nichts mehr davon. Das heißt, man hat die Kreativen, man hat die Künstler und Künstlerinnen einfach im Stich gelassen.

Dazu kommt, dass auch ein Rückrufrecht für Urheber und Urheberinnen vorgesehen wurde, auch bei der Beschränkung von Nutzungsverträgen und bei der Anpassung von Vertragsbedingungen nach 20 Jahren – also das Recht, etwas nach 20 Jahren zurück­zurufen.

Die Künstlerinnen und Künstler und die Verwertungsgesellschaften haben in den letzten Wochen und Monaten versucht, diese Koalitionsregierung mit Petitionen, mit Kampag­nen davon zu überzeugen, was sie brauchen. Sie brauchen eine faire und angemessene Vergütung, die ihnen bei allen Verwendungen ihrer Leistungen im Internet zusteht. – Das erfolgt nicht.

Wir hatten ja heute eine Märchenstunde mit einer Ministerin, die uns ganz viel über die Digitalisierung erzählt hat. In diesem Entwurf hat man die Digitalisierung völlig verschla­fen – völlig verschlafen! Das hat, Frau Bundesministerin, nicht Ihr Ministerium getan, das ist später hineingekommen.

Es ist nämlich klar: Wenn man heute Rundfunksendungen hat, dann vertritt eine Ver­wertungsgesellschaft die Rechte der Musikschaffenden – aber das gibt es jetzt für den Onlinebereich nicht mehr. Das war im Entwurf des Justizministeriums drinnen! Was in der Welt hat die ÖVP da geritten – und ich nehme doch einmal an, dass es die ÖVP war –, das Vermarkten im Onlinebereich zu streichen? Wahrscheinlich liegt es auch am Keine-Ahnung-Haben betreffend den Bereich der Digitalisierung und ihrer Bedeutung.

Wenn wir jetzt sehen, dass zum Beispiel in Onlinebereichen Musiker und Musikerinnen nur eine ganz bescheidene Remuneration erhalten, kann man gleich dazusagen, Studio­musiker und Studiomusikerinnen erhalten nichts. Sie erhalten nichts, obwohl sie eine Leistung erbringen! Das heißt, die Koalition hat es verabsäumt – sträflich verabsäumt, fahrlässig verabsäumt –, unbestrittene Einkommensquellen von Kreativen aus der ana­logen Zeit in die digitale Zeit hinüberzuretten. Ergo hat die Bundesregierung in diesem Bereich die Digitalisierung ebenso verschlafen wie etwa an den Schulen.

Ich bin aber kein Mensch, der immer alles negativ darstellt, deshalb sage ich, es sind auch ein paar positive Dinge enthalten, zum Beispiel dass Uploadfilter legale Nutzungen schützen, dass Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden und dass man den Bereich der freien Nutzung einer Karikatur an die KommAustria weitergibt.

Wir haben hier gemeinsam mit den Kreativen in Österreich immer – und ich erinnere mich, dass das noch irgendein kleiner Koalitionspartner in der Vergangenheit auch ge­macht hat – den Direktvergütungsanspruch, den direkten Vergütungsanspruch der Urhe­ber und Urheberinnen für Onlinenutzungen gegenüber den Plattformen und gegenüber weiteren Vergütungsansprüchen gefordert.

Das ist hier leider nicht geschehen. Der Vergütungsanspruch kann im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten werden und nur von einer solchen – also nicht vom einzelnen Künstler, von der einzelnen Künstlerin, sondern nur von der Verwertungs­gesellschaft – geltend gemacht werden. (Präsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

In Deutschland hingegen, sogar noch unter der alten Regierung, hat man einen Vergü­tungsanspruch für die Kreativen gemacht, und auch bei Bagatellnutzungen, die zulässig sind, muss ein Vergütungsanspruch durch den Diensteanbieter vorgesehen werden, und zwar zwingend, unverzichtbar und unabtretbar. Das heißt man faire Beteiligung für Leistung und das ist bei den stetig wachsenden Onlinenutzungen das Gebot der Stunde. Das finden wir aber in dieser Novelle nicht und deshalb – wir bedauern das – müssen wir hier dagegenstimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.31



BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 76

Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreu­der. Ich erteile ihm dieses.


13.31.24

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich erinnere mich noch – es ist zehn Jahre her und ich bin hier im Bundesrat angelobt worden –, dass es eine Aktion und Protestbewegung gegen Acta gab – für den Fall, dass sich noch jemand daran erinnern kann, denn das ist wirklich schon ziemlich lange her. Herr Kollege Schennach, damals haben wir, glaube ich, mehr Mails bekommen, als wir jetzt kriegen; das war die größte Mailflut, die ich in meinem Politikerleben je erlebt habe.

Ich habe damals auch, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, mit einer sehr jungen Politikerin auf der TU Transparente gemalt – das war Beate Meinl-Reisinger. Das war damals eine Debatte über das Urheberrecht, bei der man nicht das Gefühl hatte, dass man da je wieder herauskommt. Es war eine derart verhärtete Front zwischen der Kunst- und Kulturszene und der Netzgemeinde, dass man gesagt hat: Da kommen wir nie wieder raus!

Ich erinnere mich auch noch an eine Debatte – noch mit dem damaligen Justizminister Brandstetter – hier im Bundesrat, als wir dann irgendwann gesagt haben: Es ist eh völlig wurscht, was man macht, man verliert immer! – Man könnte es Lose-lose-Thema nen­nen.

Es gab damals, wenn man sich zurückerinnert, ziemliche Rückzugsgefechte, nenne ich es einmal, einer Industrie, einer Content produzierenden Wirtschaft, die halt tatsächlich die Digitalisierung übersehen hatte, und gleichzeitig gab es eine Netzgemeinde, die woll­te, dass sie quasi im rechtsfreien Raum agieren kann und dass überhaupt nichts zu gelten hat. Es gab damals die Ansicht: Wir dürfen doch machen und teilen, was wir wol­len! Was interessiert uns eine Urheberin oder ein Urheber?

Ich bin jetzt schon jahrelang netzpolitisch und kulturpolitisch aktiv und habe mir damals auch gedacht, dass das eine absolut unlösbare Situation ist, und es kam ja auch, wenn wir uns zurückerinnern, zu sehr unangenehmen Dingen: Wenn zum Beispiel Kinderge­burtstag gefeiert worden ist, man hat diesen gefilmt und auf Youtube gestellt, und es war im Hintergrund Musik zu hören, dann wurde das Video gesperrt oder man hat sogar absichtlich, wenn man jemandem etwas Böses tun wollte, Musik darüber gespielt, damit dessen Video gar nicht hochgeladen werden konnte, und solche Sachen. Das sind Din­ge, die ja niemand wollen kann.

Mittlerweile, und das möchte ich schon sagen – vielleicht ist das auch ein gutes Signal, weil wir heute andere Bruchlinien in der politischen Diskussion haben als vor zehn Jah­ren, als ich in den Bundesrat kam –, hat sich die Diskussion schon geändert. Sie ist ein Stück weit weniger emotional geworden – emotional genug, keine Frage, aber ein Stück weit weniger emotional –, und ich habe schon das Gefühl, dass, wenn Interessengrup­pen lange genug miteinander sprechen, das Verständnis für den jeweils anderen steigt. Genau dieses Gefühl habe ich, dass uns das in diesem Fall, im Urheberrecht – und da bin ich anderer Meinung als Kollege Schennach –, wirklich in ausgezeichneter Art und Weise gelungen ist.

Allen recht machen kann man es nie mit dem Urheberrecht, es wird immer Kritik geben, es wird immer eine Interessenvertretung geben, die noch mehr will; das ist ja auch das Wesen von Interessengruppierungen.

Frau Ministerin, ich möchte Ihnen in diesem Fall wirklich ein Kompliment machen und natürlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Justizministerium, denn da ist ein Prozess in Gang gesetzt worden. Dazu, nämlich sowohl die netzpolitisch aktiven Men­schen als auch die Kunst- und Kulturszene  aber auch da muss man zwischen der


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produzierenden Wirtschaft und den Urhebern und Urheberinnen, also den Künstlerinnen und Künstlern, unterscheiden – gemeinsam an einen Tisch zu bringen und eine Lösung zustande zu bringen, sage ich nur: Chapeau!, denn das muss man zuerst einmal schaffen.

Alle NGOs, viele Stakeholder und Stakeholderinnen waren dabei, damit bei der nationa­len Umsetzung dieser EU-Richtlinie etwas zuwege gebracht wird. Ja, es hat ein bisschen zu lange gedauert, dessen sind wir uns bewusst, aber besser lange und gut als schnell und nicht so gut.

Was wird also verändert? Wir haben jetzt eine Plattformverantwortlichkeit. Was be­deutet Plattformverantwortlichkeit? – Die großen Plattformen – Sie kennen sie –, auf die die Nutzerinnen und Nutzer Uploads machen, brauchen für diese Inhalte eine eigene Erlaubnis von den Inhaberinnen und Inhabern. Das ist ein ganz wesentlicher Fortschritt.

Die Herausforderung ist natürlich, eine gute Balance zwischen den Interessen der Rech­teinhaberInnen auf Schutz ihres geistigen Eigentums, wie es immer noch heißt, und den berechtigten Interessen der Nutzerinnen und Nutzer – Wahrung der Meinungsäuße­rungsfreiheit und Verhindern von Overblocking – herzustellen. Das ist in diesem Entwurf wirklich gelungen.

NutzerInnen soll es jetzt auch möglich sein, schon beim Upload zu sagen, dass die Nutzung für bestimmte Zwecke – wie entweder Karikatur oder Parodie und so weiter – erlaubt wird. Somit wird schon von vornherein abgefragt, was Sache ist.

Was ich auch wichtig finde, und das sage ich als Podcaster, ist, dass es eine Bagatell­grenze gibt. Man kann, um etwas zu untermauern, um etwas zu zeigen, 15 Sekunden eines Werks bringen, ohne dass man deswegen gleich gesperrt oder mit einer Millionen­klage bedroht wird, um es ein bisschen salopp zu formulieren.

Wir haben allerdings zwei Pakete, wir haben auch noch das Urhebervertragsrecht, dass wir nach vielen langen Diskussionen anpassen. Die Position, das finde ich schon wichtig, der Urheberinnen und Urheber gegenüber den Produktions- und Vertriebsgesellschaften wird mit diesem Entwurf massiv verbessert. Ich finde, Herr Kollege Schennach, das ist eine gute Nachricht für die Künstlerinnen und Künstler in diesem Land.

Grundsatz ist eine angemessene und verhältnismäßige Vergütung. Das bekannteste Beispiel, das mir dazu gerade einfällt, ist das Che-Guevara-Foto. Der Fotograf hat 100 Dollar, glaube ich, damit verdient und das war es dann, obwohl es bis heute weltweit auf T-Shirts, auf Postern und so weiter vermarktet wird. Heute kann man als Urheber und Urheberin zu der Gesellschaft, die das vertreibt, hingehen und sagen: Du hast viel mehr Geld verdient, als ursprünglich gedacht war, ich habe ein Anrecht auf eine ordent­liche Vergütung! – Das ermöglichen wir damit.

Sie sehen, es gibt viele gute Gründe, für dieses Paket zu sein. Ja, es gibt aus der Sicht vieler Interessengruppierungen natürlich auch Punkte, weswegen man dagegen sein kann. Dafür habe ich Verständnis, aber dann man muss halt auch einmal die Brille des anderen aufsetzen. In diesem Fall waren es viele, viele Brillen, die aufzusetzen waren, und das ist Ihnen wirklich gut gelungen.

Ich erinnere mich noch daran, als in den Neunzigerjahren Napster kam, und an die Dis­kussionen, die wir damals hatten wie weit wir jetzt schon sind und wie wir diese Grä­ben, das finde ich schon, überbrückt haben. Wenn ich Student der Politikwissenschaft wäre und ich müsste eine Arbeit darüber schreiben, wie man unüberwindbar geglaubte Gräben überwinden kann, würde dieses Urheberrecht und die Frage, wie es zu diesem Gesetz kam, ein ganz gutes Fallbeispiel sein. So gesehen, noch einmal: Chapeau! (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 78

13.39


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


13.39.30

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ja, wenn man fremdes Gut nutzt, zum Beispiel ein Haus oder eine Wohnung, dann ist jedem klar, dass man dafür eine Gegenleistung erbringen muss – man zahlt Miete. Wenn es aber um immaterielle Güter geht, dann wird oft über die Erbringung der Gegenleistung hinweggesehen oder darauf vergessen – wie auch immer –, und das geht natürlich nicht.

Wenn man ein Werk nutzt, egal ob das ein Film ist, ob das Musik ist, ob das Bilder sind und so weiter, dann ist es so, dass es natürlich Eigentümer gibt, und diese Eigentümer wollen – no na net – für die Verwendung ihres Eigentums auch entlohnt werden. Da kommen wir zum Urheberrecht und zur dazugehörigen Novelle.

Die EU hat hiezu eine Richtlinie erlassen und Österreich ist mit der Umsetzung beauf­tragt. Es geht um den Umgang zwischen Künstlern, es geht aber natürlich auch um den Umgang zwischen Benützern und den großen mächtigen Internetkonzernen, die da meistens monopolistisch auftreten. Genau diese Internetriesen stellen oft Werke auf ihre Seiten, kassieren dann durch Werbeeinnahmen irrsinnig viel Geld und die Künstler, die Urheber der Werke schauen durch die Finger.

Nach der heutigen Rede von Stefan Schennach muss ich sagen: Wir sind ja nicht immer einer Meinung, aber da bin ich schon deiner Meinung. Jetzt gibt es eben mit diesen Bagatellgrenzen eine Art Kompromiss, aber dieser Kompromiss birgt gleichzeitig auch wieder die Gefahr, dass man die Internetkonzerne zum Teil aus ihrer Verpflichtung nimmt beziehungsweise Hintertürchen offen lässt.

Genauso problematisch sehen wir das Pre-Flagging, weil man hier durch die vorherige Erklärung eben einen Ausnahmetatbestand vom Urheberrecht schaffen will; ob das dann in der Praxis wirklich funktionieren wird, werden wir sehen. Wir stehen dieser Umsetzung der Richtlinie sehr skeptisch gegenüber und werden deshalb auch Einspruch erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

13.41


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Barbara Tausch. Ich er­teile ihr dieses.


13.42.03

Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Bundesminis­ter! Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren via Internet! Ja, das Urheberrecht aus dem Jahr 1936 erlebt mit dieser Novel­lierung eine echte Rundumerneuerung. Würden wir es mit einem Gebäude vergleichen, so würden wir sagen: Es ist grundsaniert und auf den neuesten Stand der Technik ge­bracht worden, also bereit für die digitale Welt. (Zwischenruf des Bundesrates Reisin­ger.) – Doch, es ist ein modernes Kommunalgebäude geworden, das Bürgerinnen und Bürger mit Bildung, Kultur, Unterhaltung und Wirtschaftlichkeit vereint.

Was sich allein in den letzten Jahren im Bereich der Unterhaltung getan hat, ist enorm. Denken Sie selbst an die letzten paar Tage! Haben Sie ein Meme erhalten, also ein witziges Bild, kreativ aufbereitet? Haben Sie gerade jetzt in dieser, nun ja, ruhigen Ad­ventzeit einen besinnlichen Spruch erhalten oder haben Sie selbst ein Video mit Hin­tergrundmusik, mit bekannten weihnachtlichen Ohrwürmern für die sozialen Medien er­stellt? War es ein selbst komponiertes Lied, vielleicht auch persönlich gesungen? Wenn es so war, war es gut – aber ich glaube, nicht immer, denn wenn man ein Video gesehen hat und man empfindet es als gut, dann kann es leicht passieren, dass es mehrfach kopiert, verändert, vervielfältigt worden ist, ohne dass man weiß, wessen geistigen Ei­gentums man sich bedient hat. Es ist so. Da würde ich sagen: Willkommen im digitalen Alltag!


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 79

Wer steckt also hinter den vielen guten Ideen, den Zitaten, den Fotos, den Videos? Fragt ihr euch das immer? – Dahinter stehen Fotografen, Künstlerinnen und Künstler, Musike­rinnen und Musiker, Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Sie sind die eigentlichen Urhe­berinnen und Urheber. Hinzu kommen noch jene, die dieses geistige Eigentum verwer­ten wollen, und Nutzerinnen und Nutzer wie du und ich, die es verwenden wollen, am besten auf einfache und günstige Weise – das ist die Realität.

Da einen guten Kompromiss für alle Interessen zu finden und ihn in einer Novelle zu vereinen war wahrlich eine Herausforderung. Ich sage allen Verhandlungsteilnehmern Danke für das Zusammenraufen, das Zusammenfinden, denn ich möchte sagen, es ist ein guter Kompromiss geworden. Vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Was sind die Eckpunkte der vorliegenden Novelle? – Erlauben Sie mir, ein paar Bei­spiele zu nennen, obwohl vieles schon gesagt worden ist, aber das Wichtigste ist unbe­dingt noch hervorzuheben. Im Gesetz ist der Grundsatz der fairen und gerechten Entloh­nung für Künstlerinnen und Künstler verankert, der sogenannte Bestsellerparagraf, also eine Art Vertragsanpassungsmechanismus. Das Recht für den Urheber zur anderweiti­gen Verwendung eröffnet sich bereits nach 15 Jahren, also nicht erst 70 Jahre nach Ab­leben. Also das ist durchwegs eine lebensnahe Handhabe für die Künstlerinnen und die Künstler.

Es werden freie Werknutzungen zugunsten des Text- und Dataminings eingeführt sowie die digitale Nutzung im Unterricht und in der Lehre ausgebaut. Also somit ist das kei­neswegs eine Verschlechterung, sondern eine Stärkung der Kunstschaffenden.

Wir haben es schon gehört, Onlineplattformen wie Youtube und Co werden mit dem Beschwerdeverfahren in die Pflicht genommen und ermöglicht wird, dass Nutzerinnen und Nutzer wie du und ich die Onlineplattformen weiterhin einfach und unbürokratisch nutzen können. Die Kreativität soll ja dadurch nicht eingeengt werden.

Erwähnen will ich auch das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und den grenzüber­schreitenden Zugang zu europäischen Rundfunksendungen – dieser wird erleichtert.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist höchst an der Zeit für die Anpassung an das europäische Urheberrecht. Mit der Novelle liegt ein modernes Gesetz für die digitale Welt mit einem gerechten Ausgleich zwischen Internetnutzern, Kulturschaffenden, Urhe­bern und Verwertungsgesellschaften vor. Es macht Österreich fit für den digitalen Bin­nenmarkt. Geben wir dem Gesetz, das auf dem neuesten Stand der Technik aufgebaut ist, die Zustimmung! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.47


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Bun­desministerin Dr. Alma Zadić. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.47.42

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Geschätzte Bun­desrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Seit vielen Jah­ren wird eine Modernisierung des Urheberrechts in Österreich gefordert, und ja, wir wa­ren jetzt auch gefordert, die EU-Urheberrechtsrichtlinie umzusetzen. Wir haben uns auch im Regierungsprogramm in diesem Bereich einiges vorgenommen. Wir haben uns vor­genommen, ein modernes Urheberrecht umzusetzen, das unfaire Knebelverträge ver­hindert und Künstlerinnen und Künstler gegenüber den Produktions- und Vertriebsge­sellschaften stärkt.

Ja, man kann durchaus sagen, durch die vorliegende Regierungsvorlage ist die größte Reform seit der Einführung des Urheberrechts 1936 gelungen. Dass es seit 1936 keine umfassende Reform gab, hat auch viel damit zu tun, dass so umfassend unterschied­liche Interessen vorhanden sind und dass es so wahnsinnig schwierig ist, da einen


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 80

Kompromiss zu erzielen. Deswegen bin ich sehr dankbar und sehr froh, dass uns das gelungen ist.

Wir haben hier einen Gesetzentwurf für ein zukunftsweisendes Urheberrecht erarbeitet, weil insbesondere auch die neuen Entwicklungen rund um die Digitalisierung berück­sichtigt wurden. Wir schaffen endlich auch mehr Fairness für Kreative.

Im Vorfeld, das habe ich auch schon gesagt, gab es einen breiten Erarbeitungs- und Verhandlungsprozess unter Einbindung zahlreicher Expertinnen und Experten, Stake­holderinnen, Stakeholder – von KünstlerInnen über InternetnutzerInnen bis zu Verlags­häusern und FilmproduzentInnen haben wir versucht wirklich alle Beteiligten mitzuneh­men und eine gute Balance zu finden.

Ja, dieser Prozess hat länger gedauert, denn wir hätten diese Richtlinie bis zum 7. Juni umsetzen müssen, aber es war mir persönlich sehr wichtig, dass wir uns die Zeit ge­nommen haben, das wirklich ordentlich zu machen und einen guten Ausgleich und eine gute Balance zu finden. Ich glaube, dass uns das mit dieser Reform auch gelungen ist.

Die Reform nimmt vor allem die großen Onlineplattformen bei Urheberrechtsverletzun­gen stärker in die Pflicht. Gleichzeitig wird ein starker und innovativer Schutz für Nut­zerinnen und Nutzer eingeführt, damit eben insbesondere die Meinungsäußerungsfrei­heit, die uns allen auch so wichtig ist, gewährleistet bleibt.

Zusätzlich setzt der Entwurf auch eine jahrelange Forderung von Kreativen um: Wir ha­ben jetzt endlich ein Urhebervertragsrecht. Damit wird die Position von Kreativen gegen­über Produktions- und Vertriebsgesellschaften gestärkt und die kritisierte bisherige Pra­xis ungerechter Knebelverträge künftig verhindert.

Wie passiert das? – Die Vereinigungen von Kreativen können in Zukunft branchenweite Richtlinien für eine gerechte Bezahlung ausverhandeln. Urheberinnen und Urheber sol­len auch künftig stärker von ihren Werken finanziell profitieren und sich leichter aus lan­gen Verträgen lösen können.

Ein paar Details, wie wir die Urheberinnen und Urheber in diesem Entwurf gestärkt ha­ben: Zum einen gibt es den Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Ver­gütung, zum anderen gibt es Vertragsanpassungsmechanismen bei unerwartetem Er­folg, den sogenannten Bestsellerparagrafen. Es gibt Auskunftsansprüche über die Ver­wertung von Werken und es gibt den sogenannten Zweckübertragungsgrundsatz. Mit all diesen Regelungen haben wir tatsächlich viele Maßnahmen geschaffen, die es den Krea­tiven ermöglichen, da auch wirklich mehr Fairness zu erzielen.

Ich möchte, sehr geehrte Damen und Herren, noch einmal betonen, dass es sich bei diesem Gesetz wirklich um ein umfangreiches, sehr komplexes und sehr modernes Ge­setzeswerk handelt und dass wir damit das gesamte Urheberrecht ins digitale Zeitalter überführen.

Abschließend möchte ich mich sehr wohl bei allen bedanken, die daran mitgewirkt haben, insbesondere bei den Beamten meines Hauses, allen voran bei Abteilungsleiter Auinger und Sektionschef Kathrein, weil beide wirklich Tag und Nacht mit ganz vielen Stakeholderinnen und Stakeholdern in Kontakt gestanden sind, um eine gut austarierte Lösung zu finden. Ich bin wirklich sehr dankbar, dass uns das gelungen ist, und hoffe wirklich, dass das Ihre Zustimmung findet und kein Einspruch erhoben wird. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.52


13.52.43

Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 81

Wir gelangen zur Abstimmung. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

13.53.149. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisen­bahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz und das Rohrleitungsgesetz geändert werden (Mindest­versicherungssummen-Valorisierungsgesetz 2021 – MinVersValG 2021) (1170 d.B. und 1258 d.B. sowie 10840/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sebastian Kolland. – Ich bitte um den Bericht.


13.53.48

Berichterstatter Sebastian Kolland: Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994, das Eisenbahn- und Kraftfahrzeug­haftpflichtgesetz, das Gaswirtschaftsgesetz 2011, das Reichshaftpflichtgesetz und das Rohrleitungsgesetz geändert werden.

Die Unterlagen liegen Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. Ich erteile ihm dieses.


13.54.39

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Versicherungen sind immer ein spannendes Thema: Wichtig ist, dass man sie hat, wenn man sie braucht, der Rest wird eigentlich weniger diskutiert. Sie sind in unserem System notwendig, denn sie sind dafür da, unvorhergesehene Ereignisse, Schäden abzufedern und dadurch fi­nanzielle Verluste zu vermindern. Sie helfen vor allem bei Katastrophen und sind da ein wesentlicher Teil der Schadensminimierung für die Bevölkerung.

Um höchstmöglichen Schutz zu gewährleisten, gibt es bei den Versicherungen natürlich auch Rückversicherungen. Diese sind ein Zusammenschluss von mehreren Versiche­rungen, der dazu beiträgt, dass bei sehr großen Schadensfällen, die hohe Summen beanspruchen, auch genug Kapital vorhanden ist, um diese Schäden abzudecken. Das heißt, wir haben ein System, das sehr, sehr gut aufgebaut und ein Garant dafür ist, dass die Schäden für die Konsumenten gering gehalten werden.

Es geht bei diesem Punkt um eine EU-Richtlinie, die umgesetzt werden muss. Alle fünf Jahre werden die Mindestversicherungssummen angeglichen. Dieses Regelwerk garan­tiert, dass gerade bei Zeitwertschäden – ein Zeitwertschaden betrifft einen Sachscha­den, wobei kein Neuwert mehr vorhanden ist – eine entsprechende Abgeltung für den


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Versicherten gewährleistet ist und er sich ein qualitätsgleiches und leistungsgleiches Schadensersatzfahrzeug – wenn wir beim Fahrzeug sind – kaufen oder Gebäude errich­ten kann.

In der Eurozone wird zur Bemessung der Anpassung der harmonisierte Verbraucher­preisindex, der die Inflation, die Geldwertstabilität und alle anderen preisbestimmenden Faktoren enthält, herangezogen, damit sie den wirklichen Zahlen entspricht und der Ein­fluss auf die Wiederbeschaffung gegeben ist. Die diesmalige Erhöhung beträgt 2,4 Pro­zent, das ergibt eine neue Mindestdeckung von 1,3 Millionen Euro pro Unfallopfer, 6,45 Millionen Euro je Schadensfall und bei Sachschäden auch eine Summe von 1,3 Mil­lionen Euro. Das ist jeweils die Mindestdeckung bei Schadensfällen.

Bei uns in Österreich wird es mit höchster Wahrscheinlichkeit keine Prämienerhöhung geben, da hier die gedeckten Schadenssummen in der Regel über diesen Mindestver­sicherungssummen liegen und somit kein Handlungsbedarf für unsere Versicherungen besteht, denn die Deckungssummen sind somit mehr als ausreichend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch damit wird in Coronazeiten ein Beitrag geleistet, der die Familieneinkommen nicht belastet. In Zeiten wie diesen, in denen auch die Energiekosten steigen, ist es wichtig, dass wir einen positiven Beitrag zum Wohl­stand unserer Gesellschaft leisten. Trotz der Kosten erfüllen die Versicherungen ihre Aufgabe, und zwar die Absicherung in Bezug auf Risken und von nicht vorhersehbaren Schäden, und dienen somit der Sicherung von Wohlstand und gesellschaftlicher Weiter­entwicklung. Ich ersuche im Interesse der Menschen, diesem Gesetz zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.58


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Horst Schach­ner. – Ich bitte um die Rede.


13.58.38

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Mit dem Gesetzesvorschlag soll die Höhe von Mindestversiche­rungssummen in der Kraftfahrzeughaftpflicht an die Inflation angepasst werden. Es gibt dazu auch eine eigene EU-Richtlinie aus dem Jahr 2009 über die Kraftfahrzeughaft­pflichtversicherung.

Bisher – mein Vorredner hat es ja schon angesprochen – hat es für Pkws eine Mindest­versicherungssumme von 7,6 Millionen Euro gegeben, mit der Änderung soll das auf 7,79 Millionen Euro angehoben werden. Die Höhe der Änderung orientiert sich auch am Verbraucherpreisindex. Von der genannten Gesamtsumme sind 6,45 Millionen Euro für Personenschäden und 1,34 Millionen Euro für Sachschäden vorgesehen.

Ich bringe jetzt noch ein zweites Zahlenbeispiel: Wenn man zum Beispiel einen Omnibus versichert, der 19 Sitzplätze hat – 20 mit dem Fahrer –, zahlt die Versicherung in Zukunft 15,58 Millionen Euro.

Das KHVG, das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz – das ist schon angespro­chen worden –, betrifft diese Änderung auch, gleichzeitig ist auch eine Erhöhung der Haftungshöchstbeiträge im EKHG, das ist das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflicht­gesetz, vorzunehmen. Wie schon angesprochen worden ist, betrifft das auch das Reichshaftpflichtgesetz, das übrigens schon seit 1871 besteht, das Gaswirtschaftsge­setz und das Rohrleitungsgesetz. Wichtig ist auch, dass es in Wirklichkeit die Konsu­menten nicht viel beziehungsweise fast gar nichts kosten wird – das hat das Ministerium so hineingeschrieben –, weil ja bei uns die Deckungssummen ohnehin sehr hoch sind.

Ganz kurz möchte ich vielleicht noch das ansprechen, was jetzt über die „Kronen Zeitung“ beziehungsweise die APA gekommen ist, das, was sich da jetzt rundherum abspielt. Ich muss euch ganz ehrlich sagen, da kann man nicht ruhig sein. Wenn das wirklich stimmt,


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was da drinnen steht, dann müsst ihr euch, wenn ihr in die Ferien geht, überlegen, ob ihr euch nicht einmal zusammensetzt und darüber nachdenkt, ob ihr nicht den Weg für ordentliche Parteien freimacht, die keine Korruptionsfälle haben (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky), die die Leute nicht permanent so anlügen, wie es diese Bundesregierung gemacht hat. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich glaube, darüber solltet ihr einmal nachdenken – wenn das stimmt, was da drinnen steht. Ich weiß nicht, ob ihr es schon alle gelesen habt. Schaut euch das an! (Zwischenruf bei der SPÖ.) Da muss man sich schon fast schämen, dass man in Österreich lebt, dass es so etwas überhaupt gibt. Dann darf man sich nicht wundern, wenn Österreich manchmal als Bana­nenrepublik oder sonst irgendetwas bezeichnet wird. Ich sage euch ganz ehrlich: Über­legt euch das! Wie ihr mit dem jetzt umgeht, darauf bin ich auch schon neugierig. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wenn ich nur daran denke, wie viele Millionen da irgendwo unter dem Tisch weggekehrt worden sind, während wir hier für eine abschlagsfreie Pension kämpfen, wenn einer mit 62 Jahren in Pension gehen will und schon 45 Jahre gearbeitet hat (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), und dann hier herinnen jedes Mal gesagt wird: Nein, das geht nicht, das können wir uns in der Zukunft nicht leisten!, dann muss ich euch ganz ehrlich sagen, es kann einfach in Zukunft in dieser Form nicht mehr weitergehen, ob das das Arbeitslosengeld betrifft oder sonst irgendetwas. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Jawohl! Bravo!)

Ich muss euch ganz ehrlich sagen, das ist beschämend, was sich heute da in den Medien abspielt, in den sozialen Medien, in der APA und in der „Kronen Zeitung“. Überlegt euch das wirklich! Ich bin echt neugierig darauf, wie ihr da jetzt wieder herauskommt. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

14.02


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


14.02.48

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Aufgrund dessen, dass meine Vorredner Auer und Schachner bereits alle Eck­punkte der EU-Richtlinie genannt haben, werde ich diesbezüglich nicht alles wiederho­len. Ich möchte dazu nur sagen, dass es für uns Freiheitliche wichtig ist, dass mit dieser Umsetzung der Richtlinie keine Prämienerhöhung für die Versicherungsnehmer zu er­warten sein wird, da unsere Versicherungen in der Praxis bei ihren Verträgen sowieso von höheren Deckungssummen ausgehen. Wir werden dies weiterhin beobachten, weil wir nicht wollen, dass die österreichische Bevölkerung durch die Belastungsregierung auch in diesem Fall wieder finanziell ausgebeutet wird.

Als Familienmensch, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt, das Herz aber am rechten Fleck hat, wünsche ich allen Kollegen und Kolleginnen und ihren Familien ein frohes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und viel Gesundheit für das neue Jahr. Ich freue mich schon auf die Bundesratssitzungen im neuen Jahr, um hart, aber sachlich, wie wir Freiheitlichen halt sind, die Anliegen der Bevölkerung mit euch zu diskutieren und an­schließend umzusetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.04


14.04.09

Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 84

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.04.3910. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Be­gleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsord­nung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das Zivilrechts-Mediations-Gesetz und das Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz geändert werden (2094/A und 1259 d.B. sowie 10841/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden (1260 d.B. sowie 10842/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 10 und 11, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 10 und 11 ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um die Berichte.


14.05.17

Berichterstatter Otto Auer: Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezem­ber 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwalts­anwärter, das Zivilrechts-Mediations-Gesetz und das Zweite Bundesrechtsbereinigungs­gesetz geändert werden.

Die Unterlagen liegen Ihnen schriftlich vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das Presseförde­rungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden.

Die Unterlagen dazu haben Sie ebenfalls schriftlich erhalten, ich komme daher zur An­tragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


14.07.01

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Bei den beiden zusammengefassten Tagesordnungspunkten geht es im Kern um das Gleiche wie bei Tagesordnungspunkt 5. Dazu habe ich mich bereits ausführlich geäußert.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 85

Es handelt sich wiederum nur um Fristverlängerungen, meistens bis Mitte oder bis Ende des nächsten Jahres, für Covid-bedingte Sonderregelungen. Da wir der Meinung sind, es muss mit diesem ganzen Verunsichern, Zerstören, Blockieren, Einsperren Schluss sein, werden wir auch diesmal in beiden Fällen die Zustimmung verweigern. (Zwischen­rufe bei SPÖ und Grünen.) – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.07


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses.


14.07.47

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Dann mache ich es so kurz wie Herr Hübner, ich wüsste nämlich keinen Grund, warum man da dagegen sein sollte. Es geht nämlich nicht darum, Menschen einzusperren, sondern darum, etwas zu ermöglichen. Es geht, um es kurz zusammenzufassen, um die Verlän­gerung von Covid-19-Maßnahmen.

Es geht darum, dass wir mit Sonderregelungen – weil wir eine Pandemie haben, Herr Kollege! – in der Justiz bis Mitte 2022 zum Beispiel den Gerichtsbetrieb aufrechterhalten können, den Betrieb des Strafvollzugs während der Pandemie aufrechterhalten können, dass Verhandlungen in Zivilverfahren auch online stattfinden können und so weiter.

Mit Tagesordnungspunkt 11 ermöglichen wir zum Beispiel ORF-Gremien, dem Unab­hängigen Parteien-Transparenz-Senat, den KommAustria-Gremien zu tagen. Wir sper­ren sie nicht ein, wir ermöglichen ihnen etwas. Da können Sie doch nicht dagegen sein, Herr Hübner. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Stimmen Sie dem also ruhig zu, so wie wir es tun! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.08


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr dieses.


14.08.54

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Auch ich werde mich bei diesen beiden Tagesordnungspunkten möglichst kurz halten. Ich spre­che, glaube ich, für uns alle, wenn ich sage, dass wir uns alle gewünscht hätten, dass wir keine Verlängerung einer Frist beschließen müssen, die der Pandemie geschuldet ist. Dennoch verlängern wir heute, weil es notwendig ist, bei diesen beiden Tagesord­nungspunkten eben genau jene Fristen, die Kollege Schreuder bereits genannt hat.

Das ist notwendig, damit wir auch die Funktionsfähigkeit dieser Organisationen sicher­stellen können, damit mittels Videokonferenzen und anderer technischer Möglichkeiten der Betrieb aufrechterhalten werden kann, und deshalb hoffe ich auf breite Zustim­mung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.09


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)


14.10.03

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Bundesministerin! Ich werde mich den Vorrednern anschließen, nicht allen, aber den meisten. (Beifall des Bundesrates Preineder.) Ich meine, Herr Hübner, Sie haben schon realisiert, wozu Sie da jetzt Nein sagen, oder? Sie wollen, dass man


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bei Unterhaltsvorschussgewährungen Gebühren zahlt. Deren Abschaffung ist jetzt in dem Paket drinnen; nur, dass Sie auch Ihre soziale Schieflage sehen. (Bundesrat Span­ring: Das ist polemisch, Herr Kollege! Polemik!)

Erleichterungen für die Erstellung von Jahresabschlüssen, für Tagungen der Rechtsan­waltskammer, die notwendig sind, erleichterte Eingaben und Zustellungen bei Gericht, das alles ist sehr sinnvoll.

Es ist eine Verlängerung – wir haben diese gemeinsam beschlossen; ich glaube, ihr nicht, aber wir schon. Dass wir diese Frist jetzt verlängern, ist angesichts der Gesund­heitslage, die jetzt auf uns zukommt, dringend geboten. Die Omikron-Fallzahlen, habe ich gerade gelesen, steigen und steigen.

Das Ganze gilt auch, wie Kollege Schreuder schon gesagt hat, für die ORF-Gremien.

In diesem Sinne stimmen wir natürlich zu. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.11


14.11.38

Präsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Die Sitzplätze werden eingenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012 und weitere Ge­setze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.12.5812. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird (WEG-Novelle 2022 – WEG-Nov 2022) (1174 d.B. und 1286 d.B. sowie 10807/BR d.B. und 10843/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Bundesrätin Doris Berger-Grabner. – Ich bitte um den Bericht.


14.13.15

Berichterstatterin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deshalb komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Vielen Dank.



BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 87

Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr dieses.


14.14.03

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher! Was lange währt, wird endlich gut, heißt es so schön. Dieser Spruch gilt aber leider nicht für die seit Jahren geforderte umfassende Reform des Wohnungs­eigentumsgesetzes. Das ist sehr schade und ein Nachteil für viele Menschen in unserem Land. 58 Prozent der ÖsterreicherInnen leiden unter den explodierenden Wohnkosten, die auf uns zukommen. Die Mietervereinigung Österreichs und die Gewerkschaft Vida haben eine Studie beauftragt. Diese Studie ist sozusagen nicht gut ausgegangen, und das Entlastungspaket, das gefordert wird, ist ganz, ganz dringend und notwendig.

Die vorgelegte Novelle des WEG, also des Wohnungseigentumsgesetzes, reiht sich in eine Serie von Reformen ein, die das Wohnen leider teurer statt günstiger machen. Dazu darf ich einige Kennzahlen aus dem Bericht der Oesterreichischen Nationalbank „Immo­bilien aktuell – Österreich“ aus 2021 nennen. Ich zitiere:

„Der Trend steigender Preise für die Wohnimmobilien setzte sich im dritten Quartal 2021 unvermittelt fort. In Wien stiegen die Immobilienpreise um +10,2 %“ und in den restlichen Bundesländern „um +10,6 %“ im Vorjahresvergleich.

Der Fundamentalpreisindikator der Oesterreichischen Nationalbank für Wohnimmobilien in Österreich lag im dritten Quartal sogar bei 22,8 Prozent und damit um 4,2 Prozent­punkte über dem Wert des Vorquartals. „Ein derart hoher Anstieg wurde seit dem Beginn dieser Zeitreihe“ – das ist immerhin schon seit 1989 – „noch nicht verzeichnet.“

„Das erste Halbjahr 2021 war von einer weiteren Expansion der Bautätigkeit und einem starken Anstieg der Baukosten gekennzeichnet.“ Ebenso stark sind auch diese Wohn­baukredite angestiegen.

Der Neubau am Wohnungsmarkt boomt, aber am Bedarf vorbei. Es werden hauptsäch­lich unleistbare Vorsorgewohnungen errichtet, und schon 60 Prozent der Mietwohnun­gen am privaten Markt in Österreich unterliegen nicht mehr den Preisgrenzen des Miet­rechtsgesetzes. Für die Mehrzahl der privaten Mietverhältnisse gibt es also keinen ge­setzlichen Preisschutz mehr.

Die Situation wird von Monat zu Monat schlechter. Wer heute eine Mietwohnung auf dem sogenannten freien Markt finden muss, ist ehrlich gesagt arm dran. Laut einer Studie des Instituts für Raumplanung an der TU Wien können sich selbst Personen mit einem durchschnittlichen Einkommen keine ihren Wohnbedürfnissen angepasste Wohnung mehr leisten. Ein durchschnittlich verdienender Single mit einem Nettoeinkommen von 1 640 Euro kann sich gerade einmal 29 Quadratmeter leisten. Das ist traurig.

Eine Ifes-Studie der Arbeiterkammer hat schon vor der Krise, also vor 2019, gezeigt, dass Jungfamilien auf dem privaten Markt so gut wie keine leistbaren Wohnungen mehr finden. Im Schnitt haben diese Jungmieter ein Haushaltseinkommen von in etwa 2 800 Euro netto, und für die kalte Wohnung mussten sie in Wien 790 Euro budgetieren, dazu kom­men Energiekosten von etwa 130 Euro, also insgesamt fast 1 000 Euro, und das sind 35 Prozent des gesamten Nettoeinkommens. Da bleibt nicht viel zum Leben übrig. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Alleinverdiener haben es natürlich noch viel schwerer. Jede vierte Alleinverdienerin muss mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben.


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Wie wir alle wissen, steht eine Mieterhöhung an, und hinzu kommt die überbordende Erhöhung der Energiekosten. Wie soll sich das in Zukunft für die Menschen, die hier leben, ausgehen? Das frage ich mich. Laut Schätzungen des Momentum Instituts wer­den die Richtwerte ab April 2022 um 6 Prozent erhöht. Davon betroffen sind immerhin 750 000 Mieterinnen und Mieter in Österreich.

Leer stehende Wohnungen sorgen für eine künstliche Verknappung des verfügbaren Wohnraums. Die Mietervereinigung Österreichs fordert schon seit Langem, dass die Leerstände nach sechs Monaten verpflichtend gemeldet werden müssen. In Berlin ist das schon Usus. Wer Wohnraum nicht zum Wohnen verwendet, wird bestraft. Die Ein­führung einer Leerstandsabgabe in Österreich ist deshalb wichtig, weil es einen Len­kungseffekt geben muss. Das ist unumgänglich und wird von Wien genauso gefordert wie von Tirol, Salzburg, Oberösterreich und den Städten Villach und Graz. (Zwischenruf der Bundesrätin Kittl. – Bundesrätin Schumann: Na geh! – Weitere Rufe und Gegen­rufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ.) Mittlerweile ist das Wohnen in Graz schon teurer als in Wien. Geschätzte 30 000 bis 100 000 Wohnungen sollen in Wien leer stehen.

Diese Negativentwicklung gehört gestoppt, und die Gemeinden, die Länder und vor al­lem der Bund sind gefordert, Gegenmaßnahmen zu setzen. Auch der steirische Landes­hauptmann Schützenhöfer sprach sich erst vor Kurzem für eine Leerstandsabgabe aus. Wer eine Wohnung leer stehen lässt, soll in Zukunft 600 Euro im Jahr an die Gemeinde zahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

In Niederösterreich hat der St. Pöltner Gemeinderat in seiner Dezembersitzung eine Reso­lution gestartet, unter dem Titel „Urbanes Wohnen neu definiert“. (Ruf bei der ÖVP: ... SPÖ!) – Nein, Herr Kollege, nicht nur die SPÖ. (Ruf bei der ÖVP: Und die Grünen!) Die SPÖ mit den Stimmen von NEOS und den Grünen, möchte ich jetzt vermerken. Sie haben diese Resolution gemeinsam eingebracht.

Ein Universalmietrechtsgesetz, wie von der SPÖ schon lange gefordert, würde das Mie­ten für private Wohnungen regeln. Es ist an der Zeit, dieses auch umzusetzen. Obwohl schon 2019 vor der Wahl von der ÖVP versprochen und im Regierungsprogramm ver­ankert, ist die Abschaffung der Maklergebühren gegen die Stimmen der SPÖ verhindert worden.

Die vorliegende Novelle ist eindeutig ein türkis-grünes Gesetz, das  ich möchte es noch einmal betonen  Wohnen teurer statt günstiger macht. Es sieht die Festsetzung der Rücklagenbeiträge von mindestens 90 Cent pro Quadratmeter vor. Dem Argument der ÖVP, dass Eigentumswohnungen ein guter Schutz vor Altersarmut sein sollen, kann ich leider gar nichts abgewinnen.

Die Ökologisierung im Wohnungseigentumsrecht ist ja grundsätzlich zu begrüßen, klar, allerdings darf sie nicht zu einer finanziellen Belastung der Eigentümerinnen und Eigen­tümer führen. Auch die Arbeiterkammer sieht das so und merkt an, dass die Wohnungs­eigentümerInnen mit einer finanziellen Mehrbelastung rechnen müssen, aber im Gegen­zug keine Stärkung der Rechte der einzelnen Eigentümer vorgesehen ist. Eine Stärkung der Individualrechte und der Einsichtsrechte, vor allem im Hinblick auf eventuell falsche Abrechnungen, ist eine dringende Notwendigkeit.

In der Novelle ist auch eine eigene Ladestation für E-Fahrzeuge in Garagen oder auf Abstellflächen vorgesehen. Gemeinschaftsanlagen mit mehreren Anschlüssen erschei­nen uns grundsätzlich positiver und sinnvoller zu sein. Die Installierung von Ladesta­tionen, Fotovoltaik- und Beschattungsanlagen sind nicht zu unterschätzende Zusatz­wohnkosten.

Wie begründet können wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion dieser Minireform des Wohnungseigentumsgesetzes nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.21



BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 89

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Adi Gross. Ich erteile ihm dieses.


14.22.01

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Die vorliegende Novelle ist zwar ein wichtiger ers­ter Schritt zur einfacheren Ermöglichung von Klimaschutzmaßnahmen in Gebäuden des Wohnungseigentums. Dabei geht es darum, Häuser klimafit zu machen, thermisch zu sanieren, Elektrofahrzeuge laden zu können – das war das Ziel, das auch erfüllt wurde, das führe ich gleich aus. Das Ziel dieser Novelle war nicht eine komplette Neuorganisa­tion des Wohnungsmarktes oder eine Totalaufrollung der Wohnungsrechtsmaterien; das ist eine ganz andere Baustelle. Dass man das angehen muss, das ist unzweifelhaft, aber bleiben wir jetzt einmal bei dieser Novelle und dem, was diese eigentlich zum Ziel hatte und wie es gemacht wurde. Das möchte ich kurz ausführen.

Kernpunkt ist ein sogenanntes Right to Plug. Was heißt das? – Da wird jetzt ein Recht verankert, auf seinem individuellen Liegenschaftseigentum eine Ladeeinrichtung für Elektrofahrzeuge zu installieren, auch wenn davon Allgemeinflächen oder Räume, die genutzt werden müssen, betroffen sind. Also da geht es im Wesentlichen beispielsweise darum, durch einen gemeinsamen Keller eine Leitung legen zu können. Es muss selber finanziert werden, das ist eine freiwillige Sache, selbstverständlich wird ja niemand ge­zwungen, eine Ladeeinrichtung einzurichten.

Für die Genehmigung eines solchen Vorhabens reicht es in Hinkunft aus, dass andere WohnungseigentümerInnen davon verständigt werden, und diese können binnen einer bestimmten Frist Widerspruch erheben. Die Hausverwaltung, auch das ist wichtig, muss dabei behilflich sein, etwa wenn es darum geht, Postadressen bereitzustellen, damit die EigentümerInnen überhaupt erreicht werden können, weil es ja vielfach so ist, dass Wohnungen vermietet werden und die EigentümerInnen selber gar nicht darin, sondern irgendwo auf der Welt wohnen.

Das ist eine wichtige Maßnahme, eine wirklich wichtige Maßnahme, die die anderen Mit­eigentümerInnen nicht beeinträchtigt, auch keine Kosten auf andere MiteigentümerIn­nen umlagert, ich betone das. Es ist auch ganz wichtig, um die Transformation der An­triebe von Verbrennern zu Elektroautos überhaupt durchführen zu können, denn: Was nutzt mir das, wenn ich es nicht aufladen kann? Also da dagegen zu sein, ist, finde ich, ja fast schon abenteuerlich. Wir sprechen von Bestandsgebäuden, ich möchte auch das betonen. Im Neubau ist das anders, da werden diese Dinge über die Baurechte in den Ländern geregelt. Da passiert im Übrigen auch einiges.

Auch das sei erwähnt: Ladestationen in Mehrwohnungshäusern, um die geht es ja da, werden vom Klimaministerium mit 900 Euro pro Station gefördert. Also auch das ist eine wichtige Maßnahme, um dort die Kosten gering zu halten. – Das ist der erste Kernpunkt, der ist sehr wichtig und vernünftig.

Der zweite Punkt ist eine prinzipielle Erleichterung der Willensbildung in Eigentümerge­meinschaften, auch das ist sehr wichtig. Jetzt ist es ja so, dass viele Vorhaben, sei es nur ein Kesseltausch oder eine thermische Sanierung oder irgendwas, was mehrere be­trifft, die Mehrheit aller Miteigentumsanteile braucht. Das ist in der Praxis oft sehr pro­blematisch, weil immer wieder WohnungseigentümerInnen an den Geschehnissen in der Gemeinschaft nicht brennend interessiert sind, an den Versammlungen nicht teilneh­men, gar nicht mehr dort wohnen und so weiter. Das führt dazu, dass die Umsetzung solcher Vorhaben schlicht und einfach nicht möglich ist.

Was jetzt eingeführt wird, ist eine zweite Möglichkeit, eine Alternative der Entscheidungs­findung im Sinne einer qualifizierten Mehrheit, und die lautet so: Es müssen für solche Beschlüsse zwei Drittel aller Eigentumsanteile vertreten sein und die Hälfte davon muss


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dann sozusagen diesem Vorhaben zustimmen. Nur dann gilt das Vorhaben als geneh­migt und kann durchgeführt werden. Das ist ein ganz wichtiger Meilenstein, der vielleicht auch ein bisschen Vorbildwirkung für andere Wohnrechtsmaterien sein kann.

Die dritte Änderung – das ist erwähnt worden; allerdings wurde sie, es tut mir leid, grund­falsch interpretiert – ist die Einführung einer Mindestrücklage im Wohnungseigentum, und zwar 90 Cent pro Quadratmeter, das ist eh eine sehr moderate Sache, und diese ist von den WohnungseigentümerInnen, aber nicht von den MieterInnen zu leisten. Es hat sich nämlich auch in der Praxis gezeigt, dass die Rücklagen in sehr, sehr vielen Häusern unterdotiert sind, nämlich dramatisch unterdotiert. Was heißt das dann, wenn die Rückla­gen fehlen?  Notwendige Sanierungen am Gebäude, wie etwa eine thermische Sanie­rung, können nicht durchgeführt werden, sie finden keine Mehrheit, weil sie dann kurz­fristig zu einer zu hohen Kostenbelastung führen. Dann müssen die EigentümerInnen in die Tasche greifen, die haben dann vielleicht das Geld nicht, oder die Rücklagen müssen dann in den Folgejahren so massiv erhöht werden, dass das wieder zum Problem wird. Das heißt, zu geringe Rücklagen führen zu bösen Kostenüberraschungen, und genau das wird damit verhindert.

Ich selbst wohne in einer Eigentumswohnung in einem Mehrfamilieneigentumshaus, auch dort sind die Rücklagen einfach ein Scherz, mit den Rücklagen kann man nichts machen. Das Haus ist jetzt 20 Jahre alt, spätestens in zehn Jahren sind große Sanie­rungen durchzuführen, die erste Dachsanierung, Fassadensanierung, das wird nicht möglich sein. Die einzige Konsequenz wäre jetzt ohne diese Novelle, dass man kurz­fristig die Rücklagen massiv erhöht oder halt dann entsprechend über Banken finanziert oder dass eben, was leider oft passiert, nichts passiert.

Also es ist diese Regelung eher ein Instrument, um eben nicht über Mehrheitsentschei­dungen zu kurzfristig zum Tragen hoher Kosten zwangsweise verpflichtet zu werden.

Wichtig ist, darauf hinzuweisen, das vergessen Sie leider oft, dass Maßnahmen wie eine thermische Sanierung eines Gebäudes, eine Umstellung des Heizsystems oder die An­bringung von erneuerbaren Energieträgern auf dem Dach oder an der Fassade zu ge­ringeren Kosten führt, das zeigen alle Studien. All das sind Maßnahmen, die die Be­triebskosten massiv senken. Ein hocheffizientes Haus hat nun einmal drastisch niedri­gere Kosten als ein unsaniertes Standardhaus.

Also das ist auch als sozialpolitische Maßnahme ganz wichtig, damit sich die Leute, die dann drinnen wohnen, das Heizen und die Energie auch weiterhin leisten können und es nicht so ist wie jetzt. Wir sehen ja jetzt gerade, was das heißt, von Energielieferungen, zum Beispiel vom Gas, abhängig zu sein. Das trifft jetzt viele, gar keine Frage, und es trifft vor allem die, die in schlechten Gebäuden wohnen. Genau dem gilt es vorzubeugen. Und wie beugt man dem vor? Genau durch solche Maßnahmen. (Beifall bei den Grünen.)

Auch da sei angemerkt, dass das BMK Mittel zur Verfügung stellt, die ihresgleichen su­chen; allein für die thermische Sanierung und den Kesseltausch sind es 700 Millionen Euro für zwei Jahre. (Beifall bei den Grünen.) Wir haben einen Finanzrahmenplan bis 2025 über 1 Milliarde Euro, um genau dort die Kosten abzufangen. Wir werden – das verrate ich jetzt schon – am 3. Jänner österreichweit mit einer Unterstützung für einkom­mensschwache Haushalte starten, wobei bis zu 100 Prozent der Kosten für Kessel­tausch ersetzt werden.

All das sind die richtigen Maßnahmen, um auch vor Überraschungen bei den Energie­preisen zu schützen. Das ist eine Änderung, die nicht nur dem Klimaschutz dienlich ist, sondern die vor allem ein wichtiger Beitrag zum leistbaren Wohnen ist – und so soll es sein. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.30


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl-Arthur Arlamovksy. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 91

14.30.31

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist auch von unse­rer Seite unbestritten, dass das Wohnungseigentumsgesetz jedenfalls modernisiert wer­den muss. Allerdings werden mit dem vorliegenden Entwurf beziehungsweise Gesetzes­beschluss des Nationalrates große Reformen bewusst nicht angegangen. Das wird so­gar in den Erläuterungen ausgeführt, in denen steht, dass weiterreichende Reformschrit­te auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Die Vorlage enthält einige Komponenten, die wir positiv sehen. Das wäre zum Beispiel die Erleichterung für die Errichtung von Ladestationen und Fotovoltaikanlagen, die not­wendig sind, um den Energiebedarf von Gebäuden zu verringern, weil ja der Gebäude­sektor neben dem Verkehr ein wichtiges Handlungsfeld gegen den Klimawandel dar­stellt. Auch gegen die Erleichterung der barrierefreien Ausgestaltung von Wohnungs­eigentumsobjekten oder allgemeinen Teilen einer Liegenschaft ist nichts einzuwenden.

Unsere Kritikpunkte sind die neuen Beschlusserfordernisse und der neue Mindestbeitrag zur Rücklage. Was die Beschlusserfordernisse betrifft – wir haben es gehört, und ich kenne das auch aus der Praxis –, ist es manchmal ein Problem, das erforderliche Teil­nahmequorum zu erreichen, weil ja für einen Beschluss nicht die Mehrheit der abgege­benen Stimmen, sondern die Mehrheit aller möglichen Stimmen beziehungsweise Mitei­gentumsanteile notwendig ist. Das heißt, durch Nichtbeteiligung kann eine Mehrheit verhindert werden, auch wenn alle, die teilnehmen, dafürstimmen.

Mit der Konstruktion, die jetzt getroffen wird, reicht es aber aus, wenn ein Drittel der Miteigentumsanteile dafürstimmt und gleichzeitig zwei Drittel aller abgegebenen Stim­men dafür sind. Das ist aber auch erreicht, wenn alle abgegebenen Stimmen Prostim­men sind, aber diese abgegebenen Stimmen nur ein Drittel aller Anteile ausmachen. Das wäre auch schon ein positives Abstimmungsergebnis. So etwas kann aber zu wi­dersprüchlichen Ergebnissen führen. Wenn zum Beispiel ein gegenlautender Antrag, der nicht gleichzeitig oder vielleicht sogar gleichzeitig zur Abstimmung steht, ebenfalls ein Drittel der Miteigentumsanteile erreicht und ebenfalls einstimmig ist, dann gibt es ein Drittel dafür und ein Drittel dagegen. Beides wären positive Abstimmungsergebnisse. Diese Widersprüche müsste man in Wirklichkeit aufklären.

Der zweite große Kritikpunkt ist der Mindestbeitrag von 90 Cent pro Quadratmeter, um­gerechnet auf Miteigentumsanteile, zur Rücklage. Wir sehen das deswegen negativ, weil die Ausnahmen zu eng gefasst sind. Als Ausnahmen sind im Gesetz nämlich nur vor­gesehen, dass entweder das Haus ziemlich neu ist oder dass die Rücklage schon eine angemessene Höhe hat. Die Höhe dieser vorhandenen Rücklage wird nicht in absoluten Zahlen, in absoluten Beträgen normiert, der Beitrag aber schon, was es sehr schwierig macht, das Ganze zu vergleichen.

Wenn man ein System so macht, wie es bisher geregelt war, und sagt, der Beitrag zur Rücklage muss eine angemessene Höhe haben, damit die Aufwendungen gedeckt wer­den, kann man den monatlichen Beitrag mit dem Gesamtbetrag vergleichen – und bei­des muss angemessen sein. Oder man könnte es normieren, indem man für den mo­natlichen Beitrag einen bestimmten konkreten Betrag festschreibt, diesen dann aber auch mit einem bestimmten konkreten Betrag der vorhandenen Rücklage vergleicht. So, wie es jetzt ist, ist es inkonsistent.

Die Ausnahmen sind insofern zu eng gefasst, als andere Zuflüsse zur Rücklage nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Rücklage kann außer der monatlichen Vorschreibung nämlich noch weitere Zuflüsse haben, insbeson­dere aus der Vermietung allgemeiner Teile der Liegenschaft, sei es eine ehemalige Hausbesorgerwohnung, seien es andere allgemeine Teile wie Stellplätze, die vermietet


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werden, Fassadenwerbung oder ein Handymast, der vermietet wird. Das darf nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht berücksichtigt werden, kann aber einen sehr wesentlichen Beitrag für den Zufluss zur Rücklage bilden.

Aufgrund dieser beiden großen Kritikpunkte können wir dem Entwurf als Ganzem nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

14.35


Präsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm dieses.


14.35.31

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren! Nach der Bedürfnispyramide nach Maslow wissen wir, dass Wohnen neben den lebenserhaltenden Bedürfnissen wie Essen, Trin­ken und Fortpflanzung ein Grundbedürfnis darstellt. Alle anderen Elemente wie die Si­cherheit, soziales Bedürfnis, Anerkennung und Selbstverwirklichung folgen in aufbauen­der Weise.

Für uns als Volkspartei war und ist es immer wichtig, dass das Eigentum gestärkt wird und dass Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen gut leben können, sich Ei­gentum schaffen können, es sich vor allem auch leisten können. Dazu gehört eben ein modernes und verständliches neues Wohnungseigentumsgesetz, wie es mit dieser No­velle vorliegt. Modern wird es durch viele Maßnahmen. Einige wurden ja schon ange­führt, aber mit der Wiederholung kann sich auch die entsprechende Aufnahme steigern.

Die Novelle enthält die Regelung der erleichterten Beschlusserfordernisse und gibt damit die Möglichkeit, dass blockierende Wohnungseigentümer eben nicht mehr Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen zur Verbesserung im Haus aufhalten können. Es wird einfach besser, weil sie durch Desinteresse oder durch Nichtbeachtung Entscheidungen nicht blockieren können. Daher ist es eigentlich unverständlich, dass im Nationalrat vonseiten der Sozialdemokratie – vielleicht auch noch immer aus den alten, verstaubten klassenkampfrhetorischen Gründen – keine Zustimmung erfolgte. Vielleicht kann die so­zialdemokratische Fraktion hier im Bundesrat eine moderne, neue Auffassung einneh­men und damit vielleicht auch ein neues Fenster aufmachen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Vielfach gefordert wurde ja die erleichterte Möglichkeit der Installation von Ladevorrich­tungen für Elektrofahrzeuge in Wohnanlagen. Wir haben nämlich mittlerweile 50 000 rei­ne Elektroautos auf der Straße und über 100 000 Hybridautobesitzer, die ihr Fahrzeug gerne in einer Garage oder auf Parkflächen in Reichweite ihrer Eigentumswohnung ab­stellen und aufladen möchten. Auch die Errichtung von umweltfreundlichen – schon an­gesprochen – Fotovoltaikanlagen, die barrierefreie Ausstattung und das Anbringen von Beschattungsvorrichtungen gehören zu diesen wichtigen Änderungen.

Bisher ist ja bei der Umsetzung dieser Punkte die Zustimmung aller Wohnungseigentü­mer notwendig gewesen, das wurde heute auch schon gesagt. Künftig ist nicht mehr die aktive Zustimmung aller nötig, sondern es ist erforderlich, dass die geplante Änderung mit der Möglichkeit des Widerspruchs insofern umgesetzt wird, als auch die Wohnungs­eigentümergemeinschaft davon verständigt wird.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Festsetzung der Mindestdotierung der Rücklagen. Ziel ist es ja, künftig Investitionen in die Erhaltung und Verbesserung der Liegenschaft finan­ziell zu erleichtern. Wohnen wird nicht teurer – ganz im Gegenteil. (Bundesrätin Hahn: Was?!) Alle, die sich mathematisch ein bisschen etwas angeeignet haben, wissen das. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Die Ansparung erfolgt mit einer modera­ten Rücklage von gleichbleibenden 90 Cent pro Quadratmeter Nutzfläche über mehrere Jahre. Eine Mindestrücklage ist notwendig, um für die vom Herrn Diplom-Ingenieur ange­sprochenen Baumaßnahmen, die für Sanierungsmaßnahmen, für das Klimafitmachen


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einzuleiten sind, vorzusorgen. Jeder, der schon mit Renovierungen zu tun hatte, damit es nicht reinzieht wie in ein Vogelhaus, weiß, dass es notwendig ist, thermische Maß­nahmen zu setzen, die natürlich einiges kosten. Wenn es nicht die entsprechende Vor­sorge gibt, ist das schwierig. Wenn diese Maßnahmen, Maßnahmen, um klimafit zu wer­den, umgesetzt sind, werden nämlich verständlicherweise auch die Betriebskosten nied­riger.

Mir als Seniorenvertreter ist es auch sehr wichtig, dass wir vor allem für die älteren Woh­nungseigentümer ein Schutzschild gegen die Altersarmut schaffen. (Ruf bei der SPÖ: Na dann tuts das aber auch wirklich!) – Mit Ihrer Zustimmung auf alle Fälle!

Die schleichende Altersdiskriminierung - - (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Sie lachen über gute Maßnahmen, aber so ist es halt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Ruf bei der SPÖ: Wir lachen über Ihre Rede, Herr Kollege, nicht über die Maßnahmen!) Wenn man gewisse Dinge nicht gleich kapiert, dann muss man halt nachdenken. (Zwi­schenruf des Bundesrates Spanring.) – Betreffend Kreditvergabe ist auch die Altersdis­kriminierung ein wesentlicher Punkt, über den Sie eigentlich nie gerne reden wollen, weil Ihnen das ziemlich gleich ist, und da geht es auch um die Kreditvergabe an Pensionis­tinnen und Pensionisten durch Banken. Man darf die Erneuerung von Sanitäranlagen oder auch sonstige wichtige, die Lebensqualität verbessernde Maßnahmen im Zusam­menhang mit diesem neuen Wohnungseigentumsgesetz nicht aus den Augen verlieren.

Geschätzte Damen und Herren! Das Eigentum ist für viele Österreicherinnen und Öster­reicher wie die Arbeit eine Sinnerfüllung, ein Motivationsfaktor und auch eine Vorsorge für das Alter, das zu erreichen ich Ihnen allen wünsche. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

14.41


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Leinfellner. – Ich bitte um die Ausführungen.


14.41.36

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ich möchte die Debatte nicht mehr viel weiter in die Länge ziehen. (Rufe bei der SPÖ: Danke!) Im Großen und Ganzen überwiegt bei dieser Änderung ja wirklich das Positive – auch wenn es nicht immer leicht ist, das gleich auf den ersten Blick zu sehen.

Ich möchte den Weihnachtsfrieden hier nicht stören und deswegen äußere ich nicht einen Wunsch an das Christkind, sondern einen Wunsch an diese Bundesregierung – vielleicht hört man auch einmal auf die Opposition, in diesem Fall hätte es noch weitere Verbesserungen gegeben –: Auch Klimaanlagen, Rollläden und solche Dinge würden etwas zur Verbesserung der Situation und zum Wohlbefinden der Bürger beitragen, und das hat man in diesem Gesetz schlicht und ergreifend vergessen. Man kann es ja auch noch ändern und evaluieren. Wir sind zuversichtlich, dass dieses Werk einmal fertig werden könnte und dann auch eine Erleichterung für den Einbau von Klimaanlagen drin­stehen wird.

Im Großen und Ganzen können wir sagen: Ja, wir werden diesem Gesetz zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

14.42


Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.42.55

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, der Klima­wandel muss mit allen Mitteln und auf allen Ebenen bekämpft werden. Ein ganz wichtiger


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Faktor dabei ist natürlich der Verkehrsbereich. Wir müssen es schaffen, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen, und Elektromobilität stellt dabei im Verkehrsbereich eine ganz wesentliche Säule dar. Dieser Umstieg auf Elektrofahrzeuge ist aber nur möglich, wenn wir über eine ausreichende Infrastruktur verfügen – und für diese Infrastruktur braucht es auch gewisse Voraussetzungen.

Mit dieser Regierungsvorlage wird ein entscheidender Schritt gesetzt, sodass im privaten Wohnbereich eine zukunftsfitte Ladungsinfrastruktur geschaffen wird. Die Errichtung von Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge in Wohnungseigentumsgebäuden wird nun er­leichtert. Daneben sollen ganz allgemein die wohnungseigentumsrechtlichen Vorausset­zungen für klimarelevante Verbesserungen optimiert werden. Außerdem wollen wir mit dieser Novelle im Wohnungseigentumsrecht auch Forderungen umsetzen, die schon seit Jahren gestellt werden: nämlich eine Erleichterung der Willensbildung generell und eine verpflichtende Mindestdotierung der Rücklage, damit zukunftsfitte Sanierungen von Häusern leichter möglich werden.

Viele der bestehenden Hürden wollen wir beseitigen. Zum einen gibt es die Hürde, dass es heute, gerade wenn man um Zustimmung ansucht, sehr oft schwierig ist, an Adressen zu kommen oder Kontakt zu anderen Wohnungseigentümern herzustellen. Nun werden Verwalter quasi verpflichtet, die echten Wohnadressen der Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.

Außerdem gibt es auch eine sogenannte Zustimmungsfiktion: Wenn einer Maßnahme nicht innerhalb von zwei Monaten zugestimmt beziehungsweise schriftlich widerspro­chen wird, wird in diesem Zusammenhang eine Zustimmung angenommen. Das betrifft aber nicht nur Ladestationen, das betrifft auch Installationen von Solaranlagen, Beschat­tungen, aber zum Beispiel auch den Einbau von einbruchssicheren Türen, das ist doch gerade im städtischen Bereich wichtig. Die Herstellung von Barrierefreiheit im Woh­nungseigentum wollen wir mit dieser Zustimmungsfiktion ebenso erleichtern.

Darüber hinaus – und das möchte ich schon noch allgemeiner ausführen, weil das, glau­be ich, ein ganz wichtiger Schritt ist, wenn es um die Erleichterung der Beschlussfassung im Allgemeinen geht – war es bisher so, dass die Hälfte aller Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen zustimmen musste, damit ein Beschluss überhaupt zustan­de kommen konnte. Was sich künftig ändern soll, ist, dass wir auf die Mehrheit der ab­gegebenen Stimmen abzielen. Bisher war es so, dass man, wenn eine Versammlung einberufen wurde und nicht alle kamen, aber vielleicht sehr viele zustimmten, trotzdem keinen Beschluss fassen konnte, und das wollen wir nun ändern.

Nun ist es nämlich so, dass es für eine positive Beschlussfassung ausreichend ist, wenn zwei Drittel der abgegebenen Stimmen sich für den Beschluss aussprechen. Es besteht trotzdem noch eine flankierende Maßnahme, damit nicht eine ganz kleine Minderheit der sehr aktiven Miteigentümer alles verändern kann. Die flankierende Maßnahme ist, dass insgesamt ein Drittel der Miteigentumsanteile diesen Beschluss mittragen soll.

Ich glaube, dass das eine sehr große Erleichterung im Wohnungseigentumsrecht be­deutet und dass das ein guter Schritt in die richtige Richtung ist. Ja, ich weiß, dass es wahnsinnig schwierig ist, im Wohnungseigentumsrecht Reformen voranzutreiben. Des­wegen bin ich froh, dass wir einen ersten Schritt gesetzt haben, und es gibt noch ganz viel, was wir uns im Regierungsprogramm vorgenommen haben und auch umsetzen wollen. Das ist aber ein wichtiger Schritt – auch um ein klimafittes Wohnen zu ermögli­chen und entsprechende Maßnahmen dafür vorzusehen –, und da bitte ich um Ihre Zu­stimmung und hoffe, Sie erheben keinen Einspruch. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.47


14.47.43

Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesminister, für die Stellungnahme.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 95

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.48.1413. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird (2083/A und 1217 d.B. sowie 10826/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


14.48.33

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Na­tionalrates vom 16. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird.

Die im Zuge des 12. COVID-19-Gesetzes im AMA-Gesetz geschaffene Möglichkeit, die Sitzungen des Verwaltungsrats und des Kontrollausschusses auch ohne physische An­wesenheit der Mitglieder durchzuführen, hat sich in der Praxis bewährt.

Die Durchführung virtueller Versammlungen soll daher über das Jahr 2021 hinaus unbe­fristet möglich sein.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben. – Danke.


14.49.28

Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Mir liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.50.0414. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozial­versicherungsgesetz geändert werden (2069/A und 1224 d.B. sowie 10855/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert wird (1225 d.B. sowie 10856/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 96

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armutsfol­gen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird (1231 d.B. sowie 10794/BR d.B. und 10857/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (2067/A und 1235 d.B. sowie 10858/BR d.B.)


Präsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 14 bis 17, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 14 bis 17 ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um die Berichte.


14.51.01

Berichterstatter Andreas Lackner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungs­gesetz geändert werden, bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armuts­folgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Abschließend darf ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 97

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die umfangreiche Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.


14.53.43

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir bearbeiten also bei diesem Tagesordnungspunkt vier verschiedene Mate­rien, und meine Fraktion, die sozialdemokratische Fraktion, wird – bis auf einen Punkt – diesen Lösungsvorschlägen zustimmen.

Nicht einverstanden sind wir damit – vielleicht fangen wir gleich mit dem an, womit wir nicht einverstanden sind –, dass es bei der Gewerblichen Sozialversicherung und bei der Bauern-Sozialversicherung nun unterschiedliche Vorgehensweisen, was die Abferti­gung von Betriebsrenten betrifft, geben wird. Warum braucht es, kurz gesagt, bei den einen das Parlament, und bei den anderen reicht das Ministerium? – Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Da hätten wir gerne gehabt, dass das in einem Gesetz geregelt wird, und darum werden wir diesem Punkt leider nicht zustimmen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Was für uns aber in Ordnung geht, ist das Nachtschwerarbeitsgesetz. Da beschließen wir im Wesentlichen eine Sistierung des aktuellen Beitragssatzes für das kommende Jahr, für 2022. Das bedeutet auch, dass der Bund für diesen Einnahmenentfall einsprin­gen muss, aber das ist angesichts der Situation nachvollziehbar.

Auch mit dem Bundespflegegeldgesetz sind wir einverstanden. Da geht es um eine Ver­längerung des Anspruchs von Bediensteten des Bundes, aber auch der Länder und der Gemeinden – eben um einen Anspruch auf Pflegekarenzgeld –, bis ein neues Finanz­ausgleichsgesetz kundgemacht wird. Auch das finden wir sinnvoll.

Wofür wir jedenfalls sind – das ist jetzt diese vierte Gesetzesmaterie –, sind selbstver­ständlich alle Anstrengungen, die Sie, Herr Minister, zur Bekämpfung pandemiebeding­ter Armutsfolgen vorschlagen. Wir begrüßen sehr, dass es in diesem Bereich nun mehr Mittel geben soll. Ich habe es auch gestern schon in meiner Rede angesprochen: Wenn aktuell jedes fünfte Kind in Österreich – und damit natürlich auch immer die ganze Familie – von Armut betroffen ist, dann ist das sehr besorgniserregend. Wir teilen diese Sorge, die Sie offensichtlich auch haben. Auch angesichts steigender Energiepreise, der steigenden Inflation, die wir mit Sorge beobachten, sind alle Maßnahmen, die in diesem Bereich gesetzt werden, dringend notwendig.

Wir erkennen diese Bemühungen an – auch, dass Sie die EU-Kindergarantie aufgreifen und da auch einen Koordinator, Dr. Klaus Vavrik, eingesetzt haben, der mir gut bekannt ist und dem wir volles Vertrauen aussprechen, weil er die Zielgruppe – diese Kinder, die es besonders schwer haben – und auch die Familien, die große Sorgen haben, beson­ders gut kennt. Schön, dass er bereits in der letzten Woche mit Stakeholdern in Kontakt getreten ist, die den Bereich der Bildung abdecken, den Bereich der Gesundheitsversor­gung abdecken, weil Armut in verschiedenste Lebensbereiche hineinspielt! Wir begrü­ßen, dass er da einen breiten Prozess aufsetzt. Das Ziel, noch im Frühjahr einen natio­nalen Aktionsplan vorzulegen, ist ambitioniert, aber die Zeit drängt. Wir haben seit Mona­ten gefordert, dass in diesem Bereich etwas weitergeht, und darum finden wir das gut.

Was uns aber, Herr Minister, zusätzlich wichtig wäre anzumerken: Wir honorieren, dass es jetzt Budgetmittel gibt, um schnell mit Projekten und Maßnahmen gegenzusteuern


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 98

und auf diese Armut zu reagieren. Uns ist nur wichtig, dass es nicht bei Einmalzahlun­gen, einzelnen Projekten, einzelnen Maßnahmen bleibt, sondern – das ist uns wichtig –, dass es um die Entwicklung nachhaltiger Konzepte zur Armutsbekämpfung und Armuts­vermeidung geht. Es ist durchaus auch unsere Bitte an Sie, über die Einführung einer Kindergrundsicherung nachzudenken, wie sie ja die Volkshilfe in Österreich vorschlägt, wie sie auch die neue deutsche Bundesregierung in ihrem Programm bereits stehen hat. Wir fänden wichtig, dass es nachhaltige Lösungen gibt, damit diese Spirale, diese Ar­mutsvererbung, die uns ja gut bekannt ist, endlich durchbrochen wird, um Kinder tatsäch­lich aus diesem Kreislauf zu holen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin mir sicher, Herr Minister, Sie kennen die Ergebnisse der Kinderkostenstudie, die Sie beauftragt haben. Endlich! Wir haben uns da seit Jahrzehnten auf Erkenntnisse aus den Sechzigerjahren berufen – eigentlich ein Wahnsinn. Was zu erwarten war und was wahrscheinlich das Familienministerium befürchtet hat: Es wird jetzt deutlich, dass die Familienleistungen nicht treffsicher sind, nicht den tatsächlichen Kosten für Kinder ent­sprechen. Diese soziale Schieflage und diese Ungerechtigkeit, welche Familien wie viel an Zuwendungen bekommen, ist jetzt sozusagen schwarz auf weiß da. Auf diesen Er­gebnissen und dieser Analyse aufbauend muss jetzt treffsicher reagiert werden und ver­sucht werden, dieser Schieflage entgegenzuwirken.

Es ist jetzt ein guter Zeitpunkt, dauerhafte Sicherungssysteme einzuführen. Auch die Überarbeitung der Mindestsicherung und vieler anderer Maßnahmen in diesem Bereich sollten jetzt einmal gut angeschaut werden. Das werden diese 10 Millionen Euro natür­lich dauerhaft nicht leisten, aber es ist ein Beginn. Wir wissen, dass diese Armut und die psychische Belastung der Familien und der Kinder Hand in Hand gehen. Wir wissen, dass Armut Stress erzeugt. Wir wissen auch aus der Gehirnforschung, Armut ist mit Schmerz gleichzusetzen, den Menschen empfinden, und das zeigt für mich so eindrück­lich, wie belastend Armut ist. In Ihrem Ressort mit Gesundheit und Sozialem passt das alles gut zusammen und sollte dort angegangen werden. (Vizepräsident Novak über­nimmt den Vorsitz.)

Herr Minister, bleiben Sie bitte an diesem Thema dran! Geben Sie armutsbetroffenen Menschen eine Perspektive und stellen Sie die Weichen für einen dauerhaften Weg aus der Armut! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.00


Vizepräsident Günther Novak: Ich darf im Plenum Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Dr. Wolfgang Mückstein, begrüßen. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP sowie der Bundesrätin Schumann.)

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Heike Eder zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.


15.01.23

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Lieber Herr Mi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream, sofern Sie noch nicht auf den Weihnachtsfilm umgeschaltet haben! Österreich ist ein Sozialstaat. Ich glaube, wir sind uns auch weitestgehend einig, dass auf allen Ebenen – Bund, Länder, aber auch Gemeinden – viele zielgerichtete und wirklich gute Maßnahmen erfolgen, so­dass Menschen Unterstützung bekommen, wenn sie sie brauchen.

In außergewöhnlichen Situationen, wie wir sie derzeit aufgrund der Coronapandemie vorfinden, gilt es, ganz besonders gezielte Maßnahmen zu setzen, um Menschen zu unterstützen, die unsere Hilfe ganz besonders notwendig haben: Kinder und Jugendliche beispielsweise, arbeitslose Menschen, Mindestpensionisten, Notstandsbeihilfebezieher, Mindestsicherungs- und Studienbeihilfebezieher, Mütter, aber auch Pflegegeldbezie­her – selbstverständlich gilt auch immer die weibliche Form. Um einen Großteil dieser Personengruppen geht es auch in diesen vier Tagesordnungspunkten, die wir unter ei­nem behandeln und verhandeln.


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Allen voran möchte ich die meines Erachtens wichtigsten zwei Gesetzesbeschlüsse her­vorheben und darauf eingehen. Zum einen zu TOP 16, COVID-19-Gesetz-Armut: Das Gesetz gibt es ja bereits länger und wir haben bisher schon über 70 Millionen Euro für armutsgefährdete Personen in unserem Land ausgeschüttet. Mit dem heutigen Be­schluss stellen wir weitere 10 Millionen Euro für Projekte im Bereich der Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut zur Verfügung. Außerdem gibt es auch Einmalzahlungen von 150 Euro pro Haushalt für Menschen, die Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Mindest­sicherung, Ausgleichszulage oder Studienbeihilfe beziehen, wobei wir jetzt nur die Ein­malzahlung für Studienbeihilfebezieher und Sozialhilfebezieher beschließen, die Zahlun­gen für die anderen Personengruppen haben wir bereits gestern beschlossen bezie­hungsweise werden wir noch heute in einem separaten Tagesordnungspunkt beschlie­ßen. Wir wollen damit die pandemiebedingte Steigerung der Lebenshaltungskosten dämpfen.

Ein weiterer Beschluss, nämlich TOP 17, betrifft eine Änderung im Bundespflegegeldge­setz, und zwar werden dort coronabedingt jeweils Fristen verlängert, die sonst mit Ende dieses Jahres auslaufen würden. Zum einen wird die Möglichkeit des Datenaustausches verlängert, um die Betreuung der pflegebedürftigen Personen bei Quarantäne speziell durch die Gemeinden sicherzustellen, und zum anderen wird die Datenübermittlung zur Information von pflegebedürftigen Personen über die Coronaschutzimpfung ebenfalls bis Ende Juni 2022 verlängert. Mit diesem Beschluss wird außerdem auch sichergestellt, dass Bedienstete des Bundes, der Länder und der Gemeinden weiterhin Pflegekarenz­geld beziehen können.

Die meisten Maßnahmen – wir haben es auch gehört –, die wir mit diesem Tagesord­nungspunkt jetzt beschließen, betreffen sozial bedürftige oder zumindest unterstüt­zungswürdige Menschen und deshalb werden wir all diesen Punkten auch zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.04


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wie­ser. Ich erteile ihr das Wort.


15.04.51

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit fast zwei Jahren beschäftigt uns jetzt die Pan­demie. Seit fast zwei Jahren wurschtelt die schwarz-grüne Bundesregierung herum und hat es wirklich mit unzähligen sinnlosen Maßnahmen geschafft, dass viele, viele Men­schen in Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit getrieben wurden. Mehr als 1,8 Millionen Men­schen haben seit März 2020 ihre Arbeit verloren oder sind eben in Kurzarbeit gelandet.

Das bedeutet natürlich massive Einkommenseinbußen und das bedeutet natürlich Sor­gen für diese Menschen. Auf der anderen Seite haben wir eine Teuerungswelle, wie sie das Land noch nie erlebt hat, Teuerungen bei Treibstoff, bei Mieten, bei Lebensmitteln, bei Heizkosten, enorme Knappheit bei Baustoffen wie Holz, Metall, Eisen. Und jetzt er­klären Sie von Schwarz-Grün mir bitte einmal: Wie sollen sich die Menschen das Leben in diesem Land noch leisten können? Auf der einen Seite haben sie weniger Geld im Börsl und auf der anderen Seite enorme Teuerungen mit einer Inflationsrate von 4,3 Pro­zent. Wie soll sich das für die Menschen in diesem Land noch ausgehen? (Beifall bei der FPÖ.)

Viele Familien sind in eine Schuldenspirale hineingeraten, mit teils wirklich existenziellen Auswirkungen. Prekär ist die Situation jetzt auch noch, da sämtliche Kreditstundungen auslaufen; diese Kosten fallen auch noch an. Damit sind gerade Kinder und Jugendliche unter Druck geraten. Sie müssen das alles hinnehmen, wie es gerade so kommt, sie haben wirklich einen beachtlichen Beitrag geleistet und haben auf vieles verzichten müs­sen: keine Freunde treffen, keine Sozialkontakte, keine Freizeitaktivitäten, kein geregelter


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Tagesablauf. Und im Homeschooling war ein Drittel der Kinder gar nicht erreichbar, weil sich die Eltern keinen Computer leisten konnten. (Beifall bei der FPÖ.)

In Österreich leben derzeit circa 300 000 armutsgefährdete Kinder. Muss es das wirklich sein? – Ich glaube nicht, dass wir in Österreich eine derart hohe Zahl an armutsgefähr­deten Kindern haben müssen. Über 20 Prozent sind suizidgefährdet und das ist echt zum Heulen. Es ist absolut zum Heulen. Wir Freiheitlichen haben vor eineinhalb Jahren schon darauf hingewiesen und eindringlich und nachdrücklich gesagt, wir müssen auf­passen, was da mit Kindern und Jugendlichen passiert, und dass wir von einer Corona­pandemie in eine psychische Pandemie schlittern werden. Diese Bundesregierung hat aber alle Warnungen schlicht und ergreifend weggewischt.

Vielen Familien geht die Kraft aus, gerade jetzt vor Weihnachten ist das ganz, ganz bitter, ganz tragisch. Viele stehen vor einer Delogierung, verlieren eventuell das Dach über dem Kopf, die Kinder werden wieder die Leidtragenden sein. Und jetzt spendiert – ganz großzügig – die Bundesregierung 10 Millionen Euro für die Bekämpfung von Kin­derarmut betreffend Versorgungssicherheit und Vermeidung von Obdachlosigkeit, 10 Millionen Euro für pandemiebedingte Armutsfolgen bei Kindern. Wir Freiheitliche wer­den das selbstverständlich unterstützen – alles, was hilft, damit Kindern und Jugendli­chen, Familien unter die Arme gegriffen wird, damit wir aus dieser Armutsspirale raus­kommen. Selbstverständlich sind wir da dabei.

Aber die Kritik – und ich kann es nicht oft genug wiederholen –, Herr Minister, werden Sie sich anhören müssen. Es ist nicht einsichtig, dass sich diese Bundesregierung auf der einen Seite 210 Millionen Euro für PR und Werbung gönnt und auf der anderen Seite Maßnahmen setzt, durch die es überhaupt so weit kommt, dass die Menschen weniger Geld haben, Betriebe gesperrt werden – Lockdown, Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit. Auf der einen Seite schaut ihr, dass die Menschen weniger Geld verdienen können und weniger Geld im Börsl haben, und auf der anderen Seite wird das Geld ungleich verteilt. Wir haben zwar von der Kollegin Eder gehört, dass schon 60 Millionen in die Hand genom­men worden sind, plus den 10 Millionen jetzt sind das 70 Millionen, und dennoch bleibt dann noch ein großer Rest, verglichen mit dem, was ihr für PR und Werbung ausgege­ben habt. – Das ist nicht notwendig. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ja auch bei den Senioren nicht besser gewesen. Die Durchschnittspensionen werden 2022 mit 1,8 Prozent erhöht, was bei einer Inflationsrate von 4,3 Prozent ja gar keine Erhöhung ist, sondern ein inflationärer Pensionsverlust. Auch die Senioren wurden da nicht gerade großzügig behandelt. Wir glauben aber, dass den Menschen jetzt sofort geholfen werden sollte, und zwar in Form von einem 1 000-Euro-Österreich-Gutschein. Daher bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „1.000 Eu­ro Österreich-Gutschein“

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, jedem österreichischem Staatsbürger Gut­scheine im Wert von insgesamt 1.000.- Euro auszustellen, die bis 31. März 2022 nur bei heimischen und in Österreich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden können.“

*****

Mit diesem Gutschein kann man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, auf der einen Seite den Betrieben, den Handelsunternehmen helfen, die ihre Pforten im Lock­down schließen mussten, und auf der anderen Seite den Menschen, die wirklich spürbar weniger Geld im Geldbörsl haben.


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Auch ich darf mir heute etwas wünschen, und ich wünsche mir, dass Sie diesem Antrag zustimmen werden. Geben Sie Ihren Herzen einen Ruck! Dieses Geld ist gut aufgeho­ben, weil es letztendlich dennoch wieder in der Wirtschaft landen wird, wo es hingehört. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.10


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Marlies Steiner-Wieser, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „1.000 Euro Ös­terreich-Gutschein“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm das Wort.


15.11.01

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Die Novellierung des Gewerblichen Sozialversiche­rungsgesetzes und des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes begrüßen wir Grüne, wer­den dadurch doch bürokratische Zugangshürden zum Wochengeld für Selbstständige und Bäuerinnen beseitigt. Zum Beispiel gibt es die Möglichkeit, die Berechtigung eines Anspruchs auf vorzeitiges Wochengeld nicht nur von AmtsärztInnen, sondern eben auch von FachärztInnen feststellen zu lassen.

Außerdem wird die Auszahlung des Wochengelds, und das ist nicht unwichtig, für Selbst­ständige und Bäuerinnen deutlich verbessert. Bisher wurde es in einem Betrag am Ende des Anspruchszeitraums ausbezahlt, was für viele Frauen vor allem im Bereich der Ein­personenunternehmen oft eine schwierige Situation mit sich brachte, und jetzt wird es eben in drei Tranchen ausbezahlt.

Nun zum Covid-Armutsgesetz: Über eineinhalb Millionen Menschen sind in Österreich von Armut betroffen oder armutsgefährdet. Die Coronakrise trifft jene, die es nicht so leicht haben, überproportional stärker. Daher hat diese Regierung im Sozialbereich bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um da vor allem für die Einkommens­schwächeren gegenzusteuern, zuletzt etwa durch das Vorziehen der Steuerreform um eineinhalb Jahre. Mit dem Sozialversicherungsbonus, der jetzt kommen wird, werden Pensionistinnen und Pensionisten und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit klei­nem Einkommen über bis zu 250 Euro zusätzlich verfügen.

Weiters wird der Klimabonus 2022 für das ganze Jahr ausbezahlt, obwohl die CO2-Bepreisung erst in der zweiten Jahreshälfte einsetzt. Ebenso wird der Ökostrombeitrag 2022 ausgesetzt. Die aktuellen Teuerungsraten erfordern aber eben auch noch zusätzli­che ausgleichende Maßnahmen. Daher gibt es jetzt ein umfassendes Paket, das mehre­re Personengruppen betrifft: arbeitslose Menschen, Menschen, die soziale Förderungen oder Mindestsicherung erhalten, Pensionistinnen und Pensionisten, die Ausgleichszula­ge bekommen, sowie Studierende, die Studienbeihilfe erhalten. Alle diese Menschen erhalten nun einen Teuerungsausgleich von 150 Euro.

In der Hauptsache geht es bei der Teuerung um höhere Energiekosten, insbesondere um höhere Heizkosten. Vor allem bei fossilen Energieträgern sind die Preise stark ge­stiegen. So wichtig da kurzfristige Hilfen auch sind, mittel- und langfristig wird der Aus­stieg aus Öl, Kohle und Gas helfen, speziell wenn es um Wärmeenergie geht. Nur der Ausstieg wird helfen. Das ist nicht nur eine klimapolitische Frage, sondern das ist eben auch eine soziale Frage. Daher haben die Initiativen des Klimaministeriums, in den nächsten Jahren viele Hundert Millionen Euro für Heizkesseltausch, thermische Sanie­rung und Althaussanierung in die Hand zu nehmen, auch eine starke soziale Kompo­nente.

Meine Damen und Herren, der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht. Nun sind die Länder aufgefordert, nachzuziehen. Für den Heizkostenzuschuss sind ja bekanntlich die


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Bundesländer zuständig, und wenn man sich die anschaut, so gibt es da ziemliche Un­terschiede: Im schwarz-grünen Tirol werden 250 Euro gewährt, im roten Burgenland 165 Euro und im schwarz-blauen Oberösterreich gar nur 152 Euro. Dazu kommt noch, dass alle Bundesländer Energieversorgungsunternehmen teilweise zu bis zu 100 Pro­zent im Eigentum haben. Da ergäbe sich doch die Möglichkeit, sozial Schwächeren gute Energiepreise anzubieten, oder es könnten auch die nicht unbeträchtlichen Gewinne, die da gemacht werden, zumindest teilweise dazu verwendet werden, die Heizkostenzu­schüsse zu erhöhen.

Abschließend möchte ich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich begrüßen, dass wei­tere 10 Millionen Euro in die Hand genommen werden, um Projekte im Bereich der Be­kämpfung von Wohnungslosigkeit oder der Kinderarmut besser zu unterstützen. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.15


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend hat sich Herr Bundesminister Dr. Wolf­gang Mückstein zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


15.15.44

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Dr. Wolfgang Mückstein
: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte und Bundesrätinnen! Über 1,5 Millionen Menschen in Österreich sind von Armut betroffen, und als Bundesregierung ist es unser Ziel, diesen Zustand zu än­dern, die Zahl der Armutsbetroffenen in Österreich zu halbieren. Dazu sind verschiedene Maßnahmen von verschiedenen Ressorts erforderlich.

Da die Kinderkostenstudie heute hier bereits erwähnt worden ist, möchte ich kurz da­rüber sprechen. Mein Ressort hat bei der Statistik Austria zwei Studien beauftragt. Die beiden Studien beschreiben, was ein Kind kostet und was für Familientransferleistungen es gibt, also was vonseiten des Staats für ein Kind gezahlt wird. Wir sehen jedenfalls, dass sich die Kinderkosten stark unterscheiden, je nachdem, ob es sich um Ein- oder Zweipersonenhaushalte handelt und ob das Kind unter oder über 14 ist. Jeder weiß das: Kinder über 14 sind teurer.

Es ist schon verblüffend, wie viel Kinder in welcher Konstellation kosten. In Zweierwach­senenhaushalten betragen die Kosten für ein Kind im Durchschnitt 494 Euro. Dem ste­hen monetäre Familienleistungen, also Leistungen, die die Familie bekommt, von 328 Euro gegenüber. Das heißt, wir haben da eine Lücke von 166 Euro. Die mittleren Kosten pro Kind in einem Einerwachsenenhaushalt liegen bei 900 Euro. Und was be­kommt die Familie? – 406 Euro. Das heißt, wir haben da eine Differenz von 500 Euro.

Splittet man das jetzt noch nach dem Alter auf, dann sieht man, dass in einem Einer­wachsenenhaushalt die – in der Regel – alleinerziehende Mutter mit Kindern unter 14 Jahren Kosten von 727 Euro hat. Sie bekommt 333 Euro. Das heißt, ihr fehlen grob 400 Euro. Wenn das Kind aber über 14 ist, dann betragen die Kosten für das Kind stolze 1 384 Euro, und sie bekommt 355 Euro. Das heißt, da beträgt der Unterschied oder die Summe, die fehlt, über 1 000 Euro für eine alleinerziehende Mutter, die in der Regel noch Kinderbetreuungsverpflichtungen hat, sich also schwertut, full-time zu arbeiten.

Genau an diesen Beispielen zeigt sich, dass es in Österreich großen Handlungsbedarf gibt, speziell auch während Corona, aber auch darüber hinaus. Die Coronakrise und die aktuellen Teuerungsraten erfordern daher rasches Handeln. Als Bundesregierung haben wir uns dafür entschieden, Menschen zu unterstützen, die sich die höheren Rechnungen gerade jetzt in Pandemiekrisenzeiten am wenigsten leisten können. Daher wird es ein umfassendes Paket mit einem Teuerungsausgleich von 150 Euro für mehrere Personen­gruppen geben. Das sind zum einen arbeitslose Menschen, das sind Menschen, die auf


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Sozialhilfe oder auf Mindestsicherung angewiesen sind, das sind PensionistInnen, die so wenig Pension bekommen, dass sie eine Ausgleichszulage erhalten, und das sind Studierende, die Studienbeihilfe bekommen oder ein Mobilitätsstipendium erhalten.

Ich glaube, das ist ein wesentlicher Schritt, um die coronabedingten Mehrkosten, die Teuerung auszugleichen. Darüber hinaus wollen wir im Sozialministerium auch noch weitere vulnerable Personengruppen unterstützen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.19


15.20.04

Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsge­setz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pande­miebedingter Armutsfolgen geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „1.000 Euro Österreich-Gutschein“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.22.4418. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Be­kämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundes­vermögen erteilt werden, geändert wird (2091/A und 1267 d.B. sowie 10817/BR d.B.)


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19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz und das Sanitätergesetz geändert werden (2064/A und 1268 d.B. sowie 10795/BR d.B. und 10818/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (2065/A und 1269 d.B. sowie 10819/BR d.B.)

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1969/A und 1270 d.B. sowie 10796/BR d.B. und 10820/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­versicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (2061/A und 1271 d.B. sowie 10797/BR d.B. und 10821/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 18 bis 22, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 18 bis 22 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


15.24.10

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz und das Sanitätergesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Weiters berichte ich über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maß­nahmengesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Günther Novak: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile ihm dieses.


15.26.38

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hau­se! Ich werde jetzt das Tempo etwas entschleunigen, nachdem die Kollegin aus zeitöko­nomischen Gründen dankenswerterweise so schnell vorgetragen hat. Ich bitte aber zu verzeihen, dass ich das jetzt etwas ruhiger angehe. Auch im Zeichen der bevorstehen­den Weihnachtszeit werde ich meine Rede heute entsprechend etwas entschleunigter bringen.

Auch die Tagesordnungspunkte 18 bis 22 stehen ganz im Zeichen der Covid-Pandemie. Eingangs möchte ich festhalten, dass wir den Tagesordnungspunkten 18, 19, 20 und 22 unsere Zustimmung erteilen werden. Betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Epide­miegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, werden wir nicht zustimmen.

Eigentlich entsteht derzeit der Eindruck, dass wir Gefahr laufen, mit Volldampf in den nächsten Lockdown zu fahren. Der Trend der Zahlen geht zwar erfreulicherweise nach unten, doch warnt bereits heute eine Anzahl von Experten vor einer bevorstehenden Omikronwelle in wenigen Wochen. Bei Eintreffen dieser vorhergesagten extremen Omi­kronwelle droht Österreich ein Versorgungsengpass, verursacht von vielen Kranken­ständen und einem erneuten Anstieg der Zahl von Patienten in den Kliniken. Es ist gut,


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dass nunmehr ein Expertengremium eingesetzt wurde. Unsere Vorsitzende und Fachex­pertin hat ein solches Gremium bereits vor einem Jahr eingefordert – schön, dass es dieses nun gibt.

Für die Experten stellt sich jetzt eigentlich nicht die Frage, ob die fünfte Welle kommt, sondern wann sie kommt. Es ist erfreulich, dass die heutigen Beschlüsse des Exper­tengremiums auch wirklich umgesetzt werden, denn bis dato waren wir uns da nicht so sicher, wenn wir die Regelungen für Weihnachten und Silvester näher betrachtet haben. Es gibt da aber eine neue, aktuelle Entwicklung, und ab 27.12. kommt auch mit der Sperrstundenänderung auf 22 Uhr Bewegung in diese Sache. Ich bin mir sicher, dass der Herr Bundesminister den Bundesrat noch im Rahmen dieses Tagesordnungspunk­tes davon in Kenntnis setzen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines muss klar sein: Pandemiemanagement und Parteipolitik sollen möglichst wenig miteinander zu tun haben.

Eine Vielzahl europäischer Länder gehen einen viel härteren Weg im Umgang mit der bevorstehenden fünften Welle. Dänemark und England haben die höchsten Inzidenzen und sind derzeit so etwas wie Versuchskaninchen für den Rest der Welt. Die Niederlande stehen still, Deutschland reagiert ähnlich und spricht von einer schönen Bescherung zu Weihnachten.

Teneriffa, Mallorca werden laut heutigen Pressemeldungen von einem Omikrontsunami überrollt, und dies ist sicher nicht der unkontrollierten Einreise der Gäste aus Großbritan­nien geschuldet. An dieser Stelle liebe Grüße nach Tirol. (Beifall bei der SPÖ.)

Stündlich kommen die Meldungen aus ganz Europa über das lawinenartige Aufpoppen der Omikronvariante und massiver Erkrankungszahlen. Für den Krisenstab Gecko ste­hen nun die Testungen, Impfungen und Medikamente im Mittelpunkt.

Dies sollte die gute Botschaft sein: Laut Gesundheitsausschuss sollen Medikamente schon im großen Stil bestellt worden sein und bereits mit Jahresende geliefert werden. Dazu aber die schlechte Nachricht: Die Medikamente ersetzen nicht die Impfung, und sie sind auch nicht für die niedergelassenen Ärzte, für die Medikation zugänglich. Sie können aber – um das Medikament nicht schlechtzureden – bei rascher Verabreichung Risikopatienten vor lebensgefährlichen Reaktionen schützen.

Eines muss uns klar sein: Die Dynamik der Pandemie mit der Delta- oder jetzt mit der Omikronvariante bei einer noch immer zu niedrigen Impfquote lässt im Ergebnis keine andere Wahl zu, als sich mit einer Impfpflicht auseinanderzusetzen. Der mit der geplan­ten Impfpflicht vorgesehene Grundrechtseingriff ist nicht nur verfassungsrechtlich ver­tretbar, sondern auch unter medizinisch-ethischen Gesichtspunkten verhältnismäßig, denn der Staat hat die Aufgabe, für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu sor­gen. Die Grenzen der persönlichen Freiheit sind erreicht, wo das persönliche Verhalten andere in Gefahr bringt. Es stimmt: „Eine Pandemie ist keine Privatsache“, wie die Bio­ethikkommission richtig festgestellt hat.

Eines muss aber auch klar sein: dass die Impfung allein die Pandemie nicht beenden wird. Eine fünfte Pandemiewelle mit der Omikronvariante könnte schneller eintreten, als wir alle es erwarten, und es könnte die schwerste werden, wenn wir den Experten Glau­ben schenken dürfen. Diese raten zu einer vielfältigen Anzahl an Maßnahmen, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen.

Herr Bundesminister, wie haben Sie in einer PK festgestellt? – „Wir wissen schon vieles, aber noch nicht genug“. – Es ist so, dass Omikron all das bestehende Wissen zu Impf­schutz und Ansteckungsrisiko massiv infrage stellt. Daher ist schon zu hinterfragen, ob die für Feber in Diskussion stehende Impfpflicht wirklich zu diesem Zeitpunkt realisierbar sein wird und ob sie sinnvoll erscheint, hat doch von der Leyen zig Millionen Impfdosen


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für die EU bestellt, die auch bereits an Omikron angepasst werden sollen, jedoch mit einem Liefertermin nicht vor März. Wir hoffen, es kommt nicht wieder zu so einer Wurschtlerei wie beim grünen Pass, als Österreich diesen schon voreilig eingeführt hatte und schlussendlich doch wieder hintennach war. Vielleicht würde da eine Abstimmung mit der EU doch mehr Sinn machen.

Damit verbunden muss auch die Umsetzbarkeit durchdacht sein. Derzeit herrscht der Eindruck der Planlosigkeit vor. Die Hoffnung auf einen Irrtum der Experten reicht für eine sinnvolle Vorbereitung nicht aus. Spätestens die bevorstehende fünfte Welle soll Anlass geben, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Wir müssen uns für den Notfall vorbereiten. Die bevorstehende Welle gefährdet die Infrastruktur.

Diese Krise ist längst nicht mehr allein als eine medizinische Gefahr zu behandeln, nein, sie hat bereits alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens befallen. Das heißt, wir müs­sen das Ganze viel breiter betrachten und uns die Frage stellen: Was macht diese Pan­demie mit der Gesellschaft?

Der vierte Lockdown hat uns 5,1 Milliarden Euro gekostet. Mit der aktuellen Schließung erhöhen sich die Pandemiekosten laut Fiskalrat auf 63,8 Milliarden Euro, und diese wer­den noch bezahlt werden müssen. Die Zwischenzeit sollte dazu genützt werden, alles zu unternehmen, um aufzuklären und die Bevölkerung zu informieren.

Wie bereits gesagt plant diese Regierung, eine allgemeine Impfpflicht gegen den Coro­navirus einzuführen, aber diese Impfpflicht kann nur ein Teil einer viel breiter anzule­genden Strategie zur Bewältigung der Pandemie und zur Anhebung der Impfquote sein. Man muss die Menschen ernst nehmen. Man muss sie über die Fakten zur Corona­impfung informieren, Ängste beseitigen und innovative Impfanreize setzen. Der Fokus, ausschließlich auf Strafen zu setzen, ist zu einseitig. Es braucht jetzt sofort eine breit angelegte, niederschwellige Impfoffensive, welche die Menschen vor Ort abholt, ihre Fragen beantwortet, ihre Ängste beseitigt und zur Impfung motiviert. Daher möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „eine breit angeleg­te, niederschwellige Aufklärungs- und Informationsoffensive zur Corona-Schutzimpfung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sofort eine umfassende Aufklärungs- und Infor­mationsoffensive über die Corona-Schutzimpfung zu starten, die der österreichischen Bevölkerung niederschwellig und vor Ort die Möglichkeit bietet, sich über die Impfung zu informieren, ihre Fragen beantwortet zu bekommen, ihren Ängsten Ausdruck zu verlei­hen und sie darüber hinaus zur Impfung zu motivieren."

*****

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schwarz-Fuchs.)

15.35


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „eine breit angelegte, nieder­schwellige Aufklärungs- und Informationsoffensive zur Corona-Schutzimpfung“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile ihr das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 108

15.36.20

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Am vergangenen Wochenende durfte ich ein weiteres Mal Dienst in der in Seewalchen vor Ort organisierten Impfstraße tun. Das mache ich dort wirklich gerne, weil wir, vier Parteien, uns dort einig sind, dass wir nur gemeinsam durch diese Pande­mie kommen. Wir helfen in Seewalchen in Sachen Corona wirklich – ich muss es so sagen – vorbildlich zusammen.

1 049 Impfungen konnten wir so bei den letzten drei Impfaktionen in einer Gemeinde, die selbst nur 5 600 EinwohnerInnen hat, verabreichen. Es sind auch immer wieder Men­schen dabei, die zur ersten Impfung kommen. Diesen Menschen zolle ich wirklich großen Respekt, denn ich kann sehr wohl sehen, dass sie Bedenken in sich tragen, was die Impfung betrifft, und dass sie Sorgen haben.

Wir machen das bei uns in Seewalchen so, dass wir vor Ort sehr gerne auf die offenen Fragen, die die Menschen zur Impfung haben, eingehen und uns auch Zeit dafür nehmen und die Fragen beantworten, weil die Menschen verunsichert sind. Ich denke, wenn wir die Menschen einmal so weit haben, dass sie sich zu einem Arzt begeben, dann ist es auch gut möglich, die Bedenken auszuräumen. Also alle Menschen, die uns dort mit Sorgen vor der ersten Impfung erreicht haben, haben sich hinterher impfen lassen. Das finde ich gut, richtig und wichtig. Genau diese Funktion kann eben auch ein Brief, der versendet wird und in dem ein Impftermin vorgeschlagen wird, erfüllen. Ich möchte das noch einmal ganz nachdrücklich an dieser Stelle sagen. Die Impfung wird am Schluss dieses heimtückische Virus nämlich ausrotten müssen.

Die neueste Mutation und die rasche Verbreitung derselben zeigen uns, dass wir unsere Kräfte tatsächlich bündeln müssen und uns auch immer wieder auf die neuen Gegeben­heiten einstellen müssen. In diesem Sinne beschließen wir weitere wichtige, notwendige Maßnahmen, auf die ich jetzt ein bisschen eingehen möchte.

Nach nun tatsächlich schon 21 Monaten Pandemie wird es bald so sein, dass wir neben der Impfung auch über Medikamente verfügen, die kurz nach der Infektion mit Corona eingesetzt werden müssen und die die Infektion abmildern werden. Kollege Appé hat es aber schon gesagt: Diese Medikamente werden die Impfung schlussendlich nicht er­setzen.

Mit dem heutigen Beschluss geben wir der Regierung eben die Möglichkeit, diese Arz­neimittel auch zu beschaffen. An den genauen Modalitäten, wie diese Arzneimittel, diese Medikamente, zu den PatientInnen, zu den infizierten Menschen kommen, wird gerade sehr intensiv gearbeitet. Wahrscheinlich wird es in die Richtung gehen, dass dazu eigene Abgabestellen eingerichtet werden.

Wir haben im Gesundheitsausschuss von sogenannten Therapieboxen gehört. Es ist auch wieder der Begriff Barackenspitäler gefallen. Ich finde, das ist ein so altertümlicher Begriff, also Therapieboxen gefällt mir da schon wesentlich besser. Warum braucht es die? – Es gibt zwei Arten dieser Medikamente. Die eine Form wird intravenös verab­reicht, und da wird es auch notwendig sein, dass die Menschen nach dieser Infusion noch eine Zeit lang dort verweilen. Das kann eben nicht von niedergelassenen Ärzten angeboten werden.

Die andere Form der Medikamentengabe wird in oraler Form möglich sein, und auch da wird eine Möglichkeit gefunden werden, wie diese Medikamente zum richtigen Zeitpunkt zu den Infizierten kommen. Das alles wird – wir sind ja hier im Bundesrat – gemeinsam mit den Bundesländern geschehen müssen, und ich hoffe, dass das auch gut funktio­nieren wird.


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Wir verlängern auch die Substitutions-Dauerverschreibung, die durch substituierende Ärzte mit dem Vermerk „Vidierung nicht notwendig“ erfolgen kann.

Auch das Testen ist ein wesentlicher Bestandteil der Pandemiebekämpfung: Die Mög­lichkeit zur Durchführung von Covid-19-Tests bei asymptomatischen Personen durch Apotheken und niedergelassene Vertragsärzte wird angepasst.

Es gibt auch noch weitere Änderungen, aber zu denen werden dann die Kollegen Korn­häusl und Preineder noch ein bisschen etwas sagen, damit wir uns heute nicht so oft wiederholen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuseherinnen und Zuseher! Weihnachten naht, und es ist tatsächlich mein größter Wunsch, dass wir im kommenden Jahr nicht nur von stetiger Kritik beseelt sind, sondern wirklich alle zusammenhalten und zusammenhelfen, dass wir uns nicht ständig selber beschädigen, sondern stattdessen dem Virus den Gar­aus machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.41


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mar­kus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.


15.41.52

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Bundesmi­nister Mückstein! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ja, ich würde mir auch wünschen, dass wir uns nicht selbst beschädigen, dass Sie sich nicht selbst beschädigen – viel mehr würde ich mir aber wünschen, dass diese Bundesregierung unser Land und unsere Österreicher nicht weiterhin beschädigt! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir beschäftigen uns ja auch heute wieder mit einem ganzen Sammelsurium an Ge­setzentwürfen, die auch einige Dinge enthalten, die gut sind: die Beschaffung von Medi­kamenten zum Beispiel. Dass wir es nicht begrüßen, dass Medikamente dann in weiterer Folge ins Ausland verschenkt werden, das erklärt sich von selbst, meine ich. Noch viel weniger begrüßen wir in diesem Zusammenhang aber, dass diese Medikamente erst im Krankenhaus eingesetzt werden. Das sind nämlich Medikamente, die eigentlich frühzei­tig eingesetzt werden müssten und dann vor einem Krankenhausaufenthalt schützen würden. Die wären also eigentlich im niedergelassenen Bereich am richtigen Platz – im Spital sind sie meiner Meinung nach nicht richtig angesiedelt.

Die Kompetenzerweiterung für nicht medizinisches Personal darf man auch etwas kri­tisch betrachten. In Anbetracht der Tatsache, dass wir dieses Personal aber jetzt bei den Impf- und Teststraßen brauchen, wird auch das unsere Zustimmung finden, das darf jedoch kein Dauerzustand werden.

Was die Substitutions-Dauerverschreibung betrifft, Herr Bundesminister: Diese haben wir bereits in der Vergangenheit bei der ersten Verlängerung kritisiert, wir tun das auch heute bei der zweiten Verlängerung wieder. Diese Dauerverschreibung ist nicht einzu­sehen, das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine überschießende Maßnahme.

Die Mindeststrafen bei Verstößen gegen das COVID-19-Maßnahmengesetz sind mehr als überschießend. Ich sage, das ist auch eine Maßnahme, die die Emotionen in diesem Land nur noch weiter hochgehen lassen wird. Es braucht bitte Kontrollen durch die Or­gane mit Augenmaß – und nicht permanent diese Drangsalierung und Bestrafung un­serer anständigen Österreicherinnen und Österreicher! Diese Angstpolitik, die Sie seit Beginn Ihrer Regierungstätigkeit hier in diesem Land betreiben, haben unsere Österrei­cher allmählich wirklich satt.

Es gibt ein Maßnahmenchaos, ein Verordnungschaos und völlig evidenzbefreite Maß­nahmen. Heute haben wir das wieder mitbekommen: Jetzt ist auch die dritte, diese Boos­terimpfung, zu wenig – man braucht jetzt die Boosterimpfung und eine zusätzliche PCR-


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Testung! Da frage ich mich schon, Herr Bundesminister: Warum geben Sie es nicht endlich zu, dass diese Impfung nicht der Gamechanger gewesen ist, als den Sie sie immer bezeichnet haben? (Beifall bei der FPÖ.)

Geben Sie es doch zu, dass Sie damit die Pandemie nicht beenden werden! Die PCR-Testungen sind immer noch der Goldstandard und wären, sinnvoll eingesetzt – darauf komme ich auch noch zu sprechen –, eine gute Möglichkeit, die Impfung ist es jedoch nicht. Wir sind auch froh, dass es eine Impfung gibt, aber ob die jetzt des Rätsels Lösung ist, glaube ich nicht. Ich meine, die Vergangenheit hat gezeigt, dass sie das nicht ist und dass sie nicht zum gewünschten Effekt geführt hat.

Um aber nicht nur zu kritisieren: Man kann sich ja auch einmal andere Dinge anschauen, Herr Bundesminister, zum Beispiel unseren Plan B. Ich glaube, unser Plan B macht wirk­lich Sinn und wäre ein Weg aus dieser Pandemie. Bei diesem Plan B wäre auch vor­gesehen, flächendeckende Antikörpertests durchzuführen, um zu erheben, welche Leu­te einen Schutz vor einer Infektion beziehungsweise vor einer schweren Erkrankung haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist absolut unverständlich, dass wir es nach rund zwei Jahren Pandemiebekämpfung nicht geschafft haben, bei unseren Bürgern diesen Antikörperstatus zu erheben. Genau der würde nämlich auch zeigen, wie hoch die Antikörperspiegel nach den verschiedenen Impfungen sind und wie viel diese Impfung wirklich schützt – oder ob man nicht vielleicht doch besser geschützt ist und man mehr Antikörper hat, wenn man die Krankheit, im besten Fall mit einem leichten Verlauf, durchgemacht hat. Diese Antikörpertests will die Bundesregierung aber nicht. Diese Antikörperstudie wäre der erste Ansatz, um eine soli­de Datenbasis in Österreich zu schaffen.

Weiters wäre es sinnvoll, Menschen, die keine Antikörper aufweisen – ganz egal, ob sie sich haben impfen lassen oder eine Krankheit durchgemacht haben, vielleicht symptom­los –, im Falle von Symptomen mittels PCR zu testen. So könnten wir viele, viele Anste­ckungen und Verbreitungen vermeiden, aber jetzt alle Menschen in Österreich perma­nent zu testen, das ist doch sinnlos! Bitte, ich gehe seit zwei Jahren permanent in die Teststraße und bekomme jeden Tag ein negatives Ergebnis. Ich wache mit einem Ru­hepuls von 42, 43, 44 auf (Bundesrätin Schumann: Na sei froh, Herr Bundesrat ...!), und ich gehe davon aus, dass ich mit einem solchen Ruhepuls, der nicht erhöht ist, auch nicht krank bin. Ich stehe ja auch nicht jeden Tag in der Früh auf und verwende das Fieberthermometer, nur weil ich eines zu Hause habe, das wäre ja völlig sinnlos! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wenn ich merke, dass ich krank bin, dann handle ich ja bitte, dann mache ich einen Selbsttest, gehe in eine Test­straße, wie auch immer – aber man soll bitte nicht völlig gesunde Österreicher jeden Tag beweisen lassen, dass sie gesund sind, das ist nämlich völlig sinnlos, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, es gibt eine Vielzahl an Medikamenten. Keine Sorge, ich werde keine Medikamenten­empfehlung aussprechen (Ruf bei der SPÖ: Ja, kein Entwurmungsmittel mehr, bitte nicht! Bitte nicht!), aber es gibt eine Vielzahl an Medikamenten, und, Herr Bundesminis­ter, Sie wissen, dass die auch bei uns in Österreich erhältlich sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Die Ärzte hätten bitte die Möglichkeit, Personen frühzeitig mit Medi­kamenten zu behandeln und somit auch schweren Verläufen oder einem Krankenhaus­aufenthalt vorzubeugen!

Was aber geschieht bei uns in Österreich? – Bei uns in Österreich erhält jemand seinen positiven Coronatest, der bleibt dann daheim liegen, und das Einzige, das man ihm sagt: Wenn es schlechter wird, dann ruf die Rettung! Dann ruft er irgendwann die Rettung und kommt ins Spital, und wenn er im Spital ist, bleibt er so lange im Krankenzimmer liegen, bis er beatmet werden muss, damit er ein Intensivpatient wird – und dann beginnt man


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mit der Medikation! (Bundesrätin Zwazl: Na hallo! – Ruf bei der ÖVP: Na bitte! Nein, nein, nein, also das ist eine Gemeinheit!) Das ist ja ein völliger Irrsinn, wie die Pandemie­bekämpfung dieser Bundesregierung in Österreich stattfindet! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Freiheit muss an erster Stelle stehen, Freiheit und Gesundheit dürfen nicht unter Zwang gegeneinander ausgespielt werden. Diese Angst- und Panikpolitik, die die Bun­desregierung verbreitet, muss doch bitte durch Hoffnung und Zuversicht ersetzt werden, denn so, wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen! Es kann nicht so weitergehen, dass Freunde und Familien zerstritten sind, dass gesunde Leute nicht mehr vor die Tür gehen, nicht mehr einkaufen gehen dürfen, dass gesunde Leute nicht ins Gasthaus gehen dür­fen und dass gesunde Leute, bevor sie arbeiten gehen, schon beweisen müssen, dass sie keine Infektion haben. Also das ist ja ein völliger Irrsinn, und da besteht wirklich Ver­besserungsbedarf.

An dieser Stelle möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Impfpflicht, nein zur Diskriminierung Ungeimpfter und hinkünftig Ungeimpfter, ja zum Plan B!“

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

- Ein sofortiges Außerkrafttreten des Covid-Maßnahmengesetzes

- Ein ausdrückliches und bindendes Diskriminierungsverbot für Covid-19-Ungeimpfte und hinkünftig Ungeimpften in Gesellschaft, Wirtschaft, am Arbeitsplatz, an den Schulen und Universitäten, insbesondere

- Eine sofortige Aufhebung des seit 15.11.2021 geltenden Lockdowns für Covid-19-Ungeimpfte

- ein Verbot der Kürzung oder sogar Streichung von Versicherungs- und Sozialleistungen durch Arbeitsmarktservice (AMS) oder die Sozialämter für Covid-19-Ungeimpfte

- Ein Verbot der Kündigung oder Nichtanstellung von Lehrlingen und Arbeitnehmern, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen

- einen gesetzlichen Rechtsanspruch für die Bürger gegen den Bund, die Länder und Gemeinden, die Sozialversicherungsträger, das Arbeitsmarktservice, die Sozialämter und im Öffentlichen Dienst gegen Diskriminierungen im Zusammenhang mit dem Covid-19-Impfstatus

- Die Erstellung einer Vergleichsstudie zum Plan B als Alternative zur derzeitigen grund­rechtswidrigen und nicht evidenzbasierenden Coronapolitik

- Die Umsetzung des ,Plan B‘ als Alternative zur derzeitigen grundrechtswidrigen und nicht evidenzbasierenden Coronapolitik

- Die Investition von 210 Mio. Euro aus Budgetmitteln in die Intensivmedizin statt in Re­gierungs-Propaganda“

*****


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Das wäre ein Weg aus dieser Pandemie, unser Plan B macht Sinn.

Zu Ihrer Impfpropaganda, Ihrem angekündigten Impfzwang: Ich gehe davon aus, dass das heute ja schon ein Rückschritt gewesen ist, wieder ein Stück weit weg von diesem Impfzwang. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Was?) Sie merken ja auch, es gehen im­mer mehr Leute auf die Straße. Wir Freiheitlichen haben es Ihnen von Beginn an gesagt, dass dieser Impfzwang zu nichts führt. Inzwischen sehen Sie selbst, dass das zu nichts führt. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass Sie mit der heutigen Ankündigung, zu­sätzlich PCR-Tests einzuführen, auch wieder einen Schritt zur Seite oder zurück ma­chen, wie auch immer Sie das bezeichnen wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.52


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm das Wort.


15.52.44

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren, die Sie zugeschaltet sind! Markus Leinfellner, ich wundere mich oft, weil du, wenn wir zusammen stehen – auch abseits –, immer jemand bist, mit dem man eigentlich hochvernünftig reden kann. Vielleicht liegt es auch an der Verbindung von Steirer zu Steirer, aber ich glaube, nicht nur. Und wenn du draußen am Rednerpult bist, habe ich den Eindruck: Da steht ein völlig anderer Mensch. Es ist so wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde, da fallen die Klappen und auf einmal redest du etwas völlig anderes.

Ich habe jetzt nur auf die Schnelle – darum habe ich es nur auf diesen Zettel hier ge­schmiert – recherchiert, weil du wieder gegen das Impfen und gegen die Impfkampagnen und gegen alles gewettert hast: Es gibt da einen Landtagsantrag der FPÖ Tirol aus dem Jahr 2019 – das ist für Kollegen Steiner, glaube ich, auch nicht uninteressant –, nämlich einen Antrag „Zur Informationskampagne über die Folgen des Nicht-Impfens“. Da heißt es wörtlich – gezeichnet haben das die Abgeordneten Haslwanter und Ranzmaier –: „Es gilt zu bedenken, dass das Unterlassen von Impfungen nicht nur auf den Einzelnen, sondern auch auf die gesamte Gesellschaft Auswirkung hat.“ – Eingebracht von der FPÖ Tirol. (Ruf bei der SPÖ: Ja, hallo! – Bundesrat Steiner: Im Zusammenhang mit welcher Impfung?)

Ich glaube, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist schon eine gewisse Doppelbödigkeit, die da an den Tag gelegt wird. (Bundesrat Leinfellner: Um welche Impfung ist es gegangen? – Bundesrat Steiner: Ja, Mumps wahrscheinlich!)

Ich sage euch noch etwas: Wir könnten abendfüllend über neutralisierende Antikörper (Zwischenrufe bei der SPÖ), über Pufferwirkungen, über BAU/ml-Werte diskutieren. Wir könnten auch darüber diskutieren, dass heute die gesamte wissenschaftliche Welt sieht, dass Antikörpertests nicht massentauglich für Millionen sind. – Es würde nichts bringen, Sie wollen es leider nicht hören.

Ich möchte aber auf die Tagesordnungspunkte zu sprechen kommen, die wir heute beschließen wollen. Es ist schon vieles gesagt worden, Kollege Appé hat viel Richtiges und Wichtiges angesprochen, auch meine Kollegin Claudia Hauschildt-Buschberger. Du hast mir die Latte da jetzt noch einmal hochgelegt, du hast gesagt: Kollege Kornhäusl wird auf alles Weitere eingehen! Ihr habt schon alles Wesentliche gesagt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Es geht um eine Reihe notwendiger Maßnahmen in der Pandemiebekämpfung. Ich möchte vielleicht noch zwei, drei Punkte kurz herausgreifen: Ich denke dabei vor allem an eine Reihe von Verlängerungen im Bereich der Gesundheits- und MTD-Berufe. Es geht um Erleichterungen hinsichtlich der Nostrifizierung. Es geht um berufsrechtliche


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Konsequenzen für Sanitäter und Mitarbeiter im Laborbereich, vor allem im Bereich des Testens und Impfens. Das ist wichtig, wenn wir aus dieser Pandemie herauskommen wollen.

Ein weiterer Aspekt, der mir wichtig ist, sind diverse Anpassungen bei Sozialversiche­rungsgesetzen. Ich rede hier von den Beitragsbefreiungen auf Weihnachtsgutscheine, auf Essensgutscheine, und ich rede von den 150 Euro, die jetzt als Teuerungsausgleich an Personen, die Anspruch auf die Ausgleichszulage haben, ausbezahlt werden. Das ist, glaube ich, nicht nur jetzt, sondern generell wichtig.

Da möchte ich meinen steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer zitieren, der sagt: Wir dürfen nicht jene übersehen, die den Euro dreimal umdrehen, bevor sie ihn ein halbes Mal ausgeben. –Diese Bundesregierung übersieht diese Menschen nicht, und deshalb ist es ein wichtiger Schritt, diesen Teuerungsausgleich entsprechend umzuset­zen. (Bundesrätin Schumann: Das sagt die Partei, die für die Reichen eintritt!)

Ich darf zu dem Punkt kommen, der schon angesprochen worden ist und der mir per­sönlich von Berufs wegen wichtig ist, nämlich die Beschaffung der mittlerweile zugelas­senen Medikamente: Ja, das ist ein weiterer Meilenstein neben der Impfung, nach der Impfung, es ist ein Mosaikstein im Kampf gegen diese Pandemie, dass wir jetzt auch Medikamente haben. Vorerst werden 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Ge­sundheitsminister ist auch ermächtigt, diese Summe zu überschreiten, und – da bin ich auch anderer Meinung als Kollege Leinfellner – ich finde es schön, dass Österreich im Sinne der internationalen Solidarität diese Medikamente, wenn wir selbst genug davon zur Verfügung haben, auch an andere Länder weitergeben kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Das ist im Sinne internationaler Solidarität und im Sinne des europäischen Gedankens. (Bundesrätin Schumann: Aber den Impfstoff geben wir nicht frei!)

Ich darf zwei oder drei Worte zu den Medikamenten verlieren und auch da vielleicht eines klarstellen: Das mag sich verlockend anhören und vielleicht auf den ersten Blick verlo­ckend aussehen, dass man sagt: Machen wir das ganz niederschwellig, verteilen wir das vielleicht im Sinne eines Drive-through! So einfach ist es aber nicht. (Bundesrat Span­ring: Wenn Hausärzte etwas hergeben, ist es ein Drive-through! Du redest gegen die eigenen Kollegen!)

Es werden zwei Arten von Medikamenten sein: diejenigen, die oral verabreicht werden, die man schlucken kann, und andere Medikamente, die IV – sprich über eine Vene – verabreicht werden, sogenannte monoklonale Antikörper, die haben wir jeden Tag im Einsatz. Ich sage Ihnen eines: Sie werden keinen Hausarzt finden, der das in seiner Ordination verabreicht. Es ist aber auch nicht notwendig, dass man hier gleich ein Spi­talssetting braucht, sondern da gibt es auch etwas dazwischen. Da wird es vielleicht eine vorgelagerte Struktur geben, eine Ambulanz, in der man sicher und im Sinne der Patien­tensicherheit intravenös – sprich in die Vene – diese Medikamente verabreichen und den Patienten auch im Nachhinein noch weiter beobachten kann. Das ist im niedergelas­senen Bereich nur erschwert gegeben.

Zu diesen Medikamenten gibt es eine gute Datenlage. Sie sind relativ vielversprechend, wenn es darum geht, mitzuhelfen, schwere Verläufe zu verhindern. Was ist aber wich­tig? – Einerseits die rasche Einnahme innerhalb der ersten Tage nach der Positivtes­tung, und das Zweite – und das ist bereits sowohl von Kollegen Appé als auch von Kol­legin Hauschildt-Buschberger angesprochen worden –: Sie sind keine Alternative zur Imp­fung.

Sie kennen das Sprichwort: Vorbeugen ist besser als Heulen und Heilen. Hier ist es genau so. Die Impfung ist die Vorbeugung dieser furchtbaren Erkrankung. Wenn wir Me­dikamente brauchen, dann erst, weil jemand bereits erkrankt ist. (Bundesrat Spanring: Ja, mit oder ohne Impfung!) Und das ist es, was wir verhindern wollen.


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Sehr geehrte Damen und Herren, ich darf zum Ende kommen. Ich kann mich erinnern: Vor genau einem Jahr bin ich auch hier heraußen gestanden und habe gesprochen. Ich habe damals optimistisch ins Jahr 2021 geblickt. Ich hätte mir ganz ehrlich gesagt ge­wünscht, dass wir Weihnachten 2021 hier stehen und zurückschauen und behaupten können, wir hätten diese Krise überwunden, aber so ist es nicht. Wir stecken mittendrin. Neue Herausforderungen – Omikron ist bereits angesprochen worden – kommen auf uns zu. Wir müssen uns also noch in Geduld üben, und ich darf Sie bitten: Wir dürfen auch nicht den Mut verlieren. Ich weiß nicht, wann wir aus dieser Pandemie herauskom­men. Was ich aber weiß, ist, dass wir ganz sicher herauskommen.

Ich wünsche Ihnen abschließend ein paar besinnliche und ruhige Feiertage im Kreise Ihrer Lieben – mit dem nötigen Abstand nicht nur aus medizinischen Gründen, sondern auch mit genügend Abstand von Stress und Hektik. In diesem Sinne: Bleiben Sie ge­sund! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.01


Vizepräsident Günther Novak: Zurückkommend auf den Unselbständigen Entschlie­ßungsantrag der FPÖ: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Nein zur Impfpflicht, nein zur Diskriminierung Ungeimpfter und hinkünftig Ungeimpfter, ja zum Plan B!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich er­teile ihm dieses.


16.01.39

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte fünf Geset­zesmaterien, die in dieser Debatte gemeinsam behandelt werden, der Reihe nach ab­handeln.

TOP 18: Da geht es um die Impfstoffbeschaffung, um die Covid-19-Medikamentenbe­schaffung. Ich möchte anschließen an das, was Kollege Kornhäusl gesagt hat: Es ist sehr gut, dass es Medikamente gibt, dass es immer mehr Medikamente gibt. Sie sind aber keine Alternative für die Impfung. Es gibt nämlich nur ein sehr kurzes Zeitfenster, in dem diese Medikamente eingenommen werden können (Bundesrat Steiner: Zehn Tage!), um schwere Verläufe zu verhindern (Bundesrat Spanring: Die Frage ist, ob die Medikamente in einem Zeitfenster eingenommen werden, in dem die Impfung überhaupt Sinn ...!), und diese Medikamente haben genauso Nebenwirkungen, und zwar relevan­tere Nebenwirkungen als die Impfung selbst. Insofern weiß ich nicht, warum sich die FPÖ so sehr auf Medikamente – statt der Impfung – kapriziert.

Zu dem konkreten Gesetzentwurf: Wir sehen darin ein großes Problem. Bisher ist die gesetzliche Lage bei uns so, dass die Medikamentenbeschaffung über das Joint Pro­curement auf europäischer Ebene funktioniert. Davon soll deswegen abgegangen wer­den, weil es offenbar Medikamentenhersteller gibt, die gesagt haben, sie wollen nicht an die EU verkaufen, sondern nur bilaterale Verträge mit einzelnen Mitgliedstaaten schlie­ßen. Wir sehen das Problem darin, dass auf diese Weise die einzelnen Mitgliedstaaten gegeneinander ausgespielt werden könnten, dass versucht werden könnte, die Preise zu treiben. Wir sehen das negativ und werden deswegen auch nicht zustimmen. Bei allen Schwächen der zentralen EU-Beschaffung ist sie in diesem Fall sehr sinnvoll, und das Arzneimittelangebot wird dann auch für alle Länder gegeben sein. Ergänzend kann es gerne eine nationale Beschaffung, zusätzliche Kontingente geben, aber es soll bitte beim Joint Procurement bleiben.

TOP 19 stimmen wir zu, TOP 20 stimmen wir zu. (Ruf bei der FPÖ: Wir?)


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TOP 21: Das Epidemiegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz sollen insofern geändert werden, als jetzt Mindeststrafen für bestimmte Verwaltungsübertretungen ein­geführt werden sollen. Das Kuriose ist, dass wir heute gleich bei einem der nächsten Tagesordnungspunkte, Tagesordnungspunkt 24, Mindeststrafen aus einem Gesetz strei­chen, nämlich aus dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz. Das ist komplett inkonsistent. Wir halten es für ziemlich einfallslos, jetzt auf einmal im COVID-19-Maßnahmengesetz Mindeststrafen einzuführen. Wir finden, die Priorität sollte weiterhin bleiben, die Compliance zu den Maßnahmen zu erhöhen und die Impfquote zu steigern. Strafen allein in dem Fall zu erhöhen, wenn es Mindeststrafen gibt, ist viel zu wenig. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Zu TOP 22: Da stimmen wir – wir im Nationalrat beziehungsweise ich hier im Bundesrat wieder als Einziger – dagegen. Da geht es nämlich um Gratistests. Wir sind der Meinung, dass die Suggestion, dass Testen mit dem Impfen gleichwertig ist, auch ein negativer Impfanreiz ist. Auch für Geimpfte können Tests sinnvoll sein. Für Geimpfte sollten Tests auch weiterhin kostenlos sein. PCR-Tests haben im Verhältnis zu Antigentests auch ei­nen wesentlichen Vorteil, weil man insbesondere Sequenzierungen auf Virusvarianten vornehmen kann. Für Ungeimpfte aber sollten zumindest Antigentests kostenpflichtig werden (Bundesrat Steiner: Ein sehr liberaler Zugang!), damit nicht suggeriert wird, dass man sich durch laufendes Testen eine Impfung ersparen kann. – Danke sehr. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Ein sehr liberaler Zugang! Sehr liberal! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist ja ein Wahnsinn! – Bundesrat Spanring: Das ist typisch NEOS!)

16.05


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Wolfgang Mückstein. – Bitte.


16.06.05

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Dr. Wolfgang Mückstein
: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Die vergangenen Wochen haben unser gesellschaftliches Zusam­menleben in Österreich auf eine harte Probe gestellt. Wir hatten große Herausforde­rungen. Ein zweites Mal konnten wir die Adventzeit nur mit starken Einschränkungen erleben. Wir haben uns aber mit dem allgemeinen Lockdown einen gewissen Spielraum erarbeitet, wenngleich wir gerade mit Blick auf Omikron vorsichtig sein müssen und die kommenden Wochen mit Bedacht gestalten müssen.

Die Maßnahmen, die heute diskutiert werden, tragen ebenfalls zur Bewältigung der Pan­demie bei. Die ICU-Belagszahl heute: 451, das heißt, wir halten bei 23 Prozent ICU-Belag mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten und einer Inzidenz von 186.

Gleichzeitig kommen wir beim Impfen ganz gut voran. Wir haben mit Stand heute 70 Pro­zent der österreichischen Bevölkerung mit zwei Impfstoffdosen versorgen können und 40 Prozent der impfbaren Bevölkerung auch schon mit dem Boostershot. Was auch ein wichtiger Marker ist, ist, dass wir 71,8 Prozent – Stand heute – der über 65-Jährigen mit der dritten Dosis, also dem Boostershot, haben versorgen können. Das ist wichtig. Es sind im Durchschnitt 90 000 Impfstoffdosen, die pro Tag verimpft werden, das allermeis­te davon sind Boostershots.

Die zweite gute Mitteilung ist, dass wir genug Impfstoff im Land haben. Das ist nicht überall in Europa so. Wir haben erst am Freitag den letzten Teil von 3,7 Millionen zu­sätzlichen Impfstoffdosen, die wir bestellt haben, bekommen. Das heißt, wir halten – Stand heute – bei etwas über 5 Millionen Dosen Biontech/Pfizer-Impfstoff und knapp 2 Millionen Dosen Moderna. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)


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Wir kriegen aber auch Medikamente. Dazu ist zu sagen – das hat Kollege Kornhäusl schon ausgeführt –: Die Medikamente werden die Impfung nicht ersetzen. Ein angemes­sener Impfstoff ist der beste Schutz gegen Covid-19, aber wir brauchen auch Medika­mente, um das Risiko von Menschen mit besonderen Risikofaktoren zu senken. Wir haben mit den Medikamenten also eine zusätzliche Möglichkeit zur Coronaschutzimp­fung, es ist aber keine Alternative.

Wir haben uns deshalb dazu entschieden, aufseiten des Bundes zentral Medikamente zu beschaffen. Die ersten Medikamente wurden bereits in den letzten Tagen nach Ös­terreich geliefert. Mit der ersten Lieferung können bereits mehr als 15 000 Patienten al­lein mit Sotrovimab und mehrere Tausend Menschen mit Regkirona versorgt werden.

Zur Verlängerung der Coronasonderbestimmungen: Die Novelle, die heute zur Be­schlussfassung vorliegt, wird die Coronasonderbestimmungen im Gesundheitsbereich verlängern. Diese neue Novelle soll helfen, Personalknappheit im Pflegebereich, was die Test- und Impfaktivitäten betrifft, zu vermeiden. Zusätzlich werden wir auch eine Ver­längerung des Aussetzens der Vidierungspflicht im Suchtmittelgesetz umsetzen. Schwer suchtkranke Menschen sind besonders vulnerable Patientinnen und Patienten, und auch da ist eine Kontaktreduktion dringend notwendig. Zudem werden auch Amtsärztinnen und Amtsärzte entlastet.

Mit der Novelle des COVID-19-Maßnahmengesetzes und des Epidemiegesetzes wer­den bei Nichteinhaltung der Covid-19-Schutzmaßnahmen Mindeststrafen für Einzelper­sonen sowie für Betriebe eingeführt. Es ist auch so, dass, wenn Covid-19-Hilfen in An­spruch genommen werden und Schutzmaßnahmen nicht eingehalten werden, eine Rück­zahlung ins Haus stehen kann.

Weiters verlängern wir das kostenlose und niederschwellige Testangebot in Österreich jedenfalls bis 31.3.

Ich möchte jetzt vor Weihnachten noch einmal an alle appellieren: Wir brauchen mehr geimpfte Menschen in Österreich! Omikron kommt, wir wissen, dass bei Menschen, die den Boostershot bereits bekommen haben, ein Schutz vor schwerem Verlauf in circa 75 Prozent der Fälle zu erwarten ist. (Bundesrat Spanring: Woher sind diese Zahlen? Die Firma sagt selber, sie weiß es nicht, aber er weiß es!) Bitte gehen Sie also zur Impfung! Machen Sie sich und Ihren Liebsten dieses Weihnachtsgeschenk! Schützen Sie sich selbst und schützen Sie auch andere Menschen! Und ganz wichtig: Bevor Sie die Familie besuchen, bevor Sie Weihnachten feiern, lassen Sie sich bitte testen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.11


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile ihm das Wort.


16.11.50

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wir debattieren unter diesem Tagesordnungspunkt fünf Gesetzesbereiche. Zum einen  es wurde schon gesagt  geht es um die Medikamentenbeschaffung; weiters geht es darum, dass in Ausbildung befindliche Mitarbeiter des Gesundheitswesens durchaus zur Unterstützung herangezogen werden können; es geht um den Entfall einer Bestätigung für Suchtgifttherapien; es geht um die Stundung der Sozialversicherungsbeiträge und um Mindeststrafen im Bereich des Covid-Maßnahmengesetzes.

Geschätzte Damen und Herren, wir haben wir hören die Meldungen  eine neue Welle, eine Omikronwelle, vor uns, vor der es gilt sich entsprechend zu schützen. Ich denke, Herr Bundesminister – wir haben über die Medien schon von den neuen Maßnahmen


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gehört –, dass die Regierung handelt, denn es ist Aufgabe des Staates, es ist Aufgabe unseres Staatswesens und damit auch von uns als Gesetzgeber, den Mitbürgerinnen und Mitbürgern Schutz zu geben. Klar gilt es, zwischen Freiheit und Sicherheit abzu­wägen. Ich kann bestätigen und ich kann versichern, dass uns die Menschen wichtig sind, dass wir den Menschen verpflichtet sind und dass wir Sorge für unsere Mitmen­schen tragen und tragen wollen. Freiheit besteht letztlich darin, dass man nur all das tun kann, was einem anderen nicht schadet. Das muss uns bei all unseren Handlungen ent­sprechend bewusst sein.

Ich bin dankbar und froh, dass ein neues Einsatzkommando, die Gecko, gegründet wurde, um entsprechend rasch aktiv zu werden und rasch Initiativen zu setzen, weil auch Geschwindigkeit ein Faktor bei der Bekämpfung der Pandemiewellen ist. In Niederös­terreich haben wir uns bereits auf Ebene der Landesregierung dazu durchgerungen, Vorsichtsmaßnahmen für Krankenhäuser, für die Versorgungssicherheit und für die Si­cherheitseinrichtungen zu treffen.

Geschätzte Damen und Herren, es ist sicher ein schwieriges Thema, das Wort Impf­pflicht in den Mund zu nehmen, es ist aber das Gebot der Stunde, weil es uns ent­sprechend schützt und weil dieser Schutz uns auch letztlich wieder mehr persönliche Freiheit einräumen kann. Diese Impfung und die Impfpflicht wird, wie heute schon gesagt und gehört, nicht die einzige Maßnahme sein können, sie wird aber ein wesentlicher Teil sein, und darum darf ich auch an alle Mitbürgerinnen und Mitbürger appellieren, die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, entsprechend anzunehmen!

Wir empfehlen all jenen, die Sorge haben und sich bezüglich dessen, was bei der Impfung passiert, nicht sicher fühlen: Besuchen Sie Ihren Hausarzt, gehen Sie zum Arzt Ihres Vertrauens und führen Sie mit ihm ein Gespräch! (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Er kann Ihnen sagen, wie eine Impfung bei Ihnen wirken kann und ob Sie vielleicht auch zu jenen gehören, bei denen Vorsicht geboten ist. Es geht letztlich nicht darum, die Strafe in den Vordergrund zu stellen, sondern es geht darum, eine möglichst breite Durchimpfungsrate zu erzielen.

Gemeinsam sollten wir uns gegen Corona schützen und gemeinsam sollten wir diese Maßnahmen umsetzen, und ich glaube, es tut gut, wenn wir uns an die Worte des Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer halten, der gesagt hat, dass es vielleicht angetan ist, sich in der Wortwahl entsprechend zurückzunehmen, dass wir verantwortungsvoll miteinander umgehen sowie verantwortungs- und respektvoll das Gespräch miteinander suchen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, wie wir gemeinsam gegen diese Pan­demie vorgehen können. Ich glaube, das ist auch in einer Zeit der Besinnung, wie wir sie jetzt vor Weihnachten durchaus haben und wie wir sie uns jetzt für einige kurze Tage geben können, notwendig. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.16


Vizepräsident Günther Novak: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm das Wort.


16.17.00

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Das Taferl (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der ein Adventskranz mit vier brennenden Kerzen zu sehen ist, zwischen denen sich offene, graue Zylinder befinden – Oh-Rufe bei ÖVP, SPÖ und Grünen), ich weiß schon, ist ein bissel ein Sickerwitz, ich erkläre es aber gleich für die, die es nicht verstehen, beziehungsweise könnt ihr dann nachher gern noch einmal herüberkommen: Das ist der pandemische Adventskranz, das sind Tunnel, und am Ende des Tunnels ist immer ein Licht.  Ihr könnt es euch während meiner Rede noch anschauen, dann sickert es noch ein bisschen und dann versteht ihr es auch. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, wir haben es jetzt wieder einmal gesehen: Diese Regierung bleibt auch bei dieser Gesetzgebung heute ihrer überfordernden und wirklich furchtbaren Chaoscoronalinie


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treu. Wir haben es heute am Beispiel der Gröcko-Kommission – oder wie die jetzt heißt – wieder gesehen: Es wird immer noch chaotischer, und ich frage mich, wer da jetzt noch aller mithüpfen soll bei dem, was ihr da heute wieder an neuen Verordnungen habt ver­künden lassen. Jetzt werden sie ja verkündet, jetzt macht man nicht mehr eigene Pres­sekonferenzen. Jetzt stellt man die angeblichen Experten hin, so ähnlich wie bei der Expertenregierung damals, wo sich dann nachher herausgestellt hat, dass das eh alles ÖVPler waren, die angeblichen Experten in der Expertenregierung. Man stellt jetzt die Ex­perten hin, und nachher werden wir dann wieder draufkommen: Hoppala, das sind alles ÖVPler gewesen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Zurück zum Medikamenteneinkauf: Der Herr Minister ist jetzt gegangen, wahrscheinlich, weil er den Namen Steiner gesehen hat. Da flüchtet er seit Neuestem. Das war jetzt sehr auffällig: Ich bin aufgestanden und er ist wie ein ganz Aufgeschreckter aufgeschossen, aber egal. Ich habe es im Ausschuss schon gesagt: Wir haben jetzt (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen) – beruhigt euch! – endlich Finanzposten geschaffen, um Medikamen­te zu besorgen. Das ist ja einmal nicht ganz unrühmlich, das passt. Was aber macht man jetzt? – In den USA – wir haben es im Ausschuss eh lang und breit diskutiert – hat man das seit Sommer 2020, und zwar sehr erfolgreich im ganz niederschwelligen Bereich. Was bedeutet im niederschwelligen Bereich? (Zwischenruf des Bunderates Korn­häusl.) – Herr Kornhäusl, zu Ihnen komme ich dann noch, ganz ruhig! Mit Ihnen befasse ich mich noch sehr ausgiebig, weil dem Schmarrn, den ihr heute da heraußen geredet habt, müssen wir ein bisschen Zeit einräumen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Zu Ihnen komme ich noch, Herr Kornhäusl, ganz ruhig!

Die Medikamente müssen im niederschwelligen Bereich eingesetzt werden. Das bedeu­tet, ab Diagnose oder positivem PCR-Test muss man mit einer medikamentösen Be­handlung beginnen. Wo setzt Österreich die Medikamente ein? – Die kriegt kein Haus­arzt, die kriegt kein niedergelassener Arzt, die kriegt das Krankenhaus. Da wird es dann halt zu spät sein. Österreich macht seit zwei Jahren denselben Fehler – im Ausschuss haben mir alle recht geben müssen, auch die Experten haben mir recht geben müssen –, dass man ab einem positiven PCR-Test die Leute zu Hause allein einsperrt. (Beifall bei der FPÖ.)

Der einzige Tipp, den man diesen Personen gibt, ist: Wenn es dir dann einmal schlecht geht, ruf bei 1450 an! – Und dann versucht man sein Glück und schaut, ob man in der Leitung überhaupt durchkommt, wahrscheinlich kommt man eh nicht durch. Kommt dann jemand durch, ist es halt oft schon so weit, dass dieser Patient solch einen Krank­heitsverlauf hat, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit intensivpflichtig wird. Dies ge­schieht alles, anstatt dass man endlich einmal die Schiene über unsere Hausärzte fährt, diesen zur Behandlung oder zur Nachschau dieser abgesonderten Patienten rät und mit ihnen einen ordentlichen Tarif ausverhandelt, sodass es sich für den Arzt auch aus­zahlt – er soll das ja nicht umsonst machen. Er soll dann die Leute zu Hause betreuen und behandeln. Es geht oft nicht um 25-Jährige, sondern es geht oft um 80-Jährige, um 75-Jährige, um 90-Jährige, die man seit zwei Jahren zu Hause sich selber überlässt. Shame on you!, sage ich an diese Regierung gerichtet. (Beifall bei der FPÖ.)

Man sieht aber, dieser Arzt, Herr Mückstein, beherrscht das Einmaleins einer medika­mentösen Behandlung nicht. Ich weiß ja nicht, wie sich Herr Mückstein als praktizie­render Arzt so durchgewurschtelt hat, ich kann das nicht beurteilen, weil ich gottlob nicht Patient bei ihm war. Als Minister ist er aber, so ehrlich muss man sein – das sagen auch die ÖVPler, mit denen wir im Vieraugengespräch sprechen –, einfach überfordert und weiß nicht, was er tut. Seien wir uns ehrlich! Es tut mir leid, aber das sind die Tatsachen! (Beifall bei der FPÖ.)

Aufgrund dieser Politik befinden wir uns jetzt wieder einmal vor der nächsten Wahn­sinnigkeit dieser Regierung, der Einführung einer Impfpflicht. Man will jetzt eine Impfpflicht


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mit einem Vakzin einführen, von dem niemand weiß, ob und wie es überhaupt gegen Omikron wirkt. Heute stellt sich der Herr Minister hierher und sagt, dass es einen schwe­ren Verlauf zu 70 Prozent verhindert. Ich frage mich, woher er die Zahlen hat. Das weiß noch niemand außer dem Herrn Minister Mückstein! Auf der ganzen Welt weiß das nie­mand, aber der Herr Minister Mückstein verkündet heute exklusiv im Bundesrat, dass die Boosterimpfung zu 70 Prozent helfen wird. Dieser Neuigkeitswert war wieder einmal sensationell! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Kornhäusl – neben Herrn Mückstein unser bestwissender Arzt von wahr­scheinlich ganz Österreich – hat zuerst den Antrag der FPÖ Tirol für die Impfung he­rausgeklaubt. Worum ist es da gegangen? – Sie haben halt wieder einmal nicht alles vorgelesen, so wie Sie es oft und gerne machen. (Zwischenruf des Bundesrates Korn­häusl.) Da ging es um Pocken- und Masernimpfungen, und Sie haben wieder einmal die Hälfte nicht dazugesagt, weil Sie, Herr Kornhäusl, einfach, es tut mir leid, ein falscher Fünfziger sind. Ich kläre Sie jetzt aber auf. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Aufklärung: In diesem Antrag ging es um Pocken- und Masernimpfungen.


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege Steiner! Nehmen Sie den „falschen Fünfzi­ger“ zurück?


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Herr Präsident! Tatsachen kann ich nicht zurücknehmen.


16.24.09*****

Vizepräsident Günther Novak: Gut, Herr Bundesrat Steiner, dann erteile ich Ihnen ei­nen Ordnungsruf für den Wortlaut „ein falscher Fünfziger“ in Richtung unseres Herrn Dr. Kornhäusl.

*****


16.24.21

Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Danke. Und jetzt kläre ich auf, warum er ein falscher Fünfziger ist. (Bundesrätin Schumann: Na geh!) In diesem Antrag ging es, wie schon erwähnt, um Pocken und Masern. Jetzt kläre ich euch einmal darüber auf, warum es bei Pocken sinnvoll ist, sich impfen zu lassen: weil es im Vergleich zu Corona bei der Hospitalisierung eine enorm andere Sterblichkeit gibt. Von den Hospitalisierten sterben nämlich 20 bis 30 Prozent. Wie viele sterben an Corona? – Ich habe mir die Arbeit in der Kürze der Zeit zwischen Ihrer und meiner Rede, Herr Kornhäusl, angetan und habe mir es herausgeschrieben: An Corona sterben 0- bis 34-Jährige - - (Bundesrä­tin Schumann: Der Virologe Steiner!) – Nicht Virologe Steiner, Frau Schumann! Sie brauchen es nur zu googeln und dann kommen Sie zum Zentrum für Virologie der Med­Uni Österreich (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schreuder und Schumann), dem werden Sie es wohl glauben. Da brauchen Sie nicht so auf Ihrem Sesserl zu hüpfen, denn das tut Ihnen nicht gut, Frau Schumann! Hören Sie zu! (Beifall bei der FPÖ. – Neu­erlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Die Sterblichkeit von 0- bis 34-Jährigen bei Corona liegt bei 0,004 Prozent (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), von 35- bis 44-Jährigen bei 0,06 Prozent; bei den 75- bis 84-Jährigen sind es 7,6 Prozent. Da ist man aber immer noch ganz, ganz weit weg von den 20 bis 30 Prozent bei Masern und bei Pocken. Was bietet uns die Pockenimpfung im Gegensatz zur Coronaimpfung noch? – Eine sterile Immunität. Es sind also zwei ganz andere Impfungen.

Herr Kornhäusl, wenn Sie dann als Arzt herausgehen und einen Antrag mit dem anderen vermischen, dann frage ich mich wirklich, wie das funktioniert, wenn Sie als Arzt prak­tizieren, und wer Ihnen da vertrauen soll. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Schreuder und Schumann.)


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Wir wissen das aber auch, denn besonders Herr Mückstein – jetzt ist er wieder da – hantiert immer total sinnbefreit und ohne Rücksicht auf Zahlen, ohne Rücksicht auf Fak­ten, ohne Rücksicht auf Daten. Ihr von den Regierungsparteien – da ist die SPÖ heute ausnahmsweise einmal nicht dabei – beschließt heute einen Strafenkatalog mit drakoni­schen Strafen für unbescholtene gesunde Bürger – mit Strafen bis zu 30 000 Euro, Er­satzfreiheitsstrafen, nahezu quasi Beugehaft –, um diesen Schmarrn (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schreuder und Zwazl) an Maßnahmen dann auch noch stringent um­setzen zu können. Das ist ja alles nicht mehr normal!

Wer ist vorhin hier gestanden und hat gesagt - - – Ah, Kollege Preineder da hinten (in Richtung Bundesrat Preineder, der Richtung Ausgang geht), einen Moment warten! – Herr Kollege Preineder stellt sich mit seiner Heuchelei her und sagt: Bitte, bitte, wenn ihr euch unsicher seid, geht zu eurem Hausarzt und lasst euch vom Hausarzt beraten! – Was mache ich jetzt, wenn mein Hausarzt – nur als Beispiel – zu mir sagt: Christoph, für dich ist impfen nicht sinnvoll!, was macht man dann mit der Regierungsdoktrin? – Dann kündigt man wahrscheinlich meinen Hausarzt. So schaut es aus mit eurer falschen Heu­chelei, Herr Preineder! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage es euch ganz ehrlich: Was passiert denn wirklich? Wir wissen es ja! Ärzte, die nicht regierungskonform auftreten, werden öffentlich gekündigt, als ob das in Österreich ganz normal wäre. Ärzte, die nicht die Regierungsmeinung vertreten, werden gekündigt. (Bundesrat Spanring: Schämt euch alle! Schämt euch!) Ganz Österreich schweigt, die Medien schweigen – und machen sich somit natürlich zu Beitragstätern –, und es ist ruhig, kein Aufbegehren, nichts. (Bundesrat Schennach: Woher weißt du das?) Das ist in einer Demokratie nicht normal! Das muss man schon einmal ganz ehrlich und offen ansprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nur ein Beispiel noch: Das Gesundheitssystem der DDR hat stets als eine der Vorzeige­errungenschaften des Sozialismus gegolten. Im Jahr 1986 appellierte der DDR-Gesund­heitsminister Ludwig Mecklinger an die Ärzte – und jetzt hören Sie zu, denn dann werden Sie den Vergleich schnell ziehen können! –: „Jeder Mitarbeiter muss sich stets dessen bewusst sein, dass seine Arbeit im Gesundheits- und Sozialwesen den sozialistischen Staat repräsentiert.“ – Das heißt also nichts anderes, als dass die Ärzte gefälligst die Parteimeinung zu vertreten haben. Was passiert gerade bei uns? – Hirn einschalten, ihr werdet die Vergleiche selber ziehen können! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Wisst ihr, in welchen Ländern so etwas normal ist, wo derartige Praktiken zum Tagesge­schäft zählen? – Diese Praktiken und Vorgangsweisen sind normal in Ländern, in denen das Wort Demokratie überhaupt nicht zum Sprachgebrauch gehört. Wie weit wollen wir denn noch gehen? Das frage ich Sie! Jetzt sind wir schon bei der Impfpflicht angekom­men. Ich bin jetzt gespannt, weil so viele klatschen – Frau Schumann hüpft schon wieder am Sesserl, die gefällt mir heute ganz gut : Für die Impfpflicht (in die Hände klatschend), bravo, bravo! So, jetzt reden wir über die vierte Impfung, die fünfte Impfung, irgendwann dann die sechste, die siebente. Impfpflicht heißt aber auch für die zwei oder drei Mal Geimpften, die sich jetzt so über diese Impfpflicht freuen, dass sie – wenn es nach Herrn Mückstein geht, nach dem supertollen Arzt auf der Regierungsbank – alle drei Monate dann als ungeimpft gelten. Das heißt: drei Monate nach dem dritten Stich den vierten, drei Monate nach dem fünften Stich den sechsten – und so hüpfen wir das dahin, dahin, dahin. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Somit: Liebe alle, die diese Impfpflicht so beklatschen, bitte zuerst immer fertig überle­gen, bevor man diese Regierung beklatscht, denn das ist sehr, sehr gefährlich (Beifall bei der FPÖ), wobei ich ja sowieso der Überzeugung bin ...


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege, Sie befinden sich in der 14. Minute. Ich bitte, das zu beachten.



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Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, ich beachte das jetzt wirklich. Ich beeile mich jetzt auch, aber es gibt natürlich viel zu sagen, wenn vorher so viele Redner wirklich einen Schmarrn geredet haben. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

Wir stehen jetzt quasi vor der Impfpflicht und ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass diese Regierung mit Omikron wirklich ein Ausstiegsszenario gefunden hat, und ich hoffe, diese Exittür wird sie auch nehmen. Ich rate euch das dringend. Wir wissen nicht, wie viel diese Impfung gegen Omikron wirklich hilft – das weiß auch der Herr Minister nicht, auch wenn er das heute behauptet hat (Zwischenrufe bei der SPÖ) –, und deshalb wird es mit einer Impfpflicht auch verfassungsmäßig sehr schwer.

Deshalb: Liebe Bürger draußen, vertraut nicht auf diese Regierung! Wartet einmal ab, was sie noch rauswurschtelt (Zwischenruf bei der ÖVP), und dann werden wir sehen, was uns am 1. Februar erwartet!

Herr Mückstein, eines sage ich Ihnen auch: Sollte diese Impfpflicht wider Erwarten durchgesetzt werden, dann werden ich und viele andere Bürger Ihnen persönlich das niemals verzeihen; aber ich bin mir auch sicher: Irgendwann bekommt jeder seine ge­rechte Strafe, bei manchen dauert es etwas länger, bei manchen etwas weniger lang. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) Ich bin mir auch ganz sicher – bleibt ganz ruhig! ‑, dass Gottes Mühlen mahlen: Sie mahlen langsam, stetig, aber sie mahlen.

Nur kurz noch zu Weihnachten, Herr Mückstein: Sie glauben wohl nicht wirklich, dass ich Sie brauche, dass Sie mir sagen, wie ich meine Weihnachten mit meiner Familie verbringe! Also da kann noch viel passieren, aber das sagen Sie mir sicher nicht, und dankbar bin ich Ihnen für genau gar nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Und weil das meine letzte Rede in diesem Jahr war, darf ich sie gleich beenden - - (Rufe bei der SPÖ: Oj, oj!) – Also es ist so furchtbar: Ihr von den Sozialisten könnt nicht ein Mal die Pawalatschen halten. Wäh, bäh!, da plärrt ihr rein, das ist ja furchtbar! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist ja furchtbar! Die ÖVP hat wenigstens den Anstand. Das ist ja ein Wahnsinn. (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.) Wie aufgeschreckte Hühner auf einer Hühnerleiter, unglaublich! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Zum Abschluss noch – ich beende es gleich wie gestern –: Ich wünsche zunächst einmal besonders allen Mitarbeitern der Bundesratskanzlei sehr, sehr schöne Weihnachten, erholsame Weihnachten! Ihr habt das wirklich verdient. Ihr habt oft durcharbeiten und das alles koordinieren müssen – dafür wirklich ein großes Dankeschön –, ihr habt es euch verdient, schöne Weihnachten im Kreise eurer Familien zu verbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Für den Rest gilt dasselbe wie gestern: Ich wünsche euch allen zu Weihnachten und für das neue Jahr (Zwischenruf des Bundesrates Appé) all das, was ihr auch mir wünscht, aber im doppelten Sinn. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

16.34


16.34.40*****

Vizepräsident Günther Novak: Ja, Herr Kollege Steiner, ich erteile Ihnen noch einen Ordnungsruf für „falschen Heuchelei“.

*****

Eine weitere Wortmeldung liegt vor. – Bitte, Herr Dr. Kornhäusl.



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16.34.56

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Steiner! Zum Ersten: Ich nehme zur Kenntnis, dass dein Wissensstand offensichtlich ein ganz anderer ist als der der ge­samten wissenschaftlichen Welt. (Bundesrat Steiner: Was ist denn die gesamte Wis­senschaft? Was ist mit den 1 000 Ärzten?) Das ist zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Ich hoffe für deine Klientinnen und Klienten nur, dass du ein besserer Masseur als Hobbymediziner bist. Das möchte ich auch einmal gesagt haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Kriegst einen Gutschein! Kriegst einen Gut­schein von mir, kommst einmal!)

Das Zweite ist: Du redest irgendetwas wegen der Pocken daher, da hat die WHO 1967 schon eine weltweite Impfpflicht ausgerufen. – Ich bitte dich: Google das nächste Mal ein bissl besser oder frage einen deiner Mitarbeiter! Worum ist es mir gegangen? (Bun­desrat Steiner: Um den Antrag ist es gegangen!) – Es stimmt, in diesem Antrag ist es um die Masernimpfung – Mumps, Masern, Röteln – gegangen, aber vor allem auch um diesen klingenden Satz – und ich darf ihn jetzt noch einmal zum Besten geben –: „Es gilt zu bedenken, dass das Unterlassen von Impfungen nicht nur auf den Einzelnen, sondern auch auf die gesamte Gesellschaft Auswirkung hat.“ – Das kommt von der FPÖ Tirol (Bundesrat Steiner: ... anderer Zusammenhang! – Bundesrat Ofner: Ganz was ande­res! – weiterer Ruf bei der FPÖ: Anderes Krankheitsbild!), deiner Landespartei, Kolle­ge Steiner. Wieso kehrst du nicht auf den Weg der Vernunft zurück? (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Deine Landespartei hat heute auch dazu aufgerufen, die Demos zu Weihnachten einzu­stellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Jetzt lügt er schon wieder! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Zu Weih­nachten, zu den Weihnachtsfeiertagen! (Bundesrat Steiner: Das ist schon wieder falsch!) Ich habe gesagt: „zu Weihnachten einzustellen“. (Ruf bei der FPÖ: Nein, nicht „einzustel­len“! – Bundesrat Steiner: Wo steht das? In der Ausschreibung der Klubobleute steht das nicht drinnen! Schon wieder! Das ist ja ein Wahnsinn!)

Kollege Steiner, ich wünsche dir trotzdem ein besinnliches Weihnachtsfest und hoffe, dass du ein bisschen zur Ruhe kommst! (Rufe bei der FPÖ: ... zitiert das immer ...! Fal­scher Fuffzger!) – Bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundes­rates Appé.)

16.37


16.37.19

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem zur Abdeckung des Bedarfes zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie Ermächtigungen zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt werden, geändert wird.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „eine breit angelegte, niederschwellige Aufklärungs- und Informationsoffensive zur Corona-Schutzimpfung“ vor. Ich lasse über diesen Entschlie­ßungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Nein zur Impfpflicht, nein zur Diskriminierung Un­geimpfter und hinkünftig Ungeimpfter, ja zum Plan B!“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.41.3623. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Gesundheitsberuferegister-Gesetz, das Krankenanstal­ten-Arbeitszeitgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Berufs­reifeprüfungsgesetz geändert werden (OTA-Gesetz) (1164 d.B. und 1274 d.B. so­wie 10798/BR d.B. und 10822/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 23. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den


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Bericht.


16.42.00

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizini­sche Assistenzberufe-Gesetz, das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ge­sundheitsberuferegister-Gesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Allgemei­ne Sozialversicherungsgesetz und das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank für die Berichter­stattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Egger. Ich erteile ihm dieses.


16.42.46

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, aber vor al­lem liebe Zuseherinnen und Zuseher am Nachmittag – falls Sie noch dabei sind – un­serer Weihnachtssitzung! Weil es in dem Gesetz auch um einen quasi neuen Beruf im Bereich der Pflege geht, ist es mir ein persönliches Anliegen, auch über die derzeitige Situation in der Pflege beziehungsweise über die Situation, die in der Pflege seit 21, 22 Monaten herrscht, kurz zu sprechen.

Warum ist mir das ein persönliches Anliegen? – Weil mir bei der gestrigen Regierungser­klärung vom Bundeskanzler, vom Vizekanzler, von den Ministern etwas gefehlt hat. Es hat auf der Regierungsbank links und rechts von mir viel Lobhudelei gegeben, aber es hat mir etwas gefehlt, und zwar: Es ist kein Wort der Wertschätzung der Pflegerinnen und Pfleger gefallen, kein Wort zu den Systemerhalterinnen und Systemerhaltern in der Pandemie, die das Gesundheitssystem am Laufen gehalten haben, kein Wort zu jenen, die seit 22 Monaten an der absoluten Belastungsgrenze arbeiten – und das ist wirklich traurig, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Him­mer: Da hast du nicht gut zugehört, weil das hat der Kanzler gesagt, und der Vizekanzler vor allem! Da hast du nicht gut zugehört!)

Die Menschen in der Pflege, das Personal, das in der Pflege arbeitet, kehrt der Pflege, seinem Beruf traurigerweise den Rücken. Die Menschen verlassen diesen Beruf oder wollen ihn verlassen, und wenn das so weitergeht, werden wir bald niemanden mehr finden, der unsere Wunden versorgt, der die Infusionen tauscht, Einstellungen am Kran­kenbett vornimmt, auf den Intensivstationen arbeitet oder in OP-Sälen assistiert. Die Plattform Pflege in Salzburg hat prognostiziert, dass bis zum Jahr 2022 in Salzburg 880 Pflegekräfte fehlen werden. Das ist traurige Realität.

Es gibt aber einen Hoffnungsschimmer, und zwar hat es Gott sei Dank vor eineinhalb Wochen – meine Kolleginnen und Kollegen aus Salzburg wissen das – als Zeichen der Wertschätzung einen stillen Fackelzug in Salzburg gegeben, als Solidaritätskundgebung unter dem Motto: Mehr wär fair. 2 500 Pflegekräfte, Unterstützerinnen und Unterstützer, Freunde und Bekannte haben für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege demons­triert, und das ist gut und wichtig. 14 000 Unterschriften wurden in einer Petition gesam­melt, die dann gemeinsam mit den Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege dem Salzburger Landtag übergeben worden sind.


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Darum sage ich, es braucht in der Pflege eine bessere Bezahlung und weniger Stunden. Hinauf mit den Gehältern und hinunter mit dem Leistungsdruck, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

35 Stunden Normalarbeitszeit muss das Ziel sein, 1 700 Euro brutto in der Ausbildung. Warum? – Wenn sich jemand für die Pflege entscheidet, vielleicht Berufsumsteiger ist, dann muss er ja auch seine Rechnungen bezahlen können. Deswegen muss das das Mindeste sein! Das, was wir den Polizistinnen und Polizisten in der Ausbildung zahlen, sollten wir auch den Pflegerinnen und Pflegern in der Ausbildung zahlen. (Beifall bei der SPÖ.) Und ein Pflegefachassistent oder eine Pflegefachassistentin soll nicht unter 2 000 Euro netto anfangen müssen. Heben wir das Gehalt um mindestens 200 Euro netto an und verbessern wir damit die Rahmenbedingungen in der Pflege!

Liebe ÖVP, ich weiß, es ist schwierig, an eurer Stelle zu sein, aber ihr solltet, was den Gesundheits- und Pflegebereich angeht, weniger die ökonomischen Faktoren in den Mit­telpunkt rücken, ihr solltet – und dafür werden wir uns immer einsetzen – die Menschen, die in diesem Bereich Unglaubliches leisten, in den Mittelpunkt rücken! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Operationstechnischen Assistenten: Da frage ich mich, wo da die große Pflegere­form ist. Das ist wieder nur Stückwerk oder ein Mosaiksteinchen, das uns vielleicht – vielleicht auch nicht – weiterbringen wird. Ja, es gibt die Notwendigkeit, dass wir mehr Personal in die Krankenhäuser bekommen, das ist richtig, aber das ist Stückwerk mit vielen Fragezeichen, denn wir haben eines aus der Pandemie gelernt: dass wir das Per­sonal flexibel einsetzen können sollten. Nur, mit dieser Spezialistenausbildung fehlt dann die Flexibilität, denn es ist dann nicht mehr möglich, jemanden vielleicht als Intensiv­pfleger weiter auszubilden.

Wie schaut die Bezahlung aus? Ist sie wieder unterschiedlich? – Sie ist dann wieder länderabhängig. Ist sie schlechter, als sie es jetzt ist? Wie sieht die einheitliche Ausbil­dung aus? – Darüber kann noch niemand etwas sagen. Wie sieht die Zukunft der OP-Pflegerinnen und -Pfleger aus? – Deswegen werden wir dieses Gesetz ablehnen.

Auch ich möchte mich an dieser Stelle bei der Parlamentsdirektion für diesen reibungs­losen Ablauf der Sitzungen, für diese tolle Organisation sehr herzlich bedanken und wünsche Ihnen allen schöne Weihnachten – trotz der angespannten Lage, der Situation, in der wir uns befinden –, erholsame Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Eder und Schwindsackl.)

16.48


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.


16.49.00

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Werte Zuse­herinnen und Zuseher! Ja, mein Vorredner Egger hat gerade das Negative im Zusam­menhang mit TOP 23, dem Beschluss betreffend das Medizinische Assistenzberufe-Ge­setz, aufgezeigt. Ich würde sagen, dieses Gesetz ist ein weiterer Schritt in die Richtung, dass die Möglichkeit eröffnet wird, dass die Operationstechnische Assistenz auch als Beruf entsprechend anerkannt wird. Es ist jetzt auch in diesem Berufsbild die Möglichkeit einer dualen Ausbildung bis hin zur Akademisierung gegeben.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass frühzeitig in diese Ausbildung eingestiegen werden kann, und es ist wirklich auch die Sicherheit gegeben, denn es werden oft schon Leistungen in den OPs erbracht, die vielleicht jetzt gesetzlich nicht abgedeckt sind. Durch dieses Gesetz sind die Menschen aber entsprechend abgesichert.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 126

Es hat vorher schon die OP-Laboranten gegeben, die eigentlich das Rückgrat in den Operationssälen gewesen sind. Dies wird jetzt durch dieses neue Gesetz, durch diese Novellierung ersetzt, und das hat auch eine weitreichende Wirkung, denn durch dieses Berufsbild Operationstechnische Assistenz sind sehr viele Möglichkeiten gegeben, wie diese im OP eingesetzt werden können, wie etwa für die Entsorgung und die Sterili­sierung von Instrumenten nach den OPs, die Begleitung im Bereich der Intensivmedizin und der Endoskopie. Es sind also durch dieses Berufsbild sehr viele Möglichkeiten ge­geben, die Menschen im OP einzusetzen.

Ja, Sie haben recht, auch im Pflegebereich werden wir in Zukunft entsprechende Model­le brauchen, und da hat der Bundesrat schon vor Jahren Akzente gesetzt – besonders auch unter dem Vorsitz Tirols, damals unter der jetzigen Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann –, die auch akzeptiert und angenommen worden sind, die auch im Parlament entsprechend behandelt wurden.

Ja, wir werden in Zukunft Personal brauchen, das ist unbestritten, aber wenn ich da nach Oberösterreich schaue, dort haben wir jahrzehntelang eine Soziallandesrätin gehabt, kann ich nur sagen: Jetzt, mit unserem Landesrat, ah - - (Rufe bei der SPÖ: Mit wem?) – bitte? (weitere Rufe bei der SPÖ: Mit wem? – Ruf bei der SPÖ: Der ist so neu ...!) –, Wolfgang Hattmannsdorfer werden wir auch in Zukunft Schritte setzen, sodass die Pfle­ge vorangetrieben wird. Im Bezirk Braunau haben wir zum Beispiel schon Aktivierungs­akzente gesetzt, indem die Grundausbildung, die Ausbildung zur Pflegeassistenz schon angeleiert worden ist. Ich hoffe, die Salzburger werden sich dem, was in Oberösterreich jetzt gemacht wird, anschließen.

Es ist immer leicht, von hier heraußen den Bundesminister zu kritisieren, die Politik zu kritisieren. Wir als Bundesräte haben durch Enqueten oder Zusammenarbeit gemeinsam die Chance, auch wieder Projekte zu installieren. Dazu lade ich die SPÖ gerne ein, denn in manchen Bereichen haben Sie doch die soziale Kompetenz verloren (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ – Bundesrätin Schumann: Der war gut!), die wir in Oberös­terreich in den letzten Jahren zurückgewonnen haben.

In diesem Sinne werden wir diesem Beschluss, diesem Gesetz natürlich die Zustimmung geben, denn es ermöglicht im Bereich der Gesundheitsberufe wieder eine Verbesse­rung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

16.52


16.52.39

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.53.1424. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert wird (1163 d.B. und 1275 d.B. sowie 10823/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz geändert wird (1173 d.B. und 1276 d.B. sowie 10824/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 127

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tages­ordnungspunkten 24 und 25, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 24 und 25 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


16.54.00

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Le­bensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz und das Gesundheits- und Ernäh­rungssicherheitsgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. Ich erteile ihm dieses.


16.55.22

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Weihnachten kommt dieses Jahr zwei Tage früher, zumindest für den Wirtschaftsbund und für den Bauernbund. Das wird ganz offensichtlich, wenn man diese beiden Gesetzentwürfe betrachtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Was meine ich damit konkret? – Vielleicht wissen Sie: Die Lebensmittelsicherheit ist ein Thema, bei dem es immer starke Widersprüche gibt, vor allem auch in der Vergangen­heit zwischen roten Gesundheitsministern und Konsumentenschutzministern und dem Wirtschaftsbund. 2013 gab es den Pferdefleischskandal, der ist Ihnen vielleicht noch in Erinnerung: Da gab es eine große Lebensmittelkette, die groß tituliert hat: Tortelloni mit Rindfleisch. Drinnen war aber kein Rindfleisch, sondern Pferdefleisch. Der damalige Ge­sundheitsminister hat die Gunst der Stunde genutzt, er hat gemerkt, da ist jetzt ein güns­tiger Moment, um Mindeststrafen für Etikettenschwindel einzuführen. Das haben wir gemacht: 700 Euro für diesen Etikettenschwindel. Das ist ohnehin wenig, aber es gehört sich. Und diese 700 Euro werden heute zurückgenommen, wenn die Regierungspar­teien ihre Mehrheit nützen.

Mit dieser Änderung kommt noch eine zweite einher, nämlich neben der Mindeststrafe in Höhe von 700 Euro, die zurückgenommen wird, werden auch die Höchststrafen redu­ziert. Wir gehen von 50 000 Euro Höchststrafe runter auf 35 000 Euro. Ich habe wirklich versucht, herauszufinden, warum das so ist. Ich habe Experten aus den Ministerien ge­fragt, warum das gemacht wird, und die Antwort war: Die Landesverwaltungsgerichte strafen so niedrig, deswegen senken wir das Strafausmaß.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 128

Welche Logik dem innewohnt, kann ich nicht verstehen: Wir rauben den Landesverwal­tungsgerichten die Möglichkeit, bei besonders starkem Missbrauch hoch zu strafen. Und jetzt kommt natürlich ein Landesverwaltungsrichter/eine Landesverwaltungsrichterin auf die Idee, sich das zu überlegen, sich das anzuschauen, sich die Genese des Gesetzes anzuschauen, um dann festzustellen: Anscheinend ist es dem Gesetzgeber doch nicht so wichtig, dass das abschreckende Strafen sind, denn er hat sie ja wieder gesenkt.

Also das ist mein Appell, vor allem an die Grünen – vielleicht kommt da eine Besinnung zurück –: Lebensmittelsicherheit ist ein wichtiges Thema für die Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich. Es geht darum, dass sie wissen, was sie essen, und dass da kein Etikettenschwindel passiert. Dass man vor allem die Mindeststrafe in Höhe von 700 Euro für vorsätzliche Täuschung von Konsumenten nicht beibehält, dass man diese streicht, das ist ein wirkliches Armutszeugnis. Das geht besser, da erhoffe ich mir in Zukunft wesentlich mehr von den Grünen – bei der ÖVP glaube ich nicht daran. (Beifall bei der SPÖ.)

16.58


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.


16.58.20

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Präsidentin! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Kollege Obrecht, du hast in einigen Punkten sicherlich recht, die Streichung der Mindeststrafen ist zu hinterfragen, aber auch die Absenkung der Höchststrafen ist zu hinterfragen. Im Endeffekt wissen wir aber ganz genau: In Österreich haben wir die höchste Qualität. (Zwischenruf der Bun­desrätin Hahn.) Wenn man sich anschaut, dass bei 22 000 Kontrollen, die in Österreich im Lebensmittelbereich stattfinden, 99,7 Prozent als unbedenklich beurteilt werden, dann erkennt man, dass das schon ein Zeichen für die hohe Lebensmittelqualität in Ös­terreich ist. Die Produktion wird von der Stalltür bis zum Teller entsprechend streng kon­trolliert – es wird von der Ages kontrolliert, es wird von den Verbänden kontrolliert, es werden die Handelsketten kontrolliert.

Es tut gut, zu wissen, dass Österreich eine sichere Lebensmittelproduktion hat. Wir als ÖVP, auch als Produzenten, als Landwirte werden sicherlich genau darauf schauen, dass, wenn Missstände auftreten, diese entsprechend geahndet werden. Bei diesen kann es jetzt – bisher wurden ja, wie wir auch im Ausschuss erfahren haben, die Höchst­strafen nie ausgeschöpft –, wenn es wie beim Pferdefleischskandal strafrechtlich rele­vant ist – da ist ja eine andere Instanz zuständig –, auch zu Gefängnisstrafen kommen, und somit können wir, die ÖVP, auch diesem Beschluss, diesem Gesetz zustimmen.

Ich kann nur darum bitten und unseren Österreicherinnen und Österreichern sagen: Ver­trauen Sie auf die österreichische Lebensmittelproduktion! Wir wissen, in der Pandemie waren wir diejenigen, die die Lebensmittelversorgung sichergestellt haben, denn die Transporte sind im internationalen Verkehr nicht mehr gelaufen. Wir als Landwirtschaft können sicherstellen, dass Österreich in Zukunft mit regionalen, gesunden und nachhal­tigen Lebensmitteln versorgt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Thema Lebensmittel bringt mich zwar zum Schluss meiner Rede, aber zum Dank an unseren scheidenden Präsidenten Raggl. Ich bin froh, dass du den ländlichen Raum als Präsident in diesem Haus so vertreten hast und auch das Programm der Präsident­schaften deiner Vorgänger fortgesetzt hast. Du hast sicherlich einen Eindruck hinterlas­sen, du hast Spuren hier in diesem Hohen Haus als Präsident hinterlassen. Du bist ein menschlicher Typ. Du bist einer, der auch wirklich weiß, wo es in Tirol fehlt, aber auch, wo es in Österreich fehlt. Dafür möchte ich dir recht herzlich danken, und ich wünsche dir auch weiterhin im Bundesrat alles Gute.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 129

Ich schätze den Bundesrat, ich war jetzt drei Jahre im Landtag, bin wieder zu euch zu­rückgekommen. Ich wünsche mir auch weiterhin eine gute Zusammenarbeit und be­danke mich auch im Namen unseres Fraktionsvorsitzenden Karl Bader bei dir und deiner Familie, denn sie hat sicherlich viel opfern müssen in der Zeit, in der du die Präsident­schaft innehattest, hat aber auch deine Leistungen anerkannt. Danke schön! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Hinter mir ist die incoming Präsidentin. Der Wanderpokal, der Schlüssel des Bundes­rates geht durch einen Tunnel nach Vorarlberg. Du hast sicherlich große Vorbilder, die vor dir die Präsidentschaft im Bundesrat innehatten – ob das Jürgen Weiss ist oder Ed­gar Mayer. Alle haben für ein solch kleines Bundesland große Spuren hinterlassen. Ich bin mir sicher, auch du, liebe Christine, wirst deinen Weg hier im Bundesrat machen, du wirst Spuren hinterlassen. Wie ich die Vorarlberger kenne, werden es auch wieder ent­sprechend große Spuren sein, die du im nächsten halben Jahr hinterlassen wirst. Das Thema der Pandemie wird auch dich begleiten, aber du wirst die Chancen nutzen.

Ich hoffe, dass das Klima im Bundesrat so, wie es vor drei Jahren war, wieder zu­rückkehrt, dass wir wieder auf einem Niveau diskutieren, bei dem sich alle nachher in die Augen schauen können. Das ist wichtig für uns, denn der Bundesrat ist die Län­derkammer. In den Ländern haben wir verschiedene Konstellationen: In dem einen Bun­desland sind Grün, NEOS und ÖVP zusammen, in anderen SPÖ und ÖVP. Wir in Ober­österreich sind mit den Freiheitlichen in einer Kooperation. Dadurch wird es wichtig sein, hier die Länderinteressen nicht zu vergessen, sondern diese entsprechend mitzutragen.

Ich wünsche dir, liebe Christine, alles Gute für deinen Weg als Präsidentin. Für das Ländle, aber auch für den Bundesrat viel Erfolg und alles Gute! Wie gesagt, jetzt noch eine kurze, ruhige Weihnachtszeit, Gesundheit euch allen für die kommenden anstren­genden Monate und Jahre, die uns sicherlich bevorstehen. In diesem Sinne: Glück auf! Eine ruhige Weihnachtszeit und eine gesunde Rückkehr hier in den Bundesrat! Ein Dan­keschön an euch alle! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Im Namen unseres Fraktionsvorsitzenden Karl Bader und auch persönlich will ich diese Dankesworte aussprechen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.03


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Kollege Tiefnig.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm dieses.


17.04.02

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Hohes Haus! Lie­be Österreicher! Ja, die derzeitigen Kontrollen in den Schlachthöfen sind ja den Amtstier­ärzten vorbehalten. Ich sage, mit dieser Anpassung, dass auch geschultes Personal zu­künftig diese Kontrollen vornehmen darf, habe ich schon auch die Befürchtung, dass die Qualität in den Zerlegebetrieben sinken wird.

Die Senkung des Strafrahmens schaut für mich nach Konzernpolitik aus. Ich sage, die Österreicher haben einfach einen Anspruch und haben höchste Qualität verdient. Wenn sich die Konzerne an diese Spielregeln halten, dann werden sie auch nicht mit Höchst­strafen belegt werden. Wie wir auch im Ausschuss gehört haben – es ist heute schon erwähnt worden –, sind diese Höchststrafen ja auch so gut wie nie ausgesprochen wor­den.

Aber im Zusammenhang mit der hohen Qualität unserer Lebensmittel darf ich schon auch darauf verweisen, dass die Preissteigerungen in unserem Land, wenn wir in die Supermarktregale schauen, in der Vergangenheit schon eklatant gewesen sind. Das, was ich aber auch sehe, ist, dass bei den Produzenten, nämlich bei unserer kleinbäuerli­chen Landwirtschaft, so gut wie nichts davon ankommt. Die hat deswegen keinen Cent


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 130

mehr. Das würde jetzt bei diesem Tagesordnungspunkt wahrscheinlich zu weit führen, aber wir werden uns ja in einer der nächsten Sitzungen wieder über den Grünen Bericht unterhalten; ich glaube, dort passt das dann besser dazu.

Ich wünsche auch allen ein frohes Weihnachtsfest. Bleibt gesund! Einen guten Rutsch ins neue Jahr! Wir sehen uns im Jahr 2022. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

17.05


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses.


17.06.03

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist die letzte Sitzung vor Weihnachten und ich glaube, da steht es uns gut an, Danke zu sagen. Ich darf das im Namen der sozialdemokratischen Fraktion tun, Danke all jenen zu sagen, die uns hier im Haus unterstützen, ohne die dieses Haus nicht funktionieren würde und ohne die unsere Arbeit nicht funktionieren würde. Vielen Dank an jene, die die Reinigung übernehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Es ist in Coronazeiten gar nicht einfach, die Hygienekon­zepte einzuhalten. Vielen Dank an die Kollegen des Saaldienstes. Vielen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klubs.

Ich wünsche allen ein frohes Weihnachtsfest, geruhsame Tage – auch allen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat. Niemand wird negativ bedacht, Kollege Steiner. (Bundesrat Steiner: Ja, ich hoffe!) Niemand ist so von Bedeutung, dass wir negative Gedanken an ihn verwenden würden, sondern es gilt für alle: ein schönes Weihnachtsfest (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ), eine positive Zeit, einen guten Rutsch in ein neues Jahr und alles, alles Gute! Nächstes Jahr mit neuem Schwung und hoffentlich alle noch gesund. (Bundesrat Steiner: Da bin ich mir nicht so sicher!) – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

17.07


17.07.16

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelsicherheits- und Verbrau­cherschutzgesetz und das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EU-Qualitätsregelungen-Durchfüh­rungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 131

17.08.4126. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Tierseuchengesetz geändert wird (2062/A und 1278 d.B. sowie 10825/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um den Bericht.


17.09.02

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine ge­schätzten Damen und Herren! Herr Gesundheitsminister! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 20. Dezember 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Meine Abschlussworte für diese Sitzung, für dieses Jahr: Frohe Weihnachten, einen gu­ten Rutsch, und bleiben Sie gesund! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)


17.09.40

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

17.10.1327. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ord­ner/innen für das 1. Halbjahr 2022


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Mit 1. Jänner 2022 geht der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Vorarlberg über. Gemäß Art. 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ist die an erster Stelle entsendete Vertreterin dieses Bundeslandes, Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs – also ich –, zum Vorsitz berufen. Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halb­jahr neu zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 132

Wahl der Vizepräsidenten/innen


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich werde die Wahl der beiden Vi­zepräsidenten/innen durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl der ersten zu wäh­lenden Vizepräsidentin beziehungsweise des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Günther Novak lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrat Günther Novak bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

*****

Ich gratuliere und freue mich auf die Zusammenarbeit! (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl der zweiten zu wählenden Vizepräsidentin beziehungs­weise des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der ÖVP-Frak­tion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Sonja Zwazl lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

*****

(Bundesrätin Sonja Zwazl bedankt sich und nimmt die Wahl an.)

*****

Herzliche Gratulation auch von meiner Seite! Ich freue mich auf die Zusammenarbeit! (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Schriftführer/innen


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner, Andreas Arthur Spanring, Günter Kovacs und Johanna Miesenberger für das 1. Halbjahr 2022 zu Schriftführerinnen beziehungs­weise zu Schriftführern des Bundesrates zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 133

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner, Andreas Arthur Spanring, Günter Kovacs und Johanna Miesenberger bedanken sich und nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)

*****

Wahl der Ordner/innen


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir kommen nunmehr zur Wahl der Ordnerinnen beziehungsweise Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Dr. Peter Raggl, Elisabeth Grimling, Josef Ofner und Claudia Hauschildt-Buschberger für das 1. Halbjahr 2022 zu Ordnerinnen beziehungsweise Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

*****

(Die BundesrätInnen Dr. Peter Raggl, Elisabeth Grimling, Josef Ofner und Claudia Hauschildt-Buschberger bedanken sich und nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Bei­fall.)

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.


17.15.30Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Es liegt mir ein schriftliches Verlan­gen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 26 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnungspunkte 1 bis 3:

Die Bundesräte Andrea Kahofer, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 3 einen Ent­schließungsantrag ein.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 134

Abstimmungen:

TOP 1: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

TOP 2: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

TOP 3: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 4:

Die Bundesräte Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen bringen einen Ent­schließungsantrag ein.

TOP 4: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 5:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen, wird bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates (und zwar mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit) ange­nommen.

Tagesordnungspunkt 6:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 7:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 8:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 9:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 10 und 11:

Abstimmungen:

TOP 10: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

TOP 11: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 12:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 13:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 14 bis 17:

Die Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen bringen zu TOP 16 einen Entschließungsantrag ein.

Abstimmungen:

TOP 14: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 135

TOP 15: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

TOP 16: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag wird abgelehnt.

TOP 17: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 18 bis 22:

Die Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschließungsantrag Beilage 21/1 EA ein.

Die Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschlie­ßungsantrag Beilage 21/2 EA ein.

Abstimmungen:

TOP 18: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

TOP 19: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

TOP 20: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

TOP 21: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Der Entschließungsantrag Beilage 21/1 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 21/2 EA wird abgelehnt.

TOP 22: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 23:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkte 24 und 25:

Abstimmungen:

TOP 24: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

TOP 25: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.

Tagesordnungspunkt 26:

Abstimmung: Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen.“

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Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amtli­chen Protokolls? – Es ist dies nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 26 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als ge­nehmigt.

Einlauf


Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 3977/J-BR/2021 bis 3980/J-BR/2021, eingebracht wurden.

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BundesratStenographisches Protokoll936. Sitzung, 936. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2021 / Seite 136

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 3. Februar 2022, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 1. Februar 2022, 14 Uhr, vorge­sehen.

Ich wünsche allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch.

Die Sitzung ist geschlossen. (Allgemeiner Beifall.)

17.21.18Schluss der Sitzung: 17.21 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien