Stenographisches Protokoll

77. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 11., und Donnerstag, 12. Juni 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

77. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 11., und Donnerstag, 12. Juni 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 11. Juni 1997: 9.02 – 24.00 Uhr

Donnerstag, 12. Juni 1997: 0.00 – 2.19 Uhr

*****

Tagesordnung

(Ergänzung der Tagesordnung siehe bitte S. 43)

1. Punkt: Fremdengesetz 1997 – FrG und Asylgesetz 1997 – AsylG sowie die Anträge

5/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Novellierung der Fremdengesetze,

17/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 31. Juli 1992 betreffend die Regelung des Aufenthalts von Fremden in Österreich, BGBl. Nr. 466/1992, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 351/1995, geändert wird, und

19/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 31. Juli 1992 betreffend die Regelung des Aufenthalts von Fremden in Österreich, BGBl. Nr. 466/1992, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 351/1995, geändert wird, und

die Petition Nr. 8 betreffend "Solidarität mit den Opfern des österreichischen Asylgesetzes", überreicht von der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG)

2a. Punkt: Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 196/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird


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77. Sitzung / Seite 2

5. Punkt: Bericht über den Antrag 216/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden soll

6. Punkt: Bericht über den Antrag 217/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 218/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit der Teilarbeitslosigkeit

8. Punkt: Bericht über den Antrag 305/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Schaffung einer "ewigen Anwartschaft" in der Arbeitslosenversicherung

9. Punkt: Bericht über ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, und über den

Antrag 239/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 geändert wird, und über den

Antrag 391/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung

10. Punkt: Bericht über den Antrag 458/A der Abgeordneten Franz Hums, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Bahn-Betriebsverfassungsgesetz – BBVG

11. Punkt: Viertes Zusatzabkommen zum Abkommen von 15. November 1967 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 127/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Einführung einer Abgabe auf Pestizide

14. Punkt: Wasserrechtsgesetz-Novelle 1996 – WRG-Nov. 1996

15. Punkt: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Gewässerschutzbericht 1996

16. Punkt: Bericht über den Antrag 334/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird

17. Punkt: Bericht über den Antrag 335/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird


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77. Sitzung / Seite 3

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden

21. Punkt: Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972

22. Punkt: Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 18

Ordnungsrufe 294

Geschäftsbehandlung

Einwendungen der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt gegen die Tagesordnung gemäß § 50 der Geschäftsordnung 18

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung 18

Redner:

Dr. Volker Kier 18

Dr. Andreas Khol 19

Mag. Johann Ewald Stadler 19

Dr. Peter Kostelka 20

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 21

Mag. Dr. Heide Schmidt 22

Mag. Terezija Stoisits 23

Einwendungen finden keine Mehrheit 24

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend erforderliches Quorum bei der Abstimmung über Einwendungen gegen die Tagesordnung 23

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2225/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 43

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 160

Redner:

Mares Rossmann 160

Rudolf Parnigoni 163

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 164

Mag. Gilbert Trattner 165

Mag. Helmut Peter 167

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 168

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der Veräußerung der Bundesanteile an der CA-BV an die BA gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 277


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77. Sitzung / Seite 4

Bekanntgabe 43

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 43

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 277

Dr. Johannes Jarolim 280

Dr. Hans Peter Haselsteiner 282

Dr. Andreas Khol 284

Ing. Wolfgang Nußbaumer 284

Ablehnung des Antrages 285

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Dr. Andreas Khol , den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (693 d. B.): Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens (757 d. B.) auf die Tagesordnung dieser Sitzung zu setzen – Annahme 43, 44

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 44

Antrag der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten, insbesondere ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben, wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet, erteilt wurden, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 286

Bekanntgabe 93

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 93

Redner:

Rudolf Anschober 286

Dr. Harald Ofner 289

Hans Helmut Moser 290

Dr. Franz Löschnak 291

Mag. Doris Kammerlander 292

Ablehnung des Antrages 294

Unterbrechung der Sitzung 114

Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung – Ablehnung 285

Verlangen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler auf Erteilung eines Ordnungsrufes 281

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder zum Verlangen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler auf Erteilung eines Ordnungsrufes 282


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77. Sitzung / Seite 5

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka zum Verlangen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler auf Erteilung eines Ordnungsrufes sowie Verlangen auf Erteilung eines Ordnungsrufes 282

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol zum Verlangen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler auf Erteilung eines Ordnungsrufes 282

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder zu den Verlangen auf Erteilung eines Ordnungsrufes 282

Aktuelle Stunde (15.)

Thema: "Soll man den Strafverfolgungsbehörden in ihrem derzeitigen Zustand (freie Ausreise der Kurdenmörder, Ermittlungspannen bei den Briefbombenattentätern) Rasterfahndung und Lauschangriff zur Verfügung stellen?"

Redner:

Rudolf Anschober 24

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 26

Mag. Terezija Stoisits 28

Dr. Willi Fuhrmann 29

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 30

Mag. Johann Ewald Stadler 31

Mag. Dr. Heide Schmidt 33

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 34

Helmut Dietachmayr 35

Paul Kiss 37

Dr. Jörg Haider 38

Dr. Volker Kier 40

Ausschüsse

Zuweisungen 42

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend jahrelange Versäumnisse in der Bildungspolitik und die Kostenexplosion im Schulbereich (2569/J) 115

Begründung: Mag. Dr. Heide Schmidt 123

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 127

Debatte:

Maria Schaffenrath 132

Dr. Dieter Antoni 134

Mag. Dr. Josef Höchtl 136

Dr. Hans Peter Haselsteiner (tatsächliche Berichtigung) 138

Mag. Karl Schweitzer 139

Karl Öllinger 141

Dr. Volker Kier 144

DDr. Erwin Niederwieser 146

Dr. Gertrude Brinek 148

Mag. Dr. Udo Grollitsch 150

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 152

Dr. Martina Gredler 154


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77. Sitzung / Seite 6

Dr. Robert Rada 155

Johann Schuster 156

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 15


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77. Sitzung / Seite 7

7

Dr. Christa Krammer 159

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlagen (685 d. B.): Fremdengesetz 1997 – FrG und (686 d. B.): Asylgesetz 1997 – AsylG sowie die Anträge

5/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Novellierung der Fremdengesetze,

17/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 31. Juli 1992 betreffend die Regelung des Aufenthalts von Fremden in Österreich, BGBl. Nr. 466/1992, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 351/1995, geändert wird, und

19/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 31. Juli 1992 betreffend die Regelung des Aufenthalts von Fremden in Österreich, BGBl. Nr. 466/1992, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 351/1995, geändert wird, und

die Petition Nr. 8 betreffend "Solidarität mit den Opfern des österreichischen Asylgesetzes", überreicht von der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits

(755 und Zu 755 d. B.) 44

2. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG) (756 d. B.) 44

2a. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (693 d. B.): Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens (757 d. B.) 45

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (689 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (717 d. B.) 45

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 196/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (718 d. B.) 45

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 216/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden soll (719 d. B.) 45

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 217/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (720 d. B.) 45

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 218/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit der Teilarbeitslosigkeit (721 d. B.) 45

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 305/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Schaffung einer "ewigen Anwartschaft" in der Arbeitslosenversicherung (722 d. B.) 45

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 45

Anton Leikam 47

Dr. Volker Kier 50, 95

Paul Kiss 59

Mag. Terezija Stoisits 61

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung) 66

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 66

Emmerich Schwemlein 69

Wolfgang Jung 71

Dr. Gottfried Feurstein 76

Hans Helmut Moser 78

Annemarie Reitsamer 82

Karl Öllinger 84

Bundesministerin Eleonora Hostasch 87

Günther Platter 89

Herbert Scheibner 91

Anton Gaál 93

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 96

Mag. Doris Kammerlander 98

Dr. Elisabeth Hlavac 106

Edith Haller 107

Karl Freund 108

Mag. Herbert Haupt 110

Günter Kiermaier 111

Franz Lafer 112

Walter Murauer 113

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 169

Marianne Hagenhofer 174

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) 175

Dr. Karl Maitz 175

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 176

Matthias Achs 177

Theresia Haidlmayr 179

Annahme der Gesetzentwürfe in 755 und Zu 755, 756 und 717 d. B. 180

Genehmigung des Staatsvertrages in 757 d. B. 199

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 199

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 718, 719, 720, 721 und 722 d. B. 199

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 719 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Begutachtung der Frage des passiven Wahlrechts für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (E 59) 200

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 720 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Begutachtung der Frage des passiven Wahlrechts für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (E 60) 200


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77. Sitzung / Seite 8

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Vorlage eines Berichts über den Vollzug des Fremden- und des Asylantrags – Ablehnung 81, 198

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Mindeststandards für ein einheitliches materielles Asylrecht in der EU – Ablehnung 81, 199

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung eines Kontingents für Au-pairs in Ländern, die nicht dem EWR angehören – Ablehnung 95, 199

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (697 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, und

über den Antrag 239/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 geändert wird, und

über den Antrag 391/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung

(723 d. B.) 200

Redner:

Reinhart Gaugg 20


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77. Sitzung / Seite 9

1

Erhard Koppler 203

Mag. Helmut Peter 204

Ridi Steibl 207

Karl Öllinger 208

Heidrun Silhavy 209

Sigisbert Dolinschek 211

Bundesministerin Eleonora Hostasch 213

Mag. Dr. Josef Trinkl 215

Maria Schaffenrath 216

Dr. Christa Krammer 218

Edeltraud Gatterer 219

Winfried Seidinger 221

Annahme des Gesetzentwurfes in 723 d. B. 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen betreffend umfassende Attraktivierung der Lehre – Ablehnung 202, 224

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 458/A der Abgeordneten Franz Hums, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Bahn-Betriebsverfassungsgesetz – BBVG (724 d. B.) 224

Redner:

Josef Meisinger 224

Franz Hums 225

Dr. Volker Kier 227

Mag. Helmut Kukacka 227

Karl Öllinger 229

Robert Sigl 230

Reinhart Gaugg 231

Annahme des Gesetzentwurfes in 724 d. B. 232

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (611 d. B.): Viertes Zusatzabkommen zum Abkommen vom 15. November 1967 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit (725 d. B.) 232

Genehmigung des Staatsvertrages in 725 d. B. 233

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (700 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird (726 d. B.) 233

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 127/A (E) der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Einführung einer Abgabe auf Pestizide (731 d. B.) 233

Redner:

Ing. Mathias Reichhold 233

Georg Schwarzenberger 235

Mag. Thomas Barmüller 236

Heinz Gradwohl 238

Franz Koller 238

Annahme des Gesetzentwurfes in 726 d. B. 239

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 731 d. B. 240

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (321 d. B.): Wasserrechtsgesetz-Novelle 1996 – WRG-Nov. 1996 (727 d. B.) 240

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (III-72 d. B.) über den Gewässerschutzbericht 1996 (728 d. B.) 240

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 334/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (729 d. B.) 240

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 335/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (730 d. B.) 240

Redner:

Anna Elisabeth Aumayr 240

Jakob Auer 242

Mag. Thomas Barmüller 244

Rainer Wimmer 246

Ing. Monika Langthaler 247

Karlheinz Kopf 249

Ing. Mathias Reichhold 251

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 252

Dr. Stefan Salzl 253

Rudolf Schwarzböck 254

Robert Wenitsch 254

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 256


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77. Sitzung / Seite 10

Katharina Horngacher 257

Ing. Gerald Tychtl 258

Franz Kampichler 260

Otmar Brix 260

Hermann Kröll 261

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 261

Annahme des Gesetzentwurfes in 727 d. B. 26


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77. Sitzung / Seite 11

2

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 727 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Überarbeitung des Wasserrechtsgesetzes hinsichtlich der Wassergenossenschaften und -verbände (E 61) 263

Kenntnisnahme des Berichtes III-72 d. B. 263

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 729 und 730 d. B. 263

18. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (680 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (747 d. B.) 264

Redner:

Ing. Mag. Erich L. Schreiner 264

Anna Huber 265

Mag. Gilbert Trattner 266

Mag. Dr. Josef Höchtl 267

Dr. Hans Peter Haselsteiner 268

Dr. Alfred Gusenbauer 269

Bundesminister Rudolf Edlinger 270

Annahme des Gesetzentwurfes in 747 d. B. 270

19. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (670 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird (750 d. B.) 271

Rednerin:

Theresia Haidlmayr 271

Annahme des Gesetzentwurfes in 750 d. B. 272

20. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (666 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (751 d. B.) 272

Redner:

Hermann Böhacker 272

Mag. Herbert Kaufmann 273

Dr. Hans Peter Haselsteiner 274

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 274

Mag. Cordula Frieser 275

Annahme des Gesetzentwurfes in 751 d. B. 276

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (584 d. B.): Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972 (748 d. B.) 276

22. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (649 d. B.): Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen (749 d. B.) 276

Genehmigung der Staatsverträge in 748 und 749 d. B. 276

Beschlußfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 276

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 41

692: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993) geändert wird

701: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

707: Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs, 1946

708: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird

709: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden

712: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (19. KFG-Novelle), die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden

713: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. StVO-Novelle geändert werden (20. StVO-Novelle)

714: Führerscheingesetz – FSG

734: Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997

736: Privatisierungsgesetz

737: Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Bundessozialämtergesetz geändert werden

739: Bundesgesetz, mit dem das Tiertransportgesetz-Luft geändert wird

740: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird

741: Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997 (BGzLV 1997)

743: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung und zum Schutz der Umwelt im Ausland (Umweltförderungsgesetz – UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, sowie das Bundesgesetz über die Förderung des Wasserbaues aus Bundesmitteln (Wasserbautenförderungsgesetz 1985 –


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77. Sitzung / Seite 12

WBFG), BGBl. Nr. 148/1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 516/1994, geändert werden

744: Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD)

745: Bundesgesetz betreffend die Ermächtigung zum Verzicht auf Darlehensforderungen aus der bilateralen Entwicklungshilfegebarung des Bundes gegenüber Entwicklungsländern

746: Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird

758: Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

Bericht 43

III-89: Außenpolitischer Bericht 1996; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend die schrittweise Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Ökologisierung des Steuersystems (475/A) (E)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz zur Refinanzierung einer kontinuierlichen Absenkung der Lohnnebenkosten, mit dem das Elektrizitätsabgabegesetz, das Erdgasabgabegesetz und das Energieabgabenvergütungsgesetz (Artikel 60, 61 und 62 des Strukturanpassungsgesetzes 1996) geändert werden (476/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Arbeitslosenversicherung, Wegfall der Einkommensanrechnung bei Notstandshilfeleistungen (477/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) und das Karenzgeldgesetz (KGG) geändert werden; Karenzgeld und Teilzeitbeihilfe für Alleinstehende bis zum zweiten Geburtstag des Kindes, Karenzgeld bei Teilzeitbeschäftigung maximal bis zum vierten Geburtstag des Kindes (478/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Pensionsreform (479/A) (E)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen betreffend eine Berichtlegungspflicht aller Betriebe zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie zur Förderung von Frauen und die Sanktionierung einer Verletzung dieser Pflicht durch Nichtberücksichtigung bei der öffentlichen Auftragsvergabe sowie bei der Vergabe von öffentlichen Förderungen (480/A) (E)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen (481/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates, BGBl. 410/1975 (Geschäftsordnungsgesetz 1975), zuletzt geändert durch BGBl. 438/1996, geändert wird (Geschäftsordnungsnovelle 1997) (482/A)


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77. Sitzung / Seite 13

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Neuorganisation der Außenhandelsstellen (483/A) (E)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tauernautobahnfinanzierungsgesetz vom 6. März 1969, in der geltenden Fassung, geändert wird (484/A)

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend Strukturreform des dualen Berufsbildungssystems (485/A) (E)

Dr. Andreas Khol, Dr. Ewald Nowotny und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria Aktiengesellschaft (486/A)

Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird (487/A)

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler, Ing. Kurt Gartlehner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 1997 bewilligt werden (Budgetüberschreitungsgesetz 1997 – BÜG 1997) (488/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend eine Strafanzeige gegen die Österreichische Hochschülerschaft wegen Überschreitung des gesetzmäßigen Wirkungskreises und der rechtswidrigen Verwendung von Geldern der Österreichischen Hochschülerschaft zu politischen Kampfmaßnahmen gegen eine verfassungsgemäße Veranstaltung (2546/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend den Ankauf einer Laboreinrichtung für die Universität Wien "Neue Chemie" (2547/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Besetzung des österreichischen Kulturattachés in Moskau (2548/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Bewachung von Munitionslagern des Bundesheeres (2549/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Standortfrage für das EU-Großforschungsprojekt "Euro-Cryst" (2550/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Gewalt gegen einen österreichischen Diplomaten in Warschau (2551/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend EU-Fördergelder für das Ziel-1-Gebiet Burgenland (2552/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend EU-Fördergelder für das Ziel-1-Gebiet Burgenland (2553/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die "Plünderungen internationaler Hilfeleistungen" durch Zaires Präsident Mobutu (2554/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend den Neubau der österreichischen Botschaft in Berlin (2555/J)


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77. Sitzung / Seite 14

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Anbringung von Gedenktafeln (2556/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Rasterfahndung (2557/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend staatliche Fluchthilfe für Staatsterroristen (2558/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend staatlich organisierte Fluchthilfe für Staatsterroristen (2559/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Rolle des jetzigen Bundespräsidenten im Skandal um das Entkommenlassen der Kurdenmörder von Wien (2560/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend staatliche Fluchthilfe für Staatsterroristen (2561/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend staatlich organisierte Fluchthilfe für Staatsterroristen (2562/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Finanzierung von "Alternativschulen" (2563/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundeskanzler betreffen Fluchthilfe für Staatsterroristen (2564/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Umsatzsteuer auf Mieten (2565/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Postenbesetzung in der Oesterreichischen Nationalbank (2566/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Postenbesetzung in der Oesterreichischen Nationalbank (2567/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Postenbesetzung in der Oesterreichischen Nationalbank (2568/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend jahrelange Versäumnisse in der Bildungspolitik und die Kostenexplosion im Schulbereich (2569/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend "Explosion" der Nachhilfestunden (2570/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Anfragebeantwortung 2180/AB (2571/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend "Service" des Arbeitsmarktservice (2572/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Ankündigungen von 2 000 zusätzlichen Lehrstellen bis Ende Mai (2573/J)


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77. Sitzung / Seite 15

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Auswirkungen des Pensionssplittings (2574/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend B 229 (2575/J)

Hermann Mentil und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Festlegung der Trasse einer transeuropäischen Hochleistungseisenbahn im Streckenabschnitt St. Pölten – Wien (2576/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Studienbeihilfegesetz (2577/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend "Nahverkehrsschiene Salzburg-Stadt – Freilassing" (2578/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Begleitstudie zum Pflegegeldgesetz (2579/J)

Robert Wenitsch und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Veräußerung des "Weingutes Oberkirchen" EZZ 5 und 3315, GB 04550 Gainfarn (2580/J)

Josef Edler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Veranstaltungen der F in Wien – Organisation und Kosten des Polizeischutzes (2581/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundeskanzler betreffend bundeseinheitliche Vollziehung von Gesetzen und internationalen Übereinkommen (2582/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Deponieverordnung (2583/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Aus für Kärntner Mühlen?" (2584/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2220/AB zu 2233/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (2221/AB zu 2240/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (2222/AB zu 2265/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Maria Schaffenrath und Genossen (2223/AB zu 2334/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen (2224/AB zu 2321/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mares Rossmann und Genossen (2225/AB zu 2323/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2226/AB zu 2290/J)


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77. Sitzung / Seite 16

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen (2227/AB zu 2235/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen (2228/AB zu 2236/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (2229/AB zu 2238/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (2230/AB zu 2261/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (2231/AB zu 2264/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (2232/AB zu 2284/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mares Rossmann und Genossen (2233/AB zu 2312/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (2234/AB zu 2253/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (2235/AB zu 2282/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (2236/AB zu 2244/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (2237/AB zu 2266/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (2238/AB zu 2270/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer und Genossen (2239/AB zu 2287/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (2240/AB zu 2297/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dkfm. DDr. Friedrich König und Genossen (2241/AB zu 2324/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (2242/AB zu 2341/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2243/AB zu 2257/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2244/AB zu 2258/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Paul Kiss und Genossen (2245/AB zu 2249/J)


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77. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (2246/AB zu 2259/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger und Genossen (2247/AB zu 2268/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Paul Kiss und Genossen (2248/AB zu 2248/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (2249/AB zu 2237/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Günther Platter und Genossen (2250/AB zu 2247/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen (2251/AB zu 2256/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2252/AB zu 2338/J)


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77. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 77. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 76. Sitzung vom 5. Juni 1997 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer, Dr. Preisinger, Dr. Van der Bellen und Wabl.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Schmidt gemeldet. – Bitte sehr.

Einwendungen gegen die Tagesordnung

9.02

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte mich namens meiner Fraktion gegen die vorliegende Tagesordnung aussprechen. Tagesordnungspunkt 2 entspricht nicht der Akkordierung in der Präsidiale.

Als wir in der Präsidiale die Tagesordnung erstellt haben, war das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat nicht Gegenstand, und ich möchte mich darauf verlassen können – das war bisher der Fall –, daß das, was ausgemacht ist, dann auch auf der Tagesordnung steht. Es wurde später in einer Rundlauf-Präsidiale um Zustimmung zur Frage ersucht, ob dieser Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung genommen werden soll. (Abg. Mag. Stadler: Nicht einmal Rundlauf!) Die Liberalen haben dazu nicht die Zustimmung gegeben – aus diesem Grund unser Einspruch; wir möchten ihn gern näher begründen. Ich er-suche daher, darüber eine Debatte durchzuführen. (Abg. Mag. Stadler: Es gab keine Rundlauf-Präsidiale!)

9.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Im Sinne des § 50 der Geschäftsordnung überlasse ich die Entscheidung in dieser Frage dem Nationalrat in Form einer Abstimmung.

Es wurde eine Debatte beantragt. Ich gebe diesem Antrag statt. – Die maximale Redezeit beträgt 5 Minuten; die Zahl der Redner pro Fraktion maximal drei. – Herr Abgeordneter Khol, wollten Sie noch etwas sagen? – Nein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier.

9.04

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Einwendungen, die wir gegen die Tagesordnung erheben, beruhen darauf, daß wir, insbesondere seit wir bemerkt haben, daß mit Minderheiten- und Kontrollrechten in diesem Haus doch recht unsensibel umgegangen wird – das erhellt sich deutlich an der Vorgangsweise hinsichtlich der Untersuchungsausschüsse, die die Oppositionsparteien beantragt haben, insbesondere des Untersuchungsausschusses zu den Kurden-Morden –, einfach wirklich gut beraten und dazu angehalten sind, die Geschäftsordnung und auch die Usancen dieses Hauses auf Punkt und Beistrich zu beobachten und auf ihre Einhaltung zu achten.

Tagesordnungspunkt 2, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, ist nicht geschäftsordnungsgemäß auf die Tagesordnung geraten. Es wurde zwar vom Ausschuß ein


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77. Sitzung / Seite 19

entsprechender Antrag gestellt, weil sich in den Ausschußberatungen ergeben hat, daß diese Materie in einem gesonderten Gesetz geregelt werden soll, und es war an und für sich bisher Usance, daß solch eine Materie dann auf die Tagesordnung der nächstfolgenden beziehungsweise einer dafür geeigneten Sitzung gesetzt wurde, wenn sie im Zusammenhang mit anderen Materien zu besprechen war, aber das erfolgte bisher immer im Wege über das Einvernehmen in der Präsidiale. Andernfalls handelt es sich nämlich um eine nachträgliche Änderung der Tagesordnung, um eine Ergänzung der Tagesordnung, und diese bedarf der Zweidrittelmehrheit dieses Hauses.

Ich halte fest, daß es aus der Sicht unserer Fraktion nicht tragbar ist, daß sozusagen auf kurzem Wege eine Tagesordnung in dieser Form entwickelt wird. Unsere Position dürfte wohl auch der Auffassung des Präsidiums unseres Hauses entsprechen, andernfalls hätte man sich ja nicht um die Herstellung des Einvernehmens in der Präsidiale bemüht.

Ich ersuche daher wirklich, zur Wahrung der Form, zur Beachtung der Geschäftsordnung und zur angemessenen Respektierung der Rechte der Minderheitsfraktionen in einer ordentlichen Form vorzugehen. Es mag Ihnen das vielleicht kleinlich erscheinen, wenn ich gleichzeitig erwähne, daß wir in der Sache in dieser Materie durchaus einen Fortschritt erkennen, der zur Debatte steht, aber wir sind der Meinung, daß nicht nur deswegen, weil uns eine Materie inhaltlich gefällt, die Formen verletzt werden sollten. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Anschober. )

9.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Gleiche Redezeit: 5 Minuten.

9.06

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Liberale Forum erhebt Einwendungen gegen die Tagesordnung, und zwar formell dagegen, daß das sogenannte Dubliner Abkommen auf die Tagesordnung gesetzt wird, materiell aber dagegen, daß wir ein Gesetz (Abg. Dr. Schmidt: Bundesasylsenat!) über die Einrichtung eines Bundesasylsenates als sogenannten Ausschußantrag – §-27-Antrag – auf die Tagesordnung setzen. Frau Kollegin Schmidt! Ich lese Ihnen den § 27 der Geschäftsordnung vor:

"Jeder Ausschuß hat das Recht, Selbständige Anträge auf Erlassung von Gesetzen zu stellen, die mit dem im Ausschuß behandelten Gegenstand in inhaltlichem Zusammenhang stehen, und hierüber gemäß § 42 einen Bericht zu erstatten."

Wir haben das Asylgesetz im Ausschuß beraten – es haben nicht wir zu verantworten, daß Sie in diesem Ausschuß nicht vertreten waren. Wir haben im Rahmen der Beratungen des Asylgesetzes festgestellt, daß nur dann, wenn ein Asylsenatsgesetz beschlossen wird, dieser besondere, qualitativ hochstehende Rechtsschutz schnell in die Praxis umgesetzt werden kann. Daher hat der Ausschuß ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. ) – Kollege Barmüller! Wenn Ihnen das ein so großes Anliegen ist, dann wären Sie doch in den Ausschuß gekommen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da wir festgestellt haben, daß dieses Gesetz notwendig ist, um den qualitativ hochstehenden Rechtsschutz schnell zu verwirklichen, hat der Ausschuß von seinem Recht Gebrauch gemacht, gemäß § 27 einen Gesetzesantrag zu stellen. Wir sind daher der Meinung, daß wir den Einwendungen gegen die Tagesordnung, die sich formell gegen einen anderen Punkt richten, nämlich das Abkommen von Dublin, aber auch in diesem Fall nicht beitreten. (Beifall bei der ÖVP.)

9.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Gleiche Rechtsvorschrift.

9.09

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Vor einer Woche haben wir bereits beklagt, daß dem Parlament die zweite wichtige Aufgabe neben


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77. Sitzung / Seite 20

der Gesetzgebung, nämlich die Kontrolle – Kollege Kier hat schon darauf hingewiesen –, verweigert wird. Es wird dem Parlament die Kontrollaufgabe verunmöglicht. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß man das Parlament schon seit Jahren – genaugenommen seit Existenz dieser großen Koalition – zu einer Gesetzgebungsmaschine verkommen läßt.

Herr Kollege Khol! Sie irren, wenn Sie Frau Kollegin Schmidt vorhalten, daß der § 27 folgendes regelt: Ein Selbständiger Antrag wird im Ausschuß eingebracht, und dieser Selbständige Antrag, das ist ein Recht des Nationalrates, wird dann dem Hohen Haus zugeleitet. – Ich werde Ihnen zeigen, wie dieser Selbständige Antrag ausschaut.

Dieser Selbständige Antrag schaut so aus (der Redner zeigt ihn), daß am 5. Juni 1997 um 7 Uhr früh ein fertiges Elaborat aus dem Ministerium an den Ausschuß geht, da werden nur mehr die Namen der Abgeordneten eingesetzt, und das alles nur deshalb, weil man nicht in der Lage war, zeitgerecht – wie es sich gehören würde – eine diesbezügliche Gesetzesvorlage in Form einer Regierungsvorlage einzubringen. Und das nennen Sie dann das Ausschußrecht des Nationalrates, einen Selbständigen Antrag zu beschließen. – Das ist Gesetzgebungsmaschinerie und sonst gar nichts, Herr Kollege Khol! (Beifall bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Das ist Gesetzgebungsmaschinerie und Mißbrauch des Parlaments und sonst gar nichts, und das läßt sich anhand des Faxausdruckes unschwer nachvollziehen. Ich kann Ihnen auf jeder Seite des Gesetzes nachweisen, daß das so läuft! – Ein Parlament kann sich das nicht gefallen lassen, und deshalb werden wir dem Einwand des Liberalen Forums beitreten. Seit Jahren gehen Sie mit dem Parlament im Landwirtschaftsausschuß, im Wirtschaftsausschuß so um, als wäre es nur der verlängerte Arm der Regierung und hätte auf Zuruf der Regierung zu beschließen, was diese um 7 Uhr früh herfaxt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine Gesetzgebungsmaschinerie, die wir ablehnen. Sie degradieren dieses Parlament zu einer Farce, zu einer Gesetzgebungsmaschine, wo dem Parlament im letzten Moment Papier kiloweise vorgelegt wird, um es für die Bevölkerung zu beschließen; die Bevölkerung wird mit neuen Normen nur so eingedeckt, und das ist auch bei diesem Gesetz der Fall. Sie degradieren dieses Parlament zu einem zahnlosen Parlament, das nicht einmal mehr die Möglichkeit hat, die ihm obliegenden Kontrollaufgaben wahrzunehmen, wie wir am Beispiel der Verhinderung der Untersuchungsausschüsse durch die große Koalition ja auch in der Öffentlichkeit nachgewiesen haben. Daher wird meine Fraktion, meine Damen und Herren, dem Einwand des Liberalen Forums beitreten.

Frau Kollegin Schmidt! Man hat nicht einmal den Weg gewählt – zumindest hat dieses Ersuchen der Rundlauf-Präsidiale nicht den Weg zum freiheitlichen Parlamentsklub gefunden –, in Form einer Rundlauf-Präsidiale die Tagesordnung um diesen Punkt zu ergänzen. Man hat ihn einfach draufgesetzt, so wie Kollege Khol jetzt gesagt hat: Das ist ein Recht des Parlaments, das setzen wir drauf! – Daß das in Wirklichkeit ein Vorgang ist, der in der Regierung stattgefunden hat, hat Herr Kollege Khol wohlweislich verschwiegen.

Man wahrt nicht nur nicht die Form, sondern man bricht die Usancen dieses Hauses. (Beifall bei den Freiheitlichen und beim Liberalen Forum.)

9.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte.

9.12

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Ich nehme Ihnen Ihre große Krokodilsträne in diesem Zusammenhang wirklich nicht ab. Worüber wir hier diskutieren, ist das Ergebnis der Tatsache, daß Sie es für notwendig befunden haben, zehn Tage lang die Ausschußarbeit zu boykottieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Meine Damen und Herren! Diese Demokratieverweigerung, die Sie in diesen 14 Tagen betrieben haben (Abg. Mag. Stadler: Sehr schwach!) , hat die Ausschußarbeit in Wirklichkeit in eine sehr schwierige Situation gebracht. Wir haben aber dennoch


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77. Sitzung / Seite 21

in all diesen Bereichen eine Ausschußarbeit geleistet, die sich sehen lassen kann. Außerdem haben wir Sie so behandelt, wie wir es auch in anderen Zusammenhängen getan haben: Wir haben Ihnen vorab die Informationen geschickt.

Sie selbst, meine Damen und Herren von den beiden kleinen Oppositionsfraktionen, wissen, daß in der Schlußphase der Vorbereitung großer Gesetzesmaterien eine Zusammenarbeit zwischen Regierung, Experten aus den Ministerien, Legisten unserer Klubs und Abgeordneten stattfindet. Und wenn Sie an einem Tag, für den man Ihnen einen Antrag, eine entsprechende legistische Unterlage versprochen hat, diese um 22 Uhr per Fax bekommen, dann ist das, würde ich meinen, ein bemerkenswertes Service, weil Sie am nächsten Tag von in der Früh bis zum Ausschußbeginn – in diesem Fall 13 Uhr – Zeit haben, diese Unterlage zu studieren.

Ihnen geht es in Wirklichkeit nur darum, diesen Boykott mit anderen Mitteln fortzuführen. Ich kann das auch durchaus beweisen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Als wir nämlich gemeinsam – vier Fraktionen dieses Hauses – an der Bezügepyramide gebastelt und sie fertiggestellt haben, hat es auch den Fall gegeben, daß wir mit einer Unterlage erst relativ spät fertig geworden sind und diese dann auch der Oppositionsfraktion, die nicht mitgegangen ist, den Freiheitlichen, übermittelt haben. Das ist in diesem Zusammenhang akzeptiert worden, damals hat sich keiner aufgeregt. Heute regen Sie sich auf. Das ist nicht konsequent. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das war vor den Untersuchungsausschüssen!)

Ich gestehe: Sie hätten die Unterlagen vielleicht ein paar Stunden früher bekommen können, aber eine wirklich undemokratische Vorgangsweise war es nicht. Ich bitte Sie daher, die Kirche dort zu lassen, wohin sie gehört, nämlich im Dorf. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

9.15

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schließe mich den Einwendungen des Liberalen Forums vollinhaltlich an. Zu Ihrer Argumentation: In Ausschüssen kann halt so manches dazukommen, da muß es dann schnell gehen!, kann ich nur sagen: Erzählen Sie das doch bitte jemandem anderen!

Das Integrationspaket wird uns seit 1993 angekündigt. Seit 1993 ist bekannt, daß es in der Administration Doppelgleisigkeiten gibt, daß der Rechtsschutz der Flüchtlinge unbefriedigend ist. Seit 1993 versprechen Regierungsmitglieder – es waren immer wieder andere –, daß in diesem Bereich etwas geschehen wird, und dann wollen Sie uns einreden, daß ganz plötzlich ein Akt notwendig ist, den man aus Gründen des Zeitdrucks nicht einmal in der Präsidiale akkordieren konnte. Meine Damen und Herren! Das ist in höchstem Maße unglaubwürdig. (Abg. Marizzi: Wärt ihr in die Ausschüsse gegangen!)

Es kommt ja noch dazu, daß diese Vorkommnisse nicht allein stehen; Vorkommnisse wie zum Beispiel im Unterausschuß des Rechnungshofausschusses, wo man der Vorsitzenden mitteilen läßt, daß der Minister erst um 10 Uhr kommen kann, obwohl die Ausschußsitzung um 8.30 Uhr begonnen hat. Man zieht im sozialen Bereich inhaltlich völlig unterschiedliche Anträge der Oppositionsparteien gegen deren Willen und gegen deren Einverständnis zusammen. Das ist genau der Stil, der unter anderem dazu geführt hat, daß wegen der Verweigerung der Kontrollrechte dieses Hauses Protestmaßnahmen gesetzt wurden, die selbstverständlich fortgeführt werden.

Meine Damen und Herren! Auch die Argumentation des Klubvorsitzenden Khol ist von einer wirklich besonderen Regierungslogik geprägt. (Abg. Mag. Barmüller: Einfach falsch! Unwahr!)

Herr Dr. Khol! Wenn Sie in materieller Hinsicht argumentieren und sagen: Da machen wir jetzt etwas in Richtung Grüne und Liberale, da machen wir ja etwas Gutes für die Flüchtlinge, also könnt ihr ja nichts dagegen haben, daß das draufsteht, da gehen halt die Freiheitlichen nicht mit!, frage ich Sie, welches Gesetzesverständnis hier in diesem Haus herrscht.


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Wenn Sie, aus welchen Gründen auch immer, Vorlagen, die ursprünglich in einem Entwurf enthalten waren, teilen, dann ist das etwas, was nach dem vorherrschenden formalen Gesetzesverständnis eben genau diskutiert gehört (Abg. Dr. Khol: Im Ausschuß! – Abg. Schwarzenberger: Ist im Ausschuß diskutiert worden!) , wo wir eine Befassung in der Präsidiale haben wollen dahin gehend, warum das passiert und warum das auf einmal so dringend ist. (Abg. Dr. Khol: Warum sind Sie nicht im Ausschuß gewesen?) Zu sagen: Das, was da drinsteht, könnte euch ja eigentlich recht sein!, ist eine Argumentation, die nicht angeht. Diese Argumentation ist in dieser Form absolut unzulässig! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Abg. Leikam: Das ist lange diskutiert worden, und ihr wart nicht dabei!)

Meine Damen und Herren! Ein Letztes zur Präsenz in den Ausschüssen: Die Maßnahmen der drei Oppositionsparteien sind nicht aus Jux und Tollerei gesetzt worden, sondern weil Sie in aller Öffentlichkeit erklärt haben: Wir setzen aus Prinzip keine Untersuchungsausschüsse mehr ein! (Abg. Dr. Kostelka: Das stimmt ja nicht! – Abg. Leikam: Die Unwahrheit!) Sie haben die Usance des Parlaments, daß auch die Regierungsparteien in wichtigen Angelegenheiten Untersuchungen zugestimmt haben (Abg. Dr. Kostelka: Wer hat das gesagt?), seit drei Legislaturperioden ignoriert und gebrochen. Und diese unsere Maßnahme war eine dringend notwendige Notwehraktion, und das Verhalten hier in Sachen Integrationspaket, in Sachen Sozialgesetze, in Sachen Unterausschuß des Rechnungshofausschusses ist eine dringend notwendige Fortsetzung des Protestes, um die man nicht herumkommen wird.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie, die Klubobleute der Regierungsparteien, vom Rednerpult aus erklären: Wir machen das weiterhin so, wozu brauchen wir euch denn?!, dann charakterisiert das wirklich den Stil, der zu all diesen Vorkommnissen geführt hat.

Meine Damen und Herren! Machen Sie doch nicht der Öffentlichkeit weis, daß die Anwesenheit der Opposition bei irgendeiner dieser Debatten auch nur ein Fuzerl hätte verändern können, sobald die Regierung etwas beschlossen hat. Sie machen das seit geraumer Zeit, und Sie tragen auch die Konsequenzen dafür, wenn der Stil in diesem Hause nicht der allerbeste ist! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

9.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. Gleiche Redezeit.

9.20

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Kostelka! Sie haben recht: Es besteht tatsächlich ein Zusammenhang zwischen unserer Einwendungsdebatte und der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, insbesondere in Sachen Kurden-Morde. Wenn man sieht, wie seitens der Abgeordneten der Regierungsfraktionen mit den Kontrollrechten dieses Parlaments umgegangen wird, ist es eine logische Folge, die Auslegung der Spielregeln – auch wenn sie bisher einvernehmlich in bestimmter Weise gehandhabt wurden – neu zu überdenken.

Ich glaube aus Sicht der Opposition, daß wir es uns nicht mehr leisten können, Beschlüsse, für die eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist – konkret: die Ergänzung einer Tagesordnung durch eine Zweidrittelmehrheit, also eine Praxis, die bisher funktioniert hat –, praktisch umzufunktionieren in Beschlüsse, die nur durch eine einfache Mehrheit abgesichert sind. Genau das ist der Punkt. Herr Kollege Khol! Es wird überhaupt nicht bestritten, daß der Ausschuß eine solche Möglichkeit hat. Es wird unter dem entsprechenden Tagesordnungspunkt darauf eingegangen werden, wie wir das politisch beurteilen. Das ist ein Kapitel für sich. Aber rein theoretisch besteht gemäß der Geschäftsordnung die Möglichkeit des Ausschusses, einen solchen Antrag zu stellen.

Es ist aber in der Geschäftsordnung nicht schriftlich geregelt, sondern nur eine De-facto-Usance, daß ein solcher Antrag von selbst auf die nächste Tagesordnung kommt, wenn er im Zusammenhang mit der zu behandelnden Materie steht. Genau um diese Praxis geht es uns. Ich stelle außer Streit, daß es bisher so gehandhabt worden ist. Ich sage allerdings dazu, daß diese Praxis auch immer durch das Einvernehmen der Präsidiale gedeckt war. Vielleicht hat sie


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deswegen so gut funktioniert. – Diesmal ist das nicht der Fall. (Abg. Dr. Khol: Das ist im zeitlichen Ablauf nicht gegangen!)

Es geht uns darum, diese Praxis für die Zukunft zu hinterfragen, weil wir nicht zusehen können, wie Rechte, die normalerweise nur mit Zweidrittelmehrheit wahrzunehmen sind, in Rechte umfunktioniert werden, die plötzlich von einer einfachen Mehrheit wahrgenommen werden, und das in einem Parlament, in dem die Abgeordneten die Kontrolle verweigern. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. )

9.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Gleiche Redezeit.

9.22

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Ich hätte mich nicht zu Wort gemeldet, wenn nicht Herr Dr. Khol versucht hätte, uns in herzergreifender Art und Weise zu vermitteln, daß das Gesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat, um das es jetzt auch geht, etwas Gutes sei, und uns zu der Frage zu leiten, wie Menschen, die prinzipiell Gutes wollen, etwas Gutes ablehnen könnten.

Herr Dr. Khol! Seit 1993, als das jetzt gültige Aufenthalts- und Fremdengesetz in Kraft getreten ist, wird in der politischen Öffentlichkeit und im Parlament eine Diskussion über die Änderung der Fremdengesetze geführt. Seit Monaten liegt nun die Regierungsvorlage im Haus. In der letzten Tagung des Innenausschusses ist aber zusätzlich ein eigenes Gesetz – in Klammern: unter Nichtanwesenheit der Opposition, die durch den Ausschußboykott bedingt war – eingebracht worden. Herr Dr. Khol! Es geht daher nicht um die Frage, ob das inhaltlich Festgelegte von uns goutiert wird oder nicht. Ich kann Ihnen versichern, daß wir nicht gegen dieses Gesetz sind und ihm – als dem einzigen des sogenannten Integrationspaketes – heute zustimmen werden. Es ist die Vorgangsweise, die ich für ungeheuerlich halte! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Ausgehend von der uns gegenüber mit gutem Gewissen erhobenen Behauptung, dies könne uns nicht stören, weil wir einverstanden seien, werden sämtliche bisher gültigen parlamentarischen Gepflogenheiten gebrochen. Jetzt frage ich mich: Was geschähe in dem Fall, daß es dieses Einverständnis nicht gibt? Es kann keine Rede davon sein, daß die Opposition mit dem Dubliner Abkommen einverstanden ist.

Die gewählte Argumentation halte ich für absolut unlauter. Sie können mir nicht weismachen, daß eine Information über etwas, das drei Jahre lang öffentlich diskutiert worden ist, nicht schon vorweg ergangen wäre. Wenn Herr Dr. Kostelka meint, es sei hinreichend, wenn die Opposition um 22 Uhr abends die Information per Telefax zugestellt bekommt, damit sie sich bis 13 Uhr darauf einstellen könne – damit meine ich nicht nur, die Information zur Kenntnis zu nehmen, sondern eine inhaltliche Bewertung vorzunehmen –, dann frage ich mich, wie allmächtig die sozialdemokratische Fraktion ist, wieviel Personal und wieviel Staff sie zur Verfügung hat. Ein ganzes Ministerium im Rücken zu haben steht allerdings im Gegensatz zu einer Fraktion, die diese Möglichkeiten nicht hat. Ich halte es für ganz besonders ärgerlich, daß Sie nicht versuchen, uns in inhaltlich wichtigen Dingen entsprechende Informationsmöglichkeiten zu geben, und daß Sie etwas als eine koalitionär ausgepackelte Sache präsentieren.

Deshalb ist diese Einwendungsdebatte der Liberalen berechtigt, und wir werden den Einwendungen selbstverständlich unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

9.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Einwendungsdebatte geschlossen.

Herrn Abgeordneten Dr. Kier möchte ich sagen, daß im Zuge der Abstimmung über eine Einwendungsdebatte die einfache Mehrheit ausreichend ist. Sie kennen das Verfahren bei der


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Fixierung der Tagesordnung nach § 50 der Geschäftsordnung: Entweder wird die Tagesordnung am Ende einer Sitzung bekanntgegeben und gilt, falls keine Einwendungen beschlossen werden, als genehmigt, oder es wird, wenn das nicht der Fall ist – dies ist bei uns parlamentarische Praxis –, der Entwurf einer Tagesordnung schriftlich ausgegeben, und dieser gilt als fixiert und genehmigt, wenn Einwendungen im Nationalrat nicht mit Mehrheit beschlossen werden. Nach dieser Abstimmung ist die Tagesordnung fixiert. Sollte danach noch, vor Eingang in die Tagesordnung, ein Abänderungsantrag vorgelegt werden – dies ist mir avisiert worden –, dann wäre dafür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die dem Antrag des Abgeordneten Dr. Kier zustimmen, den Punkt 2 – im Sinne der Einwendungen, die er vorgebracht hat – nicht in die heutige Tagesordnung aufzunehmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Damit ist die ausgegebene Tagesordnung im Sinne des § 50 Abs. 3 beziehungsweise 4 der Geschäftsordnung festgelegt.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Soll man den Strafverfolgungsbehörden in ihrem derzeitigen Zustand (freie Ausreise der Kurdenmörder, Ermittlungspannen bei den Briefbombenattentätern) Rasterfahndung und Lauschangriff zur Verfügung stellen?"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Anschober. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten.

9.29

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Teile von Justiz und Polizei stehen in diesen Tagen und Wochen wieder einmal im Zentrum der öffentlichen Kritik, im Zentrum der öffentlichen Auseinandersetzung und Diskussion. Angesichts der – um es vornehm zu umschreiben – Pannenserie, die sich im Bereich der Briefbombenermittlungen bei Polizei und Justiz ergeben hat, und angesichts dessen, was sich an ungeklärten, skandalösen Zusammenhängen und Vorkommnissen im Bereich der staatlich organisierten Fluchthilfe für die Kurdenmörder von Wien zugetragen hat, muß ich sagen: zu Recht.

Diese Diskussion findet absolut zu Recht statt, wenn man sich die folgenden Geschehnisse vor Augen führt: Eine Pannenserie stört die Briefbombenermittlungen; massive Auseinandersetzungen finden – vor allem hinter den Kulissen, aber in den letzten zwei Wochen auch öffentlich – zwischen Justiz und Polizei statt und führen zu massiven Schuldzuweisungen zwischen diesen beiden Bereichen; laufend gelangen vertrauliche Akten, persönliche Informationen, persönliche Daten, Ermittlungsdetails und Akten über Staatsbürger an die Öffentlichkeit; darüber hinaus – das haben wir in den letzten acht Wochen bereits mehrfach thematisiert – wurden Terroristen und Mörder in diesem Land mit Glacéhandschuhen angefaßt, und es kam zu einer staatlich organisierten Fluchthilfe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es angesichts dieser Probleme und dieses Zustandes von Justiz und Polizei zu Konsequenzen kommen sollte, dann ist das berechtigt. Die Konsequenzen wären jederzeit in Richtung Effizienzsteigerung und mehr Sicherheit umsetzbar, zum Beispiel mit einer sofortigen Polizeireform im Ausbildungsbereich, einer Organisationsreform bei den Polizeieinheiten und im staatspolizeilichen Bereich, einer Unterbindung der Geldwäsche durch rasche Aufhebung der Anonymität, einer Entwicklung in Richtung Bürgerpolizei und weg von der Parteipolitik, die derzeit viele dieser Probleme verursacht.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Warum werden diese logischen Maßnahmen in Richtung Effizienzsteigerung und mehr Sicherheit nicht ergriffen? Es gibt eine Lobby, die dagegen auftritt, einerseits aus dem Bankenbereich, was die Anonymität betrifft, und andererseits teilweise aus dem gewerkschaftlichen Polizeibereich, was die Reformmaßnahmen im Bereich der Exekutive betrifft.

Was aber tut die Regierung? Weil sie bei den Reformen erfolglos bleibt, riskiert sie statt dessen einen völlig willkürlichen Abbau der Grundrechte. Lauschangriff und Rasterfahndung bringen nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Risiko für den einzelnen unbescholtenen Bürger. Die Terror- und Mafiabosse, um die es angeblich geht, werden sehr rasch entsprechende Gegenmaßnahmen zu finden wissen. Das zeigen auch die internationalen Beispiele: Die großen Köpfe der organisierten Kriminalität verstehen sich zu schützen.

Das Innenministerium, die gesamte Bundesregierung verspricht nun eine Reihe von Ausnahmen – das wurde gestern auch ausführlich im SPÖ-Parlamentsklub diskutiert – und beschließt gleichzeitig den Beitritt zu Europol, den Marsch hinein in Europol und die Zustimmung zur Fütterung der Europol-Datenbanken. Das Absurde an dieser Diskussion ist, daß es praktisch keine öffentliche Information über die konkreten Ausmaße und Konsequenzen der Zustimmung zu den Europol-Datenbanken gegeben hat, obwohl auf Europol-Ebene gemäß Artikel 5 die weltgrößte Personendatei errichtet wird, und obwohl darin – neben durchaus einleuchtenden Daten wie Name, Beruf, Vorstrafen et cetera – höchst sensible, ja unerträglich personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen.

Ich zitiere wörtlich aus dem Artikel 5: Es sollen vom europäischen Bürger "Daten über seine rassische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse oder andere Überzeugungen, Angaben zur Gesundheit und Angaben zum Sexualleben" erhoben werden. Mehr noch: Nicht nur Daten von Tätern, sondern auch Daten über Zeugen, Daten über Kontakt- und Begleitpersonen und Daten über potentielle Opfer sollen in dem Zusammenhang erhoben werden. Es ist praktisch jeder europäische Bürger, dessen Daten in diese Kartei hineinfallen können. Das ist die entscheidende Vorrichtung zur Errichtung des "gläsernen Europäers", wenn sie so realisiert wird!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was hat Österreich getan? Österreich hat zunächst einen Vorbehalt gegen die in Artikel 5 geregelten Analysedateien angemeldet. Aber Ende Mai wurde das Durchführungsübereinkommen vom Innenminister unterzeichnet. Am 20. Mai sagte Innenminister Schlögl im Hauptausschuß wörtlich, die Sammlung dieser hochsensiblen personenbezogenen Daten sei aufgrund der praktischen Polizeiarbeit notwendig. – Aber das ist Unsinn, hochriskanter und gefährlicher Unsinn, denn damit kommt es zu einem dramatischen Abbau der Grundrechte.

Jeder österreichische Bürger fragt sich zu Recht, warum der ganze Aufwand für Lauschangriff und Rasterfahndung getrieben wird, wenn es ohnehin nur – wie die Bundesregierung immer wieder beteuert – zu ganz wenigen, zu einer klitzekleinen Anzahl von Fällen pro Jahr kommen werden wird, und wozu dieser Milliardenaufwand zum Abbau der Grundrechte nötig ist. Der Grund dafür wird in weiterer Perspektive klar: Es geht um die nötigen Vorkehrungen und das Ebnen des Weges in Richtung Europol, in Richtung jener Analysedateien, die zum "gläsernen Europäer" führen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Europaparlament hat im März dieses Jahres mit überwiegender Mehrheit einen hochinteressanten Beschluß gefaßt, was die Verläßlichkeit des Umgangs mit diesen personenbezogenen Daten in bereits bestehenden europäischen Datensystemen – etwa der SIS-Datei – betrifft. In dieser Resolution des Europaparlaments wird wörtlich festgestellt: Zahlreiche Festnahmen passierten aufgrund fehlerhafter SIS-Dateien. Es sind also Unschuldige aufgrund fehlerhafter Dateien zum Handkuß gekommen. Unter diesen Umständen wollen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Weg dafür ebnen, daß personenbezogene Daten über rassische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse oder andere Überzeugungen, Angaben zur Gesundheit und Angaben zum Sexualleben in den euro


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päischen Zentralcomputer in Den Haag eingespeichert werden sollen, sogar von Kontakt- und Begleitpersonen sowie von potentiellen Opfern?

Wir halten das für unerträglich! Wir halten es auch für unerträglich, daß es bisher in Österreich keine seriöse Diskussion darüber und keine seriöse Information der Öffentlichkeit gegeben hat. Wir diagnostizieren, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Sicherheitspolitik in diesem Land offensichtlich auf einem völlig falschen Weg ist.

Bei allen großen politischen Kriminalfällen der letzten Jahre – von "Lucona" über "Noricum" bis hin zu den Kurden-Morden und Briefbomben – gibt es entweder Pannenserie auf Pannenserie, oder es werden seitens der Behörden die Augen fest geschlossen und Glacéhandschuhe angezogen. Terroristen werden per Eskortservice zum Flughafen geleitet, und im Zusammenhang mit den Briefbomben wird wochenlang mit notwendigen Einvernahmen zugewartet. – Dagegen werden bei jedem kleinen Ladendieb sofort Verhörmaßnahmen ergriffen und Einvernahmen angesetzt.

Statt die notwendigen Reformmaßnahmen für mehr Sicherheit und mehr Bürgerrechte zu realisieren – ich habe sie skizziert: Reformmaßnahmen im Bereich der Polizeiausbildung, Reformmaßnahmen im Bereich der Staatspolizei, Reformmaßnahmen im Bereich der Anonymität –, setzt die Regierung auf den Abbau der Grundrechte durch Lauschangriff, Rasterfahndung und Europol-Datenbank, der nicht mehr Sicherheit, sondern bedeutend mehr Verunsicherung für den österreichischen Bürger zu bringen droht. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller. )

9.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Thema hat sich der Herr Justizminister gemeldet. Die Redezeit soll gleichfalls 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

9.38

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium für Justiz war, wie Sie wissen, nie ein Vorreiter oder Bannerträger von Ermittlungsmethoden wie Lauschangriff und Rasterfahndung. Ich habe von Beginn an auf den schwerwiegenden Charakter der damit verbundenen Grundrechtseingriffe hingewiesen und bin deshalb für restriktive Lösungen, für eine angemessene Rechtskontrolle und für eine besonders gründliche Gesetzesvorbereitung eingetreten.

Andererseits können wir aber auch nicht daran vorbeisehen, daß neue, grenzüberschreitend und organisiert auftretende Formen der Kriminalität in Europa dazu geführt haben, daß heute in den meisten Nachbarstaaten und in anderen vergleichbaren Ländern polizeiliche Ermittlungsmethoden solcher Art bereits Anwendung finden oder deren Einführung konkret diskutiert wird. Es ist daher verständlich, daß auch die österreichischen Sicherheitsbehörden ein vergleichbares Ermittlungsinstrumentarium fordern.

Wir haben uns bei der Gesetzesvorbereitung um Ausgewogenheit zwischen einer Verbesserung der kriminalpolizeilichen Ermittlungsinstrumente und einer gleichzeitigen Eingrenzung der damit verbundenen Eingriffe in die Privatsphäre und in die Persönlichkeitsrechte des einzelnen bemüht.

Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde bietet nicht ausreichend Zeit, um auf die Einzelheiten der zur Diskussion stehenden Regelungen einzugehen, sodaß ich nur einige wenige Bemerkungen dazu machen kann.

In der in den letzten Tagen mitunter heftig geführten öffentlichen Debatte zum Thema automationsunterstützter Datenabgleich scheint aus dem Blickfeld geraten zu sein, daß die Frage der Einbeziehung privater Datensammlungen von Anfang an im Ministerialentwurf, bei der öffentlichen Enquete von Innen- und Justizressort und bei den Gesprächen im Datenschutzrat mit ein Diskussionsgegenstand war.


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Die Regierungsvorlage hat sich auf öffentliche Datensammlungen beschränkt, zumal sich damals keine allgemein befriedigende Abgrenzung jener privaten Daten abzeichnete, die für einen automationsunterstützten Abgleich in Betracht kommen. Nunmehr hat das Bundesministerium für Inneres einen diesbezüglichen Vorschlag vorgelegt, der eine geeignete Grundlage für die weiteren Gespräche und für die Entscheidung des Hohen Hauses zu sein scheint.

Was die von Ihnen, Herr Abgeordneter, angesprochenen, an Europol weiterzuleitenden Daten anlangt, darf ich, ohne dem hierfür federführend zuständigen Innenminister vorgreifen zu wollen, feststellen, daß wir davon ausgehen, daß österreichische Daten an Europol nicht zu einem Zweck übermittelt werden dürfen, für den sie nicht auch innerstaatlich verwendet werden dürften. Folglich soll Europol die polizeiliche Effizienz auf europäischer Ebene gewährleisten, jedoch hinsichtlich der österreichischen Daten nur unter den Kautelen des österreichischen Rechts. Sicherlich wird diese Problematik bei der noch auf uns zukommenden Europol-Ratifizierungsdebatte detailliert behandelt werden können.

Die Erörterungen in letzter Zeit über den Einsatz der neuen Ermittlungsmethoden zwischen und mit den Regierungsparteien haben meiner Beurteilung nach zu bemerkenswerten neuen Vorschlägen für weiter differenzierte und verbesserte Einzelregelungen sowie für einen erweiterten Rechtsschutz geführt. Schon die Regierungsvorlage hat – wie Ihnen aus dem im Oktober 1996 im Hohen Haus abgehaltenen Expertenhearing bekannt ist – auch im Ausland Beachtung und eine positive Fachbeurteilung gefunden. Es ist für mich daher keine Frage, daß dieses Urteil noch in verstärktem Maß für die überarbeiteten Regelungsvorschläge Geltung beanspruchen kann, die ich in den nächsten Tagen den Justizsprechern aller fünf Fraktionen des Hohen Hauses – rechtzeitig vor dem für den 19. Juni 1997 in Aussicht genommenen Gespräch im Justizministerium – übermitteln werde.

Meine Damen und Herren! Der Justizminister muß auf die besondere rechtspolitische Sensibilität der Materie nicht erst aufmerksam gemacht werden. Die hohe – auch psychologische und symbolische – Bedeutung der zur Entscheidung anstehenden legislativen Fragen war uns von Anfang an bewußt. Zugleich bin ich aber der festen Überzeugung, daß auch in heiklen und schwierigen Fragen wie diesen eine sachliche Diskussion und ausgewogene Lösung möglich sind.

Gerade auch jene beiden Strafverfahren, die Sie illustrativ in Ihrem Verlangen zur Durchführung dieser Aktuellen Stunde angesprochen haben, können als Argument angeführt werden, den Strafverfolgungsbehörden adäquate, zeitgemäße Mittel und Instrumentarien in die Hand zu geben. Sie geben auch keinerlei Anlaß zur Annahme oder Befürchtung, daß sich die Justizbehörden über den gesetzlichen Rahmen und die gesetzlichen Vorgaben hinweggesetzt hätten. Es besteht daher keine Veranlassung, diesen Behörden zu unterstellen, daß sie in Hinkunft ihre Befugnisse überschreiten oder gar mißbrauchen würden. Die von Ihnen angeführten Verfahren sind geradezu ein klarer Beleg dafür, daß die Justizbehörden eben nicht, wie dies in der Diskussion um Rasterfahndung und Lauschangriff oft behauptet wurde, willfährig Wünsche der Sicherheitsbehörden ungeprüft übernehmen, sondern sowohl Staatsanwaltschaften als auch Gerichte sehr wohl autonom und unabhängig prüfen und eigenständig rechtlich bewerten. Wenn es dabei in Einzelfällen aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstellung zu unterschiedlichen Sichtweisen kommt, tut das der grundsätzlich guten Zusammenarbeit zwischen Innen- und Justizressort auf allen Ebenen keinen Abbruch.

Lassen Sie mich angesichts der erkennbaren Zwischentöne bei der Formulierung des Themas der heutigen Aktuellen Stunde noch einiges hinzufügen: Auch die Justiz unterliegt wie alle öffentlichen Einrichtungen in der Demokratie selbstverständlich der öffentlichen Kontrolle und gegebenenfalls auch Kritik. (Beifall bei der ÖVP.) In ihrer Selbstdarstellung nach außen mag es einzelnen ihrer Vertreter gelegentlich an Professionalität mangeln. (Abg. Dr. Khol: Da haben Sie recht!) Wir sollten aber gemeinsam versuchen, die Arbeit wichtiger Institutionen dieser Republik nicht nach den Zuspitzungen medialer Optik zu beurteilen, die alles andere als frei von Mißverständnissen, Überzeichnungen und Verzerrungen sind.


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Wir werden auch nicht dazu übergehen können, Ermittlungen und Strafverfahren in jedem Stadium im vollen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu führen und über die Frage ausreichender Verdachtsgründe, über die nächsten Ermittlungsschritte oder gar über Schuld oder Unschuld in Fernsehdiskussionen zu entscheiden. Vielmehr gibt es in dieser Hinsicht Grenzen, bei deren Überschreiten nicht nur der Persönlichkeitsschutz des einzelnen Schaden erleidet, sondern auch das ordnungsgemäße und gesetzestreue Funktionieren der Behörden beeinträchtigt werden kann. Letztlich könnte das unabdingbare Vertrauen der Bevölkerung in stabilisierende Säulen unseres Gemeinwesens und in den Rechtsstaat als solchen gefährdet werden.

Diesbezüglich tragen wir alle große Verantwortung, und ich erlaube mir daher, meinen Redebeitrag damit zu beschließen, an alle, die sich in diesem Land auf der öffentlichen Bühne zu Wort melden und bei der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken, zu appellieren, sich stets dieser eminenten Verantwortung bewußt zu sein. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

In der weiteren Debatte betragen die Redezeiten jeweils 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte sehr. (Abg. Dr. Khol: Auch der Gerichtsinspektor hat applaudiert!)

9.48

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobro jutro, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister!

Herr Bundesminister! Ein Rechtsanwalt hat in einem Artikel in einer Zeitung schon vor längerer Zeit zum Thema Lauschangriff und Rasterfahndung einen Kommentar, den er geschrieben hat, mit "Kontrolle ist gut, Mißtrauen ist besser" übertitelt. Nichts, glaube ich, drückt die gesamte Diskussion um diese sogenannten besonderen Ermittlungsmethoden besser aus als dieser Titel "Kontrolle ist gut, Mißtrauen ist besser".

Bedauerlicherweise muß ich sagen: Aufgrund der Erfahrungen, die wir in Österreich im Zusammenhang mit der Telefonabhörung gewonnen haben, ist dieses Mißtrauen sehr berechtigt. Prinzipiell meine ich, daß es unsere Verpflichtung und Ihre als Ressortchef ist – bei all Ihrer Skepsis, die Sie in den letzten Jahren an den Tag gelegt haben, die aber nichts nützt, wie wir jetzt am Resultat sehen werden oder bereits sehen –, dieses Mißtrauen, das in der österreichischen Bevölkerung gegenüber besonderen Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden herrscht, speziell gegenüber der Polizei und der Möglichkeiten, die es in diesem Zusammenhang gibt, ernst zu nehmen und abzubauen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie die Regierung, in diesem Fall nicht Sie persönlich, aber Ihr Ressortkollege Minister Schlögl, handelt, ist genau das Gegenteil dessen, was ich als verantwortungsvollen Umgang mit so ausgesprochen schwerwiegenden Grundrechtseingriffen wie das, was im Zusammenhang mit Lauschangriff und Rasterfahndung geplant ist, bezeichne.

Ich wiederhole noch einmal, was mein Kollege Anschober gesagt hat: Europol ist die weltgrößte Datenbank. Im Rahmen von Europol ist Österreich verpflichtet, international Daten seiner Bürger, der Österreicherinnen und Österreicher, die eben rassische Herkunft, religiöses Bekenntnis, Angaben zum Sexualleben betreffen, zu sammeln, zu bündeln und auch weiterzugeben! Da können Sie uns – auch wenn Sie versuchen, zu beteuern, daß es einen verantwortungsvollen Umgang gibt – keine Argumente bringen, die das entkräften würden, denn Minister Schlögl hat Ende Mai – das ist noch nicht lange her – die Durchführungsbestimmung zu den Analysedateien zu Europol bereits unterzeichnet und dort keine Vorbehalte seitens Österreichs angemerkt.

Wie wollen Sie also Mißtrauen in der Bevölkerung, berechtigte Kritik einer Bewegung in Österreich, die ihre Zweifel an diesen Maßnahmen kundtut, beseitigen? Dabei handelt es sich nicht nur um liberale und grüne Abgeordnete, sondern auch um den Präsidenten der Rechtsan


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waltskammer, den Präsidenten der Ärztekammer, die sich dagegen wehren, daß private Datenbanken jetzt in die geplanten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Rasterfahndung aufgenommen werden. Das ist doch nicht irgend jemand, nicht irgendein kleiner Abgeordneter, sondern das sind Interessenorganisationen, die die Bürger in ihrem Mißtrauen unterstützen und ihnen dieses Mißtrauen nehmen wollen. Diese vertreten die Interessen der Bürger, wie zum Beispiel die Rechtsanwälte in Österreich. Das macht mich skeptisch.

Herr Bundesminister! Ich sage Ihnen: Ein Land, das Weltmeister im Abhören ist – das sieht man, wenn man sich anschaut, wie oft Telefonüberwachung in Österreich angeordnet wird; das ist wirklich negativ, das ist für mich bedauerlich –, sollte Maßnahmen wie Lauschangriff und Rasterfahndung viel intensiver, viel seriöser und auch, was die parlamentarische Behandlung betrifft, viel genauer und viel mehr in den Kern gehend behandeln.

In der Bundesrepublik Deutschland wird seit vielen Jahren, seit damals, als ich noch Jusstudentin war, über den sogenannten großen Lauschangriff diskutiert. Mit dem Namen des Liberalen Burkhard Hirsch, heute stellvertretender Bundestagspräsident, war für mich damals als Studentin die Diskussion über den großen Lauschangriff verbunden. Eine Justizministerin hat ihren Posten freiwillig geräumt, weil sie sich nicht mit ihren Vorstellungen und Anschauungen durchsetzen konnte.

Herr Bundesminister! Nicht, daß Sie jetzt glauben, daß ich ähnliches von Ihnen fordern würde, aber ein machtvolles Wort eines unabhängigen, nicht parteigebundenen Ministers könnte das Mißtrauen, das in der Bevölkerung besteht, beseitigen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das könnte den Menschen wieder dahin gehend Vertrauen geben, daß die Polizei effizient arbeitet, daß sie gut ausgestattet ist, daß es eine Reform der Staatspolizei gibt, daß sie gegen Geldwäsche vorgeht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Das wollen die Österreicher, aber sie wollen nicht belauscht, bespitzelt und ausgespäht werden. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

9.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann. – Bitte sehr.

9.54

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Es war schon interessant, Kollegen Anschober zuzuhören, als er in seiner Einleitung über das Sicherheitsbedürfnis der österreichischen Bevölkerung philosophiert hat. Ich habe das mit einigem Interesse zur Kenntnis genommen, weil das Töne waren, die ich vom Kollegen Anschober bisher in diesem Hohen Haus nicht vernommen habe.

Er hat aber dann interessanterweise damit begonnen, nicht nur – nach meinem Dafürhalten – Äpfel mit Birnen, sondern auch, um es im Obstbereich zu belassen, Erdbeeren mit Nüssen zu vermischen.

Kollege Anschober! Wenn wir die Sicherheitsaspekte dieses Landes, und hier geht es um Fragen der inneren Sicherheit, immer nur so wie Sie fixiert auf alte Geschichten wie "Lucona", "Noricum", Kurden-Morde diskutieren und nur eine einzige aktuelle, nämlich die Briefbombentragik und -dramatik, in die Diskussion mit einbeziehen, diese eben nur aus diesem Blickwinkel betrachten, dann meine ich, Kollege Anschober und Kollegin Stoisits, legen Sie sich selbst Scheuklappen an.

Lassen Sie mich daher noch einmal auf das zurückkommen, was wir in der Koalition im Einvernehmen mit dem Herrn Justizminister und den Damen und Herren dieses Ressorts in der


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Frage der Einführung moderner Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vorhaben.

Seien Sie doch in dieser Diskussion nicht so unfair, daß Sie immer von Dingen wie Spitzeln und Spähen ausgehen und üble Gesinnung unterstellen. (Zwischenrufe der Abg. Anschober und Mag. Stoisits. )  – Hören Sie mir zu, ich habe Ihnen auch nicht reingeschrien, ich habe doch nur 5 Minuten Redezeit!

Ich bin sehr gerne bereit, mit allen Kritikern, mit allen, die Bedenken haben, die uns zur Vorsicht mahnen, einen sachlichen und intensiven Dialog zu führen. Das haben wir intern im Klub in den vergangenen Wochen und Monaten auch so gehalten. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen – ich nehme an, das Liberale Forum wird in dieselbe Richtung argumentieren –, Sie können doch nicht all jenen, die von fachlicher Seite her dazu berufen sagen: Gebt uns endlich jene Mittel an die Hand, die uns dazu befähigen, die organisierte Kriminalität auf dem gleichen Niveau, wie es der Großkriminalität auf dieser Welt entspricht, zu bekämpfen! Laßt nicht zu, daß Österreich eine Enklave in diesem Europa, in dieser Welt bleibt, wo Kriminelle ungestört agitieren und agieren können, ohne daß unsere Sicherheitsexekutive, daß unsere Strafverfolgungsbehörden ihnen auf dem gleichen technischen Niveau des ausgehenden zweiten Jahrtausends begegnen können!, unterstellen, daß sie üble Kreaturen seien, die nur vorhaben, die österreichische Bevölkerung zu bespitzeln, der österreichischen Bevölkerung etwas anzutun! Haben Sie doch die Fairneß und die intellektuelle Ehrlichkeit, diesen Aspekt auch einmal aus dem Blickwinkel der potentiellen Opfer der organisierten Kriminalität zu diskutieren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich frage Sie: Was soll das Argument, wonach Sie den – wie Sie in Ihrer Begründung schreiben – derzeitigen schlechten Zustand der österreichischen Strafverfolgungsbehörden mit der Kurdenmord-Geschichte aus dem Jahr 1989 begründen wollen? Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben 1997! Wir Politiker der Koalition haben vor, diese Sicherheitsfrage für die Menschen dieses Landes im Hinblick auf die Jahre nach dem Jahr 2000 zu diskutieren und uns darüber Gedanken zu machen, aber nicht im Hinblick auf die Vergangenheit. Wir lassen uns von Ihnen nicht unterstellen, daß das aus einer negativen und miesen Gesinnung heraus geschehen würde. Ganz im Gegenteil: Wir machen uns Sorgen um die Menschen dieses Landes, damit sie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht in die Fänge des Kraken der organisierten Kriminalität hineingeraten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Auch nicht in die Fänge von Europol?)

9.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

9.59

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Vor zirka einem Jahr hat uns die Opposition massivst vorgeworfen, daß wir die neuen Ermittlungsmethoden rasch und ohne Diskussion durchboxen wollen. Nun diskutieren wir bereits ein Jahr lang intensiv mit einem internationalen Expertenteam. Wir haben uns wirklich mit den Bedenken, den Argumenten, dem Konflikt zwischen Eingriff in die Privatsphäre und Kriminalitätsbekämpfung befaßt. Jetzt, meine ich, ist es an der Zeit, daß wir den Sicherheitsbehörden diese neuen Ermittlungsmethoden endlich an die Hand geben und dieses Gesetz hier im Hohen Haus noch vor dem Sommer beschließen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine umfassende Diskussion der Regierungsvorlage hat ergeben, daß sie in einigen Punkten noch zu verbessern ist. (Abg. Mag. Barmüller: Welche Diskussion?) Das heißt, Herr Barmüller, im Expertenhearing, im Unterausschuß, in den Medien, in der medialen Diskussion und vor allem in der Koalition herrscht die Auffassung vor, daß im Ausschuß noch einige Wünsche zu unterbreiten sind. Ich gehe davon aus, daß einige Fraktionen – nicht alle – den Änderungen zustimmen werden. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird im Gesetz direkt verankert. Das heißt, es muß der angestrebte Erfolg in einem vertretbaren Verhältnis zu den Eingriffen in die Rechte Unbeteiligter, zu denen es voraussichtlich kommen wird, stehen. Und diese Verhältnismäßigkeit muß durch


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die Richter im Beschluß auch begründet werden. (Abg. Mag. Barmüller: Es ist aber auch ohne richterliche Anordnung möglich!)

Es ist uns bereits mit dem Strafrechtsänderungsgesetz ein sehr großer Schritt im Hinblick auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität gelungen. Herr Kollege Barmüller! Wir haben, wie Sie wissen, die organisierte Kriminalität neu definiert, und die geplanten Instrumente sollen für eben dieses Spektrum geschaffen werden, das heißt also für jene mafiosen Strukturen, die definitionsgemäß auf eine längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindungen sind, eine größere Anzahl von Personen umfassen, die auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen angelegt sind, die dadurch eine Bereicherung im großen Umfang oder Einfluß auf Politik und Wirtschaft anstreben, die versuchen, andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen. (Abg. Mag. Barmüller: Aber das ist ja nicht Gegenstand Ihres geheimen Verhandlungspapiers!) Das dient der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, aber nicht der Bespitzelung von Herrn und Frau Österreicher! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Ängste, daß dieses Instrument in großem Ausmaß benützt wird, haben wir dadurch zu bekämpfen versucht, daß wir den Einsatz zeitlich beschränken, und zwar auf 30 Tage, ohne Verlängerungsmöglichkeit. Jeder weitere Einsatz der neuen Ermittlungsmethoden muß einem ganz neuen Verfahren mit all jenen strengen Kautelen, die wir vorgesehen haben, unterzogen werden. (Abg. Mag. Barmüller: Das ist Nebelwerfen!)

Wir wollen auch mehrere Schritte zur Verhinderung der Speicherung von Aufnahmen setzen. Das heißt: Aufnahmen, die für das betreffende Verfahren keine Bedeutung haben, sind bereits während der Überwachung durch die durchführende Behörde zu vernichten und nicht zu übertragen! Ergibt sich, daß bereits übertragene Aufnahmen für das Verfahren keine Bedeutung haben, sind sie vor der Weitergabe an das Gericht zu vernichten. Erkennt das Gericht, daß die Ergebnisse der Überwachung ohne Bedeutung sind, sind sie nicht zum Akt zu nehmen, sondern zu vernichten. (Abg. Dr. Haselsteiner: Aber vorher der "Kronen Zeitung" zu übergeben!)

Darüber hinaus haben der Staatsanwalt und der Beschuldigte die Möglichkeit, die Vernichtung solcher Bilder oder schriftlicher Aufzeichnungen zu verlangen. (Abg. Dr. Haselsteiner: "Kronen Zeitung"! – Abg. Mag. Stoisits: "Kronen Zeitung"!) Herr Haselsteiner! Für den Fall unzulässiger Veröffentlichungen haben wir besondere Strafmaßnahmen vorgesehen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte zum Schluß noch ein Wort zu den Zwischentönen bezüglich des derzeitigen Zustands der Strafverfolgung und der Berichte in den Medien sagen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Frau Kollegin!

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (fortsetzend): Die Unabhängigkeit der Justiz ist für uns das oberste Prinzip. Wir verteidigen diese Unabhängigkeit auch gegenüber den Medien (Beifall der Abg. Dr. Partik-Pablé ) und populistischen Aspekten (Abg. Mag. Barmüller: Und was ist mit den Menschenrechten?) , die derzeit überhandzunehmen drohen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stadler. Er hat das Wort.

10.05

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Die freiheitliche Fraktion hat bereits früher klargemacht, daß sie an sich für moderne Ermittlungsmethoden ist. Polizei und Justiz können nicht moderne Formen der organisierten Kriminalität mit Steinzeitmethoden bekämpfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist völlig klar! Ich glaube auch, daß die Bevölkerung Österreichs dafür Verständnis hat.


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Aber wir fordern diese Instrumente, ohne gleichzeitig in eine "Hurra-Euphorie" zu verfallen. Denn da es letztlich um Grundrechte des Bürgers geht, sind entsprechende Behutsamkeit und Vorsicht angebracht.

Herr Bundesminister! Es ist eben nicht so, daß es nur einzelne Pannen in den spektakulärsten Kriminalfällen der vergangenen Jahre gegeben hat. Wir wollen gar nicht von jener bekannten Fernsehsendung reden, auch nicht von dem Problem, daß die Justiz der Bevölkerung nicht erklären kann, daß zwar Mitte Mai eine mit dem Verdacht des Tatzusammenhanges mit den Briefbomben begründete – sonst hätte sie gar nicht stattfinden können – Hausdurchsuchung erfolgt ist, es aber bis in die ersten Tage und Wochen des Juni dauerte, bis mit dem betreffenden Herrn geredet wurde. Das kann man niemandem in der Bevölkerung klarmachen, zumal es früher, als die Ermittlungen in eine andere, nämlich politisch gewünschte Richtung gegangen sind – man hat geglaubt, man könne Freiheitliche damit treffen –, derartige Verhörmaßnahmen sofort gegeben hat. Das können Sie uns jedenfalls nicht erklären, Herr Bundesminister!

Da ich nun schon beim Bombenterror bin – Herr Kollege Anschober, es geht dabei nicht nur um den Briefbombenterror, sondern auch um jenen spektakuläreren Bombenterror, der zu Toten geführt hat –, muß ich Ihnen, Herr Bundesminister – Sie sind zwar der falsche Ansprechpartner, aber das einzige anwesende Regierungsmitglied –, sagen, daß Sie uns nicht erklären können, wie es möglich war, daß die mit einem Zigmillionenaufwand zu Lasten des Steuerzahlers geführten Ermittlungen drei Jahre lang von Nachrichtenschwindlern und von einem Linksextremen, der übrigens im Zusammenhang mit der Einvernahme des Herrn Ingenieur noch Erklärungsbedarf haben wird, gezielt in eine falsche Richtung gelenkt wurden, nur weil es dem damaligen Innenminister politisch so in den Kram gepaßt hat.

Es war ja nett, zu glauben, man könne irgendwo im Umfeld der FPÖ einen Täter finden, er müßte nur Abonnent einer freiheitlichen Monatszeitschrift sein. Herr Bundesminister! Das werden Sie uns nicht erklären können, das ist politischer Mißbrauch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist daher Skepsis angebracht, wenn ausgerechnet diesem Ministerium zusätzliche Fahndungsmethoden in die Hand gegeben werden sollen, ohne daß es gleichzeitig entsprechende Kontrollmöglichkeiten gibt.

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Ich bitte Sie, sich selbst in Erinnerung zu rufen, welche Dramatik der Lauschangriff auch schon für das Hohe Haus hatte. Wir hatten, wie Sie wissen, vor zirka einem Jahr – oder nein, es ist nun schon eineinhalb Jahre her – im Haus eine große Debatte, aufgrund derer plötzlich Mitarbeiter der Post mit Suchgeräten durch die Büros gegangen sind. Es wurde vermutet, daß in den Couloirs "Wanzen" abgelegt worden seien und die Beratungen in obskuren Autos, die vor dem Parlament stünden, mitgeschnitten würden. Die Präsidiale mußte sich damit beschäftigen, bis sich herausgestellt hat, Herr Kollege Marizzi, daß Sie verkabelt waren. So war es! Sie waren von einem hochrangigen Stapobeamten und seinem Mitarbeiter verkabelt worden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihr Kollege Kraft hat die Zeche dafür bezahlt. Er wurde dafür vor Gericht gestellt und mußte sein Mandat aufgeben. Der Fall war damit erledigt. Ist es falsch, Herr Kollege Kukacka? (Abg. Mag. Kukacka: Ganz richtig!) Ganz richtig!

Daher ist Skepsis angebracht. Und es ist auch angebracht, sich die Dinge ganz genau zu überlegen, wenngleich es vernünftig ist, auch eine Verrechtlichung herbeizuführen. Denn wir wissen – und anhand des Falles Marizzi – Kraft können wir das sogar bis hierher ins Parlament nachvollziehen –, der Lauschangriff findet statt! Obskure Detekteien machen einen Lauschangriff, die Polizei und auch die Post machen es – alles jenseits der Rechtsordnung. Daher sind eine Verrechtlichung und Kontrolle in diesem Bereich erforderlich.

Herr Bundesminister! Es muß aber eine Kontrolle geben, die nicht von der Regierung ausgeübt wird, sondern regierungsunabhängig ist und gewährleistet, daß es zu keiner Verletzung von Grundrechten (Beifall bei den Freiheitlichen) , zu keinem Mißbrauch der Möglichkeiten zu Lasten


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der Bürgerrechte und vor allem nicht zu einem politischen Mißbrauch, wie er gerade in der Bombencausa in den vergangenen Jahren an der Tagesordnung war, kommt.

Das ist unser Anliegen! Wenn dieses Anliegen mit der Koalition umgesetzt werden kann, dann, liebe Frau Kollegin Fekter, werden wir in einen sehr vernünftigen Dialog eintreten können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. Sie hat das Wort.

10.10

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen zunächst einen Satz sagen, der mir ein Anliegen ist, nachdem ich gehört habe, was sich ein Altlandeshauptmann, ein Altbürgermeister – ich sage das, wie ich es meine – unterstanden hat, in der letzten "Pressestunde" von sich zu geben. Er hat doch glatt behauptet, die Parlamentarier dieses Hauses, die gegen den Lauschangriff oder die Rasterfahndung stimmen, seien mitverantwortlich für das nächste Bombenopfer! Ich halte das für den Tiefpunkt des übelsten Populismus und möchte das hier in aller Form schärfstens zurückweisen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Kräuter. )

Sachlich möchte ich mich allerdings unter anderem mit den Vorwürfen des Kollegen Fuhrmann – er ist nicht mehr da – an die Opposition, in diesem Fall an den Kollegen Anschober, auseinandersetzen, vor allem mit seiner Frage, warum dieser denn mit Beispielen aus der Vergangenheit, aus dem Umfeld der Kurden-Morde, argumentiere. (Abg. Dr. Fuhrmann: Nicht nur!) Herr Kollege Fuhrmann! Ich sage Ihnen, warum es meiner Meinung nach zulässig ist, auch mit diesen Beispielen zu argumentieren, denn sowohl Sie als auch, glaube ich, die anderen Redner der Regierungsparteien und auch der FPÖ sprechen davon, wie notwendig es doch sei, gleichzeitig mit Einführung der neuen Ermittlungsmethoden taugliche Kontrollinstrumente zu schaffen. Genau darum geht es!

Wenn man sieht, wie dieses Hohe Haus mit den Kontrollrechten umgeht, wenn man sieht, wie die bereits bestehenden Kontrollinstrumente damals funktioniert haben, nämlich gar nicht eingesetzt wurden, da sie politischen und sonstigen Interessen gewichen sind, dann kann man sich nicht darauf verlassen – und das ist mein Appell an die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion, in der es, wie ich weiß, Bedenken gibt –, wenn irgend jemand sagt, wir werden das schon mit sicheren Kontrollinstrumenten ausstatten, damit nichts passiert! Das darf ja nicht Ihr Ernst sein! (Abg. Dr. Fuhrmann: Das werden wir hier beschließen!)

Aber der Beschluß nützt Ihnen doch nichts, wenn ihn kein Mensch tatsächlich einhält. Wir hatten das bereits in der Vergangenheit, und wir haben es in der Gegenwart. Wie oft geht ein Abgeordneter einer bestimmten Fraktion hier heraus und erzählt Ihnen etwas aus Verschlußakten? Sie haben geregelt, daß es ein Verschlußakt ist, dessen Inhalt an niemanden herangetragen werden darf, aber von diesem Rednerpult aus wird er publik gemacht. (Abg. Dr. Fuhrmann: Dann wird klarzustellen sein, wer diese Vertraulichkeit gebrochen hat!)

Wie oft lesen Sie denn in den Zeitungen Inhalte aus Finanz- und sonstigen Akten, die alle der Amtsverschwiegenheit unterliegen? Sie sagen, wir regeln, daß es nicht gelesen wird. Das ist doch Unfug, das können Sie doch nicht wirklich ernst meinen!

Ihre Behauptung, das seien alles Beispiele aus der Vergangenheit, halte ich im Zusammenhang mit dem Selbstmord des Gerhard Praschak für unglaublich. Es gab einen persönlichen Brief an die Witwe, von dessen Existenz sie, wie Sie nun inzwischen alle wissen, in der "Kronen Zeitung" lesen mußte. Dazu kommt noch, daß offensichtlich nicht sofort alle Alarmglocken im Innenressort und in allen anderen dafür zuständigen Ressorts geläutet haben. Erst jetzt, nachdem man es im "profil" nachgelesen hat, gibt es Ermittlungen, wie das passieren konnte.


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Wenn Sie das alles bedenken, wenn Sie sehen, wie mit Verboten – Amtsmißbrauch ist verboten, und er passiert trotzdem – umgegangen wird, können Sie nicht, so meine ich, darüber reden, daß beim Einsatz der Instrumente die Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Sie haben die Verantwortung, daß beim Beschluß der zu schaffenden Mittel die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Diese Verhältnismäßigkeit ist aber mit Einführung dieser Instrumente mit Sicherheit nicht gegeben! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Herr Bundesminister für Justiz – wo immer er jetzt auch sein mag! Sie sagen, es sei Ihrer Meinung nach sehr ausgewogen. Wenn Sie es als ausgewogen bezeichnen, daß eine Videorisierung, das heißt, sowohl der Lausch-, weil er mit Ton erfolgt, als auch der Sehangriff auch ohne richterlichen Befehl, und zwar bei jedem Delikt, erfolgen kann, nämlich dann, wenn er nicht länger als 24 Stunden dauert, dann wird mir jetzt schon schwummerig bei dem Gedanken, wie Sie mit den Kontrollinstrumenten umgehen werden. Da wäre nicht einmal ein richterlicher Befehl ausreichend.

Für mich wäre angesichts des Verhaltens des Gerichtspräsidenten Woratsch in der Frage des Zeugen P., nämlich mit welcher Selbstgefälligkeit er sich vor das Justizressort gestellt und die Verschleppung der Vernehmung als einen Akt der unabhängigen Gerichtsbarkeit bezeichnet hat, während Sie von dienstaufsichtsbehördlichen Maßnahmen keinen Gebrauch gemacht haben, sodaß es soweit gekommen ist, daß bei der doch erfolgten Vernehmung auf einmal Flucht- und Verdunkelungsgefahr festgestellt wurde, nicht einmal ein richterlicher Befehl ausreichend.

Ihnen aber gibt das alles ausreichend Sicherheit, daß derartige Eingriffe in die Grundrechte ordentlich erfolgen? – Das kann nicht Ihr Ernst sein! Ich appelliere daher an Sie: Die Verhältnismäßigkeit der Einsetzung der Instrumente liegt in Ihrer Verantwortung! Schieben Sie diese Verantwortung nicht an Ressorts ab, von denen wir wissen, wie sie damit umgehen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

10.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte sehr.

10.15

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie sprachen vom notwendigen Vertrauen in die Säulen des Rechtsstaates. Ich glaube auch, daß dieses Vertrauen notwendig ist. Ich frage Sie nur: Kann es noch gegeben sein?

Im "Mykonos"-Urteil heißt es in einer Passage sinngemäß: Die Unabhängigkeit der Justiz steht dann auf dem Prüfstand, wenn der Terror nicht von irgendwelchen isolierten Gruppen, sondern von Staaten oder staatsnahen Stellen, von mächtigen Staaten, die Wirtschaftsaufträge zu vergeben haben und die Druck auf Staaten und auf deren Justiz ausüben, kommt. (Abg. Marizzi: Mein Freund Bani-Sadr!) Dann steht die unabhängige Justiz auf dem Prüfstand!

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie: Prüfen wir einmal gemeinsam, ob die Unabhängigkeit der Justiz einer derartigen Prüfung noch standhält.

Ich glaube nicht, daß es böser Wille ist und ähnliches, sondern daß in vielen Fällen die Informationslage, auch bei den Behörden, schlecht ist und es einen Reflex gibt, sich Schwierigkeiten, Wickel, Zores zu ersparen. Letztere bekommt man aber, wenn man einem mächtigen Staat wie dem Iran gegenübertritt.

Herr Bundesminister! Sie haben heute selbst gesagt, einzelnen Vertretern – gemeint war Woratsch – fehle es an Professionalität. Ich frage Sie: Welche Schlüsse ziehen Sie im Hinblick auf das Vertrauen in die Säulen des Rechtsstaates daraus, wenn offenbar auch Unprofessionalität, Uninformiertheit oder vielleicht der Kniefall vor einem allzu großen Druck Einzug gehalten haben?


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Die Morde an kurdischen Oppositionellen im Jahr 1989 waren keine isolierten Akte. (Abg. Marizzi: Der Bani-Sadr, wen hat der umgebracht?) Herr Fuhrmann! Frau Fekter! Das war keine einmalige Fehlleistung, die im aktuellen Bericht zugegeben wird. Dieses Netzwerk des Terrors ausländischer Staaten ist offenbar weiter verbreitet und hat schon viel öfter zugeschlagen.

Bereits 1987 wurde in Wien Hamid Reza Citger, ebenfalls ein kurdischer Oppositioneller, mit Genickschuß liquidiert. Seine Vertrauten sind unmittelbar danach bei den zuständigen Behörden, bei den Spitzen der Regierung gewesen und haben angegeben, daß ein Mord passiert sei, und um Aufklärung gebeten. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Was ist passiert? – Monate später hat man die verweste Leiche gefunden. Es gab jedoch keine Ermittlungen! Nichts ist passiert!

Als nächstes kamen die Vorfälle von 1989. Ihr Ressort, das Justizressort, hat nachweislich – ich habe den Eingangsstempel gesehen –, ebenso wie das Bundeskanzleramt, eine detaillierte Darstellung des Netzwerkes des Terrors mit Adressen, Namen, Adressen von Speditionsfirmen, Wohngebäuden und islamischen Zentren bekommen, die, so die Oppositionellen, als Kaderschmiede des Terrors dienen. Was ist in einem Wohnhaus in Wien 4 passiert, was im Islamischen Zentrum in Wien 6? Was ist mit all diesen Firmen passiert, bei denen der schwerwiegende Verdacht besteht, daß sie Helfershelfer dieses Netzwerkes des Terrors sind?

Die Reihe geht weiter, Herr Bundesminister! Im Jahr 1990 gab es einen Terroranschlag in der Schweiz, die Täter flüchteten nach Österreich, und dort, so die "Neue Zürcher Zeitung", verliert sich ihre Spur.

1991, im Schatten des Golfkrieges, werden irakische Oppositionelle, anerkannte Flüchtlinge, Mitglieder der Volksmudschaheddin, festgenommen. Man wirft ihnen vor, daß sie Oppositionelle sind! Der einzige Grund für die U-Haft war ein vertraulicher Hinweis einer nie genannten Person! Vielleicht der Botschaft?

Da war die Justiz sehr schnell, da ging es um Oppositionelle. Man hat sie wie Kriminelle behandelt, obwohl all diese Vorwürfe, wie zum Beispiel verbrecherisches Komplott, nicht mit einer Zeile oder einem Indiz erhärtet werden konnten. Es gab nur einen vertraulichen Hinweis einer anonymen Stelle.

Herr Bundesminister! Wo ist da das Vertrauen in diese vielleicht wichtigste Säule des Rechtsstaates? Es gibt verschiedene Gründe, gegen den Lauschangriff zu sein (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , entweder prinzipielle rechtsstaatliche oder die eben genannten Gründe. Solange das nicht aufgeklärt ist, so lange haben, denke ich, auch die "Salzburger Nachrichten" recht – und die sind wirklich kein Revolverblatt –, wenn sie in einer Karikatur mutmaßen, daß die Regierung den Lauschangriff und die Rasterfahndung deswegen braucht, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend ): ... um besser informiert zu sein, wann die nächsten ausländischen Terroristen eine Eskorte zum Flughafen brauchen. (Beifall bei den Grünen.)

10.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Er hat das Wort.

10.21

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Parlamentsfraktion der Grünen rückt in dieser Aktuellen Stunde ein Thema in den Mittelpunkt, das man natürlich sehr emotionell diskutieren kann. Eigentlich wird in letzter Zeit dieses Thema mehr auf Basis von Gefühlen und Vermutungen diskutiert, wobei gerade die Grünen dabei viel an Sachlichkeit vermissen lassen. Da keimt der Verdacht in mir auf, daß der Sicherheitssprecher der Grünen, der ja bereits im ober


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österreichischen Wahlkampf steht, hier unbedingt eine zusätzliche Selbstdarstellungsbühne braucht.

Meine Damen und Herren! Mir ist jedoch das Thema "Einsatz moderner Bekämpfungsmethoden gegen organisierte Kriminalität und Terror" viel zu wichtig, um es nur unter Emotionen zu beleuchten. Da wird in letzter Zeit die Einführung des elektronischen Datenabgleichs als Horrorszenario gebrandmarkt und nur mehr vom "gläsernen Bürger" gesprochen. Nachdem man offenbar erkannt hatte, daß viele Argumente gegen den Datenabgleich ins Leere gingen, weil die meisten Befürchtungen auf den Gesetzentwurf gar nicht zutreffen konnten – aber dazu komme ich noch später –, suchte man nach einem neuen Feindbild. Man fand es in der Europol-Konvention und der dazugehörigen Datenbank.

Da werden dann Dinge behauptet, und das haben Sie gerade miterlebt, die haarsträubend falsch sind. Es war immer klar – auch jetzt nach Zurückziehung des österreichischen Prüfvorbehalts ist es noch klar –, daß die österreichischen Sicherheitsbehörden an Europol – das ist ganz wichtig, meine Damen und Herren! – immer nur jene Daten weitergeben werden, die sie aufgrund österreichischen Rechts auch ermitteln dürfen. (Zwischenruf des Abg. Anschober. ) Daher sind die grünen und liberalen Warnungen vor einem Ausverkauf des österreichischen Datenschutzes und der Grundrechte ein völliger Nonsens! (Abg. Mag. Barmüller: Der Datenschutzrat kennt sich auch nicht aus!) Die österreichischen Datenschutzstandards bleiben gewahrt, und die Europol-Konvention spricht eine klare Sprache. Ich weiß schon, das wollen Sie nicht hören, wenn Sie hier unwahre Dinge behaupten! (Abg. Anschober: Das ist Unsinn, was Sie sagen!)

Das nationale Recht ist im Zusammenhang mit der Datenübermittlung an die Eurodoc – das ist die Personendatei von Europol – maßgebend. Daher wird Österreich keine Daten einspeisen, deren Ermittlung nicht zulässig gewesen wäre. Von der Ermittlung zusätzlicher Daten für die Europol-Datei kann überhaupt keine Rede sein. Es ärgert mich immer besonders, wenn hier in der Öffentlichkeit falsche Dinge behauptet werden. Daten, die aus einem allenfalls von den Justizbehörden angeordneten Datenabgleich stammen, dienen lediglich einem bestimmten Strafverfahren und müssen nach dessen Abschluß auch wieder gelöscht werden; das wissen Sie auch. Sie werden allein nicht an die Europol übermittelt. Überhaupt muß das Ergebnis des Datenabgleichs bloß als Ansatz zu weiterführenden Ermittlungen angesehen werden, denn das Ergebnis des Datenabgleichs ist kein Beweis, sondern die Basis für neuerliche Überprüfungen.

Ich frage mich auch, wie sich die Grünen eine europaweite Bekämpfung des Terrors vorstellen, wenn sie die gemeinsame Datenbank in Zweifel ziehen. Gerade die Kurdenproblematik zeigt doch sehr deutlich, wie gefährlich der internationale Terror ist. Da wird einerseits ein hartes Vorgehen gegen den Terror verlangt und andererseits die Vernetzung der Ermittlungsbehörden in Europa verunglimpft. (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic. ) Das ist Doppelbödigkeit, meine Damen und Herren der grünen und liberalen Fraktion, das können wir nicht akzeptieren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Anschober. )

Aber auch hinsichtlich der Ermittlungen rund um den tragischen Bombenterror der letzten Jahre ist Ihnen das Augenmaß abhanden gekommen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Einerseits kritisieren Sie die ermittelnden Sicherheitsbehörden, daß diese im Falle des Herrn Ing. P. zu langsam und zu wenig forsch vorgegangen sind, wo doch angeblich so viele Verdachtsmomente gegen diesen Herrn Ing. P. vorliegen, andererseits aber werfen Sie bei jeder Gelegenheit den Behörden vor, sie würden ohne ausreichende Beweise und Fakten Menschen verdächtigen oder leichtfertig in Haft nehmen. (Abg. Dr. Petrovic: Warum werden Terroristen zum Flughafen eskortiert? Warum werden Mörder laufengelassen?) Im Unterschied zu Ihnen und zu Journalisten genügt es eben auch im Falle des Bombenterrors für die Sicherheitsbehörden und die ermittelnden Beamten nicht, einfach Behauptungen aufzustellen oder bloße Indizien als Beweise zu werten. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Grünen.)

Es ist auch doppelbödig, die Behörden wegen ungenauer oder ineffizienter Beweisführung anzugreifen, aber ihnen auf der anderen Seite zusätzliche wichtige moderne Fahndungsmethoden nicht zugestehen zu wollen.


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Abschließend möchte ich daher nochmals festhalten: Die Vermischung von Themen, Datenabgleich und Europol-Datei (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) erfolgt in geradezu fahrlässiger Weise. Bei Europol geht es um die Fahndung und Information und nicht um den elektronischen Datenabgleich.

Die SPÖ wird daher im Innenausschuß zum Schutz ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (fortsetzend ): ... der Menschen, die in diesem Land leben, für die neuen Bekämpfungsmethoden (Abg. Dr. Petrovic: Bisher haben Sie Terroristen laufengelassen!) gegen das organisierte Verbrechen unter Einhaltung größtmöglicher Rechtsschutzstandards eintreten. (Beifall bei der SPÖ.)

10.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Er hat das Wort.

10.27

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn seit geraumer Zeit die Grünen und die Liberalen gemeinsam Schulter an Schulter in die Arena preschen, dann ist Vorsicht angesagt, Vorsicht, so nehme ich persönlich an, vor allem für die Österreicherinnen und Österreicher, für die Anständigen in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Vorsicht! Sie kochen Ihr eigenes Süppchen!) Ich persönlich habe das Gefühl, Ihnen geht es gar nicht um die Sicherheit der Bevölkerung, Sie kämpfen nicht gegen den Terrorismus und gegen die organisierte Kriminalität, sondern Sie kochen Ihr eigenes Süppchen, und das ist ein trübes Süppchen. Das ist klar und offensichtlich geworden! (Beifall bei der ÖVP.)

Wer auch immer von Ihren beiden Gruppierungen am 23. Oktober 1996 bei der damaligen Hearingrunde im Unterausschuß des Justizausschusses dabei war, der hat dort gehört – und wenn man objektiv ist, konnte man es aus den Aussagen aller Experten heraushören –: Die elektronische Überwachung ist die einzige Möglichkeit, Terrorismus und organisierte Kriminalität wirklich wirkungsvoll zu bekämpfen. (Abg. Dr. Petrovic: So wie die Kurden-Morde!) Ich verstehe die Emotionalität, die Kollege Fuhrmann hier gezeigt hat, und es war mir wichtig, zu hören, daß unser Justizminister in einer eindringlichen, klaren und für mich auch sehr nachvollziehbaren schlüssigen Art und Weise alle Probleme, die uns in rechtsstaatlicher Hinsicht von Grünen und Liberalen gemeinsam vorgeworfen werden, in einer Form ausgeräumt hat, von der ich sagen muß: Sie ist nicht nur akzeptabel, sondern sie ist auch für Österreich und innerhalb der EU richtungsweisend! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Ich habe eine Stunde lang genau zugehört, aber seitens der Grünen und Liberalen habe ich nichts über jene Problembereiche gehört, um die es wirklich geht, nämlich zum Beispiel über die organisierte Kriminalität, die mittlerweile krakenartig unsere Gesellschaft – aber nicht nur bei uns hier, sondern in allen Ländern dieser Welt – umfaßt (Zwischenruf des Abg. Anschober ) und wo es um moralische, ökonomische, also wirtschaftliche, und letztlich um rechtsstaatliche Dinge geht. Da habe ich mir gedacht, ich nehme einmal als objektivierten Bericht jenen der EU mit einer Analyse hinsichtlich der organisierten Kriminalität zur Hand und schlage nach, was über Österreich drinsteht.

Geschätzte Damen und Herren! Werte KollegInnen von den beiden Parteien, die ich soeben apostrophiert habe! Ich habe das Gefühl, Sie lesen so etwas gar nicht, Sie wissen gar nicht, worum es geht. (Abg. Dr. Petrovic: Selbst haben Sie die Kurdenmörder laufengelassen!) Ich darf Ihnen daraus nur einige wenige Passagen vorlesen. Zum Beispiel über OK-Verdächtige und deren Aktivitäten in Österreich im Jahre 1996: Die Aktivitäten krimineller Gruppierungen aus Albanien und dem ehemaligen Jugoslawien haben zugenommen. Weiteres Zitat: Slowakische, bulgarische, tschechische und ungarische Gruppen konnten starke Strukturen in Österreich aufbauen. Weiter: Kriminelle Gruppierungen aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sind in Österreich aktiv. Kriminelle türkische Gruppierungen sind hauptsächlich am Drogenhandel und insbesondere an der Einfuhr und der Distribution von Heroin über die Balkanroute beteiligt.


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Die Aktivitäten asiatischer Gruppierungen in unserem Land sind evident. Mitglieder der Camorra sind in drei österreichischen Bundesländern aktiv. Rumänische Gruppierungen benützen Wien als Stützpunkt. (Zwischenruf des Abg. Anschober. ) – Kolleginnen und Kollegen! Das wollen Sie nicht registrieren? Das negieren Sie? Wir sind der Auffassung, genau mit diesem Bereich haben wir uns mit Hilfe elektronischer Methoden zu befassen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist festzuhalten, was alles von diesen Gruppierungen in Österreich, auch unter dem Schutz der Grünen und Liberalen – und ich erhebe diesen Vorwurf! –, begangen wird. (Abg. Dr. Petrovic: Sie haben iranische Terroristen zum Flughafen eskortiert! Was haben Sie bei den Kurden-Morden getan?) Denn solange wir der Justiz und der Exekutive nicht entsprechende Möglichkeiten gegen diese Organisationen in die Hand geben, so lange wird es eben folgendes geben, wie jedenfalls dieser Bericht ausweist. Es gibt 17 Deliktgruppen im Bereich der OK, und allein in Österreich sind zwölf an der Zahl evident. Ich lese vor: Österreich: OK-Kriminalität im Bereich Drogen, Geldwäsche, Betrug, Erpressung, bewaffnete Raubüberfälle, Kfz-Diebstahl, Menschenhandel, sonstige Arten von Hehlerei, illegaler Handel mit Schußwaffen, Prostitution und Kinderpornographie. (Abg. Dr. Petrovic: Kurden-Morde!) So also liest sich der EU-Lagebericht über die organisierte Kriminalität in Österreich!

Werte Kolleginnen, werte Kollegen von der grünen und von der liberalen Fraktion! Negieren wir nicht offensichtliche Tatsachen! Respektieren wir, daß es in Österreich Erscheinungsformen der Kriminalität gibt, gegen die es anzukämpfen gilt! (Abg. Anschober: Was ist mit der Polizei?) Geben wir der Exekutive, geben wir der Justiz jene Möglichkeiten in die Hand, sodaß sie imstande sind, die Österreicher vor diesen evidenten Fällen zu schützen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. Er hat das Wort.

10.32

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß Herr Kollege Kiss jetzt einige Dinge zitiert hat, wie sich die organisierte Kriminalität in Österreich krakenhaft, wie er so schön sagte, ausbreitet. Genau das hat diese Koalition mit Ihrer Unterstützung jahrelang bestritten. Deshalb sind wir in der Situation, das jetzt nachholen zu müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man den Jahresbericht des Bundeskriminalamtes Wiesbaden liest und darin festgestellt wird, daß Österreich deshalb eine Drehscheibe der organisierten Kriminalität geworden ist, weil diese sich, aus verschiedenen Ländern kommend, hier in Österreich besonders sicher fühlt und die Aufgriffschance – laut Bundeskriminalamt Wiesbaden – eher reduziert ist, dann ist das ein Hinweis darauf, daß ein gewaltiger Nachholbedarf besteht. Das ist auch der Grund dafür, warum wir die Verharmlosung auf diesem Sektor in den letzten Jahren nicht mitgemacht haben. Sie können sich alle bei der Nase nehmen, denn sobald wir Freiheitlichen gesagt haben: Kontrolliert auch die Zuwanderungspolitik und schafft Voraussetzungen, daß wir nicht zu viele illegale Ausländer in Österreich haben!, wurden wir als Ausländerfeinde abgestempelt. Heute beklagt ihr die kriminelle Organisation im ausländischen Bereich, angefangen von den Albanern bis hin zu den türkischen Organisationen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher sage ich: Wir Freiheitliche stehen zu der Notwendigkeit von verbesserten Fahndungs- und Erhebungsmethoden. Wir haben das gefordert. Allerdings sagen wir auch, daß im Rahmen eines Rechtsstaats gewährleistet sein muß, daß die elementaren Bürgerrechte auch wirklich gewahrt bleiben. Daher sind Debatten, wie denn das geschehen soll, durchaus sinnvoll und richtig. Wir haben es erlebt, wie in den letzten Jahren, etwa im Zusammenhang mit dem Briefbombenterror, ein Innenminister die gesamte Staatspolizei und die Ermittlung gegen eine mißliebige Oppositionspartei, nämlich die FPÖ, mobilisiert und instrumentalisiert hat, weil er glaubte, uns etwas am Zeug flicken zu können. Heute weiß jeder, daß die Briefbombengeschichte aus einer ganz anderen Ecke kommt, was Ihnen noch sehr peinlich sein wird, wenn man über das Detail wird reden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Da war auch von den Liberalen und von den Grünen nicht sehr viel die Rede davon, daß es da um Rechtsschutz, um rechtsstaatliche Methoden geht. Sie alle haben sich an der Schmutzkübelkampagne gegen die Freiheitlichen beteiligt, weil Sie sich gesagt haben: Vielleicht können wir ihnen mit der Briefbombengeschichte etwas am Zeug flicken. Das ist die Wahrheit! Sie brauchen hier nicht Krokodilstränen zu vergießen, denn Sie haben sich selbst mitschuldig gemacht, indem Sie vorverurteilt und ermöglicht haben, daß die Staatspolizei gegen eine mißliebige Oppositionspartei eingesetzt wird. Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitliche wollen nicht, daß wieder gelauscht wird, daß wir ein Spitzelwesen wie zu Metternichs Zeiten haben, wo der Bürger nicht weiß, was alles ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. )  – Herr Kollege! Sie sind der letzte, der da reden darf. Sie sind ein Linksverbinder par excellence und machen Herrn Einem heute noch die Mauer, der in Wirklichkeit dafür verantwortlich ist, daß wir Verbrecher ausreisen ließen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Wie die freiheitliche Spitzelaktion!) Herr Kollege Posch hat zugestimmt! (Abg. Mag. Posch verläßt seinen Sitzplatz und geht in Richtung Rednerpult. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Posch! Ich bitte Sie, Ihren Sitzplatz wieder einzunehmen.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Herr Kollege Posch hat offenbar in der eigenen Fraktion sowie im Hohen Haus insgesamt Narrenfreiheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er ist deshalb nervös, weil er einer jener Rädelsführer ist, auch hier in der fraktionellen Diskussion der SPÖ, der es ermöglichte, daß sich ein Herr Purtscheller, der im Zusammenhang mit der Briefbombengeschichte schwerstens belastet ist, ins Ausland absetzen konnte, der schwerstens damit belastet ist, daß sich ein alter Herr mit Deckung des Herrn Einem ins Ausland absetzen konnte, obwohl er als Täter für einen Bombenanschlag dingfest gemacht werden konnte. Er ist dafür verantwortlich, daß man 91 Jahre alte Menschen verhört hat, weil man ihnen eines am Zeug flicken wollte, und weggeschaut hat, wo die Quelle möglichen Briefbombenterrors in Österreich wirklich liegt.

Meine Damen und Herren! Daher sage ich Ihnen: Sie alle haben keinen Grund, hier mit großem Pathos den Rechtsstaat einzufordern. (Abg. Mag. Posch – ein Blatt Papier in Richtung des Redners haltend –: Helfen Sie beim Aufdecken mit!) Auch nicht Kollege Anschober. Sie sind nicht so sehr um die Kontrolle bemüht, Herr Kollege! Sonst dürften Sie beispielsweise ein Vernehmungsprotokoll über den Skandal bei der Karawanken Autobahn, das eindeutig kriminelle Verfehlungen zwischen Baufirmen und Baubehörden nachweist (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), nicht bei sich behalten, sondern müßten es endlich der Staatsanwaltschaft anzeigen. Warum zeigen Sie es denn nicht an?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Weil Ihnen das Protokoll unangenehm ist und Ihrer Vorverurteilung von Freiheitlichen nicht mehr in den Kram passen würde! (Zwischenruf des Abg. Anschober. ) Meine Damen und Herren! Das sind Ihre Formen der Kontrolle. Wir wollen nicht, Herr Kollege Anschober, daß Leute wie Staatspolizist Kessler, der den Marizzi verkabelt hat, damit Spitzeldienste geleistet werden konnten, instrumentalisiert werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit gilt für alle Abgeordneten in gleicher Weise, Herr Dr. Haider!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Ja, ich weiß, es ist Ihnen unangenehm, wenn ich einen langen Schlußsatz mache, aber ich beende ihn trotzdem. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren! Daß ein Staatspolizist ... (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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77. Sitzung / Seite 40

10.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier.

10.39

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte war ergiebig. Wir haben sehr viel daraus gelernt. Wir haben viel gelernt über den Rechtsstaatszugang der Kollegin Fekter, über die Fähigkeiten des Kollegen Kiss, hier zu verdrehen und zu unterstellen. Beide kommen aus den Regierungsparteien, die beabsichtigen, Gesetze zu beschließen, mit denen Gesinnungsdaten gesammelt werden können, mit denen das Privatleben bis auf die letzten Details offengelegt werden kann, mit denen der "gläserne Mensch" geschaffen wird – und das ausschließlich zur höheren Ehre effektiverer Polizeieinsätze. Das nennt man üblicherweise Polizeistaatsmethoden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie hier eingefordert haben, daß das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederhergestellt werden soll, dann mache ich Ihnen zwei einfache Vorschläge: Führen Sie, und zwar nicht nur auf dem Papier, die Amtsverschwiegenheit wieder ein, schaffen Sie die Anonymität der Sparbücher ab, und führen Sie im Gegenzug ein echtes Bankgeheimnis ein! Das haben wir nämlich auch nicht. Damit werden Sie viel effizienter gegen die organisierte Kriminalität vorgehen können als mit irgendwelchen Durchleuchtungen unschuldiger Österreicher. Glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was ist denn das Wesensmerkmal organisierter Kriminalität? – Nicht der in irgendeiner Firma schwarzarbeitende illegale Ausländer ist der typische Vertreter der organisierten Kriminalität, sondern die typischen Vertreter der organisierten Kriminalität, geradezu die Edelklasse, sind die Staatsterroristen.

Das sind zum Beispiel diejenigen, die nach Österreich kommen, um mißliebige Oppositionspolitiker in unserem Lande zu ermorden. Das ist organisierte Kriminalität, Herr Kollege Kiss! Und wie Sie damit umgehen, das haben wir gesehen. Solche Angehörige von kriminellen Organisationen werden mit Polizeischutz zum Flughafen gebracht. Das ist organisierte Kriminalität. Nicht nur die ausschließlich auf Gelderwerb orientierte Kriminalität ist organisiert, auch Staatsterrorismus ist organisierte Kriminalität.

Herr Kollege Kiss! Wie sich die Republik Österreich im konkreten Fall der Kurden-Morde verhalten hat, ist kein gutes Indiz für sorgfältigen Umgang mit dem Rechtsstaat. Da mag schon die Staatsräson im Spiel gewesen sein, aber ich frage Sie, Herr Kollege Kiss: Wann wird das nächste Mal die Staatsräson im Spiel sein, wenn Grundrechte abgeschafft werden? Denn hier geht es um fundamentale Fragen. Wenn Sie nicht glauben, daß die diesbezüglichen Sorgen, die wir als Liberale haben, berechtigt sind, und wenn Sie uns von vornherein unterstellen, wir seien quasi in einer Komplizenschaft mit der organisierten Kriminalität, weil wir uns schützend vor Grundrechte stellen, dann, so meine ich, zeigen Sie, wie wichtig und dringlich es ist, daß wir uns hier zur Wehr setzen. Es geht nicht darum, keine effizienten polizeilichen Ermittlungsmöglichkeiten zu haben, sondern es geht darum, daß die Polizei bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Grenzen des Rechtsstaates nicht selber beliebig überschreiten kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich frage hier von diesem Rednerpult aus ganz deutlich: Welchen Rechtsstaat schützt die Polizei, wenn sie ihn, um ihn schützen zu können, abschaffen muß? (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum.)

Letztlich ist die Frage, wie ich etwas schütze, das eine, und was ich schütze, das andere. Wenn ich das schützenswerte Gut zerstören muß, damit ich es schützen kann, dann schütze ich es nicht. Das wäre so ähnlich, wie wenn ein Brandstifter sagt: Ich habe das Haus deswegen selber angezündet, damit mir kein anderer zuvorkommen kann, und dann weiß ich wenigstens, wer es war. – Das genügt mir nicht! (Erneuter Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß all das, was wir vortragen, nicht nur in unserer Phantasie existiert und nicht nur unbegründete Ängste sind, zeigt die eben im Haus eingelangte Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen wird – internationale Polizeikooperation. Lesen Sie das einmal, Herr Kollege Kiss! Da haben Sie die Beliebigkeit des internationalen


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Datentransfers, und da ist sogar eine Verordnungsermächtigung für den Innenminister vorgesehen, daß er unter Umgehung sämtlicher Datenschutzvorschriften mit Verordnung feststellen kann, an welche Stellen im Ausland die in Österreich mit Rasterfahndung und Lauschangriff ermittelten Daten übermittelt werden können. Sie wissen ganz genau, daß die Datenschutzvorbehalte, die gemacht worden sind bei Europol, bei Interpol und bei Schengen, das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen, wenn Sie alle Daten, die Sie mit Rasterfahndungen ermittelt haben, bei den internationalen Behörden ablegen, von dort jederzeit wieder holen und hier im Inland so tun können, als ob Sie sie gelöscht hätten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Redezeit!

Abgeordneter Dr. Volker Kier (fortsetzend): Das ist doppelte Moral! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

10.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2546/J bis 2568/J.

2. Anfragebeantwortungen: 2220/AB bis 2252/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993) geändert wird (692 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (701 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (708 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden (709 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (19. KFG-Novelle), die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (712 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. StVO-Novelle geändert werden (20. StVO-Novelle) (713 der Beilagen),

Führerscheingesetz – FSG (714 der Beilagen),

Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997 (734 der Beilagen),

Privatisierungsgesetz (736 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Bundessozialämtergesetz geändert werden (737 der Beilagen),


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Bundesgesetz, mit dem das Tiertransportgesetz – Luft geändert wird (739 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird (740 der Beilagen),

Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997 (BGzLV 1997) (741 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung und zum Schutz der Umwelt im Ausland (Umweltförderungsgesetz – UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, sowie das Bundesgesetz über die Förderung des Wasserbaues aus Bundesmitteln (Wasserbautenförderungsgesetz 1985 – WBFG), BGBl. Nr. 148/1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 516/1994, geändert werden (743 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) (744 der Beilagen),

Bundesgesetz betreffend die Ermächtigung zum Verzicht auf Darlehensforderungen aus der bilateralen Entwicklungshilfegebarung des Bundes gegenüber Entwicklungsländern (745 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (746 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (758 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 474/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Vereinheitlichung aller Pensionsrechte und Neudefinition der unselbständigen Erwerbsarbeit;

Außenpolitischer Ausschuß:

Bundesgesetz über die Rechtsstellung des Sekretariats des Wassenaar Arrangements in Österreich (702 der Beilagen),

Bundesgesetz zur Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (703 der Beilagen),

Änderungen zur Anlage des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs 1946 (707 der Beilagen);

Kulturausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Kunstförderungsgesetz geändert wird (738 der Beilagen);

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 471/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985, BGBl. Nr. 444, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 583/1995, geändert wird;

Unterrichtsausschuß:

Antrag 472/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend die Fortführung der Fachschule für Mode und Bekleidungstechnik der Gemeinschaft der Kreuzschwestern in Bruck/Mur;


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Verfassungsausschuß:

Antrag 473/A der Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Außenpolitischer Ausschuß:

Außenpolitischer Bericht 1996 der Bundesregierung (III-89 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 2569/J des Liberalen Forums an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend jahrelange Versäumnisse in der Bildungspolitik und die Kostenexplosion im Schulbereich dringlich zu behandeln.

Die geschäftsordnungsmäßigen Voraussetzungen sind gegeben. Der Aufruf der Dringlichen Anfrage wird um 15 Uhr stattfinden.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 2225/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, daß das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 2225/AB der Anfrage 2323/J der Abgeordneten Rossmann und Genossen betreffend die Präsentation Österreichs auf der ITB in Berlin und die Vorgangsweise der Österreich Werbung im allgemeinen durch den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten abzuhalten.

Da soeben die Behandlung einer Dringlichen Anfrage bekanntgegeben wurde, wird diese Kurzdebatte im Anschluß an die Dringliche Anfrage stattfinden.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit den Veräußerungen der Bundesanteile an der CA-BV an die Bank Austria einzusetzen.

Es liegt das Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung wird diese Debatte nach Erledigung der Tagesordnung stattfinden. Sodann wird auch über diesen Antrag abgestimmt.

Ergänzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein Antrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Dr. Khol vor, den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage 693 der Beilagen: Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens in 757 der


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Beilagen gemäß § 49 Abs. 5 der Geschäftsordnung zusätzlich auf die Tagesordnung zu nehmen, und zwar als Tagesordnungspunkt 2a.

Für die Beschlußfassung über einen solchen Antrag sind die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Hauses und eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Ich lasse daher über diesen Antrag der Abgeordneten Dr. Kostelka und Dr. Khol abstimmen, die Tagesordnung um den genannten Punkt 2a zu ergänzen.

Ich bitte im Falle des Einverständnisses um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, daß der Antrag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde.

Damit haben wir einen zusätzlichen Punkt 2a auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 8, 12 und 13, 14 bis 17 sowie 21 und 22 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Daher werden wir so vorgehen.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vereinbart, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135, ÖVP 126, Freiheitliche 117, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Das Hohe Haus hat darüber zu befinden.

Ich frage: Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlagen (685 der Beilagen): Fremdengesetz 1997 – FrG und (686 der Beilagen): Asylgesetz 1997 – AsylG sowie die Anträge 5/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Novellierung der Fremdengesetze, 17/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 31. Juli 1992 betreffend die Regelung des Aufenthalts von Fremden in Österreich, BGBl. Nr. 466/1992, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 351/1995, geändert wird, und 19/A der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 31. Juli 1992 betreffend die Regelung des Aufenthalts von Fremden in Österreich, BGBl. Nr. 466/1992, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 351/1995, geändert wird, und die Petition Nr. 8 betreffend "Solidarität mit den Opfern des österreichischen Asylgesetzes", überreicht von der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits (755 und Zu 755 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG) (756 der Beilagen)


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2a. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (693 der Beilagen): Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens (757 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (689 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (717 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 196/A der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (718 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 216/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden soll (719 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 217/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (720 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 218/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung der Möglichkeit der Teilarbeitslosigkeit (721 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 305/A (E) der Abgeordneten Edith Haller und Genossen betreffend Schaffung einer "ewigen Anwartschaft" in der Arbeitslosenversicherung (722 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 8 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Gibt es einen Wunsch auf Berichterstattung über einen dieser Anträge? – Das ist nicht der Fall.

Damit gehen wir in die Debatte ein.

Die erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Sie hat gewünscht, daß die Uhr auf 10 Minuten eingestellt wird. – Bitte sehr.

10.50

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kann mich noch genau an die "Pressestunde" mit dem Innenminister vor 14 Tagen


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erinnern. In dieser gab Herr Minister Schlögl zu, daß in den vergangenen Jahren eine gigantische Zuwanderung nach Österreich stattgefunden hat, wobei die Betonung auf "gigantisch" gelegen ist. Und er hat das auch gleich belegt: Im Jahr 1975 waren es 220 000 Ausländer, die in Österreich gelebt haben, jetzt sind es über 720 000, wobei die Illegalen, die auf eine Größenordnung von 100 000 bis 400 000 geschätzt wurden, nicht eingerechnet sind.

Herr Minister! Sie haben damit in seltener Ehrlichkeit die dramatische Lage, in der sich Österreich durch diesen Zuzug befindet, dargestellt, aber ich vermisse, daß daraus auch Konsequenzen gezogen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese dramatische Zuwanderung nach Österreich, diese von Ihnen als "gigantisch" bezeichnete Zuwanderung hätte eigentlich zur Konsequenz haben müssen, daß Sie hier eine Regierungsvorlage vorlegen, die eine drastische Einschränkung der Zuwanderung, ja in Wirklichkeit eine Nulleinwanderung vorsieht. Tatsächlich ist es aber so, daß Sie den Weg, den Ihr Vorgänger, Herr Innenminister Einem, begonnen hat, nämlich eine Lockerung der Zuwanderung durch Familiennachzug, fortführen. Und das begreife ich nicht. Obwohl Sie den Ernst der Lage erkannt haben, setzen Sie diese unheilvolle Politik des Ministers Einem fort. Aber ich sage Ihnen, Herr Minister: Die Mehrheit der Bevölkerung steht sicherlich nicht auf Ihrer Seite. Und das sage ich auch Ihnen von SPÖ und ÖVP.

Es gab eine Umfrage des IMAS-Instituts, die besagte, daß 62 Prozent der Bevölkerung gegen mehr Ausländer sind. Nur noch 15 Prozent der Österreicher sagen, daß wir zuwenig Ausländer haben und daß die Fremdengesetze als zu streng gelten. 42 Prozent der Österreicher empfinden auch jene Ausländer, die aus den osteuropäischen Staaten gekommen sind, als Belastung. Als Fazit dieser Untersuchung zieht IMAS-Chef Kirchhofer, daß eine Liberalisierung der Ausländergesetze somit zweifellos eine von der öffentlichen Meinung nicht gedeckte, ja sogar gegen sie gerichtete Maßnahme wäre.

Trotzdem lockern Sie die Fremdengesetze, meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit halten Sie die Tore Österreichs weiterhin offen für Ausländer, und Sie bieten – das geben Sie ja auch zu, darüber gibt es nur noch einen Streit zwischen ÖVP und SPÖ – die Möglichkeit, daß ungefähr 10 000 Neuzuwanderer nach Österreich kommen. Damit werden natürlich alle Probleme, die wir jetzt schon haben, noch verschärft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich verstehe überhaupt nicht, Herr Minister, daß Sie dieser Entwicklung durch diese Regierungsvorlage keinen Riegel vorgeschoben haben. Und eines möchte ich Ihnen auch noch sagen: Besonders verwerflich in dieser gesamten Diskussion erscheint mir, daß Sie diese Fremdengesetze unter den Titel stellen: Integration vor Neuzuzug. Damit wollen Sie der Bevölkerung treuherzig versichern, daß keine neuen Einwanderer nach Österreich kommen, sondern man nur versucht, die schon hier in Österreich lebenden zu integrieren. Das ist jedoch nicht der Fall, denn durch den Familiennachzug kommen laufend neue Ausländer nach Österreich. Das verschweigen Sie in verwerflicher Weise der österreichischen Bevölkerung. Damit streuen Sie ihr sprichwörtlich Sand in die Augen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie machen das ja schon sehr lange. Je nachdem, wie es Ihnen gerade in den Kram paßt, fordern Sie einmal, daß die Ausländergesetze strenger gefaßt werden sollen, und ein anderes Mal, daß sie wieder gelockert werden sollen. Dies zeigt sich besonders, wenn Wahlen vor der Tür stehen. Nur: Die Österreicher kommen Ihnen schön langsam drauf, welches Spiel Sie mit ihnen spielen.

Vor Wahlen merkt man immer, daß Sie Schuldeinsicht zeigen. So hat beispielsweise Bürgermeister Häupl in einer Selbstgeißelungsaktion sondergleichen vor den letzten Wahlen gesagt: Wir waren zu sorglos beim Ausländerzuzug. Er hat damit ein klares Bekenntnis zu den sogenannten Löschnak-Gesetzen abgelegt. Aber jetzt wollen Sie offensichtlich nichts mehr davon wissen, daß diese Löschnak-Gesetze gut waren. Vor der Wahl im Jahr 1996 hat auch Herr Abgeordneter Cap gesagt: Es wird kein Abweichen von den Löschnak-Gesetzen geben, solange all diese Probleme auf dem Arbeitsmarkt und dem Wohnungsmarkt existieren. Damals und besonders vor den Wiener Wahlen haben Sie Angst gehabt, daß Ihnen die Felle davon


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schwimmen. Sie haben schon vorausgeahnt, welche Verluste die SPÖ einstecken wird müssen, und haben wirklich scheinheilig – aber ich glaube, das Wort gehört schon in den Katalog der verwerflichen Wörter, das darf man nicht mehr sagen –, also wirklich heuchlerisch der österreichischen Bevölkerung etwas vorgespielt. Aber kaum sind die Wahlen vorbei, kaum haben Sie Ihre Wunden geleckt, von denen Sie ja immer wieder bei Wahlen ganz ordentlich abbekommen, fahren Sie im üblichen Fahrwasser weiter, meine sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ und ÖVP.

Wir haben in Sie, Herr Minister Schlögl, große Hoffnungen gesetzt. Wir haben angenommen, daß Sie Ihrem Koalitionspartner und auch der SPÖ reinen Wein einschenken und ihnen sagen werden, wie dramatisch die Situation ist, die Sie ganz offensichtlich wirklich durchschauen. Aber nein, Sie haben sich anscheinend mit den Linken in Ihrer Partei verbündet, weil Sie wahrscheinlich glauben, daß Sie damit für Ihre Position punkten werden, und haben diese Regierungsvorlage vorgelegt, über die wir heute beraten und die den dramatischen Zustand in Österreich noch weiter verschärfen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ich möchte Ihnen noch etwas zum Vorwurf machen. Ihr erster Gesetzesvorschlag, den Sie hier präsentieren, beschäftigt sich mit der Ausländergesetzgebung, mit der Lage der Ausländer. Es ist Ihnen nicht wichtig und nicht der Mühe wert, eine Regierungsvorlage für eine bessere sicherheitspolizeiliche Situation vorzulegen. Nicht die Lage der Exekutive ist Ihnen wichtig, nicht die Situation an den Grenzen ist Ihnen wichtig, nicht Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität sind Ihnen wichtig. Nein, Sie haben zum ersten Anliegen einer Regierungsvorlage die Besserstellung der Ausländer in Österreich gemacht. Damit können Sie wirklich nicht mit unserer Sympathie rechnen, denn wir glauben, daß die anderen Probleme weit wichtiger sind in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben sich damit zum nützlichen Diener jener machen lassen, die ihr ideologisches Spiel zum Nachteil der Österreicher betreiben, die immer nur in erster Linie die Rechte der Ausländer sehen und nicht die Situation, in der sich die Österreicher befinden.

Herr Minister! Sie sind Niederösterreicher, aber Sie werden wahrscheinlich auch die Situation in Wien kennen, die Lage, in die viele Wiener gebracht worden sind, weil eben eine solche Ausländerpolitik betrieben worden ist. Und gerade Sie und all diejenigen, die auch wissen, wie die Lage ist, werden diese Familienzusammenführung in einem ungeahnten Ausmaß zulassen. 100 000 Ausländer werden alleine in Wien durch die Familienzusammenführung zuziehen. Damit schaffen Sie auch jede Menge Probleme, auf dem Wohnungssektor, auf dem Arbeitsplatzsektor. 5 000 Jugendliche bekommen jetzt schon keinen Lehrplatz. Ja was glauben Sie denn, wie die Situation durch den Familiennachzug nachher sein wird? – Da kommen Jugendliche, da kommen Leute, die einen Arbeitsplatz haben wollen.

Bitte berufen Sie sich nicht immer auf die Menschenrechtskonvention, denn Artikel 8 der Menschenrechtskonvention besagt lediglich: Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Da ist keine Rede davon, daß ein Ausländer, wenn er in einem bestimmten Land wohnt, auch das Recht bekommen muß, seine gesamte Familie samt Pflegekindern und so weiter nachzuholen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sollten wirklich bedenken, in welche Lebenssituation Sie die Österreicher gebracht haben durch Ihre falsche Ausländerpolitik, von der Sie nur vor Wahlen wissen wollen, um die Wähler einigermaßen auf Linie zu bringen. Sie haben wirklich eine unanständige Politik in den vergangenen Jahren betrieben, und diese setzen Sie jetzt fort; eine unanständige Politik den Österreichern, aber auch jenen Ausländern gegenüber, die schon sehr lange in Österreich leben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte.

11.00

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Dr. Partik-Pablé, Ihr Vorwurf an den Herrn Innen


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minister, daß ausgerechnet diese heute zu behandelnde Regierungsvorlage seine erste Aktivität wäre, um hier als Innenminister in Erscheinung zu treten, ist doch sehr weit hergeholt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: "In Erscheinung zu treten" habe ich nicht gesagt!) Sie müssen die Entwicklung der letzten Monate, seit Karl Schlögl das Ressort leitet, wirklich verschlafen haben, sonst könnten Sie nicht zu solch einem Schluß kommen. Denn es ist gerade dieser Innenminister, der sich öffentlich und auch in der Bundesregierung ununterbrochen vehement dafür einsetzt, daß die Situation im Bereich der Sicherheitsexekutive verbessert wird, daß zum Beispiel bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität erweiterte Fahndungsmethoden eingeführt werden. Die zuvor zu Ende gegangene Aktuelle Stunde war ja einem Thema gewidmet, das wir hier in einer der nächsten Plenarsitzungen behandeln werden. Der Vorwurf an Bundesminister Schlögl, daß er hier durch besondere Ausländerfeindlichkeit in Erscheinung tritt, ist also, so meine ich, sehr weit hergeholt.

Weil Sie wieder einmal so sehr auf die Ausländer losgegangen sind: Soweit mir bekannt ist, sind auch Abgeordneten Ihres Klubs Ausländer nicht ganz unbekannt – nämlich dann, wenn man sie als billige Arbeitskräfte braucht. (Abg. Dr. Graf: Von wem sprechen Sie?) Sie wissen genau, wen ich meine. Die Namen sind ja allgemein bekannt und medial auch entsprechend publik gemacht worden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Von wem reden Sie? Wer soll das sein?) – Von Abgeordneten der Freiheitlichen Partei!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf enthält wesentliche Verbesserungen gegenüber der geltenden Gesetzeslage. Unsere Vorschläge zielen darauf ab, sie noch besser zu gestalten. – Das waren die Worte des UN-Hochkommissärs auf ganz konkretes Befragen während des Expertenhearings im Unterausschuß. Das sind aber auch Worte, die von einem Experten kommen, der sich in dieser Sache wirklich auskennt. Das sind aber auch Worte, die der österreichischen Fremden- und Asylpolitik ein gutes Zeugnis ausstellen.

Das Fremden- und das Aufenthaltsgesetz wurden Anfang der neunziger Jahre geschaffen, um den politischen Veränderungen in Europa Rechnung zu tragen, und sie haben sich, was ihre Intentionen betrifft, durchaus bewährt. Es konnte durch diese Gesetze eine unkontrollierte Zuwanderung vermieden werden. Im Vollzug der beiden Gesetze sind allerdings gewisse Probleme entstanden. Es war daher logisch und auch notwendig, daß es aufgrund dieser Mängel im Vollzug zu einer Zusammenfassung des bisher geltenden Fremdengesetzes und des bisher geltenden Aufenthaltsgesetzes zu einem einzigen Fremdengesetz, wie es in der jetzigen Fassung dem Parlament vorliegt, kommt. Es ist dies der Ausfluß der bisherigen Vollzugspraxis.

Die heute vom Innenminister vorgelegte Regierungsvorlage hat bei der Begutachtung ein sehr breites Echo gefunden. Sie hat bereits im Vorfeld der Beratungen hier im Nationalrat zu umfangreichen Diskussionen und Debatten geführt. Während der Gesetzentwurf dem Liberalen Forum und den Grünen viel zu wenig weit geht, halten ihn die Freiheitlichen, wie wir soeben aus dem Munde der freiheitlichen Abgeordneten Dr. Partik-Pablé vernehmen konnten, für äußerst ausländerfreundlich. In diesem Lichte ist die Arbeit im Innenausschuß durchzuführen gewesen: dem einen war es zuviel und dem anderen zuwenig. Und das war auch der Tenor in der Öffentlichkeit.

Der Innenausschuß hat sich trotz Boykotts durch die Oppositionsparteien in drei Sitzungen des Unterausschusses und in einer Sitzung des Vollausschusses mit dieser Materie intensiv auseinandergesetzt. Ich betone noch einmal: intensiv!

Ich verstehe daher nicht ganz, daß die Opposition heute darüber klagt, daß in letzter Minute noch so viele Änderungen an diesem Gesetz eingebracht wurden und noch neue Gesetzesbestimmungen hinzugekommen sind.

Bisher ging der Vorwurf eher in die umgekehrte Richtung, bisher hieß es, diese Regierung bringe nichts weiter, sie verzögere und komme zu keinen Ergebnissen in ihrer Regierungsarbeit. Geht es aber einmal rasch, geht einmal etwas weiter, paßt es der Opposition auch nicht. Meine Damen und Herren von der Opposition! Ihnen kann man anscheinend gar nichts recht machen.


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(Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben im Innenausschuß an dieser Vorlage gründlich gearbeitet, wobei der Auftakt das Expertenhearing war, und während dieses Expertenhearings kam es zu einem sehr regen Meinungsaustausch unter den einzelnen Abgeordneten, aber auch unter den einzelnen Experten, und letztendlich hat dieser Meinungsaustausch und somit dieses Expertenhearing dazu geführt, daß eine Reihe von Abänderungsanträgen eingebracht worden ist.

Was sind nun die bedeutendsten Punkte und Zielsetzungen des neuen Fremdengesetzes und des novellierten Asylgesetzes? – Beim Fremdengesetz heißt das oberste Ziel – Frau Kollegin Dr. Partik-Pablé, Sie haben das hier anders darzustellen versucht, aber das war immer die Linie des Innenministers –: Integration steht vor Neuzuwanderung! Dieses oberste Ziel zieht sich wie ein roter Faden durch das neue Fremdengesetz. Neuzuwanderung sollte es in Zukunft nur mehr für Schlüsselkräfte und beim innerhalb der Quote stattfindenden Familiennachzug geben.

Weitere Zielsetzungen des neuen Fremdengesetzes sind: Aufenthaltsverfestigung nach mehr als achtjährigem legalen Aufenthalt in Österreich; Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt für Zuwanderer, die in unser Land kommen; Schaffung eines Integrationsbeirates; wirksame Bekämpfung der Schlepperei mit deutlich höheren Strafen.

Beim Asylgesetz gibt es in Hinkunft den Grundsatz, daß während des gesamten Asylverfahrens ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gilt. Es wird beim Asylverfahren am Flughafen ein Vertreter des UNHCR in das Verfahren mit eingebunden. Beim Asylverfahren an der Grenze gibt es erstmals ein zweiinstanzliches Prüfungsverfahren. Schließlich wird ein unabhängiger Asylsenat als Berufungsinstanz durch ein völlig neues Gesetz, das heute ebenfalls mit in Behandlung steht, geschaffen.

Ich wundere mich, daß es jetzt, nach Abschluß der Beratungen im Innenausschuß, noch zu Diskussionen, zu schriftlichen Eingaben, zu öffentlichen Wortmeldungen vor allem der NGOs kommt, die in vielen Punkten ihrer Stellungnahmen jede Objektivität vermissen lassen. Bis zur letzten Minute haben sich die beiden Regierungsparteien im Innenausschuß bemüht, gerade auch auf Abänderungswünsche und auf Vorschläge dieser privaten Organisationen einzugehen. Daß nicht alles erfüllt werden konnte, liegt auf der Hand, aber in letzter Minute wurden noch einige wesentliche Punkte in das Gesetz aufgenommen, so zum Beispiel die Rechtsberatung an der Grenze, die zuvor nicht im Gesetz enthalten war, oder der Austausch von Daten nur bei jenen, die undokumentiert in unser Land kommen, und nicht bei jenen, die dokumentiert zu uns kommen. All das sind Punkte, die erst nach den Beratungen von den NGOs gefordert wurden und von uns noch berücksichtigt wurden.

Selbstverständlich werden auch in Hinkunft all jene, die in Österreich um politisches Asyl ansuchen und entsprechend der Genfer Konvention Schutz vor politischer, ethnischer oder religiöser Verfolgung suchen, in Österreich Schutz in vollem Umfang erhalten. Es gibt da keine politische Selbstaufgabe, wie dies zum Beispiel gestern in einer Presseaussendung "SOS-Mitmensch" behauptet hat. Von einer Stelbstaufgabe kann man in diesem Fall nicht sprechen. Selbstverständlich bekennen wir uns zu den Kriterien der Genfer Konvention.

Es gilt auch festzuhalten, daß bei diesem Expertenhearing alle Experten, egal, von welcher Partei sie gestellt wurden, und auch der Vertreter des UNHCR die Meinung vertreten haben, daß dieser Gesetzentwurf eine Verbesserung gegenüber der derzeitigen Gesetzeslage darstellt. Je nachdem, wo die einzelnen Vertreter im Expertenhearing zuzuordnen waren, sind ihre weiteren Wünsche erfolgt.

Dieses Gesetz ist zweifellos ein Kompromiß im Abwägen der tagtäglichen Realität, mit der wir konfrontiert sind, ein Kompromiß, mit dem, wie ich meine, beide Seiten gut leben können. Wenn uns von der einen Seite der Vorwurf ereilt, in den letzten Jahren eine inhumane, eine schlechte Ausländerpolitik gemacht zu haben, und uns die andere Seite, die meint, in dieser Frage besonders kompetent zu sein, vorwirft, daß die Ausländerpolitik der Regierung in vollem Umfang gegen die Ausländer gerichtet ist, so ist auf das hinzuweisen und das zu unterstreichen, was


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Kollegin Partik-Pablé gesagt hat, nämlich daß sich in den letzten zehn Jahren der Anteil der ausländischen Bürger in unserem Lande verdoppelt hat und daß Österreich gerade hinsichtlich der Flüchtlinge aufgrund des Krieges in Exjugoslawien eine Haltung eingenommen hat, die beispielgebend ist und die von vielen Organisationen als vorbildhaft qualifiziert wurde. Von den rund 100 000 Kriegsflüchtlingen aus Exjugoslawien haben zirka 70 000 in Österreich Arbeit gefunden; sie sind auf dem österreichischen Arbeitsmarkt integriert. Angesichts dieser Fakten kann man doch, meine Damen und Herren des Liberalen Forums und von den Grünen, beim besten Willen nicht davon sprechen, daß wir eine fremdenfeindliche Politik gemacht haben.

Die Anerkennungsquote bei Asylverfahren beträgt in Österreich knapp 9 Prozent und ist hinter Schweden die zweithöchste aller Anerkennungsquoten innerhalb der EU-Staaten. Auch das ist ein Punkt, der hier Erwähnung finden sollte.

Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten der Ausländerpolitik dieser Bundesregierung, ein Abwägen zwischen dem, was wir in unserem Lande vertragen können, und dem, was notwendig ist. An diesen Fakten kann sich niemand vorbeischwindeln.

Es war uns ein ganz großes Anliegen, mit den beiden Regierungsvorlagen, die heute hier zur Beschlußfassung anstehen, mehr Rechtssicherheit sowohl für den Asylwerber als auch für jene, die die Asylgesetze zu vollziehen haben, zu schaffen. Sie entsprechen meiner Meinung nach auch den Intentionen der beiden Regierungsparteien in diesem Bereich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.13

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die bisherigen Positionierungen in der Debatte, insbesondere jene des Kollegen Leikam, kann ich nicht nachvollziehen.

Herr Kollege Leikam! Sie meinten, deswegen, weil Kollegin Partik-Pablé eine extreme Gegenposition zu den beiden Regierungsvorlagen eingenommen hat, sie ihr viel zu weit gingen, und deswegen, weil das Liberale Forum und die Grünen die beiden Regierungsvorlagen aus dem gegenteiligen Ansatz kritisieren, lägen die beiden Gesetzentwürfe in der Mitte, und sagten, der Mittelwert sei gut.

Glauben Sie mir: Zwischen bestimmten Positionen gibt es keinen Mittelwert, da müssen Sie sich entscheiden! Es gibt keine teilweisen Grundrechte, sondern es gibt sie oder es gibt sie nicht, und es gibt keinen teilweisen Rechtsstaat, sondern es gibt ihn oder es gibt ihn nicht. Daher meine ich, daß es legitim ist, festzuhalten, daß es da um eine grundsätzliche Frage geht.

Wir beschäftigen uns mit dieser Rechtsmaterie schon seit Jahren im Detail und intensiv. Diese unsere Arbeit hat konkret in zwei Abänderungsanträgen, die wir dem Herrn Präsidenten überreicht haben – ich bitte, sie im Sinne des § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung verteilen zu lassen –, ihren Niederschlag gefunden. Diese beiden Abänderungsanträge sind sehr umfangreich. Allein beim Fremdengesetz haben wir zu 50 Ziffern Änderungen vorgeschlagen und beim Asylgesetz zu 15 Ziffern.

Das ist das Kondensat einer langen Diskussion, von vielen Gespräche mit Nicht-Regierungsorganisationen – von "SOS-Mitmensch" bis UNHCR –, mit den zuständigen Bundesministern, von Beratungen sonder Zahl in Ausschüssen, schon in den Jahren 1995 und 1996. Es ist das die Summe einer langen Arbeit. All diese Papiere, Vorschläge und Anregungen sind dem Ausschuß, den Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, den zuständigen Regierungsmitgliedern seit langem zur Verfügung gestanden, sie sind mit diesen Unterlagen aber nicht anders umgegangen als mit den Vorschlägen, die zum Beispiel der UNHCR oder die Caritas erstattet haben. Ich halte diese Papiere hier bewußt hoch (der Redner hält zwei schriftliche Unterlagen in die Höhe) – seriöse, legistisch ausformulierte Vorschläge des UNHCR und der


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Caritas. Es wurde de facto kein einziger Punkt davon berücksichtigt – mit einer ganz kleinen Ausnahme, auf die ich noch eingehen werde, weil diese kleine Ausnahme sehr erhellend ist.

Natürlich haben seriöse Experten im Expertenhearing eingeräumt, daß es da oder dort besser ist, als es bisher war. Aber nur deswegen, weil sich etwas, das ganz schlecht ist, geringfügig verbessert, ist es noch nicht gut. Aus den Aussagen des UNHCR oder der Caritas, daß sie Verbesserungen erkennen können, abzuleiten, daß das jetzt eine gute Sache wäre, ist absolut zynisch angesichts des Umstandes, daß die schriftlichen Änderungsvorschläge dieser Organisationen ignoriert worden sind. Sie waren mit dem, was sie vorgelegt bekommen haben, nicht zufrieden. Sie haben konstruktive Vorschläge gemacht.

Ich stehe auch gar nicht an, zuzugeben, daß in unseren umfangreichen Abänderungsanträgen der eine oder andere Vorschlag enthalten ist, der sich auch in den beiden genannten Entwürfen findet, denn wer sich mit Menschenrechten auseinandersetzt, kommt in der einen oder anderen Frage sehr rasch zum selben Ergebnis wie jemand anderer, der dasselbe tut. Es ist ja nicht so, daß hier das Rad erfunden werden muß. Die Menschenrechtskonvention ist schon einige Jahre alt, und auch die Genfer Flüchtlingskonvention wurde nicht erst gestern beschlossen.

Daher möchte ich ausdrücklich festhalten: Das, wessen Sie sich hier selbst berühmen, ist es nicht! Vor allem ist es kein Integrationspaket, von dem Sie immer gesprochen haben, weil Sie alle Fragen, die mit der Staatsbürgerschaft zusammenhängen, überhaupt nicht in Angriff genommen haben. Außerdem hat eine echte Harmonisierung zwischen Aufenthaltsrecht und Ausländerbeschäftigungsrecht wieder nicht stattgefunden. Doch nur dann, wenn man diese beiden Felder harmonisiert und aus einer Hand heraus letztlich in einem Gesetz regelt, könnte man viele Probleme, die heute bestehen, beseitigen und würde man vor allem einen echten Zugang zu dem schaffen, was man Aufenthaltsverfestigung und Integration nennt. Denn in Anspruch zu nehmen beziehungsweise zu behaupten, daß dieses Gesetz der Integration dienlich sei, ist wirklich mutig. Es gibt ein paar kleine Fortschritte, das ist richtig, aber wirkliche Integrationsmaßnahmen finden wir zumindest in diesen beiden Gesetzentwürfen nicht.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel: die Ausweispflicht für Fremde. Frau Kollegin Partik-Pablé jubelt, sie hat aber nicht zu Ende gedacht, denn die Ausweispflicht für Fremde bedeutet de facto die Ausweispflicht für alle. Wenn ich keinen Ausweis mithabe und egal aus welchen Gründen, mutwillig oder nicht, für einen Fremden gehalten werde und diesen Verdacht nicht durch rasches Vorweisen meines Ausweises als Inländer abwehren kann, bin ich schon in einer De-facto-Ausweispflicht. Es stellt sich dann, nachdem man mich vielleicht festgehalten hat, meine Identität geprüft hat, zwar heraus, daß das ein Irrtum war, aber um dem Irrtum vorzubeugen, werde ich gut beraten sein, ab Einführung der Ausweispflicht für Fremde selbst auch ständig einen Ausweis mitzuhaben, damit ich nicht in die unangenehme Lage komme, mich vorher festnehmen zu lassen zum Nachweis dessen, daß ich keinen brauche. – Das ist Polizeistaat! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ein weiteres Beispiel, das wir in der Diskussion auch genannt haben, ist der quasi Mutter-Kind-Paß für Fremde. Es gibt die Regelung, daß dann, wenn eine nichtösterreichische Staatsbürgerin in Österreich ein Kind zur Welt bringt, das Kind den Aufenthaltstitel der Mutter teilt. Hat die Mutter eine Aufenthaltsberechtigung, so hat sie automatisch auch das Kind, hat sie keine, so hat automatisch auch das Kind keine.

Ob der Vater einen Aufenthaltstitel hat, interessiert die Regierungsparteien nicht. Ich sage Ihnen: Wenn man Gerechtigkeit in diesem Fall schaffen und die Menschenwürde und die Menschenrechte achten will, dann muß man dem Kind von beiden Elternteilen alternativ abgeleitet den Aufenthaltstitel einräumen können. Nicht nur die Mutter allein soll dafür ausschlaggebend sein, sondern auch der Vater sollte dabei eine Rolle spielen. Und ich meine, daß diese Regelung deutlich die Gesinnung zeigt, mit der dieses Gesetz verfaßt wurde.

Kollege Leikam hat gemeint, es wäre so ausführlich diskutiert worden. – Ich meine, so ausführlich wurde in diesen Ausschüssen nicht diskutiert. Wir haben sie zwar boykottiert, aber unsere Mitarbeiter waren dort – das wissen Sie genau – und sind zum Teil aus dem Staunen nicht herausgekommen. Die zweite Ausschußsitzung, in der so "ausführlich" diskutiert wurde,


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hat nicht einmal 45 Minuten gedauert und hat sich fast ausschließlich mit der Frage Au-pair-Mädchen beschäftigt; ich glaube, das war nicht die zentrale Frage beim Fremdengesetz und beim Asylgesetz! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Andererseits wurde der Gegenstand, der heute zur Einwendungsdebatte geführt hat, nämlich der Bundesasylsenat, im Ausschuß de facto gar nicht diskutiert. In diesem Zusammenhang wurden den Ausschußmitgliedern nur die jeweils fertigen Papiere quasi zur beschlußfassenden Kenntnisnahme vorgelegt, aber erarbeitet wurde das dort nicht. Im Gegenteil: Erarbeitet wurde es im vorparlamentarischen Raum, und die Diskussion in den Ausschüssen hat – das räume ich Ihnen gerne ein, weil das durchaus ein Lob für die Opposition ist – gelitten, sie war nicht leicht möglich, da die Ratlosigkeit bedeutend war. Herr Kollege Kiss! Sie wissen das ganz genau, nur glauben Sie, daß man, wenn man nicht Augenzeuge ist, nicht informiert ist.

Auch wenn wir der Meinung sind, daß es besser ist, daß es jetzt das Fremdengesetz gibt und nicht mehr zwei Gesetze – wir geben das durchaus zu –, bedeutet das nicht, daß wir das Gesetz loben. Es ist das allerdings ein Gesetz, das zu lesen man Experte sein muß. Wenn man Betroffener ist und im speziellen Fall vielleicht zwar schon integriert, aber der deutschen Sprache noch nicht mächtig genug, österreichische legistische Texte lesen zu können, dann hat man von dem Gesetz herzlich wenig, man ist vielmehr zwingend auf Beratung angewiesen.

Zur Integration ein paar Hinweise, dazu, warum wir so skeptisch sind. Bei der Familienzusammenführung war Ihnen die Menschenrechtskonvention gleichgültig. Sie haben nicht verstanden, daß es andere Möglichkeiten gibt, den Familienzuzug über mehrere Jahre aufgeteilt zu steuern, als eine Quote zu beschließen, die per se grundrechtswidrig ist. Sie haben nicht verstanden, daß es möglich gewesen wäre, allen, die Familienzusammenführung anstreben, die sofortige Antragstellung zu erlauben, aber die Bescheide über eine Zeitreihe zu verteilen. Rechtssicherheit ist ein hohes Gut, und wenn ich heute weiß, daß ich meine Familie in drei Jahren nachholen kann, so ist mir das lieber, als dreimal ansuchen zu müssen und dreimal an der Quote zu scheitern. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Auch die Aufenthaltsverfestigung ist Ihnen mißlungen, denn wer ein Jahr ohne Beschäftigung ist, kann ohne weiteres – trotz rechtskräftigen Aufenthaltstitels – abgeschoben werden.

Auch die Wohnungen betreffend sind Sie unseren Vorschlägen nicht gefolgt. Wir waren der Meinung, es wäre besser, auf sanitäts-, gesundheits- und baupolizeiliche Standards statt auf irgendwelche Ortsüblichkeiten abzustellen, und zwar einfach auf jene, die in dem jeweiligen Bundesland gültig sind. Wenn eine Wohnung gesundheits-, bau- und sanitätspolizeilich okay ist, dann muß sie als ausreichend anerkannt werden.

Wo ist der Fortschritt aus dem Jahr 1995, als wir folgende Ausschußfestellung durchgesetzt haben – ich zitiere –: der Lebensunterhalt jedenfalls gegeben ist, wenn eine kollektivvertraglich entlohnte Beschäftigung oder eine zur Existenzsicherung gedachte gesetzliche Transferleistung vorliegt? – Das haben Sie nicht akzeptiert. Das bedeutet, auch dann, wenn jemand kollektivvertraglich entlohnt ist und eine zur Existenzsicherung gedachte Transferleistung bezieht, kann er abgeschoben werden. Also das ist weder Integration noch Aufenthaltsverfestigung noch sozial noch humanitär. Daher dürfen Sie sich nicht wundern, Herr Kollege Leikam, wenn Herr Bischof Weber in letzter Minute einen Brief schreibt – die Kirche ist nicht irgendeine private Organisation. Die Kirche ist zwar im privaten Raum angesiedelt, und wir treten für die Trennung von Kirche und Staat ein, aber wenn eine moralische Autorität vom Gewicht des Vorsitzenden der Bischofskonferenz in letzter Minute einen Brief an dieses Haus richtet, dann macht sie das nicht zur höheren Ehre der Liberalen oder der Grünen, sondern zur höheren Ehre der Humanität! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wir berufen uns nicht auf ihn, aber ich nenne ihn deswegen als "Zeugen", weil Sie gesagt haben: In letzter Minute sind noch ein paar gekommen! – Sie wundern sich, obwohl kein einziger Punkt aus den Caritas-Vorschlägen berücksichtigt worden ist, daß Herr Bischof Weber noch versucht, die Notbremse zu ziehen? – Also bitte. (Abg. Leikam: Das stimmt ja überhaupt nicht! Mehrere Punkte!)  – Nein, nicht mehrere Punkte, sondern ein einziger Punkt, und dieser einzige Punkt ist, daß Sie jetzt den NGOs erlauben, auf Ersuchen an der Grenze zu beraten. Ich sage


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Ihnen: Das ist ganz gut, aber was geben Sie damit explizit zu? – Daß Ihre Beamten vor Ort nicht dazu in der Lage sind, zu beraten. Das geben Sie damit zu. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Und warum sind sie nicht in der Lage dazu? (Zwischenruf des Abg. Leikam. ) Ich möchte nicht den falschen Eindruck erwecken, daß ich meine, das wären unfähige Leute. Aber sie befinden sich in dem Konflikt, daß sie weisungsgemäß versuchen müssen, die Leute hinauszubekommen. Und wenn man in diesem Auftrag dort arbeitet, kann man nicht gleichzeitig jemanden beraten, wie er bestmöglich um Asyl ansucht. Es ist die Anleitungspflicht der Behörde, die Sie damit außer Kraft setzen; diesen Bereich privatisieren Sie. Sie wissen, wir sind sehr für Privatisierung, aber für die Privatisierung des Grundrechtsschutzes sind wir nicht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) In Asylfragen kommt eine Privatisierung des Grundrechtsschutzes nicht in Frage!

Und wer bezahlt das? – Die NGOs, die Caritas zahlen das selbst, der UNHCR hat bekanntlich ein "überbordendes" Budget. Personal haben sie sowieso "massenhaft", sie können an jedem Grenzpunkt beliebig viele Leute zum 24-Stunden-Dienst setzen; das müssen sie nämlich machen, weil Sie eine 48-Stunden-Frist vorgesehen haben.

Überlegen Sie einmal: Den Abänderungsantrag, der gestellt wurde, nämlich daß sich dann, wenn man eine Berufung ergreifen will, diese 48-Stunden-Frist um fünf Tage verlängern sollte, haben Sie zurückgewiesen und gesagt: Das geht nicht, denn dann nehmen uns die sicheren Drittstaaten die Leute nicht mehr zurück. – Dann verhandeln Sie halt bessere Abkommen mit den sicheren Drittstaaten! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Kollege Leikam schüttelt den Kopf. – Ich verstehe schon, pragmatisch haben Sie recht, natürlich ist es praktisch, denn wenn man nur sechs Tage Zeit hat, muß man halt zusehen, die Leute innerhalb von zwei Tagen wieder wegzuhaben, da müssen sie die anderen nehmen, das ist klar, sparen wir diese blöde Non-refoulement-Prüfung, das ist unangenehm, weil man nicht genau weiß, was die dann machen. Bei den Ungarn ist man gut beraten, skeptisch zu sein, die haben nämlich einen Vorbehalt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Die Slowakei ist nicht das, was ich mir unter einem sicheren Drittstaat vorstelle, und selbst das von mir sonst sehr geschätzte Slowenien hatte im Jahr 1996 in Asylfragen eine Anerkennungsrate von zwei Personen – glauben Sie mir, es haben mehr angesucht. Slowenien ist also kein sicherer Drittstaat.

Herr Kollege Leikam – den Kollegen Kiss frage ich das prophylaktisch –, ich frage Sie, ob es Ihnen wirklich gefallen kann, wenn Bischof Weber einen derartigen Brief schreibt, wenn sich die Caritas verspottet fühlt. – Ich glaube es nicht. Sie werden hier herausgehen und sagen, das stimme alles nicht, das sei die typische Wehleidigkeit der Liberalen, weil sie nicht im Ausschuß waren, und so weiter. Das werden Sie alles sagen, aber Ihre moralische Verpflichtung werden Sie damit nicht loswerden.

Wenn Sie ein Gewissen haben, dann appelliere ich an dieses Gewissen; machen Sie Gebrauch davon! Sie haben ein freies Mandat. Noch ist es nicht zu spät. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

11.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Kier hat zwei Abänderungsanträge, einen zum Asylgesetz und einen zum Fremdengesetz, eingebracht, sie sind ausreichend unterstützt. Beide Anträge sind relativ umfangreich, Dr. Kier hat sie in den Kernpunkten vorgetragen. Ich habe daher im Sinne des § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung die Vervielfältigung und Verteilung der Anträge veranlaßt. Beide Anträge werden in die Verhandlungen miteinbezogen.

Die Anträge haben folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Kier, Partnerinnen und Partner auf Abänderung der Regierungsvorlage (685 d. B.) in Fassung des Ausschußberichtes (755 d. B.) betreffend Bundesgesetz über die


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Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 der 77. Sitzung des Nationalrates (XX. GP)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz mit dem die Regierungsvorlage (685 d. B.) in Fassung des Ausschußberichtes (755 d. B.) betreffend Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Regierungsvorlage (685 d. B.) in Fassung des Ausschußberichtes (...) betreffend Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) wird wie folgt geändert:

1. Das Wort "Fremde(r)" wird jeweils ersetzt durch "Person nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft" und die Wortfolge "fremde Staatsangehörigkeit" wird ersetzt durch "andere Staatsbürgerschaft".

2. § 8 Abs. 3 Z 3 entfällt.

3. § 8 Abs. 4 wird geändert und lautet:

§ 8 Abs. 4: "Personen, deren Ehe nichtig gemäß § 23 Abs. 1 Ehegesetz ist, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen."

4. § 8 Abs. 5 erster Satz wird wie folgt geändert und lautet:

§ 8 Abs. 5 erster Satz: "Für die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels bedarf es des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine den sanitäts-, gesundheits- und baupolizeilichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes entsprechende Unterkunft für die Person nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft, die sich hier niederlassen will."

5. § An 10 Abs. 2 Z 1 wird folgender Halbsatz angefügt:

§ 10 Abs 2 Z 1 letzter Halbsatz: "ausreichende eigene Mittel und ein gesicherter Lebensunterhalt sind jedenfalls dann gegeben, wenn eine kollektivvertraglich entlohnte Beschäftigung oder eine zur Existenzsicherung gedachte gesetzliche Transferleistung vorliegt;"

6. § 10 Abs. 4, wird geändert und lautet:

§ 10 Abs. 4: "Die Behörde hat Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind oder aus tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden können; diesen Personen ist ein befristetes Aufenthaltsrecht zu erteilen."

§ 10 Abs. 4 letzter Satz wird Abs. 5.

7. § 13 entfällt.

8. § 14 Abs. 2: Der Halbsatz "dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3)" entfällt.

9. § 14 Abs. 3 erster Satz wird wie folgt geändert und lautet:


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77. Sitzung / Seite 55

§ 14 (3) erster Satz: "Der Einreise- oder Aufenthaltstitel ist im Einreisedokument ersichtlich zu machen; eine Niederlassungsbewilligung gilt für jeglichen Aufenthaltszweck."

10. § 18 Abs. 1 Z 1 entfällt. Die Ziffern 2 und 3 werden zu Ziffern 1 und 2, wobei das Wort "anderen" entfällt.

11. § 18 Abs. 5 zweiter Halbsatz entfällt.

12. § 18 Abs. 6 erster Satz entfällt.

13. § 19 Abs. 2 Z 1 lautet:

§ 19 (2) Z 1: "Schlüsselkräfte sind, an deren Beschäftigung a) im Hinblick auf ihre besondere Ausbildung, speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten oder besondere Erfahrung oder b) im Hinblick auf den mit der Beschäftigung verbundenen Transfer von Investitionskapital gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen;"

Die Z 1 bis 5 werden zu Ziffern 2 bis 6.

14. § 20 Abs. 1 letzter Satz wird geändert und lautet:

§ 20 (1), letzter Satz: "Das Recht, weiterhin niedergelassen zu sein, bleibt auch bei späterem Wegfall der Voraussetzungen für den Familiennachzug erhalten."

15. An § 21 Abs. 1 wird folgender letzter Satz angefügt:

§ 21 Abs. 1 letzter Satz: "Der Antragsteller ist über die Möglichkeit des Anspruchs auf Familiennachzug zu informieren."

16. § 21 Abs. 3 entfällt. Die Abs. 4 und 5 werden zu den Abs. 3 und 4.

17. § 22 Abs. 1 dritter Satz wird geändert und lautet:

§ 22 Abs. 1, dritter Satz: "Ist die Zahl bereits ausgeschöpft, so ist in den Bescheiden über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und über die danach einlangenden Anträge, denen im Falle noch zur Verfügung stehender Bewilligungen sofort stattzugeben wäre, ein Datum zu nennen, an dem der Antragsteller eine Erstniederlassungsbewilligung erhält, wodurch die Bewilligung als zu diesem späteren Zeitpunkt als erteilt gilt; auf die Anzahl der über die in der Niederlassungsverordnung festgelegte Anzahl hinausgehenden Bewilligungen kann bei der nachfolgenden Verordnung Bedacht genommen werden."

18. An § 22 wird folgender Abs. 2 angefügt:

§ 22 (2): Sind am Ende eines Kalenderjahres in einzelnen Bundesländern nicht alle aufgrund der Niederlassungsverordnung möglichen Erstniederlassungsbewilligungen vergeben worden, werden diese auf jene Bundesländer, in welchen die Quote bereits ausgeschöpft ist, durch Verordnung proportional übertragen."

19. § 23 Abs. 1, zweiter Satz, Abs. 2 und Abs. 3 entfallen.

20. § 28 Abs. 2 wird geändert und lautet:

§ 28 (2) "In Österreich geborene Kinder von Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind während ihrer ersten drei Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter oder der Vater oder der Obsorgepflichtige über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter oder des Vaters oder des Obsorgepflichtigen weiterhin besteht."

21.. § 32 Abs. 2 entfällt.


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22. An § 33 wird folgender Abs. 4 angefügt:

§ 33 (4): "Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft dürfen bei Vorliegen des Abs. 2 Ziffer 3 nicht ausgewiesen werden, wenn sie gegen Personen, die der Strafdelikte Zuhälterei (§ 216 StGB) oder Menschenhandel (§ 217 StGB) oder ausbeuterische Schlepperei verdächtigt werden, Informationen liefern, die diesen Verdacht erhärten sowie in einem Gerichtsverfahren aussagen."

23. § 34 Abs. 1 Z 3 wird geändert und lautet:

§ 34 (1) 3. der Aufenthaltstitel einer Person nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft erteilt wurde, weil sie sich auf eine Ehe berufen, obwohl diese für nichtig zu erklären ist.

24. § 34 Abs 2 ist die Wortfolge "Weiters sind Fremde..." durch "Weiters können Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft..." zu ersetzen.

25. § 34 Abs. 3 Z 1 entfällt.

26. In § 34 Abs. 3 Z 2 entfällt das Wort "nahezu".

27. § 35 Abs. 1 letzter Satz entfällt.

28. § 35 Abs. 2 wird geändert und lautet:

§ 35 (2): "Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen wegen Wirksamkeit eines Versagungsgrundes nicht mehr ausgewiesen werden, es sei denn, sie wären von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes – SMG, oder nach einem Tatbestand des 16. oder des 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden."

29. § 35 Abs. 3 entfällt.

30. § 36 Abs. 2 Z 2: Die Wendung "mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges Gewerbe oder" entfällt.

31. § 36 Abs. 2 Z 4 wird geändert und lautet:

§ 36 Abs. 2 Z 4: "im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;"

32. § 36 Abs. 2 Z 9 wird geändert und lautet:

§ 36 Abs. 2 Z 9: "eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, die Ehe jedoch durch ein gerichtliches Urteil für nichtig erklärt wurde."

33. An § 36 wird folgender Abs. 5 angefügt:

§ 30 Abs. 5: "Verwaltungsübertretungen dürfen nicht zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes führen, wenn sie länger als ein halbes Jahr zurückliegen oder die Person nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft länger als zwei Jahre mit Aufenthaltstitel ansässig ist."

34. In § 37 Abs. 1 wird nach der Wortfolge "§ 34 Abs. 1" die Wortfolge "bis 3" eingefügt.

35. § 38 Abs. 1 Z 1 lautet:

§ 38 Abs. 1 Z 1: "die Person nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft Opfer von Menschenhandel war, zur Geheimprostitution gezwungen wurde und gegen Personen, die der Strafdelikte Zuhälterei (§216 StGB) oder Menschenhandel (§ 217 StGB) oder ausbeuterische Schlepperei


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77. Sitzung / Seite 57

verdächtigt werden, Informationen liefert, die diesen Verdacht erhärten. Diesen ist eine befristete Aufenthaltsbewilligung von 6 Monaten zu erteilen."

Die Z 1 bis 4 werden zu Ziffern 2 bis 5.

36. An § 45 Abs. 5 wird folgender Satz angefügt:

§ 45 Abs. 5 letzter Satz: "In diesem Fall ist auch die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ersichtlich zu machen."

37. § 49 Abs. 1 letzter Satz wird geändert und lautet:

§ 49 (1) letzter Satz: "Die Gültigkeitsdauer der ihnen beim ersten Mal erteilten Niederlassungsbewilligung beträgt fünf Jahre."

38. § 52 Abs. 3 letzter Satz entfällt.

39. § 57 Abs. 5 zweiter Satz wird geändert und lautet:

§ 57 (5) zweiter Satz: "Dies obliegt den Asylbehörden."

40. § 65 Abs. 1 wird geändert und lautet:

§ 65 (1): "Jeder gemäß § 63 Abs. 1 Festgenommene ist ehestens in einer ihm verständlichen Sprache vom Grund seiner Festnahme und über die in § 65 Abs. 2 aufgezählten Rechte in Kenntnis zu setzen.

41. § 66 Abs. 1 wird geändert und lautet:

§ 66 (1): "Die Behörde hat von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, daß deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden."

42. In § 69 Abs. 4 wird das Wort "sechs" durch das Wort "vier" ersetzt.

43. § 69 Abs. 6 entfällt.

44. § 71 Abs. 2 Ziffer 2 und Abs. 5 entfällt.

45. § 75 Abs. 2 entfällt.

46. § 75 Abs. 3 erster Satz entfällt.

47. § 75 Abs. 5, letzter Satz entfällt.

48. Dem § 75 wird folgender Abs. 6 angefügt:

§ 75 (6): "Die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat obliegt dem Bundesasylamt."

49. § 93 Abs. 2 wird geändert und lautet:

§ 93 (2): "Die Entscheidung gemäß Abs. 1 ist schriftlich in Form eines Bescheides auszufertigen und hat eine Begründung zu enthalten; hiebei sind auch die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen anzuführen."

50. In § 94 entfallen die Abs. 2, 3 und 5. Die Abs. 4 und 6 werden zu Abs. 2 und 3.

*****

Antrag

der Abgeordneten Dr. Kier, Partnerinnen und Partner auf Abänderung der Regierungsvorlage (686 d. B.) in Fassung des Ausschußberichtes (755 d. B.) betreffend Bundesgesetz über die


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77. Sitzung / Seite 58

Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG) eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 der 77. Sitzung des Nationalrates (XX. GP)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem die Regierungsvorlage (686 d. B.) in Fassung des Ausschußberichtes (...) betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Regierungsvorlage (686 d. B.) in Fassung des Ausschußberichtes (...) betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG)

1. Das Wort "Fremde(r)" wird im gesamten Asylgesetz jeweils ersetzt durch "Person(en) nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft".

2. § 4 Abs. 3 wird geändert und lautet:

§ 4 (3): "Voraussetzung für die Annahme von Verfolgungssicherheit ist das Vorliegen einer schriftlichen Übernahmeerklärung des in Betracht kommenden Drittstaates, in welcher für den konkreten Einzelfall ein faires Asylverfahren und die Einhaltung des Refoulement-Schutzes zugesichert wird."

3. § 4 Abs. 5 wird wie folgt geändert und lautet:

§ 4 (5): "Können Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft, deren Asylantrag nach Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde, nicht innerhalb eines Zeitraumes von acht Wochen ab Antragstellung in einen sicheren Drittstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, ist ihr Asylantrag in Österreich zu prüfen und ihnen eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.

4. § 6 Z 2 wird wie folgt geändert und lautet:

§ 4 Z 2.: "die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber sich offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe bezieht oder"

5. § 6 Ziffern 3 und 4 entfallen.

6. § 10 Abs. 2, zweiter Satz wird geändert und lautet:

§ 10 (2) zweiter Satz: "Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen, Ehegatten, minderjährige unverheiratete Kinder und behinderte volljährige Kinder zulässig;"

7. § 17 wird geändert und lautet:

§ 17: "Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft, die anläßlich einer an einer Grenzübergangsstelle erfolgenden Grenzkontrolle einen Asyl- oder Asylerstreckungsantrag stellen, sind persönlich von einem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes anzuhören. Sie sind bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Asylantrag nicht zurückzuweisen."

8. § 21 Abs. 1 wird wie folgt geändert und lautet:

§ 21 (1): "Auf Asylwerber findet das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z 8, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht."

9. § 21 Abs. 2 wird geändert und lautet:


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77. Sitzung / Seite 59

§ 21 (2): "Ein Asylwerber darf nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgewiesen oder abgeschoben werden; die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat ist nicht zulässig."

10. § 26 Abs. 2, letzter Satz wird geändert und lautet:

§ 26 (2) letzter Satz: "Das Merkblatt ist jedem Asylwerber und jeder Asylwerberin bei Einbringung des Asylantrages in einer ihnen verständlichen Sprache zu übermitteln bzw. zu übergeben; weiters ist der Asylwerber und die Asylwerberin mit Antragstellung auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einem Flüchtlingsberater hinzuweisen und sind ihm oder ihr die hiefür nötigen Hilfen zur Verfügung zu stellen."

11. § 27 Abs. 1 wird geändert und lautet:

§ 27 (1): "Asylwerber sind persönlich von einem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes anzuhören."

12. § 29 erster Satz wird geändert und lautet:

§ 29, erster Satz: "Bescheide haben den Spruch, die Rechtsmittelbelehrung, den Hinweis nach § 61a AVG und die Begründung der Entscheidung in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten."

13. § In § 32 Abs. 1 wird folgender zweiter Satz eingeschoben:

§ 32 (1), zweiter Satz: "Dem Asylwerber ist auf Verlangen die Frist zur Einbringung einer Berufung um weitere fünf Tage zu verlängern, ohne daß hiefür besondere Gründe geltend gemacht werden müssen oder vorliegen." Die folgenden Sätze verschieben sich entsprechend.

14. An § 32 wird folgender Absatz 4 angefügt:

§ 32 (4): "Jedem Asylsuchenden ist ein asylrechtskundiger und unabhängiger Verfahrensberater in einer für den Betreffenden angemessenen Sprache kostenlos zur Seite zu stellen."

15. § 38 Abs. 4 erster Satz wird geändert und lautet:

§ 38 (4): erster Satz: "Die Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates müssen rechtskundig sein und über berufliche Erfahrung betreffend das Verwaltungsrecht verfügen."

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten.

11.29

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mir ist bei der heutigen Frühstückslektüre der morgendliche Kaffee bitter aufgestoßen. Ich sage es und beschreibe damit mein Befinden. (Abg. Dr. Kier: Mehr Zucker!) Ich habe im "Standard" gelesen, daß derjenige kein Christ sei, der heute für diese Gesetzeswerke stimme. Das sagt zumindest der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau. Ich lese weiters, daß derjenige kein Gewissen habe, der heute für dieses Integrationspaket sei; dies sagte der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz Johann Weber.

Ich sage, weil ich Christ bin, weil ich ein Gewissen habe, stimme ich guten Gewissens, guten Herzens und vor allem aus Überzeugung für dieses Gesetz, werte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es sei dem Caritas-Direktor und Bischof Weber unbenommen, diese Dinge in den Raum zu stellen, den Grünen und den Liberalen auf den Leim zu gehen. Ich weiß aus einer verantwortungsvollen Tätigkeit, aus den Gesprächen mit den NGOs, aus den Verhandlungen im Aus


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schuß und im Unterausschuß, daß wir es uns nicht nur nicht leicht gemacht haben, sondern – das Gegenteil ist nämlich der Fall – um eine Lösung gerungen haben. Wir sind davon überzeugt, daß diese Lösung mehr als präsentabel ist und allen rechtsstaatlichen Normen entspricht. Wir wissen, daß wir mit diesem neuen Fremdengesetz und mit diesem Asylgesetz einen guten Weg gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe – Kollege Leikam hat das bereits eingebracht – am Ende der Beratungen im Hearing dem UN-Hochkommissar Dr. Blatter eine einfache Frage gestellt – ich wollte es einfach wissen, ich wollte die Nagelprobe machen; er ist ja nicht irgend jemand –, ich habe gesagt: Dr. Blatter! Seien Sie bitte so nett und geben Sie auf meine klare Frage eine klare, nachvollziehbare Antwort. Herr Dr. Blatter, wie stehen Sie als UN-Hochkommissar zu dieser Regierungsvorlage? – Ich zitiere, was Dr. Blatter gesagt hat: Die Regierungsvorlage ist eine große, wesentliche legistische Verbesserung.

Das heißt also – und das ist meine Conclusio daraus –: So schlecht kann es nicht sein, wie beispielsweise Grüne und Liberale argumentieren. Es kann daher auch nicht sein, daß jene, die, sicher getragen von gutem Wissen, aus humanitären Gründen etwas für Menschen, für Flüchtlinge tun – wie Caritas und Bischofskonferenz –, uns in dieser Angelegenheit treiben. Sie sollten bitte zur Kenntnis nehmen, daß wir die Arbeit ernst genommen haben. Sie sollten aber auch wissen, daß wir die Verantwortung zu tragen haben und nicht sie die Verantwortung tragen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Doppelbödigkeit, mit der hier argumentiert wird, ist für mich jedesmal aufs neue frappierend. An dem Tag, an dem wir beispielsweise im Unterausschuß des Innenausschusses diese Regierungsvorlage diskutiert haben – es war der 27. Mai –, gab es zwei Presseaussendungen der Freiheitlichen. Die eine Presseaussendung vom 27. Mai zitiere ich aus der APA: Haider fordert einen Einwanderungsstopp in Österreich.

Am selben Tag fordert die Freiheitliche Partei Burgenland – ich habe aus dem Pressedienst der Freiheitlichen ebenfalls das Elaborat bei mir (Abg. Haller: Saisonniers!)  –: Ausländer rein. Wir brauchen Ausländer im Tourismus. – Also die Freiheitlichen sagen am selben Tag: Ausländer raus, Ausländer rein! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist die klassische Doppelbödigkeit, der sich die Freiheitlichen bedienen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Genau in diesem ambivalenten Verhältnis haben wir auch zu agieren, haben wir zu verhandeln, sind aber in der Sache selbst überzeugt davon, daß wir den richtigen Weg gefunden haben. (Abg. Scheibner: Dir geht nur der Einem ab!)  – Nein, mir geht der Innenminister selbstverständlich nicht ab, denn auch da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube.

Die Verhandlungen, die Andreas Khol als unser Chefverhandler mit dem Innenminister und mit der Sozialministerin, also mit Mag. Schlögl und Frau Hostasch, geführt hat, sind in einem guten Geist über die Bühne gegangen. Es hat keine Mißtöne gegeben, sie waren atmosphärisch in einer Form, von der man sagen kann: Wir waren im gemeinsamen Ringen um echte Lösungen bemüht, um Lösungen für das Gesetz, um Lösungen für die Österreicherinnen und Österreicher, aber auch um anständige Lösungen für die Ausländer. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte auf die Details des Gesetzespakets nicht eingehen, weil Kollege Leikam sie bereits expliziert hat; ich möchte sie, da ich nur einige wenige Minuten Zeit habe, nicht wiederholen. Aber dem Kollegen Kier möchte ich schon auf seine Ausführungen antworten.

Kollege Kier! Sie argumentieren mit uns und tun so, als hätten Sie die Weisheit löffelweise geschluckt. Sie waren wahrlich nicht in diesem Unterausschuß, Sie sind nicht dabeigewesen. Ich habe in einer flapsigen Floskel dann so nebenbei gemeint, hinter uns säßen die völkischen Beobachter, also die Klubsekretäre von FPÖ, Liberalen und der grünen Partei, gleichsam, um uns zu beobachten und uns dann, wenn sie uns abgehört haben, das Gefühl zu vermitteln, wir wären ertappt, wenn sie Ihnen dann Bericht erstatten; es war ja nicht so.


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Wir haben auch nicht 45 Minuten geredet, sondern wir haben stundenlang gerungen. (Abg. Dr. Kier: 46!) Wir haben es ernsthaft und seriös abgehandelt, und ich verwahre mich, Kollege Kier, der Sie nicht dabeigewesen sind, gegen Ihren Vorwurf, wir hätten in der Sache nicht entsprechend agiert. Das Gegenteil ist der Fall, glauben Sie mir, Kollege Kier. (Beifall bei der ÖVP.)

Den Gipfel der Doppelbödigkeit hat die Kollegin Langthaler von sich gegeben. Genau an einem Tag, an dem wir ebenfalls im Unterausschuß beraten haben, hat sie mit Krokodilstränen in der Öffentlichkeit verkündet: Diese garstigen Abgeordneten der Koalitionsparteien gehen doch in Ausschüsse und sind überhaupt nicht darauf vorbereitet, diese unvorbereiteten Abgeordneten von Rot und von Schwarz wissen gar nicht, was in den Gesetzen steht. – Am selben Tag, an dem Sie, nämlich die grüne Partei, den dritten Sündenfall begangen haben, da Sie weder in der ersten noch in der zweiten, noch in der dritten Unterausschußsitzung anwesend waren, obwohl es sich um ein angeblich sehr elementares Gesetzespaket handelt, das den Grünen doch – angeblich – ein so großes Anliegen ist.

Frau Kollegin Langthaler! Sie und die Grünen haben doppelbödig argumentiert, die Liberalen tun es, die Freiheitlichen tun es offensichtlich ebenfalls. (Abg. Scheibner: Denk an deine Rede bei Einem! Das war doppelbödig!) Doppelbödiger kann man in dieser Angelegenheit wirklich nicht argumentieren! (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend: Die Österreichische Volkspartei trägt dieses Gesetzespaket mit. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Wir erkennen unsere Handschrift in diesem Gesetzespaket. Wir waren für die Harmonisierung des Ausländerpakets mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, wir sind dafür eingetreten, daß jene Menschen, die in diesem Land leben, unter zumutbaren, rechtsstaatlich nachvollziehbaren Bedingungen ihr Leben fristen können, Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Wir wissen, daß wir damit jenen humanen Weg gehen, der genau die Mitte darstellt, Kollege Kier. (Abg. Dr. Kier: Aber das ist keine Mitte!) Jawohl, die Mitte ist nicht schlecht. Sie ist im politischen Spektrum nicht schlecht, und sie ist auch in dieser Sache nicht schlecht. Die Mitte ist die tragfähige Basis für diese Materie, glauben Sie es mir. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Darum sagen wir: Wir sind überzeugt davon, daß wir mit diesem Fremdengesetz und mit dem Asylgesetz für dieses Land, für die Sorgen und Ängste der hier lebenden Österreicherinnen und Österreicher, aber auch für jene, die Hoffnungen haben, wenn sie von auswärts kommen, jenen Rahmen schaffen, in dem unsere Beamten – seien sie im Bereich der Exekutive oder der Administration – die entsprechenden Maßnahmen treffen können. (Beifall bei der ÖVP.)

11.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

11.38

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein burgenländischer Abgeordnetenkollege Paul Kiss hat sich heute – ich will das nicht weiter kommentieren – auf eine Stufe mit Altbürgermeister Zilk gestellt.

Altbürgermeister Zilk kontert verbal dem Günther Traxler, Kommentator im "Standard", mit einem Goebbels-Zitat, und Paul Kiss bezeichnet die Anwesenheit der Klubsekretäre während des Ausschußboykotts im Innenausschuß als "völkische Beobachter". – Das richtet sich von selbst, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Also, das hat er gesagt?!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Integration vor oder statt Neuzuzug. – Unter dieser Devise hat Herr Innenminister Mag. Schlögl versucht – ich sage es jetzt einmal ganz neutral –, dieses sogenannte Integrationspaket der Öffentlichkeit zu erklären, der Öffentlichkeit nahezubringen.

Lieber Herr Minister! Integration vor Neuzuzug? – Absolut ja, da widerspreche ich Ihnen nicht, da bin ich ganz mit Ihnen, daß man versucht, jene Mitbürger und Mitbürgerinnen, die schon hier leben, zu integrieren, ihnen Möglichkeiten bietet, sich in ihrer neuen Heimat zurechtzufinden,


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daß man sie quasi jenen potentiellen und künftigen Zuwanderinnen und Zuwanderern gegenüber bevorzugt, die sich eben noch nicht in Österreich befinden, sondern außerhalb. Das ist selbstverständlich. Aber, Herr Bundesminister, wenn man diesen Slogan in die Öffentlichkeit bringt, ihn geradezu "predigt" – ohne das im religiösen Sinn zu meinen –, dann müßte das von Maßnahmen innerhalb der Bundesregierung, innerhalb der Verwaltung begleitet sein, die dem auch gerecht werden.

Was bedeutet es, Integration von Menschen, die schon hier leben, zu fördern? – Herr Bundesminister! Das kann doch zweifelsohne nur heißen, daß man Möglichkeiten bietet, die Unterschiede zu beseitigen, die es sowohl auf der rechtlichen als auch auf der sozialen Ebene zwischen österreichischen Staatsbürgern und noch nicht österreichischen Staatsbürgern, aber Bewohnern dieses Landes gibt, daß man versucht, diese Unterschiede abzubauen, wo es nur geht, daß man versucht, sie so gering wie möglich zu machen. Das ist Integration! Das ist Integration in dem Sinn, wie sie weltweit verstanden wird, daß man nämlich für jene Bevölkerungsgruppen, die den Zugang zu bestimmten Sozialleistungen des Staates am dringendsten brauchen, die die Sozialleistungen am dringendsten notwendig haben, den Zugang erleichtert.

Integration im Wien von heute, wo es einen hohen Bevölkerungsanteil von Menschen gibt, die keinen österreichischen Reisepaß haben – das stellt ja niemand in Frage –, müßte bedeuten, eine Öffnung des kommunalen und sozialen Wohnbaus für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger herbeizuführen. Das wäre eine Integrationsmaßnahme, die, hätten Sie sie gesetzt im Rahmen dieses Integrationspaketes, bewirken würde, daß das Integrationspaket diesem Namen auch gerecht würde. (Beifall bei den Grünen.)

Aber, Herr Bundesminister und auch Frau Bundesministerin – Entschuldigung, ich habe Sie vorhin nicht begrüßt –, diese Maßnahmen fehlen. Nicht einmal so kleine Dinge wie etwa das passive Wahlrecht zum Betriebsrat sind in dem sogenannten Integrationspaket enthalten – Karl Öllinger wird auf diese arbeitsverfassungsrechtlichen Fragen noch eingehen –, nicht einmal diese winzige Kleinigkeit ist aufgenommen worden, obwohl es das in allen EU-Staaten schon gibt. Überall kann ein ausländischer Arbeitnehmer, eine ausländische Arbeitnehmerin Betriebsrat werden – nur in Österreich nicht!

Herr Bundesminister! Sprechen Sie nicht von Integration vor Neuzuzug, sprechen Sie nicht von Integrationsmaßnahmen, wenn selbst diese Kleinigkeiten hier nicht enthalten sind! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Ich könnte aber auch noch ein drittes Beispiel dafür nennen, worum es in diesem jahrelangen Diskussionsprozeß ging. Ich habe es schon in der Einwendungsdebatte gesagt: Seit 1993 wird ja von diesem Paket geredet. Minister Löschnak mußte seinen Hut nehmen aufgrund seiner schwachen Darbietung auf diesem Gebiet und aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit, Herr Minister Einem ist von seinem Posten abberufen worden, weil er sich nicht durchgesetzt hat. Immer ging es um Integration. (Abg. Leikam: Was Sie alles wissen!) Aber wo ist denn die Diskussion um eine Änderung des Staatsbürgerschaftswesens in Österreich? Wo sind denn Maßnahmen, die tatsächlich für die bereits im Lande befindlichen ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger eine Hilfestellung in ihrem Integrationsprozeß bieten? Wo sind sie? – Sie fehlen! Sie sind hier nicht enthalten!

Abgesehen vom gesamten legistischen Umfeld empört mich die Art und Weise, wie man mit der Menschenrechtsbewegung – ich fasse das jetzt mit diesem Begriff zusammen – umgeht, wenn der neue Herr Ausschußvorsitzende, Kollege Leikam, hergeht und sagt: In letzter Sekunde erlauben sich die – wie er es genannt hat – privaten NGOs noch, hier Einwände zu formulieren.

Lieber Kollege Leikam! Ich bin eine katholische Österreicherin, so wie viele andere auch, und meine: Wenn es sich der Bischof von Graz erlaubt, an alle Klubobleute – nicht nur an unsere Klubobfrau – einen Brief zu richten, in dem er seine Bedenken und – wie er es nennt – seine Besorgnis und sein Entsetzen zum Ausdruck bringt, dann erwarte ich von Ihnen, daß Sie zumindest – wenn Sie sie schon nicht "SOS-Mitmensch", wenn Sie sie nicht amnesty international, wenn Sie sie nicht der, im übrigen nicht privaten, NGO UNHCR entgegenbringen –


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dem Bischof von Graz diese Wertschätzung entgegenbringen, daß Sie seine Intervention, die aus der Not entstanden ist, ernst nehmen. (Abg Leikam: Sie hätten ihn selbst hören sollen, den UNHCR! Er war völlig unserer Meinung!)

Hätten Sie nämlich die Vorschläge der Caritas ernst genommen, hätte Herr Bischof Weber diesen Brief nicht geschrieben. Er hat das ja nicht aus Jux und Tollerei gemacht, sondern weil er besorgt und entsetzt ist. Das ist es, Herr Leikam! Das ist es, was nicht einen – ich setze das jetzt unter Anführungszeichen – "radikalen" Grünen oder "radikalen" Liberalen dazu treibt, Bedenken vorzubringen, sondern einen extrem moderaten Bischof wie den Bischof von Graz, Bischof Weber. Und ich finde, es ist absolut unter jedem Niveau, daß Sie sich hiefür hergeben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Leikam: Ich könnte Ihnen sagen, was die Initiatoren des Kirchen-Volksbegehrens von ihm halten!)

Dazu, daß die ÖVP bisher kein Wort dazu geäußert hat, sage ich jetzt nichts, denn da gibt es ja noch einige Redner, die das nachholen könnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zurück noch einmal zu der – wie Kollege Leikam glaubt, privaten – NGO UNHCR. Der UNHCR hat zahlreiche, selbstverständlich fachkundige – denn das ist ja die Aufgabe des UNHCR – Vorschläge zur Änderung des Asylgesetzes in Österreich gemacht.

Ich nehme jetzt einen Punkt aus diesen zahlreichen Vorschlägen heraus, um zu belegen, wie Ihr Verständnis vom Umsetzen von Vorschlägen ist und was dann tatsächlich beim Gesetz herauskommt. – Wenn Herr Leikam vor mir redet, ist das fast noch wie zu Zeiten des Kollegen Elmecker (Abg. Leikam: Das ist ja nicht so schlecht!); der bietet ja so viel, daß man sein ganzes Redekonzept nicht verwenden kann (Abg. Leikam: Na bravo!), weil er so viel – "Blödheiten" darf man ja nicht sagen (Abg. Leikam: Sagen Sie "Gutes"!)  – nicht ganz Korrektes und manchmal absolut Unkorrektes vorbringt.

Der UNHCR hat selbstverständlich auch den Vorschlag gemacht, den Asylsuchenden an der Grenze beratend zur Seite zu stehen, und hat eine Ergänzung zum § 32 wie folgt formuliert: "Jedem Asylsuchenden ist ein asylrechtskundiger und unabhängiger Verfahrensberater in einer für den Betreffenden angemessenen Sprache kostenlos zur Seite zu stellen." – Das war der Vorschlag, die Forderung des UNHCR.

Was hat der österreichische Gesetzgeber – bis jetzt der Innenausschuß, hoffentlich nicht auch Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren – daraus gemacht? – "... sind bei Aushändigung des Merkblattes" – nämlich die Asylwerber – "darauf hinzuweisen, daß es ihnen freisteht, Beratung über ihre Sache durch kirchliche oder humanitäre Organisationen in Anspruch zu nehmen." – No na net! Wozu brauche ich irgend jemanden darauf hinzuweisen, daß ihm etwas freisteht? Was soll dieser Satz? Soll man jemanden darauf hinweisen, daß es in Österreich humanitäre und kirchliche Organisationen gibt? Im Niemandsland, meine sehr geehrten Damen und Herren?! Nicht in Österreich – nicht in Ungarn, nicht in Österreich – nicht in Slowenien, nicht in Österreich – nicht in der Slowakei, im absoluten Niemandsland!

Bitte, Herr Minister – und das ist das, was UNHCR, Caritas, amnesty international und wie sie alle heißen im Zusammenhang mit dem Asylgesetz vorgebracht haben –, wie stellen Sie sich vor, daß das, was Sie, wie Sie glauben, so präzise ins Gesetz schreiben, in der Praxis funktionieren soll? Wie stellen Sie sich das vor? Das steht in einem solch krassen Gegensatz zu den Vorstellungen der Caritas und des UNHCR, daß von Umsetzung absolut keine Rede sein kann.

Ich sage Ihnen etwas, Herr Bundesminister – und das haben Ihnen alle Organisationen gesagt –: Was dieses neue Asylgesetz mit sich bringen wird, wird sein, daß das Schlepperwesen boomen wird, daß alle Asylsuchenden, die verfolgt sind – ganz unabhängig von den Gründen –, selbstverständlich versuchen werden, ins Binnenland zu kommen und sich nicht diesem Spießrutenlauf zu unterwerfen, der, wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, in 99 Prozent der Fälle negativ ausgehen wird und muß, sondern sich direkt an das Bundesasylamt im Binnenland zu wenden, damit sie zumindest die Möglichkeit haben, persönlich vorzubringen, warum sie verfolgt


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werden und warum sie um Asyl in Österreich ansuchen. Sie werden versuchen, diesem verkürzten Verfahren zu entgehen, das sie mit einem Formular konfrontiert, das womöglich in einer Sprache abgefaßt ist, die dem Asylsuchenden nicht bekannt ist, sie werden versuchen, zu verhindern, in einem Formularverfahren abgewiesen zu werden, ohne daß es für jemanden, der seine Heimat aus religiösen, rassischen oder politischen Gründen verlassen mußte, eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht mit österreichischen Behörden gab. (Abg. Murauer: Das stimmt ja nicht! Das wissen Sie ganz genau!)

Das wird herauskommen bei diesem Gesetz! Das wissen Sie genauso gut wie ich, denn Sie haben das genauso oft von den Organisationen, die tatsächlich mit den Asylwerbern zusammenarbeiten, gehört.

Ich sage Ihnen noch etwas: Heute in der Früh hat mich eine Flüchtlingsberaterin angerufen, weil sie weiß, daß diese Debatte heute stattfindet. Sie war ganz entsetzt über die Vorgangsweise einer Bezirkshauptmannschaft, nämlich der Bezirkshauptmannschaft in Mattersburg, die afghanische Asylwerber zwar nicht in Schubhaft genommen hat, weil man weiß, daß man nach Afghanistan schwer abschieben kann, die aber diesen afghanischen Asylwerbern generös gesagt hat, daß sie zum Bundesasylamt gehen sollen. Man hat ihnen aber nicht vielleicht die Adresse des Bundesasylamtes gegeben, sondern ihnen einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem die Adresse der afghanischen Botschaft draufstand. Die Leute haben erst, als sie an Ort und Stelle waren, bemerkt, wo sie waren. – Eine "wunderbare" Beratung, daß man Menschen, die vor den Taliban-Milizen in Afghanistan geflohen sind, zur afghanischen Botschaft schickt!

Das dazu, wie das Ganze mit Behörden, Beratung und bestmöglicher Unterstützung funktioniert. Ich bin in dieser Hinsicht wirklich sehr, sehr, sehr pessimistisch!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verhehle nicht – es ärgert mich auch, daß das vorher dauernd anders dargestellt wurde; ich habe das bisher nie getan –, daß es in diesen Änderungen, und zwar sowohl im Fremdengesetz als auch im Asylgesetz, Bestimmungen gibt, die die jetzige Rechtslage verändern, nämlich positiv verändern; vor allem im Fremdengesetz.

Daß das Prinzip der Aufenthaltsverfestigung in das Denkschema der österreichischen Integrationspolitik aufgenommen wird, ist zweifelsfrei positiv.

Es ist positiv, daß es künftig nach acht Jahren in Österreich einen Ausweisungsschutz für Mitbürger und Mitbürgerinnen geben wird. Es stellt sich nur die Frage, ob diese Frist von acht Jahren positiv ist. Aber zweifelsfrei sind darin Bestimmungen enthalten, die wir gutheißen.

Zweifelsfrei ist auch der geringfügige Schutz für Menschenhandelsopfer – das sind in erster Linie Frauen, die hierhergeschleppt und hier ausgebeutet werden –, den es durch dieses Gesetz insofern geben wird, als diese nämlich für die Dauer des Verfahrens in Österreich bleiben können, auch zivilrechtliche Ansprüche geltend machen können und in dieser Zeit das Land nicht verlassen müssen, positiv. Nur: Es wird nicht weitergedacht. Was ist dann? – Dann fängt die Mühle genau dort zu laufen an, wo sie bisher ein bißchen früher eingesetzt hat. Aber nichtsdestotrotz: Die Maßnahme ist positiv.

Es ist auch eine Tatsache, daß es unter dem Schlagwort "Wiedergutmachung für sogenannte Löschnak-Opfer" – lassen Sie mich das ein bißchen flapsig formulieren – auch einige wesentliche Verbesserungen für Fälle der Fristversäumnis im Jahre 1993 gibt. Ich stehe nicht an, das als positiv darzustellen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, nur deshalb, weil es ein paar Samenkrümelchen gibt, die positiv sind, können wir uns nicht damit zufriedengeben, denn so schnell wird es nicht wieder – Erfahrungszeit: 1993 bis 1997; vier Jahre sind vergangen – eine wesentliche Änderung in der Ausländer- und Integrationsgesetzgebung in Österreich geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, daß die Politik, wie man mit Fremden in Österreich umgeht, von dem Grundsatz geleitet sein muß, daß Zuwanderer die Staatsbürger von morgen sind, weshalb man sie auch als künftige Staatsbürger zu behandeln hat. Wenn


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alles, was heute – hoffentlich nicht ganz so, wie vorgelegt, aber doch – beschlossen wird, in Kraft tritt, wird es keine nennenswerte Zuwanderung nach Österreich mehr geben können, denn das, was man, wie ich gehört habe – das steht zwar nicht im Gesetz –, beabsichtigt an Quoten festzulegen, das kann man nicht Zuwanderung nennen. Das sind Quoten, die Managern aus Japan offenstehen werden, aber das sind ja nicht Zuwanderer in dem Sinne, das sind ja Leute, die einen temporären Aufenthalt hier suchen, um hier einen Beitrag für die Wirtschaft – für die österreichische wohlgemerkt! – zu leisten und nicht für sich selbst. Aber Zuwanderung ist etwas anderes.

Ich habe immer gehofft und erwartet, daß wir bei dieser Debatte um Integrationsfragen, um Fragen betreffend Ausländer sozusagen einen substantiellen Beitrag leisten, denn für mich sind Integrationsfragen wirklich Fragen, bei denen es um die offene Gesellschaft in Österreich geht.

Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal hier gebracht habe, aber ich bin in meinen Forderungen und in meinen Vorstellungen sehr angeregt und angeleitet von Hans Pestalozzi – das möchte ich der Frau Bundesministerin und auch Ihnen mit auf den Weg geben, vielleicht nützt es das nächste Mal etwas –, der bei einer Veranstaltung in Wien folgenden sehr symbolischen Satz formuliert hat, der dann auch niedergeschrieben wurde: "Als wir selber noch eine Kultur hatten, nahmen wir begierig auf, was zu uns wollte. Wir fühlten uns nicht bedroht, wir fühlten uns angeregt durch das Fremde." – Man schrie nicht zuerst nach Integration und Assimilation. (Abg. Kiss: Als Liberaler kann man nicht mehr "Fremder" sagen, man muß "Nichtösterreicher" sagen!)

"Angeregt durch das Fremde" – das wäre der positive Zugang, den man auch der österreichischen Bevölkerung vermitteln sollte. Etwas, was seit Jahrhunderten Tradition in Österreich ist, diese Vermischung von positiven Einflüssen unterschiedlicher Kulturen auch hier zu fördern, das wäre der Einsatz. Man sollte sich nicht – jetzt brauche ich gar nicht auf Paul Kiss einzugehen – lenken und leiten lassen vom ganz rechten Eck in dieser Republik, das sozusagen permanent Doppelbödigkeit zeigt. Auch Paul Kiss hat ein Beispiel genannt. Es ist nur ein bißchen blöd, daß er einer Partei angehört, die ähnlich doppelbödig vorgeht – nicht in diesen Fragen, aber in ähnlichen. Es geht wirklich darum, auf der einen Seite jenen, die hier Schutz suchen, diesen Schutz zu gewähren und auf der anderen Seite jenen, die Zuwanderer sind, also ehemaligen Gastarbeitern, die Möglichkeiten zu geben, die ihnen verfassungsrechtlich zustehen.

Ich bleibe dabei, auch wenn hundertmal das Gegenteil gesagt wird: Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Achtung des Privatlebens und das Recht auf Familienleben, muß auch in Österreich gelten. Natürlich steht im Artikel 8 der EMRK nicht das direkte Recht auf Einreise und Aufenthalt, es ist aber festgelegt mit dem Hinweis: Ausnahme im Hinblick auf Familienleben.

Ja was wäre denn Recht auf Familienleben, wenn nicht das Recht, daß auch eine ausländische Familie gemeinsam in Österreich leben darf? – Und das, sehr geehrter Herr Bundesminister, ist durch die gesetzlichen Regelungen, um die es heute geht, alles, aber nur nicht gewährleistet! Ganz im Gegenteil. Hier geht es darum, daß es ja geradezu gesetzlich ausgeschlossen sein wird, dieses Recht in Anspruch zu nehmen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich sage Ihnen: Wir von seiten der grünen Fraktion werden alles tun, daß es bei einer Beschwerde, die sich an den Europäischen Gerichtshof wendet, einmal eine Grundsatzentscheidung darüber geben wird, ob Österreich diesen Artikel 8 der EMRK auch achtet und diesbezüglich verfassungsrechtlich und rechtspolitisch korrekt vorgeht.

Sie wissen, daß namhafte unabhängige – wirklich unabhängige – Professoren, wie etwa Professor Mayer von der Universität Wien, das sehr, sehr in Zweifel ziehen; das ist kein grüner oder liberaler Abgeordneter, der hier herinnen sitzt. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuletzt noch einen Satz zum Rassismus im Gesetz. Wenn wir einmal so weit kommen, Bischöfe zu mißachten und Möglichkeiten rassistischen Handelns zu legitimieren (Präsident Dr. Neisser gibt neuerlich das Glockenzeichen), dann ist es um die Rechtssicherheit für die Bevölkerung in Österreich schlecht bestellt. Und das sollten Sie bedenken! (Beifall bei den Grünen.)

11.59


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Abgeordneter Mag. Schweitzer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie berichtigen wollen.

11.59

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Kiss hat in seiner Wortmeldung behauptet, daß sich die Freiheitlichen des Burgenlandes im Gegensatz zur Bundeslinie, die einen Ausländerstopp vorsieht, in Pressediensten für einen weiteren Zuzug von Ausländern eingesetzt haben. – Diese Behauptung ist unrichtig.

In den beiden zitierten Pressediensten geht es einzig und allein um die Festlegung der Quote für Saisonniers für die Bereiche des Fremdenverkehrs und des Ernteeinsatzes in der Landwirtschaft. (Beifall und Ah-Rufe bei den Freiheitlichen.)

12.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte, Herr Minister.

12.00

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst einmal für die bisher engagiert, offen und ehrlich geführte Diskussion bedanken und von meiner Seite einige Bemerkungen grundsätzlicher Art machen.

Als ich vor fünf Monaten Minister für Inneres dieser Republik geworden bin, habe ich eine Reihe von Aufgaben und Herausforderungen übernommen, die in Diskussion standen, aber noch nicht entschieden gewesen sind. Und mein Ziel war es, all diese Aufgaben und Herausforderungen Schritt für Schritt, aber doch sehr zielstrebig umzusetzen. Die Neuregelung der Fremdenpolitik, die bereits einige Jahre diskutiert worden ist – sehr kontroversiell diskutiert worden ist –, war dabei eine meiner wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen.

Ich – das möchte ich auch sehr offen sagen, gerade auch gegenüber Frau Abgeordneter Stoisits – gehe in meinem Selbstverständnis als Minister davon aus, dieses Amt als Innenminister so zu führen, daß es geprägt ist von Offenheit, von Transparenz, von Ehrlichkeit, ohne daß ich Berührungsängste mit irgend jemandem habe, daß ich mich mit den Argumenten Andersdenkender und Andersmeinender auch sehr kritisch auseinandersetze. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe in den letzten fünf Monaten – egal, zu welchem Thema es gewesen ist, und wenn es auch noch so unangenehm für mich als Innenminister gewesen ist – versucht, den Kontakt nicht nur mit meinen eigenen Parteifreunden und mit dem Koalitionspartner, sondern auch mit der Opposition zu suchen. Ich glaube, daß sich die Opposition in keiner Weise darüber beschweren kann, daß das Innenministerium in vielen Fragen nicht sehr offen und transparent vorgeht und auch den Informationsfluß zwischen den Beamten und den Sicherheits- beziehungsweise anderen Sprechern der Opposition nicht gewährleistet. Und dieses Selbstverständnis, das ich in den ersten fünf Monaten gehabt habe, möchte ich gerne auch in Zukunft aufrechterhalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte über die Fragen Zuwanderung und Asyl in Österreich ist schwierig und kann nur kontroversiell sein. Selbst dann, wenn man harmoniebedürftig ist, so wie ich es bin, ist es nur schwer möglich, in diesem Bereich einen Weg zu gehen, der alle Bedürfnisse und alle Wünsche befriedigt, vor allem deswegen, weil gerade bei diesem sensiblen Thema alle Österreicherinnen und Österreicher, aber auch die fünf im Nationalrat vertretenen Parteien sehr unterschiedliche Bedürfnisse, Interessen und Erwartungshaltungen haben und sehr unterschiedliche politische Interessen verfolgen. Einerseits kann der Innenminister hinsichtlich der Zuwanderung nicht restriktiv genug sein, andererseits wieder wird Menschen, die von humanitären Gefühlen und Mitgefühlen sehr stark geprägt sind, nur schwer


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zu vermitteln sein, daß die Neuzuwanderung und die Beschäftigung ausländischer Mitbürger in den nächsten Jahren nur in geringem Maße möglich sein werden. Deshalb ist dieses Integrationspaket, das ich auf wirklich breitem Konsens zu diskutieren versucht habe, von vielen Seiten umstritten.

Ich darf dazu sagen, daß ich mich, daß sich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die SPÖ, aber auch die Österreichische Volkspartei bemüht haben, in einen breiten Dialog mit allen einzutreten. Wir haben uns bemüht, auch die Wünsche und Bedürfnisse gerade der nichtstaatlichen Organisationen und der Organisationen, die im karitativen Bereich tätig sind, soweit wie möglich zu berücksichtigen. Das haben wir gemacht im Rahmen der Gesetzwerdung, der Begutachtung und auch noch während der Ausschußsitzungen. Ich meine daher, daß in diesem Gesetz von der ursprünglichen Fassung bis zur heutigen Beschlußfassung eine Fülle von zusätzlichen Wünschen, Forderungen und Vorstellungen berücksichtigt wurde.

Trotzdem wird dieses Paket sehr unterschiedlich kommentiert – wir haben das heute hier auch erlebt; auch in der Öffentlichkeit wird es sehr unterschiedlich kommentiert. Die einen, vor allem die Grünen und Liberalen, sprechen davon, daß das ein Ausländer-raus-Paket ist, die anderen, vor allem die Freiheitliche Partei, werfen mir vor, ich hätte einen Kniefall vor der Caritas gemacht und das sei ein Ausländer-rein-Paket.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, einen Weg der Mitte, einen konstruktiven Mittelweg zu gehen, der die Ängste der Menschen vor Verdrängung durch Fremde am Arbeitsplatz, die Ängste der seit Jahren in Österreich lebenden Gastarbeiter vor Jobverlust und Abschiebung berücksichtigt, der aber auch berücksichtigt, daß der humanitäre Gedanke der Asylpolitik, der in Österreich zumindest seit 1945 zutiefst verwurzelt ist, eine Verpflichtung ist, der Rechnung getragen wird.

In diesem Sinne hoffe ich, daß dieses Integrationspaket nach der heutigen Debatte im Nationalrat dazu dienen wird, daß die Debatte über Ausländerpolitik in Österreich versachlicht und entemotionalisiert wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte aber auch sehr offen und klar sagen, daß dieses Paket ein Kompromißpaket ist, daß versucht wurde, auf die unterschiedlichen Strömungen und Bedürfnisse in unserem Staat, in unserer Gesellschaft einzugehen. Und dieses Paket entspricht in manchen Bereichen nicht meinen Idealvorstellungen als Persönlichkeit, als Minister. Ich glaube aber trotzdem, daß es gelungen ist, mit diesem Paket eine breite, konsensuale Abstützung zu erreichen und in diesem wichtigen gesellschaftlichen Bereich sehr viele Wünsche und Bedürfnisse einigermaßen zu berücksichtigen.

Dieses Paket wird im wesentlichen von drei Säulen getragen. Die erste Säule ist, daß wir alles tun müssen, um jene Menschen, die bereits in Österreich leben – und das sind nicht so wenige, wie wir von einer Vorrednerin vorhin gehört haben, nämlich mehr als 750 000 –, in Österreich bestmöglich zu integrieren.

Die zweite Säule ist, daß die Asylpolitik humaner und praxisorientierter gestaltet wird, als das vielleicht bisher der Fall war.

Und die dritte Säule ist ein klares Bekenntnis dazu, daß der Neuzuzug nach Österreich in den nächsten Jahren nur noch in sehr, sehr geringem Maße möglich sein wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir von diesen drei Grundsätzen ausgehen und uns diese Gesetze anschauen, dann können wir, glaube ich, sagen, daß es uns einigermaßen gelungen ist, nach diesen Botschaften, nach diesen Säulen ein Gesetz vorzulegen.

Ich bitte alle Kritiker, vor allem Herrn Abgeordneten Kier, aber auch alle anderen Kritiker, daß sie hier in der folgenden Diskussion die großen Verschlechterungen – wie sie meinen – dieser Gesetzesvorlage gegenüber der alten Gesetzeslage darlegen. Ich behaupte, daß es in keinem Bereich Verschlechterungen gegenüber dem alten Gesetz gibt – außer daß der Neuzuzug nach Österreich in Zukunft nur noch in sehr, sehr geringem Maße möglich sein wird. (Abg. Dr. Partik-


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Pablé: 10 000!) Sonst gibt es gegenüber der jetzigen gesetzlichen Lage nur Verbesserungen, und wenn es Verschlechterungen gibt, dann dienen sie ausschließlich dazu, den Mißbrauch, den es in dem einen oder anderen Bereich gegeben hat, abzustellen beziehungsweise strengere Strafen bei Schlepperei, Scheinehen und anderen Mißbräuchen einzuleiten.

Ich meine daher, daß sich dieses Gesetz – und das möchte ich auch klar sagen, Frau Abgeordnete Partik-Pablé – nicht abkoppelt von der wichtigen Gesetzgebung, die der ehemalige Bundesminister Löschnak eingeleitet hat, sondern daß diese Gesetzestexte logischerweise auf den Erfahrungen der Gesetze, die unter Minister Löschnak zu Beginn der neunziger Jahre aufgrund des Zuwanderungsdruckes in Österreich eingeleitet wurden, aufbauen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Stoisits hat das Beispiel einer afghanischen Familie aufgezeigt. Ich bin einer jener, denen bewußt ist, daß es manche Bescheide gibt, die überdenkenswert sind, daß in der Rechtsprechung im Bereich der Asylpolitik manches passiert ist, das zu ändern ist. Ich gebe auch zu, daß in dem einen oder anderen Bereich Fehler passiert sind und wahrscheinlich auch in Zukunft passieren werden. Meine Aufgabe, unsere gemeinsame Aufgabe ist es, diese Fehler, sobald sie auftauchen, zu beseitigen und zu bereinigen. Aber ich möchte Sie davor warnen, zu glauben, daß die Fehler nur auf staatlicher Seite passieren und daß es nur auf staatlicher Seite einen Mißbrauch gibt. Im Gegenteil: Ich könnte Ihnen genügend Beispiele aufzählen, die zeigen, daß gerade im Asylbereich bewußt Mißbrauch betrieben wird. (Demonstrativer Beifall des Abg. Jung. )

Ich könnte Ihnen genügend Beispiele aufzählen, wo Leuten politisches Asyl gewährt wurde, wo es sehr viele Interventionen gab, sich aber dann herausgestellt hat, daß diese Mitglieder von internationalen kriminellen Organisationen sind, Drogenringen angehören und ähnliches. Das ist kein Einzelfall, sondern da gibt es viele Fälle. In einem Fall, der in jüngster Vergangenheit zu verzeichnen war, ging es um einen afrikanischen Drogendealer, der in Österreich unter fünf verschiedenen Identitäten um politisches Asyl angesucht hat. Wir sind nur dadurch draufgekommen, weil dieser Drogendealer getötet wurde, ein Mordanschlag auf ihn verübt wurde. (Abg. Dr. Krüger: Herr Bundesminister! Wer interveniert ...?) – Dabei handelt es sich um keine politischen Interventionen, um Ihnen das auch gleich zu sagen; damit ich diese Befürchtungen zerstreuen kann.

Das bedeutet, wir müssen mit Augenmaß an die Sache herangehen. Ich bitte Sie, Fehler auf der einen Seite zu verstehen und zu versuchen, sie gemeinsam zu beseitigen, aber auch zu bedenken, daß gerade Asylansuchen sehr oft dazu mißbraucht werden, Migration aus wirtschaftlichen Gründen zu erreichen, was ich persönlich verstehe: Es gibt eben sehr, sehr viele Menschen, die nach Österreich wollen – wir können aber nicht allen Menschen diese Möglichkeit geben, sondern nur jenen, die wirklich aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen verfolgt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Asyl an der Grenze würde ich gerne anders regeln. Keine Frage – das ist etwas, was man besser regeln könnte. Nur: Ich kenne keine gangbare Alternative dazu. Ich versuche, das zu begründen.

Erstens: Wir haben ein klares Verfahren des Asyls auf dem Flughafen eingeleitet; eines, das unumstritten ist, das mit karitativen Organisationen, nichtstaatlichen Organisationen, dem UNHCR gemeinsam geregelt wurde. An der Landesgrenze hat es bisher keine Regelung gegeben. Wer an die Landesgrenze gekommen ist, ist aufgrund der bisherigen Gesetzeslage in der Regel abgewiesen worden. Daher befürchte ich auch nicht, daß das Schlepperunwesen aus diesem Grund zunehmen wird, weil bisher niemand an der Landesgrenze um Asyl ansuchen konnte. Jetzt regeln wir das nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten mit einem zweistufigen Verfahren. Ich glaube, daß das ein erster wichtiger Schritt ist. Aufgrund der Erfahrungen, die wir sammeln, können Modifikationen in der einen oder anderen Richtung durchgeführt werden.


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Was aber nicht geht – das sage ich auch ganz klar –, ist, daß jeder, der an die Landesgrenze kommt, automatisch die Berechtigung bekommt, in unser Land einzureisen, und bei uns auf die Erledigung seines Asylantrages warten kann. Wenn wir das täten, hätten wir nicht 7 000 oder 8 000 Asylanträge, wie das im vergangenen Jahr der Fall war, sondern Hunderttausende Asylanträge – und wären hoffnungslos überfordert.

Das sind nicht Zahlen, die ich ins Blitzblaue sage, sondern berechtigte Zahlen, wenn man bedenkt, daß seit 1989, seit es also die offenen Grenzen gegenüber dem Osten Europas gibt, mehr als 10 Millionen Menschen aus dem Osten Europas in den Westen Europas gewandert sind. Dieser Bevölkerungsdruck, dieser Wanderungsdruck wird in den nächsten Jahren nicht abnehmen, sondern – im Gegenteil – noch zunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fasse zusammen: Ich glaube, daß wir mit diesem Gesetz den Weg der Mitte gehen, daß dieses Gesetz richtig und gut ist, aber – und das ist klar – nicht alles regeln kann.

Frau Abgeordnete Stoisits kritisiert, daß in diesem Gesetz nicht das passive Wahlrecht für Ausländer, die Betriebsräte werden wollen, geregelt ist. Ich nehme das zur Kenntnis, muß aber sagen: Es kann nicht die Aufgabe des Innenministers sein, in diesem Gesetzeswerk auch das Betriebsverfassungsgesetz zu ändern. (Abg. Mag. Stoisits: Aber wir müssen das alles unter einem diskutieren!) Ich glaube, daß es zuviel verlangt wäre, innerhalb kürzester Amtszeit ein ganzes Regelwerk ändern zu müssen. Selbstverständlich meine ich, daß Schritte folgen müssen. Zum Beispiel erachte ich eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes für dringend notwendig (Beifall des Abg. Großruck )  – ich möchte die Novellierung im heurigen Jahr noch einleiten, vor allem auch deswegen, weil es eine sehr unterschiedliche Spruchpraxis zwischen den einzelnen Bundesländern gibt und es in diesem Bereich zu einer Vereinheitlichung kommen sollte.

Ich möchte aber auch gleich dazusagen: Sagen wir ja nicht, daß wir ein sehr restriktives Staatsbürgerschaftsgesetz haben. Im Gegenteil: Im Jahre 1996 wurde rund 16 000 Menschen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Da von einer restriktiven Auslegung zu reden, ist, glaube ich, ungerechtfertigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß die vorliegenden Regelungen dazu dienen, daß erstens das Asylrecht in Österreich nach humanen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten umgesetzt wird, daß zweitens jene Ausländer, die bereits in Österreich leben, integriert werden, daß aber drittens die Neuzuwanderung in unser Land in Zukunft nur mehr in äußerst bescheidenem und geringem Maße möglich ist. – In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu den vorliegenden Gesetzesvorlagen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.15

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, vor meinen eigentlichen Bemerkungen folgenden Zusatzantrag einzubringen:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Leikam, Kiss und Genossen zur Regierungsvorlage 693 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 757 der Beilagen (Dubliner Übereinkommen)

Der Nationalrat wolle gemäß § 76 Abs. 3 GOG beschließen:

"Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG werden die authentischen dänischen, englischen, französischen, gälischen, griechischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen und spanischen Text


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fassungen dieses Staatsvertrages samt Protokollen dadurch kundgemacht, daß sie zur Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen."

*****

Meine Damen und Herren! Wir haben in der Debatte zu diesem Fremdenrechtspaket sehr unterschiedliche Positionen gehört. Ich darf auf der einen Seite die Ausführungen der Frau Kollegin Partik-Pablé in Erinnerung rufen, die gesagt hat, 62 Prozent der Bevölkerung sind gegen mehr Ausländer, und auf der anderen Seite die Aussagen des Kollegen Kier und der Kollegin Stoisits, die eine sehr offene Einwanderungspolitik haben wollen, und darf Ihnen von dieser Stelle aus folgendes sagen – ich hoffe, Sie verzeihen mir dieses möglicherweise Moralisierende, aber ich sage es absichtlich und trotzdem –: Ich bin wahrscheinlich der einzige Abgeordnete in diesem Haus, der als Flüchtling nach Österreich gekommen ist – nach dem ungarischen Aufstand 1956. Ich habe selbst erlebt, wie es einem in einem fremden Land ergeht, wie die Menschen in diesem Land mit einem auch umgehen können. Ich bringe nur ein Beispiel – ein einziges.

Ich habe noch meine Brille zu Hause, die ich als Kind hatte, und diese war im Abstand von 5 Millimetern geklebt, und zwar deshalb, weil ich an fast jedem Schultag beim Nach-Hause-Gehen geschlagen wurde (Abg. Hans Helmut Moser: Gerauft hast du!), da ich ein "stinkender Zigeuner" sei. – Das ist eine Form, wie Kinder mit Ausländern umgehen können.

Ich denke, daß es eine unserer wesentlichen Verpflichtungen hier in diesem Haus ist – es ist zwar politisch oder parteipolitisch motiviert legitim –, nicht die Lösung der Extrempositionen zu suchen und zu finden, sondern mit einer Debatte hier zur Aufklärung und zur Beruhigung beizutragen. Das ist genau jener Inhalt, der von uns verfolgt werden sollte und müßte. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Kollege! Wenn Sie eine so hohe Zuwanderung ... !)

Frau Kollegin Partik-Pablé! Sie haben gesagt, Herr Bundesminister Schlögl setzt die Politik seiner beiden Vorgänger, nämlich von den Bundesministern Löschnak und Einem, fort (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht von beiden! Nicht Löschnak, Einem!), ich kann Ihnen daher nur folgendes sagen: Ich finde das gut, und zwar deshalb, weil eine Politik der Kontinuität ein wesentlicher Beitrag dazu ist, daß sich die Menschen an den Inhalten orientieren können und wissen, wo es langgeht. Daher kann nur Dank ausgesprochen werden für die Politik, die hier gemacht wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist in der Debatte auch aufgefallen, daß gerade von seiten der Freiheitlichen, die sich ja zum Anwalt des "kleinen Mannes" machen, sehr oft eine Erhöhung der Zahl der Saisonarbeitskräfte gefordert wird. Meine Damen und Herren! Ich meine, dieses Ansinnen ist kein besonders menschliches. Denn worum geht es? – Es geht darum, daß man zu bestimmten Zeiten Billigstarbeitskräfte nach Österreich holen und sie dann, wenn man sie nicht mehr braucht, wieder hinauskomplimentieren möchte, so nach dem Motto: Ihr habt eure Schuldigkeit getan, ihr könnt gehen!

Eines kann ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen: Wir werden auf keinen Fall einem derartigen Umgang mit Menschen unsere Zustimmung geben, daß wir sie wie einen reinen Leistungsfaktor behandeln. Daher sagen wir: Saisonarbeitskräfte ja, aber machen wir all diese Dinge mit den Leuten, die bereits in Österreich sind, denn wir haben sehr wohl noch mögliche Ressourcen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Bundesminister hat vorhin Grundsätze skizziert, und erlauben Sie mir ganz kurz, diese noch zu erweitern. Wir haben einen wesentlichen Grundsatz mit diesem Gesetzespaket erfüllt, nämlich Einreise und Aufenthalt weitestgehend mit dem Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbinden. Wir haben den Grundsatz der restriktiven Beschränkung der Zulassung von Saisonarbeitskräften, wie ich das vorhin gesagt habe, und den Vorrang für die Heranziehung der Arbeitskräfte aus dem inländischen Arbeitskräftepotential verankert – ein durchaus positiver Grundsatz. Wir haben die Aufenthaltssicherung für die in Österreich aufgewachsene zweite


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Generation verankert, und wir haben – ein ganz wesentlicher Grundsatz – eine wirksamere Bekämpfung und höhere Strafen für die Schlepperei vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie darum: Führen wir diese Debatte ruhig kontroversiell, führen wir sie hart, aber führen wir sie in der Verantwortung, die wir gegenüber den Menschen haben, die in diesem Lande leben. Ich bitte Sie, diesem Gesetzespaket zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Schwemlein hat einen Zusatzantrag der Abgeordneten Leikam und Kiss vorgetragen, der ausreichend unterstützt ist und in die Verhandlungen miteinbezogen wird.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

12.22

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum in Behandlung stehenden Gesetzentwurf des Asylgesetzes bringen die Abgeordneten Partik-Pablé, Jung und Kollegen einen Abänderungsantrag ein, der sich vor allem mit der Beseitigung von Unschärfen in diesem Gesetzesvorschlag befaßt, der sich in diesem Zusammenhang gegen den Familienzuzug wendet und der sich auch dagegen wendet, eine weitere Reduzierung nationaler Hoheitsrechte Österreichs in Kauf zu nehmen.

Ich werde ihn im folgenden begründen.

Für die Änderung des Asylgesetzes waren zwei Bereiche wesentlich ausschlaggebend. Das eine ist das heute schon einmal erwähnte Dubliner Abkommen, in das wir hineingezwungen werden, und zum zweiten die untragbare Situation in der Praxis der Asylgesetzgebung. Untragbar halte ich sie allerdings aus einem etwas anderen Grund als meine Kollegen von den Grünen.

Das Dubliner Abkommen ist eines jener vielen Abkommen, die uns im Zuge des "ohne Wenn und Aber" der EU aufgezwungen wurden und das uns eine weitere Einschränkung unserer nationalen Hoheitsrechte bringt. Dabei steht sogar im Vorblatt dieses Abkommens: Es wird eine Mehrbelastung der Asylbehörden erwartet; aufgrund der geopolitischen Lage Österreichs ist eine größere Zahl von Rücknahmeersuchen zu erwarten.

Man spricht darin von einem zu befürchtenden Asylantragstourismus und ähnlichem mehr. Damit kommen also Belastungen in großem Maße auf Österreich zu, uns als Abgeordnete bleibt aber nur die Möglichkeit der Zustimmung, wir sind ja dank der Haltung unserer Regierung ohne Wenn und Aber in diese EU hineingegangen.

Der zweite Grund war die untragbare Situation, die vor allem auch zu den zahllosen Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof geführt hat. Nun sollte dieses neue Asylgesetz verbessert werden, es wurde aber durch – ich möchte es einmal so nennen – außerparlamentarischen Druck wesentlich verwässert. Die karitativen Organisationen, UNHCR und so weiter, haben ein zu weitgehendes Mitspracherecht bekommen, sodaß das Ziel, das wir darin gesehen hätten, eigentlich nicht mehr erreicht werden kann. Zu den NGO-Vorschlägen hat selbst Minister Schlögl folgendes gesagt: Wenn ich auf diese Forderungen des UNHCR und von "SOS-Mitmensch" einginge, würde die Zahl der Asylbewerber geradezu explodieren. Dann kämen doch alle nur noch aus politischen Gründen nach Österreich. – Das trifft gegenwärtig den Nagel genau auf den Kopf.

Ich bringe Ihnen nur einige Beispiele über die Steigerungen der Asylraten von 1994 auf 1995: aus der ehemaligen Jugoslawischen Föderation 120 Prozent, Bosnien 41 Prozent, Liberia 135 Prozent und so weiter. Warum ist der Andrang nach Österreich so groß? – Die Anerkennungsrate hat in Österreich 1976 8,2 Prozent betragen, im Jahr davor noch 13 Prozent. Das ist fast dreimal höher als in anderen EU-Ländern. Es hat sich herumgesprochen: Bei uns wird einem das Asyl fast nachgeworfen. Dabei können wir in dieser Form nicht mitziehen. (Zwi


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schenruf der Abg. Dr. Hlavac. ) Nein, Frau Kollegin, das tun wir sicherlich nicht mehr! (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Frau Kollegin Stoisits hat gesagt, wir sollten uns doch durch das Fremde anregen lassen. – In Teilen stimme ich Ihnen zu, aber es gibt sehr bedenkliche Teile, bei denen ich hoffe, daß sich die Österreicher nicht anregen lassen werden, und die auch der Grund dafür sind, warum die Österreicher eine kritische Stellung dazu einnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe die Statistik des Innenministeriums hier: erpresserische Entführung 62 Prozent, be-waffneter gewerbsmäßiger Bandendiebstahl 57 Prozent, räuberischer Diebstahl 45 Prozent, Erpressung 39 Prozent und so weiter. Diesbezüglich wollen wir uns sicherlich nicht durch das Fremde anregen lassen, Frau Kollegin Stoisits!

Nun zu einigen Punkten dieses Gesetzes: Es ermöglicht den Familiennachzug. Das bedeutet im Durchschnitt wahrscheinlich eine Verdreifachung, wenn nicht noch mehr, der Zahl der zusätzlich ins Land Kommenden.

Das Gesetz enthält eine ganze Reihe von Kann-Bestimmungen, die es ermöglichen, weiterhin politischen Druck auf die Beamten auszuüben.

Ein besonders wichtiger Punkt: Nur besonders schwere Vergehen sollen der Ausschließungsgrund sein. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wollen Sie (Zwischenruf des Abg. Kiss ) – Herr Kollege Kiss, wo bleibt da Ihr Empfinden für Recht und Ordnung? –, daß die Albaner, die in Albanien im Zuge der Unruhen aus den Gefängnissen geflüchtet sind, vielleicht in Österreich um politisches Asyl ansuchen? Ist das die Absicht und Intention, die hinter diesem Gesetz steht? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Das Gesetz ermöglicht das "Ersitzen" von Asyl. Es ermöglicht die Antragstellung in einer Form im Ausland, die es Herrn Mobutu möglich machen würde, in Österreich um Asyl anzusuchen, damit er da womöglich seinem Vermögen nachgehen kann. – Nein, das ist es, was wir sicherlich nicht wollen!

Es bleibt weiterhin straflos, Scheinehen einzugehen. Die Merkblätter sind geradezu haar-sträubend und wären in alle notwendige Sprachen zu übersetzen. Haben Sie sich einmal überlegt, was das in der Praxis heißt? – Allein im vergangenen Jahr war in 51 verschiedene Sprachen zu übersetzen. Es ist gar nicht möglich, die ganzen Dolmetscher in Österreich dafür zu bekommen, und die Kosten werden ins Immense steigen. 3,5 Millionen Schilling wurden allein für Übersetzungen bei Schubhäftlingen eingesetzt. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) – Ja, Frau Kollegin, das ist nicht wenig.

Der Innenminister hat selbst gesagt, bei 51 Sprachen ist man am Rande der Leistungsfähigkeit, dazu kommen noch die Zusammensetzung des Asylsenats und viele andere Bereiche. Auch die Regierung hat zu den Kosten insgesamt gesagt, allein 30 Planstellen zusätzlich – weitere Posten, die eigentlich eingespart werden hätten sollen – müssen umgeschichtet werden. Es gibt deutliche Nebenkosten, neben einem Sachaufwand von 88 Millionen Schilling zusätzlich noch Folgekosten von insgesamt etwa einer Viertelmilliarde Schilling – das muten Sie den Österreichern heute gleichzeitig mit dem Sparpaket Nummer 3, das Sie gestern verhandelt haben, zu! Das ist zuviel, hier werden wir nicht zustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann traut sich noch Caritas-Direktor Landau – er wurde ja heute zitiert –, vor die Öffentlichkeit hinzutreten und zu sagen, das Boot sei deshalb voll, weil unsere Zweit- und Drittfernseher drinnen sind.

Meine Damen und Herren! Hier geht es nicht um Zweit- und Drittfernseher! Schauen Sie in den "Kurier" vom vergangenen Wochenende hinein! Darin geht es um eine Familie mit vier Kindern, die unter dem Existenzminimum lebt. Das ist auch eine Situation, die es in Österreich gibt. Sie sprechen die afghanischen Familien an, Frau Kollegin Stoisits! Uns geht es um die Österreicher!


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Meine Damen und Herren! In diesem Boot sitzen die Österreicher und die österreichischen Jugendlichen genauso, denen wir nicht nur die Möglichkeit einer unbelasteten Kindheit nehmen – schauen Sie sich den Artikel an, ich empfehle Ihnen, zu lesen, was der kleine Bub gesagt hat –, sondern wir nehmen ihnen auch die Ausbildungschancen der Zukunft, unter anderem durch die Überfüllung der Schulen mit Ausländern mehrerer Sprachen, an denen sie nicht einmal mehr ordentlich Deutsch lernen und nicht die Möglichkeit haben, eine vernünftige Ausbildung zu bekommen.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition der sogenannten und sich selbst dazu ernannten Gutmenschen, haben vor lauter "Fernstenliebe" vergessen, die Nächstenliebe der Österreicher im Auge zu behalten. Und um diese geht es uns in erster Linie.

Dieses Gesetz gibt ein deutliches Beispiel für Ihre Haltung in diese Richtung. – Wir Freiheitlichen werden dazu sicherlich nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Jung hat am Beginn seiner Ausführungen einen Abänderungsantrag in seinen Kernpunkten vorgetragen. Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen. Infolge dessen Umfanges veranlasse ich die Vervielfältigung und Verteilung im Sinne des § 53 Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Jung, Dipl.-Ing. Hofmann, Lafer und Kollegen zur Regierungsvorlage (686 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (755 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem die Regierungsvorlage (686 der Beilagen) in der Fassung des Aus-schußberichtes (755 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG) geändert wird.

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Regierungsvorlage (686 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (755 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG:

1. § 3 Abs. 2 lautet:

"(2) Ein Asylantrag ist gestellt, wenn Fremde gegenüber einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes schriftlich oder mündlich zu erkennen geben, in Österreich Schutz vor Verfolgung zu suchen."

2. § 6 zweiter Satz lautet:

"Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen glaubhaften Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat ..."

3. § 6 Z 4 lautet:

"4. die Asylwerber an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts trotz Aufforderung nicht ausreichend mitwirken oder"

4. § 10 Abs. 2 zweiter Satz lautet:


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"Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur, wenn die Ehe bereits vor der Einreise des Fremden bestanden hat."

5. § 11 Abs. 2 lautet:

"(2) Fremde, die einen Asylerstreckungsantrag eingebracht haben, können im Verfahren über den Asylantrag ihres Angehörigen aus eigenem alles vorbringen, was ihnen für dieses Verfahren maßgeblich erscheint. Wird der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen, so gilt der Erstreckungsantrag als unzulässig."

6. § 13 Abs. 2 erster Satz lautet:

"(2) Asyl ist weiters ausgeschlossen, wenn Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten."

7. § 14 Abs. 1 Z 5 erster Satz lautet:

"5. die Fremden eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die öffentliche Gemeinschaft bedeuten."

8. § 14 Abs. 4 entfällt und in der Folge erhält der Abs. 5 die Bezeichnung "(4)".

9. In § 15 Abs. 3 entfällt die Wortfolge "und nach der zweiten Verlängerung für jeweils höchstens drei Jahre".

10. § 16 entfällt.

11. § 17 Abs. 2 erster Satz lautet:

"(2) Fremde, die sonst anläßlich einer an einer Grenzübergangsstelle erfolgenden Grenzkontrolle einen Asyl- oder Asylerstreckungsantrag stellen, sind – sofern die Einreise nicht nach dem 2. Hauptstück des Fremdengesetzes gestattet werden kann – zurückzuweisen und darauf hinzuweisen, daß sie die Möglichkeit haben, im Staat ihres derzeitigen Aufenthaltes Schutz vor Verfolgung zu suchen."

12. In § 17 Abs. 2 entfällt der Klammerausdruck "(§ 16 Abs. 2)"

13. In § 17 Abs. 4 erster Satz lautet:

"(4) Fremden, die einen Asylantrag nach Abs. 3 gestellt haben, ist die Einreise zu gestatten, wenn das Bundesasylamt den Grenzkontrollbehörden mitgeteilt hat, daß die Asylgewährung wahrscheinlich ist, insbesondere weil der Antrag nicht als unzulässig zurückzuweisen, oder als offensichtlich unbegründet abzuweisen wäre."

14. § 18 Abs. 2 lautet:

"(2) Das Bundesasylamt hat im Inland befindlichen Asylwerbern zur Sicherung der raschen Durchführung des Asylverfahrens eine Unterkunft, insbesondere eine solche im Rahmen der Einrichtung der Bundesbetreuung zu bezeichnen, die sie bis zur Erledigung ihres Antrages benützen müssen."

15. § 19 Abs. 1 lautet:

"(1) Asylwerber, die sich – sei es auch im Rahmen einer Vorführung nach Anreise über einen Flugplatz oder nach direkter Anreise aus dem Herkunftsstaat (§ 17 Abs. 1) – im Bundesgebiet befinden, sind vorläufig zum Aufenthalt berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von einer Woche ab


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dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat, es sei denn, ihr Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Vorgeführte Asylwerber sind jedoch dazu zu verhalten, sich zur Sicherung einer Zurückweisung während der der Grenzkontrolle folgenden Woche an einem bestimmten Ort im Grenzkontrollbereich oder im Bereich des Bundesasylamtes aufzuhalten; solche Asylwerber dürfen jedoch jederzeit ausreisen. Sie verlieren dann aber für die Dauer eines Jahres den Anspruch auf Asyl."

16. § 20 Abs. 1 zweiter Satz lautet:

"Ein Aufenthaltsverbot ist gegen Flüchtlinge zu verhängen, wenn die Voraussetzungen für die Aberkennung des Asyls gemäß § 14 Abs. 1 Z 5 gegeben sind."

17. § 24 Abs. 2 zweiter Satz lautet:

"Anträge nach diesem Bundesgesetz können schriftlich auch in einer der Amtssprachen der Europäischen Union oder in Russisch gestellt werden."

18. § 26 Abs. 1 zweiter Satz lautet:

"Das Merkblatt ist auch in Englischer, Französischer, Spanischer und Russischer Sprache bereitzuhalten."

19. § 27 Abs. 2 erster Satz lautet:

"(2) Asylwerber sind verpflichtet, die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Auskünfte, wie insbesondere über den Herkunftsstaat, Reisemittel oder den Fluchtweg, zu erteilen sowie die in ihrem Besitz befindlichen maßgeblichen Beweismittel, einschließlich der Identitätsdokumente vorzulegen."

20. Dem § 27 wird folgender Abs. 3 eingefügt, womit der bisherige Abs. 3 in Abs. 4 umbenannt wird

"(3) Anträge von Asylwerbern, die vorsätzlich ihre Identitätsdokumente vernichtet haben, sind zurückzuweisen."

21. § 29 erster Satz lautet:

"§ 29. Bescheide haben den Spruch, die Rechtsmittelbelehrung und den Hinweis nach § 61a AVG in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache der Europäischen Union oder in Russisch zu enthalten."

22. § 30 Abs. 1 lautet:

"§ 30. (1) Die mit Asylantrag oder Asylerstreckungsantrag eingeleiteten Verfahren sind einzustellen, wenn eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit des Asylwerbers oder der Asylwerberin aus Gründen, die sie selbst zu verantworten haben, nicht möglich ist."

23. § 34 erster Satz lautet:

"§ 34. Die im Verfahren nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Eingaben, Vollmachtsurkunden, Niederschriften, Zeugnisse und ausländischen Personenstandsurkunden sowie die Verlängerung von Aufenthaltsberechtigungen können von den Stempelgebühren befreit werden, wenn der Antragsteller offenkundig nicht über die nötigen Mittel verfügt."

24. § 38 Abs. 1 dritter Satz lautet:

"Die Mitglieder, der Vorsitzende und dessen Stellvertreter werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Nationalrates auf unbestimmte Zeit ernannt."


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25. § 38 Abs. 3 erster Satz lautet:

"(3) Ein Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenates kann seines Amtes nur durch den Nationalrat enthoben werden."

26. § 39 Abs. 1 lautet:

"§ 39. (1) Asylwerbern ist auf Wunsch Gelegenheit zu geben, sich an den Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zu wenden."

27. § 39 Abs. 2 lautet:

"(2) Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge ist von jeder Einleitung eines Verfahrens über einen Asylantrag oder einen Asylerstreckungsantrag zu verständigen. Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge ist weiters zu verständigen, wenn im Zuge einer Grenzkontrolle ein Antrags- und Befragungsformular übergeben wird oder gegen Asylwerber ein Verfahren zur Zurückweisung, Zurückschiebung, Ausweisung, Verhängung eines Aufenthaltsverbotes, Abschiebung oder Aberkennung des Asyl geführt wird."

28. § 39 Abs. 3 entfällt.

29. § 39 Abs. 4 wird folglich umbenannt in Abs. 3 und lautet:

"(3) Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge ist in allen diesen Verfahren berechtigt, Auskunft zu verlangen und jederzeit mit dem Betroffenen Kontakt aufzunehmen."

******

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. 8 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.30

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts dessen, daß ich meinem Vorredner zugehört habe, muß ich sagen, man bekommt den Eindruck, daß er das Gesetz nicht gelesen hat. Natürlich ist jemand, der eine Scheinehe eingeht, strafbar – in Österreich und in den meisten ausländischen Staaten. (Zwischenruf der Abg. Madl. )

Zweiter Punkt: Natürlich ist jemand, der in einem fremden Staat wegen einer kriminellen Tat verurteilt worden ist, in einem Gefängnis war und aus diesem Gefängnis flüchtete, hier nicht asylberechtigt. Und so sind viele andere Dinge, die Herr Abgeordneter Jung gesagt hat, einfach falsch. Ich meine, wenn man hier etwas nur behauptet hat, Herr Abgeordneter Jung, ist es noch nicht wahr und wird nicht wahr. (Abg. Jung: Was? Was? Bitte was? Was denn?) – Sie haben so viele falsche Dinge gesagt, daß es haarsträubend ist. Ich habe Ihnen nur zwei Beispiele genannt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis für Bischof Weber, dafür, daß er auf seine Anliegen hinweist. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten Gespräche mit vielen kirchlichen Stellen geführt und habe bei diesen kirchlichen Stellen viel Verständnis für die Lösung und für die Regelung, die wir jetzt gefunden haben und heute beschließen werden, gefunden. Es ist also nicht so, daß die kirchlichen Stellen diese Lösung generell ablehnen. Im Gegenteil!

Ich frage die Grünen: Werden Sie dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, das wir jetzt novellieren, zustimmen, zu dem ich nur positive Reaktionen von den kirchlichen Stellen bekommen habe, keine einzige negative? – Sie müßten dieser Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes mit großer Begeisterung zustimmen. Ich befürchte allerdings, daß Sie den Rat der Bischöfe und der Kirchen nicht akzeptieren und ihm nicht folgen werden. Ich bedauere, daß man


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immer wieder mit an den Haaren herbeigezogenen Aspekten zu argumentieren versucht. So kann man das einfach nicht machen.

Meine Damen und Herren! Wir lösen mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, mit dem Fremdengesetz und mit den Änderungen im Asylantenrecht wesentliche Probleme. Wir schaffen mehr Ordnung, wie das Herr Abgeordneter Kiss bereits gesagt hat, und wir schaffen vor allem eine Übereinstimmung von Fremdenrecht, Aufenthaltsrecht und Niederlassungsrecht mit Arbeitsrecht und Beschäftigungsrecht.

Meine Damen und Herren! Das ist ganz wesentlich. Ich gebe zu, daß viele Ausländer, die heute ein Aufenthaltsrecht in Österreich haben, die sich korrekterweise in Österreich aufhalten, Schwierigkeiten haben. Aus diesem Grunde wird der Prioritätenkatalog für die Erteilung von Beschäftigungsgenehmigungen dem Fremdengesetz neu angepaßt. Natürlich haben die Österreicherinnen und Österreicher zunächst einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz. Natürlich haben die Flüchtlinge vorrangig einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz in Österreich, aber dann kommen bereits jene Ausländer, die hier einen Arbeitslosenversicherungsanspruch erworben haben. Diese sollen auch primär einen Arbeitsplatz bekommen. Und dann kommen die Jugendlichen, die hier die Schule beendet haben, die ein ganzes Schuljahr in Österreich abgeschlossen haben, und zwar das letzte Schuljahr der Schulpflicht. Auch damit entsprechen wir den Anliegen der Menschen, die eben nach Österreich gekommen sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir bieten noch etwas mit der Änderung im Ausländerbeschäftigungsgesetz, und das möchte ich besonders unterstreichen: Die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales bekommt einen größeren Entscheidungsbereich, wenn es darum geht, Verordnungen zu erlassen, die bestimmte Personengruppen aus der Erteilung einer Beschäftigungsgenehmigung ausnehmen oder in besonderer Weise begünstigen. Wir meinen, daß hier flexibel vorgegangen und den entsprechenden Anforderungen auch Rechnung getragen werden soll, die eben aufgrund persönlicher Gegebenheiten, aber auch aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Situation entstehen. Wir vergrößern also ganz bewußt den Entscheidungsspielraum der Ministerin, und ich möchte Sie bitten, Frau Ministerin, diesen Entscheidungsspielraum auch entsprechend wahrzunehmen, so wie wir das vorsehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt auch eine klare Regelung, die wir für türkische Staatsbürger, die hier eine Beschäftigungsgenehmigung bekommen sollen, vorsehen. Es kommt zu einer klaren Regelung für ausländische Notstandshilfebezieher. Es gibt bereits jetzt eine klare Regelung für die Ausländer, die länger arbeitslos sind, die Notstandshilfebezieher werden könnten – ich sage bewußt: werden könnten. Für diese Personen wird mit Wirkung 1. Jänner 2000 eine neue Bestimmung im Arbeitslosenversicherungsgesetz eingeführt, wonach eben diese Ausländer, Ausländerinnen unter bestimmten Voraussetzungen – ich sage bewußt: bestimmte Voraussetzungen müssen erfüllt werden – notstandshilfeberechtigt werden.

Ich möchte klar unterstreichen, daß ein großer Teil der Ausländerinnen und Ausländer auch heute bereits unter bestimmten Voraussetzungen Notstandshilfe in Anspruch nehmen kann. (Abg. Öllinger: Zu einem kleinen Teil!) – Es stimmt nicht, daß Ausländerinnen und Ausländer grundsätzlich von der Notstandshilfe ausgeschlossen worden sind. Ich habe im Ausschuß, in dem die Grünen, die Liberalen und die Freiheitlichen leider nicht vertreten waren, die Frau Bundesministerin gebeten, daß man nun in diesen zwei Jahren, 1998 und 1999, genau prüft, im vorhinein prüft, in welcher Weise die neuen Bestimmungen Auswirkungen auch auf österreichische Staatsbürger haben könnten. Ich möchte nicht ausschließen, daß österreichische Staatsbürger von dieser neuen Regelung betroffen werden könnten. Das soll jetzt aber genau beobachtet werden, und aus diesem Grunde (Zwischenruf der Abg. Haller ) – jawohl, Frau Abgeordnete, aufgrund dessen – ist die ÖVP dafür eingetreten, daß das Inkrafttreten nicht sofort erfolgt, sondern mit 1. Jänner 2000, damit wir die Auswirkungen genau untersuchen und überlegen können. Ich hoffe, daß auch Sie dieser Regelung die Zustimmung geben werden.


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Ich sage am Ende meines Debattenbeitrages klar: Der österreichische Arbeitsmarkt ist nicht in der Lage, eine unbeschränkte Zuwanderung von Ausländern hinzunehmen und zu verkraften. Wir können nicht jedem Ausländer, jeder Ausländerin, der/die nach Österreich will, einen Arbeitsplatz zusichern. Aber diejenigen, die im Sinne des neuen Aufenthalts- und Niederlassungsrechtes einen Anspruch haben, in Österreich wohnen zu können, sollen auch unter bestimmten Voraussetzungen, die klar definiert sind, eine Beschäftigung bekommen. Es darf kein Auseinanderdriften von Aufenthaltsrecht, Niederlassungsrecht, Beschäftigungsrecht und Ar-beitsmarkt passieren, sondern wir brauchen ein weitgehendes Miteinander, damit wir die Probleme auf dem österreichischen Arbeitsmarkt auch in Zukunft korrekt lösen können. (Beifall bei der ÖVP.)

12.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

12.38

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Kier hat die Positionen des Liberalen Forums zu den zur Diskussion stehenden Gesetzesvorlagen bereits dargelegt. Ich möchte noch einmal besonders darauf hinweisen, daß uns klar ist, daß Österreich ohne Zuwanderung, daß Österreich ohne Beschäftigung von Ausländern nicht auskommen wird und daß es auch aus der Sicht der Liberalen eine Integration vor der Zuwanderung geben muß, daß diese Zuwanderung nur eine geordnete Zuwanderung sein kann.

Meine Damen und Herren! Wir haben auch nicht verhehlt, daß das, was heute beschlossen werden soll, gewisse Verbesserungen bringt. Nur, meine Damen und Herren, ist das, was vorgelegt wird, was insgesamt neu geregelt und beschlossen werden wird, aus unserer Sicht ein schlechter Kompromiß. Der Herr Bundesminister bestätigt diese unsere Position. Das ist nicht jener hohe Standard, den wir uns vom Gesetzgeber erwarten und den wir verlangen – gerade in einer so wichtigen, in einer so sensiblen Materie, wie es das Fremdenrecht und das Asylrecht darstellen, meine Damen und Herren! (Abg. Kiss: Du bist vom Saulus zum Paulus geworden!) Daher haben wir, Herr Kollege Kiss, auch entsprechende Abänderungsanträge eingebracht.

Herr Kollege Kiss! Ich würde mir wünschen, daß wir über unsere Abänderungsanträge mit Ihnen diskutieren könnten, aber Sie verweigern ja bedauerlicherweise diese Diskussion. Herr Kollege Kiss! Ich komme gleich auf deine Ausführungen zurück. Du hast gesagt, mit dieser Regelung seien die Regierungsfraktionen auf einem guten Weg, diese zeige die Handschrift der Österreichischen Volkspartei. – Ich aber sage dir, daß ihr mit dieser Regelung auf dem Holzweg seid und daß diese Regelung kein Ruhmesblatt für die Österreichische Volkspartei ist! Wir werden es ja sehen, wir haben das ja schon einmal erlebt. Auch die Regelung aus dem Jahr 1992 wurde damals von den Regierungsparteien über den grünen Klee gelobt, und dann mußten ebenfalls entsprechende Korrekturen angebracht und das Gesetz repariert werden. Ich sage Ihnen im voraus: Auch dieses Gesetz wird wieder repariert werden müssen! Der Herr Bundesminister selbst ist ja ebenfalls nicht sehr überzeugt davon, daß das wirklich eine gute Lösung ist. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Herr Kollege Kiss! Bitte sag deinen Kollegen, die nach mir sprechen werden, sie sollen auf die Argumente von uns Liberalen eingehen, sie sollen auf unsere Abänderungsanträge eingehen, die wir hier vorgelegt haben – die ja auch aufliegen, sodaß sie jeder nachlesen kann –, damit es hier im Sinne des Parlamentarismus auch zu einer interessanten und weiterführenden Diskussion kommt.

Herr Kollege Leikam hat bedauert, daß die Oppositionsparteien in der letzten Ausschußsitzung nicht anwesend waren. Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, wie Herr Kollege Khol gemeint hat, er würde ja so gerne mit uns, etwa mit Herrn Kollegen Kier, über die Fragen des Fremdenrechtes oder des Asylrechtes debattieren und diskutieren.

Meine Damen und Herren! Das, was dabei vorgebracht wird, Ihr angebliches Trauern um das Fehlen der Oppositionsparteien im Ausschuß, ist doch nichts anderes als durch nichts zu


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überbietendes Pharisäertum! Die Anträge, die die Oppositionsparteien in der Vergangenheit – egal, in welchem Ausschuß, Herr Kollege Kiss und Herr Kollege Leikam – eingebracht haben, sind doch immer wieder abgelehnt worden, aber nicht deshalb, weil es schlechte Anträge gewesen wären – sehr oft waren diese Anträge dann plötzlich auf dem Tisch und wurden von den Regierungsparteien übernommen –, sondern nur deshalb – dies in einem völlig falschen Verständnis von Parlamentarismus –, weil sie von der Opposition stammen. Und so gehen Sie auch mit den Änderungsvorschlägen der zivilen Organisationen der NGOs um! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Weinen Sie hier also keine Krokodilstränen!

Es muß aber möglich sein, im Rahmen dieser Plenardebatte über die verschiedenen Positionen zu debattieren. Herr Kollege Kiss, ich ersuche Sie nochmals: Wenn Sie den Parlamentarismus tatsächlich ernst nehmen, dann geben Sie eine Stellungnahme zu unseren Abänderungsanträgen ab!

Kollege Schwemlein hätte ja auf die Argumente der Oppositionsparteien eingehen können. Ich bedauere, daß er das nicht gemacht hat. Ich möchte aber ganz kurz auf eine Aussage von ihm eingehen, die mir wirklich weh getan hat. Kollege Schwemlein hat ein Beispiel aus seinem Leben und aus seiner persönlichen Erfahrung gebracht. Er hat sinngemäß festgestellt, daß die Flüchtlingskinder in Österreich auf dem Schulweg geschlagen werden und er daher eine mehrfach zerbrochene Brille hatte.

Herr Kollege Schwemlein! Sie sind Pädagoge, Sie sind Lehrer, Sie müßten eigentlich wissen, daß Kinder auf dem Schulweg herumtollen, daß Kinder auf dem Schulweg durchaus auch das eine oder andere Mal raufen und daß dabei auch einmal etwas zu Schaden kommt. Offensichtlich hat Kollege Schwemlein das vergessen. Möglicherweise hat er den Bezug zur Schule bereits verloren. Vielleicht war Kollege Schwemlein auch ein Kind mit einem besonderen Bewegungsdrang und ab und zu auch einmal rauflustig. Ich meine, es ist eine Zumutung ... (Zwischenrufe des Abg. Mag. Posch. )  – Er hat es so gebracht. (Abg. Kiermaier: Du hast etwas vergessen!) Lies es nach! Bitte lies es im Stenographischen Protokoll nach!

Ich halte es für eine Zumutung, daß er eine Rauferei auf dem Schulweg, in die er involviert war, als Ausländerfeindlichkeit hinstellt. Das, meine Damen und Herren, entspricht nicht den Tatsachen, und das möchte ich hier klar und deutlich festhalten! (Abg. Kiermaier: Er hat gesagt, sie haben ihn einen "stinkenden Zigeuner" genannt! Das hast du nicht gesagt, das hast du vergessen!) Auch das kann durchaus vorkommen. Aber in erster Linie hat er die Rauferei und seine dadurch zerbrochene Brille gebracht, und ich meine, daß das kein Argument ist und nicht in diese Debatte paßt. Er soll unser Land nicht so darstellen, als ob auf dem Schulweg, wenn Kinder raufen und ausländische Kinder dabei involviert sind, automatisch Ausländerfeindlichkeit herrschen würde. Er soll eine normale Rauferei nicht als Ausländerfeindlichkeit hinstellen. Das ist, wie ich meine, eine Zumutung, und daher möchte ich das mit aller Entschiedenheit zurückweisen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Herr Kollege Posch! Du bist auch Lehrer oder Professor, du weißt auch, wie es auf dem Schulweg zugeht! (Abg. Mag. Posch: Er wird wohl wissen, was er erlebt hat!)

Lieber Herr Kollege! Ich habe nichts dagegen, wenn hier persönliche Erfahrungen dargestellt werden. Aber aus diesen persönlichen Erfahrungen dann auf eine allgemeine Ausländerfeind-lichkeit gegenüber ausländischen Kindern auf dem Schulweg zu schließen, halte ich für eine Zumutung! (Abg. Mag. Posch: Wenn er persönlich die Erfahrung gemacht hat, daß es so war, dann wird er das wohl sagen dürfen, oder?)

Ich selbst komme aus einer Gemeinde, die das berühmte Flüchtlingslager Traiskirchen beherbergt. Und ich kann Ihnen ganz ehrlich sagen: Solche Beispiele entsprechen wirklich nicht der Realität.

Meine Damen und Herren! Ich möchte im Zuge dieser Diskussion, was unsere Abänderungsanträge betrifft, Ihre Aufmerksamkeit auf drei Punkte lenken.

Der erste Punkt ist die Notwendigkeit, daß die Bestimmungen, die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung klarer determiniert werden sollen. Die Erfahrungen mit der bisherigen gesetzlichen Regelung haben gezeigt, daß es eine große Rechtsunsicherheit gegeben hat und


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die Bestimmungen zu einer sehr inhumanen Rechtsprechung geführt haben. Wir kennen eine Vielzahl von Bescheiden, die aus unserer Sicht völlig unverständlich sind.

Aufgrund dieser Regelung gibt es auch durchaus überforderte Beamte, die zwar guten Willens sind, mit derartigen Regelungen aber nicht wirklich etwas anfangen können. Dazu kommt noch eine Flut von Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof. Wir meinen daher, daß es Sinn machen würde, die bestehenden unklaren Regelungen doch klarer zu determinieren.

Wir haben daher einen entsprechenden Abänderungsantrag eingebracht, in dem wir fordern, daß es für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung des Nachweises einer den sanitäts-, gesundheits- und baupolizeilichen Vorschriften entsprechenden Unterkunft bedarf. Das wäre unserer Meinung nach ausreichend – nicht jedoch die bisherige Regelung mit der landesüblichen oder ortsüblichen Unterkunft.

Die zweite Forderung betrifft die Feststellung der ausreichenden eigenen Mittel. Es sollte klarer als bisher festgehalten werden, was eigene Mittel sind. Im Sinne einer Ausschußfeststellung, die bereits im April 1995 getroffen wurde, wäre festzuhalten, daß diese Mittel dann ausreichend sind, wenn einer kollektivvertraglich entlohnten Beschäftigung nachgegangen wird oder eine zur Existenzsicherung gedachte gesetzliche Transferleistung vorliegt. Das, meine Damen und Herren, hätte Sinn gemacht. Es wäre notwendig gewesen, diese Ausschußfeststellung dann in das Gesetz aufzunehmen.

Der zweite Punkt betrifft eine Frage, von der ich ebenfalls meine, daß es notwendig wäre, sie zu klären, nämlich: Wie gehen wir mit illegal im Land befindlichen Prostituierten um, mit Frauen, die im Zuge von Menschenhandel, von Menschenschmuggel nach Österreich gekommen sind? – Wir Liberalen sind der Meinung, daß diese Frauen unter bestimmten Voraussetzungen nicht ausgewiesen werden sollen, sondern daß ihnen eine befristete Aufenthaltsbewilligung gegeben werden sollte, und zwar einerseits im Hinblick darauf, daß damit vielleicht ein Beitrag zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, zur Aufklärung der strafbaren Tatbestände geleistet werden kann, und andererseits auch in dem Sinne, daß diese Frauen die Möglichkeit bekommen sollen, ihre mißliche Situation rechtsstaatlich ordentlich zu lösen und ein neues Leben zu beginnen.

Der dritte und letzte Punkt, auf den ich Sie hinweisen möchte, steht im Zusammenhang mit dem Asylrecht, nämlich die Frage: Wann kann Aufnahmesicherheit in einem Drittland angenommen werden? – Ich bekenne mich durchaus zur Drittlandklausel, und ich bekenne mich auch zu den Refoulement-Bestimmungen, meine aber, daß es Sinn machen würde und notwendig wäre, klarer festzuschreiben, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen Österreich ein Land im Sinne der Drittlandklausel anerkennt. Ich denke, die Sicherheit vor Verfolgung kann dann angenommen werden, wenn das betreffende Land bereit ist, einen entsprechenden schriftlichen Vertrag mit Österreich abzuschließen, wonach dieses Land im konkreten Einzelfall ein faires Asylverfahren gewährleistet und die Einhaltung des Refoulement-Schutzes garantiert.

Ich meine außerdem, daß jemand dann, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist abgeschoben oder ausgewiesen werden kann, auch das Recht und die Möglichkeit haben soll, in Österreich ein Asylverfahren zu bekommen.

Meine Damen und Herren! Das waren jene drei Punkte, auf die ich Sie besonders hinweisen wollte. Ich darf die Damen und Herren von den Regierungsparteien einladen, im Sinne eines lebendigen Parlamentarismus an der Diskussion teilzunehmen. (Der Redner weist auf leere Bankreihen bei SPÖ und ÖVP.)  – Es ist aber fast niemand da, offensichtlich interessiert Sie dieses Thema nicht wirklich.

Meine Damen und Herren! Was uns Liberalen auch abgeht, ist eine Bestimmung, wonach das Parlament über die Vollziehung der heute zu beschließenden Gesetze vom Innenminister nicht informiert werden muß. Ich möchte daher einen Entschließungsantrag betreffend die Vorlage eines Berichtes über den Vollzug des Fremdengesetzes und des Asylgesetzes einbringen.

Wir haben in der Vergangenheit ja Erfahrung mit der Vollziehung gesammelt, und es hat sich gezeigt, daß es notwendig ist, auf breiter politischer Basis auch zu diskutieren und einen


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aktuellen Informationsstand im Parlament zu haben, damit die legistischen Anpassungen rasch durchgeführt werden können. Und als erste Stufe dieser notwendigen legistischen Anpassungen, von denen auch der Herr Bundesminister gesprochen hat, ist nun einmal auch das Parlament entsprechend zu informieren.

Unser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Hans Helmut Moser, Partnerinnen und Partner betreffend Vorlage eines Berichtes über den Vollzug des Fremden- und des Asylgesetzes


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Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, dem Parlament einen Bericht über das erste Jahr des Vollzuges des Fremdengesetzes 1997 und des Asylgesetzes 1997 bis spätestens 1. Mai 1999 zuzuleiten."

*****

Ich meine, daß dies notwendig ist, und daher habe ich, meine Damen und Herren und Herr Bundesminister, kein Verständnis für Ihre Aussagen im Ausschuß. Es war eine Anregung der Österreichischen Volkspartei im Ausschuß, und daher kann die Österreichische Volkspartei heute hier unserem Entschließungsantrag zustimmen. Ich habe jedenfalls kein Verständnis dafür, wenn der Herr Bundesminister meinte: Na, dem Parlament wollen wir keinen Bericht vorlegen, denn – ich zitiere wörtlich – "jede Erörterung im Parlament bringt nur Ärger mit sich".

Herr Bundesminister! Ich meine, daß es sehr wohl im Sinne und im Interesse dieser sehr sensiblen Materie wäre, dieses Thema im Nationalrat zu diskutieren. Ich möchte jedenfalls nicht davon ausgehen, daß diese Aussage Ihrerseits ein Indiz für ein gestörtes Verhältnis der Bundesregierung zum Parlament ist.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum letzten Punkt. Wir werden ja heute eine Vielzahl von Regierungsvorlagen und Novellen beschließen. Unter anderem geht es auch um das Übereinkommen über die Bestimmungen des zuständigen Staates für die Prüfung eines von einem Mitgliedsland der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrages, Kurzbezeichnung: Dubliner Abkommen. Wir vom Liberalen Forum werden diesem Abkommen und diesem Antrag unsere Zustimmung geben.

Wir meinen, daß ein derartiges Abkommen, das eine Harmonisierung des Asylrechtes auf europäischer Ebene regelt, notwendig ist, daß damit auch eine Ergänzung zum Schengener Abkommen getroffen wird und daß es dadurch zu einer Verstärkung der dritten Säule von Maastricht kommt.

Wir haben aber auch unsere Bedenken, weil sich gezeigt hat, daß die Tendenz auf europäischer Ebene eigentlich dahin geht, immer restriktivere Drittlandklauseln zu beschließen, daß Schnellverfahren für "offensichtlich unbegründete" Asylanträge beschlossen und festgelegt werden und daß es zu einer sehr engen Auslegung der Flüchtlingsdefinition kommt. Wir Liberalen wollen daher, daß der Nationalrat ganz klar seine Meinung darüber kundtut, wie er das Dubliner Abkommen sieht.

Der Entschließungsantrag des Liberalen Forums lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Hans Helmut Moser, Dr. Martina Gredler, Partnerinnen und Partner betreffend Mindeststandards für ein einheitliches materielles Asylrecht in der Europäischen Union

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung beziehungsweise der zuständige Bundesminister möge sich im EU-Rat und in anderen relevanten EU-Gremien für ein EU-weit einheitliches materielles Asylrecht einsetzen, das den Mindeststandards, wie sie vom UN-Flüchtlingshochkommissariat definiert werden, entspricht:

Insbesondere müssen folgende Bedingungen erfüllt werden:

Asylanträge dürfen nur dann als "offensichtlich unbegründet" abgewiesen werden, wenn sie in eindeutig betrügerischer Absicht gestellt wurden oder nicht relevant im Sinne der Kriterien für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind.

Flüchtlingen darf nur dann ein Asylverfahren wegen Herkunft aus einem "sicheren Drittland" verweigert werden, wenn im Einzelfall sichergestellt ist, daß in dem betreffenden Drittstaat ein Asylverfahren nach grundlegenden humanitären Mindeststandards durchgeführt wird, und dieser die Zustimmung zur Rückübernahme gibt.

Die Bestimmungen des Non-Refoulement-Gebotes müssen im Sinne des Artikel 33 Absatz 1 der Genfer Konvention 1951 und der darauf Bezug nehmenden EXCOM-Beschlüsse des UNHCR (insbesondere der Nummern 6 und 22) ausgelegt werden.

Die Auslegung und Anwendung des Artikels 1 der Genfer Flüchtlingskonvention darf nicht dahin gehend beschränkt werden, daß ausschließlich Verfolgung durch den Staat anerkannt wird, sondern es muß sichergestellt werden, daß auch nichtstaatliche Verfolgung, etwa durch Bürgerkriegsparteien, zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus führen kann."

*****

Das, meine Damen und Herren, wäre aus unserer Sicht wohl das mindeste, was gefordert werden muß. Das wären die Mindeststandards, die wir von einem einheitlichen Asylrecht auf europäischer Ebene erwarten, und das wären auch jene Voraussetzungen, unter denen Österreich seine langjährige Tradition als Asylland weiterhin fortsetzen kann. Meine Damen und Herren! Ich ersuche Sie daher um Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Moser hat zwei Entschließungsanträge vorgetragen, die beide ordnungsgemäß eingebracht wurden und in die Verhandlung mit einbezogen werden.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.57

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verfolge diese Debatte seit zweieinhalb Stunden. Den einen ist das, was heute beschlossen wird, viel zuwenig, den anderen ist es zuviel. Herr Abgeordneter Jung hat sich überhaupt dazu verstiegen, die Situation so darzustellen, als hätten wir jetzt die Grenzen offen und die Regierungsparteien stünden mit einem Prügel dahinter und jagten alles herein, was sich leider noch draußen befindet. – Ich kann dieser Argumentation nicht folgen, aber das muß ja auch nicht sein; das spricht wahrscheinlich sogar für mich.

Dieses Thema war den Sozialdemokraten immer ein Anliegen. Wenn wir ausländische Mitbürger ins Land geholt haben, waren wir uns der Verantwortung bewußt, daß wir ihnen auch Arbeit, Wohnung, Ausbildungsmöglichkeiten für ihre Kinder und anderes mehr geben müssen. Ein jahrelanges parteipolitisches Hickhack und ein Gegeneinander-Ausspielen von bereits im Land


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befindlichen und neu zuziehenden Ausländern werden heute endlich beendet; die Situation wird verbessert.

Seit 1995 haben wir eine stark restriktive Neuzuzugspolitik, und unser Ziel ist es, vor allem zu integrieren. Mit dem heutigen Gesetzespaket kommt es zu einer massiven Integration, vor allem zu einer auf den Arbeitsmarkt bezogenen Integration. Eine wesentliche Verbesserung gibt es auch dadurch, daß eine verstärkte Berücksichtigung der sozialen Komponente erfolgt. Beispiel: Familiennachzug. Bei Weiterverfolgung dieser restriktiven Neuzuzugspolitik wird es, ohne den österreichischen Arbeitsmarkt über Gebühr zu belasten, innerhalb von fünf Jahren möglich sein, diese legal aufhältigen ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Österreich zu integrieren. Auch die neuerliche Festschreibung des unüberschreitbaren Ausländeranteiles am österreichischen Arbeitskräftepotential in Höhe von 9 Prozent ist zu begrüßen.

Dazu möchte ich mich auch kurz mit dem Antrag des Herrn Abgeordneten Haupt auf Senkung dieses Anteils auf 6 Prozent auseinandersetzen. Eine solche Maßnahme hieße, wir würden legal im Land aufhältige Menschen – die meisten haben einen Arbeitsplatz – in die Arbeitslosigkeit drängen. Wir müßten ihnen für ihre wohlerworbenen Ansprüche auch die Arbeitslosenunterstützung zahlen – und das bitte für Jobs, die Österreicher nicht annehmen wollten. Wir haben sie als Gäste ins Land hereingeholt, sie sind gekommen, haben diese Jobs für uns gemacht, aber all das stellt man jetzt in Frage. Und begründet wird das mit einem Verdrängungswettbewerb, der massiv kritisiert wird. Aber gerade mit einer solchen Maßnahme würde man diesen Verdrängungswettbewerb fördern. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte mich noch mit einer weiteren Frage, die in den Diskussionen in den Ausschüssen eine Rolle gespielt hat, nämlich mit der Frage von Au-pairs, auseinandersetzen. Es war eine Forderung von Herrn Bundesminister Bartenstein, Au-pair-Kräfte aus dem Ausländerbeschäftigungsgesetz herauszunehmen.

Meine Damen und Herren! Wenn man bedenkt, daß dann 25 Wochenstunden für ein Taschengeld zu arbeiten wären, so hätten wir Billigstarbeitskräfte ohne jegliche rechtliche Absicherung in unserem Land. Im Gegenzug sind allein in Wien an die 2 000 Haushaltshilfen als arbeitssuchend gemeldet; den Bereich der Gesundheits- und Sozialberufe spreche ich dabei noch überhaupt nicht an. Österreich ist im Au-pair-Abkommen ... (Abg. Dr. Ofner: Das ist ja was ganz anderes!)

Ich weiß schon, was das ist, ich war selbst einmal Au-pair-Mädchen. Sie brauchen mich nicht aufzuklären, Herr Kollege Ofner, ich darf dankend darauf verzichten. (Abg. Dr. Ofner: Erzählen Sie aus Ihrer Erfahrung, erzählen Sie, wie es war!) Lassen Sie mich ausreden! Wenn Ihnen dann noch etwas fehlt, können wir uns ja darüber unterhalten.

Österreich ist diesem Au-pair-Abkommen – glücklicherweise! – nicht beigetreten, weil wir von Deutschland her genau wissen, welche Konsequenzen das bedeutet hätte: eine willkürliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sehr oft ein Abdrängen in die Illegalität; sehr viele dieser Mädchen sind dann im Rotlicht-Milieu gelandet. – Das brauchen wir uns nicht zu wünschen.

Wenn ich die Beratungen Revue passieren lasse, so muß ich sagen: Dafür war weder bei unserem Koalitionspartner noch vor allem auch im Bereich der Sozialpartner eine Mehrheit zu finden. Ich möchte auch erwähnen, daß eine Protokollanmerkung gefordert wurde. Frau Ministerin Hostasch wurde ungerechtfertigterweise angegriffen, denn von einer Protokollanmerkung war nur im Bereich des Fremdengesetzes, nie aber beim Ausländerbeschäftigungsgesetz die Rede.

Was die Änderung der Zugangsvoraussetzungen für den Bezug der Notstandshilfe betrifft, wird sowohl dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch der Übereinstimmung mit der Aufenthaltsverfestigung nach dem Fremdengesetz Rechnung getragen. Die geänderten Zugangsvoraussetzungen – sie sind punktativ aufgezählt: "oder" und nicht "und" – wurden massiv kritisiert, aber eine Europarechtswidrigkeit kann dabei nicht festgestellt werden.


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Alles in allem handelt es sich dabei um eine maßvolle gesetzliche Regelung, die den Österreichern, die den legal hier aufhältigen Ausländern nützt und mit der wir auch unseren humanitären Verpflichtungen weiter nachkommen können. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Öllinger vor. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kostelka hat heute davon gesprochen, wie hervorragend die Ausschußarbeit gewesen ist, weil die Opposition nicht anwesend war. – Diese Äußerung ist bemerkenswert, denn immerhin haben wir unter diesem Tagesordnungspunkt Gegenstände zu verhandeln, die nach meinem Dafürhalten relativ wenig miteinander zu tun haben. Herr Abgeordneter Kier wird mir nicht böse sein, wenn ich sage, daß sein Antrag betreffend Schaffung der Möglichkeit von "Teilarbeitslosigkeit" mit dem Gegenstand, den wir jetzt behandeln, ebenso- wenig zu tun hat wie jener Antrag, den Frau Abgeordnete Haller eingebracht hat.

Auch wenn Sie, Herr Abgeordneter Kier, jemand sind, der gerne in allen möglichen Zusammenhängen denkt: Die Zusammenhänge, die Sie zwischen diesem Gegenstand und dem Integrationspaket herstellen, müssen Sie mir erst erklären. Das hat nichts – auch nicht unter diesem Tagesordnungspunkt – miteinander zu tun! Das ist nur eine Maßnahme, die bewirken soll, daß wir diese Punkte nicht ernsthaft diskutieren können.

Die Frage ist: Wozu führen wir überhaupt diese Diskussion über das Integrationspaket? – Ich habe einigen Debattenrednern zugehört, und ich hatte da manchmal den Eindruck, als ob da aneinander vorbeidiskutiert würde, als ob sich da einige Abgeordnete ihr Diplom in Spiegelfechterei verdienen wollten. Als Gegenstand der Attacke wird immer wieder der unbegrenzte Zuzug von Ausländern, den man nicht wolle, bejammert und beklagt.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Niemand hat das gesagt, niemand hat einen unbegrenzten Zuzug gefordert. Selbstverständlich stehen auch wir zu dem Grundsatz, daß Integration vor Neuzuwanderung zu gehen hat und daß eine Neuzuwanderung unter geregelten Bedingungen erfolgen muß.

Sie aber, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, müssen sich schon die Frage gefallen lassen, ob das, was Sie hier mit dem Integrationspaket versuchen, tatsächlich diesem Grundsatz Rechnung trägt. Meiner Ansicht nach ist das nur sehr bedingt der Fall. Was das Ausländerbeschäftigungsgesetz betrifft, ist es insofern der Fall, als bestimmte Gruppen von ausländischen Beschäftigten – nämlich diejenigen nach dem Assoziationsabkommen – endlich einigermaßen gleichgestellt werden. Deren Gleichstellung hört aber sofort dann wieder auf, wenn es darum geht, sie von der Quote auszunehmen. Da die Gleichgestellten von der Quote nicht ausgenommen sind, sind sie auch nicht gleichgestellt. Meine Damen und Herren! Das hat doch nichts mit Gleichstellung zu tun, wenn man sie nach wie vor in der Quote drinnen läßt! Meine Damen und Herren von der Regierungsparteien! Frau Ministerin! Sie müssen sich diesbezüglich und wahrscheinlich auch im Hinblick darauf, was die EU von uns einfordert, etwas anderes einfallen lassen.

Nächster Punkt: der freie Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie betonen, daß für jene hier lebenden Ausländer, die schon lange in unserem Land sind, bestmögliche Gleichstellung erfolgen soll. – Ich zähle Ihnen einmal die unterschiedlichen Gruppen derer auf, die hier auf dem Arbeitsmarkt tätig sind: die Gruppen mit Beschäftigungsbewilligung, die Gruppen mit Arbeitserlaubnis – völlig unterschiedliche Rechtslage –, die Gruppen mit Befreiungsschein, dann die Gleichgestellten nach dem Assoziationsabkommen, dann die EU-Bürger, die noch "gleichgestellter" sind, und schließlich die Österreicherinnen und Österreicher, die anscheinend überhaupt die "gleichsten" von allen sind. (Abg. Mag. Haupt: Den EWR hat er vergessen!)


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Frau Ministerin! Mir fällt auf – Sie werden diesbezüglich auch eine Anfrage von uns erhalten –, daß zum Beispiel das Arbeitsmarktservice Stellenvermittlung betreibt, indem es Stellenausschreibungen macht, in denen von den Stellenbewerbern Deutsch als Muttersprache verlangt wird. Wie Sie wissen, Frau Ministerin, schließt das auch viele österreichische Staatsbürger aus.

Es gibt auch Stellenausschreibungen des AMS, in denen steht: gebürtiger Inländer. Wissen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wer damit ausgeschlossen wird? – Zum Beispiel all jene, deren Eltern in den vierziger Jahren emigrieren mußten und die daher im Ausland geboren wurden. Diese Kinder sind keine gebürtigen Österreicher, denn sie wurden ja im Ausland geboren.

Ist Ihnen diese Gedankenlosigkeit, diese Impertinenz eigentlich zu Bewußtsein gekommen? Ist Ihnen bewußt, daß Sie mit Ihrer Politik der sogenannten Integration diese diffizile Diskriminierung so weit treiben, daß damit auch Gruppen von österreichischen Staatsbürgern diskriminiert werden, wo wir – der Herr Minister hat das schon ausgeführt – doch stolz darauf sind, daß wir auch Ausländer zu österreichischen Staatsbürgern machen? Sind Sie sich dessen bewußt, daß Sie diese Gruppen, aber auch andere Gruppen von ÖsterreicherInnen, die sich nur dadurch von den anderen Österreichern unterscheiden, daß sie nicht in diesem Land geboren wurden, weil sie beispielsweise in der Emigration geboren wurden, auch durch Ihre praktische Politik diskriminieren, und nicht nur durch das, was im Gesetz steht? – So weit geht diese Diskriminierung schon, meine Damen und Herren!

Sie sollten sich einmal zu Gemüte führen, was das AMS – sicher nicht nur aus eigenem Antrieb, obwohl ich auch das nicht völlig von der Hand weisen möchte – an Diskriminierung bei der Stellenausschreibung, bei der Stellenvermittlung weitergibt, nämlich den Druck, der von der Gesellschaft – von den Unternehmen, von den Arbeitgebern – an das AMS herangetragen wird. Sie, meine Damen und Herren, zucken aber wahrscheinlich nur mit den Schultern und sagen: Hauptsache, eine Stelle wird vermittelt, Hauptsache, irgend jemand kommt unter.

Ist Ihnen bewußt, welche Politik Sie damit betreiben? Ich frage Sie, ob Ihnen die Konsequenzen dieser sehr vielfältigen Diskriminierung, dieser sehr unterschiedlichen Klassen auf dem Arbeitsmarkt, die Sie geschaffen haben, bewußt sind. – Ich kann Ihnen eine Antwort geben: Mit dieser absoluten Konkurrenz unter den ausländischen Beschäftigten, die teilweise auch schon auf Inländer umschlägt, schaffen Sie ein System, das für Lohndrückerei wunderbar, geradezu hervorragend geeignet ist, und produzieren damit genau das, wovor Sie immer warnen.

Frau Abgeordnete Reitsamer! Das, was Sie in bezug auf Au-pair-Mädchen, Au-pair-Personen, um es geschlechtsneutral zu formulieren, eingefordert haben, nämlich Rechtssicherheit auch für jene Au-pairs, die hier in Österreich tätig sind, wäre durchaus denkbar, jederzeit machbar. Das machen auch die großen Organisationen, die Au-pairs vermitteln.

Diese Gleichstellung, diese Sicherstellung hinsichtlich bestimmter Rechte fordern wir auch für ausländische Beschäftigte insgesamt ein, denn nur diese Sicherstellung, diese Gleichstellung ist der Garant dafür, daß auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich einigermaßen ordentliche Bedingungen herrschen, die keine billige Lohnkonkurrenz und Lohndrückerei zwischen Inländern und Ausländern entstehen lassen. Gerade das derzeitige System – und dabei haben wir noch gar nicht von jenen gesprochen, die im Untergrund arbeiten müssen – bewirkt das aber.

Kollege Koppler! Du weißt genau, wovon ich spreche, denn in einem Betrieb wie jenem, in dem du tätig bist, wird man mit den Auswirkungen dieser gegenseitigen Lohndrückerei und der Konkurrenz um den Arbeitsplatz zwischen Inländern und Ausländern in vielfältigster Weise konfrontiert. Das geht so weit, daß sich Ausländer auf dem Arbeitsplatz noch mehr anstrengen müssen, um ihren Arbeitsplatz halten zu können. Und das heißt auch, daß sie sich sozusagen "wohlverhalten" müssen, daß sie bestimmte Rechte nicht einfordern dürfen.

Damit bin ich beim nächsten Punkt. Die Haltung der österreichischen Gewerkschaften, insbesondere zur Frage des passiven Wahlrechtes für ausländische Arbeitnehmer bei Betriebsratswahlen und Arbeiterkammerwahlen halte ich für geradezu impertinent. (Beifall bei den Grünen.) Ich halte sie deshalb für impertinent, weil seit Jahren – Kollege Hums weiß das ganz


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genau – im ÖGB und auch in vielen Arbeiterkammern (Ruf bei den Freiheitlichen: Aber nicht in allen!) Beschlüsse vorliegen, die klar besagen: Wir wollen ein passives Wahlrecht auch für ausländische Kollegen. Gleichzeitig aber sagt die Regierung: Wir warten diesbezüglich auf ein positives Signal von ÖGB und AK. – Spricht man aber mit ÖGB- oder AK-Vertretern, dann heißt es: So einfach ist das nicht; es gibt zwar einen solchen Beschluß, aber wir können das trotzdem nicht so machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem aus dem gewerkschaftlichen Bereich! Mit dieser Politik ist Österreich das europäische Schlußlicht, eine Schande in bezug auf die Integration ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und zwar allein diese Frage betreffend. Es ist selbstverständlich und in jedem europäischen Land – nicht nur in EU-Ländern – üblich, daß ein Österreicher, der dort arbeitet, auch Betriebsrat werden kann.

Ich habe vor Jahren an einer Veranstaltung teilgenommen, bei der sich ein österreichischer Betriebsrat, der in Deutschland tätig war, darüber gewundert hat, daß das, was für ihn in Deutschland ganz klar und selbstverständlich ist, in Österreich noch immer nicht der Fall ist. Das ist eine Schande! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Daß Sie jetzt mit einem Entschließungsantrag, den Sie in Abwesenheit der Antragsteller im Ausschuß gebastelt haben, an die Regierung appellieren, diese Frage des passiven Wahlrechts zu prüfen, heißt, sich von hintenherum zu kratzen, aber nur ja nicht bei dem Problem, bei dem eigentlichen Thema anstreifen zu wollen.

Sie wollen diese Frage genauso bis zum Jahre 2000 hinauszögern wie die Frage der Notstandshilfe, wo uns der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verpflichtet, diese Frage zu regeln, und zwar tun Sie das mit der Begründung, daß möglicherweise auch Österreicher durch diese Regelung negativ betroffen sein könnten.

Meine Damen und Herren! Sie verkennen bei der Regelung dieser Frage, daß jetzt Zehntausende Ausländer durch diese Haltung Österreichs, durch diese Rechtswidrigkeit Österreichs in bezug auf internationale Verträge, negativ betroffen sind. Sie sagen: Die müssen eben noch ein paar Jahre warten.

Durch diese sehr vertrackte Regelung – das ist das eigentliche Problem – versuchen Sie, Ausländer auszuschließen, das aber nach außen nicht wirklich diskriminierend wirken zu lassen. Sie betreiben also damit eine versteckte Diskriminierung. Durch diese Regelung bewirken Sie allerdings, daß auch Inländer negativ tangiert werden können. Und jetzt stehen Sie vor dem Problem, wie Sie das hinkriegen sollen, und zwar so, daß möglichst kein Schaden für Inländer entsteht, aber trotzdem nicht alle Ausländer unter bestimmten anderen Annahmen zu ihrem Recht kommen.

Ich halte diese Politik des Nachgebens, des Weichwerdens, des Verweigerns von Rechten schlicht für diskriminierend, für menschenrechtsverachtend, meine Damen und Herren. Sie sollten schön langsam darangehen, auch einmal Konsequenzen in dieser Richtung zu ziehen!

An die Adresse der ÖVP nur ein Punkt: Eine Partei, die zum jetzigen Zeitpunkt fordert, daß Ehe und Familie in der Verfassung verankert werden sollen, die darüber jammert, daß die Familie in unserem Rechtssystem so wenig geachtet wird, sollte sich an der Nase nehmen, Herr Kollege Kiss, und sich die Frage stellen, ob es rechtens ist beziehungsweise ob es billig ist, bestimmte Gruppen von Familien – weil es sich um ausländische Familien handelt – von diesem hohen Rechtsgrundsatz, den Sie da in die Verfassung aufnehmen wollen, auszunehmen. (Zwischenrufe des Abg. Kiss. )

Das Recht auf Familienzusammenführung verweigern Sie nach wie vor, Herr Kollege Kiss, und mit Ihnen Ihre ganze "christliche" Österreichische Volkspartei. Sie reden zwar davon, Ehe und Familie in der Verfassung verankern zu wollen, tun aber nichts – keinen Fingernagelbreit! –, um Familienzusammenführung, die notwendig ist und die Sie menschenrechtswidrig verweigern, tatsächlich stattfinden zu lassen. Sie sollten sich schämen, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei den Grünen.)

13.16


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nunmehr die Frau Bundesministerin. – Bitte, Frau Ministerin.

13.17

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, daß jedem von Ihnen schon das eine oder andere Schicksal untergekommen ist, bei dem Sie mit nicht sehr gut erklärbaren Diskrepanzen zwischen den Aufenthaltsgesetzen, dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und auch der Anwendung dieser Gesetze konfrontiert wurden.

Ich bin davon überzeugt, daß es mit diesem, wie wir es bezeichnet haben, Integrationspaket gelingen wird, solche Fälle, wie sie angeführt wurden, in Zukunft völlig auszuschließen, zumindest aber, wie ich hoffe, auf wirklich wenige Einzelfälle zu reduzieren.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube aber, daß es in einer Gesellschaft, die sich als human, als eine solidarische versteht, andererseits auch nicht zulässig wäre, eine uneingeschränkte Rechtslage zu schaffen, nach der jeder, der in unserem Land Aufenthalt sucht und Beschäftigung haben möchte, herzlich willkommen ist. Es wäre auch nicht zulässig, zu garantieren, daß wir dies immer und unter jenen Rahmenbedingungen zu tun in der Lage sein werden, die im Sozialstaat Österreich für uns und alle, die mit uns in dieser Gesellschaft leben, gelten. Ich betrachte es daher als richtig – auch um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu gewährleisten –, durch gesetzliche Rahmenbedingungen eine gewisse Ordnung zu erreichen und auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.

Dabei ist natürlich auch die arbeitsmarktpolitische Situation sehr stark zu berücksichtigen. Wir leben – leider! – in einer Situation, in der wir nicht allen arbeitssuchenden und arbeitswilligen in- und ausländischen Kolleginnen und Kollegen jene Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten können, wie wir es uns wünschen würden. Österreich hat zwar im Vergleich zu anderen Ländern eine bessere Arbeitsmarktsituation, aber trotzdem ist aus meiner und, wie ich glaube, auch aus Ihrer Sicht die Arbeitslosigkeit in unserem Land sowohl für Ausländer als auch für Inländer nach wie vor zu hoch. Wir müssen daher alles tun, um diese Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Wir müssen aber auch dafür Sorge tragen, daß nicht durch einen unkontrollierten Neuzuzug genau das entsteht, was Herr Abgeordneter Öllinger bereits angesprochen hat, daß es nämlich zu einem neuen Lohndrücken kommt, daß ein neuer Druck auf den Arbeitsmarkt entsteht und wir dann nicht mehr in der Lage sind, unsere sozial- und arbeitsrechtlichen Standards auf jenem Niveau zu halten, das wir gemeinsam erkämpft und geschaffen haben.

Ich betrachte daher dieses Gesetzespaket als eine wichtige, gute und zukunftsorientierte Grundlage dafür, um einerseits Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar Ordnung auch in den Beziehungen innerhalb unserer Gesellschaft, und andererseits Rechtssicherheit für all jene zu haben, die sich bei uns aufhalten, sowie auch Rechtssicherheit für jene, die in Zukunft die Absicht haben, Eingang in unsere Gesellschaft zu finden, und für jene, die sich unter der Bezeichnung "Familiennachzug" daran orientieren können, unter welchen Rahmenbedingungen dies perspektivisch möglich ist.

Ich meine, es ist ganz wichtig, zu sehen, daß nicht nur im vorliegenden Gesetzespaket der – auch umsetzbare – Akzent verankert ist, daß wir Integration als zentrales politisches Ziel sehen, sondern daß wir auch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen haben beziehungsweise schaffen werden, wenn Sie diese Gesetze beschließen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Da wir im Ausschuß nicht die Gelegenheit hatten, jene Anträge, die auch Gegenstand der Beratung und Beschlußfassung waren, mit den Oppositionsparteien im Detail zu diskutieren, erlaube ich mir, hier im Plenum mit einigen Argumenten auf diese Anträge einzugehen.

Es wurde von Frau Kollegin Abgeordneter Reitsamer schon auf den Antrag 196/A der Freiheitlichen hinsichtlich der Senkung der Bundeshöchstzahl auf 6 Prozent Bezug genommen.


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Erlauben Sie mir, noch einige weitere Argumente, warum ich glaube, daß diese Umsetzung nicht akzeptabel wäre, in die Diskussion einzubringen.

Es würde dies bedeuten, daß die Verlängerung legaler Arbeitsverhältnisse von mehr als 76 000 ausländischen Arbeitskräften nicht gesichert wäre und in letzter Konsequenz auch in bestehende Beschäftigungsverhältnisse eingegriffen werden müßte. Es würde bedeuten, daß wir integrierten jugendlichen Ausländern der zweiten Generation nach dem Schulabschluß in Österreich keine Arbeitsmarktzulassung ermöglichen könnten. Es würde bedeuten, daß im öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interesse dringend erforderliche Schlüsselkräfte – hochspezialisierte Schlüsselkräfte, Manager – nicht einmal dann, wenn sie aus dem vorhandenen Arbeitskräftepotential nicht zur Verfügung gestellt werden können, bewilligt werden würden.

Die Absenkung der Bundeshöchstzahl auf 6 Prozent ohne flankierende Begleitmaßnahmen wäre auch eine derart krasse Reduktion des ausländischen Arbeitskräftepotentials, daß mittelfristig zwangsläufig eine zusätzliche Neuanwerbung erforderlich wäre, weil in manchen Bereichen – Sie kennen die Branchen – eine unverzichtbare Zusammenarbeit zwischen in- und ausländischen Arbeitskräften gegeben ist.

Ich hoffe, sehr geschätzte Damen und Herren, diese Argumente konnten Sie davon überzeugen, daß dieser Antrag nicht die Zustimmung finden sollte; er wurde auch im Ausschuß entsprechend behandelt.

Ich erlaube mir auch, auf den Entschließungsantrag 218/A des Liberalen Forums, der die Schaffung eines Teilarbeitslosengeldes behandelt, Bezug zu nehmen. Wir haben bereits im geltenden Recht des Arbeitslosenversicherungsgesetzes den Umgang mit den Zuverdiensten zum Bezug des Arbeitslosengeldes behandelt beziehungsweise sind wir dabei, Verhandlungen über diese Frage in Angriff zu nehmen. Mit den Bestimmungen soll lediglich die Anrechnung von Einkünften aus Gelegenheitsarbeiten, die neben dem Arbeitslosengeld oder der Notstandshilfe bezogen werden, in Form eines Anrechnungsmodells geregelt werden. Was fehlt, ist eine gesetzliche Regelung für den Umgang mit Einkünften aus einer durchgehenden, nicht geringfügig entlohnten Teilzeitbeschäftigung. Wir sind dabei, für diese unterschiedlichen Betroffenheiten eine Diskussionsgrundlage zu erarbeiten, um sie auch der parlamentarischen Behandlung zuzuführen.

Es ist aber in diesem Zusammenhang so – ich möchte das in der doppelten Bedeutung hier in den Raum stellen –, daß wir einerseits wissen, daß das ein Anliegen ist, daß aber auf der anderen Seite eine Reihe von Problemen und Fragen dabei gelöst werden soll und muß, Fragen wie etwa: Wie würde ein Teilarbeitslosengeld hinsichtlich der Krankenversicherung und der Pensionsversicherung zu sehen sein? Wie ist das mit der ewigen Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung aufgrund der Teilzeitbeschäftigung? Wie bemißt sich das Folgearbeitslosengeld im Anschluß an das Arbeitslosengeld bei Teilzeitbeschäftigung wegen neuer Anwartschaft? Es stellt sich auch die Frage der Zumutbarkeit einer Teilzeitbeschäftigung innerhalb der Angebote des Arbeitsmarktservice, und nicht zuletzt ist es eine zentrale Frage, wie es überhaupt mit der Verfügbarkeit von Betrieben steht, wie ein Teilarbeitslosengeld in Anspruch genommen werden beziehungsweise gelten kann.

Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, daß wir uns mit dieser Frage befassen, aber eine Fülle von doch sehr grundsätzlichen Fragen im Vorfeld geklärt werden muß, weil auch die Konsequenzen zu berücksichtigen sind.

Darüber hinaus wurde der Antrag 305/A der Freiheitlichen im Ausschuß behandelt, in dem es darum geht, die Schaffung einer ewigen Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung zu verankern. Ich darf Sie, sehr geschätzte Damen und Herren, daran erinnern, daß wir im Rahmen der Strukturanpassungsgesetze sehr bewußt Änderungen im Zusammenhang mit der Leistungserbringung im Rahmen des Arbeitslosenversicherungsrechtes durch Verstärkung des Versicherungsgedankens beschlossen haben und auch eine zeitliche Nähe zwischen Beitragsentrichtung und Inanspruchnahme der Leistung zu regeln versuchten. Ich glaube, daß diese Vorgangsweise auch gerechtfertigt ist, weil dadurch sichergestellt wird, daß Personen in den Schutz der


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Versichertengemeinschaft kommen, die zeitlich dieser jeweiligen Versichertengemeinschaft zuzuordnen sind. Es wäre aus meiner Sicht mit diesem Gedanken unverträglich, wenn Versicherungszeiten, die vor vielen, vielen Jahren, vielleicht sogar vor Jahrzehnten erworben worden sind, wieder aufleben würden, wenn wieder ein gleichwertiger Status erreicht wird, obwohl dazwischen eine ganz andere Form der Erwerbstätigkeit erfolgte.

Wir können aus diesen Gründen einer derartigen Entscheidung in der ursprünglichen Form nicht nähertreten. Trotzdem glaube ich, daß es sinnvoll wäre, Überlegungen über die Einführung einer Selbstversicherung in der Arbeitslosenversicherung für bestimmte Gruppen von Erwerbstätigen in Angriff zu nehmen, um auch für diese eine Lösung für die Zukunft zu finden. Aber ich wollte auf die gesamte Problematik verweisen, nämlich darauf, daß es nicht dem Gedanken der Solidarität entsprechen würde, wenn einer Versichertengruppe unter ganz anderen Voraussetzungen, auch hinsichtlich der Beitragsleistungen, die Möglichkeit eröffnet würde, das gleiche Leistungsangebot in Anspruch zu nehmen. Sie wissen, daß gerade im sozialpolitischen Bereich Spekulationen dazu dienen, das Vertrauen in dieses System zu schmälern, aber ich glaube, es ist unsere besondere Verantwortung, für das Vertrauen in dieses System Sorge zu tragen.

Erlauben Sie mir, noch auf die Anträge 216/A und 217/A der Grünen – Herr Abgeordneter Öllinger hat bereits darauf Bezug genommen – betreffend das passive Wahlrecht sowohl bei der Arbeiterkammerwahl als auch im Arbeitsverfassungsgesetz zu verweisen. Sie wissen – wir konnten in diesem Haus schon mehrmals über diese Frage diskutieren –, daß es auch mir ein Anliegen ist, in dieser Frage zu einem politischen Konsens zu kommen. Ich werde daher im Sinne dessen, wie auch im Ausschuß diskutiert wurde, Gespräche mit allen betroffenen Gruppen darüber aufnehmen, in welcher Form ein gesamtgesellschaftlicher, gesamtinteressenpolitischer Konsens gefunden werden kann.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf die Gelegenheit auch dazu benutzen, Ihnen eine kurze Information im Zusammenhang mit den derzeitigen Verhandlungen betreffend die Saisonarbeitskräfte im Fremdenverkehr zu geben. Wir sind seit gestern dabei, mit den betroffenen Interessenvertretern eine Einigung über eine Quotenerteilung im Rahmen der Saisonbeschäftigung zu erzielen, um dem vertretbaren Bedarf nachkommen zu können. Ich bitte aber um Verständnis dafür, daß wir, da gerade hinsichtlich der Arbeitslosigkeit im Fremdenverkehr regional unterschiedlich eine erschreckende Verschlechterung festzustellen ist, diese Entwicklung bei der entsprechenden Freigabe der Kontingente auch zu berücksichtigen haben. Ich bin allerdings überzeugt davon, daß wir mit den betroffenen Gruppen zu einem Kompromiß kommen werden. (Beifall der Abgeordneten Kiermaier und Dr. Platter. )

Ich möchte mich zum Schluß noch ganz herzlich dafür bedanken, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Innenausschuß, dem Sozialausschuß und auch den beiden Ministerien im Hintergrund bei der Gestaltung dieser Gesetze erfolgt ist. Ich glaube, es handelt sich um ein herzeigbares Paket, das wir zustande bringen konnten, und es ist eines Sozialstaates wie Österreich sehr würdig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Danke, Frau Bundesministerin.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Platter. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. – Bitte.

13.30

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn mit dem Fremdengesetz und dem Aufenthaltsgesetz Anfang der neunziger Jahre den politischen Veränderungen in Europa Rechnung getragen worden ist, so kann man zweifellos mit Fug und Recht behaupten, daß das heute zur Beschlußfassung vorliegende Paket jene Problembereiche betrifft, die wir in den letzten Jahren in der Praxis erkannt haben.

Es werden im Fremden- und Asylgesetz wirklich notwendige Veränderungen und Korrekturen durchgeführt, die aus meiner Sicht sehr begrüßenswert sind – ich denke etwa an die Ab


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stimmung des Fremdenrechtes mit dem Ausländerbeschäftigungsrecht, ich denke an die wesentliche Einschränkung des Zuzugs, womit den Interessen des Großteils unserer Bürger Rechnung getragen wird, ich denke an die Forcierung der Integration durch erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt, ich denke an die verbesserte Mitbestimmungsmöglichkeit der Länder bei der Festlegung von Jahresquoten, ich denke aber insbesondere auch an die positiven Veränderungen im Bereich des Asylgesetzes.

Die heutige Diskussion, insbesondere die verschiedenen "Wortspenden" der Oppositionsparteien, bestätigen mir eigentlich, daß wir mit dem zur Beschlußfassung vorliegenden Fremdenpaket wirklich gut liegen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Grünen argumentieren beispielsweise, daß diese Vorlagen, an denen sie ja nicht mitgearbeitet haben, unmenschlich sind. Sie argumentieren und reden sogar von rassistischen Auswirkungen. Die Freiheitlichen andererseits poltern populistisch: Wir lassen niemanden mehr herein, beziehungsweise: Ausländer raus! (Abg. Mag. Trattner: Na geh!)

Meine Damen und Herren! Beide Positionen, sowohl jene der Grünen und Liberalen als auch jene der Freiheitlichen, sind zweifellos zu extrem. Wir – das hat Abgeordneter Kiss bereits gesagt – liegen in der goldenen Mitte, und das ist gut so.

Die ÖVP hat sich im Gegensatz zu den Oppositionsparteien mit allen Vertretern der karitativen und sicherheitspolitischen Organisationen zusammengesetzt. Es gibt auf beiden Seiten Erfahrungen, die verständlich und nachvollziehbar sind, und wir haben diese Argumente auch ernst genommen. Die Gesetze sollen humanitär sein, und vor allem im Asylbereich soll so rasch wie möglich geholfen werden.

Im Asylbereich ist jeder einzelne Fall meist mit einem schweren persönlichen Schicksal verbunden. Daher ist es für die Behörde nicht immer ganz leicht, die richtige Entscheidung zu treffen. Wir müssen daher gerade im Asylbereich klare Richtlinien schaffen, um helfen zu können, aber auch, damit Mißbräuche verhindert werden. Hinsichtlich des Asylbereichs wäre es aber meiner Meinung nach auch ganz besonders wünschenwert, daß man sich europaweit mit diesem Thema auseinandersetzen würde, damit eventuell eine rechtliche Vereinheitlichung erreicht werden kann.

Nun ganz kurz zu einigen Punkten im Asylrecht, die mir besonders bedeutsam erscheinen. – Erfahrungen haben gezeigt, daß viele in Österreich um Asyl angesucht haben, obwohl für sie nach der Genfer Flüchtlingskonvention keine Aussicht auf Anerkennung bestanden hat. Daher soll an der Grenze nur dann Asyl gewährt werden, wenn der Asylwerber in einem anderen Staat vor Verfolgung nicht sicher war. Dazu gibt es eben dieses verkürzte Verfahren, das meiner Meinung nach begrüßenswert ist. Um trotz der Kürze dieses Verfahrens aber auch optimalste Beratung zu geben, wird karitativen Organisationen ausdrücklich der Zugang zur Rechtsberatung eröffnet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Kier hat behauptet, daß die Beamten dazu nicht fähig sind. Dem ist zweifellos entgegenzutreten. Es geht dabei ausschließlich um die optimalste Beratung.

Der Kritik, daß kein entsprechender Rechtsschutz gegeben ist, muß entgegnet werden, daß durch die Schaffung des unabhängigen Bundesasylsenates zweifellos ein verbesserter Rechtsschutz besteht. Von seiten des UNHCR, der Caritas und der Sicherheitsbehörden wurde dies ausdrücklich begrüßt.

Meine Damen und Herren! Eine weitere Maßnahme gegen das menschenunwürdige Schlepperunwesen haben wir uns ebenfalls zum Ziel gesetzt. Es sind nämlich nicht nur jene Menschen, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen haben, zu schützen, sondern auch jene, die Zeugen und Opfer von Menschenhandel sind.

Meine Damen und Herren! Aus diesen Ausführungen kann man vielleicht erkennen, daß wir im Ausschuß gemeinsam mit verschiedenen Experten intensiv gearbeitet und uns mit dem Integrationspaket ausführlich auseinandergesetzt haben. Die Opposition, insbesondere die Grünen,


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haben es vorgezogen, ihre Meinung über die Medien kundzutun. Ihr Verhalten, gerade bei einer so wichtigen Gesetzesmaterie nicht mitzuarbeiten, werden Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, Ihren Wählerinnen und Wählern nur sehr schwer erklären können! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koppler. )

Da gerade die Grünen heute so heftig Kritik geübt haben, erinnere ich an das Expertenhearing, bei dem sie ja nicht dabei waren, als der Abgeordnete Kiss an den Chef der UNHCR, Dr. Blatter, einige Fragen stellte. – Abgeordneter Kiss, du hast gefragt, wie es generell ausschaut, aber du hast Herrn Dr. Blatter auch gefragt, wie wir im Bereich des Asylgesetzes im internationalen Vergleich liegen. (Abg. Scheibner: Sind Sie verwandt?) Die Antwort von Dr. Blatter war, daß Österreich im internationalen Vergleich wirklich sehr gut liegt. – Das stimmt mich sehr zufrieden, daher werde ich sehr gerne beiden Gesetzen, dem Fremdengesetz und dem Asylgesetz, die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

Einen Punkt möchte ich abschließend noch anführen, der mir sehr wesentlich und von Bedeutung erscheint. Wenn wir vom Integrationspaket reden, so gehört nicht nur das Fremdenrecht und Asylrecht dazu, sondern natürlich müssen auch Kriterien zur Erlangung der Staatsbürgerschaft festgeschrieben werden. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Eine Integration kann nur dann erfolgreich sein, wenn der Ausländer, der sich um die Erlangung der Staatsbürgerschaft bewirbt, die deutsche Sprache beherrscht und sich auch mit der Kultur des Landes auseinandersetzt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß diese wichtige Gesetzesmaterie nicht im Rahmen dieses Integrationspaketes verhandelt wurde. Ich bin aber froh darüber, daß der Minister in Aussicht gestellt hat, daß wir uns darüber in der zweiten Hälfte des Jahres 1997 unterhalten werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koppler. )

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. – Bitte.

13.38

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Wort noch zu meinem Vorredner. Kollege Platter, du hast die Politik der ÖVP als den goldenen Mittelweg gerühmt. (Abg. Platter: Gute Politik!) Gute Politik, wunderbar! Das dürfte sich allerdings nicht auf Wien und nicht auf den Herrn Görg beziehen. Dort merkt man nichts von der goldenen Mitte, wenn Herr Görg sogar noch links von der SPÖ etwas verlangt, was die Genossen in Wien aus gutem Grund nicht verlangen würden, nicht einmal im Traum: nämlich die Öffnung der Gemeindebauten für ausländische Zuwanderer. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Das ist die "goldene Mitte", die ihr euch behalten werdet: Die ÖVP Wien wird immer mehr in der Versenkung verschwinden.

Meine Damen und Herren! Kollege Leikam und auch Frau Abgeordnete Reitsamer haben in ihren Redebeiträgen gemeint, daß Integration das Hauptziel der Fremdenpolitik ihrer Partei sei. Kollege Leikam hat gesagt: Integration geht vor Neuzuwanderung. – Nun, das wäre ja ein Grundsatz, dem wir hundertprozentig folgen könnten (Abg. Koppler: Du!) – wir alle, Kollege Koppler –, wenn er von Ihnen auch konsequent eigehalten würde, wenn es heißen würde: Für uns ist Integration das Hauptziel in der Fremdenpolitik. Ja, aber wenn man integrieren will, Kollege Koppler, dann müssen auch die Parameter für die Integration stimmen. Wie schauen diese aus? – Integration bedeutet fixer Arbeitsplatz, bedeutet fixer Wohnplatz, bedeutet Schulplätze für die Jugend.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie müssen doch zugeben, daß das zumindest hier in Wien seit langem – aber wirklich seit langem! – nicht mehr gegeben ist. Hier in Wien haben Sie durch die ungebremste Zuwanderung in den letzten zehn Jahren eine Situation geschaffen, in der Integration in Wahrheit nicht mehr möglich ist.

Ich frage Sie: Wenn Sie sagen, Integration geht vor Zuwanderung, warum beschließen Sie dann heute noch ein Gesetz, in dem wieder Zuwanderungsquoten verankert werden, wo schon wieder


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Bevölkerungsgruppen, etwa die Studenten, aus der Quote ausgenommen werden, und in dem Sie einer Familienzusammenführung das Wort reden, obwohl wir wissen – und auch der Herr Minister hat das zugegeben –, daß 100 000 weitere Familienangehörige darauf warten, nach Österreich kommen zu können?

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn das Ihr Grundsatz ist, dann können Sie doch einem derartigen Gesetz nicht Ihre Zustimmung geben, sondern dann müßten Sie gemeinsam mit uns die Linie verfolgen, einen Zuwanderungsstopp zu verfügen, bis diese Parameter der Integration wieder eingehalten sind, bis wieder genug Arbeitsplätze vorhanden sind (Beifall bei den Freiheitlichen), bis die Wohnungsnot vor allem in Wien bekämpft ist und bis wir auch in der Schulsituation eine Verbesserung haben.

Denn das kann doch mit Integration nicht gemeint sein, daß wir schon die Österreicher bei den Zuwanderern integrieren müssen, wenn wir etwa im 15. Bezirk Schulklassen mit 70, 80 und mehr Prozent Ausländeranteil haben.

Weiters wird in diesem Gesetz die Aufenthaltsverfestigung geregelt. Wenn jemand etwa kriminell wird und sich schon eine gewisse Anzahl von Jahren in Österreich befindet, dann kann er nicht mehr abgeschoben werden. Meine Damen und Herren! Die Wünsche der Bevölkerung an uns lauten doch ganz anders. Kein Mensch sagt: Ausländer raus!, niemand sagt das, auch nicht in der Bevölkerung, aber die Leute verlangen von uns als politische Repräsentanten, daß wir für geordnete Zustände sorgen. Und die Frage der illegalen und auch der kriminellen Ausländer ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Problem. Die Probleme machen nicht die integrierten Gastarbeiter, das wissen wir alle ganz genau, im Gegenteil, die leiden auch unter einer derartigen Politik, mit der eben die Mißstände in diesem Bereich nicht beseitigt werden. Und mit der in diesem Gesetz verankerten Aufenthaltsverfestigung werden diese Mißstände noch zementiert anstatt beseitigt.

Noch ein Beispiel aus meinem Bezirk, damit man sieht, welche Probleme es in Wien diesbezüglich gibt: Der 15. Bezirk hatte vor 30 Jahren 100 000 Einwohner und einen Ausländeranteil von 1 Prozent. Heute hat er etwas mehr als 60 000 Einwohner, und der Ausländeranteil beträgt 40 Prozent. Was sich hier innerhalb von 30 Jahren bewegt hat, allein an Bevölkerungsgruppen innerhalb Wiens, was sich hier an Infrastruktur verschlechtert hat, das ist unglaublich.

Ich habe vor kurzem in einem Antrag in der Bezirksvertretung im 15. Bezirk gelesen, man müsse etwas gegen die Slum-Bildung in der Gürtelregion machen. Meine Damen und Herren! Als die Freiheitlichen noch vor wenigen Jahren vor so einer Entwicklung gewarnt haben, sind wir noch beschimpft worden als die großen Skandalisierer, als die Populisten. Heute, wo es zu spät ist, kommen Sie daher und versuchen, etwas zu reparieren, was Sie kaputtgemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Gebiet Wiens mit vielen Zehntausenden Einwohnern haben Sie kaputtgemacht. Heute versuchen Sie, etwas zu reparieren, was nicht mehr zu reparieren ist. Wenn Sie unserer Politik vor fünf, vor zehn Jahren gefolgt wären, als wir gesagt haben: Aufnahme von Ausländern nur insoweit, als sie wirklich integrierbar sind!, dann hätten wir heute diese Probleme nicht.

Ein Letztes zur Frage der Asylpolitik: Es wurde heute eigentlich noch wenig auf die Problematik der bosnischen Flüchtlinge eingegangen. Es wird immer gesagt, grundsätzlich sollten sie schon zurückkehren, aber sie haben sich integriert, haben Arbeit und wollen nicht mehr zurück.

Ich gebe Ihnen eines zu bedenken, meine Damen und Herren: Wir alle waren uns hier einig – nicht nur wir im Parlament, sondern auch breite Schichten der Bevölkerung –, daß man geschundenen, verfolgten Menschen Hilfe leisten muß – nicht soll, sondern muß. So war das nicht nur 1956 bei der Ungarn-Krise, sondern auch 1968 bei der Krise in der Tschechoslowakei und selbstverständlich auch in den neunziger Jahren, als in unserer unmittelbaren Nachbarschaft Menschen an Leib und Leben verfolgt worden sind. Und wir alle haben zugestimmt, daß wir Österreicher die Verpflichtung haben, Flüchtlinge aufzunehmen. Aber die Bedingung – und auch hierüber waren wir uns einig – war, daß diese Menschen, die wir aufgenommen haben, dann, wenn sich die Zustände in ihrer Heimat bessern, wieder zurückkehren müssen.


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Jetzt plötzlich höre ich davon nichts mehr, jetzt plötzlich heißt es: Die sind hier integriert, die müssen auch hier bleiben, und wenn sie nicht zurückwollen, dann sollen sie hier ihren Aufenthalt haben. – Was wird denn das für künftige Krisen bedeuten, meine Damen und Herren? Haben Sie sich das schon einmal überlegt? Wird denn die Bevölkerung nicht glauben, daß hier ihr Vertrauen, das sie in die politischen Repräsentanten gesetzt hatte, mißbraucht wurde? Werden die Österreicher – besonders jene Menschen, die in Bezirken wohnen, in denen es einen Ausländeranteil von 30, 40 Prozent gibt – dann in Zukunft nicht sagen: Das war das letzte Mal, daß wir uns hinters Licht haben führen lassen, in Zukunft werden wir einer Aufnahme von politisch Verfolgten nicht mehr zustimmen!?

Das ist die Gefahr, die ich hinter einer derartigen Politik, einer versteckten Zuwanderungspolitik über das Asylverfahren sehe: daß wir auf der einen Seite unkontrollierte Zustände durch diesen ungebremsten Ausländerzuzug bekommen und auf der anderen Seite das Verständnis der Bevölkerung dafür verlieren, dann, wenn es notwendig ist, den wirklich Bedrängten Hilfe zu leisten. Auch das sollten Sie, vor allem Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, da Ihnen diese Fragen immer ein Anliegen gewesen sind, bei der Beschlußfassung dieses Gesetzes mit berücksichtigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.45

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Geschäftsordnungsgemäß habe ich folgende Mitteilung zu machen: Es haben die Abgeordneten Anschober und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, und zwar zur Untersuchung der Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I, Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere, ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani Sadr behauptet –, erteilt wurden.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung gleichfalls nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Gaál. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.46

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! – Kollege Scheibner! Da von Ihnen gefordert worden ist, wir sollten der Politik der FPÖ folgen, muß ich sagen: Insbesondere was die Ausländerpolitik angeht, können wir nicht mit der FPÖ gehen, das ist ganz einfach nicht möglich, denn ihr habt euch mit dem Anti-Ausländer-Volksbegehren selbst aus dem Rennen genommen. (Abg. Scheibner: Ihr habt gesagt, die Forderungen sind alle erfüllt! – Abg. Mag. Schweitzer: Das habt ihr alles gemacht!)

Ihr habt den demokratiepolitischen Grundkonsens verlassen. Und wenn man sich das Anti-Ausländer-Volksbegehren noch einmal in Erinnerung ruft, dann kann man nur sagen – auch aus der Erfahrung in meinem Bezirk, in dem 30 000 Ausländer zu Hause sind –: Diese Politik, die ihr in dieser Causa verfolgt – das muß ich hier wirklich in aller Deutlichkeit sagen –, trägt den Keim der Gewalt in sich, denn Ausländerhaß und Fremdenfeindlichkeit wurden sehr stark geschürt. (Heftiger Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Daher ist es unmöglich, hier mit euch gemeinsam zu gehen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Liebe Freunde! Die wichtigsten Prinzipien in diesem Integrationspaket waren und sind für uns: Fairneß, Menschlichkeit und Klarheit. Das ist eine auf die vorhandenen Probleme abgestellte Gesetzesmaterie. Wir waren uns auch schon in der Diskussionsphase dessen bewußt, daß es sich um sehr sensible Themen handelt, die mit viel Augenmaß zu behandeln sind. Es hat zu diesem Gesetz – es wurde heute schon erwähnt – ein sehr ausführliches Begutachtungsverfahren gegeben, mit umfassenden Stellungnahmen und Änderungsvorschlägen. Und viele dieser Anregungen haben Eingang in die Regierungsvorlage gefunden, und das Ergebnis ist herzeigbar.

Im europaweiten Vergleich gesehen, meine Damen und Herren, haben wir die wohl liberalste Antwort geliefert, die in diesem Bereich möglich ist, sowohl was die Theorie als auch die Praxis angeht.

Wir haben es uns in den Beratungen wahrlich nicht leicht gemacht, und wir haben nicht gesagt, Grenzen zu, sondern sind dafür eingetreten, daß Österreich weiterhin seinem Ruf als Asylland gerecht wird, und wir sind auch dafür eingetreten, die Bürger aus den ärmeren Ländern an unserem Wohlstand teilhaben zu lassen, aber eben nicht in unkontrollierter, sondern in gesetzlich geregelter Weise. Diesen Weg werden wir weitergehen, und diese Einstellung hat wahrlich nichts damit zu tun, daß wir den Ausländern gegenüber negativ eingestellt wären, sondern wir können uns in diesem Bereich ein sinnvolles Miteinander vorstellen. Daher muß ich auch die Kritik der Grünen am Integrationspaket entschieden zurückweisen, denn dieses Paket ist getragen vom Gedanken der Integration und vom Gedanken einer humanen Asylpolitik, was sich in jedem einzelnen Paragraphen dieses Gesetzes manifestiert.

Auch im Expertenhearing haben alle Sachverständigen von Verbesserungen und von einem großen Fortschritt in der Integrationspolitik gesprochen. Daher geht der Vorwurf, daß die Integrationsmöglichkeiten nicht verbessert wurden, wieder einmal völlig ins Leere, wie die §§ 34 und 35 zeigen, die die Ausweisung und die Aufenthaltsverfestigung regeln. In diesen ist festgeschrieben, daß ausländische Mitbürger bei Mittellosigkeit nach achtjährigem legalen Aufenthalt ihre Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlieren und daß nach zehn Jahren legalem Aufenthalt Ausweisungen nur mehr bei schwerer Kriminalität vorgenommen werden. Diese Aufenthaltsverfestigung hat es bisher nicht gegeben.

Und auch die Drittstaatbestimmung ist zukunftsweisend. So wird künftig genau geprüft, ob ein Flüchtling im Drittstaat Anerkennung als Flüchtling findet und nach der Genfer Flüchtlingskonvention behandelt wird, sodaß ihm keine Ausweisung oder Zurückschiebung in sein Heimatland droht.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Weg, den wir in der Fremden- und Ausländerpolitik weitergehen werden. Es ist auch richtig, daß die zweite Generation weitestgehende Gleichstellung mit inländischen Bürgern erfährt. Und auch beim Familiennachzug gibt es gewisse Erleichterungen.

Nur jene, die unrechtmäßig bei uns leben, werden Österreich auch künftig verlassen müssen. Aber es gilt der Grundsatz: Integration geht vor Neuzuwanderung. Das heißt, daß die in Österreich lebenden Ausländer besser integriert werden müssen. Wir bleiben, was die Zuwanderung betrifft, bei diesem sehr restriktiven Kurs. Daher wird es nur eine begrenzte Zuwanderung von Arbeitskräften geben, weil wir zuerst die im Land lebenden Menschen mit Arbeit versorgen wollen, bevor wir erlauben, daß weitere Menschen in unser Land geholt werden. Uns geht es, wie gesagt, um die verstärkte Integration jener, die schon lange hier leben und arbeiten.

Meine Damen und Herren! Wir – und mit "wir" meine ich auch die Kollegen von der ÖVP – haben an einer konstruktiven Lösung gearbeitet, an einer Lösung, die unserer humanistischen und demokratischen Tradition entspricht, und ein Integrationspaket mit einer Vielzahl von Veränderungen und Verbesserungen geschnürt, ohne die österreichische Bevölkerung zu überfordern, und diesen Weg gehen wir weiter. Wir brauchen Problemlöser und keine Besserwisser, wir brauchen eine Koalition der Vernunft – und beides ist vorhanden.


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Wir haben bewiesen, daß wir in diesem sensiblen Bereich, wie die Ausländerpolitik eben einer ist, sehr verantwortungsbewußte Politik machen, und wir werden – damit meine ich die Bundesregierung und die Mehrheitsfraktionen in diesem Haus – auch in Zukunft die erste Adresse in Sachen Problemlösungskompetenz sein. (Beifall bei der SPÖ.)

13.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Zweite Wortmeldung, 6 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.53

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe bewußt den Weg einer zweiten Wortmeldung gewählt, um mich mit den Aspekten, die hier unter einem verhandelt werden, getrennt befassen zu können. Ich möchte aber trotzdem die Gelegenheit dazu nützen, auch zu den Ausführungen des Herrn Bundesministers Schlögl noch ein paar Bemerkungen zu machen.

Die drei Ziele, die er genannt hat – erstens: Integration für hier Lebende, zweitens: humanere und praxisorientiertere Asylpolitik, und drittens: Neuzuzug in geringem Ausmaß –, wären schon richtig. Nur das, was Sie hier vorlegen, ist nicht zur Zielerreichung geeignet, in der Frage der Integration nicht und in der Frage des humanen Asylrechtes nicht – bestenfalls vielleicht in der Frage des geringeren Neuzuzugs, da allerdings auch ohne Augenmaß, bürokratisch und vordergründig.

In diesem Zusammenhang bringe ich daher namens meiner Fraktion folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Klara Motter, Maria Schaffenrath und PartnerInnen betreffend Schaffung eines Kontingents für Au-pairs aus Ländern, die nicht dem EWR angehören

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Bereich des Fremden- und Ausländerbeschäftigungsgesetzes Vorlagen auszuarbeiten, die Au-pairs unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit einen eigenen, spezifischen Rechtsstatus einräumen. Um Mißbrauch zu vermeiden, sollen Au-pairs nur von anerkannten Organisationen vermittelt werden dürfen. Weiters soll eine eigene Quote geschaffen werden, die eine jährliche Höchstzahl für Au-pair-Bewilligungen festsetzt. Für jene AntragstellerInnen, die an einer Bewilligung aufgrund der bereits erfüllten Jahresquote scheitern, soll im Bescheid ein Rechtsanspruch für die Bewilligung zu einem späteren Zeitpunkt (Folgejahr) vorgesehen werden."

*****

Sie sehen, daß wir uns durchaus konstruktiv im Sinne Ihres Zielpunktes 3 den Kopf zerbrechen und keineswegs den Grundsatz der offenen Grenzen vertreten, sondern vielmehr den Grundsatz der geordneten Abläufe.

Wenn ich mich jetzt aber endgültig der Frau Bundesministerin zuwende, dann mache ich am Übergang vom Kollegen Schlögl zu Ihnen, Frau Bundesministerin, vielleicht noch eine Bemerkung: Wir haben nie gesagt, das Gesetz ist verschlechtert worden. Wir haben nur gesagt, es ist nicht wirklich verbessert worden, denn schlechter, als es jetzt ist, könnte es kaum noch werden. Das sieht man daran, daß wir 20 000 Fälle beim Verwaltungsgerichtshof anhängig haben. Wenn ein Gesetz gut ist, dann ist das üblicherweise nicht der Fall.

Bundesminister Schlögl hat gemeint, er könne das integrationsmäßig nicht alles machen, er hat das in Wirklichkeit an Sie adressiert, denn die Frage des passiven Wahlrechtes im Sinne der Anträge des Kollegen Öllinger wäre natürlich ein Element eines echten Integrationspaketes


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gewesen. Auch bei der Frage der Notstandshilfe hätte es die Chance gegeben, zu zeigen, daß das Integrationspaket wirklich einen echten integrativen Anspruch erhebt.

Das, was Sie jetzt hier machen – es ist bloß eine Reparatur, die aufgrund eines immerhin höchstgerichtlichen Erkenntnisses notwendig wurde –, mit einem Inkrafttretenszeitpunkt im Jahr 2000 und mit einer Regelung, daß eine achtjährige Beschäftigung innerhalb der letzten zehn Jahre vorliegen muß, ist genau dieselbe Philosophie, die es ermöglicht, Leute abzuschieben, wenn sie ein Jahr arbeitslos und weniger als acht Jahre anwesend waren. Das heißt mit anderen Worten: Auch die Notstandshilfe ist von Ihnen so geregelt worden, damit diese Leute leichter abgeschoben werden können.

Das ist nicht gut und schon gar nicht integrativ. Ich meine, das mußte erwähnt werden, denn auch dann, wenn mehr als ein Bundesminister für eine Materie zuständig ist, sollte es innerhalb einer Bundesregierung möglich sein, zu einem echten Gesamtpaket zu kommen.

Der letzte Aspekt – und das ist der eigentliche Grund, warum ich meine Ausführungen in zwei Teile zerlegt habe – ist der Aspekt der Teilarbeitslosigkeit. Ich habe mit Freude festgestellt, daß Sie dieses Anliegen grundsätzlich als konstruktiv empfinden. Ich kann Sie beruhigen, wir werden selbstverständlich einen weiterentwickelten, verbesserten, ähnlichen Antrag mit derselben Zielrichtung wieder einbringen. Ich biete Ihnen dazu auch unsere Unterlagen an. Wir haben ausführliches Material, wir haben ganze Stöße von Unterlagen darüber. Wir haben das Problem analysiert. Wir haben es auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen in befreundeten Fraktionen im Ausland diskutiert. Wir stellen Ihnen das alles gerne zur Verfügung. Ich glaube, nur dann, wenn wir ein elastisches System finden, in dem eben Teilarbeit und Teilarbeitslosigkeit sich ergänzen können, können wir dieses Feld entkrampfen.

Ich würde mich freuen, wenn unser nächster Antrag, den wir schon heute oder spätestens morgen wieder einbringen werden, dann einer gründlichen Vorberatung unterzogen würde. Und ich biete Ihnen, Frau Bundesministerin, und Ihrem Haus auch das Gespräch an. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Puttinger vor. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.58

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Drei kurze Vorbemerkungen, die erste an Herrn Abgeordneten Moser: Für einen so erfahrenen Abgeordneten dürfte es eigentlich nicht so überraschend sein, daß es dann, wenn man Erfahrungswerte gesammelt hat, zu einer Novellierung eines Gesetzes kommt. Für mich war diese Äußerung schon sehr erstaunlich.

Ganz kurz zu den Aussagen des Herrn Kollegen Öllinger: Ich möchte hier im Namen der ÖVP eindeutig feststellen, daß wir uns zur Familie bekennen und daß wir selbstverständlich versuchen werden, den Familienbegriff verfassungsmäßig zu definieren. Kollege Öllinger müßte, wenn er sich ein bißchen damit beschäftigt hätte, auch wissen, daß von uns bei der Familienzusammenführung immer die Regulative der Menschenrechtskonvention eingehalten worden sind und werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Ganz kurz die dritte Bemerkung an die "F" – es ist also ganz gleichmäßig verteilt –: Selbstverständlich nehmen wir den Parlamentarismus ernst, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren der "F", das bedeutet ja nicht gleichzeitig, daß wir alle Parlamentarier ernst nehmen müssen. Es gibt Ausnahmen, die ich nicht unbedingt so ernst nehme. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kiss: Wen meinst du denn?)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heute zu beschließende Fremdengesetz, das Asylgesetz sowie das Ausländerbeschäftigungsgesetz wurden von meinen Vorrednern bereits unter mehreren Gesichtspunkten betrachtet. Gestatten Sie mir als Unternehmer einige Positionen der Wirtschaft dazu auszuleuchten.

Die vorliegende, als "Integrationspaket" bezeichnete Materie bringt eine relative günstige Annäherung zwischen den oben erwähnten Gesetzen mit sich. Wenigstens in einigen Bereichen – leider nicht in allen, wie ich es mir gewünscht hätte – wurde dem Grundsatz Rechnung getragen, daß derjenige, der aufenthaltsberechtigt ist, auch arbeiten darf. Ich denke dabei an die Regelung, daß ein Ausländer, der acht Jahre oder länger in Österreich ist, begünstigt wird, oder an die Regelung, daß jemand, der drei Jahre hier ist, begünstigt wird, wenn er für eine Familie zu sorgen hat.

Für die Wirtschaft ist bedeutsam, daß die Bestimmungen bezüglich des Saisonniers aus dem bisher geltenden Aufenthaltsgesetz unter dem Titel "Aufenthaltserlaubnis für Saisonarbeitskräfte" in das neue Fremdengesetz übernommen worden sind. Weiters ist von Bedeutung, daß der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Saisonarbeitskräfte nun auch nach deren Einreise gestellt werden kann, wenn die Fremden zur sichtvermerkfreien Einreise berechtigt gewesen sind.

Zusätzlich zu der weiterhin geltenden Möglichkeit für Saisonniers, im Rahmen des Kontingents sechs Monate Beschäftigung zu finden, gibt es auch die Möglichkeit zu einer einen Monat dauernden Beschäftigung, für die es nur einer einfachen Bestätigung im Reisedokument bedarf. Das ist, wie ich glaube, ein wesentlicher Fortschritt. Jedenfalls ist es für uns aus der Wirtschaft – wie von anderen bereits festgestellt wurde – wichtig, daß im Falle der Saisonniers auf die regionalen und qualitativen Notwendigkeiten Rücksicht genommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Für Führungs- und Spezialkräfte wird ein erleichterter Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt geschaffen, da sie unter die Regelung für betriebsentsandte Ausländer fallen und mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen aufenthaltsrechtlich erleichterten Zugang erhalten. Auch deren Ehegatten und minderjährige, unverheiratete Kinder sollen die Niederlassungsbewilligung erhalten. Ebenso wie die Betriebsentsandten erhalten Volontäre einen aufenthaltsrechtlich erleichterten Zugang. – Damit hat sich, wie ich glaube, der Einsatz der ÖVP gelohnt: Eine für den Wirtschaftsstandort Österreich nachteilige Rechtssituation ist endlich beseitigt worden. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Berechnungsgrundlagen der Bundeshöchstzahl haben ja in der Vergangenheit bei Verfahren am Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof immer wieder Kritik hervorgerufen, weil sie aus den relevanten gesetzlichen Bestimmungen nicht klar vollziehbar und nicht nachvollziehbar gewesen sind. Ich begrüße ausdrücklich die nun geschaffenen klaren Anrechnungsmodalitäten für die Berechnung des Ausschöpfungs- und Überziehungsgrades der Bundeshöchstzahl. Damit wird endlich Rechtssicherheit geschaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind allerdings auch Wermutstropfen festzustellen. Ich denke dabei zum Beispiel an Personen, die eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthalt besitzen und, wenn sie im ersten Jahr vier Monate lang nicht arbeiten, ausgewiesen werden müssen. Ich denke dabei auch an Personen, die, wenn sie zwischen dem zweiten und achten Jahr ihres Aufenthaltes ein Jahr lang keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgewiesen werden können. Ich denke dabei überdies – das ist ein sehr wichtiger Punkt – an die Ausdehnung der Vierwochenfrist auf sechs Wochen, die dem Arbeitsmarktservice eingeräumt werden, um eine Entscheidung über eine beantragte Beschäftigungsbewilligung oder Sicherungsbescheinigung zu treffen. Das kann in einer Zeit der Flexibilisierung und Globalisierung nicht der richtige Weg sein! Stellen Sie sich vor, Sie wollen jemanden einstellen und müssen sechs Wochen warten; danach kommt es möglicherweise zu einer Berufung, und es dauert weitere sechs Wochen. Danach ist die Saison vorbei, und statt ein Geschäft zu machen, haben Sie das Nachsehen.


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An dieser Stelle wollte ich eigentlich die Frau Ministerin auffordern, das Saisonniermodell für ganz Österreich freizugeben. Ich brauche ihr jetzt aber nur dafür zu danken, daß sie das von sich aus tun wird. Es war unverträglich, daß eine Saisonniersverordnung, die in Wien trotz einer schlechteren Situation auf dem Arbeitsmarkt erlassen wurde, in den anderen Bundesländern Österreichs nicht gegolten hat. Ich hoffe, daß das innerhalb der nächsten ein bis zwei Tage positiv geregelt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heute zu beschließende neue Fremden-, Asyl- und Ausländerbeschäftigungsgesetz ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Diese Gesetze tragen wesentlich zur Rechtssicherheit der Österreicher, aber auch zur Rechtssicherheit der Ausländer bei. Sie werden, wie ich hoffe, in vielen Bereichen unserer Wirtschaft positive Auswirkungen haben und bieten gleichzeitig in vielen Bereichen humanitäre Lösungen an.

Hohes Haus! Deshalb bitte ich Sie, und zwar alle Fraktionen, diesen Gesetzen in ihrer Gesamtheit die Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.05

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kiss hat gesagt, Sie hätten sich im Ausschuß sehr seriös und sehr umfangreich mit der Materie befaßt und darüber diskutiert. Aber eines haben Sie im Ausschuß nicht diskutiert – Sie haben es mit keinem Wort erwähnt, und es findet auch in dem ganzen Integrationspaket keinen Niederschlag –: das Thema Frauen. Es geht um Frauen auf der Flucht, sowohl um die Situation der Frauen im Asylgesetz als auch um die Benachteiligung der Frauen, was das Fremdengesetz betrifft. (Abg. Kiss: Nein, Frau Kollegin, das stimmt nicht! Sie waren nicht dabei! Wir haben darüber geredet!) Wir waren nicht dabei, aber Sie wissen, daß unsere Mitarbeiter an den Ausschußsitzungen teilgenommen haben, und wir wissen daher ganz genau, worüber Sie diskutiert und was Sie gesagt haben. (Abg. Kiss: Ihre Mitarbeiter sind im Stundentakt hinausgegangen, während wir permanent drinnen gesessen sind!)

Sie haben mit keinem Wort die Situation der Frauen erwähnt, obwohl sie 80 Prozent der Flüchtlinge ausmachen. 80 Prozent der Flüchtlinge sind Frauen, und Frauen und Kinder sind auch in diesem Bereich die am meisten Betroffenen. Es geht darum, sich noch einmal anzuschauen, in welchen Bereichen und aus welchen Gründen Frauen verfolgt werden und was dieses Integrationspaket und das Asylgesetz in dieser Hinsicht vorsehen. Unserer Meinung nach ist kaum etwas vorgesehen, was dieser Tatsache Rechnung trägt. Ich möchte Ihnen das deswegen noch einmal in Erinnerung rufen und stellenweise zitieren, weil die Bescheide der Asylbehörden genau diesem Umstand nicht nur in keiner Weise Rechnung tragen, sondern geradezu die Situationen, die Frauen auf der Flucht ertragen müssen, sozusagen verspotten.

Frauen haben Verfolgungen in Kauf zu nehmen, weil sie Normen überschreiten, die speziell für Frauen geschaffen worden sind. Sie werden verfolgt, weil ihre Männer, ihre Brüder oder ihre Väter politisch verfolgt werden. Frauen werden gezielt gefoltert, um Geständnisse zu erpressen, die dazu dienen, Verurteilungen herbeizuführen oder politische Verfolgungen und Folterungen fortsetzen zu können.

Frauen werden aber auch in der Haft und auf der Flucht weiter verfolgt und ausgegrenzt. Sie werden sehr oft vergewaltigt. Oft sind sie hilflos Mechanismen ausgeliefert, die vorgeblich dem Schutz von Frauen dienen, sie aber eigentlich nur ausbeuten. Schließlich ist auf diejenigen Frauen aufmerksam zu machen, deren Motiv für die Flucht genitale Verstümmelungen sind. Das kommt in so hohem Ausmaß vor, daß dieser Umstand in einem Gesetz auch hinreichende Beachtung finden müßte. Aber das ist nicht zur Sprache gekommen und hat keinen Niederschlag gefunden.


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Da der Mißbrauch von Frauen und Kindern ein so großes Ausmaß erreicht hat, sollte er unserer Meinung nach als Asylgrund festgeschrieben werden. Dies ist auch Gegenstand des Abänderungsantrages, den wir eingebracht haben und den Kollegin Stoisits bereits in ihren Ausführungen angeführt hat. Dieser Abänderungsantrag bringt klar zum Ausdruck, daß in § 6a eingeschoben werden sollte, daß es Asylgründe gibt, die offensichtlich begründet sind und die genau die Bereiche betreffen, in denen Frauen in diesem Maße verfolgt sind und die bisher keine Berücksichtigung gefunden haben.

Um das zu untermauern, möchte ich Ihnen zwei aktuelle Beispiele in Erinnerung rufen, die Sie vermutlich alle zu Gesicht bekommen haben, weil es sich um eine Aussendung von Amnesty International handelt. Es sind dies zwei von vielen Beispielen für Bescheide, mit denen das Asyl verwehrt worden ist und die haarsträubend sind. Diese Bescheide zeigen auf, warum die Beachtung des genannten Tatbestandes so wichtig ist und einer besonderen Behandlung bedarf.

Es geht wieder einmal um die Situation in Afghanistan und um Asylanträge von Asylwerberinnen aus Afghanistan. Im einen Fall wurde einer Frau, die um Asyl angesucht hatte, weil sie in Afghanistan als Frau verfolgt wird, geantwortet, daß es zwar möglich sei, daß es zu Härtefällen komme, doch dabei nicht übersehen werden dürfe, daß ein erheblicher Teil der Weltbevölkerung nach islamischen Verhaltensmustern lebe und diese auch in Afghanistan in der Vergangenheit lange vorgeherrscht hätten. Weiters wird ausgeführt, daß es infolge des Regimewechsels in Afghanistan nunmehr zu entsprechenden Verhaltensmustern gekommen sei und daher dieser Fall von Verfolgung nicht aus den in der Konvention genannten Gründen abgeleitet werden könne. Die Frau möge sich an diese Regeln halten, dann werde sie auch nicht weiter verfolgt werden. Wortwörtlich heißt es: Halten sich Frauen an diese Vorgaben, sind sie jedenfalls keinen Gefahren ausgesetzt, die über das Maß der Gefährdung hinausgehen, denen Frauen in Afghanistan im allgemeinen ausgesetzt sind. Sehr zynisch wird damit gesagt: Ordnet euch diesen Kleidervorschriften unter, dann wird schon nichts passieren und gibt es keine persönliche Verfolgung.

Aber es geht dabei nicht nur um Kleidervorschriften, sondern es geht, wie wir wissen, gezielt um die Verfolgung von Frauen, die im Beruf gestanden und gezwungen sind, ihre Familien zu erhalten. Denn man muß die Situation in Afghanistan berücksichtigen: Sehr viele Männer wurden getötet oder sind gefallen, wurden verschleppt oder werden vermißt, und die Frauen müssen die Familien erhalten; sie können das aber in der gegenwärtigen politischen Situation nicht tun. Ich erachte es als völlig zynisch, in einen Asylbescheid hineinzuschreiben, daß die Frau sich an die Kleiderordnung halten möge und ihr dann schon nichts passieren werde, und den komplexen und sehr bedeutsamen politischen Zusammenhang völlig außer acht zu lassen. Vielleicht sollte man den Behörden im Innenministerium empfehlen, die aktuelle außenpolitische Berichterstattung in den Tageszeitungen genauer zu verfolgen.

Der zweite dokumentierte Fall entspricht jener Art von Fällen, die ich zuerst aufgezeigt habe: daß Frauen verfolgt werden, weil ihre Ehemänner politisch verfolgt werden. Wenn eine solche Frau in Österreich um Asyl ansucht und dies damit begründet, daß der Ehemann politisch verfolgt und verschleppt worden ist und seit drei Monaten vermißt wird, bekommt sie zur Antwort: Es bestehe kein Anlaß, daß sie verfolgt werde, da es um ihren Mann und nicht um sie gehe.

Auch dabei wird völlig außer acht gelassen, daß es gerade in autoritären Regimes nicht nur üblich, sondern geradezu an der Tagesordnung ist, daß Ehefrauen von verfolgten Männern ebenso verfolgt werden und Mißhandlungen erdulden müssen. Das allein müßte unserer Meinung nach ein Asylgrund sein, neben allen anderen Gründen, die wir angeführt haben. Vor einer Änderung der Gesetze, die Sie heute beschließen werden, wäre meiner Meinung nach insbesondere diese Thematik vorrangig zu beachten gewesen, da 80 Prozent der Flüchtlinge Frauen sind.

Aber auch im zukünftig geltenden Fremdengesetz haben Sie die Situation der Frauen verschlechtert und nicht verbessert. Sie haben sie verschlechtert, weil Sie die Situation, was das


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gesamte familiäre Umfeld betrifft, in vielen Bereichen derart rigid gestaltet haben, daß es wieder die Frauen sein werden, die das auszutragen und die Folgen massiv zu spüren haben werden. Wir haben auch dazu einen Abänderungsantrag eingebracht, auf den meine Kollegin bereits eingegangen ist. Ich möchte daraus nur diejenigen Punkte noch einmal zitieren, die konkret auf die Probleme von Frauen abzielen.

Dabei geht es zunächst um die Frist von vier Jahren, innerhalb derer bei Tod des Ehemannes oder bei Scheidung die Aufenthaltsmöglichkeit verlorengehen kann. Dabei wird die spezielle Situation, die Frauen erdulden müssen, überhaupt nicht berücksichtigt: daß die Frauen nach dem Tod des Ehemannes oder nach der Scheidung die Verantwortung tragen, eine Familie zu erhalten. Statt in dieser Lage unterstützt zu werden, verlieren sie ihre Aufenthaltsgenehmigung und können ausgewiesen werden.

Weiters gibt es keine Möglichkeit der Zweckänderung in einem Zeitraum von bis zu acht Jahren. Wenn Frauen, die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Österreich gekommen sind, sich nach vier oder fünf Jahren – wenn die Kinder groß sind – eine Arbeit suchen wollen, können sie das nicht tun, weil es die Möglichkeit der Zweckänderung des Aufenthaltes nicht gibt. Auch daß im Fall von Arbeitslosigkeit innerhalb der ersten acht Jahre die Aufenthaltsmöglichkeit verlorengehen kann, trifft wiederum Frauen, insbesondere im Zusammenhang mit der Familiensituation.

In dem Gesetzentwurf haben Sie die ortsübliche Unterkunft als Versorgungsgrund festgeschrieben. Ich frage mich, was die "ortsübliche Unterkunft" ist und wie sie aussieht. Wir könnten hier lange über die österreichische Situation hinsichtlich der ortsüblichen Unterkünfte reden, und es wäre die Frage, welche Art von ortsüblicher Unterkunft Sie zum Maßstab für ausländische Familien nehmen wollen, ohne die familiäre Situation sowie die Lasten und Pflichten, die von Frauen zu tragen und auszuhalten sind, zu berücksichtigen.

Schließlich komme ich zu dem Punkt, der für mich einer der entlarvendsten ist, was die Haltung der ÖVP betrifft: dem Punkt der Familienzusammenführung. Wenn Sie die Bestimmungen über die Familienzusammenführung verschärfen und in Zukunft keine Zusammenführung mehr gestatten wollen, sofern die Kinder älter als 14 Jahre sind, empfinde ich das als Heuchelei einer Partei, die nicht nur noch immer das Wort "christlich" auf irgendeine Weise mit sich trägt, sondern die insbesondere in den letzten Tagen wieder darauf gepocht hat, die Familie besonders zu schützen und zu ehren und vielleicht gar in der Verfassung festzuschreiben.

Wenn es um die Verwirklichung dieses Wunsches geht, ist Ihnen die Familie so viel wert. Geht es aber um Familien von nichtösterreichischen Staatsangehörigen, dann ist Ihnen die Familie überhaupt nichts wert. Daran sieht man, wie ernst es Ihnen mit Ihrem Anspruch ist. Sie treffen offensichtlich eine Unterscheidung in zwei Arten von Familien: in die eine, die Sie unter einen Glassturz stellen wollen, und zwar ungeachtet dessen, was immer damit verbunden sein mag; und in die andere, die Ihnen gar nichts wert ist, die Ihnen jedenfalls nur so wenig wert ist, daß Sie für Kinder eine Grenze von 14 Jahren einziehen, bei deren Überschreitung für Sie dieser Begriff von Familie nicht existiert.

Wir werden uns sehr genau merken, daß Sie einen so eigenartigen Begriff von Familie haben, und zwar für den Fall, daß Sie wirklich einmal mit Ihren absurden Vorstellungen des Schutzes der Familie durch eine Verankerung in der Verfassung kommen. Dann wird man sehen, wie weit es mit Ihrem Verständnis von Familie her ist.

Jedenfalls fehlt es Ihnen total an Verständnis für Frauenpolitik im Zusammenhang mit Migration, Integration, Flucht und Aufenthalt. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Motter. )

14.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden von Frau Abgeordneter Kammerlander in wesentlichen Punkten und Grundzügen vorgetragenen Abänderungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen damit mit in Verhandlung.


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77. Sitzung / Seite 101

Die Anträge haben folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freunde und Freundinnen betreffend die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) i.d.F. des Ausschußberichtes (755 dBeil StenProt XX. GP)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) idF des Ausschußberichtes (755 dBeil StenProt XX. GP) wird wie folgt abgeändert:

1. In § 8 Abs 3 entfällt Z 3.

2. In § 10 Abs 3 entfällt der letzte Satz, der lautet: "Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung ist unzulässig."

3. In § 18 Abs 6 entfällt der vorletzte Satz, der wie folgt lautet: "Hiebei kann die Bundesregierung Gruppen ansässiger Drittstaatsangehöriger bezeichnen, denen in Hinblick auf ihre fortgeschrittene Integration der Familiennachzug bevorzugt ermöglicht werden soll."

4. § 20 Abs 1 wird wie folgt abgeändert und lautet:

§ 20. (1) Ehegatten und Verwandten in auf- und absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird, von Drittstaatsangehörigen, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, ist auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). Das Recht, weiterhin niedergelassen zu sein, bleibt auch bei späterem Wegfall der Voraussetzungen für den Familiennachzug erhalten.

5. § 21 wird wie folgt abgeändert und lautet:

§ 21. (1) Bei Einbringung eines Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung haben quotenpflichtige Fremde anzugeben, ob sie Anspruch auf Familiennachzug im Sinne des § 20 Abs 1 erheben. Ist dies der Fall, so sind sie aufzufordern, die Identitätsdaten dieser Angehörigen bekanntzugeben.

(2) Sofern Fremde ihren Anspruch nach Abs 1 geltend gemacht haben und ihnen eine Niederlassungsbewilligung erteilt wurde, ist ihren Ehegatt/inn/en sowie den Verwandten in auf- und absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird, eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern dies Angehörige bis spätestens folgendem Kalenderjahr beantragen.

(3) Der Familienangehörige von Personen aus Drittstaaten, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben und deren Familiennachzug nicht im Sinne des Abs 2 erfolgte, ist eine Erstniederlassungsbewilligung spätestens drei Jahre nach Antragstellung zu erteilen.

(4) Den nachziehenden Angehörigen ist eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck zu erteilen.

(5) Die Gültigkeit von Erstniederlassungsbewilligungen im Rahmen des Familiennachzuges beträgt höchstens fünf Jahre, sie darf jedoch keinesfalls länger gelten als die Niederlassungsbewilligung jenes Fremden, dem der Angehörige nachgezogen ist.

6. In § 28 Abs 2 wird das Wort "die Mutter" durch "ein Elternteil" ersetzt.


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77. Sitzung / Seite 102

7. § 32 samt Überschrift entfällt.

8. § 34 Abs 2, 3 und 4 entfallen.

9. § 35 wird wie folgt abgeändert und lautet:

§ 35. (1) Personen, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits drei Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft oder mangels Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft an ihrem Wohnsitz nicht ausgewiesen werden.

(2) Personen, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden sind.

(3) Den in Abs 2 genannten Verurteilungen sind Verurteilungen ausländischer Strafgerichte dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entsprechen.

10. § 36 wird wie folgt geändert und lautet:

§ 36. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft vorliegt.

(2) Eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft ist anzunehmen, wenn eine Person

1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Zuhälterei und der Menschenhandel geregelt ist, rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. wegen gewerbsmäßiger Schlepperei vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden ist.

(3) Eine gemäß Abs 2 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

11. § 37 wird wie folgt abgeändert und lautet:

§ 37. (1) Würde durch eine Ausweisung oder durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot darf jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. Die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;


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77. Sitzung / Seite 103

3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

12. § 38 wird wie folgt abgeändert und lautet:

§ 38. (1) Ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung darf nicht erlassen werden, wenn

1. der Person vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft verliehen hätte werden können;

2. die Person vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits zehn Jahre oder mehr als die Hälfte der Lebenszeit ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war.

13. § 113 Abs 5 wird wie folgt abgeändert und lautet:

(5) Die bis zum 31. Dezember 1997 erteilten Aufenthaltsbewilligungen gelten – je nachdem – als Erstniederlassungsbewilligung oder weitere Niederlassungbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, sofern es sich nicht im Sinne des Abs 4 um eine Aufenthaltserlaubnis handelt.

14. § 113 Abs 7 wird wie folgt abgeändert und lautet:

(7) Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung versagt oder mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung verfügt wurde, treten auch dann außer Kraft, wenn sie rechtskräftig sind und nicht beim Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof angefochten wurden und nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Verländerung nicht mehr versagt bzw Verlust nicht mehr verfügt werden könnte. In diesen Fällen ist über Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung entsprechend den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erteilen.

15. § 113 Abs 10 wird wie folgt abgeändert und lautet:

(7) Bei Erlassung der Niederlassungsverordnung für die Jahre 1998 bis 2000 hat die Bundesregierung zusätzlich eine Anzahl an Niederlassungsbewilligungen festzulegen, sodaß für Familienangehörige (§ 20 Abs 1) im Sinne des § 21 Abs 3 der Familiennachzug längstens drei Jahre nach Antragstellung erteilt werden kann.

*****

Antrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Mag. Doris Kammerlander, Freunde und Freundinnen betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG) 686 dBeil zu den StenProt NR XX. GP i.d.F. des Ausschußberichtes 755 dBeil

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (686 dBeil StenProt NR XX. GP) betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG) idF des Ausschußberichtes (755 dBeil StenProt NR XX. GP) wird wie folgt abgeändert:

1. § 4 Abs 2 und 3 werden wie folgt abgeändert und lauten:

(2) Schutz in einem sicheren Drittstaat besteht für Personen, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs 1 oder 2 FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Flüchtlingskonvention offensteht, sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat bzw Drittstaat – auch im Wege über andere Staaten haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs 1 oder 2 FrG bedroht sind. Der sichere Drittstaat muß die Genfer Flüchtlingskonvention und das New Yorker Protokoll sowie die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert und eine Erklärung nach Art 25 dieser


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77. Sitzung / Seite 104

Konvention abgegeben haben. Die tatsächliche Umsetzung dieser Instrumente muß in jedem Fall sichergestellt sein.

(3) Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 2 ist ein Asylantrag nur dann wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen, wenn der betreffende Staat eine ausdrückliche Zustimmung erteilt hat, den Asylwerber wieder einreisen zu lassen, den Asylantrag inhaltlich zu prüfen und wirksamen Schutz zu gewähren.

2. In § 6 entfallen die Z 3 und 4, die Z 5 wird zur Z 3.

3. Nach § 6 wird folgender § 6a samt Überschrift eingefügt:

Offensichtlich begründete Asylanträge

§ 6a. Asylanträge gemäß § 3 sind als offensichtlich begründet zu bewilligen, wenn

1. der Asylwerber Staatsangehöriger eines Staates ist, oder – sofern er staatenlos ist – in einem Staat seinen bisherigen Wohnsitz hatte, von dem aufgrund der allgemeinen Erfahrung, seiner Rechtslage und Rechtsanwendung anzunehmen ist, daß in diesem Staat in der Regel die begründete Gefahr einer Verfolgung besteht;

2. Frauen aus wohl begründeter Furcht vor frauenspezifischer Verfolgung wie genitaler Verstümmelung, Vergewaltigung, sexuellem Mißbrauch oder anderen Formen frauenspezifischer Menschenrechtsverletzungen durch den Staat oder unter Duldung von staatlichen Organen flüchten;

3. Männer aus wohl begründeter Furcht vor geschlechtsspezifischer Verfolgung wegen ihrer homosexuellen Neigungen durch den Staat oder unter Duldung von staatlichen Organen flüchten.

4. § 10 Abs 2 wird wie folgt abgeändert und lautet:

(2) Asylerstreckungsanträge können frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden, sie sind für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder sowie für andere nahe Angehörige zulässig, wenn besondere Umstände für eine Wiedervereinigung sprechen. Andere nahe Angehörige sind insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und sie gegenüber anerkannten Flüchtlingen unterhaltsberechtigt sind. Ehegatten gelten nur dann als Angehörige im Sinne des Abs 1, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der einen Asylantrag eingebracht hat.

5. In § 14 Abs 3 wird der Ausdruck "gemäß Abs 1 Z 4 und 5" wie folgt ergänzt und lautet "gemäß Abs 1 Z 2, 4 und 5".

6. In § 17 Abs 1 entfällt der letzte Halbsatz, der lautet "oder Ihr Antrag wäre wegen entschiedener Sache zurückzuweisen", Abs 2 wird wie folgt abgeändert und die Abs 3 bis 5 entfallen:

(2) Fremde, die anläßlich einer an einer Grenzübergangsstelle erfolgenden Grenzkontrolle einen Asyl- oder Asylerstreckungsantrag stellen, sind persönlich von einem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes anzuhören. Sie sind bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Asylantrag nicht zurückzuweisen.

7. § 21 Abs 1 und 2 werden wie folgt abgeändert und lauten:

§ 21. (1) Auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung findet – soweit im folgenden nicht anderes festgelegt wird – das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs 2, 36 Abs 2 Z 8, 55 und 61 bis 63 jedoch nicht. Asylwerbern, die sich in Schubhaft befinden, ist ein asylrechtkundiger und unabhängiger Verfahrensberater sowie ein Dolmetscher seiner Wahl kostenlos zur Seite zu stellen.


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(2) Ein Asylwerber darf nicht zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden; die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat, etwa um die zur Einreise erforderlichen Bewilligung zu beschaffen, ist nicht zulässig.

8. § 25 Abs 2 wird wie folgt ergänzt.

Der Jugendwohlfahrtsträger ist verpflichtet, in diesen Angelegenheiten einen Flüchtlingsberater beizuziehen.

9. § 26 Abs 2 letzter Satz wird wie folgt abgeändert und lautet:

Das Merkblatt ist jedem Asylwerber und jeder Asylwerberin bei Einbringen des Asylantrages in einer ihnen verständlichen Sprache zu übermitteln bzw zu übergeben. Weiters ist der Asylwerber mit Antragstellung auf die Möglichkeit der Konktaktaufnahme mit einem Flüchtlingsberater hinzuweisen und sind ihm die hiefür nötigen Hilfen zur Verfügung zu stellen.

10. § 27 Abs 1 wird wie folgt abgeändert und lautet:

§ 27. (1) Asylwerber sind grundsätzlich persönlich von einem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes anzuhören.

11. An § 27 Abs 3 wird folgender Abs 4 angefügt:

(4) Bei offensichtlich begründeten Asylanträgen gemäß § 6a kann auf eine Einvernahme verzichtet werden. Jedenfalls ist bei Vorliegen eines offensichtlich begründeten Asylantrages gemäß § 6a Z 2 dem Asylantrag ohne Einvernahme stattzugeben, wenn durch einen Arzt, Psychiater, Psychotherapeuten, Psychologen oder anderen Personen unzweifelhaft das Vorliegen einer frauenspezifischen Menschenrechtsverletzung im Sinne des § 6a Z 2 festgestellt wurde.

12. § 29 wird wie folgt abgeändert und lautet:

§ 29. Bescheide haben den Spruch, der Rechtsmittelbelehrung und den Hinweis nach § 61a AVG und die Begründung der Entscheidung in einem dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten. Wird der Antrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus Gründen der § 4 und 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen, so ist dem Bescheid eine in dieser Sprache gehaltene Übersetzung der Begründung sowie der maßgeblichen Gesetzesbestimmung beizugeben.

13. In § 32 Abs 1 wird die Wortfolge "binnen zwei Tagen" durch die Wortfolge "binnen 14 Tagen" ersetzt.

14. § 40 Abs 1 wird wie folgt abgeändert und lautet:

§ 40. (1) Zur Unterstützung von Fremden in Angelegenheiten des Asylrechtes sowie zur Gewährleistung von asylrechtskundiger Beratung kann der Bundesminister für Inneres Flüchtlingsberater bestellen.

15. Nach § 40 wird folgender § 40a eingefügt:

§ 40a. Jedem Asylwerber ist ein asylrechtskundiger und unabhängiger Verfahrensberater – wenn notwendig unter Beiziehung eines Dolmetschers – kostenlos zur Seite zu stellen.

16. An § 44 Abs 6 wird folgender Abs 7 angefügt:

(7) Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Asylgesetzes 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Asylgesetz 1991 innehaben, erhalten nunmehr eine solche nach § 15 Asylgesetz 1997.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. 5 Minuten freiwillige Beschränkung der Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.


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77. Sitzung / Seite 106

14.18

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Asylrecht ist ein Bereich, den jeder politisch engagierte Mensch mit Aufmerksamkeit und großem Ernst behandeln muß. Zwischen 1934 und 1945 haben viele Österreicherinnen und Österreicher im Ausland um Asyl angesucht. Heute leben wir in einem sicheren demokratischen Staat, und Menschen aus anderen Teilen der Welt kommen zu uns und suchen hier um Asyl an.

Mit dem neuen Gesetz wird versucht sicherzustellen, daß jeder, der politisch verfolgt wird und mit Folter, Gefängnis oder sogar Tod bedroht ist und in keinen sicheren Drittstaat ausreisen kann, in Österreich tatsächlich Asyl und Schutz findet. Um sicherzugehen, daß niemand unberechtigt abgewiesen wird – das kann eine Frage von Leben und Tod sein –, wurde der Rechtsschutz erweitert und das Verfahren verbessert. Besonders bedeutend scheint mir die Schaffung eines unabhängigen Bundesasylsenates als zweite Instanz zu sein. Dieser Bundesasylsenat soll als gerichtsähnliche Einrichtung dem Verwaltungsgerichtshof vorgeschaltet werden. Die betroffenen Regelungen entsprechen weitgehend den vergleichbaren Bestimmungen über die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern. Ich denke, daß damit in Entscheidungen des Asylrechts ein großes Maß an Unabhängigkeit gewährleistet ist.

Dem Gesetzentwurf wurde von seiten der NGOs und des UNO-Flüchtlingshochkommissars zugebilligt, einen klaren Fortschritt darzustellen und die rechtliche Situation der Asylwerber zu verbessern. Es ist richtig, daß eine Reihe von Wünschen offengeblieben ist, nämlich beim Verfahren an der Grenze, bei den Fristen für die Berufung wegen Abweisung des Asylantrags und bei einigen anderen Fragen.

Was das Problem des Asylantrags an der Grenze betrifft, so handelt es sich auch da um eine Verbesserung gegenüber dem Jetztzustand; vielleicht nicht in einem zufriedenstellenden Maße, aber es ist das doch eine klare Verbesserung. Es wird – sicherlich unter Einbeziehung der NGOs – weiter über dieses Problem nachgedacht werden müssen. Doch konnte jedenfalls bis jetzt niemand eine bessere Lösung, die auch praktikabel gewesen wäre, vorschlagen.

Die Frist von zwei Tagen für die Berufung gegen eine Abweisung des Asylantrages wegen offensichtlicher Unbegründetheit oder Drittstaatssicherheit ist in der Tat sehr kurz. Im Unterausschuß ist auch darüber diskutiert worden, ob es nicht möglich wäre, diese Frist zu verlängern. Die kurzen Fristen, in denen unsere Nachbarstaaten bereit sind, Asylwerber zurückzunehmen, verunmöglichen das. Ich bedauere diesen Umstand, aber vielleicht kann man auf internationaler Ebene zu einer anderen Lösung kommen. Im Augenblick ist das aber leider nicht möglich.

In diesem Zusammenhang einige Worte über unsere Nachbarstaaten und die Frage der sicheren Drittstaaten. Das System des sicheren Drittstaates wird auch vom UNO-Hochkommissar als brauchbare Grundlage für vertragliche Vereinbarungen zwischen den Staaten erachtet. Bei den sicheren Drittstaaten handelt es sich um solche, in denen der Flüchtling bereits Asyl erhalten hat oder um Asyl hätte ansuchen können. Die Drittstaatssicherheit ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Staat die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert hat, gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet und darüber hinaus auch die EMRK ratifiziert hat.

Ungarn ist zwar der Genfer Konvention und dem Protokoll 1967 beigetreten, hat dieses aber mit einem außereuropäischen Vorbehalt ratifiziert, das heißt: Nichteuropäische Flüchtlinge können den Schutz der EMRK und auch der UN-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafung in Anspruch nehmen. Der UNHCR hat auch mit der ungarischen Regierung ein informelles und nicht schriftlich fixiertes Übereinkommen getroffen, nach dem nichteuropäische Asylsuchende an die Vertretung in Budapest verwiesen werden sollen. Das Problem liegt aber darin, daß es für nichteuropäische Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn kein spezielles nationales Gesetz gibt und daß nicht immer sichergestellt sein kann, daß Anträge auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft auch systematisch weitergeleitet werden.


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Sehr geehrter Herr Bundesminister! Daraus ergibt sich – wie leicht vorzustellen ist – eine schwierige Situation für die Flüchtlinge. Ich weiß, daß Sie mit Ihrem ungarischen Amtskollegen in ständigem Kontakt stehen, um dieses Problem einer Lösung zuzuführen. Ich möchte Sie dringend ersuchen, diese Bemühungen auch weiter fortzusetzen. Es ist aber auch offenkundig, daß für die osteuropäischen Staaten in ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage die Flüchtlingsbetreuung eine zusätzliche Belastung darstellt, und ich denke, daß da europäische Solidarität gefragt wäre.

Noch eine Bemerkung zur Frage weiblicher Asylwerber und ihrer Rechte. Im § 27 des Asylgesetzes wird festgehalten, daß Asylwerber, die ihre Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung gründen, von Organwaltern desselben Geschlechtes einvernommen werden müssen. Damit ist ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß diese Form der Verfolgung auch beachtet werden muß. Es darf keine Mißverständnisse darüber geben, daß Frauen, die aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen sexueller Gewalt ausgesetzt sind, auch tatsächlich einen Asylgrund haben. Ich meine, daß das eine sehr wichtige Klarstellung ist, daß damit der Forderung vieler Frauenorganisationen Rechnung getragen wurde. Auch im Bereich der Asylerstreckung ist eine Verbesserung für Frauen erreicht worden.

Abschließend möchte ich daher sagen, daß der Rechtsschutz und die Rechtssicherheit für Asylsuchende zugenommen haben und ich daher dem Gesetzesvorschlag mit gutem Gewissen zustimmen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

14.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haller. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.25

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mir als Freiheitlicher, aber, ich glaube, auch vielen anderen logisch denkenden Österreichern bestätigt die heutige Debatte vor allem eines: daß die bisherige österreichische Ausländerbeschäftigungs- und Fremdenpolitik nur re agiert und in keinster Weise vorausschauend agiert hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es hat bisher keine langfristige Einwanderungs- und Integrationspolitik gegeben. Diesen Vorwurf muß ich den Regierenden machen – ohne jegliche Polemik. Das ist ein Vorwurf, der sogar im Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Sie, Herr Bundesminister Schlögl, vielleicht nicht so sehr kennen, in den Erläuternden Bemerkungen bei der Kostenschätzung zur Notstandshilfe steht und genau dieses Faktum bestätigt. Wenn Kollege Schwemlein heute sagt, daß er stolz darauf ist, daß die bisherige Ausländerpolitik fortgesetzt wird, dann bleibt mir wirklich nur mehr übrig zu hoffen, daß man aus begangenen Fehlern vielleicht doch ein bißchen gelernt hat.

Herr Bundesminister! Sie haben uns heute eingestanden, daß die vorliegenden Fremdengesetze ein Kompromißpaket sind, und Sie haben sich gewünscht, daß in Zukunft die Materie entemotionalisiert und entideologisiert behandelt wird. Aber man sieht einfach an allen Ecken und Enden, daß auch diese Gesetze wieder nur Kompromißlösungen sind, und Kompromißlösungen sind nun einmal nicht das Gelbe vom Ei. Das wissen wir ja alle.

Es ist einfach ein Faktum, Herr Bundesminister, daß mit dieser Gesetzgebung Ausländerrechte verbessert worden sind. Da gibt es die Besserstellung der Türken gegenüber anderen Ausländern aus EU-Drittländern. (Abg. Kiss: Warum wohl?) Es ist mir schon klar, daß wir da nachziehen mußten, weil es eben das EU-Assoziationsabkommen gibt, aber: Die österreichische Regierung hat es beim Eintritt in die EU verabsäumt, eine Ausnahmeregelung auszuverhandeln. Man hat doch gewußt, was auf uns zukommen wird – oder Sie haben bewußt die Augen zugemacht.

Deshalb ist es de facto jetzt so, daß türkische Arbeitnehmer über die 8-Prozent-Quote hinaus beschäftigt werden. Sie werden bevorzugt behandelt. Sie haben das Recht darauf, Arbeit zu bekommen, über die 8 Prozent hinaus. Daß die Türken diesen Umstand ausnützen werden und


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daß das auch Auswirkungen auf den Familiennachzug haben wird, davor dürfen wir doch nicht wieder die Augen verschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Wenn Sie sagen, daß diese Gesetze keine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Gesetzgebung bedeuten, so stimmt das zumindest auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz bezogen nicht, denn es wird in Zukunft keine Gesundenuntersuchung mehr geben. Meiner Überzeugung nach ist das eine eindeutige Verschlechterung – gerade in Anbetracht der Tuberkulosegefahr.

Das Gesetz bevorzugt Türken gegenüber anderen Ausländern. Wenn man wirklich vorhat, sich ausschließlich und unbedingt an die 9-Prozent-Quote zu halten, so werden letztlich auch sogenannte Schlüsselkräfte benachteiligt werden.

Bei der Notstandshilfe gilt das Kriterium der Geburt, das sogar In länder benachteiligen wird, die im Ausland geboren sind, unter anderem auch Diplomatenkinder. Es ist bisher überhaupt verschwiegen worden, daß diese neue Notstandshilferegelung den Staat eine Menge Geld kosten wird, und zwar von 1,59 Millionen im kommenden Jahr auf bis zu 400 Millionen Schilling im Jahr 2000 ansteigend, und es gibt dafür keinen Bedeckungsvorschlag. Dieser wird von der Opposition zwar immer verlangt, die Regierung muß das jedoch nicht machen.

Aber nun noch ganz kurz zum Antrag 305/A, der von mir stammt und folgendes beinhaltet: Das letzte Sparpaket hat eine erhebliche Verschlechterung für Selbständige gebracht, die früher einmal arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren. Nach drei Jahren verfallen derzeit bereits ihre Ansprüche.

In letzter Zeit passiert es immer öfter, daß Selbständige nach dem Scheitern ihrer Selbständigkeit ihr Hab und Gut verkaufen müssen, weil sie nicht einmal die geringste finanzielle Absicherung haben. Und deren Zahl nimmt immer mehr zu. Der Sozialstaat Österreich hat in diesem Bereich eine Lücke geschaffen und ist anscheinend auch nicht bereit, diese zu schließen. Auch die ÖVP, die immer vorgibt, sich für die Wirtschaftstreibenden einzusetzen, tut nichts. (Abg. Haigermoser: Maderthaner zum Beispiel!)

Ich habe im Ausschuß gehört, daß Herr Kollege Feurstein sehr wohl die Notwendigkeit einer Veränderung in diesem Bereich anerkennt, aber er würde eine Selbstversicherung für die Selbständigen bevorzugen. Na klar! Warum? – Weil man dann gleich wieder Beiträge lukrieren könnte; und um nichts anderes geht es anscheinend auch der ÖVP in jüngster Zeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Den Namen verdienst du jetzt!)

14.31

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das Ausländerrecht kann und darf eigentlich nur den Sinn haben, die Anliegen der in Österreich lebenden beziehungsweise nach Österreich kommenden Ausländer und die Anliegen der Bürger der Republik Österreich in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. Bei allem Verständnis für die Sorgen und Bedürfnisse der Ausländer darf aber nicht vergessen werden, daß das Ausländerrecht kein Sozialrecht, sondern ein Sicherheitsrecht ist. Es regelt schlicht und einfach die Vereinbarkeit von Zuwanderung und Aufenthalt von Ausländern in Österreich.

Leider ist das in diesem wichtigen Zusammenhang in der politischen Diskussion vielfach in Vergessenheit geraten, beziehungsweise es wird das von einigen Vertretern der Oppositionsparteien überhaupt verdrängt. Mit den jetzt vorliegenden Novellen zum Fremden- und Asyl- beziehungsweise Ausländerbeschäftigungsgesetz werden wesentliche Neuerungen beschlossen, die diesen Zusammenhang besser herstellen.


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Was ist das primäre Ziel? – In erster Linie soll mit der neuen Regelung die Rechtsstellung der sich legal in Österreich aufhaltenden Ausländer verbessert werden. Daher lauten die Grundsätze des neuen Fremdengesetzes: Integration vor Zuwanderung und verbesserte Integration durch erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt. (Beifall bei der ÖVP.) Bereits in Österreich lebende ausländische Menschen sollen viel stärker in den hiesigen Arbeitsprozeß und in das gesellschaftliche Leben eingebunden werden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Lassen Sie mich Ihnen zur Ausländerbeschäftigung folgendes sagen: Zum Stichtag 1. Juli 1996 waren im Bundesministerium für Inneres 416 000 aufrechte Aufenthaltsbewilligungen an Drittstaatangehörige registriert, also um 8,3 Prozent mehr als zum selben Zeitpunkt im Jahr davor. Die Altersaufteilung zeigt, daß der Großteil der Bewilligungen an Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren ging, also: Die Mehrheit der Bewilligungen ist auf die verstärkte Familienzusammenführung in den letzten Jahren zurückzuführen.

Die zukünftigen Arbeitsplatzchancen dieser speziell aus der Türkei und aus Teilen Exjugoslawiens stammenden Menschen sind nicht sehr hoch. Der Grund dafür liegt darin, daß das Angebot von weniger qualifizierten Arbeitskräften in Österreich die derzeitige Nachfrage bei weitem übersteigt.

Trotz der verbesserten gesetzlichen Situation, die durch die Novellierung des Fremden- und Ausländerbeschäftigungsgesetzes geschaffen wird, wird mit der Integration dieser Personengruppen in den österreichischen Arbeitsmarkt nicht so schnell zu rechnen sein. Diese Ansicht wird auch durch die Studie "Ökonomische und strukturelle Aspekte der Ausländerbeschäftigung in Österreich" bestätigt. Der Grundsatz "Integration vor Neuzuwanderung" wird auch im Bereich der landwirtschaftlichen Saisonarbeitskräfte umgesetzt.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wie Sie alle wissen, entsteht während des Sommers durch die Ernte in der Landwirtschaft ein vorübergehend starker Bedarf an Arbeitskräften. Dieser Arbeitskräftebedarf kann aber nur zum Teil von inländischen Arbeitskräften gedeckt werden. § 9 Fremdengesetz sieht vor, daß Aufenthaltserlaubnisse für Saisonarbeitskräfte vorrangig solchen fremden Personen zu erteilen sind, die bereits über eine Niederlassungsbewilligung in Österreich verfügen. Selbstverständlich wird auch bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse zu beachten sein, daß diese Fremden regional zur Verfügung stehen und über eine für den Arbeitsplatz erforderliche Qualifikation verfügen. Durch das Wort "vorrangig" soll in diesem Zusammenhang lediglich sichergestellt werden, daß landwirtschaftliche Saisonarbeiter aus dem Ausland erst gar nicht angeworben werden, wenn es bereits rechtmäßig niedergelassene mit gleicher Qualifikation in dieser Region gibt.

Dem Grundprinzip "Integration vor Neuzuwanderung" folgend, ist daher bei entsprechend gleichwertiger Qualifikation für den entsprechenden Arbeitsplatz im Inland den bereits in Österreich lebenden Ausländern der Vorzug zu geben. Der Fremde, der für eine solche Tätigkeit erst aus dem Ausland angeworben werden muß, soll erst dann, wenn die Bedarfsprüfung negativ ausgefallen ist, eine Aufenthaltserlaubnis bekommen.

Das Sprichwort "Ausnahmen bestätigen die Regel" gilt auch für dieses Gesetz. Erstens: Von diesen Ausnahmeregelungen für Saisonniers wird nur der im Sommer entstehende Arbeitskräftebedarf erfaßt. Für beispielsweise während der Holzfällerarbeiten im Winter benötigte Arbeitskräfte gilt die Saisonregelung grundsätzlich nicht.

Zweitens: Saisonarbeitskräfte, die bisher bereits in der Landwirtschaft tätig waren, können auch weiterhin beschäftigt werden. Auch sie sind von der generellen Saisonregelung ausgenommen.

Hohes Haus! Trotz aller jetzigen und wahrscheinlich künftigen Forderungen nach mehr Erleichterung im Fremden- und Asylrecht werden wir uns alle fragen müssen, ob nicht bereits die Grenzen des Machbaren erreicht sind. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß angesichts der anstehenden Einschnitte, insbesondere im sozialen Bereich, jede weitere Liberalisierung des Ausländerrechtes an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit Österreichs und die Bereitschaft zur Aufnahme durch die österreichische Bevölkerung stoßen. Wir dürfen die österreichischen Bürger


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nicht überfordern, sonst besteht die Gefahr, daß deren grundsätzliche Ausländerfreundlichkeit ins Gegenteil umschlägt. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

14.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Haupt vor. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.37

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Das vorliegende Gesetzespaket, einschließlich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, wird von uns Freiheitlichen, wie aus der Debatte zu hören war, abgelehnt. Ich möchte mich mit dem Bericht über den Antrag 196/A, der meinen eigenen Antrag betrifft, beschäftigen.

Ich bin Frau Bundesminister Hostasch dankbar dafür, daß sie mir aufgrund der wegen des Streiks entfallenen Diskussion im Ausschuß die Argumente vorgetragen hat – ähnlich wie die Kollegin Reitsamer –, warum Sie meinen Antrag abgelehnt haben. Ich möchte Ihnen einiges aus meiner Sicht entgegenhalten, um Ihnen klarzumachen, warum die Freiheitlichen diesen Antrag aus dem Jahre 1996 auch heute noch für gut erachten.

Sie wissen, daß Ihr Amtsvorgänger, Bundesminister Hesoun, und der jetzige Sozialsprecher der Österreichischen Volkspartei, Feurstein, bei der Antragstellung und Begründung zur Einführung des § 12a im Ausländerbeschäftigungsgesetz im Jahre 1990 mit der damaligen 10prozentigen Regelung, mit der Beschäftigungszahl in Österreich, mit Sozialdumping, aber auch mit der Fremdenfeindlichkeit, die aufgrund des Drucks am Arbeitsplatz entsteht, und auch aufgrund der unbefriedigenden Wohnsituation vieler ausländischer Beschäftigter argumentiert haben. Ich kann es mir jetzt ersparen, diese Argumente im einzelnen zu zitieren.

Ich meine, daß man nicht vergessen darf, daß erstens in unserem Antrag mit der Senkung auf 6 Prozent natürlich keine sofortige Senkung festgeschrieben ist, sondern es so ist, wie das bei der Senkung auf 8 Prozent auch gewesen ist, nämlich eine kontinuierliche Senkung, auf die durchaus in der Diskussion einzugehen gewesen wäre.

Zweitens möchte ich auch Kollegin Reitsamer insofern korrigieren, als die Bundesregierung im Jahre 1996 beim Belastungspaket im Hinblick auf die Bezahlung von Arbeitslosenunterstützung an Ausländer, die keiner legalen Beschäftigung nachgehen oder über keine Arbeitsbewilligung in Österreich verfügen, ohnehin eine klare Regelung getroffen hat. Somit kann das Argument der Kollegin Reitsamer mit Sicherheit nicht zutreffen; denn das, was im Vorjahr abgeschafft wurde, nämlich die Arbeitslosenunterstützung an diesen Kreis, kann man nicht im Jahre 1997 als Argument zur Ablehnung meines Antrages einbringen. Ich meine daher, daß es von Kollegin Reitsamer fair gewesen wäre, ihre eigenen Anträge, die sie im Vorjahr eingebracht hat, auch in der Diskussion zu berücksichtigen und das nicht als Gegenargument zu verwenden.

Frau Bundesminister! Ihren Argumenten möchte ich folgendes hinzufügen: Wir haben seit dem Jahr 1990 die EWR-Gleichstellung, danach kam die EU, und es werden auch die Arbeitsbewilligungen für Mitarbeiter internationaler Konzerne, die notwendig sind, um den Betrieb und damit auch die österreichischen Arbeitsplätze in entsprechender Form abzusichern, berücksichtigt – alles außerhalb der Quote. – Bei gleichbleibender Quote!

Wir Freiheitlichen haben immer wieder betont, daß die Verträge, die die EU im Jahr 1980 mit der Türkei abgeschlossen hat, auch für uns in Österreich dramatische Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Das wurde uns vor dem EU-Beitritt in Österreich als Panikmache beziehungsweise Populismus ausgelegt. – Heute könnte ich zufrieden sein: Wir Freiheitlichen haben entweder besser gelesen oder waren fairer, da wir der österreichischen Bevölkerung gesagt haben, welche einzelnen Regelungen für die Beschäftigung diese Übereinkünfte beinhalten.

Klar ist: Von den derzeit etwa 50 000 türkischen Beschäftigten in Österreich sind etwa 40 000 nunmehr sozusagen im Genuß der Bestimmungen des Assoziierungsvertrages. Weiters muß


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klar und deutlich gesagt werden, daß in diesem Assoziierungsvertrag auch die zweite Generation inkludiert ist, sofern die Eltern schon drei Jahre lang in Österreich wohnen oder ihre Kinder ihre Ausbildung in Österreich abgeschlossen haben.

Frau Bundesminister! Ich glaube daher, daß Ihr Argument bezüglich Härte in diesem Fall nicht zum Tragen kommt und die Absenkung von derzeit 8 Prozent – nicht auf einmal, sondern sukzessive – auf 6 Prozent nur die Ausnahmeregelungen für jene Personen, die in den letzten Jahren außerhalb der Quote beschäftigt wurden und nach wie vor in den Zahlen des Arbeitsmarktes und der Arbeitsbeschäftigung aufscheinen, berücksichtigen würde.

Ich möchte auch nicht verhehlen, daß im vorliegenden Gesetzentwurf das eine oder andere durchaus als Verbesserung angesehen werden kann. Kollege Puttinger hat das Beispiel des Saisonniers angeführt. Ich glaube und hoffe, daß ich Sie nicht falsch verstanden habe, Frau Bundesminister, und daß Sie das Instrument der Verordnung nicht nur dazu verwenden, dem berechtigten Ruf der Wirtschaft nachzukommen, sondern auch als Mittel nützen, um den meiner Ansicht nach ebenfalls berechtigten Wunsch der österreichischen Beschäftigten nach Kontrolle des Sozialdumpings zu erfüllen. (Bundesministerin Hostasch nickt.) Ich bin froh, Ihr Nicken zu sehen, denn das bestätigt mir, daß Sie beide Argumente in Ihrer Verordnung berücksichtigen werden – nicht so, wie es Kollege Puttinger etwas blauäugig für seinen Berufsstand reklamiert hat, während er jedoch die andere Seite, nämlich die der Beschäftigten und das Problem Sozialdumping links liegengelassen hat.

Dieser Teil hat sich also, wie ich glaube, durchaus positiv im Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert, nicht aber die Arbeitsmarktsituation. Frau Bundesminister, Sie kennen die offiziellen Daten: 210 993 Arbeitslose im Mai 1997 – ein Zuwachs von 3 114, also 1,5 Prozent, gegenüber dem Vorjahr. Die Dauer der Arbeitslosigkeit betrug durchschnittlich 131 Tage gegenüber 125 Tagen im Vorjahr – ein Plus von 6 Tagen. 23 639 ausländische Personen ohne Arbeit – ein Anteil von 11,2 Prozent wie im Vorjahr.

Ich bin daher der Ansicht, daß die Zahlen, die Arbeitsmarktsituation das, was wir Freiheitlichen in unserem Antrag vorgesehen haben, rechtfertigen würden. Es ist schade, daß wir im Ausschuß nicht darüber diskutieren konnten, da die eine oder andere unserer Anregungen vielleicht auf fruchtbaren Boden gefallen wäre.

Insgesamt kann ich unsere Ablehnung des gesamten Paketes nur nocheinmal betonen. – Die wichtigsten Argumente sind von meinen Vorrednern bereits vorgebracht worden. Ich hoffe, daß ich Ihnen, Frau Bundesminister, und den Zuhörern, die noch im Saal sind, wenigstens die Argumente für unseren Antrag nahebringen konnte. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Mitnichten!)

14.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.44

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Integrationspaket, speziell das Fremdengesetz, ist ein Thema, das viele Menschen in diesem Land bewegt. Allzuoft wird darüber nicht nur sehr emotionell, sondern geradezu aggressiv diskutiert. Es gilt daher, kühlen Kopf zu bewahren und, wie heute schon gesagt wurde, den Weg der Mitte und der Ausgewogenheit zu gehen.

Die Verbesserung der Rechtslage für bereits in Österreich lebende Familien und Fremde ist eine sehr dringende Notwendigkeit. Jeder human denkende Mensch muß dieses Vorhaben begrüßen. Es ist auf jeden Fall ein Garant dafür, daß das Konfliktpotential im täglichen Zusammenleben wesentlich geringer werden wird.

Besonders positiv ist die Differenzierung im Entwurf für ein neues Fremdengesetz. Es wird darin zwischen jenen Fremden, die schon länger in Österreich leben und deshalb eine sogenannte


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Aufenthaltsverfestigung erhalten, und jenen, die noch nicht so lange in Österreich sind, unterschieden. Weiters wird zwischen jenen, die sich auf Dauer in Österreich niederlassen wollen, und jenen, die sich zeitlich befristet bei uns aufhalten, differenziert. Damit sollen Härtefälle, wie sie in der Vergangenheit aufgetreten sind, vermieden werden.

Im Zusammenhang mit der derzeitigen Arbeitsmarkt- und Wohnsituation ist aber unbedingt festzuhalten, daß eine Integration von Ausländern nur unter Berücksichtigung der in diesem Bereich gegebenen Voraussetzungen möglich sein kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch eine weitere Anmerkung machen. Als Selbständiger, der in diesem Haus immer wieder die Agenden der Selbständigen vertritt, möchte ich an diesen auch einmal Kritik üben. Es ist meiner Meinung nach wichtig, daß wir aus dem in diesem Lande vorhandenen Potential an ausländischen Menschen schöpfen, jedoch nicht angebracht, immer wieder neue Ausländer ins Land holen zu wollen, wenn bereits eine genügende Anzahl an qualifizierten Kräften vorhanden ist. Es wäre, glaube ich, für den Kreis der Unternehmer eine ganz wichtige Sache und ein guter Beitrag, in dieser Frage etwas mehr Bereitschaft zu zeigen.

Ich möchte auf ein Detail dieses Gesetzes, das vielleicht niemandem oder nur wenigen aufgefallen ist, zu sprechen kommen. Als ein Verfechter der Gemeindewachkörper freut es mich ganz besonders, daß im § 110 Absatz 2 des vorliegenden Entwurfes ein Passus eingefügt ist, demzufolge Angehörige der Gemeindewachkörper mit Zustimmung der Gemeinde von den Behörden ermächtigt werden können, fremdenpolizeilichen Exekutivdienst zu versehen. (Abg. Mag. Stadler: Allein deswegen!) Dieser Satz ist vielleicht nur ein kleiner Mosaikstein, aber: In weiterer Folge wird der Gemeindewachkörper damit immer mehr zu einem wichtigen Bestandteil unserer Exekutive.

Wenn also eine Gemeinde der Meinung ist, daß ihr die Sicherheit mehr wert ist als ein neuer Tennisplatz oder eine sonstige Errungenschaft, dann sollten wir ihr die Möglichkeit geben, danach zu handeln. Für diesen kleinen Beitrag möchte ich mich bei den Beamten, vor allem aber beim Herrn Minister, von dem ich weiß, daß er dieser Gruppierung positiv gegenübersteht, recht herzlich bedanken. (Beifall des Abg. Koppler.  – Abg. Mag. Stadler, in Richtung SPÖ: Ich höre nichts!)

Zum Schluß möchte ich aber noch eine andere Sache, die mir sehr am Herzen liegt, einbringen. Es ist heute schon angeklungen, Kollege Kiss hat es in der Früh gesagt: In der "Presse" war heute zu lesen, daß jene Abgeordneten, die dieser Gesetzesvorlage zustimmen beziehungsweise sich mit dieser Tendenz identifizieren, ihr Christ-Sein durchleuchten müßten. – Ich möchte mich dagegen strikt verwahren und eines klar festhalten: Wenn mich jemand als Christ zu beurteilen hat, dann wird es einmal mein Herrgott sein – und sonst niemand! (Abg. Mag. Stadler: Genau!) Ich lasse mir von niemandem sagen, ob ich ein guter oder ein schlechter Christ bin. Diese Worte richten sich an jene, die meinen, sie könnten uns abklassifizieren. Ich bekenne mich zu meiner Kirche, ich lasse mir aber von niemandem etwas vorschreiben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Jawohl! – Abg. Dr. Haider: Sehr gut! Ausgezeichnet! – Zwischenruf des Abg. Koppler.  – Abg. Dr. Haider: Du kommst sicherlich in die Hölle, und der Kiermaier kommt dafür in den Himmel!)

14.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Lafer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.49

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich habe heute Ihren Ausführungen sehr genau zugehört. Sie haben erwähnt, daß es sehr schwierig ist, gerade in diesem Bereiche die Wünsche und Bedürfnisse aller zu befriedigen. Sie sagten, Sie hätten den Weg der Mitte gewählt, was auch recht vernünftig erscheint. Diesen "Weg der Mitte", wie Sie ihn bezeichnen, werden wir Freiheitlichen auch unterstützen – aber erst dann, wenn die Probleme der Österreicher, wie etwa die Arbeitslosigkeit, gelöst sind.


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In den letzten Jahren wurden den Österreicherinnen und Österreichern durch das Sparpaket starke Belastungen auferlegt. Das Budgetdefizit wurde immer größer. Trotzdem ist niemandem bei der Kostenaufstellung im Zusammenhang mit dieser Regierungsvorlage aufgefallen, daß zum Beispiel – was mich besonders überrascht hat – im Bereich des Asylgesetzes wieder 30 neue Planstellen zur Verfügung gestellt werden müssen. Es ist mir klar, daß, wenn ein Gesetz beschlossen wird, dieses auch vollzogen werden muß.

Wenn man sich das aber genau anschaut, sieht man, daß die daraus entstehenden Folgekosten insgesamt etwa 250 Millionen Schilling ausmachen. (Abg. Kiss: Das ist das Rechtsverfahren!) Das ist wieder ein Griff in die Taschen der Steuerzahler, die das bezahlen müssen. Das ist nicht die Politik, die wir Freiheitlichen vertreten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Bravo!)

Herr Minister! Ich hoffe, daß Sie auch im Bereich der Exekutive, in dem es in den letzten Jahren Planstelleneinsparungen gegeben hat und solche auch für das kommende Jahr vorgegeben sind, einmal so konsequent sind und sagen: Bei der Sicherheit darf nicht gespart werden, die Sicherheit ist uns etwas wert, bei der Sicherheit darf man nicht nur auf die Kosten schauen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch ein weiterer Punkt ist mir besonders aufgefallen, und zwar die Stellungnahme des Verwaltungsgerichtshofes, die besonders umfassend ausgefallen ist. Der Verwaltungsgerichtshof spricht – die Zahlen sind ja bekannt – von einer Überlastung, die ihren Höhepunkt erreicht hat. Es blieben 14 125 Beschwerdefälle unerledigt, das ist gegenüber dem 1. März 1997 eine Steigerung um 3 606 Beschwerdefällen. (Abg. Kiss: Darum gibt es ja das Bundesasylamt! Das haben Sie nicht verstanden! – Abg. Dr. Haider: Es soll ein Burgenländer nicht vom Nichtverstehen reden ...!)

Weiters heißt es, daß die anfallende Arbeit nicht mehr zu bewältigen, die Tendenz unverändert und die Verwaltungsgerichtsbarkeit partiell zusammengebrochen ist.

Es gäbe sehr viel dazu zu berichten, ich möchte aber jetzt nur noch zwei kurze Punkte zitieren: Grundsätzlich sei klargestellt, daß die in den derzeitigen Entwürfen vorgesehenen Maßnahmen keineswegs geeignet sind, zu einer Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes zu führen. – Weiters wäre klarzustellen, daß der UBAS die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde des Bundesasylamtes ist und daß seine Entscheidung im Verwaltungswege weder aufgehoben noch abgeändert werden kann. – Zitatende.

In diesem Bericht sind sehr wesentliche Dinge enthalten, die jedoch alle in diesem Gesetz nicht berücksichtigt wurden beziehungsweise nicht die nötige Unterstützung fanden.

Eine Gesetzgebung, die mehr Personal benötigt, eine Gesetzgebung, die den Zuzug von Ausländern erleichtert und die Tore Österreichs weiterhin offenläßt, eine Gesetzgebung, die die Abschiebung erschwert, und zwar insofern, als aus der Muß- eine Kann-Bestimmung geworden ist, eine Gesetzgebung, die die Tätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes erschwert, eine Gesetzgebung also, die so viele Fragen offenläßt, ist keine, die wir Freiheitlichen unterstützen würden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.53

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Haller von der Freiheitlichen Partei hat in ihren Ausführungen gemeint, daß sie bei diesen Gesetzesvorlagen die nötige Kompromißlosigkeit vermisse. Die Mitte könne da nicht günstig sein, da es nicht unser Bestreben sein könne, alle möglichst gut einzubinden und einen Gesetzentwurf, getragen von Gemeinsamkeit, vorzulegen.


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Frau Kollegin Haller! Wir haben uns bemüht, einen Kompromiß zu finden und alle Sorgen, alle berechtigten Einwände und Wünsche nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Ein solcher vernünftiger Gesetzentwurf liegt nun vor. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Gesetzesvorlage unterstützt beide Seiten, nämlich die der Österreicher in bezug auf Rechtsposition, Sicherheit, Arbeitsplätze, Bildungs- und Wohnmöglichkeit, aber auch die andere Seite, die der Asylsuchenden, der Fremden, die berechtigterweise einen Aufenthalt in Österreich suchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Diese Mitte haben wir angestrebt. Wir sind gegen Kompromißlosigkeit, wir sind gegen die Politik des Türzuschlagens und des Riegelvorschiebens, aber auch dagegen, daß unsere Grenzen, unser Land ohne Kompromisse aufgemacht wird und so jedem Platz geboten wird. Das wollen wir keinesfalls. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Lauter leere Worthülsen!)

Eine wichtige Frage wurde heute bereits erwähnt, nämlich wie karitative Organisationen und UNHCR zu dieser Gesetzesvorlage stehen. Diese meinen, das Gesetz könne einem internationalen Vergleich standhalten; es sei eine wesentliche Verbesserung. Natürlich konnte nicht alles verwirklicht werden, aber es sei exekutierbar, meinte zum Beispiel Sicherheitsdirektor Dr. Marent. Es sei das eine wesentliche Verbesserung der Rechtsmechanismen, ein transparenteres, besser exekutierbares Gesetz.

Sehr geehrter Herr Minister! Wir müssen jedoch darauf aufmerksam machen, daß die zuständigen Beamten eine entsprechende Schulung und Informationen bekommen müssen, daß den Beamten genügend Zeit zur Verfügung stehen muß, um sich auf dieses Gesetz vorzubereiten, um es auch exekutieren zu können, zumal vieles im Ermessen der Beamten liegt.

Meine Damen und Herren! Es gibt viele, viele Verbesserungen für jene Asylsuchenden, die wirklich begründet um Asyl ansuchen. Ich zähle auf: eine Verbesserung der Aufenthaltsverfestigung sowie der Situation der Schubhäftlinge, insbesondere der Jugendlichen, mehr Rechte für die Asylanten an der Grenze, und beim Familiennachzug liegt der Schwerpunkt bei den Kindern.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich dem "F"-Sicherheitssprecher von Oberösterreich beziehungsweise dem Flüchtlingsattaché, Landesrat Achatz, mitteilen (Abg. Kiss: Albaner!) , daß die angeblich 50 000 albanischen Flüchtlinge in Tschechien, aber auch in anderen Ländern nicht zu finden sind. Er braucht die Oberösterreicher beziehungsweise sich selbst nicht noch mehr zu verunsichern, als er dies in der Vergangenheit ohnehin schon getan hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich kenne die Situation und die Probleme der Flüchtlinge, Asylanten und Fremden von vielen persönlichen Gesprächen her, aber auch die Sorgen und Schwierigkeiten der Sicherheitsbehörden mit subversiven Elementen. Das vorliegende Gesetzespaket wird für alle anwendbar, wird humaner und zukunftsorientierter, also ein Gesetz mit wesentlichen Verbesserungen sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Heindl. )

14.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hofmann. Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich Sie nach weniger als 2 Minuten zum Aufruf der Dringlichen zu unterbrechen hätte. Wollen Sie jetzt Ihren Debattenbeitrag abgeben oder erst nach der Dringlichen? Es sind jetzt nur mehr eineinhalb Minuten. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann verneint.)  – Danke.

Dann unterbreche ich die Sitzung bis 15 Uhr.

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.


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Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt, Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend jahrelange Versäumnisse in der Bildungspolitik und die Kostenexplosion im Schulbereich (2569/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Verhandlung steht nun die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage. Diese ist inzwischen verteilt worden; eine Verlesung durch einen Schriftführer erübrigt sich daher.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"In einer modernen Industriegesellschaft kommt der Qualität des Schul- und Bildungssystems seit jeher ein hoher Stellenwert zu. Ein demokratischer Zugang zu Bildungsinstitutionen, ein hohes Bildungsniveau der Bevölkerung, qualifizierte FacharbeiterInnen und AkademikerInnen waren und sind die Grundpfeiler einer konkurrenzfähigen Wirtschaftsstruktur ebenso wie einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben die Bedeutung von Bildung und Ausbildung für den wirtschaftlichen Wohlstand eines Staates noch um vieles erhöht: In Zeiten eines durch europäische Integration und globalen Standortwettkampf verschärften Wettbewerbes, in Zeiten eines beschleunigten technologischen Wandels, in der die Halbwertszeit von Fachwissen beständig sinkt, in Zeiten dynamischer wirtschaftlicher Veränderungsprozesse wird Bildung zu einem Schlüsselfaktor im Wettbewerb der Staaten untereinander.

Die meisten Länder der Europäischen Union und viele Staaten außerhalb Europas haben diese neuen Herausforderungen an die Qualität und Leistungsfähigkeit von Schule und Bildung seit Beginn der 90er Jahre zum Anlaß genommen, ihre nationalen Bildungssysteme neu zu ordnen, zu modernisieren und in ihrer Effizienz zu steigern. Trotz aller Unterschiede in den einzelnen Reformansätzen lassen sich auf bildungspolitischer Ebene einige europaweite Trends feststellen:

Die Neuverteilung der pädagogischen Macht: Es gibt in vielen europäischen Ländern einen Trend zur Verlagerung der finanziellen, curricularen und pädagogischen Kompetenzen auf die Ebene der einzelnen Schulen. Die Stichworte dazu lauten: Dezentralisierung, Deregulierung und Autonomisierung.

Die Gemeinsame Schule – Gesamtschule: Die große Mehrheit der europäischen Länder hat die Sekundarschulen bis zum Ende der Schulpflicht in Gesamtschulen mit innerer Differenzierung umgewandelt. Lediglich die deutschsprachigen Länder behalten nach wie vor die frühe schulische Auslese für getrennte Schultypen auf der Sekundarstufe I bei.

Kerncurricula und individuelle Profile: In den meisten europäischen Ländern hat in den letzten Jahren insofern eine ,Revolution’ stattgefunden, als das Lehren und Lernen von traditionellen Routinen und überkommenen Ritualen, d.h. von ,Verschulung’ befreit wurde. Statt Jahrgangsklassen: Arbeit in Gruppen, statt Stundeneinteilung: Lernphasen, statt Fachgrenzen: Projektunterricht, etc.

Die Lehrpläne für Sekundarschulen sind zumeist nicht mehr staatlich verordnete Pakete von 12 bis 14 Pflichtfächern, sondern Kombinationen von verbindlichen Kernbereichen und Wahlfächern, mit denen ein individuelles Qualifikationsprofil gebildet werden kann.

Österreich ist bei allen diesen Trends jedoch die Ausnahme: Das österreichische Schulsystem hinkt diesen Entwicklungen nicht nur weit hinterher, die österreichische Bildungspolitik ist seit Jahrzehnten festgefahren und durch verschiedene Faktoren blockiert:

Der Selbstfesselungstrick einer europaweit einzigartigen 2/3-Gesetzgebung bei wesentlichen Bildungsmaterien verhindert seit Jahrzehnten eine sinnvolle Weiterentwicklung der Schulgesetzgebung. Auch die seit 1995 vorhandene 2/3-Mehrheit der Regierungskoalition konnte den


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absoluten Reformstillstand nicht überwinden. Das ideologische Scheingefecht ist hier allemal noch wichtiger als vernünftige Weichenstellungen im Bildungsbereich.

Die Festschreibung des proporzmäßigen Parteieneinflusses im Schulbereich (über den verfassungsmäßig verankerten Proporz bei den Landesschulräten) führt mit ihren kartellähnlichen Strukturen zu einer zusätzlichen Lähmung aller Reformabsichten. Wesentlich ist nicht die Qualität bei der Besetzung wichtiger Funktionen, wesentlich ist die Einhaltung der Proporzregeln. Innovative Projekte und neue Ideen werden bestenfalls in Schulversuche ausgelagert und dort belassen. An eine Überführung ins Regelschulwesen ist nicht gedacht.

Gleichzeitig ist das österreichische Schulsystem geprägt von zentralistischen, planwirtschaftlichen Strukturen, mit allen Auswüchsen an Ineffizienz und Vergeudung von Ressourcen und Engagement, wie dies durch fehlenden Wettbewerb immer bewirkt wird. Bürokratisierung und Verpragmatisierung als wesentliches Strukturmerkmal führen zu einer generellen Leistungsfeindlichkeit, zu einer außerordentlich ungerechten Einkommensverteilung bei den Lehrenden und zu Demotivation und innerer Kündigung als Massenphänomen des pädagogischen Sektors.

Wenn das österreichische Schul- und Bildungssystem dennoch im internationalen Vergleich bestehen kann und die Ausbildung unserer Jugend nach wie vor auf hohem Niveau stattfindet, dann ist das nicht das Ergebnis der Bildungspolitik der letzten Jahre, sondern trotz der Bildungspolitik der seit mehr als zehn Jahren regierenden großen Koalition erreicht worden; dann ist es wegen des großen Einsatzes derjenigen Lehrerinnen und Lehrer, die gegen die Schulpolitik der bisherigen Regierung durch ihren persönlichen Einsatz für eine menschliche und gute Schule gekämpft haben.

An der Schwelle zum 21. Jahrhundert zehrt das österreichische Bildungssystem von den finanziellen, pädagogischen und ideellen Ressourcen vergangener Zeiten. Doch die Signale, daß diese Ressourcen bald zur Neige gehen werden, sind unübersehbar.

1. Die Kostenexplosion im Schulbereich nimmt dramatische Auswüchse an.

Der Hinweis der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, daß durch den vermehrten Zustrom zu den höheren Schulen eine Aufstockung der Budgetmittel nötig sei, hat erneut daran erinnert, daß die Ausgabendynamik des Unterrichtsbudgets nach wie vor ungebrochen ist.

In den letzen 10 Jahren haben sich die Aufwendungen des Unterrichtsressorts nahezu verdoppelt – dies trotz lediglich geringer Steigerung der Schülerzahlen. Der Bundesvoranschlag für das Jahr 1997 sieht für das Kapitel 12: Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Aufwendungen von 67,165 Milliarden Schilling. vor.

In einer im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst und des Bundesministeriums für Finanzen im Jahre 1994 durchgeführten, jedoch nie veröffentlichten Studie des Instituts für Höhere Studien (Lassnig, Pechar, Riedel: Finanzielle Aspekte der Schulentwicklung) wird eine Prognose der zu erwartenden Kostensteigerungen im Schulbereich berechnet: Dabei erwarten die Autoren in der negativsten der berechneten Varianten eine Steigerung der Ausgaben des Bundes bis ins Jahr 2000 auf 74 Milliarden Schilling und eine weitere Steigerung bis ins Jahr 2010 auf 88 Milliarden Schilling.

Dem Berechnungsszenario des IHS, das offensichtlich von der Realität bereits überholt wurde, liegt eine Steigerungsrate des Unterrichtsbudgets von jährlich ca. 3 Prozent zugrunde. Demnach ist aufgrund der heutigen Budgetlage ein weiterer Anstieg des Unterrichtsbudgets um jährlich 2 Milliarden Schilling zu erwarten.

Derzeit werden bereits an die 90 Prozent des Unterrichtsbudgets für die Kosten des Lehrpersonals aufgewendet. Dieser Kostenanteil erfuhr in den letzten Jahren eine überproportionale Steigerung und stellt den Hauptverursacher der kommenden Budgetdynamik dar. Durch die nicht ausgewogene Altersstruktur der LehrerInnen und dem progressiven, mit automatischen Vorrückungen versehenen Gehaltsschema wird ein großer Teil der LehrerInnen in den nächsten


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Jahren höhere Gehaltsstufen erreichen und damit einen automatischen und mit keinerlei Leistungsausweitung verbundenen Kostenanstieg versursachen.

Wenn zu diesem systembedingten Personalkostenanstieg zusätzlich ein höherer Bedarf an LehrerInnen kommt, erscheint ein jährlicher Anstieg des Unterrichtsbudgets um 3 Milliarden Schilling realistisch. Damit wird bis ins Jahr 2000 ein zusätzlicher jährlicher Budgetbedarf von 10 Milliarden Schilling entstehen. Bei der vorliegenden Schätzung handelt es sich um eine gemäßigte Berechnung. Schulpolitische ExpertInnen, wie der ehemalige steirische Landesschulratspräsident Bernd Schilcher, warnten bereits vor zwei Jahren vor einer Kostensteigerung des Unterrichtsbudgets auf 120 Milliarden Schilling bis ins Jahr 2000 – wenn an den Strukturen nichts verändert wird.

2. Die Einkommensprivilegien der etablierten LehrerInnen werden nicht angetastet.

Die dramatische Kostenexplosion bei den Personalkosten ist den verantwortlichen PolitikerInnen im Unterrichtsressort seit Jahren bekannt – siehe die unter Verschluß gehaltene Studie des Instituts für Höhere Studien. Dennoch wurde in den letzten Jahren keinerlei Versuch unternommen, in dieser Hinsicht zu einer neuen Weichenstellung zu gelangen.

1995 wurden von Unterrichtsministerin Gehrer und dem damaligen Beamtenstaatssekretär Schlögl verschiedene Sparvarianten zu einer Eindämmung der Ausgabendynamik im Personalkostenbereich ventiliert:

Die Lehrverpflichtung sollte um 2 Stunden erhöht werden, bei gleichzeitiger Verkürzung der Unterrichtseinheit auf 45 Minuten.

Die Mehrdienstleistungen im Bereich der höheren Schulen sollten abgeschafft und der Zulagendschungel an den Pflichtschulen durchforstet werden.

Die Anzahl der Unterrichtsstunden an HTLs von bis zu 40 Stunden pro Woche sollte wesentlich gekürzt werden.

Durch eine Umstellung des Besoldungsschemas sollte bei höheren Anfangsgehältern eine insgesamt flachere Einkommenskurve erreicht werden.

Keine einzige dieser Maßnahmen wurden bislang auch nur in Ansätzen tatsächlich verwirklicht. Was in den sogenannten Sparpaketen der letzen Jahre diesbezüglich verändert wurde, war nicht mehr als das Abschwächen der obszönsten Privilegien. So konnte bis vor der letzten Novelle des Gehaltsgesetzes die Lehrverpflichtung der Bundes- und LandeslehrerInnen aus gesundheitlichen Gründen auf 50 Prozent herabgesetzt werden und dennoch weiterhin 100 Prozent des Monatsbezuges ausgezahlt werden. Der großartige Privilegienabbau bestand darin, daß nun bei einer Herabsetzung der Lehrverpflichtung auf 50 Prozent "nur mehr" 75 Prozent des Monatsbezuges zur Auszahlung gelangen, eine Maßnahme, die, wie es in den Erläuterungen zu diesem Gesetz heißt, "einen Kompromiß zwischen dem Prinzip einer leistungsgerechten Bezahlung und sozialen Erwägungen" darstelle.

Durch die Reformversäumnisse der letzten Jahre bleibt die besondere Situation der österreichischen LehrerInnen weiterhin bestehen: Die OECD-Studie "Bildung auf einen Blick" (1996) stellt für den Primarbereich fest, daß die österreichischen LehrerInnen mit 709 Unterrichtsstunden pro Jahr um 10 bis 15 Prozent unter dem Durchschnitt der OECD-Länder liegen. Gleichzeitig zählt Österreich zu jenen Ländern, in denen die Schüler/Lehrer-Quote im Primarbereich außerordentlich gering ist. Mit einem Verhältnis von 12:1 an Volksschulen und einer durchschnittlichen Klassengröße von 19 Kindern zählen die österreichischen Grundschullehrer zu den am geringsten belasteten Pädagogen des Grundschulbereichs im OECD-Vergleich.

Der vorliegende Rechnungshofbericht über den Landesschulrat für Steiermark zeigt, daß die vergleichsweise geringe zeitliche Belastung der österreichischen PflichtschullehrerInnen nicht unbedingt zu größerer Gesundheit des LehrerInnenstandes beiträgt: Laut Prüfbericht des RH


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traten von 1990 bis 1994 insgesamt 555 LandeslehrerInnen in den Ruhestand. 40 Prozent der männlichen und 75 Prozent der weiblichen Landeslehrer wurden wegen Dienstunfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt. Das Durchschnittsalter dieser in den Ruhestand versetzten Landeslehrer betrug bei den Männern 57,6 und bei den Frauen 52,4 Jahre!

Während die Lehrverpflichtung der PflichtschullehrerInnen mit 23 Stunden pro Woche bereits am unteren Ende in allen internationalen Vergleichen liegt, unterschreitet jene der LehrerInnen an höheren Schulen diesen Wert noch um beträchtliches. BundeslehrerInnen müssen durchschnittlich 20 Wochensunden in der Klasse unterrichten, wobei je nach Unterrichtsfach eine Stunde verschiedene Wertigkeiten hat. Unterrichtet ein Lehrer oder eine Lehrerin Fächer wie Latein oder Deutsch, hat jede Stunde eine Wertigkeit von 1,167 wodurch eine De-facto-Unterrichtszeit von 17 Wochenstunden entsteht. Das Österreichische Statistische Zentralamt hat in einer Befragung im Jahre 1992 erhoben, daß die durchschnittliche Arbeitszeit der österreichischen LehrerInnen bei 31,9 Stunden pro Woche lag.

Bezüglich der Schüler/Lehrer-Quote liegen die Werte der österreichischen höheren Schulen hingegen am einsamen Spitzenplatz: Auf einen AHS-Lehrer kamen im Schuljahr 1995/96 statistisch gesehen 9,4 Schüler, bei den BHS betrug das Verhältnis gar 1 : 8,5.

In allen öffentlichen Diskussionen über die Arbeits- und Einkommenssituation der österreichischen Bundeslehrer wird seitens der Interessenvertretungen auf die geringe Einkommenshöhe dieser Berufsgruppe verwiesen – was bei einem Gehaltsschema, das bei JunglehrerInnen bei ca. 22 000 S brutto beginnt, auf den ersten Blick plausibel erscheinen mag. Ein OECD-Vergleich aus dem Jahre 1995 zeigte demgegenüber auf, daß die Einkommenschancen der österreichischen BundeslehrerInnen bezüglich der erreichbaren Endgehälter beträchtlich über jenen der verglichenen OECD-Länder (u.a. BRD, USA, Schweden) liegen.

Die Einkommensstatistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im "Bericht über die soziale Lage 1995" beseitigt schließlich jeden Zweifel über die finanzielle Vergütung der LehrerInnen an höheren Schulen. Demnach lag das Medianeinkommen (50 Prozent verdienen weniger und 50 Prozent verdienen mehr, als ...) der pragmatisierten BundeslehrerInnen per 1. Juli 1995 inkl. Überstundenentgelte bei monatlich 48 900 S (in Worten: achtundvierzigtausendneunhundert). Damit liegt die Berufsgruppe der BundeslehrerInnen nach den UniversitätsprofessorInnen und den BeamtInnen der Schulaufsicht an dritter Stelle der Einkommenshierarchie – noch vor den RichterInnen/StaatsanwältInnen und UniversitätsassistentInnen.

Gemäß einer Erhebung des ÖSTAT lag das durchschnittliche Überstundenentgelt eines Bundeslehrers bzw. einer Bundeslehrerin (Pragmatisierte und Vertragsbedienstete) im Schuljahr 1994/95 bei 11 200 S brutto monatlich, zusätzlich zu einem durchschnittlichen Grundgehalt von 32 000 S. In absoluten Zahlen ausgedrückt gab es im Bereich der BundeslehrerInnen im Schuljahr 1994/95 einen Gesamtverbrauch von 755 423 Werteinheiten, was in Kosten ausgedrückt etwa 18,8 Milliarden Schilling beträgt. Davon betrug der Anteil der Mehrdienstleistungen (Überstunden) 3,1 Milliarden Schilling und damit bereits ein Fünftel der gesamten Personalkosten in diesem Bereich.

3. Die jungen LehrerInnen bleiben auf der Strecke.

Die aufgelisteten Zahlen sind den verantwortlichen PolitikerInnen wohlbekannt. Sie zeigen, daß die sich immer weiter zuspitzende Budgetsituation im Unterrichtsbereich das Ergebnis jahrelanger Versäumnisse der regierenden Parteien sind. Die exorbitanten Steigerungen bei den Personalkosten sind die Konsequenz einer verantwortungslosen Personalpolitik im Schulressort. In Zeiten wirtschaftlicher Prosperität wurde der Personalstand mit "billigen" JunglehrerInnen aufgestockt, die sich durch das Besoldungsschema der Pragmatisierten (regelmäßige Gehaltsvorrückungen) nun als finanzielle Zeitbombe entpuppen. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahren über das Zulagenwesen im Pflichtschulbereich bzw. über die Mehrdienstleistungen im Bereich der höheren Schulen Einkommensprivilegien geschaffen, die in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Leistungen stehen.


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Aber die Auflistung der statistischen Einkommenshöhe täuscht darüber hinweg, daß die Verdienstchancen bei den LehrerInnen äußerst ungleich verteilt sind. Während insbesondere junge Lehrerinnen und Lehrer an den Pflichtschulen ohne die Möglichkeit von Überstunden mit Gehältern zwischen 22 000 S und 26 000 S auskommen müssen, lassen sich an höheren Schulen nach wie vor Einkommen jenseits von 100 000 S erzielen. Im Jahre 1995 hat der damalige Beamtenstaatssekretär Schlögl vorgerechnet, daß insgesamt 182 Lehrer an Abendschulen für Berufstätige Gehälter von über 100 000 S brutto erzielen.

Die kosmetischen Reformen des "Strukturpaketes" von 1996 haben an dieser ungerechten, leistungsfeindlichen und demotivierenden Situation nicht viel verändert. Anstelle der ursprünglich geforderten Abschaffung des Zulagenwesens und der Mehrdienstleistungen wurde die Verantwortung dafür auf die Länder verlagert. Diese müssen lediglich dafür sorgen, daß eine bestimmte durchschnittliche Höhe des Überstundenentgeltes nicht überschritten wird. Die Privilegien der LehrerInnen an Abendschulen wurden verkleinert, aber nicht abgeschafft.

Während die Aufrechterhaltung der ungleichen Einkommensverteilung innerhalb der Lehrerschaft einerseits zur Demotivation der jungen, oftmals engagierteren LehrerInnen beiträgt, sind die eigentlich Leidtragenden die arbeitslosen Junglehrerinnen und Junglehrer. Nach einer Untersuchung vom Februar 1997 warten derzeit österreichweit ca. 6 000 AbsolventInnen von Pädagogischen Akademien und Lehramtsstudien auf eine Chance zur Anstellung im Schuldienst. Ihre Aussichten sind keineswegs erfreulich. Die zurzeit pragmatisierten Lehrer sind großteils im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, ein großer Pensionierungsschub wird daher erst in ca. 15 Jahren kommen. Wenn nicht andere Möglichkeiten gefunden werden, wird sich an der Junglehrerarbeitslosigkeit bis ins Jahr 2013 nichts ändern.

4. Pädagogischer Konservatismus verursacht zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe.

Österreich ist einer der letzten europäischen Staaten, dessen schulisches Beurteilungssystem noch immer fast ausschließlich auf Ziffernnoten aufgebaut ist. Dabei hat sich die – wissenschaftlich breit abgesicherte – Erkenntnis, daß "Noten" eine denkbar schlechte Form der Leistungsbeurteilung sind, durchaus bereits bis Österreich durchgesprochen: In schöner Regelmäßigkeit wird in Studien, Symposien, Diskussionen festgestellt, welche negativen Folgen mit dem "Notenkult" verbunden sind: Noten täuschen Objektivität vor, wo doch alle Untersuchungen bestätigen, daß gleiche Leistungen von verschiedenen Lehrerinnen völlig unterschiedlich bewertet werden. Noten sind eher leistungshemmend als –fördernd, denn die gehäufte Rückmeldung von Mißerfolgen und der erniedrigende Vergleich mit den Klassenkameraden hemmt die Leistungsbereitschaft der langsamer lernenden Schülern. Schließlich werden Noten oft als Disziplinierungsinstrument eingesetzt. Die Note als "Waffe in der Hand des Lehrers, um seine Schüler in Schach zu halten ...." ist in Österreichs Klassenzimmern leider tägliche Realität.

Aber nicht nur die Ziffernnoten sind das Problem, sondern der mit ihnen untrennbar verbundene Selektionsmechanismus, das "Sitzenbleiben": Österreich ist im europäischen Vergleich an der Spitze bei den RepetentInnenzahlen. Im Schuljahr 1994/95 mußten insgesamt über 52 000 SchülerInnen eine Klasse wiederholen. Die RepetentInnenquote betrug an den Allgemeinbildenden Pflichtschulen 2 Prozent, an den Allgemeinbildenden Höheren Schulen 8,2 Prozent und an den Berufsbildenden Höheren Schulen bereits 13 Prozent! Den traurigen Spitzenwert bezüglich der "DurchfallerInnenquote" erreichen die Wiener Berufsbildenden Höheren Schulen mit einem Wert von 16 Prozent!

Mit dem "Sitzenbleiben" als Massenphänomen sind gleichzeitig hohe volkswirtschaftliche Kosten verbunden. Nimmt man die jährlichen Ausgaben pro SchülerIn als Maßstab, entstehen durch die hohen RepetentInnenzahlen jährliche Mehrbelastungen des Unterrichtsbudgets von rund 3 Milliarden Schilling. In der oben erwähnten Studie des IHS über die "Finanziellen Aspekte der Schulentwicklung" wird geschätzt, daß sich durch eine Reduktion der RepetentInnenzahlen auf 50 Prozent die LehrerInnenpersonalkosten bis ins Jahr 2000 um jährlich 1 bis 1,5 Milliarden Schilling reduzieren ließen.


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Neben den hohen volkswirtschaftlichen Kosten ist das "Sitzenbleiben", vor allem auch vom pädagogischen Gesichtspunkt gesehen, außerordentlich sinnlos. Wegen "Nichtgenügend" in ein oder zwei Fächern auch alle anderen Gegenstände wiederholen zu müssen, ist nicht nur sinnlos, es ist vor allem demotivierend. Ganz zu schweigen von den sozialen Folgen des "Sitzenbleibens": Herauslösen aus dem Klassenverband, öffentliche Stigmatisierung etc.

Die Willkür, mit welcher in Österreich mittels des Repetierens über SchülerInnenkarrieren entschieden wird, zeigt der österreichweite Vergleich der RepetentInnenzahlen: Während im bundesweiten Durchschnitt "nur" 4,6 Prozent aller SchülerInnen das Klassenziel nicht erreichen, gestalten sich die Chancen in den einzelnen Bundesländern äußerst unterschiedlich. Laut einer Studie des ÖSTAT über das Schuljahr 1994/95 haben die steirischen SchülerInnen, statistisch gesehen, doppelt so gute Chancen wie ihre Wiener KollegInnen. In der Steiermark schließen mit 3,4 Prozent anteilsmäßig nur halb so viele SchülerInnen negativ ab wie in Wien mit einer "SitzenbleiberInnen-Quote" von fast 7 Prozent!

Im Gleichklang mit der Erhöhung der RepetentInnenzahlen findet an Österreichs Schulen eine Verabschiedung aus der pädagogischen Verantwortung statt. Seit Jahren nehmen die privaten Aufwendungen für Nachhilfeunterricht kontinuierlich zu. 1996 hat eine repräsentative Umfrage der Arbeiterkammer Oberösterreich ergeben, daß die Ausgaben für Nachhilfe bereits auf 1,6 Milliarden Schilling pro Jahr gestiegen sind. Bereits rund 40 Prozent aller SchülerInnen brauchen außerhalb des Unterrichts eine/n LernhelferIn. 80 Prozent der Eltern sind der Meinung, daß in der Schule zu wenig erklärt würde. 75 Prozent der Eltern berichten, daß ihre Kinder über Lernstreß und Überlastung klagen, fast zwei Drittel gaben an, daß ihr Kind zumindest manchmal an Schul- und Prüfungsangst leidet.

5. Die zersplitterte Struktur des österreichischen Schulsystems führt zu hohen Kostenbelastungen und verursacht pädagogische wie organisatorische Probleme.

Österreich leistet sich mit der frühen Segmentierung der Bildungsinstitutionen in Hauptschulen und Berufsbildende Höhere Schulen einerseits und Allgemeinbildende Höhere Schulen andererseits den Luxus eines im internationalen Vergleich hochgradig zersplitterten, pädagogisch fragwürdigen und überaus teuren Schulsystems. Die bereits Jahrzehnte währende Diskussion über dieses Thema zeigt, daß die eigentlichen Gründe für die Reformblockade in der ideologischen Erstarrtheit der verantwortlichen PolitikerInnen liegt.

Währenddessen ist die Schulrealität längst über diese verordnete Selektion hinweggeschritten. Die Struktur der Übertrittsraten von der Volksschule zur Hauptschule oder AHS ergibt sich viel stärker aus der regionalen Verteilung als irgendeiner ohnehin nicht überprüfbaren begabungsmäßigen Verteilung. So steigen in Wien bereits über 60 Prozent der SchülerInnen in eine AHS oder eine Gesamtschule um; wobei auch innerhalb Wiens starke Unterschiede auftreten, die die Abhängigkeit von der sozialen Schichtung deutlich erkennen lassen: So wechselten im Schuljahr 1996/97 im 1. Bezirk über 80 Prozent in eine AHS, im 13. Bezirk waren es 76 Prozent und im 18. Bezirk 67 Prozent. Völlig anders ist die Situation jedoch in eher ländlich geprägten Gebieten. Dort wird – nicht zuletzt mangels ausreichender AHS-Standorte – von zwei Dritteln der SchülerInnen nach der Volksschule vorerst ein Wechsel in die Hauptschule vorgezogen, wodurch sich gesamtösterreichisch ein zu den Großstädten konträres Bild ergibt. Die Übertrittsraten liegen hier in einem Verhältnis von 70 : 30 im Vergleich der Hauptschule mit den AHS.

Die Irrationalität dieser viel zu frühen äußeren Differenzierung bzw. der inhärente Mechanismus zur Fehlentscheidung zeigt sich an den weiteren Laufbahnentscheidungen der österreichischen SchülerInnen. Während ca. 30 Prozent der AHS-SchülerInnen am Ende der Unterstufe in eine BHS wechseln, wählen umgekehrt ca. 35 Prozent der HauptschülerInnen den weiterführenden Bildungsweg zur Matura über eine AHS oder BHS, sodaß sich die Frage stellt, wozu die frühe Segmentierung dient, wenn diese für ein Drittel der SchülerInnen zu Fehlentscheidungen führt. Schließlich treten bereits an die 50 Prozent der AbsolventInnen berufsbildender höherer Schulen anschließend in ein Universitätsstudium ein, um dort – mit einem Jahr Verzögerung – auf Ihre KollegInnen aus der Langform der AHS zu treffen.


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Die frühe Segmentierung der österreichischen Schule schafft nicht nur ein ungerechtes und mit dem Trend zur Fehlentscheidung versehenes Bildungssystem, sie verursacht auch Kosten in Milliardenhöhe, ohne irgend einen zusätzlichen Nutzen zu erzielen. Die unübersichtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern verschärft die Problemlage zusätzlich. ExpertInnen aus dem Verwaltungsbereich schätzen die zusätzlichen Kosten des Nebeneinanders von Hauptschule und drei verschiedenen Formen einer gymnasialen Unterstufe auf mindestens 4 Milliarden Schilling pro Jahr.

Parallel zur Segmentierung in verschiedene Schultypen findet auch die Ausbildung der LehrerInnen in verschiedenen, deutlich voneinander getrennten Systemen statt – ohne daß es dafür eine sachliche Begründung gibt. Mit der Gleichzeitigkeit von Pädagogischen Akademien und der Lehramtsausbildung an Universitäten werden Doppelstrukturen aufrechterhalten, die eine Verdoppelung der Verwaltungskosten miteinschließen. Die daraus resultierenden unterschiedlichen Dienstrechte erschweren zusätzlich und unnötigerweise ein flexibles Reagieren auf eine Veränderung der Schülerströme zwischen Hauptschulen und AHS.

Die Schul- und Bildungspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte und die beharrliche Verweigerung von Strukturreformen und Modernisierung seitens der Verantwortlichen haben die österreichische Schule in eine prekäre Lage gebracht. Um das alte System aufrechtzuerhalten und die darin eingebaute Kostendynamik zu bewältigen, bedarf es permanenter Einsparungen zu Lasten der pädagogischen Qualität. Gleichzeitig mangelt es an jeglichem finanziellen Spielraum, um den neuen Anforderungen an Bildung und Ausbildung durch innovative Politik und Modernisierung gerecht werden zu können. Neue Lernformen, die Integration neuer Medien in den Unterricht, die Vorbereitung auf die Informations- und Mediengesellschaft der Zukunft, der Ausbau von Institutionen des lebensbegleitenden Lernens als dritte Säule des Bildungssystems, das alles findet in den veralteten Strukturen keinen Platz, und es fehlen die finanziellen Mittel, um Neues zu schaffen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Welche aktuellen Prognosen über die zu erwartenden Kostensteigerungen im Unterrichtsbereich liegen Ihnen vor? Stimmen Sie den zitierten Untersuchungen zu, daß es ohne strukturelle Reformen zu automatischen Kostensteigerungen von jährlich 2 bis 3 Milliarden Schilling kommen wird?

2. Wurden in Ihrem Ministerium bereits konkrete Berechnungen über den zusätzlichen Budgetbedarf bei den Personalkosten für die BundeslehrerInnen bzw. bei den Kostenersätzen für die LandeslehrerInnen bei unveränderten dienstrechtlichen Bestimmungen und stabilen SchülerInnenzahlen durchgeführt?

3. Welche Prognosen über die Entwicklung der SchülerInnenzahlen an österreichischen Schulen und dem damit verbundenen Finanzbedarf liegen Ihnen vor?

4. Aus welchen Gründen wurde die 1995 geplante Erhöhung der Lehrverpflichtung der Bundes- und LandeslehrerInnen um 2 Stunden bei gleichzeitiger Verkürzung der Unterrichtseinheit auf 45 Minuten bis heute nicht umgesetzt?

5. Seit Jahren wird öffentlich über die Notwendigkeit einer Umstellung des Besoldungsschemas der österreichischen LehrerInnen nachgedacht. Welche diesbezüglichen Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach ergriffen werden? Welche diesbezüglichen Maßnahmen haben Sie bereits ergriffen?

6. Warum wurde mit einer Reform des Dienst- und Besoldungsschemas der Bundes- und LandeslehrerInnen noch nicht einmal begonnen?


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7. Wie stehen Sie zu einer Erhöhung der Anfangsgehälter der österreichischen LehrerInnen bei insgesamt flacherer Einkommenskurve?

8. Halten Sie die Pragmatisierung für LehrerInnen an öffentlichen Schulen nach wie vor für sinnvoll? Wie stehen Sie zur Abschaffung der Pragmatisierung?

9. Wie erklären Sie, daß die österreichischen LehrerInnen laut der zitierten OECD-Studie eine um 10 bis 15 Prozent geringere Lehrverpflichtung haben als der Durchschnitt der OECD-Länder – bei einer vergleichsweise besseren SchülerInnen/LehrerInnen-Quote und höheren Einkommenschancen?

10. Welche aktuellen Zahlen über die Einkommenssituation der österreichischen BundeslehrerInnen liegen Ihnen vor? Wie erklären Sie das an der oberen Grenze des Gehaltsschemas liegende Medianeinkommen der pragmatisierten BundeslehrerInnen laut dem zitierten Sozialbericht 1995 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales?

11. Wodurch ergeben sich die Unterschiede in den durchschnittlichen Kosten pro SchülerIn und Jahr zwischen AHS und BHS?

12. Welche Maßnahmen zu einem Abbau von Überstunden im Bereich der Bundesschulen haben Sie bislang ergriffen? Welche Auswirkungen haben diese Maßnahmen bisher gehabt?

13. Welche Maßnahmen zu einem Abbau von Überstunden im Bereich der Pflichtschulen haben Sie bislang ergriffen? Welche Auswirkungen haben diese Maßnahmen bisher gehabt?

14. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den derzeit ca. 6 000 arbeitssuchenden JunglehrerInnen eine Perspektive zu bieten?

15. Wie stehen Sie zur Idee einer radikalen Reduktion der Mehrdienstleistungen im Bereich der Bundesschulen und einer Verwendung der damit eingesparten Budgetmittel zur Anstellung derzeit arbeitsloser LehrerInnen?

16. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die im internationalen Vergleich übermäßig hohen RepetentInnenzahlen zu senken?

17. Welchen pädagogischen Vorteil sehen Sie darin, daß SchülerInnen, die beispielsweise in einem Fach einen negativen Abschluß haben, deshalb das gesamte Schuljahr und damit auch alle positiv abgeschlossenen Fächer wiederholen müssen?

18a. Halten Sie es für vertretbar, daß seit Jahren durch die Kürzung von Werteinheiten und Senkung der Unterrichtsstunden gespart wird, während gleichzeitig durch die hohe Quote an RepetentInnen Milliarden an zusätzlichen Kosten entstehen?

18b. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die seit Jahren kontinuierlich steigenden Ausgaben für Nachhilfestunden zu stabilisieren bzw. zu senken? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Tatsache, daß nahezu 40 Prozent der österreichischen SchülerInnen gelegentlich oder kontinuierlich Nachhilfestunden in Anspruch nehmen müssen?

19. Halten Sie die frühe Selektion der österreichischen SchülerInnen in unterschiedliche Schultypen für pädagogisch sinnvoll, obwohl alle Untersuchungen darauf hinweisen, daß diese aufgrund unsachlicher Kriterien erfolgt?

20. Welche Schlußfolgerungen ziehen Sie aus der Tatsache, daß der Zustrom zu Hauptschulen bzw. Gymnasien zwischen ländlichen Gebieten und den Großstädten (insbesondere Wien) völlig unterschiedlich verläuft?

21. Halten Sie es für vertretbar, daß das zersplitterte Schulwesen in Österreich jährliche Kosten in Milliardenhöhe verursacht, während gleichzeitig an den Schulen auf dem Rücken der SchülerInnen eine strenge Sparpolitik verfolgt wird?


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22. Halten Sie es für vernünftig, wenn SchülerInnen der gleichen Schulstufe bei identen Lehrplänen von unterschiedlich ausgebildeten LehrerInnen unterrichtet werden?

23. Halten Sie es für gerecht, daß LehrerInnen, die Kinder der selben Schulstufe nach identen Lehrplänen unterrichten, dennoch unterschiedliche Einkommenschancen haben, je nachdem, ob sie an einer AHS-Unterstufe oder einer Hauptschule unterrichten?

24. Welche Weichenstellungen werden Sie vornehmen, um die Integration der "neuen Medien" in den Unterricht und die Vorbereitung auf die Informations- und Mediengesellschaft der Zukunft zu gewährleisten?

25. Welche Weichenstellungen werden Sie vornehmen, um das lebensbegleitende Lernen als dritte Säule des österreichischen Bildungssystems zu etablieren?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 93 Abs. 1 GOG des Nationalrates dringlich zu behandeln und der Erstunterzeichnerin Gelegenheit zur Begründung zu geben."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir beginnen sogleich mit der geschäftsordnungsmäßigen Vorgangsweise, die darin besteht, daß die erste Fragestellerin, Frau Dr. Schmidt, zur Begründung der Anfrage das Wort erhält. Die Redezeit beträgt maximal 20 Minuten. – Bitte sehr.

15.01

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Hohes Haus! Im Zuge der Berichterstattung über die Regierungsklausur hat gestern Walter Osztovics in einem Leitartikel des "Kurier" gemeint, Politik sei in Zeiten wie diesen vor allem Wirtschaftspolitik. – Ich bestätige das. Ich stimme ihm zu. Ich glaube aber, daß es vor allem zur Politik gehört, gesamtheitlich,, vernetzt und zukunftsorientiert zu denken und da vor allen Dingen den Menschen im Mittelpunkt zu haben. Zerbricht man sich den Kopf darüber, welche Menschen in der Wirtschaft agieren, wie es denn um die Menschen bestellt ist, die sich auf dem zur Verfügung stehenden Arbeitsmarkt zurechtfinden müssen, dann gehen die Gedanken diretissima ins Bildungswesen – und daher auch direkt in die Bildungspolitik.

In der jüngsten Vergangenheit gab es schon Ansätze, daß Bildungspolitik endlich wieder ins Gerede kommt. Das ist allerdings nicht aus Verantwortung der dafür zuständigen Bildungspolitiker und Bildungspolitikerinnen geschehen, wie wir das jedenfalls beurteilen, sondern vielmehr aus Notwendigkeiten, die sich aus der Natur der Sache ergeben: einerseits aus der Beschleunigung des Fortschritts, womit auch eine Verkürzung der Halbwertszeit des aktuellen Wissens einhergeht. Das ist unbestreitbar, und darauf ist zu reagieren. Das hat seine Ursache im Arbeitsmarkt, aus dem klar ersichtlich ist, daß es einen direkten Zusammenhang zwischen Arbeitsplatz und Bildung gibt, und letztlich in den Finanzierungsproblemen, insbesondere auch, was das Unterrichtsbudget betrifft.

Lassen Sie mich mit letzterem Punkt einmal beginnen. Wenn Sie sich die Finanzierungsentwicklung im Unterrichtsbudget anschauen, dann können Sie feststellen, daß sich dieses in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. (Zwischenruf des Abg. Marizzi. ) Herr Kollege Marizzi! Genau das ist das Problem, daß die SPÖ genauso wie die ÖVP die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs in der Bildungspolitik nicht erkennt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie angesichts dieses Budgetdesasters das nicht einmal erkennen, dann frage ich mich überhaupt, was Sie noch erkennen! Aber wenn Sie mir zuhören, dann werden Sie vielleicht später zumindest einen Ansatz von Verständnis haben; ich bin aber nicht sehr hoffnungsfroh, wenn ich Ihre bisherigen Bemerkungen einordne.

Wenn Sie sich die Budgetentwicklung anschauen, dann können Sie feststellen, daß wir im Jahr 1997 bereits 67,165 Milliarden Schilling für das Unterrichtsbudget vorgesehen haben. Wie


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ich höre, meint die Frau Ministerin, damit nicht auskommen zu können, und hat bereits etwa 800 Millionen Schilling an Mehrbedarf angemeldet.

Soviel ich weiß, sind die Schätzungen für das nächste Jahr mit einem Mehrbedarf von etwa 2,7 Milliarden Schilling angegeben worden. Und wenn Sie sich die Studie des Instituts für Höhere Studien anschauen, sehen Sie, daß man dort auf Berechnungen kommt, wonach bereits im Jahre 2000 74 Milliarden, im Jahre 2010 88 Milliarden Schilling notwendig sein werden. Das ist eine Finanzierungsentwicklung, eine Kostenexplosion, an der vielleicht auch in Zukunft Herr Kollege Marizzi nicht mehr vorbeigehen kann.

Ich denke, daß das gerade noch gerechtfertigt wäre, wenn man als Begründung gesteigerte Schülerzahlen oder erhöhte Aufgaben anführen könnte. Es ist aber eine Tatsache, daß nichts von alldem der Grund für die Ausgaben ist, sondern daß etwa 90 Prozent der Ausgaben in das Personal mit einer Struktur gesteckt werden, die überhaupt nicht auf die neuen Herausforderungen eingeht – ich sage jetzt "neu" Ihnen zuliebe, aber ich bin eigentlich der Meinung, daß diese Herausforderungen so neu gar nicht sind, sondern daß man hier in Strukturen verharrt, die von einer konservativen Lehrergewerkschaft verteidigt werden, die meint, daß das Wesen einer Interessenvertretung darin bestehen müßte, das Bestehende zu verteidigen und nur ja nichts Neues zuzulassen.

Wer dabei auf der Strecke bleibt, sind die Junglehrer, die nämlich auf diese Weise überhaupt keine Chance haben, in den Arbeitsprozeß eingegliedert zu werden, denn wenn Sie sich die Altersstruktur der derzeitigen Lehrer anschauen, sehen Sie, daß der nächste Pensionsschub etwa im Jahre  2010. Das heißt, wir haben noch 13 Jahre lang  ungefähr den gleichen Zustand an Arbeitslosigkeit von Junglehrern, wie das jetzt der Fall ist – wenn es keine Strukturveränderungen gibt.

Ich muß sagen, daß bei der Gewichtung ins Auge sticht, daß zum Beispiel bei den Bundeslehrern bereits ein Fünftel der Personalkosten für Mehrdienstleistungen aufgeht, Mehrdienstleistungen, die unserer Meinung nach ganz anders verteilt werden könnten, nämlich zugunsten von Junglehrern oder für die Einstellung neuer Lehrer, wenn jene Lehrer, die derzeit auf ihrem Besitzstand beharren, dazu bereit und Sie in der Lage wären, das auch der Gewerkschaft klarzumachen, beziehungsweise den Mut hätten, vielleicht einmal – ohne daß die Gewerkschaft zustimmt – das Parlament damit zu befassen, damit hier einschlägige Bestimmungen geregelt werden.

Ich darf zurückerinnern: Sie haben 1995 noch gemeinsam mit dem damaligen Beamtensstaatssekretär Schlögl verschiedene Sparvarianten zu einer Eindämmung dieser Ausgabendynamik erarbeitet. Das war etwas, das wir damals – auch als Opposition – unterstützt haben, weil wir uns dadurch mitverantwortlich gefühlt hätten, wenn uns eine entsprechende Weichenstellung gelungen wäre. Die Lehrverpflichtung sollte um zwei Stunden erhöht werden – bei gleichzeitiger Verkürzung der Unterrichtseinheit auf 45 Minuten. Die Mehrdienstleistungen – das ist das, was mir besonders am Herzen liegt – im Bereich der höheren Schulen sollten abgeschafft und der Zulagendschungel bei den Pflichtschulen durchforstet werden. Die Anzahl der Unterrichtsstunden an den HTLs, derzeit bis zu 40 Stunden pro Woche, sollte wesentlich gekürzt werden. Und – das ist ein Knackpunkt – durch eine Umstellung des Besoldungsschemas sollte bei höheren Anfangsgehältern eine insgesamt flachere Einkommenskurve erreicht werden.

Frau Ministerin! Keine einzige dieser Maßnahmen wurde auch nur im Ansatz verwirklicht. Das Ergebnis, von dem ich eben gesprochen habe, ist eines mit einer Kostenexplosion, aber mit keiner Weichenstellung, keiner Strukturreform, sondern mit einem Festhalten an alten Prinzipien, die im übrigen nicht den Kindern, den Schülerinnen und Schülern, zugute kommen, sondern einzig den Lehrern. Und das ist das, was uns stört, weil wir wissen, daß die engagierten Lehrer, die diese Struktur ebenso als leistungshemmend empfinden, überhaupt keine Chance haben, das, was sie mehr einbringen, dann auch abgegolten zu bekommen. Wir wissen, daß auch die Junglehrer auf unserer Seite sind, und deswegen ist das ein Thema, von dem wir glauben, daß ein Sprachrohr hiefür notwendig ist, um Ihnen – wären Sie dazu bereit – den


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Rücken zu stützen, wenn Sie endlich wieder in Verhandlungen eintreten, um hier eine Änderung herbeizuführen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das ist der eine Punkt, wobei ich, was die Finanzierung anlangt, sozusagen nur die Oberfläche erwähnt habe; wir werden ja in der weiteren Debatte noch mehr ins Detail gehen können. Ich glaube, daß der zweite Punkt, daß der Arbeitsmarkt eine Begründung dafür ist, daß über Bildungspolitik wieder geredet werden muß, ebenso wichtig ist. Ich muß ganz offen sagen: Selbstverständlich ist Bildung keine Garantie auf einen Arbeitsplatz; diese Zeiten sind vorbei. Aber wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann sehen Sie einen klaren Zusammenhang zwischen dem Risiko auf Arbeitslosigkeit und der Chance auf Arbeitsplatz und Bildung. Fast fünf von zehn Arbeitslosen haben keine den Abschluß der allgemeinen Pflichtschule übersteigende Berufsqualifikation; mehr als vier von zehn Arbeitslosen haben formal keinen Lehrabschluß.

Vergleicht man dann diese Zahlen mit anderen Bildungsabschlüssen, sieht man eine These bestätigt, nämlich: Bei Absolventen mittlerer kaufmännischer Schulen beträgt die Arbeitslosenrate 2,9 Prozent, bei jenen der AHS 2,4 Prozent, bei jenen sonstiger höherer Schulen 1,1 Prozent und bei jenen mit einem Universitätsabschluß 2,2 Prozent. Das heißt: Die These, daß Bildung Arbeit schafft, ist dadurch mit Sicherheit bewiesen – wenn ich auch zugestehe, daß von einer Garantie darauf keine Rede sein kann.

Aber wenn man diese Zahlen sieht, muß man sich eben fragen: Wie schaffen wir es, unser Bildungssystem so zu verändern, daß wir auch diesem Arbeitsmarkt gerecht werden? Und vor allem müssen wir die Frage stellen: Wozu bildet unsere Schule, unser Schulsystem, wie wir es derzeit haben, eigentlich aus? Ich möchte hier Bernd Marin xxx vgl.Pol voll zustimmen, der in einem seiner Kommentare dazu kürzlich meinte: "Die Schule bildet zu Untertanen aus." – Ich sehe das ganz genauso. Ich habe es immer so umschrieben, wie es meiner Empfindungslage entspricht, nämlich daß diese Art von Schule vor allem zu disziplinierten Schülerinnen und Schülern ausbilden möchte – offenbar in der in dem Fall richtigen Meinung –, damit diese auch später leichter disziplinierbar sind. Selbstverständlich sind kritikfähige, eigenständige Menschen mühsamer als solche – auch in einer Demokratie –, die jeweils ja sagen.

Unser Eindruck ist der, daß das derzeitige Bildungssystem durchaus Wissensvermittlung zum Ziel hat – aber mit Sicherheit nicht die Persönlichkeitsbildung, denn das könnte unbequem werden. Da fällt mir zusätzlich noch ein Beispiel ein, das kürzlich auf einer Bildungstagung von uns erwähnt wurde, ein Beispiel, das in den siebziger Jahren immer ein FDP-Politiker verwendet hat. Ich schmücke mich ungern mit fremden Federn, daher bin ich auch bereit, die Quelle anzugeben. Es ist das umgelegte Beispiel des xxx vgl. Gra Pawlowschen Reflexes, das die Situation meiner Meinung nach wunderbar beschreibt. Sie kennen ja den Pawlowschen Hund: Es geht darum, daß er darauf konditioniert wird, daß es bei einem Klingelzeichen Fressen gibt. Auf diese Weise entsteht der Speichelfluß, und nach einiger Zeit, wenn er weiß, daß das immer zusammenfällt – Fressen und Klingelzeichen –, braucht man nur noch zu klingeln, und der Speichelfluß entsteht, ohne daß der Hund ein Fressen bekommt.

Dieses Beispiel, umgelegt auf unser Schulsystem, läßt einen erschaudern, aber ich glaube, es ist wahr: Stellen Sie sich vor, was mit Menschen passiert, wie Menschen agieren, die zwölf Jahre lang in unserem System darauf konditioniert wurden, auf Klingelzeichen zu lernen und dann, wenn ein Beamter daneben steht. Genauso schaut unser Schulsystem aus, und genauso sind auch die Verhaltensweisen unserer Bürgerinnen und Bürger in weiten Bereichen, wenn sie es nicht schaffen (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek )  – es ist zwar nicht üblich, von oben Zwischenrufe zu machen, aber ich höre trotzdem gerne zu –, aus eigenem ihre Fähigkeiten weiterzubilden. Und wir glauben, daß die Schule selbst dazu keinen Beitrag leistet. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Was wir meinen, ist, daß das Schulsystem, daß die Schule ermutigen und nicht entmutigen soll, daß nicht indoktriniert, sondern zum Hinterfragen erzogen werden soll, daß entschlußfreudige und – durch das Wissen abgesichert – entschlußsichere Menschen diese Schulen verlassen sollen, vor allem, daß die Begeisterung zum Wissenserwerb in der Schule vermittelt werden soll. Das bedeutet eine grundsätzliche Änderung unseres Systems. Da wir das in unserer Dringlichen


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Anfrage sehr ausführlich umschrieben haben, kann ich mich jetzt durchaus sozusagen auf Überschriften beschränken, zumal ja auch noch eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen das Wort ergreifen wird.

An erster Stelle steht für uns: Das Bildungsziel ist neu zu definieren. Wir meinen, daß eine Abkehr vom reinen Vermitteln von Wissen und von Fakten hin zur Persönlichkeitsbildung das wesentlichste Element einer Änderung dieser Strukturen bedeutet. Wir meinen, daß das am besten in einer gemeinsamen Schule der 10- bis 14jährigen – mit einer inneren Differenzierung – erfolgen kann. Ich kenne auch hier wieder die Reflexe der einen Hälfte dieses Parlaments: Das Schlagwort "Gesamtschule" hat jede vernünftige Diskussion in der Vergangenheit abgewürgt, ein ideologisch besetzter Begriff, bei dem man sich mit den verschiedenen Konzeptionen und Inhalten eines solchen Modells überhaupt nicht mehr auseinandergesetzt hat, wie ja überhaupt unsere Bildungsdiskussion immer nur von diesen Schlüsselworten bestimmt ist, ohne sich dann mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Das gleiche war ja auch bei der Ganztagsschule beziehungsweise bei der Tagesheimschule der Fall, ehe man sich aus diesen ideologischen Grabenkämpfen herausgewunden und beides angeboten und die Wahl gefälligst den Eltern und den Schülerinnen und Schülern überlassen hätte. Aber das waren die typischen Kennzeichen der bisherigen Bildungsdiskussion.

Wir meinen jedenfalls, daß die Diskussion über die gemeinsame Schule der 10- bis 14jährigen notwendig ist, um auf diesem Wege zu einer anderen Persönlichkeitsentwicklung zu kommen und den einzelnen Schülerinnen und Schülern die Chance zu geben, ihren Fähigkeiten und ihrem Entwicklungsstand entsprechend ihre Neigungen auszubauen und damit neben dem Wissen auch ihre Persönlichkeit zu forcieren und zu formen.

Der dritte Punkt, von dem wir meinen, daß er ein wichtiges Instrumentarium wäre, ist eine ganzheitliche Leistungsbeurteilung statt der Ziffernnoten. Ich weiß schon, da kommen dann auch wieder – die Kollegin Rauch-Kallat hat das sofort getan – diese Reflexe. Es sind nämlich keine Argumente, sondern nur Reflexe. Sie tun geradezu so, als wäre das nivellierend, als würde man damit eine Leistungsbeurteilung überhaupt unmöglich machen. Genau das Gegenteil ist der Fall! Wenn Sie sich je damit auseinandergesetzt und Studien darüber gelesen haben, werden Sie gemerkt haben, daß dieses Ziffernsystem von 1 bis 5, von unterschiedlichen Lehrern gebraucht, völlig unterschiedliche Ergebnisse bringt und daß daher eine scheinbar objektivierte Vergleichbarkeit überhaupt nicht gegeben ist, und zwar selbst in Gegenständen wie Mathematik.

Ich gestehe ehrlich: Ich hätte mir das gar nicht vorstellen können. Meine Vorstellungswelt war so, daß ich mir gedacht habe, in Deutsch kann es schon sein, daß unterschiedlich beurteilt wird. Aber nein, auch in Gegenständen, für die – scheinbar – klare Kriterien vorliegen, findet man unterschiedliche Beurteilungen von unterschiedlichen Lehrern in der Notenskala zwischen 1 und 5. – Also kommen Sie nicht mit dem Argument, daß da eine Vergleichbarkeit gegeben wäre, hingegen bei einer verbalen Beurteilung nicht. Ganz im Gegenteil! Bei einer umfassenderen Leistungsbeurteilung, die ja nicht nur die verbale an sich ist, sondern die zum Beispiel durch Pensenbücher – diejenigen, die sich damit befaßt haben, werden wissen, was das ist –, durch direkte Leistungsvorlage stattfindet, gibt es sowohl den Leistungsanreiz bei Schülerinnen und Schülern als auch dann das Bereitsein für den Arbeitsmarkt.

Im übrigen gibt es heute kaum mehr ein größeres Unternehmen, das sich auf ein Zeugnis mit irgendwelchen Ziffern verläßt, sondern selbstverständlich auch Tests durchführt. Die Frage ist, ob man sich das dann nicht ersparen könnte, wenn man aufgrund einer solchen Leistungsbeurteilung bereits eine Grundlage hätte. Eine derartige ganzheitliche Leistungsbeurteilung ist unserer Meinung nach ein ganz wesentlicher Schlüssel, um auch einen anderen Geist in das Schulwesen hineinzubringen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der verstärkte Einsatz neuer Medien im Unterrichtswesen sollte eine Selbstverständlichkeit sein; etwas, was allerdings nicht durchgeführt wird. Daß eine engere Verzahnung zwischen Schule und Wirtschaft notwendig ist, wird wohl niemand bestreiten. Nur: Es genügt nicht, das zu sagen, sondern es ist auch notwendig, die entsprechenden Maßnahmen dafür zu ergreifen.


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Ich glaube, daß in diesem Zusammenhang auch mehr Wettbewerb in das Schulsystem kommen müßte. Das heißt, eine Förderung privater Bildungseinrichtungen scheint uns sehr wichtig zu sein. Nur ein Aspekt, den ich auch anmerken möchte: Ich halte die derzeitige Privilegierung konfessioneller Schulen für ungerechtfertigt. Ich glaube, daß Privatschulen, sobald sie einem gewissen Standard entsprechen und daher auch Öffentlichkeitsrecht erhalten, gleich behandelt und daher vom Staat gleich gefördert gehören. Eine Privilegierung einzelner Schulen hat überhaupt keine sachliche Begründung. Daher auch hier ein klares Veto gegen den derzeitige Zustand – und das Verlangen nach einer Veränderung!

Aber für all das ist mit Sicherheit eine Reform der Lehrerausbildung notwendig. Diese Reform wird jedoch nicht einmal andiskutiert, Frau Bundesministerin. Und das ist einzig Ihr Versäumnis! Ich denke, daß die Reform der Lehrerausbildung das eine ist, aber da gehört schon vorher ein bestimmter Geist geweckt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die letzte Diskussion, in der unsere Bildungssprecherin Maria Schaffenrath anregte, die Lehrer doch ein bißchen stärker in die Pflicht zu nehmen und auch an ihre Verantwortung für den Lernerfolg ihrer Schülerinnen und Schüler zu erinnern, und zwar in der Form, daß die Lehrer zum Beispiel in der letzten Woche vor Schulbeginn den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen sollten, nämlich jenen, die eine Nachprüfung haben.

Sie, Frau Bundesministerin, haben das als einen vernünftigen Vorschlag angesehen, die Lehrergewerkschaft hingegen hat ein klares Veto eingelegt. Daraufhin argumentierten Sie plötzlich: Eigentlich brauche man das nicht zu regeln, denn das geschehe sowieso. Wenn das wirklich Ihre Argumentation ist, dann frage ich Sie: Warum sagen Sie es dann nicht auch? Warum regeln Sie es dann nicht auch und drücken sich jetzt, indem Sie sagen, das geschehe sowieso in der Praxis, daher brauche man nicht weiter darüber zu reden?

Ich sage noch einmal: Ich weiß schon, daß es genug engagierte Lehrerinnen und Lehrer gibt – ich kenne selber viele –, die das wirklich tun und die sich genau aus diesem Grund über den derzeitigen Zustand ärgern, weil sie in einen Topf geworfen werden mit jenen, die unter der Käseglocke eines starren Systems sitzen und dort keinem Wettbewerb und keinem Leistungsdruck ausgesetzt sind. Und für diese engagierten Lehrer, die jetzt schon mehr tun, als sie eigentlich müßten, die auf diese Weise den anderen gegenüber benachteiligt sind, wollen wir eine Lanze brechen. Ich halte das für sehr notwendig, weil das eben auch der Zugang ist zu einem Reagieren auf den Arbeitsmarkt, vor allem aber zu einem richtigen Weg und zu einer richtigen Brücke in die Zukunft.

Für mich ist immer der Zusammenhang zwischen Sprache und Inhalt ein sehr erläuternder und ein sehr offenlegender. Die Tatsache, daß es "Schulschluß" heißt, daß es "Schulabschluß" heißt, ist eigentlich ein Offenbarungseid für die Haltung, die dahintersteht. Und das ist es, was wir durchbrechen wollen. Die Schule soll kein Schluß des Lernens sein, sondern ganz im Gegenteil. Das lebensbegleitende Lernen und die Erwachsenenbildung haben Sie bisher stiefmütterlich behandelt. Diese sollen nicht nur selbstverständlich, nicht nur durch gesetzliche Regelungen ermöglicht und forciert, sondern in werden. Die Gesellschaft soll sich von einer belehrten zu einer lernenden Gesellschaft entwickeln. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Anfragen gelangt nun die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zu Wort. – Bitte, Frau Minister.

15.21

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es amüsiert mich, wenn plötzlich gesagt wird, das Unterrichtsbudget sei viel zu groß, wenn es plötzlich ein Vorwurf sein soll, daß es sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. In letzter Zeit habe ich immer wieder gehört, das Unterrichtsbudget sei zu klein, es müßte viel mehr drinnen sein. Ich freue mich jedenfalls, daß wir diesen Umfang unseres Unterrichtsbudgets haben, und ich freue mich auch, daß wir eine gute Schule mit guten Lehrern und guten Lehrerinnen haben.


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Ich meine, daß gerade in den letzten zwei Jahren, soweit ich es beurteilen kann, zahlreiche Schwerpunkte gesetzt wurden, vor allem auch in diesem Haus beschlossen wurden, in diesem Haus diskutiert wurden, die sehr deutlich aufzeigen, daß unsere Schulen in Bewegung sind, daß sich unsere Schulen weiterentwickeln. Ich nenne schlagwortartig den Autonomieschwerpunkt, den Einsatz neuer Technologien an den Schulen, die Lehrplanarbeit, die Verdichtung der Lehrpläne in Kern- und Erweiterungsbereiche, die Schwerpunkte in der Förderung von Benachteiligten, in der Förderung von Begabten, die Reform der Polytechnischen Schule, die Integration, die Dezentralisierung im Bereich der Schulverwaltung, wo enorme Fortschritte erzielt wurden, neue Lehr- und Lernformen, die Verstärkung des Projektunterrichtes sowie auch Strukturmaßnahmen, sowohl im Bereich der Stundentafel als auch im Bereich der Organisation der Schule.

Eines möchte ich vorweg auch noch klar feststellen: Der Versuch, unsere Schulen mit dem sogenannten Pawlowschen Hund zu vergleichen, ist eine Beleidigung – für unsere Lehrer und für unsere Schulen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich weiß es von meinen eigenen drei Kindern: Die jungen Leute kommen als durchaus gefestigte Menschen aus der Schule heraus, keineswegs als Untertanen, sondern als solche, die sich entwickelt haben, die bereit sind, sich weiterzuentwickeln, und die selbstverständlich auch zu lebensbegleitendem Lernen bereit sind. Oberste Prämisse unserer Schule ist es, die Persönlichkeit zu entwickeln, und diese Persönlichkeit haben wir auch immer in den Vordergrund gestellt.

Nun noch zu einigen allgemeinen Bemerkungen von Ihnen.

Zur Frage der Lehrerbeschäftigung ist eindeutig und klar festzustellen, daß Lehrer wie alle anderen Bediensteten im öffentlichen Dienst 1 793 Stunden im Jahr arbeiten, daß diese Stunden teilweise Lehrverpflichtung sind, teilweise unterrichtsfrei, aber Dienstzeit. Sie wissen auch ganz genau, daß die Mehrdienstleistungen im Schulbereich nicht Überstunden sind wie in einem Büro, sondern daß die Mehrdienstleistungen notwendig sind, um die Stundentafeln abzudecken. Gerade in den letzten zwei Jahren haben wir verstärkt junge Lehrer angestellt, um Mehrdienstleistungen abzubauen. Dadurch ist es auch gelungen, die Mehrdienstleistungen um eine Milliarde abzusenken.

Ein ganz großes Dankeschön ist an alle Lehrer und Lehrerinnen zu richten, die in den letzten zwei Jahren trotz gleichbleibendem Unterrichtsbudget mit einer erhöhten Schüleranzahl die Unterrichtserfolge an unseren Schulen gesichert haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Wort, das mir noch ganz besonders am Herzen liegt, zur Forderung der Frau Abgeordneten Schaffenrath, die Lehrer mögen in den letzten beiden Schulwochen den Schülern Unterstützung geben und in der letzten Ferienwoche für Anfragen zur Verfügung stehen. (Abg. Mag. Barmüller: Ein gescheiter Vorschlag!) Es zeigt sich, daß durch das Frühwarnsystem wesentliche Erfolge erzielt werden konnten. So ist zum Beispiel in Oberösterreich festgestellt worden, daß es durch das Frühwarnsystem etwa ein Drittel weniger Nicht genügend gibt als im Vorjahr. Dieses Frühwarnsystem umfaßt rechtzeitige Beratung des Schülers, rechtzeitige Beratung der Eltern und In-die-Wege-Leitung von verschiedenen Hilfsmaßnahmen. Das ist einmal die Nummer eins. Das heißt, das Frühwarnsystem funktioniert.

Numero zwei: Es wurde mir von einem Bundesschülervertreter eindeutig und klar mitgeteilt – er hat das auch in einer Presseaussendung gesagt –, daß es Tatsache ist, daß die Lehrer in der letzten Ferienwoche erreichbar sind, daß es Tatsache ist, daß Lehrer ihren Unterricht vorbereiten. Es gibt überhaupt keine verantwortungsvollen Lehrer, die am Sonntag kommen und am Montag in die Schule gehen. Ich bitte, den Lehrern nicht so etwas zu unterstellen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler. ) Sie bereiten sich auf die Schule vor, sie bereiten sich auf das Unterrichtsjahr vor. Ich frage mich, warum ausgerechnet das Liberale Forum für alles und jedes eine Regelung, ein Gesetz, eine Verordnung, einen Erlaß haben will, besonders für Dinge, die sowieso funktionieren. Dieser Zentralismus ist mir völlig unerklärlich. (Beifall bei der ÖVP.)


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Nun zu den einzelnen Fragen.

Frage Nummer 1: Prognose Kostensteigerungen. Durch die Altersstruktur der Lehrer steigen die Strukturkosten im Bundesschulbereich im Jahr um 3,1 Prozent, im Pflichtschulbereich um 2 Prozent. Die Gesamtpersonalkosten können von mir erst dann festgestellt werden, wenn klar ist, welche Gehaltserhöhung im gesamten öffentlichen Dienst ausverhandelt wird. Das heißt, es müssen erst die Verhandlungen für den gesamten öffentlichen Dienst erfolgen, bevor die Gesamtpersonalkostensteigerung festgestellt werden kann.

Die Strukturmaßnahmen aufgrund der Altersstruktur – Vorrückungen, Biennalsprünge – betragen 3,1 Prozent bei den Bundeslehrern, 2 Prozent bei den Landeslehrern. Es gibt selbstverständlich laufende Berechnungen bei uns, welche Kostensteigerungen zu erwarten sind, und es ist selbstverständlich so, daß wir Strukturmaßnahmen setzen, um diese Kostensteigerungen auch aufzufangen. Ich möchte sehr klar und deutlich darauf hinweisen, daß es uns trotz der Strukturkostensteigerungen durch vernünftige Strukturmaßnahmen in den letzten beiden Jahren gelungen ist, das Unterrichtsbudget beziehungsweise das Personalbudget im selben Rahmen zu halten.

Nun zur Entwicklung der Schülerzahlen. Die Gesamtschülerzahlen betrugen 1994 1 175 000, 1995 1 181 000, 1996/97 1 186 000. Eine langfristige Beobachtung kommt zu folgendem Ergebnis: Die Schülerzahl wird noch einige Jahre ansteigen, vor allem auch durch die Verlagerung von Lehrlingen in den weiterführenden Schulbereich. Das heißt, wir erwarten für das heurige Schuljahr etwa 6 000 bis 8 000 Schüler mehr, für das nächste Schuljahr ebenfalls diese Anzahl mehr. Aber eine langfristige Schülerzahlenprognose zeigt, daß die Schülerzahlen ab dem Jahr 2005 oder 2007 im Sinken begriffen sein werden, sodaß wir uns in unserer Planung auf diese sinkenden Schülerzahlen werden einstellen müssen.

Nun zur Frage nach der angeblich 1995 geplanten Erhöhung der Lehrverpflichtung. 1995 war keine Lehrverpflichtungserhöhung von zwei Stunden geplant, es war auch keine 45-Minuten-Stunde geplant. 1995 haben wir andere Strukturmaßnahmen ergriffen. Wir haben in der Stundentafel aus pädagogischen Gründen Kürzungen vorgenommen. Es ist die HTL-Stundentafel um eine Stunde gekürzt worden. Es sind die Mehrdienstleistungen im Schnitt auf die achte Stufe beschränkt worden.

Eine Erhöhung der Lehrverpflichtung um zwei Stunden hätte sofort zur Folge, daß wir zusätzliche arbeitslose Lehrer haben. Was es für einen Sinn machen soll, noch weitere arbeitslose Lehrer zu haben, das frage ich mich wirklich. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. ) Ich habe diesen Vorschlag nie gemacht, und ich bitte, mich auch nicht mit jemand anderem zu verwechseln.

Zur nächsten Frage: die Umstellung des Besoldungsschemas der österreichischen Lehrer und Lehrerinnen. Es ist allgemein vom Staatssekretär angekündigt worden, daß er ein neues Vertragsbedienstetenschema erarbeiten möchte. Ich halte das für vernünftig. Die Lehrer werden selbstverständlich an allen entsprechenden Diskussionen darüber teilnehmen. Das hieße, das Anfangsgehalt anzuheben und dafür dann die Kurve verflachen zu lassen, um auf dasselbe Lebensgehalt zu kommen. Ich meine, daß wir uns da keineswegs ausklinken sollten, denn Lehrer sind genauso wie alle anderen öffentlich Bedienstete.

Diese Reform des Dienst- und Besoldungsschemas wird also zusammen mit dem öffentlichen Dienst in Angriff genommen. Einige Maßnahmen haben wir schon gesetzt. Es ist der Berechnungsschlüssel für die Mehrdienstleistungen herabgesetzt worden. Es ist die Berechnung für die Abendschullehrer herabgesetzt worden. Es ist also bereits einiges erfolgt.

Die Frage der Pragmatisierung muß allgemein diskutiert werden. Natürlich stellt die Pragmatisierung heutzutage für jemanden, der im Staatsdienst ist, einen gewissen Wert dar. Man muß die Pragmatisierung hinterfragen. Man muß feststellen, wo sie sinnhaft und wo sie nicht sinnhaft ist. Man muß da in eine offene Diskussion eingehen, und man muß auch die Qualität des Schulwesens in Zukunft sichern.


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Zur Feststellung, daß die österreichischen Lehrer angeblich eine geringere Lehrverpflichtung haben: Wir müssen uns endlich einmal darüber klar werden, daß in vielen Statistiken Äpfel mit Birnen verglichen werden. In anderen Ländern wird in die Lehrverpflichtung nur die Stunde eingerechnet, die der Lehrer in der Klasse hält, während die Verwaltungsstunden vom Verwaltungspersonal gemacht werden. Dabei kommt natürlich eine ganz andere Verhältniszahl Lehrer – Schüler heraus. Das heißt, die Lehrverpflichtung der österreichischen Lehrer liegt nicht an der Spitze der Lehrverpflichtungen Europas, aber in einem guten Durchschnitt. Genauso ist es mit der Einkommenssituation der österreichischen Lehrer. Sie liegt ebenfalls in einem Durchschnitt. Ich bitte Sie wirklich, zu beachten: Mehrdienstleistungen gehören nicht ins Durchschnittseinkommen eingerechnet. Und Mehrdienstleistungen werden auch im Lehrerbereich immer weniger werden.

Die unterschiedlichen Kosten zwischen Schülern in der AHS und in der BHS ergeben sich vor allem aus der Stundentafel und auch aus den Ausstattungsunterschieden durch Werkstätten und Laboreinrichtungen.

Die Überstunden wurden bereits abgebaut. Wir haben in diesem Jahr eine Milliarde weniger an Überstundenleistungen zu erwarten. Wir sind weiter dabei, die Überstunden soweit wie möglich mit jungen Lehrern und Lehrerinnen zu besetzen. Außerdem wird es noch weitere Maßnahmen geben, damit Überstunden abgebaut werden können.

Im Pflichtschulbereich, das heißt im Volksschulbereich und im Hauptschulbereich, fallen kaum mehr Überstunden an. Im Schnitt ist es eine Überstunde. Ich glaube, daß das keine hohe Zahl mehr ist.

Zu den zirka 6 000 arbeitsuchenden Junglehrerinnen und Junglehrern. Ich meine, daß wir mit einem Vorruhestandsmodell eine gute Basis schaffen könnten, damit Junglehrerinnen und Junglehrer eine Möglichkeit haben, in den Schuldienst einzutreten. Genauso verhält es sich mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, angefangen von der Teilzeitarbeit bis zum Abbau von Mehrdienstleistungen. Die Initiativen dazu sind angelaufen, und ich hoffe sehr, daß Sie dieses Modell eines Vorruhestandes mit einem Abschlag dann auch entsprechend unterstützen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 15: Die Mehrdienstleistungen werden bereits soweit wie möglich abgebaut, indem man dort, wo es möglich ist, junge Lehrerinnen und Lehrer anstellt.

Zur Repetentenzahl ist zu sagen, daß Österreich im europäischen Schnitt liegt, daß das Frühwarnsystem bereits Erfolge erzielt hat, daß wir es weiter beobachten und ausbauen werden und daß die Unterstützung und Hilfestellung von seiten der Lehrer und Lehrerinnen immer größer wird. Ich darf das zeigen: "Kein Nachhilfeboom durch Fünferfrühwarnung". Es ist bereits jetzt klar, daß ein Drittel weniger Fünfer in Oberösterreich gegeben wird nur allein aufgrund dieses Frühwarnsystems. Ich glaube, das ist doch ein schöner Erfolg. (Beifall bei der ÖVP.)

Dasselbe gilt auch für die Frage 17. Wir haben bereits in unseren Gesetzen festgehalten, daß Schüler und Schülerinnen mit Beschluß der Klassenlehrerkonferenz aufsteigen können, daß sie wegen eines Faches nicht ein ganzes Schuljahr wiederholen sollen und daß sie ihre Lücken im kommenden Schuljahr nachholen können.

Zur Frage, ob es vertretbar ist, daß durch Kürzung von Werteinheiten und Senkung der Unterrichtsstunden gespart wird. Ich wiederhole noch einmal: Die Senkung der Unterrichtsstunden ist eine pädagogische Maßnahme gewesen, weil die Schüler zu sehr belastet waren. Die Werteinheiten sind österreichweit verbindlich vereinbart, und jedes Land erhält nach transparenten Kriterien die Werteinheiten zugeteilt.

Zu den Nachhilfestunden. Dazu kann ich nur feststellen, daß bitte erstens einmal Eltern und Lehrer wirklich fragen sollten: Sitzt das Kind in der richtigen Schule? Wenn zu viele Nachhilfestunden anfallen, wenn es zu große Mühe macht, dann soll man auch den Mut haben, eine andere Schule zu wählen. Zweitens sieht man, daß durch unser Frühwarnsystem die Nachhilfestunden reduziert werden können.


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Nun zur Frage der unterschiedlichen Schultypen. Dazu möchte ich einmal klar feststellen: Schüler und Schülerinnen in Österreich werden nicht aufgrund unsachlicher Kriterien in verschiedene Schultypen eingereiht, sondern Lehrer und Lehrerinnen sind sehr wohl qualifiziert, sachlich mit den Eltern festzustellen, wofür ein Kind geeignet ist, und die Entscheidungen erfolgen dann auch in Zusammenarbeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Der unterschiedliche Zustrom zu den Hauptschulen beziehungsweise zum Gymnasium stellt eine Herausforderung dar. Österreichweit sind immerhin noch über 70 Prozent der 10- bis 14jährigen in der Hauptschule. In den Städten, in den Ballungsräumen stehen wir da natürlich vor einer Herausforderung, und es gibt bereits verschiedene Zusammenarbeitsmodelle, die sich als sinnvoll erweisen.

Zur Frage 21 ist festzustellen, daß es keine strengere Sparpolitik auf dem Rücken der Schüler und Schülerinnen gibt, und zwar auch in Zukunft nicht, sondern daß wir die Qualität unserer Schulen durch innere Maßnahmen sehr wohl steigern werden.

Zur Ausbildung der Lehrer muß ich feststellen, daß sehr wohl gerade in den letzten Monaten Verbesserungen erfolgt sind, nämlich dahin gehend, daß die Ausbildung an den Pädagogischen Akademien an den Universitäten anerkannt wird. Die unterschiedliche Ausbildung ist, glaube ich, auch dadurch begründet, daß unsere Pädagogischen Akademien eine sehr gute Ausbildung liefern. Ich verstehe also nicht, warum man da etwas ändern sollte.

Die unterschiedliche Einkommensentwicklung zwischen AHS-Lehrern und Hauptschullehrern ist einfach in der Länge der Ausbildung, in der Länge des Studiums begründet.

Bei der Integration der neuen Medien sind wesentliche Fortschritte erzielt worden. Es wurde ein Vertrag mit einem Internet-Betreiber vom Ministerium abgeschlossen. In den letzten Monaten ist die Zahl der ins Netz eingebundenen Schulen um 20 Prozent gestiegen. Wir werden bis zum Jahr 2000 alle Schulen am Netz haben und allen Schulen die Möglichkeit geben, ins Internet einzusteigen. (Zwischenruf beim Liberalen Forum.)

Alle Schulen, sagte ich. Das sind 6 800 Schulen. Da sind auch alle Pflichtschulen dabei. Da müssen wir mit den Ländern arbeiten. Ich glaube, daß es sehr gut ist, wenn wir dieses Ziel erreichen. Österreich ist bei der Vernetzung, im Bereich der modernen Technologien in Europa führend. Das darf ich hier ganz klar feststellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun zur Frage zum lebensbegleitenden Lernen. Es wundert mich, daß immer der Anspruch gestellt wird, daß das lebensbegleitende Lernen, daß die Erwachsenenbildung eine rein zentral verordnete Sache sein muß, wo das Ministerium alles tun muß. Ich frage mich wirklich, warum man im Bereich der Erwachsenenbildung nicht den Ländern, nicht den einzelnen Anbieterorganisationen vertraut, warum alles und jedes der Staat machen muß. Ich halte das für ein altes Denken, mit dem endlich einmal Schluß sein muß. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, daß im Bereich der Erwachsenenbildung das Bundesministerium Richtungskompetenz und Förderungskompetenz hat, die wir selbstverständlich wahrnehmen. Die Richtungskompetenz wird auch dadurch kommentiert, daß wir einen Erwachsenenbildungsbeirat installiert haben, der die Richtung vorgeben wird. Wir werden auch neue Förderungsrichtlinien mit transparenten Förderungskriterien erlassen. Wir werden im kommenden Herbst die sogenannte Teilrechtsfähigkeit beschließen. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, daß Schulen Angebote im Erwachsenenbildungsbereich für Erwachsene machen. Ich hoffe sehr, daß Sie diese Teilrechtsfähigkeit dann auch mit Ihren Stimmen unterstützen werden.

Meine Damen und Herren! Ich meine, Schule und Bildung ist neben Wirtschaft und Sozialem die wichtigste Aufgabe der Politik, Schule und Bildung muß uns allen hier herinnen ein Anliegen sein, Schule und Bildung muß von einer breiten Verantwortung getragen sein.

Die österreichischen Schulen sind absolut gute Schulen. Das wird durch internationale Studien dokumentiert. Vor einem halben Jahr haben wir erfahren, daß Österreich bei den Schulen der


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10- bis 14jährigen im Bereich Mathematik, Naturwissenschaften unter 41 Staaten der Welt an neunter Stelle liegt, und heute ist die Nachricht gekommen, daß die österreichischen Volksschulen auf Platz eins in Europa rangieren. (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich meine, das ist ein Anlaß, festzustellen, daß die Politik den Schulen beziehungsweise der Bildung höchstes Augenmerk schenkt. So wurden in den letzten Jahren zahlreiche Innovationen eingeleitet. Die Lehrer arbeiten engagiert mit, wofür ich ihnen ein Dankeschön sagen möchte. Doch es gibt noch viel zu tun. Machen wir es miteinander! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gehen in die Debatte ein. Die Redezeiten sind mit 10 Minuten begrenzt.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte sehr.

15.44

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrte Frau Ministerin! – Oh, Verzeihung! Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Ministerin! Ich war von der Qualität Ihrer Antworten wirklich unangenehm berührt. (Widerspruch bei der ÖVP.) Sie sollten sich eigentlich nicht darüber amüsieren, daß wir hier eine Erhöhung ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. ) Wissen Sie, Sie verkörpern geradezu das österreichische Schulsystem und dessen Bildungsziel: den Untertan, den Kritikunfähigen, den, der sich nicht qualifiziert einbringen kann. (Beifall beim Liberalen Forum. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Mühlbachler. )

Nun zurück zu dem, was ich eigentlich sagen wollte: Sie sollten sich nicht darüber amüsieren, daß wir eine Steigerung des Unterrichtsbudgets kritisieren. Wir kritisieren das nicht. Wir kritisieren, daß es nur aufgrund der Personalkostenexplosion, basierend auf nicht zu rechtfertigenden Privilegien, ohne Qualitätsverbesserungen zu unabsehbaren Steigerungen in diesem Bereich kommt.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich stehe auch nicht an, all die vielen verantwortungsbewußt arbeitenden Lehrer und Lehrerinnen zu loben, und ich weiß, daß viele dieser Menschen ihre Aufgabe sehr ernst nehmen. Aber es waren eigentlich Sie, die dazu beigetragen hat, daß die Arbeit dieser Menschen in Wirklichkeit gar nicht beurteilt werden kann. Sie haben nämlich erst vor kurzem in einem "Standard"-Interview gemeint, es wäre schlechter Unternehmensstil, Leistungen der Lehrer zu beurteilen. Dazu darf ich Ihnen sagen: Mit dieser Grundeinstellung würde wahrscheinlich jeder Unternehmer in der Wirtschaft in Konkurs gehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber jetzt zu einzelnen Ihrer Antworten; leider habe ich nicht sehr viel Zeit zur Verfügung.

Sie sagten, durch vernünftige Strukturmaßnahmen konnte eine Budgeterhöhung verhindert werden. Da frage ich mich wirklich, was daran vernünftig war. Es gibt eine lineare Kürzung der Werteeinheiten, eine Verschlechterung der pädagogischen Bedingungen an unseren Schulen, eine rapide Einschränkung des Bildungsangebotes, eine Erhöhung der Klassenschülerhöchstzahlen. (Abg. Mag. Mühlbachler: Was wollen Sie denn eigentlich?) Die Situation in Tirol ist Ihnen sicherlich hinlänglich bekannt. Dort führt das bereits zu extremen Bildungsnachteilen im Bereich der AHS-Oberstufe.

Wenn Sie hier sagen, eine Kürzung der Unterrichtseinheit auf 45 Minuten bei gleichzeitiger Erhöhung der Lehrverpflichtung würde ein Mehr an arbeitslosen Lehrern bedeuten, dann muß ich entgegnen: Das mag sein, wenn man, so wie Sie, nur reine Sparmaßnahmen ohne strukturelle Veränderungen setzt. Wir wünschen uns zusätzliche Werteeinheiten zu einer Verbesserung der pädagogischen Bedingungen, zur Aufnahme neuer Inhalte, zur Verkleinerung der Gruppengrößen, und wir stellen uns auch eine kontinuierliche Förderung jener Schülerinnen und Schüler vor, die Probleme haben.


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Hier auf den Abbau von – ich möchte fast sagen obszönen – Privilegien zu verweisen, wie die Stundenreduzierung im Abendschulbereich, halte ich für allerhand, denn dieses Privileg, das Kolleginnen und Kollegen Einkommen über 100 000 S beschert hat, war nicht mehr haltbar. Das haben sogar Sie in letzter Konsequenz einsehen müssen.

Ich denke nicht, daß wir Äpfel mit Birnen vergleichen, wenn wir die Lehrverpflichtungen in anderen Ländern sozusagen in einen direkten Vergleich ziehen. Sie haben vergessen, zu erwähnen, daß bei uns die Lehrverpflichtungen darüber hinaus über Korrekturstunden, über Abschlagstunden und über unterschiedliche Wertigkeiten reduziert werden.

Wenn Sie meinen, durch den Abbau von Überstunden in letzter Konsequenz die Junglehrersituation in den Griff zu bekommen, dann gebe ich Ihnen recht. Auch wir treten für einen konsequenten Abbau der Überstunden ein. Aber dem steht leider die Gewerkschaft entgegen. Es ist noch nicht lange her, daß der Landesschulratspräsident Burgenlands 70 neue Stellen, glaube ich, aus Überstunden resultierend, ausgeschrieben hat und daß sich die Lehrergewerkschaft nicht zu schade dafür war, bei der Personalbeschwerdekommission dagegen aufzutreten. Sie hat lieber arbeitslose Junglehrer, lieber junge engagierte Lehrer auf der Straße, als das Überstundenprivileg abtreten zu müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie meinten darüber hinaus, daß wir mit unseren Zahlen an Repetenten und Repetentinnen nur im europäischen Schnitt liegen würden. Das ist nicht richtig! Wir weisen einen absoluten Spitzenwert aus, und dieser Spitzenwert kostet die öffentliche Hand Jahr für Jahr mehrere Milliarden Schilling – trotz nachweislicher Ungeeignetheit, tatsächlich Lerndefizite nachholen zu können.

Es war eigentlich Ihre eigene Aussage vor dem letzten Schulreformpaket, wie Sie es genannt haben, daß die Klassenlehrerkonferenz am ungeeignetsten ist, über das Aufsteigen der Schüler und Schülerinnen zu befinden. Es war Ihre eigene Aussage im Rahmen eines "Presse"-Interviews, in dem Sie festgestellt haben, daß da ganz andere Kriterien, beginnend bei Teilungszahlen bis hin zu unter Umständen persönlichen Voreingenommenheiten, den Ausschlag geben. Heute wieder die Klassenlehrerkonferenz als das einzig geeignete Mittel hinzustellen, halte ich für eine doch sehr rasche Änderung Ihrer persönlichen Meinung.

Wenn Sie immer dann, wenn die Qualität des Unterrichts in Diskussion steht, mit der Pauschalaussage kommen, daß man sich fragen müsse, ob das Kind auch in der richtigen Schule sitzt, dann werden es sich die Lehrerinnen und Lehrer auch gefallen lassen müssen, daß die Frage gestellt wird, ob auch jedes Kind tatsächlich von einem guten, verantwortungsbewußten und kompetenten Lehrer unterrichtet wird. So einfach können wir uns das hier nicht machen. Auch Lehrer und Lehrerinnen werden sich in Zukunft – bei aller Akzeptanz ihres Engagements und bei meiner größten Hochachtung vor ihrer Leistung – eine Leistungsbeurteilung gefallen lassen müssen, und zwar eine Leistungsbeurteilung, die Konsequenzen hat (Zwischenruf des Abg. Großruck ) und die unter Umständen auch zu einer Veränderung im Besoldungssystem führt.

Derzeit haben wir eine große Sicherheit; darauf hat die Ministerin ja schon hingewiesen. Derzeit haben wir folgende Situation: Der nächste Biennalsprung kommt bestimmt, und sonst kann ja einem Lehrer beziehungsweise einer Lehrerin trotz ungenügender Leistung eigentlich nicht viel passieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Ministerin heute hier die ausgezeichnete Beurteilung der Volksschule angesprochen hat, dann sage ich gerne: Das freut mich auch! Aber gerade die Volksschule ist ja eigentlich die böse "linke Eintopfschule", wie es wahrscheinlich Kollege Höchtl sagen würde, jene Schule, die im dritten und vierten Jahr mit Hilfe innerer Differenzierung trotz Integration bei den 9- und 10jährigen sehr gute Leistungen hervorgebracht hat. Ein Jahr später erfolgt dann die Selektion, ein Jahr später zersplittern wir, ein Jahr später teilen wir in Gruppen ein und provozieren so geradezu Repetentenquoten, provozieren kuriose Schullaufbahnen, produzieren Schulabbrecherquoten in großer Höhe, und all das verursacht auch noch Kosten in Milliardenhöhe. Sie aber halten an diesen alten Konzepten fest, und das


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kostet Milliarden; Milliarden, die uns in letzter Konsequenz fehlen werden, um notwendige Reformen – auch im Bereich des lebensbegleitenden Lernens, auch im Bereich neuer Medien an den Schulen, von denen noch lange nicht genug vorhanden sind – durchführen zu können.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß von Ihnen immer großartige Ankündigungen kommen, denen dann eigentlich nur sehr wenige Taten folgen. Es gibt großartige Ankündigungen, den Aufschrei der Gewerkschafter, dann reduzierte Vorschläge, und vom Reformansatz bleibt null übrig. Das nenne ich Reformpopulismus! Das geht an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler vorbei, das geht an den Wünschen und Sorgen der Eltern vorbei, und das geht auch an den Anforderungen von Gesellschaft und Wirtschaft in höchstem Maße vorbei. Ich möchte Sie daher bitten, Ihren großen medialen Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. Er hat das Wort.

15.53

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Das Liberale Forum hat am vergangenen Wochenende eine, wie ich meine, sehr interessante Tagung abgehalten und im Rahmen dieser Tagung der Bildung einen Schwerpunkt gewidmet. Ich halte das durchaus für lobenswert und darf Ihnen sagen, daß ich mir den Entwurf Ihres Bildungsprogramms angesehen und festgestellt habe, daß darin in der Tat interessante Ansätze und Überlegungen enthalten sind, die ich sehr gerne mit Ihnen diskutieren würde. (Abg. Schaffenrath: Der Kohl hat gesagt, emanzipatorisch und daher staatsfeindlich!)

Es kommt mir aber schon so vor, als würde Ihnen eine Reihe von sichtbaren Unterschieden Ihres Programms zu der historisch gewachsenen Schule in Österreich auffallen, und ich nehme an, daß Sie daraus eine Dringlichkeit ableiten und uns deswegen verhalten, uns heute intensiv mit Schule zu beschäftigen. Ich bin der Auffassung, daß sich der Nationalrat sehr oft mit Bildung beschäftigen sollte, und sehe es eigentlich positiv, wenn wir uns heute zwei, drei Stunden und auch morgen zwei, drei Stunden über Schule, schulische Maßnahmen und Bildung unterhalten. Ich bin da durchaus diskussionsfreudig.

Ich möchte aber hier einmal die grundsätzliche Position der SPÖ festhalten. Ich meine, daß das österreichische Bildungswesen – und das zeigt in der Tat eine Fülle von Untersuchungen – im internationalen Vergleich durchaus wettbewerbsfähig ist. Alle mir bekannten Studien stellen dem österreichischen Bildungswesen ein gutes Zeugnis aus. Aber ich glaube, daß das Bild der österreichischen Schule sehr oft – vor allem dann, wenn man es kritisieren will – gerne ein wenig verzerrt dargestellt wird. Doch das kann man im Grunde genommen mit jeder Statistik und mit jedem Bild machen.

Lassen Sie mich beispielhaft und in aller Kürze ein paar Punkte herausgreifen, die die Entwicklung unseres Schulwesens in den letzten Jahren geprägt haben.

Wir haben – es wurde ja schon darauf hingewiesen – in letzter Zeit für unsere Schulen wesentlich mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung und wesentlich mehr Möglichkeiten der demokratischen Entscheidungsfindung geschaffen. Nahezu bei jeder Novellierung des Schulorganisationsgesetzes haben wir die Rechte und Möglichkeiten von Schulforum und Schulgemeinschaftsausschuß ausgeweitet. Wir haben im direkten Zusammenhang damit die Schulautonomie weiterentwickelt. Wir haben insbesondere im Grundschullehrplan neue Lehr- und Lernformen eingeführt. Es wurden neben der frontalen Art und Weise der Unterrichtsgestaltung kindorientiertere Lernformen, wie offenes, projektorientiertes, entdeckendes Lernen, eingeführt. Das sind an sich jene Ansätze, die genau auf das abzielen, was Sie in Ihrem Programm fordern.

In der Schule der 10- bis 14jährigen – das ist Ihnen vielleicht gar nicht bewußt – läuft zurzeit das Projekt "neue Lernkultur". Da geht es darum, in einer eher schwierigen Situation, nämlich im gefächerten Unterricht, die Schülerinnen und Schüler zu eigenverantwortlichem Lernen hinzu


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führen, zum Lernen zu motivieren, mehr Lernkompetenz, mehr Lerntechniken zu vermitteln beziehungsweise den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, diese zu erlernen.

Ich erinnere daran, daß wir im Bereich der Berufsschule als neue Fächer "Deutsch und Kommunikation" und "Lebende Fremdsprache" eingeführt haben, daß wir das Berufsschulwesen in den Bereich der Sekundarstufe 2 integriert haben, daß wir das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geschaffen haben. Morgen werden wir das Berufsreifeprüfungsgesetz beschließen, eine neue und, wie ich meine, in Zukunft interessante Chance für Lehrlinge. Wir haben darüber hinaus den Polytechnischen Lehrgang verstärkt der Berufsorientierung geöffnet. Wir haben die Aufnahmetests an der Berufsschule abgeschafft. Ich sehe in der Tat keine Bedrohung für das österreichische Schulwesen und kann Ihnen nicht beipflichten, daß wir uns dramatische Versäumnisse vorzuwerfen hätten.

Ein starkes Signal – die Frau Bundesministerin hat schon darauf hingewiesen – war die Fortsetzung der Integration in der Grundschule auch im weiterführenden Schulwesen, in der Unterstufe der AHS und in der Hauptschule. Noch läuft sie nicht – Beginn ist im Schuljahr 1997/98 –, sie wird auch nicht von Anfang an funktionieren, aber das sind Prozesse, die nicht von heute auf morgen hundertprozentig funktionieren können. Mehr Lehrerfortbildung, Intensivierung der Lehrerausbildung und arbeitsbegleitende Fortbildung sind notwendig, dann wird es gehen.

Wir sind darüber hinaus zurzeit in einer intensiven Diskussion über die Neugestaltung der Schulbuchaktion. Wir diskutieren sehr wohl auch darüber, neue Medien in diese Aktion aufzunehmen, dem Schulbuch einen anderen, sicherlich nicht mehr so dominanten Stellenwert in unserer Schule einzuräumen, weil eben Technik und neue Medien im Unterricht Einzug halten.

Trotzdem, meine sehr geehrte Damen und Herren, kann man – und das möchte ich mit allem Nachdruck sagen – mit dem Erreichten im Bildungswesen nie zufrieden sein. Es sind Änderungsprozesse, es sind weitere Reformprozesse angesagt. Lassen Sie mich nur einige, meines Erachtens besonders wichtige hier ansprechen.

Ich glaube, es ist dringend erforderlich – und wir haben das im Koalitionsabkommen auch festgeschrieben –, eine Flexibilisierung der Schuleingangsphase in Angriff zu nehmen. Es ist im Grundschulbereich, in der Phase, in der zum erstenmal organisiertes und gesteuertes Lernen stattfindet, die Grundlage zu erarbeiten und sicherzustellen, daß lebensbegleitendes Lernen überhaupt stattfinden kann, daß Lernen als etwas Positives erlebt wird, daß Lernen als etwas Befreiendes erlebt wird. Wir werden massiv dafür eintreten, daß im Bereich der Schule der 10- bis 14jährigen Schulverbünde bundesweit eingerichtet werden können.

Es muß künftig möglich sein, daß durch das Gesetz akzeptiert wird, wenn sich Lehrer, Eltern und Schüler einer Hauptschule und einer AHS zusammenfinden und in demokratischer Form dafür entscheiden, solche Ansätze umsetzen zu wollen, es muß das durch das Gesetz ermöglicht wird. Es ist in der Tat nicht klug, so früh so bedeutsame Schullaufbahnentscheidungen vor-zunehmen.

Wir wollen auch die Aufgaben der Berufsschule erweitern. Die Novellierung des § 46 ist uns allen ein Anliegen. Wir werden auch eine verstärkte Berufsorientierung und Berufsvorbereitung in den Lehrplänen der 7. und 8. Schulstufe der Hauptschule und AHS verbindlich festlegen.

Tausende Lehrerinnen und Lehrer im Bereich der 10- bis 14jährigen arbeiten österreichweit am Projekt "Lehrplan 1999", anfangs mit Widerständen, in der Zwischenzeit, wie ich meine, doch sehr engagiert, mit dem Ziel – ich habe schon darauf hingewiesen –, eigenständige Lernkompetenz, Lerntechniken und Schlüsselqualifikationen, aufbauend auf den kindgerechten Lehr- und Lernformen der Grundschule, zu vermitteln. Sie arbeiten an inhaltlichen Bereichen; heute noch isoliert dastehende Unterrichtsgegenstände werden zu Handlungs- und Lernfeldern zusammengeführt. Dadurch, aber auch durch den Einbau von neuen Technologien soll mehr Lebensnähe erreicht werden, und all das dient dem Vorhaben, Leistungsorientierung, Qualitätssicherung und Persönlichkeitsentwicklung sicherzustellen.


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Selbstverständlich brauchen wir eine Weiterentwicklung im Bereich der Lehrerausbildung für alle Lehrerinnen und Lehrer in vollakademischer Form. Wir wollen eine verbindliche Lehrerfortbildung, ein einheitliches Dienstrecht und eine entsprechende Entlohnung.

Wir können und wollen – und das sage ich auch ganz offen – nicht akzeptieren, daß es eine derart große Anzahl von Negativleistungen in der Schule gibt. Die prognostizierten 80 000 "Nicht genügend" sind nicht zu akzeptieren. Die Repetentenrate ist zu senken, es ist daranzugehen, daß nicht jährlich Tausende Schüler ohne Hauptschulabschluß die Pflichtschule verlassen. Hier ist in der Tat Handlungsbedarf.

Ein ganzes Bündel von Maßnahmen wird erforderlich sein, um den Reformstau im Bereich der Leistungsbeurteilung zu bewältigen.

Frau Kollegin Schaffenrath! Sie werfen mir vor, ich hätte im Unterrichtsausschuß Ihrem Antrag zum Aufsteigen mit "Nicht genügend" nicht zugestimmt. Ich sage Ihnen: Dieser Antrag hat mit Reform der Leistungsbeurteilung nichts zu tun, und auch das Pensenbuch ist nicht die Reform der Leistungsbeurteilung. Ich meine, Reform der Leistungsbeurteilung heißt, darüber nachzudenken, wie wir denn schulische Leistung definieren wollen. Wollen wir abfragbares Wissen? Merkfähigkeit? Geht es uns um persönlichen Lernzuwachs, Zielerreichung, selbständiges Lernen, Verhalten im Team? Legen wir Wert auf die Fähigkeit, anderen zu helfen? (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Wie beobachten wir das? Nach welchen Kriterien messen wir Leistung? Wie halten wir Leistung fest? Im geheimen Notenbücherl, oder steht es irgendwo in der Klasse, für alle einsichtbar und nachvollziehbar? Wie gestalten wir die Rückmeldung an den Schüler, wie gestalten wir die Rückmeldung an die Eltern? (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wie gesagt: Auch wir wollen und werden die Schule weiterentwickeln, und ich weiß, daß auch unser Koalitionspartner bereit ist, Reformen voranzutreiben. Wir befinden uns in einem permanenten Veränderungsprozeß. Arbeiten wir zusammen! (Abg. Schaffenrath: Gerne!) Stärken wir die wichtigste Ressource unseres Staates: unsere Kinder! (Beifall bei der SPÖ.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. – Bitte.

16.04

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich können uns die Liberalen leid tun. (Lebhafte Zwischenrufe beim Liberalen Forum.) Da planen sie seit Tagen einen Riesenauftritt, versuchen, eine Dringliche Anfrage zu stellen, die sich konkret damit beschäftigt, die "jahrelangen Versäumnisse" – wohlgemerkt! – in der österreichischen Bildungspolitik aufzuzeigen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Tun Sie sich lieber selber leid!) Am selben Tage wird Österreich, wird Europa mit Meldungen überschwemmt, die über die Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien berichten: 500 000 Schüler, die untersucht wurden, zeigen: Österreichs Volksschüler sind die Nummer 1. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann doch nicht von ungefähr kommen, daß derartige Ergebnisse solcher Studien vorgelegt werden, und zwar nicht von der Frau Bundesministerin, nicht von der ÖVP, nicht vom Koalitionspartner, sondern von einer Institution, die sich immerhin "International Association for the Evaluation of Educational Achievement" nennt. (Abg. Dr. Haselsteiner: Na, sehr schön!) Es handelt sich also um eine entsprechende internationale Vereinigung der Bewertung der Bildungserfolge. Das für den Herrn Haselsteiner, der sich hier aufregt und der vielleicht Englisch nicht richtig aussprechen kann, es aber wohl doch gelernt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Kritisieren kann man recht einfach, Herr Kollege, aber sich einen derartigen Lapsus zu erlauben, die entsprechenden "jahrelangen Versäumnisse" aufzuzeigen und einen derartigen medialen Reinfall erleben zu müssen, das ist ein Versagen der Sonderklasse – nicht der Frau Bundesministerin, sondern des Liberalen Forums! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Seien Sie doch nicht so aufgeregt!)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte ja fast sagen, daß es nicht so sehr das Versäumnis der Bildungspolitik der zwei Koalitionsparteien ist. Der eigentliche Grund dafür, daß die Dringliche Anfrage vom Liberalen Forum gestellt worden ist, geht einzig und allein darauf zurück, daß Sie ganz einfach die Verbesserungen in der Bildungspolitik der letzten Jahre verschlafen haben. (Heiterkeit beim Liberalen Forum.) Wir müssen Ihnen Nachhilfeunterricht darüber geben, was diesbezüglich alles geschehen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren vom Liberalen Forum! Hätten Sie sich die Liste der Frau Bundesministerin angehört, in der die Autonomie, die Verbesserung der Finanzierbarkeit der einzelnen Schulen erwähnt werden – wobei die Teilrechtsfähigkeit, ein wesentlicher Punkt, nur den Abschluß der zusätzlichen Mittelaufbringung darstellt –, ebenso die eingeleitete Lehrplanreform, der Bereich der pädagogischen, der organisatorischen, der finanziellen Autonomie. Da wurden doch Leistungen erbracht! (Zwischenrufe beim Liberalen Forum.) Wir werden morgen erstmals die Matura für Lehrlinge – wirklich ein Durchbruch der Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem – beschließen.

Das heißt also: Wir haben Ihre Dringliche Anfrage zu nutzen, um Ihnen im Zuge der Beant-wortung das, was Sie in den letzten zwei, drei Jahren verschlafen haben, endlich einmal nahezubringen. Das ist die Aufgabe Ihrer Dringlichen Anfrage! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt gehe ich auf jene Punkten ein bißchen näher ein, die Sie seit Samstag als große Highlights zu behandeln versucht haben. (Abg. Dr. Kier: Bitte! – Abg. Böhacker: Highlights!) Es ist ziemlich lustig, daß in dieser Dringlichen Anfrage ein Thema überhaupt nicht behandelt wird, das angeblich bei diesem Bildungsforum des Liberalen Forums einen zentralen Diskussionspunkt eingenommen hat. (Abg. Dr. Kier: Das kann nur der Bischof Weber sein!) – Richtig erraten!

Es hat nämlich bei diesem Bildungsforum nicht nur eine zweistündige Diskussion über die Abschaffung oder Nichtabschaffung des Religionsunterrichtes gegeben, sondern die erste Rednerin, Frau Kollegin Schmidt, und die zweite Rednerin, Kollegin Schaffenrath, sind in einem heftigen Disput aneinandergeraten (Abg. Dr. Haselsteiner: Das ist ja ganz neu!) , infolgedessen mußte die Diskussion über den Religionsunterricht vom ersten Tag auf den zweiten Tag verschoben werden. Es hat dann eine Kampfabstimmung gegeben.

Also: Einerseits herauszugehen, Persönlichkeitsbildung zu fordern und andererseits jenen Gegenstand, der sehr stark zur Werteerziehung, zur Persönlichkeitsbildung beigetragen hat, nämlich den Religionsunterricht, abschaffen zu wollen, das ist Chuzpe à la Liberales Forum, und damit werden wir uns sicherlich nicht abfinden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Haselsteiner: Das sieht man beim Kiss!)

Zweites Thema: Noten. Es hat in den letzten Tagen einige Kommentare von manchen Journalisten darüber, was Sie dort an sogenannten bildungspolitischen Ergüssen erbracht haben, gegeben. Diese haben gemeint, sie hätten immer geglaubt, "liberal" stehe für mehr Leistung und für die Beurteilung der Leistung. (Abg. Dr. Kier: Ja!) Dabei ist Ihr System, Ihre Vision ja die, alle in dieselbe Schule zu schicken, die Schüler sollen keine Noten bekommen, der Unterricht soll abgeschafft werden, und alle sollen wahrscheinlich von vornherein mit entsprechenden Graden akademischer Würde ausgestattet werden.

Wenn das liberal ist, meine Damen und Herren, dann können Sie uns mit Ihrer Bildungspolitik gestohlen bleiben, und Ihre Vorschläge genauso! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sagen ein eindeutiges Ja zu einem System der Beurteilung der Leistung durch Noten. Wir sind für eine Ergänzung durch verbale Benotung – dazu sind wir gerne bereit –, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, etwas abschaffen zu wollen, wofür 80 Prozent der Schüler und Lehrer sind, das kann nur einem Liberalen Forum einfallen. Dazu sagen wir als Österreichische Volkspartei sicherlich nicht ja. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Schmidt: Sie sind schlicht und einfach kein Ansprechpartner!)

Drittes Thema, meine sehr verehrten Damen und Herren – Frau Kollegin Schaffenrath hat ja versucht, sich diesbezüglich als Prophetin zu erweisen (Abg. Dr. Schmidt: Sie sind leider nicht


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ernst zu nehmen, Kollege Höchtl!) –: Gesamtschule. – Frau Kollegin! Ich muß Ihnen wahrscheinlich noch ein paar ideologische Versatzstücke hier auftischen, die Sie in Ihren sogenannten Visionen am Samstag und Sonntag zu entwickeln versucht haben. Wissen Sie eigentlich, was die entsprechenden Betroffenen in Österreich darüber denken? Wissen Sie das? (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. ) Mehr als zwei Drittel der Betroffenen sagen, sie bekennen sich zu einem gegliederten Schulsystem (Abg. Mag. Barmüller: So fleißig waren Sie auf der Uni nicht!) , in dem die Wahlmöglichkeit zwischen Hauptschulen und Gymnasien weiterhin aufrechterhalten bleiben soll. Mehr als zwei Drittel!

Sie vom Liberalen Forum wissen wahrscheinlich nicht einmal, was Ihre eigenen Wählerinnen und Wähler denken, denn auch unter diesen ist eine massive Mehrheit für die Aufrechterhaltung des gegliederten Schulsystems. Das heißt, Sie haben, wie in vielen anderen Bereichen – von Homosexuellenehe bis zu Kruzifixdebatten et cetera –, überhaupt kein Gefühl dafür, was Ihre eigenen Wählerinnen und Wähler denken. Eine Dringliche Anfrage wäre eigentlich an die Kollegin Schmidt zu richten: Wie lange gibt es das Liberale Forum noch, wenn Sie weiterhin eine derartige Politik in diesen Bereichen machen? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Aber in der Bezügereform haben wir uns unterschieden, Herr Abgeordneter!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns in diesen wenigen Jahren immer wieder bereit erklärt, intensive Diskussionen zur Verbesserung des österreichischen Schul- und Bildungssystems zu führen. Wir sind auch immer dazu bereit. (Abg. Mag. Barmüller: Vor allem dann, wenn es ums Abcashen geht!) Wir haben in diesen zwei, drei Jahren unter der Leitung der Frau Bundesministerin Gehrer gemeinsam mit der SPÖ vieles zustande gebracht. Der Katalog darüber, was geschaffen, was verbessert worden ist, ist ziemlich umfangreich. Daß die Leistungen auch international anerkannt werden, ist für uns ein Zeichen dafür, daß nicht nur die politischen Rahmenbedingungen gut gesetzt werden, sondern daß die 120 000 Lehrerinnen und Lehrer in Österreich sich wirklich engagiert in der Bildungspolitik und im praktischen Bildungsgeschehen bemühen und Schüler und Lehrer engagiert ihren Leistungen gemäß versuchten, alles herauszuholen, was ihren Begabungen entsprechend drinnen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Versuchen wir das, was wir erreicht haben, als Basis zu verwenden, versuchen wir, uns auch den Herausforderungen der Bildungspolitik der Zukunft zu stellen. Aber derartige Vorschläge, die Sie sogar als Dringliche Anfrage einbringen, helfen in der Bildungspolitik keinen Schritt weiter. Das soll Ihnen anläßlich Ihrer Dringlichen Anfrage ins Stammbuch geschrieben werden! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kier: Danke schön!)

16.14


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner gemeldet. Bitte den zu berichtigenden dem tatsächlichen Sachverhalt gegenüberzustellen.

16.14

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Höchtl, dessen Kompetenz mir eher im Zusammenhang mit Doppelbezügen als mit Bildungsfragen in Erinnerung ist (Abg. Dr. Khol: Berichtigung!) , hat hier behauptet, die Erstrednerin und die Zweitrednerin hätten bei einer Parteiveranstaltung einen heftigen Disput gehabt. Das wäre an und für sich nichts Schlechtes. Es ist aber unrichtig.

Im Gegensatz, Herr Kollege Höchtl, zur ÖVP, wo wahrscheinlich bei solchen Veranstaltungen von oben indoktriniert ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, bitte den Sachverhalt zu berichtigen.

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (fortsetzend): Das ist unrichtig. Eine offene Diskussion, wie sie beim Liberalen Forum üblich und erwünscht ist (Zwischenrufe bei der ÖVP)  – ja, das hört ihr ungern –, hat nichts mit der Befehlsausgabe in der ÖVP zu tun. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer.

16.15

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Höchtl, du hast bei deinen Ausführungen zum Ethikunterricht zu erwähnen vergessen – vielleicht, weil es relativ schwierig zu erklären ist, warum das eingetreten ist –, daß in Wien im ersten Bezirk und im Bezirk Liesing ein Schulversuch mit Ethikunterricht im Laufen ist, der mit Zustimmung der ÖVP Wien ins Leben gerufen wurde. (Aha-Rufe bei den Freiheitlichen. – Gegenrufe bei der ÖVP.) Das hättest du bei deinen Ausführungen noch dazusagen und erklären sollen, warum die ÖVP in Wien diesen Schulversuchen zugestimmt hat, wodurch der Religionsunterricht torpediert wird. Das hättest du erklären sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum anderen: Es ist richtig, daß unsere Volksschulen sehr gut beurteilt werden, aber irgendwann nach der Volksschule tut sich dann ein Loch auf. Und um dieses Loch geht es hier, um dieses Loch in der österreichischen Bildungspolitik, das dazu führt, daß heute weit mehr als die Hälfte der Studenten ihr Studium nicht abschließt.

Meine Damen und Herren! Darüber müssen wir einmal nachdenken. Und ich glaube, man kann die Schuld dafür nicht den Lehrern zuschieben, und deshalb werden wir uns an der liberalen Lehrerkritik bis hin zur Lehrerhatz auch nicht beteiligen. Es ist vielmehr das Ergebnis einer jahrzehntelangen rot-schwarzen Bildungspolitik, die verantwortlich ist für die jetzige Situation, mit der Lehrer, mit der Schüler und mit der Eltern heute fertig werden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Konfrontiert sind alle Beteiligten auch mit dem Versuch dieser 68er Generation, die Gesamtschule durch die Hintertür einzuführen, konfrontiert mit den andauernden Nivellierungsbemühungen, die zum Teil erfolgreich waren, und konfrontiert mit den Ergebnissen falscher Weichenstellungen, zum Beispiel der Abschaffung der Aufnahmsprüfung für die höheren Schulen.

Was war denn das Ergebnis? – Es gab mit der Zeit immer mehr aufgeblähte Klassen in den allgemeinbildenden höheren Schulen und einen immer höheren Lehrerbedarf, während die Klassenschülerzahl in den Hauptschulen zurückgegangen ist und dort immer weniger Schüler immer mehr Lehrern gegenüberstehen. Das führt zu großen Problemen, sodaß viele Lehrer nur mehr sitzen müssen und fürs Sitzen bezahlt werden, ohne daß sie die Möglichkeit haben, überhaupt zu unterrichten.

Dieser falsche Weg hat uns diese Probleme gebracht, vor denen wir heute stehen. Dieser falsche Weg hat die einstmals gute Hauptschule insbesondere in den Ballungszentren zur Restschule degradiert, zur Restschule mit einer Negativauslese, mit der wir heute auch Probleme haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darüber müssen wir jetzt einmal reden. Sie haben doch mit der Einführung der Gesamtschule durch die Hintertür eine Spirale in Gang gesetzt, mit deren Auswirkungen wir heute nicht fertig werden. Es hat Reformen gegen jede pädagogische Vernunft gegeben, vor allem gegen jedes Leistungsprinzip. Es wundert mich, daß Sie nicht für die Einhaltung des Leistungsprinzips auch in der Schule sind, wo Sie es doch im tagtäglichen Leben immer wieder einfordern. Das Leistungsprinzip haben wir in vielen schulischen Fragen aus den Augen verloren.

Viele Reformen der letzten Jahre haben jegliche Leistungsnotwendigkeit außer acht gelassen und dadurch, glaube ich, jenes falsche Bewußtsein entstehen lassen, daß Qualifikation auch ohne Anstrengung, ohne Leistung erreicht werden könne. Und zum Teil trifft dies in der Praxis ja auch zu, wenn man bedenkt, daß bei diversen Konferenzen darüber diskutiert wird, ob man einem Schüler eine Nachprüfung antun kann, ob man ihn durchfallen lassen kann oder ob man befürchten müsse, daß dann die Klassen zusammengelegt werden. Nicht, was er kann, ist das Beurteilungskriterium, sondern: Werden Klassen zusammengelegt, sind damit weitere Lehrerstellen gefährdet? – Das sind jene Kriterien, nach denen heute in den Schulen, bei den


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Konferenzen entschieden wird. Und dafür tragen auch Sie die Verantwortung, meine Damen und Herren! Darüber werden Sie sich nicht hinwegschwindeln können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist doch so, daß die allgemeinbildenden höheren Schulen übergequollen sind, und durch die Abschaffung der Aufnahmsprüfung haben wir jetzt auch in den berufsbildenden höheren Schulen das Problem, daß der Zuzug enorm ist. Wir haben viel zu viele Lehrer in der Hauptschule, wir bekommen jetzt unter Umständen auch zu viele Lehrer in den Oberstufen des Gymnasiums, aber wir haben zuwenig Lehrer in den berufsbildenden höheren Schulen, und das bei einem Lehrer-Schüler-Verhältnis, das seinesgleichen sucht. Dieses beträgt in Österreich 1: 8. Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt! Dennoch haben wir die Situation, daß wir in bestimmten Schulen zuwenig Lehrer haben.

Da stimmt doch irgend etwas nicht, Frau Minister. Da müssen Sie einmal überlegen, wie Sie hier Abhilfe schaffen können.

Und was ist das Ergebnis dieser verfehlten Bildungspolitik? – Sie haben eine Maturantenschwemme produziert, die heute die Universitäten überlastet, und keiner weiß, wie man der Probleme an den Universitäten Herr werden soll. Professor Skalicky, (richtig) der Vorsitzende der Österreichischen Rektorenkonferenz, hat gestern gesagt, daß er mit immer mehr Studierenden konfrontiert ist, die die Mindestanforderungen nicht mehr erfüllen können. Und die über 50 Prozent liegende Drop-out-Quote bestätigt eindrucksvoll, daß Sie in den letzten Jahrzehnten den falschen Weg in der Bildungspolitik gegangen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf der anderen Seite sind wir mit der Situation konfrontiert, daß immer weniger Betriebe bereit sind, Lehrlinge einzustellen. Unter vielen anderen Gründen spielt sicherlich auch der eine Rolle, daß kaum jemand mehr, der irgendwo einmal eine erste Klasse eines Gymnasiums besucht hat, bereit ist, den Weg der Lehrlingsausbildung einzuschlagen. Deshalb sagen natürlich auch die Lehrherren: Das, was an wirklich schlechten Voraussetzungen bei denen vorhanden ist, die eine Lehre antreten wollen, das wollen wir nicht unbedingt in unserem Betrieb haben – abgesehen von den diversen Gesetzen, die die Lehrlingsausbildung für den Lehrherrn auch sonst noch erschweren und behindern.

Das heißt also – ich sage es wirklich so dramatisch, wie es ist –, mit wenigen Ausnahmen bewirbt sich nur mehr eine Negativauslese um Lehrstellen. Das ist ein Problem, das auch auf diese verfehlte Bildungspolitik zurückzuführen ist.

Das Experimentierfeld Schule nach dem Motto: Jedem linken Pädagogen sein Experiment und sein Versuchskaninchen! ist gescheitert. Es ist den Zauberern entglitten, es ist Scholten, Busek und leider auch Ihnen, Frau Bundesminister, entglitten. Es ist auch in zunehmendem Maße, wie man jetzt hört – und dem stimme ich ja zu –, unfinanzierbar geworden. Trotzdem lassen längst fällige Reformen, zum Beispiel im Bereich der Schulverwaltung, auf sich warten.

Frau Bundesminister! Ich bin neugierig, wann Sie die gewaltigen Einsparpotentiale in den Landesschulräten, in den Bezirksschulräten einmal angehen. Die liegen immer noch brach, weil der rot-schwarze Proporz auch in Sparpaketszeiten dort fröhliche Urständ feiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da wäre einmal einzusparen! Da gibt es gewaltige Potentiale, die einzusparen sind: bei den Präsidenten, den Vizepräsidenten, den Vizevizepräsidenten und was es da alles gibt.

Ich lehne es ab, daß jetzt, wo der Druck steigt, die Lehrer einzig und allein zum Sündenbock gemacht werden, wie man es hier immer wieder versucht (Abg. Dr. Schmidt: Die Politiker, nicht die Lehrer!) ; auch seitens des Wiener Stadtschulratspräsidenten, Frau Kollegin Schmidt. (Abg. Dr. Schmidt: Die Politiker, Herr Kollege!) Die alleinige Verantwortung liegt wohl bei denen, die die Rahmenbedingungen geschaffen haben, innerhalb der die Lehrer agieren müssen, und diese Rahmenbedingungen sind eindeutig rot-schwarz eingefärbt. Darüber brauchen wir nicht weiter zu diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie beim Liberalen Forum.)


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Frau Bundesminister, ich frage Sie: Was hat sich im Zeitalter immer rascherer Veränderungen, auf die die Lehrerausbildung reagieren müßte, tatsächlich geändert? (Abg. Schaffenrath: Nichts!) Lehrerausbildung und Lehreralltag haben doch ganz wenig miteinander zu tun. Da haben wir Lehrer für AHS und BHS, die kaum pädagogisch, kaum psychologisch geschult sind. (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt doch gar nicht!) Natürlich haben wir das nach wie vor. In der Lehreraus- und -fortbildung finden diese Umstände kaum Berücksichtigung – vor allem nicht auf universitärer Ebene, das wissen Sie genau, Frau Kollegin Brinek –, obwohl sich die Aufgaben der Lehrer in der Zwischenzeit vervielfacht haben und sehr differenziert, sehr diffizil geworden sind. Viele Ansprüche werden an die Lehrer gestellt. Eltern und Gesellschaft schieben viele Bereiche an die Schule ab, aber wir sind nicht in der Lage, die Lehrer entsprechend darauf vorzubereiten, damit sie diesen Anforderungen auch gerecht werden können. (Ruf bei der ÖVP: Sie dürfen nicht von sich auf andere schließen!)

Meine Damen und Herren! Was ist denn zum Beispiel mit der Reform der Stundentafel? Sie haben hier das eine oder andere Beispiel genannt, Frau Bundesminister, aber das war keine umfassende Reform. Die Zusammensetzung insgesamt ist überholt. Wir haben ein beziehungsloses Nebeneinander von traditionsreichen Fächern, zudem mehrfache Wiederholungen des Lehrstoffes in Unter- und Oberstufe. Fächerübergreifender, vernetzender Unterricht zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen ist eher noch die Ausnahme.

Weil es diese umfassende Reform der Stundentafel nach wie vor nicht gibt und auch die bürokratischen Hürden für diesen von allen geforderten Unterricht noch nicht abgebaut wurden, weil der Lehrplan noch nicht wirklich reformiert wurde, deshalb muß die Schule in der Realität mit so vielen Problemen kämpfen und erzeugt dann eben bei allen Beteiligten diesen Frust.

Meine Damen und Herren! Ich bin aber überrascht, daß die Liberalen nicht auf derartige Inhalte eingegangen sind, wie sie sie noch am Wochenende gefordert und propagiert haben. Sie haben sich in Ihrer Dringlichen nicht mit dem Ethikunterricht auseinandergesetzt. Ich hätte schon gerne gehört, wer welche Inhalte unterrichten soll und wo derjenige ausgebildet werden soll. Was passiert mit dem Religionsunterricht? Das alles sind Fragen, die Sie hier hätten beantworten sollen. (Abg. Dr. Schmidt: Ich lade Sie gerne zu einer Veranstaltung von uns ein! – Abg. Mag. Barmüller: Morgen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Schließen möchte ich mit einem Zitat, das wir uns alle hinter die Ohren schreiben sollten (Abg. Schaffenrath: Der Herr Höchtl vor allem!) : Bildung heißt nicht, den Plafond zu senken, sondern das Niveau zu heben. – Ich glaube, wenn wir in diesem Sinn agieren, dann werden wir einige Probleme bewältigen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort.

16.26

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich schwierig, in 10 Minuten ein derart umfangreiches Thema auch nur in den wichtigsten Aspekten zu erörtern (Abg. Dr. Graf: Wer hat denn die Geschäftsordnung geändert? Ihr habt die Geschäftsordnung geändert!) , aber ich werde versuchen, einige zentrale Punkte herauszugreifen. (Abg. Scheibner: Jetzt seht ihr, wie das ist!)

Frau Ministerin! Ihre Antwort hat mich nicht überzeugt, ich beginne aber trotzdem mit einem Lob: Ich finde es erstaunlich und begrüßenswert von seiten der Opposition, daß Sie unter allen Ministern dieser Bundesregierung die einzige waren, die für ein sehr wichtiges Ressort, für einen sehr wichtigen Bereich gefordert hat: Da müssen mehr Mittel hinein! Das gestehe ich Ihnen zu. Ich finde Ihre Haltung in dieser Frage durchaus begrüßenswert – auch von der Oppositionsseite her. (Abg. Dr. Schmidt: Die Frage ist nur, wofür!)


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Jetzt kommt aber die Kritik, Frau Ministerin. Wenn Sie in Ihrer Stellungnahme heute sagen, daß jene Schüler, die viele Nachhilfestunden brauchen, wahrscheinlich den falschen Schultyp gewählt haben, dann halte ich das für eine vermessene Antwort. Ich halte sie deswegen für vermessen, weil Sie genausogut wie ich und jeder hier herinnen wissen, daß die Leistungsschwäche in einem bestimmten Bereich – ob das Sprachen sind, ob das Mathematik ist oder irgendein anderes Fach – noch lange nicht wirklich etwas über die Qualifikation und die Leistungsfähigkeit des oder der Betreffenden aussagt.

Wir müssen uns wahrscheinlich, wenn wir über Schule und Bildungsreform diskutieren, von jenem Bild von Schule verabschieden, das wir aus vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit uns mitgetragen haben in die neue Zeit und das da vorsieht, daß die Qualifikation schon erreicht sei, wenn ein bestimmter Fächerkanon gelehrt wird und innerhalb dieses Fächerkanons bestimmte Sachen wiederum Jahr für Jahr heruntergebetet werden.

Damit bin ich in der Kritik auch inhaltlich schon bei dem, was Sie durchaus an Reformgedanken zum Thema Rahmenlehrplan, Kernstoff und Erweiterungsstoff zu diskutieren versuchen. Ich habe mir das in einem Fach angeschaut, und zwar in Biologie. Es hat mich interessiert, weil Biologie mich interessiert. Da finde ich im Kernstoff von Biologie nach wie vor drinnen, daß der Schüler oder die Schülerin sozusagen über den inneren Aufbau des Wurms, über seine Zellstrukturen, über seine Physiologie und und und genauso Bescheid wissen muß wie wir, als wir das vor 30, 40 Jahren gelernt haben. Das ist kein Hinweis auf modernes Lernen. Es gibt andere Bereiche, in denen durchaus mehr versucht wird, aber das würde ich nicht unbedingt als den bildungspolitischen Fortschritt bezeichnen.

Ich komme noch einmal zur Debatte und zu den Ausführungen des Kollegen Höchtl zurück, weil er hier – aus seiner Warte natürlich verständlich – die großen Erfolge gepriesen und als vermeintlichen Leistungsausweis für die Politik der ÖVP die großen Erfolge der Volksschule im internationalen Vergleich angeführt hat.

Herr Kollege Höchtl weiß offensichtlich nicht, daß die Volksschule der einzige Schultyp in Österreich ist, der de facto eine Gesamtschule, eine gemeinsame Schule aller Lernenden von sechs bis zehn Jahren ist. Und trotz dieser gemeinsamen Schule aller Lernenden von sechs bis zehn Jahren finden wir hier im internationalen Vergleich sehr gute Leistungsmerkmale.

Wir, meine Damen und Herren von der ÖVP, wir als Grüne würden uns wünschen, daß das, was für die Volksschule gilt, und zwar offensichtlich auch als Leistungsausweis gilt, auch für die Zehn- bis Vierzehnjährigen gelten soll. Wir fordern auch eine gemeinsame Schule für die Zehn- bis Vierzehnjährigen ein. Wir halten das für sinnvoll, und es ist richtig und wichtig gewesen, daß das Liberale Forum in der Anfrage darauf hingewiesen hat, welche Kosten dieses Schulsystem, dieses äußerlich gegliederte Schulsystem, das zwischen Hauptschule und Gymnasium differenziert, verursacht und welche schlechten Effekte es produziert.

Offensichtlich – das zeigen auch die internationalen Beispiele, aber Herr Abgeordneter Höchtl zitierte in diesem Zusammenhang dann nicht den internationalen Vergleich – können alle Länder durchaus gute Erfahrungen mit der gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen machen. (Abg. Dr. Höchtl: Das stimmt nicht! Das stimmt doch nicht! Das ist ein Blödsinn!) Die Frage ist nur, wie man sie gliedert. Das wissen wir doch auch. Wir kennen nicht mehr nur die äußere Differenzierung, sondern wir kennen auch die innere Differenzierung: Und dazu bekennen wir uns.

Wir halten es für richtig, daß die innere Differenzierung der Schulen weiterentwickelt wird. Dafür ist aber die äußere Differenzierung ein großes Hindernis, Herr Abgeordneter Höchtl. Sie verhindert sie nicht, aber sie ist ein großes Hindernis, weil sie diese innere Differenzierung nur unter dem Diktat der knappen Kassen möglich macht. Das ist das Problem. Diese äußere Schulgliederung, die Sie so verteidigen, kostet uns immens viel Geld. Wir könnten ein wesentlich effektiveres, ein wesentlich effizienteres Schulsystem im Interesse der Schüler und Schülerinnen haben, wenn wir die Schule etwas mehr nach den Schülern orientieren würden, wenn wir etwas mehr auf die innere Differenzierung, auf die Neigungen der Schüler, auf die


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Ausgestaltung der Schulen nach ihren besonderen Anforderungen Rücksicht nähmen und die Schulen dementsprechend gestalteten.

Das ist auch der Punkt, in dem ich mich wahrscheinlich vom Liberalen Forum unterscheide. Uns geht es nicht um den Wettbewerb zwischen den Schulen – die Vielfalt der Schulen ist angesagt. (Abg. Schaffenrath: Wie wollen Sie das erreichen ohne Wettbewerb?) Die Vielfalt der Schulen kann ich aber auch anders erreichen als über den Wettbewerb. Der Wettbewerb produziert immer Starke und Schwache, und die Frage ist: Was machen wir mit den Schwachen? Der Wettbewerb liefert sie gnadenlos aus. Da nützen uns auch alle kompensatorischen Angebote nichts oder nur sehr wenig. Der Wettbewerb kennt immer den Unterlegenen.

Wir brauchen die Vielfalt, die auf die besonderen Fähigkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler Bezug nimmt und versucht, sie zu fördern. Es gibt erstaunliche Leistungen – darin sind wir sicher wieder einer Meinung – auch im Bereich von sogenannten behinderten oder lernschwachen Schülern, wenn man nur fähig ist, deren Fähigkeiten im Rahmen der Schule zu fördern. Und genau darin liegt der Mangel dieser Schule, die versucht, alles über einen Leisten zu schlagen. Das ist der große Irrtum des Kollegen Höchtl, der glaubt, eine gemeinsame Schule würde diesen knappen Leisten, diesen gemeinsamen Leisten herstellen. Das stimmt überhaupt nicht. Dafür gibt es genügend Beispiele. (Abg. Dr. Höchtl: Es geht darum, die Schwachen zu fördern und die Starken zu fordern!)

Wir sind deshalb als Grüne, Kollege Höchtl, durchaus für die Förderung von Privatschulen. Ich sage Ihnen nur eines: Diese Förderung von Privatschulen kann nur unter den Umständen erfolgen, daß die Privatschulen dieselben Kriterien erfüllen müssen wie öffentliche Schulen. Es kann meiner Ansicht nach eine Privatschule, die Schulgeld verlangt, nicht staatlich gefördert werden, es kann eine Privatschule nicht gefördert werden, die nicht den gleichen Zugang zu ihrer Schule ermöglicht. Es muß so etwas wie eine Verpflichtung geben – in der Versicherungswirtschaft nennt man das den Kontraktionszwang –, daß jeder Zugang zu dieser Schule haben muß. Wenn diese Rahmenbedingungen auch für Privatschulen gewährleistet sind, dann bekennen wir uns dazu, daß auch Privatschulen auch gefördert werden. Ich halte das für sinnvoll. (Abg. Dr. Puttinger: Dann soll der Staat auch die Gebäude zahlen, bitte!)

Ein Punkt noch, meine Damen und Herren, weil das wahrscheinlich auch in den nächsten Monaten eine große Debatte bedeuten wird: das Stundenausmaß, die Lehrerbelastung und alles, was damit im Zusammenhang steht und auch in der Anfrage des LIF releviert worden ist. (Abg. Schaffenrath: Liberales Forum!)

Meiner Ansicht nach sagt der Durchschnitt von 31,9 Stunden, der geleistet wird, überhaupt nichts darüber aus, was in den einzelnen Fächern tatsächlich an Belastung auch für die Lehrenden vorhanden ist. Das große Problem liegt genau darin, daß diese Festlegung über die Stundenwertigkeit bei weitem nicht zum Ausdruck bringt, was in den einzelnen Fächern geleistet wird.

Wenn ich etwa weiß, daß die Wertigkeit in Fächern wie Turnen, Sport et cetera 0,95 beträgt, in Fächern wie Deutsch und Englisch, also den sogenannten Lernfächern, beträgt sie hingegen 1,3 (Abg. Mag. Schweitzer: 1,6! Keine Ahnung!) , dann weiß ich auch, daß diese Wertigkeit, die vorgegeben ist und am Maß von 20 Stunden gemessen wird, in keiner Weise den tatsächlichen Belastungen und den Unterschieden zwischen diesen einzelnen Fächern Rechnung trägt.

Frau Ministerin! Daher fordern wir Grüne ein – und das habe ich mir eigentlich erhofft von dieser irgendwie sehr unglücklichen oder nicht stattgefunden habenden Debatte über das Lehrerleitbild –, daß die Arbeitsbelastung der Lehrer tatsächlich anders evaluiert wird, als das bisher in der Vergangenheit der Fall war. Ich halte es für unerträglich, daß den Lehrern immer das Ausmaß ihrer Stundenbelastung vorgeworfen wird, daß es als Vorwurf im Raum stehenbleiben kann und daß die Lehrer dann von sich aus argumentieren müssen, daß sie Vorbereitungsarbeiten zu erbringen haben, die in diesem Stundenausmaß überhaupt nicht Berücksichtigung finden.

Ich halte es für unerträglich, daß es Gruppen unter den Lehrern gibt – und das wissen Sie sicher genausogut wie ich, Frau Ministerin –, die natürlich bei dieser Art von Stundenwertigkeit sehr gut


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davonkommen – diese Lehrergruppen kann ich Ihnen nennen, die kennen Sie auch –, es gibt aber gleichzeitig Lehrer, die sehr schlecht davonkommen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wir haben also, Frau Ministerin ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Wir haben also in Zukunft sehr viel zu diskutieren. Das Problem ist vielschichtiger, man kann es nicht über einen Leisten schlagen, und ich hoffe, Frau Ministerin, daß Sie in Ihrem Engagement für die Schule, aber auch für die Schulreform (Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen), in der Sie oftmals durch eine Gewerkschaft gebremst werden, nicht innehalten. (Beifall bei den Grünen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier.

16.37

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Kollege Höchtl ist der Vorsitzende des Unterrichtsausschusses. Das sage ich deswegen von diesem Rednerpult aus, weil ich davon ausgehe, daß manche Zuhörer in diesem Saal, die nicht dem Hohen Haus angehören, das einfach wissen sollten. Sie sollten wissen, daß Kollege Höchtl, der der Vorsitzende des Unterrichtsausschusses dieses Hauses ist, sich sehr eigenwillig zu unserer Positionierung in Fragen von Werthaltungen und Kindern, in Fragen von Ethikunterricht geäußert hat und zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht einmal gewußt hat, daß a) in Wien längst ein Schulversuch eingeleitet ist und b) in Vorarlberg, dem Heimatland der Frau Bundesministerin, ab Herbst in drei Schulen ein einschlägiger Schulversuch läuft. (Abg. Dr. Khol: Sie meinen den Ethikunterricht, Herr Kollege Kier?)

Also ganz so kann es wohl nicht sein, daß es keinen Sinn macht, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, wobei ich jetzt dem Kollegen Höchtl völlig anheimstelle, seine Position so zu haben, wie er sie hat, denn ich verstehe schon, daß er sich lieber nach einem Bischof orientiert als nach seinem eigenen Gewissen. Heute nachmittag werden wir noch erleben, ob er auch in der Abstimmung zu den Fremdengesetzen seinem christlichen Gewissen gehorcht oder ob er der Parteiräson gehorcht. Das wird spannend werden. (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Öllinger. – Abg. Öllinger: Wenig spannend beim Höchtl!)

Wir sind der Meinung, daß solche gelebten Beispiele einfach zeigen, daß es sinnvoll ist, auch im Schulwesen sinnvoll, den Kindern die Auseinandersetzung mit Werthaltungen und das Erarbeiten von eigenen Wertpositionen zu vermitteln, und zwar als Unterrichtsgegenstand, der auch der Benotung zugänglich ist.

Aber das war nur ein Aspekt, und ich freue mich, daß die Frau Bundesministerin zu unserem letzten Bundesforum, das annähernd zwei Tage gedauert hat, immerhin einen ihrer hochkarätigsten Mitarbeiter aus dem Kabinett geschickt hat und dieser dort mit Interesse unsere Dokumente und unsere Überlegungen zur Bildungspolitik insgesamt kennenlernen konnte. Er hat sie sicher auch mit nach Hause genommen, und vielleicht hat das eine Langzeitwirkung.

Ich fürchte allerdings, nicht, solange folgende Aussagen der Frau Bundesministerin gelten, die sicher richtig gewesen sind: daß die Personalkosten bei den Bundeslehrern durch reinen Zeitablauf jährlich um 3,1 Prozent steigen, durch Zeitablauf, durch Vorrückungen, Biennien.

Das ist nicht der Zugang der Liberalen zu leistungsgerechter Entlohnung. Das sage ich deutlich, denn wir haben einen sehr differenzierten und sehr selbstbewußten Zugang zum Kriterium Leistung, und das verknüpfe ich jetzt auch mit dem Arbeitsmarkt.

Warum – unter anderem – sind die Ziffernnoten so ein Unding? Sie sind eine Aussage ohne Informationsgehalt. Wenn ich Personalentwicklung für Unternehmen als Berater betreiben muß,


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so hilft mir das Zeugnis, das jemand mitbringt, überhaupt nicht, denn es enthält zwar Ziffern, aber das ist eine Codierung, die ich nicht entschlüsseln kann. Ich weiß noch nicht einmal genau, was der gemacht hat, was er wirklich kann. Ich muß das selbst im Einstellungsgespräch und in komplizierteren Prozessen evaluieren. Die Note sagt überhaupt nichts aus.

Wenn das Liberale Forum daher fordert, daß andere Methoden der Leistungsbewertung eingeführt werden, dann heißt das nicht, daß wir keine Kriteriensetzungen wollen, sondern daß wir solche haben wollen, die man nicht nur dann versteht, wenn man daneben irgendeine statistische Tabelle zur Entschlüsselung hat.

Nebstbei – das ist ganz wichtig in diesem Zusammenhang – sind diese Noten außerdem die Bestätigung, durch die ein Ausbildender bestätigt, daß ein bestimmtes Ziel von dem Menschen erreicht wurde, den er selbst ausgebildet hat. Das heißt, der Ausbildner teilt einseitig mit, was herausgekommen ist. Er bewertet damit aber auch seine eigene Arbeit. Und daher sind wir der Meinung, daß es durchaus sinnvoll wäre, auch die Qualität der Lehrer zu beurteilen. Es geht nicht an, daß auf Dauer nur die Schüler beurteilt werden, aber die Ausbildenden nicht. Das war der Grund, warum meine Kollegin Schaffenrath unter anderem den Vorschlag in den Raum gestellt hat, daß man den Ausbildner in der letzten Ferienwoche in die Pflicht nehmen sollte, daß er dem Auszubildenden bei der Nachprüfung behilflich ist, damit er sie besser bestehe.

Das war der Frau Bundesministerin zunächst angenehm, bis die Gewerkschaft gerufen hat, das gehe doch zu weit, da müßte man womöglich eine Woche früher zum Dienst. – Die Frau Bundesministerin hat also heute gesagt, es gibt Lehrer, die das ohnedies machen. Das wissen wir auch. Natürlich gibt es diese. Sie werden allerdings von vielen anderen, die das nicht machen, letztlich für deppert gehalten, weil diese erst in der letzten Minute kommen. Daher ist es die Aufgabe eines Dienstgebers – das ist in diesem Fall der Bund –, dafür zu sorgen, daß er den Dienstnehmer an seine Pflicht erinnert und ihn eben notfalls einberuft, auf daß er erscheine. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß das im Bereich der Schulen nicht besonders leicht ist, wissen wir. Immerhin hat die Frau Bundesministerin einen sehr saloppen Satz in ihrer Anfragebeantwortung gesagt: Lehrer sind wie alle anderen auch eben öffentlich-rechtliche Bedienstete. – Da ist mir aufgefallen, sie hat noch nicht einmal im Ansatz die Idee gehabt, daß das vielleicht zu hinterfragen wäre. Muß es zwangsläufig so sein, daß jemand, der Schüler unterrichtet, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht? (Abg. Mag. Peter: Es war immer so!)

Muß das so sein? Kann das nur ein Beamter, oder müßten wir da nicht eigentlich konsequenterweise Privatschulen vielleicht überhaupt verbieten, weil dort keine Beamten arbeiten? – Das meint die Frau Bundesministerin wohl nicht, aber sie sagt: Das ist halt der vorgefundene Zustand, und mit dem muß man sich abfinden. Deswegen war die Dringliche Anfrage betreffend jahrzehntelange Versäumnisse mehr als richtig begründet. Aber wenn man sich mit solchen Dingen einfach nur abfindet und gar nicht bemerkt, daß in der Arbeitswelt längst ganz andere Dynamiken stattfinden, dann ist man nicht reformfähig. Ich sage bewußt "jahrzehntelang" und meine damit nicht die Frau Bundesministerin. Ich weiß, daß sie noch nicht so lange im Amt ist, sondern das österreichische Schulsystem hat sich in eine Zweidrittelfalle begeben. Sie wissen, daß das eine Materie ist, die Sie nur mit Zweidrittelmehrheiten ändern können und daß daher seit Jahrzehnten eine Lähmung durch Zwangsverkoppelung stattfindet.

Kollege Höchtl hat auch das gegliederte Schulsystem verteidigt und hat zum Beweis die Volksschule angeführt. Das wurde schon angeführt. Die Volksschule ist das ja nicht. Da hat er offenbar den Eindruck erwecken wollen, daß das irgendwelche Qualifikationselemente sind, die sich da abbilden. Ich sage Ihnen, dazu gibt es Studien, und ich habe hier gerade eine aus Wien in der Hand, die den Wechsel von der Volksschule in die Hauptschule beziehungsweise in die AHS analysiert. Statistisch wird untersucht, nach welchen Kriterien die Kinder von ein und derselben Volksschule – man hat mehrere Volksschulen zusammengefaßt, man hat eine repräsentative Studie gemacht – in die Hauptschule oder in die AHS gehen.


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Was ist das signifikante Merkmal? – Die soziale Schichtung. Je niedriger die soziale Schichtung, und zwar durchaus nach soziologischen Standards definiert – das ist eine seriöse Studie –, desto höher der Anteil der Kinder in der Hauptschule. Das ist daher keine Sortierung nach irgendeiner Qualifikation, sondern das ist eine Sortierung nach sozialen Zugängen. Das ist ein Schulwesen, das nicht liberal ist. Wenn ich den Zehnjährigen schon ihr soziales Umfeld bildungspolitisch auf den Kopf fallen lasse, dann darf ich mich nicht wundern, wenn später in der Arbeitswelt bestimmte soziale Kompetenzen fehlen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Es wird ihnen sozusagen von klein auf vorgeführt, "wer einmal aus dem Blechnapf fraß", und das ist nicht gut für die sozialen Kompetenzen, aber auch nicht für die sozialen Kompetenzen derer, die in der AHS sind.

Das ist einer der Gründe, warum wir eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen fordern. Es ist aber auch eine logische Konsequenz aus der Kenntnis der Arbeitswelt und des wirklichen Lebens. Wir brauchen teamfähige Menschen, die nicht ausschließlich unter sich sein wollen, so vielleicht nach dem Motto von Joseph II., der, als sich die Hofadeligen darüber beschwert hatten, daß er den Prater öffnen wollte, gesagt hat: Wenn ich den Prater aus solchen Gründen nicht öffnen ließe, dann müßte ich mich überhaupt nur mehr in der Kapuzinergruft aufhalten, wollte ich ausschließlich unter meinesgleichen sein. – So etwas wollen wir im Bildungswesen nicht! (Heiterkeit beim Liberalen Forum.)

Wir wollen, daß die Kinder, wenn sie heranwachsen, aus der sozialen Wirklichkeit des normalen Lebens nicht herausgerissen werden. Das werden dann auch Mitarbeiter, die wir später in Unternehmen brauchen können. Wir können nicht nur lauter Direktoren und Häuptlinge brauchen. Wir brauchen eine gesunde Mischung, und wir brauchen vor allem etwas, nämlich die Möglichkeit, daß jeder in dieser Gesellschaft aufsteigen kann. Denn wenn nicht jeder aufsteigen kann, dann schöpfen wir unsere Talente nicht aus, wir werden unsere Talente aber ausschöpfen müssen, sonst werden wir auch im wirtschaftlichen Wettbewerb nicht bestehen. Wir werden uns die Sozialpolitik nicht mehr leisten können. Wir werden uns einen Vorsitzenden Höchtl dann hoffentlich nicht mehr leisten müssen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Er hat das Wort.

16.46

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Abgeordneter Kier hat aus den jahrelangen Versäumnissen jahrzehntelange gemacht, und vielleicht wird noch ein Redner kommen, und dann wird es noch länger werden.

Wir reden heute von einer Schule, die kein Trümmerhaufen ist, so wie Sie das darstellen, wir reden freilich auch nicht von einer Schule, die einen Idealtyp darstellt. Das gibt es nirgends. Keine Partei kann sich in der Schulpolitik so verwirklichen, daß sie sagen kann: Das ist unsere Schule. – Aber wir reden von sehr vielen guten Daten, und ein Merkmal, gerade wenn man über Bildungspolitik diskutiert, wäre es, daß man versucht, von den Fakten auszugehen. Wir reden von unbestrittenen Untersuchungen, daß die Eltern mit diesen Schulen sehr zufrieden sind. Die Benotung auf einer Skala von 1 bis 5 liegt zwischen 1,7 bis 2,1 – je nach Schultyp. Das ist auf dieser Skala ein gutes Gut in der Beurteilung durch Eltern von Kindern, die zur Schule gehen.

Wir haben internationale Rankings, die heute schon mehrfach erwähnt wurden, sei das in den Naturwissenschaften, sei das in den Sprachen – das ist im Gange –, sei das bei den Volksschulen. Das sind unbestrittene Fakten. Wir reden von einer Ausstattung mit neuen Technologien, die weltweit beispielhaft ist. Wir reden von einem Grad an Mitbestimmung in unseren Schulen, der verbesserbar ist, aber viele Länder und viele Eltern in vielen Ländern wären froh, wenn dieses Ausmaß an Mitbestimmung vorhanden wäre. Wir reden von Betreuungswerten, die Spitze sind, das wissen wir. Das kann man so oder so sehen. Ich sehe es positiv, daß wir viele Lehrer pro Schüler haben.


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Wir haben eine überdurchschnittliche Bezahlung der Lehrer. Auch das sehe ich nicht negativ. Kollegin Schmidt, ich darf kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten! Frau Abgeordnete Schmidt! Sie haben diesen Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeitsmarkt erwähnt. Sie haben ihn selbst hergestellt. Wir sollten umgekehrt auch einmal darüber nachdenken, daß wir eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosenrate haben – nach Luxemburg die zweitniedrigste aller EU-Staaten – und daß wir bei den Jugendlichen unter 25 Jahren nach Luxemburg die niedrigste Arbeitslosenrate haben. Da ist doch der umgekehrte Schluß zulässig, daß wir ein gutes Schulsystem haben, das unsere jungen Menschen sehr wohl und sehr gut auf die Arbeitswelt und auf die Gesellschaft vorbereitet. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Grundzüge der Weiterentwicklung kann ich in der knappen Zeit nur streifen. Ausgangspunkt sollte auch hier das sein, was internationaler Stand der erziehungswissenschaftlichen Forschung ist. Ausgangspunkt für Reformen muß auch hier ein intelligenter Wandel sein. Dazu gibt es zwei zentrale Ansätze. Das eine ist, daß das Individuum in der Schule der Zukunft stärker als bisher im Vordergrund stehen muß. Nicht die Schulklasse, sondern das einzelne Kind muß noch deutlicher gesehen werden. Das zweite ist, daß bei der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer umgekehrt verstärkt das Team zu sehen ist, nicht der Einzelkämpfer in seiner Klasse, sondern das Team, das für die Klasse verantwortlich ist.

Das sind zwei ganz wichtige Grundzüge. Davon ausgehend geht es um Gestaltungsfreiheit in den Schulen und um Verantwortung für diese Gestaltung der Schule: bei den Lehrern, bei den Eltern, bei den Schülern, die daran mitwirken. Schulautonomie, Teilrechtsfähigkeit und Formen von Bildungsregionen sind einige Schlagworte, die ich nur erwähnen kann.

Es geht um Änderungen in der Struktur. Auch das sage ich hier ganz bewußt, weil wir heute auch über schulpolitische Konzepte verschiedener Parteien sprechen. Es geht uns auch um die gemeinsame Mittelstufe, um die gemeinsame Struktur. Es geht um eine noch bessere Abstimmung zwischen berufsbildenden höheren Schulen und den Fachhochschulen, als wir sie derzeit haben.

Es geht um Reformen in der Lehreraus- und -weiterbildung, um Zusammenfassungen, um Bündelung von Ressourcen, und es geht insgesamt um integrative Lösungen, wie wir sie bei den Behinderten getroffen haben, wie wir sie aber noch stärker etwa zwischen Polytechnischem Lehrgang, Berufsschule und berufsbildenden mittleren Schulen treffen müssen. Es geht um integrativere Lösungen als bisher, auch bei der Ausbildung in Flächenberufen oder Berufsfeldern, bei denen etwa eineinhalb Jahre eine gemeinsame Ausbildung erfolgen könnte, ehe die Spezialisierung auf einen der über 200 Lehrberufe einsetzt.

Es geht sehr zentral sicherlich auch um Maßnahmen gegen Mißerfolge an Schulen. Das ist keine Frage. Das ist auch ein zentrales europäisches Programm. Die Europäische Union hat schon Stöße an Dokumenten vorgelegt, denen wir uns nicht entziehen können, bei denen wir aktiv mitmachen müssen, damit unsere Schulen weniger Drop-outs als bisher "produzieren".

Wir haben uns als Koalitionsparteien für diese nächsten noch verbleibenden Jahre ein durchaus engagiertes und ambitioniertes Programm vorgenommen. Eines können Sie sich sicher sein: Schule und Bildung – und zwar von der Vorschule bis hin zum lebensbegleitenden Lernen als Erwachsene – haben für uns absolute Priorität. Da geht es zuallererst um die Qualität der Schule und um die Qualität dessen, was an den Schulen unterrichtet wird.

Es geht aber auch darum, daß wir in den Schulen verstärkt versuchen, nicht angst zu machen, auch in der Schulpolitik nicht angst zu machen, nicht Leute zu verunsichern, sondern Zuversicht zu geben, und zwar den Lehrern und den Schülern, um die es geht.

Ich möchte mit einem Satz Hartmuth von Hentigs, dem Nestor der deutschen Bildungspolitik, schließen, der gemeint hat: Das Zentrale für die Schulen ist es, die Menschen zu stärken und die Sachen zu klären. – Und das geht nur mit einer ebenfalls sachlichen Diskussion. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.53


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77. Sitzung / Seite 148

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek zu Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

16.53

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Angesichts des schon Gesagten versuche ich, mich auf ein paar, wie ich meine, wesentliche Punkte zu konzentrieren. Ich möchte auf Polemik verzichten, aber schon im Raum stehende Behauptungen vom Antragsteller, nämlich vom Liberalen Forum, zurückweisen, die großteils auf billige Dramatisierung abzielen, offenbar auf persönlichen Einzelerfahrungen beruhen und in pauschalen Anschuldigungen, in ignoranten Vereinfachungen münden und sich letztlich in einem ganz engen, kleinen Zitierkartell bewegen, um den Anschein der Objektivität zu vermitteln. (Abg. Schaffenrath: Sprichst du jetzt als Politikerin oder als Erziehungswissenschafterin?) – Ja, ich stehe dazu! (Abg. Schaffenrath: Dann mußt du sagen, als was du sprichst!)

Stichwort: Gesamtschule. Schulsysteme haben jeweils eine spezifische Geschichte, so auch das österreichische, im Unterschied zum britischen, zum amerikanischen, zum deutschen und so weiter. So gesehen ist auch unser differenziertes System immer noch mit einer sehr großen Zustimmung der Bevölkerung ausgestattet, und es ist sehr schwer zu erklären, warum dieses System durch ein anderes zu ersetzen wäre. Ich verweise in der Verteidigung dieses nach äußeren und inneren Kriterien differenzierten Systems zum Beispiel gern auf den von Ihnen und von uns eingeladenen Soziologen Matthias Horx, der auf eine weitere Pluralisierung der Gesellschaft und auf eine damit verbundene weitere Differenzierung der Bildungs- und Kultursysteme verweist. – Matthias Horx. Ja, ich habe ihn richtig zitiert, Herr Öllinger! (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Wenn Herr Kollege Öllinger meint, in Anbetracht der Rechte des einzelnen, die zu fördern wären, ginge es um die innere Differenzierung in einer Gesamtschule, die letztlich auch billiger wäre, dann gesteht er etwas nicht ein, nämlich daß diese Form der Berücksichtigung der einzelnen Begabungen, so wie er sie auch nennt, eigentlich teurer ist als eine nach standardisierten Profilen geordnete Schulwelt. Ich möchte darauf hinweisen und kann es auch mit Zahlen belegen. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Interessant ist auch, daß die Reformstaaten wieder an den weiteren Ausbau der Langform der Gymnasien denken. Sie werden sich dabei doch etwas denken und nicht nur die schlechten Modelle aus Österreich kopieren.

Stichwort: Benotung. Auch hier führt eine penetrante Wiederholung von Behauptungen nicht weiter. Ich lasse mir gefallen, daß Sie sagen: Sie müssen erst den Nachweis für Ihre These bringen. – Ich bringe ihn! Eine formale Note zwischen 1 und 5 gibt auch jedem Schüler die Chance, wenn Sie so wollen, sich hinter dieser Note zu verbergen. Es ist nicht offenkundig, wie in einer verbalen Rückmeldung und in einer Individualbeurteilung – etwa: Schüler X hat sich wieder einmal nicht in die Klassengemeinschaft eingegliedert, er muß noch das Lesen so und so üben ... – der Schüler vor persönlichen Offenlegungen geschützt wird. (Zwischenrufe bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Sagen Sie mir, Frau Kollegin, wie Sie bei 200, 300 Schülern ein differenziertes Rückmeldesystem entwickeln wollen, ohne in Floskeln und ohne in Wirklichkeit wieder in eine sehr subjektive, subtile, unvergleichbare Beurteilung zu verfallen? (Beifall bei der ÖVP.) Darin ist die Wissenschaft uneins, und das kann ich als Wissenschafterin genauso sagen wie als Politikerin. Solange ich nicht ein wissenschaftlich gesichertes besseres Modell habe, bleibe ich bei dem, das wir haben und das auf höchste Zufriedenheit stößt. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Sie vom Liberalen Forum sollten sich überlegen, ob totalitäre und zentralistische Bestimmungen, die Ihren Konzepten innewohnen, tatsächlich einem modernen bildungspolitischen Gesamtkonzept entsprechen.


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77. Sitzung / Seite 149

Verbale Beurteilung ist nicht der Weisheit letzter Schluß. Sie ist aber aufgrund der gegenwärtigen Gesetze, das heißt Schulunterrichtsgesetz, Schulorganisationsgesetz, unter der Maßgabe, daß Unterricht Mitarbeit und ein dialogisches Verhältnis ist, jederzeit möglich. Sie wird auch praktiziert – Gott sei Dank! –, und sie kann selbstverständlich auch noch ausgebaut werden. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Insofern hoffen wir auch auf die Kompetenz und die profunde Ausbildung der Lehrer.

Stichwort: Lehrerkosten. Wenn Sie sich ein wenig darüber informieren, was in den letzten Jahren an Reformen umgesetzt wurde, dann stellen Sie fest, das ist auf das Konto der Lehrerzahl, der Lehrerintensität und des Lehrer-Schüler-Verhältnisses gegangen. Wenn Sie dies kritisieren und sagen, nicht in Lehrer, sondern in Apparate und sonstiges hätten wir investieren sollen, dann gehen Sie her und sagen Sie das! Sie wissen auch, daß die Anhebung der Anfangsgehälter und die Abflachung der späteren Gehälter in Wirklichkeit jetzt insgesamt teurer ist. Ich möchte das in Erinnerung bringen, sonst bleibt es unter Umständen unberücksichtigt.

Lehrer arbeiten derzeit auch – insofern, so denke ich, ist die Leitbilddiskussion noch nicht abgeschlossen – gemeinsam mit Dienstgebern und Dienstnehmern an einem Lehrerarbeitszeitmodell. Ich kann Kollegen Öllinger recht geben, diese Debatte müssen wir im einzelnen führen. Aber Lehrer verstehen die Diskussion nicht, wenn sie jeweils in eine Ecke gedrängt werden, in der es heißt, sie seien Schmarotzer, sie seien diejenigen, die es bloß mit Nichterwachsenen zu tun haben. Daraus entsteht ein besonderer "Geruch": Lehrer, was ist das schon? – Lehrer müssen bloß mit "Kleinen" etwas tun, und das bewegt sich nicht auf der Ebene von großen ökonomischen Zahlen beziehungsweise Fakten und technischen Geräten, sondern mehr im Bereich von Reden, Zuhören und Hervorbringen von Kreativität. Das ist doch eine gesellschaftlich immer wieder zu verteidigende Kompetenz. In schwierigeren Zeiten müssen sich Lehrer wegen des Gesamtvorwurfes Budgetaufblähung für den steigenden Zulauf zu Bildung und zu Bildungseinrichtungen rechtfertigen.

Ich denke, daß wir den Lehrern damit unrecht tun und daß wir unser Augenmerk viel besser auf andere Dinge richten sollten.

Ich meine, wir sollten beobachten, daß der Schule immer mehr, immer größere und weitere Aufgaben übertragen werden. So sind an die Schule folgende Anliegen herangetragen worden: Problemlöser sollt ihr sein in Fragen, wenn die Zahl der Verkehrstoten steigt, wenn die Fälle von Zahnfäule im Steigen begriffen sind, wenn Sexualverkehr zu früh oder zu spät einsetzt, je nach Wertelage; weiters wie der Tennisschläger zu handhaben ist, wie der Personalcomputer zu nutzen ist, wie Stricknadeln oder Medizinbälle oder sonstiges kompetent "gehandled" werden sollen.

Gleichzeitig sind Lehrer mit immer inhomogeneren Elternerwartungen konfrontiert. Eigentlich müßten wir aufgrund dieser Differenzierung im Schulsystem noch weiter ausdifferenzieren, weitere differenzierte Elemente bilden beziehungsweise vorhandene ausbauen.

Ich wünsche mir für die Zukunft, daß wir uns an den soliden und international nachgewiesenen Daten und Rückmeldungen orientieren, daß wir wissenschaftliche Ergebnisse als die nehmen, die sie sind, und daß wir auch die Gegenhypothesen und Gegenthesen ernst nehmen.

Ich wünsche mir auch, daß wir die Lehrer unterstützen, und zwar dann, wenn sie Lehrer im guten Sinn des Wortes sind, nicht aber im "alten Pauker"-Sinn, nicht im Sinne einer alten Drillschule – diese ist abgelegt, diese hat die Reformpädagogik schon vor 100 Jahren beiseite geschafft –, sondern wenn sie Lehrer sind in einem modernen demokratischen Sinn, die den Eigenwert der Schule verteidigen und sich nicht ständig in ihren didaktischen und pädagogischen Kompetenzen mit Kaufhäusern, Flanierstätten, Discos und anderen lustigen Plätzen messen lassen müssen, wo es eigentlich nur darum geht, sich wohlzufühlen, "in" zu sein und dergleichen. Dabei geht nämlich der starke, in Wirklichkeit moderne, emanzipatorische Charakter von Bildung flöten. Und das wünsche ich mir für die Lehrer nicht, und das wünschen sich auch die Lehrer nicht – weder für ihre Schüler noch für deren Eltern noch für ihre Dienstgeber.


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77. Sitzung / Seite 150

Ich wünsche mir, daß wir den Eigenwert der Schule stärker herausarbeiten. Ich denke, daß die von Bundesministerin Gehrer angedeuteten und ausgeführten Reformvorschläge sowohl im Sinne einer Bilanz als auch im Sinne einer Vorschau zeigen, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Wir werden morgen die Bildungsdebatte fortsetzen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Im übrigen ist Dialog das, was nicht mit Behauptungen eingeleitet und ausgeführt werden kann. In diesem Sinne verweise ich – wer Lust hat, kann es nachlesen – einerseits auf eine sehr moderne Schultheorie, nämlich die, die Hegel vertritt, und zum anderen auf das Grundprinzip des Dialogs nach Platon. Wenn Sie Lust haben, lesen Sie dort noch weiter; ich muß leider schließen. – Danke. (Bravoruf bei der ÖVP. – Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Niederwieser. – Abg. Dr. Khol: Gut geredet!)

17.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.02

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Oder soll ich besser sagen: Frau Europameisterin? Sie amüsieren sich über die Kritik der Liberalen am Unterrichtsbudget. Ich kann dazu nur sagen: Gott erhalte Ihnen Ihren Humor in Anbetracht der künftigen Budgets auf diesem Sektor! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich meine, es wäre Ihnen angestanden, das Frühwarnsystem einer konstruktiven oppositionellen Meinung zu dieser Thematik aufzugreifen, statt sich in einer überschätzenden Selbstbeweihräucherung einzugraben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Was soll das?! – Abg. Dr. Khol: Das war eine internationale Untersuchung, die die Volksschulen an erste Stelle gereiht hat!)

Die Auswertung und die Ergebnisse dieser Studie werden nicht in Zweifel gestellt. Es ist aber mit Sicherheit anzunehmen, daß sich nicht in erster Linie die Frau Bundesministerin diesen Erfolg auf ihre Fahnen heften und ihrem System zuschreiben kann, zumal gerade am Sektor der Volksschule in dieser Regierungsperiode nichts oder sagen wir besser fast nichts geschah. (Abg. Dr. Khol: Erstens war Frau Gehrer Volksschullehrerin, und zweitens hat sie sich bei allen Lehrern bedankt! Bleiben Sie ein bißchen bei der Wahrheit!)

Ich gratuliere der Frau Bundesministerin zu ihrer Tätigkeit als Volksschullehrerin! Vielleicht hätte sie es dabei bewenden lassen sollen (Abg. Dr. Maitz: Arroganz ist kein Argument!) , zumindest im Zusammenhang mit jener von Ihnen jetzt als arrogant bezeichneten Zurückhaltung gegenüber den vorliegenden Anfragen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Antoni hat von einem Reformstau gesprochen, Herr Dr. Khol, falls Ihnen das entgangen ist. Er hat insgesamt 12 Reformbemühungen, die anstehen, erwähnt, zum Beispiel: Schulverbände, lebensbegleitendes Lernen, Schuleingangsphase, et cetera. Er hat damit sicherlich Bereiche angesprochen, von denen man nicht sagen kann, sie seien erledigt.

Herr Dr. Khol! Sie sollten auch wissen, daß in wenigen Wochen über 50 000 Schüler das Klassenziel nicht erreicht haben werden. Sie werden zu Versagern gestempelt. Über 200 000 werden mit Hilfe eines blühenden Pfuschergewerbes, nämlich des Nachhhilfeunterrichtes, gerade noch in die nächste Klasse hinüber gebracht und haben oft durch Nachprüfungen weitere Belastungen zu tragen. (Abg. Dr. Khol: In Oberösterreich ein Drittel weniger! Haben Sie doch die Eleganz, das anzuerkennen!)

Ich habe das verstanden. Auch die Idee des Frühwarnsystems kann dann, wenn es greift, wie wir hier gehört haben, sicherlich auf der Habenseite notiert werden. Aber das Faktum, daß mehr als 50 000 österreichische Schüler das Klassenziel nicht erreichen werden, bleibt bestehen – und zwar auch dann, wenn Sie das als arrogant bezeichnen; die Zahlen werden es beweisen –, und 100 000 Lehrer – und dafür verbürge ich mich! – werden nach dem letzten Zeugnis, das sie verteilt haben werden, fluchtartig ihre inzwischen ungeliebte Schule verlassen und die nächsten


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neun Wochen keinen Gedanken an ihren Beruf oder womöglich an ihre Fortbildung verschwenden! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Auch das ist nicht richtig! Das ist vielleicht bei Ihnen so!)

Herr Dr. Khol! Verehrte Frau Europameisterin! Sie müssen sich Ihr Wissen zu dieser Thematik aus persönlichen Gesprächen mit den betroffenen Menschen holen. Holen Sie es sich von den Stammtischen, aber nicht aus schön geschmückten Direktionssälen und Konferenzzimmern. Sprechen Sie nicht mit den Schülervertretern in Ihrer geschützten Umgebung, sondern gehen Sie hinaus zu den Schülern. Glauben Sie mir – und glauben Sie auch den Liberalen mit ihrer Kritik im Rahmen dieser Anfrage –, daß in diesem Bereich einiges im argen liegt!

Bezeichnend – Herr Dr. Kier hat das auch erwähnt – ist in der Tat die Eingefrorenheit der Gedankenwelt im Zusammenhang mit dem Bildungswesen im Hinblick auf die verstaatlichte Situation, die eine Dezentralisierung, eine Deregulierung, eine Autonomisierung der Schulen dringend erforderlich macht. Blicken Sie ein bißchen über die Grenzen hinaus! Der Wettbewerb wird unter den EU-Bedingungen verschärft. Wie rüstet sich unser Bildungssystem, wie rüsten sich unsere Schulen angesichts dieser Situation?

Sie werden auch zugeben müssen, daß zu den 6 000 teuer ausgebildeten, ausgezeichneten Junglehrern, die derzeit arbeitslos auf der Straße stehen, in wenigen Wochen weitere 2 000 dazukommen. Es ist für diesen Personenkreis kein Licht bezüglich einer Anstellung in Sicht.

Ein Heer von Verwaltern und Aufsichtsorganen aus dem Schulbereich wird die unterrichtsfreie Zeit zu ausgedehnten Urlauben und zur Kompensation ihrer Überstunden, also für den Ausgleich ihrer Dienstzeiten verwenden. Die Frau Bundesministerin wird dafür weniger Zeit haben, denn ein Budget muß erstellt und ein drittes Sparpaket geschnürt werden, und das wird, wie zu hören ist, zu Lasten unserer Schulen und auch zu Lasten der Lehrer gehen.

Bemerkenswert ist, daß gerade diese Dringliche Anfrage in eine Hatz auf die Lehrerschaft mündet. Dies ist für mich unerklärlich, denn die Lehrer können doch als letzte für diese unliebsame Situation verantwortlich gemacht werden. Sie sind unter Bedingungen ausgebildet worden, die auf die sechziger und siebziger Jahre zugeschnitten waren.

Die Altersstruktur unserer Lehrer bringt es auch mit sich, daß sie mit den Anforderungen in den verschiedensten Bereichen einfach nicht zu Rande kommen. Ich weiß das konkret aus meinem Arbeitsbereich, der Leibeserziehung. Die Ausbildung der Leibeserzieher ist vor allem im Bereich des Geräteturnens oder der Leichtathletik erfolgt – Dinge, die angesichts der aufkommenden Trendsportarten keinen Schüler mehr begeistern können. Die Ausrüstung unserer Turnsäle und Sportanlagen ist außerdem bei den Kriterien der fünfziger und sechziger Jahre stehengeblieben.

Es fehlt also einiges. Wir Freiheitlichen glauben nicht an das liberale Allheilmittel der Gesamtschule und nicht an eine positive Wirkung der Abschaffung der Notenbeurteilung, sehr wohl aber an alternative Punktesysteme und Kompensationsbeurteilungen. Wir halten viel vom Privatisieren des Unterrichtssytems, vom Autonomisieren der Schulen und in erster Linie vom Entbürokratisieren. Machen Sie doch die Schulverwaltung schlanker! Verzichten Sie darauf, zu einem roten Bezirksschulinspektor unbedingt einen schwarzen dazuzusetzen! Für den Landesbereich gilt dasselbe. Das Heer der Fachinspektoren quillt über, und ihre Funktionen und Kompetenzen sind in Frage zu stellen.

Es gibt in dieser Dringlichen Anfrage auch eine Forderung, die sich auf die Subjektförderung bezieht und einen Bildungsscheck vorsieht. – Im übrigen sind das freiheitliche Forderungen, wie Frau Dr. Schmidt auch weiß. Auf dieser Basis kann man weiterdenken. Auf dieser Basis der Förderung und der Notwendigkeiten für unsere Schüler, nicht so sehr auf jener der Versorgung des Systems und seiner Erhaltung, können wir weiterarbeiten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.10

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dringliche Anfrage bezieht sich auf die Bildungspolitik insgesamt und auf die dort zu verzeichnenden Versäumnisse, schwerpunktmäßig aber auf den Schulbereich. Ich denke, es wäre doch wichtig, bei dieser Gelegenheit das Bildungssystem insgesamt unter die Lupe zu nehmen.

Ich glaube, es wäre wirklich verheerend, eine Entwicklung Platz greifen zu lassen, wonach man allein deswegen, weil es im öffentlichen Dienst teilweise eine starre Automatik gibt, die zu Kostensteigerungen führt, in Kauf nimmt, daß vielleicht in Zukunft überhaupt nur noch die Bereiche der repressiven Verwaltung: Polizei, Militär und ähnliches, öffentlicher Dienst bleiben, während alles andere, weil es dort an Reformbereitschaft mangelt, aus den öffentlichen Ausgaben "hinausgekippt" wird.

Ich und meine Fraktion wünschen uns keinen Staat, der als öffentliche Aufgaben im engeren Sinn nur noch die Repression betrachtet, nicht aber die Aufgaben des modernen, leistenden, sozialen Staates. (Beifall bei den Grünen.)

Man müßte eben bereit sein, sich auch mit überkommenen Traditionen auseinanderzusetzen. Es gibt eine beängstigende Entwicklung, die auch Sie, Frau Bundesministerin, aufgezeigt haben: Kostensteigerungen von 3 Prozent – ohne daß etwas zur Qualitätsverbesserung der Schule erreicht wurde, ohne daß sichergestellt ist, daß junge Lehrerinnen und Lehrer bessere Beschäftigungsmöglichkeiten vorfinden, und ohne daß die Schule demokratischer, offener und fördernder wird –, das ist, wie ich meine, eine Entwicklung, die so nicht länger durchzustehen und nicht länger anzustreben ist.

Frau Bundesministerin! Wir haben Ihren Vorschlag sehr interessiert gehört, ein Anreizmodell dafür zu schaffen, daß Lehrerinnen und Lehrer früher in Pension gehen können, wodurch Arbeitsplätze für nachrückende Junglehrerinnen und Junglehrer geschaffen würden. Wir haben zwar unsere Zweifel, ob das wirklich aufkommensneutral möglich ist, ich denke aber, es ist zumindest ein diskussionswürdiger Vorschlag, den man weiterverfolgen müßte.

Eigentlich würde ich mir von Ihnen, Frau Bundesministerin, erwarten, daß Sie mit derartigen Vorstößen innerhalb der Regierung insgesamt einen Beitrag zur Veränderung des öffentlichen Dienstes, zur Veränderung von Einkommenshierarchien, zu einer Verbesserung der Chancen für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und auch zu einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung leisten. Wenn Schule ein Modell für Veränderungen im öffentlichen Dienst ist, dann finde ich das positiv. Ich denke aber, es reicht angesichts der derzeitigen Situation nicht aus, wenn das ein kleines, verhaltenes Modell ist, das noch dazu offenbar auch innerhalb der Regierung nicht wirklich auf viel Gegenliebe gestoßen ist.

Frau Bundesministerin! Da werden Sie sich auch mit den Personalvertretungen im öffentlichen Dienst verstärkt auseinandersetzen müssen, denn von dort habe ich wenig Gegenliebe gehört hinsichtlich dieser größeren Solidarität mit jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst und des allgemeinen Anliegens einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Diese brauchen wir jedoch dringend.

Ich denke außerdem, daß wir insgesamt mehr Geld für den Bildungsbereich brauchen. Es ist dies die wichtigste öffentliche Investition. Natürlich soll dieses Geld nicht in Automatiken der Kostensteigerungen durch Biennalsprünge und ähnliches fließen. Es sollte insgesamt ein progressives politisches Anliegen sein, in diesen Bereich mehr zu investieren, und zwar nicht nur deshalb, weil wir das für eine demokratiepolitische Grundvoraussetzung halten – besser ausgebildete Menschen sind politisch schlechter manipulierbar –, sondern auch, weil es sich rechnet.

Dazu ein Vergleich: Finnland hat in einer vergleichbar prekären budgetären Situation wie Österreich im Bildungsbereich keine Sparpolitik betrieben. – Im Gegenteil: Man hat die Bildungsbudgets sehr, sehr deutlich ausgeweitet. Finnland ist es mit dieser offensiven Bildungspolitik gelungen, in der internationalen Rangliste der Wirtschaftsstandorte von Platz 18 auf Platz 4 aufzu


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rücken. Im gleichen Zeitraum ist Österreich von Platz 11 auf Platz 19 zurückgefallen. Und ich sage Ihnen: Das hat sehr wohl mit den Bildungsinvestitionen und einer sehr unvernünftigen Regierungspolitik der linearen Kürzungen zu tun.

Frau Bundesministerin! Dagegen haben Sie sich zwar teilweise in Ihrem Bereich zur Wehr gesetzt – aber eben nur teilweise. Im Hochschulbereich ist das gar nicht passiert. Wenn man sich die Hochschulbudgets anschaut, dann stellt man fest, daß es zwar seit den siebziger Jahren eine Steigerung der Hochschulbudgets – inklusive aller Inflationserscheinungen – um 60 Prozent gibt, daß sich aber im selben Zeitraum die Zahl der Hörer und Hörerinnen vervierfacht hat. Das heißt, wir haben pro Jahr und pro Studentin oder Student Kürzungen von 3 Prozent. Das schlägt sich letztlich auch bei der Rangordnung des Wirtschaftsstandortes Österreich leider sehr traurig nieder.

Frau Bundesministerin! Noch etwas: Wenn wir folgenden Umstand beklagen und wenn jetzt auch von Ihrer Partei, teilweise aber auch von Vertreterinnen und Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion, das Argument kommt: Die Öffnung der Hochschulen hat nicht wirklich zu einer vollen Chancengleichheit sozial unterprivilegierter Schichten geführt!, dann frage ich Sie: Ist das ein Grund dafür, diesen Prozeß jetzt ins Gegenteil zu verkehren?

Hätten wir nicht eher fragen sollen, warum diese Strategie der Öffnung der Hochschulen den sozial Unterprivilegierten nicht wirklich, sondern nur teilweise zugute gekommen ist? – Das hat einmal mehr mit dem Schulwesen zu tun. Es braucht doch niemand zu glauben, daß, nachdem man die Schülerinnen und Schüler jahrelang in verschiedene Kasterl und Rasterschemen eingeteilt hat – und zwar nach sozialen Kriterien; das ist ja hier schon mehrfach gesagt worden –, diese Unterschiede dann, wenn diese jungen Leute volljährig werden, auf einmal verschwinden. Die Differenzen an den Hochschulen sind ein schlagendes Argument dafür, daß wir tatsächlich eine gemeinsame Schule im mittleren Bereich für alle Kinder in diesem Lande einrichten müssen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Vielleicht ist damit das Problem noch nicht gelöst, Frau Kollegin Brinek. Aber das Gegenteil zu machen, auf Elitenbildung zu setzen und bewußt in Kauf zu nehmen, daß Frauen, Kinder aus sozial schwächeren Schichten, Gastarbeiterkinder und so weiter diskriminiert werden, macht das Problem mit Sicherheit nur größer! (Beifall bei den Grünen.)

Es heißt doch immer wieder, wir lernen für das Leben, und ich höre von allen Firmen, wie dringend sie sozial anpassungsfähige, teamfähige Leute brauchen. Und dann brauchen wir auf einmal eine Schule der Kasterl und der Raster, eine Klassenschule im Sinne von sozialen Klassenunterschieden? – Das ist doch wirklich in höchstem Maße unlogisch!

Wenn es Eliten gibt – ich will das Wort "Elite" gar nicht verwenden, es ist für mich sehr, sehr negativ besetzt –, wenn es tatsächlich förderungswürdige Leistungen, also Spitzenleistungen gibt, dann sollten das Spitzenleistungen im Sinne sozialer Qualitäten sein. Das bremst keinen einzigen Schüler und keine einzige Schülerin intellektuell auch nur irgendwie ein! (Beifall bei den Grünen.)

Da könnten sich wirklich sowohl intellektuelle als auch soziale Qualitäten besser entwickeln. Ich rede aus Erfahrung, und zwar aus langjähriger Erfahrung im Unterrichtsbereich.

Zur Notendiskussion sage ich Ihnen folgendes: In Österreich bringen sich etwa 50 Kinder pro Jahr um – bei einem gut Teil sind daran die Noten schuld. Ich denke, daß ein einziges Kind, ein einziger derartiger Vorfall ausreichend sein müßte, das gesamte System in Frage zu stellen und ein neues, humanes und absolut leistungsförderndes Bildungswesen einzurichten. – Sie aber hüten sich mit Ihrer Zweidrittelmehrheit, auf daß nur ja keine weitreichenden Veränderungen passieren. – Das ist unendlich traurig! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)


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17.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. Die Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

17.21

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich will Ihre Aufmerksamkeit auf mehrere Punkte lenken.

Latein: Latein ist eine Skurrilität, die seinesgleichen sucht. (Abg. Dr. Brinek: Ihresgleichen!)  – Ihresgleichen, Entschuldigung! – Es wird nicht etwa jene Institution befragt, die Latein als Erfordernis für ein Hochschulstudium als notwendig erachtet, sondern das wird von jener Institution bestimmt, die entsendet.

Frau Bundesminister! Ich war auch eine davon Betroffene und kann Ihnen sagen, daß ich keine bessere oder schlechtere Ärztin geworden bin, weil meine Lateinkenntnisse im ersten und zweiten Semester aufpoliert wurden. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Hat Ihnen sicher nicht geschadet!) Ich halte es eigentlich nicht für erforderlich, daß Sie das bestimmen, Frau Bundesminister, vielmehr sollten das jene Organisationen beziehungsweise die Studienkommissionen tun, die davon betroffen sind. Ich glaube, man sollte das durchaus – das gilt auch für Darstellende Geometrie und Griechisch – einer neuen Betrachtung unterziehen.

Bezüglich der Benotungen: Was bedeutet das wirklich, wenn jemand "gut" in einem Fach ist? – Ist er "gut", weil er sich sehr bemüht und vielleicht in einem Teilbereich nicht ausreichende Kenntnisse hatte, aber die Bemühung im Vordergrund gestanden ist, oder stand das aktuelle Wissen im Vordergrund, worauf es eben einen "Zweier" gegeben hat, derjenige oder diejenige sich jedoch absolut nicht bemüht hat und die Fähigkeit hätte, wesentlich besser zu sein? Eine Benotung, die eigentlich nichts ausdrückt, ist doch etwas Willkürliches. Es wäre für die Schülerinnen und Schüler viel besser, würde man ihnen deutlich sagen: Paß auf, strenge dich an, du kannst wesentlich mehr! Oder man könnte sie einfach motivieren und sagen: Wir wissen, daß es eine große Schwierigkeit war, aber der erste Schritt ist getan, wir gratulieren – und deswegen bekommst du eben nicht einen "Vierer", sondern einen "Zweier". – Das würde wirklich motivierend sein. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin! Bezüglich der EU würde ich mit Ihnen gerne länger sprechen. Ich war in einem Schulsystem – kein österreichisches, zugegebenermaßen –, wo wir diese Benotung hatten, wir wurden mit Kommentaren beurteilt, und es war selbstverständlich, daß man sich über Leistung verbessern konnte und nicht nur Wissen als Kriterium für eine Benotung herangezogen wurde. (Abg. Dr. Brinek: Kommentar ist okay!) Ich glaube, daß wir mit diesem System nicht schlecht gefahren sind und daß aus meinen damaligen Kolleginnen und Kollegen der Schule durchaus etwas geworden ist.

Bezüglich der EU: In der EU gibt es das sogenannte SOCRATES-Programm, worunter Hochschulbildung, Schulbildung, Fremdsprachenerwerb, offener Unterricht und Erwachsenenfortbildung fallen. Mit diesem Programm verbinde ich ein Begehren: Bis jetzt sind Projekte für zirka 1 Milliarde ECU eingereicht worden. 1 Milliarde ECU für ein Programm, das sich von 1995 bis 1999 erstrecken soll, ist eigentlich nicht viel – vielleicht wissen Sie das nicht –, verglichen mit 1 Milliarde ECU, die pro Jahr in der EU für den Tabakanbau verwendet wird. In der EU gibt man im Jahr 2 Milliarden ECU für den Tabakanbau aus. Für ein Programm, das als größtes Bildungsprogramm der EU vier Jahre lang seine Gültigkeit haben sollte, gibt man nicht so viel aus, sondern es sind eben nur 850 Millionen ECU dafür veranschlagt.

Meine Damen und Herren! Zurzeit wird das im Europäischen Parlament besprochen, morgen gibt es die Abstimmung. Wer wird nicht dort sein? – Kollege Swoboda! Kollege Swoboda wird morgen während dieser Abstimmung in einem Kaffeehaus in Wien sitzen und eine Presseerklärung abgeben. Wenn das eine Motivation dafür sein soll, daß die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Bildungspolitik ernst nehmen, daß nämlich dann, wenn das Programm vom gesamten Parlament eine Unterstützung braucht, der Fraktionssprecher der österreichischen Sozialdemokraten nach Wien "abpascht", um sich ins Kaffeehaus zu setzen, dann halte ich das wirklich nicht für eine seriöse Vorgangsweise! Richten Sie ihm das aus! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Frau Bundesminister! Sie haben gesagt, daß der Einsatz der neuen Technologie in Österreich vorbildlich sei. Ich habe mich in Amerika kundig gemacht, was dort an Anstrengungen unternommen wird – vor allem von Al Gore – bezüglich der Integration der neuen Technologien in den Schulen. Ein Computer pro Schule, mit einem Netzzugang, ist wirklich nicht ausreichend, um sagen zu können, Österreich sei eine fortschrittliche Nation. Es ist doch lächerlich, zu glauben, daß sich 30 Schüler balgen werden, um vielleicht 45 Minuten pro Woche einen Netzzugang zu haben. Das möchte ich mir anschauen! Es werden sich vielleicht zwei Schüler wirklich kundig machen – und alle anderen werden im Hintergrund spielen, weil man sie nicht ausreichend beschäftigt. Es wäre daher unsere Chance, bei einem wirklich großartigen Einstieg mitzutun, weil wir bezüglich der technologischen Entwicklung auf dieser Welt schon 15 Jahre im Rückstand sind. In dieser Hinsicht, Frau Bundesministerin, machen Sie nichts – außer: Ein Computer pro Schule reicht. – Uns reicht das nicht! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zum Schluß möchte ich nur noch auf folgendes eingehen: Sie haben aus Bewertungen internationaler Studien zitiert, wonach Österreich auf der einen Seite sehr gut und auf der anderen Seite – jene, die Sie nicht gelten lassen wollen – sehr schlecht ist. Die Durchschnittszahl, die ein Lehrer pro Jahr an Unterrichtsstunden absolvieren muß, beträgt 709 Stunden. Die Normarbeitszeit für einen Beamten beträgt 1 763 Stunden. Zwischen der Normarbeitszeit eines Beamten und der eines Lehrers gibt es also einen Unterschied von 1 000 Stunden.

Man kann sagen, daß ein Lehrer am Anfang des Werdegangs sehr viel Zeit braucht, um sich vorzubereiten, um die Materialien zu sortieren, um seine Methodik des Unterrichts herauszufinden. Das halte ich auch für legitim, es ändert sich dann aber nichts. Er hat dann eine gewisse Routine – man wird in jedem Beruf etwas schneller mit der Zeit. Dem wird jedoch überhaupt nicht Rechnung getragen, es bleibt dabei: 20 beziehungsweise 23 Stunden pro Woche sind genug (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen), wobei man vielleicht nur noch fünf Stunden an Vorbereitung braucht.

Entschuldigen Sie, wenn ich den letzten Satz erst jetzt beginne. Frau Bundesministerin, das könnten wir wirklich ändern: Wir sollten die Junglehrer (Präsident Dr. Neisser gibt neuerlich das Glockenzeichen) mehr in diese Richtung unterstützen – und dann, wenn sie Routine bekommen, könnten wir ihre Stundenzahl erhöhen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. Die noch zur Verfügung stehende Redezeit beträgt 9 Minuten. – Bitte.

17.28

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich habe den Text dieser Dringlichen Anfrage sehr genau gelesen; sehr genau deswegen, weil zum einen darin meiner Ansicht nach sehr bemerkenswerte Ansätze enthalten sind, zum anderen aber hat mir die Dringlichkeit gefehlt – außer vielleicht im Hinblick darauf – um es positiv zu bewerten –, daß wir unseren Schülerinnen, Schülern und Lehrern knapp vor Schulschluß wieder gezeigt haben, wie wichtig wir die Frage der Schule nehmen. (Abg. Hans Helmut Moser: Das ist ein interessanter Ansatz!)

Als Lehrer möchte ich aber vor allem zwei Dinge zurückweisen: erstens, daß Schule zu Untertanen ausbildet. Jeder, der das heute noch behauptet, ist eingeladen, in eine Schule zu kommen. Unsere Schülerinnen und Schüler verhalten sich nämlich ganz anders – keinesfalls als Untertanen, wie man das nach dem herkömmlichen Begriff vielleicht meinen könnte. Zweitens weise ich zurück, daß die Beurteilungen zum Schulschluß so gefällt würden, daß die "Klassengeometrie" stimmt.

Das ist schlicht und einfach nicht wahr, das stellt und eine Verletzung der Würde der Lehrer dar, denn die Lehrer nehmen die Frage der Beurteilung wirklich sehr ernst.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wenn in der Debatte die meiste Zeit dazu verwendet wurde, über den Schulbereich der 10- bis 15jährigen zu diskutieren, dann scheint das auch Beweis dafür zu sein, daß es Handlungsbedarf gibt und Probleme aufgezeigt wurden, die


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es zu lösen gilt. Ich stimme dabei mit dem Vorsitzenden der christlichen Lehrergewerkschaft Hermann Helm vollkommen überein, der in der letzten Ausgabe des "Pflichtschullehrer" fordert, daß die Hauptschule und die AHS-Unterstufe gleichzustellen sind, was eine logische Forderung ist. (Abg. Schaffenrath: Er hat das nur finanziell gemeint, nicht inhaltlich!)

Wir haben wortidentische Lehrpläne, wir haben unterschiedliche örtliche Gegebenheiten, die da und dort zu intensiverem Besuch der einen oder anderen Schulform einladen. Ich frage mich nur: Warum brauchen wir überhaupt diese Selektion? Genügt es uns nicht, eine Sekundarstufe 1 zu haben, wo die entsprechenden Bedürfnisse unserer Schüler abgedeckt werden, um damit auch der Heterogenität all der Begabungen und Fähigkeiten der Schüler besser entsprechen zu können. Ich möchte mich auch in diesem Bereich für die Form der inneren Differenzierung aussprechen. Wir haben gemerkt, daß die äußere in der Hauptschule nicht zum Ziele führt. Heute wurde die Volksschule bereits so gelobt und dargestellt, daß dort Großes geleistet wird. Dort gibt es diese innere Differenzierung, und sie funktioniert bestens.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ein Problem ist mir persönlich aber noch besonders wichtig, nämlich das der arbeitslosen Junglehrer. Es kann nicht so sein, daß wir diese, obwohl wir sie brauchen, nur aus Kostengründen nicht einstellen. Diese Junglehrer werden in andere Bereiche abwandern, und sie werden uns dann spätestens im Jahre 2010 nicht zur Verfügung stehen, dann, wenn wir eine große Zahl von Lehrern brauchen werden, wenn nämlich die heute 40- und 50jährigen Lehrer in Pension gehen werden. Dann wird es zu spät sein, genügend Lehrer in so kurzer Zeit auszubilden.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Verehrte Frau Ministerin! Bildung muß uns etwas wert sein, weshalb wir auch die Lehrer für die verschiedensten pädagogischen Maßnahmen brauchen. Kostengründe dürfen nicht das einzige Argument sein, diese jungen Damen und Herren nicht anzustellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schuster. 7 Minuten Redezeit stehen zur Verfügung. – Bitte.

17.33

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das Liberale Forum stellt eine Dringliche Anfrage betreffend "jahrelange Versäumnisse in der Bildungspolitik und Kostenexplosion im Schulbereich". (Abg. Mag. Peter: Bis jetzt stimmt’s, Herr Kollege !)

Lassen Sie mich eingangs aus dieser verteilten schriftlichen Dringlichen Anfrage einige Passagen zitieren: "Das österreichische Schulsystem hinkt diesen Entwicklungen nicht nur weit hinterher, die Bildungspolitik ist seit Jahrzehnten festgefahren und durch verschiedene Faktoren blockiert. Das österreichische Schul- und Bildungssystem, wenn es dennoch im internationalen Vergleich bestehen kann und die Ausbildung unserer Jugend nach wie vor auf hohem Niveau stattfindet, dann ist das nicht das Ergebnis der Bildungspolitik der letzten Jahre, sondern trotz der Bildungspolitik der seit mehr als zehn Jahren regierenden großen Koalition erreicht worden", et cetera, et cetera. (Abg. Schaffenrath: Das müssen Sie uns auch noch lassen! Das war wichtig!)

Meine Damen und Herren! Die Widersprüche in dieser verteilten Unterlage sind unüberlesbar. Es ist interessant, daß diese Bildungspolitik letztes Wochenende in Oberösterreich, in Linz, beim Liberalen Forum so breiten Raum eingenommen hat. Die Bildungspolitik ist aus meiner Sicht mehr als nur Bildungspolitik: Sie ist Gesellschaftspolitik, sie ist Zukunftspolitik und Familienpolitik. Die Volksschüler sind Stars, die besten Volksschüler Europas; das haben bereits einige zitiert, und das können wir in Zeitungen nachlesen.

Hohes Haus! Ist die Bildungspolitik in Österreich wirklich so schlecht, daß ein einziger "Scherbenhaufen" übrigbleibt, wie es einige Rednerinnen und Redner vom Liberalen Forum hier darzustellen versucht haben? Oder: Gibt es nicht wenigstens Bereiche, wo man sagen kann: Bildungspolitik in Österreich ist herzeigbar, sie ist aber in jedem Fall reformbedürftig, es gibt


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Verbesserungswünsche?! – Könnten wir uns nicht dahin gehend verstehen? Bis jetzt fehlt mir dieser Ansatz, Herr Kollege Peter. (Abg. Mag. Peter: Schön reden tun Sie! Wir müssen Probleme aufzeigen!)

Meine Damen und Herren! Folgendes kam jedoch bei allen Rednern und auch bei jenen, die die Zeitungen zitierten, deutlich zum Vorschein: Die österreichischen Kinder sind Europaspitze, und in jenen Ländern, in denen die Eltern mit ihren Kindern lernen, sind die Kinder auch die besten. Bildungspolitik hin, Bildungspolitik her: Die wichtigste Bildungseinrichtung bleibt nach wie vor die Familie. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Frau Unterrichtsministerin Gehrer hat – trotz der Zwischenrufe von Frau Kollegin Schaffenrath – eine Regierungsvorlage eingebracht, und zwar hinsichtlich Berufsreifeprüfung, die mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien im Ausschuß beschlossen und morgen hier im Plenum verhandelt wird. Das ist ein ganz wichtiger Bereich, ein Bereich, wo im zweiten Bildungsweg die Berechtigung zum Besuch von Akademien, Fachhochschulstudien, Hochschulen et cetera erlangt werden kann.

Frau Abgeordnete Schmidt hat letzten Samstag beim Liberalen Bildungsforum in Linz einige wesentliche Forderungen erhoben, und ich möchte einige hier nennen: die Abschaffung von Noten, dafür aber eine umfassende, schriftliche Schülerbeurteilung. Wer sich mit Lehrerinnen und Lehrern über dieses Thema unterhält, hört immer wieder: Bitte, was bringt das, wenn in Oberösterreich eine Umfrage neueren Datums vorliegt, daß die Kinder selbst zu 80 Prozent die Benotung beibehalten und keine schriftliche, umfassende Schülerbeurteilung haben wollen? (Abg. Dr. Schmidt: Ist das Ihre Vorstellung von Verantwortung?)

Nächster Punkt – die Frau Bundesministerin hat das in ihrer Anfragebeantwortung ganz deutlich präzisiert –: Frau Abgeordnete Schmidt sprach vom Rückzug des Staates aus den Schulen. Man könnte meinen: Privatisierung. Frau Abgeordnete, Sie stehen damit in Widerspruch zu Ihrem eigenen Parteiprogramm. Im Parteiprogramm des Liberalen Forums steht – ich zitiere –: Wir halten daher an der Verpflichtung des Staates fest, öffentliche Schulen einzurichten und zu betreiben. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Der nächste Punkt: Einführung des Ethikunterrichtes. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen vom Liberalen Forum! Solange die Österreichische Volkspartei in der Bundesregierung ist, so lange wird es den Religionsunterricht in den Schulen geben – egal, ob Ihnen das paßt oder nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Hohes Haus! Abschließend: Bildungspolitik ist sehr umfassend, sie bedarf laufender Korrekturen und Verbesserungen. Laßt diese Bildungspolitik von dieser Koalition machen: in den Händen einer Bundesministerin Gehrer und laßt die Bildungssprecherin des Liberalen Forums dort, wo sie ist, nämlich in der Opposition! (Beifall bei der ÖVP.)

17.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. Die Redezeit beträgt 7 Minuten. – Bitte.

17.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr häufig hört man in Sonntagsreden von Politikern: Die Jugend ist unser höchstes Gut. – Das ist in Ordnung, ein sehr wichtiger Inhalt. (Zwischenruf des Abg. Koppler. )  – Ich bin auch noch jung, das ist der Unterschied zwischen uns beiden. – Die Frage ist, und ich stelle mir diese sehr oft: Warum geht gerade deine Fraktion mit diesem höchsten Gut so schlampig um?

Ein Beispiel: Ein Bekannter von mir betreibt eine Feuerfestfabrik und hat einen Lehrling gesucht. Da haben sich zwei Hauptschulabsolventen und ein HTL-Abbrecher beworben, denen er einen Würfel und ein Lineal gegeben und gesagt hat: Ermittelt das Volumen von diesem Würfel. – Keiner der drei hat diese Denksportaufgabe geschafft!


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Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sollte uns schon zu denken geben. Ich führe dieses Versagen vielleicht auch ein bißchen auf Nervosität zurück, im wesentlichen aber darauf, daß die Schule in den letzten Jahren zunehmend zu einem Experimentierfeld wurde. Man hat sie mit Aufgaben überfrachtet, und wesentliche Inhalte sind verlorengegangen. Wo bleibt da die immer wieder geforderte Evaluation der Lehrinhalte? Über Lehrplanreformen wird seit Jahren geredet. Sie sind aber ausgeblieben.

Im Gegenteil: Im durchaus positiven Streben nach mehr Durchlässigkeit des Schulsystems werden bewährte Strukturen verwischt, die angestrebte Transparenz ist einer Unübersichtlichkeit gewichen. Es findet eine Art politischer Aktionismus statt, nicht ausreichend diskutierte und auch keinem Begutachtungsverfahren unterzogene Gesetze wie das morgen von der Koalition zu beschließende Gesetz über die Berufsreifeprüfung werden durchgepeitscht. Es werden gerade mit diesem Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, plakativ Hoffnungen in den jungen Menschen geweckt, die sich nicht erfüllen werden, weil oft mangelhaft vorbereitete Personen schließlich an den Universitäten scheitern werden.

Sehr geehrte Frau Minister! Die Lehreraus- und Weiterbildung ist noch nicht den tatsächlichen Anforderungen und Abläufen angepaßt. Die Lehrer werden nach traditionellen Methoden und, wie man weiß, in proporzmäßig besetzten Ausbildungsstätten ausgebildet. Fast in jeder Landeshauptstadt gibt es natürlich eine schwarze und eine rote Ausbildungsstätte für Lehrer. Sie werden dann, weil es zu viele sind, arbeitslos, wie wir gehört haben – 8 000 werden es im Sommer sein –, und wenn sie nach mehrjähriger Wartezeit endlich einen Posten bekommen, dann sind sie leider nicht mehr auf dem letzten Stand. Eine verbindliche und systematische Lehrerfort- und weiterbildung mit Schwerpunkt natürlich in der unterrichtsfreien Zeit erfolgte bis dato nicht.

Im Gegensatz dazu steigen die methodischen und Managementanforderungen an die Lehrer ständig. Viele Lehrer werden oft ohne Unterstützung und Supervision den steigenden Anforderungen ausgesetzt, und das Burn-out-Syndrom erfaßt immer mehr Lehrer.

Frau Minister, wo bleibt die Kostenrechnung im Schulbereich? Wo bleibt die Verfahrensverkürzung und die Objektivierung bei den Schulleiterbestellungen? Wie schaut das Wirtschaftlichkeitsdenken im Schulbereich tatsächlich aus? – Aus dem letzten Rechnungshofbericht nur zwei Sätze. Auf Seite 243 steht unter Punkt 2.2: "Der RH beurteilte die Regelung der Kostentragung für Landeslehrer weder als wirtschaftlich noch als sparsam."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allein dieser Satz spricht Bände. Wenn einige Seiten weiter festgestellt wird, daß zum Beispiel alleine in der Steiermark der Bund für 3 110 Werteeinheiten 5,1 Millionen Schilling bezahlte, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, dann muß man sich doch etwas dabei denken. Warum passiert das? – Na weil die in den Maturaklassen beschäftigten Lehrer faktisch nach Durchführung der Matura keine Aufgaben mehr wahrzunehmen haben und dann trotzdem ihre Gehälter weiterbeziehen. Wäre es nicht eine Idee, diese Lehrer, anstatt sie in der letzten Ferienwoche für Nachhilfestunden einzusetzen, in den letzten Schulunterrichtswochen für die Förderung von Schülern einzusetzen? Dann hätten nämlich alle ruhige Ferien: die Eltern, die Schüler und die Lehrer, die dort eingesetzt werden könnten.

Dieser Rechnungshofbericht zeigt viele Schwachstellen in der Verwaltung, in der Administration auf, wo wirklich Kosten eingespart werden könnten. Kosten sollten nicht bei den Schülern, im sogenannten operativen Bereich eingespart werden, sondern in der Verwaltung oder, besser gesagt, im Ministerium.

Abschließend möchte ich meine tiefe Besorgnis darüber äußern, daß es Ihnen in Wirklichkeit gar nicht so sehr um echte Reformen geht, sondern um die Aufrechterhaltung des Proporzsystems und, wie wir in der Steiermark sagen, der "Postenschacherei". (Abg. Hans Helmut Moser: Nicht nur in der Steiermark!) Ich möchte Ihnen sagen: Zum Schluß werden die Schüler auf der Strecke bleiben und zunehmend auch die nicht mehr motivierten Lehrer. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.45


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77. Sitzung / Seite 159

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist Frau Abgeordnete Dr. Krammer. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Sie haben das Wort.

17.45

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Schmidt, bei aller Wertschätzung: Ich denke schon, daß die Dringliche heute einen gewissen Populismus inkludiert. Wir haben uns wirklich intensiv mit diesem Thema beschäftigt – warum gerade heute? (Abg. Marizzi: Da hat sie recht!)

Ich möchte ein bißchen auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Es gäbe vieles, aber bei einem bin ich wirklich hängengeblieben. Sie haben gesagt, die Kinder wären durch die Klingelzeichen, die sie zwölf Jahre hindurch hören, geschädigt. (Abg. Dr. Schmidt: Das habe ich doch nicht gesagt, Frau Kollegin!) Das läßt, Frau Dr. Schmidt, den Schluß zu, daß Sie die Lehrer erst recht für geschädigt halten, die hören das nämlich ein ganzes Berufsleben lang. – Na danke schön! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Eine echte Krammer!)

Zur verbalen Beurteilung: Was wird denn bitte – und ich appelliere an alle Lehrer – bei der verbalen Beurteilung herauskommen? – Walzen werden herauskommen! Es wird das Sprücherl für "Sehr gut" und das Sprücherl für "Gut" geben, weil man es nicht anders schafft. Also bleiben wir bitte auf dem Boden der Realität.

Frau Dr. Gredler, wie stellen Sie sich denn wirklich einen Schulbetrieb vor? Wie stellen Sie sich denn Lehrer vor? Sie haben allen Ernstes anklingen lassen, es sei denn, ich habe Sie mißverstanden, daß die Schüler ihre Note bekommen – und damit Punkt. Man spricht – stellen Sie sich vor! – mit den Schülern, das gibt es! (Abg. Schaffenrath: Manchmal, die Guten!) Die Lehrer besprechen mit den Schülern die Noten, sie reden mit den Schülern, wenn sie hinunterzusacken drohen in Richtung "Nichtgenügend". (Abg. Mag. Peter: Warum tun das nicht alle Lehrer?)

Zu Frau Dr. Petrovic möchte ich bezüglich der Schülerselbstmorde sagen – leider ist sie nicht da, aber sie wird mich ja im Klub, nehme ich an, hören –: Für die Schülerselbstmorde sind nicht die Lehrer verantwortlich – mag sein, daß es Ausnahmen gibt. Der Druck, der von der Familie kommt, ist oft schuld, weil manche Eltern ihre Kinder in Schulen schicken, für die die Kinder nicht geeignet sind. Bleiben wir doch bitte auch da auf dem Boden der Realität! Das ist die Wahrheit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wissen Sie, ich habe das Gefühl, alle Jahre wieder, so wie die Schwalben kommen und die Störche ins Burgenland, kommt zum Schulschluß die Lehrerhatz. Anders kann ich mir das, was Sie heute auf den Tisch gelegt haben, nicht erklären. (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Man gibt den Lehrern die Schuld dafür, wenn zum Beispiel ein Kind wegen schulischen Mißerfolges von zu Hause davonläuft. Wer ist schuld? – Die bösen, bösen Lehrer. (Abg. Schaffenrath: Vielleicht auch die Lehrer!) Ein "Nichtgenügend" wird als Willkür der Schule bezeichnet. Ich bitte Sie, das ist ungerecht und unfair! Ich bin im Schulbetrieb, Frau Schaffenrath, schauen Sie sich einmal eine Schule an! Ich bin dort drinnen (Abg. Schaffenrath: Ich auch!), ich weiß, wie viele Sorgen sich die Lehrer machen. Sie machen sich die Entscheidung nicht leicht, bitte glauben Sie das! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dr. Pumberger. )  – Herr Dr. Pumberger, bleiben Sie bei Ihrem Geschäft, davon verstehen Sie wenig genug, mischen Sie sich bitte nicht in die Schule ein! (Heiterkeit und neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aber Ihr Kollege Grollitsch wäre mir recht (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen)  – ich bin am Mikrophon, ich bin die Lautere –, wenn Ihr Kollege Grollitsch jetzt da wäre, wäre das schön. (Abg. Aumayr: Frau Kollegin, darum sind Sie als Gesundheitsministerin abgesetzt worden!) Nein, ich bin freiwillig gegangen, aber wissen Sie, was meine größte Leistung als Gesundheitsministerin war? – Ich habe den Pumberger als Ausschußvorsitzenden ausgehalten! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte zu Herrn Dr. Grollitsch noch etwas sagen. Er hat vom Frühwarnsystem geredet, und da habe ich gehört, daß er gesagt hat – ich weiß nicht, an wessen Adresse gerichtet –, man


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möge sich bitte am Wirtshaustisch umhören. – Na bitte, sehr geehrter Herr Dr. Grollitsch, hören Sie sich einmal in der Schule um, das wäre einmal etwas Neues! Hören Sie sich das Frühwarnsystem an! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Da redet einer so locker vom Hocker vom Frühwarnsystem! Sehr geehrter Herr Professor Grollitsch, kennen Sie die "Nichtgenügend", die Ihre Studenten haben? Kennen Sie überhaupt Ihre Studenten von der Montanistischen, wissen Sie überhaupt, wie die ausschauen? Ich bezweifle das! (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Man möge sich bitte vergegenwärtigen, wieviel Substanz es Lehrer kostet, sechs bis sieben Stunden am Tag vor kritischen 14- bis 19jährigen zu bestehen, sage ich jetzt einmal. (Abg. Schaffenrath: Das sind aber nur drei Tage bei sechs Stunden!) Das heißt höchste Konzentration, das heißt, keine Unsicherheit zeigen, und das heißt, nie die Geduld verlieren.

Ich will die Arbeit in einem Büro weiß Gott nicht geringschätzen, aber Büroarbeit und Lehrerarbeit sind nicht zu vergleichen. Ein Lehrer muß immer präsent sein, der kann nicht sagen, heute ist mir schlecht, heute habe ich Kopfweh, den Akt kann ich morgen auch machen – Schüler sind zu unterrichten. Bei allem Willen zur Reform, meine Damen und Herren: Reformen müssen wir wohl überlegen, denn die Adressaten der Reformen sind unser größtes Kapital: unsere Jugend. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Diese Debatte ist geschlossen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 2225/AB

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten mit der Ordnungszahl 2225/AB.

Die Anfragebeantwortung ist verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich rufe die Redezeitbeschränkungen, die geschäftsordnungsmäßig vorgesehen sind, noch einmal in Erinnerung: Jener Abgeordnete, der als Antragsteller oder Mitunterzeichner diese Debatte begründet, hat eine Redezeit von 10 Minuten, alle anderen Abgeordneten von 5 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder von Staatssekretären sollen gleichfalls dieses Zeitlimit nicht überschreiten.

Ich ersuche nun Frau Abgeordnete Rossmann als Antragstellerin des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

17.52

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung bezüglich der Präsentation der Österreich Werbung auf der ITB so getan, als ob alles in Ordnung gewesen wäre, als ob eine tolle Präsentation der Österreich Werbung stattgefunden hätte – ohne Pannen, ohne Beschwerden und so weiter. Sie haben mir freundlicherweise die Statuten zukommen lassen – vielen Dank dafür, aber ich habe sie bereits in Händen gehabt –, und eines ist ganz deutlich daraus hervorgegangen, nämlich daß Sie uneingeschränkte Verantwortung auch als Obmann und Präsident dieses Vereines wahrzunehmen haben.

Sie sind auch zuständiger Minister für den Tourismus und Obmann beziehungsweise Präsident der Österreich Werbung. Ich muß aber leider feststellen, daß Sie sich vom Tourismus wirklich verabschiedet haben. Und das ist nicht nur meine Wortwahl, sondern es hat auch der Obmann


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der Sektion Gastgewerbe, Herr Hinterleitner, gestern am Gastwirtetag in der Steiermark wortwörtlich gesagt, die Politik hat sich vom Tourismus verabschiedet. – Ich muß sagen, es ist traurig, wenn das Ihre eigenen Leute, Ihre ehemaligen Kollegen aus der Wirtschaftskammer bereits feststellen.

Herr Minister! Die Präsentation der Österreich Werbung auf der ITB in Berlin war deshalb so katastrophal, weil sie im Konnex des internationalen Vergleichs Österreichs auf der größten Tourismusmesse der Welt zu sehen ist, und zwar im Vergleich mit unseren Hauptkonkurrenzländern Deutschland, Schweiz, Italien und Spanien. Herr Minister, ich habe an Sie die Frage gestellt, aus welchem Grund Sie als zuständiger Tourismusminister bei dieser Messe nicht anwesend waren – weder bei einer Pressekonferenz noch sonstwo. Ich habe mir auch die Mühe gemacht, im Ministerium anzurufen, da kam die Antwort, Sie seien beschäftigt – ich glaube, es ging um die ersten Gespräche zur Gewerbeordnung –, und man hat mir gesagt, es seien ohnehin einige Beamten hinausgefahren.

Ich muß sagen, das ist wirklich traurig, denn wenn man einen internationalen Vergleich anstellt – ich habe mir das Programm der ITB hergenommen –, sieht man, daß 77 Minister auf der ITB gewesen sind, 22 stellvertretende Minister beziehungsweise Staatssekretäre und 53 Botschafter. Anscheinend hat es Österreich nicht notwendig, auf dieser weltgrößten Tourismusmesse präsent zu sein. Und das ist nicht das erste Mal, das war voriges Jahr schon so und in einigen Jahren davor auch. Und das, finde ich, ist ungeheuerlich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Ungeheuerlich!)

Frage 2 lautete: Gibt es in irgendeiner Form Vorgaben beziehungsweise Auflagen des Wirtschaftsministeriums an die Österreich Werbung bei der Präsentation unseres Landes bei internationalen Ereignissen? – Mir ist schon klar, als Minister können Sie diese Vorgaben natürlich nicht geben, aber in Ihrer Doppelfunktion als Präsident der Österreich Werbung wiederum können Sie diesem Verein sehr wohl Vorgaben für eine effiziente Werbung geben.

Herr Minister! Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen jetzt die Präsentation der Österreich Werbung schilderte. Ich werde Ihnen einmal in einem persönlichen Gespräch nahelegen, was sich da abgespielt hat. Aber daß man in der heutigen Zeit hergeht und einen Schranken aufstellt ...! Sie antworten in Ihrer Anfrage: Ja, das ist das Konzept aus 1995, 1996 mit diesem Ski-Data-System. Aber auch da wurde überhaupt nicht auf die Entwicklung Rücksicht genommen. Die ITB hat sich, seit die Ostländer etwas Geld haben, auch als Besuchermesse entwickelt – es ist der Anteil ungefähr halbe-halbe –, und wir haben auch auf die vielen Besucher Rücksicht zu nehmen. Es sind 100 000 insgesamt, 50 000 Fachbesucher, 50 000 sonstige, und in diesen sollten einfach Emotionen geweckt werden, nach Österreich zu reisen. Von all dem war nichts vorhanden. Nein, man macht einen Schranken nach einem Ski-Data-System mit einer eigenen VIP-Karte. Man muß dazusagen, die Karte wurde den Beteiligten vorher zugesandt, und andere hatten keine Möglichkeit, da hineinzukommen.

Und jetzt frage ich mich: Wie sollen da neue Kontakte geknüpft werden? Wie soll es möglich sein, jemanden kennenzulernen, neue Kontakte zu knüpfen? Andere Länder haben die Trennung zwischen Fachbereich und Besucherbereich auch, aber transparenter, und sie haben eine charmante Dame dort stehen, die die Leute empfängt und darauf hinweist, wo der Fachbesucherteil ist. Da wird nicht restriktiv einfach ein Schranken aufgestellt, wo man eine Karte reinstecken muß, um überhaupt durchzukommen. Und so ist es. (Zwischenruf des Abg. Grabner. ) Sie waren ja gar nicht dort, woher wollen Sie das wissen? (Abg. Grabner: Ist ja nicht wahr!)

Der nächste Punkt: Wir haben einen Riesenstand gehabt, alles weiß in weiß, alles schlecht ausgeleuchtet, und von ganz oben herunter ist ein stilisiertes Alpenpanorama gehängt. Der arme Künstler, der das gestaltet hat, kann nichts dafür, weil das Alpenpanorama ist gar nicht zur Geltung gekommen – es war auch nicht als solches erkennbar. Da ersuche ich Sie wirklich, bei der nächsten Messe die IPK-Studie zu berücksichtigen und Berge und Seen zu präsentieren, im großen Rahmen, die Möglichkeit wäre vorhanden. Warum hat man keine Kletterwand aufge


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stellt? Tirolwerbung hat eine Kletterwand. Man könnte eine Kletterwand aufstellen und so das Klettern schmackhaft machen.

Also die gesamte Präsentation war einfach dilettantisch. Der Gipfel zeichnete sich ja auch darin ab, daß man überhaupt kein Interesse hatte, an Feinheiten, an Kleinigkeiten zu denken. Jeder von uns muß im täglichen Betrieb an Kleinigkeiten denken, weil die Kleinigkeiten machen es letzten Endes aus. Und so ist es passiert, daß zum Beispiel die Österreich Werbung im Telefonverzeichnis der ITB gar nicht aufgeschienen ist. Sie können nachschauen, sie ist nicht drinnen. Auf die diesbezügliche Frage hieß es von Ihnen: Es sind alle mit Handies ausgerüstet. Ich habe dort nachgefragt und habe die Antwort bekommen: Wir brauchen sowieso kein Telefon, da wir alle mit Handies erreichbar sind. – Tatsache ist aber, daß Besucher der Messe, die den Kontakt mit Österreich suchen, sich auch verspäten, manche Verabredungen erst verspätet wahrnehmen können, und sie können nicht einmal anrufen und sagen: Bitte, warten Sie verläßlich, ich komme eine halbe Stunde später, mein Flugzeug hatte Verspätung. – Das müssen Sie sich vorstellen! Ich kann es Ihnen zeigen: Österreich scheint nicht auf! (Die Rednerin überreicht Bundesminister Dr. Farnleitner ein Faltprospekt.)

Das nächste: Jeder Besucher nimmt das Teilnehmerverzeichnis zur Hand. Die Österreich Werbung findet sich nur unter "Ö". Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie viele Staaten es gibt, die den Buchstaben "Ö" nicht kennen und die Österreich einfach unter "Austria" suchen. In Ihrer Anfragebeantwortung sagen Sie mir, es gibt ein Inhaltsverzeichnis, in dem Österreich unter "Austria" zu finden ist. – Herr Minister, seien Sie so lieb und zeigen Sie mir das Inhaltsverzeichnis in diesem Ausstellerverzeichnis! Dieses Ausstellerverzeichnis hat kein Inhaltsverzeichnis. Also, Herr Minister, entweder haben Sie diese Anfrage nicht selbst beantwortet, oder Sie haben nicht die Wahrheit gesagt. Schauen Sie nach, zeigen Sie mir bitte das Inhaltsverzeichnis! Österreich ist nur unter "Ö" drinnen. Es sind die Austria Trend Hotels drinnen. Ja kann man denn Österreich nicht unter "Austria" noch einmal anführen? Das sind diese Kleinigkeiten.

Ich weiß, das wollen Sie nicht hören, aber das sind Kleinigkeiten – Herr Puttinger wird mir das bestätigen –, die einfach das Gesamtbild ausmachen, die den Gast verärgern, die den Aussteller verärgern, die jeden verärgern, der nach Österreich will. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da wir beim Verärgern sind, Herr Minister: Der größte Ärger findet sich innerhalb meiner Branche, und zwar was die Präsentation der Familienwerbung betrifft. Sie kassieren als Präsident der Österreich Werbung von jedem Unternehmer, der bei diesem Produkt Familienhotels, Kinderhotels dabei ist, 20 000 S. Aber nicht, daß Sie glauben, daß man da nur einmal zahlt! Einmal bezahlt man die Österreich Werbung über die Bundessteuer, dann über eine Landesabgabe und einmal noch über die Wirtschaftskammer als Unternehmer – und dann muß man ein viertes Mal die Österreich Werbung bezahlen, damit man ein Inserat im Prospekt "Familienhotels" schalten kann.

Die Österreich Werbung macht die Präsentation der Familienhotels, und das, Herr Minister, ist ein trauriger Anblick. (Die Rednerin zeigt ein Foto vom Messestand.) Es war die Kindergruppe JUPPIDU, die ich gut kenne und die das auch sehr gut gemacht hat, die kann überhaupt nichts dafür. Man hat es nicht einmal der Mühe wert gefunden, die Tafel für die Österreich Werbung, die darauf hinweisen soll, daß es sich um Familienurlaub in Österreich handelt, aufzuhängen – es wäre Platz genug gewesen –, nein, man hat sie hinten am Boden schräg hingelehnt! (Abg. Haigermoser: Lieblos, das Ganze!) Ich als Unternehmerin, die in ihrem Betrieb immer darauf schaut, daß vorne und hinten alles funktioniert, muß Ihnen sagen, das ist eine derartige Lieblosigkeit, ein Dilettantismus und eine Unfähigkeit, für die Sie als Präsident der Österreich Werbung und als zuständiger Minister verantwortlich sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Schauen Sie sich das bitte an, das ist wirklich erschütternd! (Die Rednerin übergibt dem Minister das Foto. – Abg. Parnigoni: Das ist ja lächerlich! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das schaut Ihnen ähnlich! Bei euch ist alles lächerlich!)

Sagen Sie nicht, das ist erschütternd für mich, denn ich bin mir sicher, Herr Minister – so schätze ich Sie schon ein –, wenn Sie die Messe besucht und das dort gesehen hätten, hätten


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Sie sich die verantwortlichen Leute hergeholt und gesagt: Was glaubt ihr eigentlich? So könnt ihr das doch nicht präsentieren!

Man hat diese Tafel nicht einmal aufgehängt, man hat sie am Boden schräg hingestellt! Das muß man sich vorstellen! Und für alle, die das nicht wissen: Der Familienurlaub war das Hauptthema am ÖW-Stand auf der ITB, der weltgrößten Tourismusmesse, und so hat man ihn präsentiert. Es ist dermaßen erschütternd, aber es ist das Spiegelbild unserer Tourismusverantwortlichen in diesem Land, die einfach nicht mehr interessiert, was im Tourismus stattfindet.

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist zu Ende, bitte.

Abgeordnete Mares Rossmann (fortsetzend): Herr Minister! Nehmen Sie Ihre Verantwortung sowohl als Präsident der Österreich Werbung als auch als Wirtschaftsminister, zuständig für den Tourismus, endlich wahr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Ich mache darauf aufmerksam, daß von nun an die Redezeit 5 Minuten beträgt. (Abg. Schieder: Und rot ist die Tafel auch noch! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Lassen Sie sich Zeit, Herr Abgeordneter! Ich habe die Uhr noch nicht eingestellt. Aber vielleicht kann man die Diskussionen in den Bankreihen jetzt beenden.

18.03

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Wir behandeln hier eine Anfrage der Freiheitlichen (Abg. Haigermoser: Eine Beantwortung! Das ist der feine Unterschied!), eine Beantwortung einer Anfrage, in der es darum geht – wie Kollegin Rossmann es hier ausgedrückt hat –, ob die ITB eine Tourismusmesse, eine Besuchermesse oder eine Fachmesse ist und ob dort der Stand der Österreich Werbung in dem Zustand gewesen ist, wie es sich Frau Abgeordnete Rossmann vorstellt.

Zum ersten möchte ich festhalten, meine Damen und Herren, daß sich natürlich eine Messe immer wieder in ihrer Konzeption überprüft, und so kommt es, daß sich die ITB in Berlin von der Besuchermesse hin zu einer Fachmesse wandelt und sich ihr Zielpublikum daher anders darstellt. Daher strukturiert sie sich auch entsprechend neu.

Zum zweiten ist zu sagen, daß dieser Stand, von dem Sie reden, Kollegin Rossmann, wie auch in der Anfragebeantwortung durch den Minister dargestellt worden ist, aus dem Jahr 1995 stammt und irrsinnig viel Geld gekostet hat. Den hat nämlich der vorherige Geschäftsführer angekauft, er heißt Lukas und ist heute freiheitlicher Abgeordneter im Europäischen Parlament. Das muß man nämlich einmal sagen. (Abg. Haigermoser: Der hat aber ordentliche Kennzahlen zustande gebracht! – Weiterer Zwischenruf der Abg. Rossmann. ) Dieser Stand wird deshalb verwendet, weil er sich ja schlußendlich amortisieren muß. Man kann ja – wie die Freiheitlichen immer sagen – das Geld nicht beim Fenster hinauswerfen! Man muß ja entsprechend sparen, und daher wurde dieser Stand wiederum verwendet.

Zum dritten möchte ich noch anmerken, daß die Österreich Werbung bei der ITB nicht so unerfolgreich gewesen sein kann, weil sich schlußendlich – wie man auch aus der Anfragebeantwortung ersehen kann und wie ich aus Gesprächen weiß – die Gesprächsfrequenz um 30 Prozent erhöht hat und die Fachbesucher, die ja für die österreichischen Aussteller dort die wichtigsten sind, dieses Angebot sehr gerne und in größerem Ausmaß als vorher angenommen haben.

Meine Damen und Herren! Darüber, ob die Österreich Werbung in ihrer jetzigen Struktur glücklich wird, können wir die Diskussion führen, und wir führen sie auch schon sehr lange und sehr intensiv. Nunmehr hat Minister Farnleitner gemeint, er möchte eine Neustrukturierung der


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ÖW in Form einer Vereinsstruktur noch einmal probieren. Wir haben gemeint, vielleicht sollte man die Rechtsform einer AG oder GesmbH wählen, aber wir werden uns das jetzt anschauen. Man sollte einmal jenen, die jetzt auf diese Struktur gesetzt haben, die Gelegenheit geben, zu zeigen, ob sie erfolgreich sein können. Zumindest haben sie in einem ersten Schritt zusammengebracht, daß sich das Mißverhältnis von 45 Prozent Ausgaben für die operative Ebene und 55 Prozent für das Personal umgedreht hat und daher mehr Geld für die operativen Aufgaben der ÖW zur Verfügung steht. Ich halte das für eine vernünftige Entwicklung und glaube daher auch, daß da ein erster erfolgreicher Schritt gesetzt wurde.

Aber, Hohes Haus, wir wissen ja, der Sommer steht bevor, die FPÖ-Sommerspiele beginnen wieder einmal, und das ist halt das Einläuten. (Abg. Haigermoser: Da kriegst du auch einen Posten – als Kulissenschieber!) Und zum zweiten, lieber Kollege Haigermoser, wissen wir ja ohnehin ganz genau: Wenn die Liberalen oder die Grünen in diesem Haus eine Dringliche einbringen, dann hat die FPÖ immer das Gefühl, sie kommt zu kurz, und muß sofort eine Besprechung einer Anfragebeantwortung nachschieben, damit sie ihre Notwendigkeit in diesem Haus nachweisen kann.

Ich sehe aber durchaus die Problematik in der Entwicklung des Tourismus, meine Damen und Herren. Daß die Entwicklung im letzten Winterhalbjahr nicht angenehm war, daß sich der Umsatz zurückentwickelt hat und die Nächtigungszahlen zurückgegangen sind, das alles wollen wir nicht bestreiten. Und daß die Anstrengungen der Branche, der Politik und der ÖW gewaltig sein müssen, um das wieder aufzuholen, um mit dem größten Exportartikel Österreichs wieder zu punkten, das ist keine Frage. Aber ich glaube nicht, daß man mit der Diskussion, ob ein Schild auf dem Boden gestanden oder oben an der Wand gehängt ist, die österreichische Tourismusbilanz wesentlich wird beeinflussen können.

Ich erwarte mir eher Impulse, wenn wir an die Umsetzung etwa von Forderungen nach der Entwicklung regionaler Tourismusorganisationen gehen oder endlich mit einem Masterplan mit der entsprechenden Tourismusstrategie für das Jahr 2005 beginnen. Da, würde ich meinen, sollten wir zusammenarbeiten, und, Herr Minister, in dieser Richtung haben Sie auch meine Unterstützung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.09

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrtes Plenum! Als ich mir diese Anfragebeantwortung angeschaut habe, habe ich mich gefragt, warum eigentlich diese Anfrage gestellt worden ist. Die erste Frage betrifft die Einteilung des Dienstplanes des Herrn Ministers. Ich glaube, dafür sind wir wirklich nicht zuständig. Der Herr Minister – das traue ich ihm zu – kann selbst richtig entscheiden, was er tut.

Die Antwort auf die zweite Frage ist für jeden Wirtschaftstreibenden von vornherein klar: In einer Firma, die 500 Millionen umsetzt, wird es gewisse Entscheidungskriterien für die entsprechenden Gremien geben.

Die dritte, vierte und fünfte Frage beschäftigen sich mit den Statuten. Ich frage mich, liebe "F": Warum sind Sie nicht zum Herrn Grasser gegangen, dem jungen dynamischen Herrn aus Kärnten? Den werden Sie ja bitte kennen. Der hat ja die Statuten, denn der ist ja in den Gremien vertreten.

Die sechste Frage ist eine Finanzfrage.

Die neunte Frage ist eine Finanzfrage, die wurde beantwortet.

Ich frage mich wirklich: Was fangen Sie dann mit diesen Zahlen an? Sie haben es ja beim Budget bewiesen: Bei dem Sparbudget bringen Sie 40 Milliarden Schilling mehr heraus. Also


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warum stellen Sie eine Finanzfrage, wenn Sie mit den Finanzen ohnehin nicht umgehen können?

Die achte Frage ist eine rein theoretische Frage, wo Sie sich mit Fachmessen auseinandersetzen. Jeder Abgeordnete hier im Haus, weiß, was eine Fachmesse ist. Ich brauche doch nicht zu fragen, warum man sich auf einer Fachmesse anders verhalten muß als auf einer Besuchermesse.

Und so geht es dahin mit den Fragen 10, 11, 12, 13 und 14.

Ich habe nur fünf Minuten Zeit. Lassen Sie mich daher doch auch ein paar grundsätzliche Dinge sagen.

Sehr verehrte Frau Abgeordnete Rossmann! Sie sind sicher eine Fachbesucherin gewesen, sind also durch diese Sperre gekommen und konnten dort wahrscheinlich feststellen, daß die 100 oder 150 Plätze ausverkauft gewesen sind, daß Sie den ganzen Tag über keinen Platz bekommen haben. Es wird Ihnen doch lieber sein, wenn dort Fachbesucher sitzen, als wenn dort Besucher sitzen, die lieber essen und trinken und mit Fachbesuchern nichts zu tun haben. (Zwischenruf der Abg. Rossmann. )

Liebe Frau Abgeordnete Rossmann! Da Sie den Zustand kritisieren, muß ich Ihnen eine ganz klare Antwort geben. Sie werden die "Travel Inside" kennen, immerhin die größte Reiseveranstaltungszeitung mit Sitz in der Schweiz, die folgendes über die Schweiz und Österreich schreibt: Allerdings ackerten sich entsprechend dem Angebot vor allem ältere Semester durch die Schweizer Prospektberge, während sich zum Beispiel bei den Österreichern, nur 50 Meter weiter, die Kids stauten. Unser Nachbarland, dessen Tourismus ebenfalls tief in der Tinte sitzt, offerierte Sound, Animation und trendige Angebote. – Das schreibt die größte Zeitung auf diesem Gebiet, aber Sie haben nichts anderes zu tun, als negative Dinge hier zu erzählen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf aber noch etwas sagen, damit Sie wissen, worum es bei dieser Anfrage überhaupt gegangen ist – und das wurde heute schon von Parnigoni gesagt –: Wenn man sich schon über den Turm und seine Gestaltung aufregt, dann muß man auch dazusagen, daß dieser Turm von jemandem, der heute freiheitlicher Abgeordneter ist, entwickelt worden ist. Ihr heutiger Abgeordneter hat das gemacht. (Zwischenruf der Abg. Rossmann. )

Wenn Sie sich über die Sperre beschweren, so muß ich Ihnen wieder sagen, das war ebenfalls der damalige ÖW-Chef Lukas, der diese eingeführt hat, und das aus gutem Grund. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Weiterer Zwischenruf der Abg. Rossmann. ) Wenn Sie sich über den Standaufbau beschweren, dann darf ich Ihnen sagen, daß das ebenfalls Ihr Abgeordneter des EU-Parlaments, Ihr Fremdenverkehrsspezialist, war, der das eingeführt hat. Und wenn Sie sich über den Architekten beschweren und dieses Bild so schön hergezeigt haben, dann muß ich Sie darauf hinweisen, daß das derselbe Architekt war, der 1994, 1995, 1996 und 1997 für die Gestaltung verantwortlich war und auch von Ihrem Herrn Generaldirektor Lukas damals eingesetzt worden ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gratuliere Ihnen dazu, daß Sie sich selbst so hinuntermachen in dieser Diskussion. Ich verstehe es nicht, wie man in einer derartigen Weise vorgehen kann. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Trattner zu Wort gemeldet. Redezeit: 5 Minuten.

18.14

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem Feuerwerk des Kollegen Puttinger muß man eigentlich zur Erkenntnis kommen, im österreichischen Tourismus sei alles in Ordnung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Kollege Puttinger! Ich kann Ihnen eines sagen: Als damals Kollege Lukas noch Chef der Österreich Werbung war, haben immerhin noch die Zahlen gestimmt – heute sind wir von den Wunschzahlen weit entfernt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man sich die Beantwortung der Frage 8 anschaut, dann muß man sich das auf der Zunge zergehen lassen. Man gewinnt da den Eindruck, man will solche Fachmessen organisieren und unter sich bleiben, man will, daß ja keine Fremden dorthinkommen. Die Antwort auf die Frage 8 ist köstlich: "In der Vergangenheit wurde von österreichischen Fachbesuchern vehement eine effektive Kontrolle für den Zugang zum Fachbesucherbereich gefordert." – Von den österreichischen! Also die ausländischen Interessenten haben sich offensichtlich nicht darüber aufgeregt, aber die Österreicher wollten dort eher eine "Inzuchtveranstaltung" abhalten, dieselben "Inzuchtveranstaltungen", wie sie die ÖVP abhält. Aufgrund dieser "Inzuchtveranstaltungen" hat die ÖVP in den letzten 20 Jahren 70 Prozent ihrer Wähler verloren und die FPÖ um das Siebenfache zugelegt. Das ist Ihre politische Arbeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sagen immer wieder, die Österreich Werbung arbeite gut. Man muß sich aber die Beteiligungsverhältnisse dort einmal anschauen: 60 Prozent Bund, 20 Prozent Kammer, 20 Prozent Länder. Da müßte man eigentlich der Auffassung sein, daß sie untereinander kommunizieren, daß man sich untereinander abspricht, was man tut. Da habe ich ein Rundschreiben aus der Steiermark bekommen: Wanderinitiative der Österreich Werbung. Ersuchen um Nichtteilnahme der steirischen Orte und Regionen. Nachdem bereits fünf Bundesländer vorher schon abgelehnt haben, bei dieser Aktion mitzumachen, kommt über Auftrag der Österreich Werbung über eine Firma, nämlich die Firma ITA, ein Aviso, daß mit steirischen Orten Akquisitionsmaßnahmen in der Größenordnung zwischen 50 000 und 100 000 S vorgesehen sind. Das ist dieselbe Firma ITA, die auch den Weinprospekt macht, und das ist dieselbe Firma ITA, die von der Größenordnung her wahrscheinlich das Ganze gar nicht veranlassen kann, denn sie hat laut KSV-Mitteilung ein Umsatzvolumen von einer Million Schilling im Jahr. Ja, bitte, was läuft denn dort? Eine Million Umsatz im Jahr, das muß doch allein mit einer Werbeaktion zu lukrieren sein. Was ist denn das für eine Firma? Das wäre einmal zu untersuchen.

Was ist denn das für eine Firma, die einfach in die Bundesländer auf Akquisition geht, obwohl von den Bundesländern dezidiert gesagt wird, daß solche Akquisitionsmaßnahmen dort nicht stattzufinden haben?

Auch bei einer Sitzung am 5. Februar 1997 betreffend Werbemittelproduktion wurde ganz klar vereinbart, daß seitens der Österreich Werbung keine Aktionen auf Länder- und regionaler Ebene gestartet werden. Aber dann macht man es trotzdem und schickt diese Firma ITA ins Feuer.

Da gibt es aber noch etwas, das zeigt, wie diese Werbeaktivitäten der Österreich Werbung vor sich gehen. Sie kennen genau die Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht zwischen dem Herrn Höferer und einer leitenden Mitarbeiterin, die kritisiert, daß die beklagte Partei, nämlich die Österreich Werbung, gar nicht in der Lage ist, zeitgerecht ein Tourismus-Konzept für den Sommer-Tourismus 1997 vorzulegen – das war im März 1997 –, obwohl bereits sämtliche Bundesländer ihre Werbekonzepte vorgetragen haben.

Dasselbe galt für die Wintersaison 1996/97, wo man ebenfalls erst am 11. Oktober die Werbekampagne vorgestellt hat. Am 11. Oktober, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Wintersaison im Grunde genommen bereits fast ausgebucht sein sollte, wird eine Werbeaktion gestartet, mit der Strategie "Alltag raus, Österreich rein". Wenn bei der Market-Untersuchung einer Werbeaktion die Benotung höher ist als zwei, dann wird jeder vernünftige Marketing-Mensch die Strategie genau hinterfragen, dann ist diese Aktion entweder rasch zu ändern oder abzublasen. Diese Aktion hat die Benotung "mehr als drei" bekommen, und Herr Höferer als Geschäftsführer der Österreich Werbung hat überhaupt keine Veranlassung gesehen, dort einzugreifen und etwas abzuändern.


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Er sagte, es werde schon alles gutgehen. Daß es aber nicht gutgeht, wissen wir, wir kennen die Zahlen. Die Zahlen sind heute schlecht, und zu Zeiten von Lukas waren die Zahlen gut. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt ist Abgeordneter Mag. Peter am Wort. – Bitte.

18.19

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist wirklich skurril: Der österreichische Tourismus hat den schwersten Strukturwandel seiner Geschichte zu bestehen, und wir unterhalten uns über parteipolitische Spielchen, wir unterhalten uns darüber, ob der jetzt freiheitliche Lukas oder der ehemalige rote oder vielleicht doch schwarze Höferer – ich weiß es nicht, und es ist mir auch völlig gleichgültig – da oder dort eine richtige oder falsche Werbelinie gefahren ist.

Meine Damen und Herren! Es ist doch skurril, wenn das Hohe Haus im Zusammenhang mit Tourismus über nichts anderes zu diskutieren hat – es handelt sich dabei um eine Branche, die immerhin noch 6,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Devisen beistellt, die viele Hunderttausende Menschen beschäftigt – als über die Gestaltung eines Messestandes bei der ITB in Berlin. Ich halte das für derart skurril, daß ich es schon unerträglich finde! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Was wir tun können, ist, zu verstehen, daß wir den Tourismus zum nationalen Anliegen machen müssen. Ich nenne Ihnen Zahlen für 1996: Die Deviseneinnahmen beliefen sich auf 6,2 Prozent des BIP. 1992 waren 8,4 Prozent des BIP Deviseneinnahmen. Das heißt, der Tourismus hatte – in absoluten Prozentpunkten gemessen – 1996 eine um 2,2 Prozent geringere Dynamik als die übrigen Bereiche der Wirtschaft. Dabei geht es um 50 Milliarden Schilling, meine Damen und Herren, 50 Milliarden Schilling, die als Devisen fehlen und sich in der Zahlungsbilanz schmerzhaft bemerkbar machen, sowie 50 Milliarden Schilling, die im Wirtschaftswachstum abgehen. Heute steht Österreich – leider muß ich das sagen – im Wirtschaftswachstum innerhalb der Europäischen Union an letzter Stelle.

Machen wir daher den Tourismus zum nationalen Anliegen! Diskutieren wir über den Sinn einer Exportoffensive, die immer nur am industriellen und gewerblichen Sektor orientiert ist! Zerbrechen wir uns den Kopf über eine Exportoffensive im touristischen Bereich, in dem wir – noch einmal sei es gesagt – zu Lasten der Wirtschaftsdynamik Österreichs 50 Milliarden Schilling Deviseneinnahmen verloren haben! Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Leistungsbilanzentwicklung des ersten Quartals ist in höchstem Maße besorgniserregend. Wir gehen in Richtung einer negativen Leistungsbilanz im Ausmaß von über 2 Prozent des BIP.

Die betriebswirtschaftlichen Zahlen hat Ihnen die Nationalbank unlängst zur Verfügung gestellt, meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Unter diesen Zahlen scheinen für die Beherbergungsbranche als Medianwerte, als Mittelwerte für 3- bis 5-Stern-Unternehmen auf: ein negatives Eigenkapital von 11 Prozent, eine doppelte Verschuldung vom Umsatz und eine Rendite von minus 2,6 Prozent. Das sind Fakten, die wir im Hohen Haus diskutieren müssen! Wir müssen darüber diskutieren, wie wir neue Rahmenbedingungen setzen, wie wir eine Exportoffensive starten. Wie können wir den unerhörten Erfolg, den wir im Tourismus von den sechziger bis zu den achtziger Jahren erreichten, in den neunziger Jahren fortsetzen?

Was aber tun wir statt dessen? – Wir ergehen uns in kleinkariertem parteipolitischem Gezänk darüber, ob das jetzt ein Blauer, ein Roter oder ein Schwarzer getan hat. Das ist das einzige, was für den Tourismus wirklich nicht interessant ist. Irgendein Parteipolitiker von den Freiheitlichen mag daran sein Mütchen kühlen, aber das nützt nichts und trägt nichts Positives bei. Es ist einfach lächerlich, Frau Rossmann, was Sie hier geliefert haben! Es ist bedauerlich und lächerlich, und das hat sich der österreichische Tourismus nicht verdient. Halten Sie solche Reden im steirischen Landtag, aber nicht hier im Parlament! (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ, der ÖVP und der Grünen. – Zwischenrufe der Abg. Rossmann und des Abg. Mag. Trattner. )


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Meine Damen und Herren! Das Problem im österreichischen Tourismus ist nicht, daß die Marktchancen nicht intakt wären. Dieses Land ist wunderschön. Es hat eine geeignete Infrastruktur, es liegt in der Mitte seiner Märkte, und es hat alle Chancen. Jedes Prozent Wirtschaftswachstum in den Reformstaaten führt zu weiterer Tourismusbelebung in Österreich. Aber das Problem, meine Damen und Herren, sind die Kosten des Dienstleistungsstandorts. Das schreibe ich Ihnen von den Regierungsfraktionen ins Stammbuch! Wir drängen uns über die Preise schlicht und einfach selbst aus dem Markt. Dort, wo die Preise nicht gesenkt werden können, weil sonst die Kosten nicht darin unterzubringen sind, und wo der Markt die Preise nicht annimmt, kommt es zu den Ergebnissen, die ich Ihnen soeben aus Publikationen der Nationalbank vorgelesen habe.

Die Umsatzrentabilität der Jahre 1995 und 1996 war leider noch schlechter: minus 2,59 Prozent. Herr Bundesminister! Wenn Sie sich zu Wort melden, wäre ich Ihnen dankbar, würden Sie zu diesen Fragen Stellung nehmen. – Die Frage, wo ein bestimmtes Gestell gestanden ist, interessiert niemanden außer Frau Rossmann. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Peter! Der Herr Bundesminister hat sich schon zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm als letztem Redner in dieser Debatte das Wort. – Herr Minister, Ihr Beitrag sollte 10 Minuten nicht übersteigen.

18.23

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Es gibt überall in den entwickelten europäischen Ländern, in allen Mitgliedsländern der EU eine Diskussion darüber, welchen Zweck es hat, wenn Minister sich auf Fachmessen zeigen.

Wir haben uns hinsichtlich der ITB unter den europäischen Ministern darauf verständigt und von allen die Mitteilung erhalten, daß sie nicht an dieser Messe teilnehmen werden, sodaß daran mit Ausnahme des griechischen Tourismusministers, der als Umweltminister bei einer Umweltveranstaltung von Frau Ministerin Merkel anwesend war, kein europäischer Minister teilgenommen hat. Wenn es ginge, würde ich Ihnen vorlesen, wer aus Europa daran teilgenommen hat. Wir zählen nicht dazu.

Fachmessen sind Veranstaltungen, bei denen sich die interessierten Wirtschaftskreise zu treffen haben. Berlin selbst ist ein glänzendes Beispiel dafür, wie Fachmessen denaturieren können. Ich war in meiner früheren Funktion jahrzehntelang Teilnehmer der Berliner Grünen Woche, die sich ebenfalls von einer Fachmesse zu einer Publikumsfreß- und -Besuchsmesse entwickelt hat.

Die Fachmesse ITB kam auf Wunsch der österreichischen Aussteller – ich wiederhole es für Kollegen Trattner: auf Wunsch der österreichischen Aussteller – zustande. Wir hatten dort immer volle Kojen, ungefähr 100 Firmen waren dort vertreten. Sie haben die Räume in vollem Ausmaß genützt, weil der Andrang groß genug war, und sich darüber beschwert, daß sie, wenn nicht die gleiche Regelung wie für andere getroffen werde, keine Chance hätten, mit den Interessenten ein ungestörtes Gespräch zu führen. Auf der Berliner Messe ist auch klargeworden, daß insbesondere seit der Ostöffnung die Berliner Messen Lieblingstreffpunkte für öffentliche Ausspeisungen geworden sind. Ich sage das, weil ich das während der Berliner Grünen Woche am eigenen Leib erfahren konnte.

Zu einem anderen Punkt: Ich möchte nicht im geringsten polemisch sein, Herr Präsident! Aber ich habe es erlebt, daß sich die FPÖ in schriftlichen Anfragen sehr für meine Reisen interessiert hat. Ich denke zum Beispiel an die Anfrage über die Reise nach Japan. Ich bin dankbar, daß sie sich auch für meine nicht unternommenen Reisen interessiert. Daher werde ich mit der nötigen Sorgfalt jeweils alle meine Reiseverbindlichkeiten im Hinblick darauf überprüfen, ob es sich lohnt, irgendwo hinzufahren. (Beifall bei der ÖVP.)


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Zum zweiten der angesprochenen Punkte: effiziente Werbung und Vorgaben. – Die Überprüfung der Reaktionen auf diese Berliner Messe hat mir gezeigt, daß aus unseren Bundesländern keine negative Reaktion gekommen ist, obwohl sie sonst die ersten sind, die solche Briefe schreiben. (Abg. Rossmann: Sie haben es nicht gewußt!) Die Teilnehmer haben ihre Zufriedenheit geäußert, als sie – noch in Berlin – gefragt wurden. Die internationale Presse ist bereits zitiert worden. Was ich in der nationalen Presse gelesen habe – in den Fachzeitschriften "ÖGZ" und "Austria Tourist" –, hat erkennen lassen, daß diese Messebeteiligung sehr positiv bewertet wurde. Wenn Sie individuell zu einem völlig anderen Schluß gekommen sind, ist das Ihr gutes Recht, und ich gestehe es Ihnen gerne zu. Aber ich verwahre mich dagegen, wenn dieser Eindruck als Pauschaleindruck hingestellt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Hinblick auf die Bemühungen Deutschlands und Österreichs im Rahmen der europäischen Integration, Deutsch zu einer offiziellen Amtssprache zu machen, legen wir international sehr wohl Wert auf die Landesbezeichnung "Österreich". Wir haben daher nichts dagegen, in diesem Katalog unter dem Namen "Österreich" aufzuscheinen. Ich traue mich sogar zu wetten, daß wir aufs heftigste kritisiert worden wären, hätten wir uns unter "Austria" einreihen lassen. Ich glaube, wir sind Österreicher. (Zwischenruf der Abg. Rossmann.  – Weitere Zwischenrufe.)

Letzter Punkt: Ich glaube, in einer Zeit, in der Einkommens- und Arbeitslosenentwicklung nicht gerade in Richtung positiver Voraussetzungen für den globalen Tourismus deuten, müssen wir vor allem darauf achten, uns im Rahmen eines europäischen Szenarios für den Tourismus in der Werbung so zu präsentieren, daß wir Aufmerksamkeit erregen. Internationale Tourismusexperten haben mir bestätigt, daß wir uns mit dem Thema "Alltag raus, Österreich rein" weitgehend singulär und aufsehenerregend präsentiert haben. – Darüber werden wir nach Vorliegen erster Ergebnisse weitersprechen können.

Herr Abgeordneter Peter! Zu Ihrem Appell möchte ich sagen, daß ich in Kürze im Ministerrat einen neugefaßten Tourismusbericht an das Parlament präsentieren werde. Wir können dann unter neuen Prämissen eine sehr intensive Diskussion über Maßnahmenpolitik und deren Ergebnisse führen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Madl: Eine Diskussion über das Sterben des Tourismus!)

18.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Ich schließe diese Debatte.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme jetzt die Verhandlungen zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 8 wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Herr Bundesminister für Inneres ist mittlerweile offensichtlich leider abhanden gekommen. Aber die Zahlen sprechen für sich: Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der Ausländer von etwas mehr als 200 000 auf die, wie ich meine, sehr, sehr stolze Zahl von über 720 000 erhöht. Herr Minister Schlögl hat es selbst gesagt: Das ist eine gigantische Zuwanderungszahl.

Im vorliegenden Regierungsentwurf erblicken wir ein Gesetz, das in sich sehr unrund ist und vieles nur in Möglichkeitsform zum Ausdruck bringt. Wenn wir nun als Oppositionspartei einen Abänderungsantrag einbringen, um in etlichen Bereichen für Klarstellungen zu sorgen, so sollte dies seitens der Regierungsparteien als oppositionelle Unterstützung gesehen werden. Ich begründe den vorliegenden Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Jung, Hofmann und Lafer folgendermaßen.


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Im Zusammenhang mit den Aufenthaltstiteln im § 7 fordern wir, daß dort zusätzlich Personen aufscheinen, die sich in Österreich nachweislich zum Zweck eines Studiums oder einer Schulausbildung niedergelassen haben. Dies ist damit zu begründen, daß wir keine Schlechterstellung österreichischer Studenten herbeiführen wollen, die immerhin ihren Studienerfolg nachzuweisen haben.

Es lassen sich dafür gute Beispiele anführen, und ich erlaube mir, Ihnen eines aus jüngster Zeit zu berichten. Anfang Mai kam ein Marokkaner, der drei Semester Germanistik studiert hatte, zu einer Vorführung ins Bundesministerium für Inneres. Er mußte sich im Zuge der Einvernahme eines Dolmetschers bedienen. Daraus ist, wie ich meine, zu ersehen, daß ein Nachweis des Studienerfolges sowie ein Nachweis darüber, ob überhaupt studiert wird, durchaus sinnvoll ist und daß – dies ist ein entscheidender Punkt – Studenten und Schüler grundsätzlich in die Quotenregelung einbezogen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Salzburger Landesregierung hat eine Stellungnahme hierzu abgegeben, in der festgestellt wird, daß verstärkt Personen aus Nordafrika und Nigeria nach Österreich kommen und den Aufenthaltszweck mit "Studium" angeben. Ich will Ihnen nicht vorenthalten, daß sich die Zahl dieser Personen aus Nordafrika und Nigeria innerhalb eines Jahres verdreifacht hat.

Es scheint uns weiters zweckmäßig zu sein, daß in die Aufenthaltserlaubnis von Saisonarbeitern eine zeitliche Eingrenzung des Aufenthaltes aufgenommen wird. Es ist uns zuwenig, nur von "sechs Monaten" zu sprechen, sondern es sollte, um eine Aneinanderreihung von Saisonbewilligungen zu verhindern, der Zusatz "pro Kalenderjahr" in den Gesetzestext aufgenommen werden. Würde das nicht geschehen, so widerspräche das der Intention des Integrationspaketes.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist festzustellen, daß in sehr vielen Bereichen dieser Vorlage die Möglichkeitsform sehr viel Spielraum offenläßt. Die Verwendung der Möglichkeitsform wird letztlich einen überzogenen Ermessensspielraum der Behörden zur Folge haben. Wir treten deswegen dafür ein, beispielsweise in § 10 Abs. 2 über die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels das Wort "kann" durch "ist" zu ersetzen, sodaß es heißt "... ist wegen Gefährdung öffentlicher Interessen ... insbesondere zu versagen ...". Das der Möglichkeitsform entsprechende "kann" ist durch den Indikativ "ist" zu ersetzen.

Die "Sonderbestimmungen für Pendler" sind zu erweitern auf "Sonderbestimmungen für Grenzgänger und Pendler".

In § 33 Abs. 1 und 2 wiederum ist das Wort "können" durch "sind" zu ersetzen. Wenn es denn sein muß, daß die Möglichkeitsform Einzug hält, dann ist dafür § 49 geeignet. Wenn es darum geht, Drittstaatsangehörigen auf Antrag die Niederlassungsbewilligung unbefristet zu erteilen, kann ich mir ohne weiteres vorstellen, daß "kann" durch "ist" ersetzt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Bereich "Entzug der persönlichen Freiheit" ist unserer Vorstellung nach eine Erweiterung um zwei Punkte vorzunehmen. Einen Punkt, den Sie im vorliegenden Abänderungsantrag nachlesen können, möchte ich kurz streifen. Es geht hierbei um den Hungerstreik, und es werden darin die für den Fall des Hungerstreiks erforderlichen medizinischen Maßnahmen geregelt. Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß sich die Zahl derjenigen, die in Schubhaft in den Hungerstreik getreten sind, innerhalb eines Jahres verzehnfacht hat. Das ist eine der Regelungen, die Krankheits- und Verletzungsfälle unter Schubhäftlingen betreffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Last, not least komme ich zum Bereich der Kosten. In dieser Hinsicht fordern wir, daß die Wortfolge "einschließlich der Aufwendungen für den Einsatz gelinderer Mittel" gestrichen wird, und zwar deshalb, weil im Vollzug im Einzelfall die Notwendigkeit der Begründung gegeben sein wird. Die Begründung dafür, kein gelinderes Mittel einzusetzen, besteht – wie auch aus den Stellungnahmen der Kärntner und der burgenländischen Landesregierung hervorgeht – darin, daß damit zu rechnen ist, daß Fremde, wenn


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dieser Wortlaut bestehen bleibt, möglicherweise dazu animiert werden, in die Anonymität beziehungsweise Illegalität zu gehen. Das kann nicht der Sinn dieses Teiles des Gesetzes sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was die Vermittlung von Scheinehen betrifft, sollte § 106 Abs. 2 lauten: "Österreicher, deren Eheschließung vermittelt oder angebahnt wird, sind nicht als Beteiligte ... zu bestrafen. Über Fremde, die an der Vermittlung von Scheinehen beteiligt sind, ist ein Aufenthaltsverbot zu verhängen." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie sollten dies tatsächlich als Unterstützung unsererseits sehen. Ich gehe davon aus, daß Ihre Zustimmung zu diesem Antrag für uns letztlich eine Schadensbegrenzung in bezug auf dieses Gesetz sein wird, und ich danke Ihnen bereits im voraus für Ihre wohlwollende Zustimmung. Denn ich nehme an, daß Sie den Antrag unterstützen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann hat einen Abänderungsantrag vorgetragen, der schriftlich überreicht wurde und ausreichend unterstützt ist. Er hat ihn in den Kernpunkten auch erläutert. Die Vervielfältigung und Verteilung dieses Antrages im Sinne des § 53 Abs. 4 des Geschäftsordnungsgesetzes wurde veranlaßt. Der Antrag wird außerdem dem Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé, Jung, Dipl.-Ing. Hofmann, Lafer und Kollegen zur Regierungsvorlage (685 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (755 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem die Regierungsvorlage (685 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (755 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) geändert wird.

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Regierungsvorlage (685 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (755 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) wird wie folgt geändert:

1. Dem § 7 Abs. 3 Z 2 wird folgende Z 3 angefügt:

"3. sich in Österreich nachweislich zum Zwecke eines Studiums oder einer Schulausbildung niedergelassen haben."

2. In § 7 Abs. 4 entfallen Z 1 und die Z 4; die bisherigen Z 2 bis 3 erhalten die Numerierungen 1 und 2.

3. § 8 Abs. 3 Z 3 lautet:

"3. auf die besonderen Verhältnisse in dem Bundesland des beabsichtigten Aufenthaltes"

4. § 9 Abs. 1 zweiter und dritter Satz lauten:

"Im Rahmen dieser Kontingente dürfen Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz – AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten pro Kalenderjahr erteilt werden; sie sind vorrangig Fremden zu erteilen, die über eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen Erwerbstätigkeit,


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verfügen. Beschäftigungsbewilligungen mit einer Dauer von höchstens einem Monat pro Kalenderjahr können im Reisedokument eines an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigten Fremden ersichtlich gemacht werden."

5. § 10 Abs. 2 erster Halbsatz lautet:

"(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere zu versagen, .."

§ 10 Abs. 4 ist zu streichen.

6. In § 18 Abs. 1 wird an Z 3 das Wort "sowie" und folgende Ziffer 4 angefügt:

"4. Studierende und SchülerInnen,"

7. § 20 Abs. 1 erster Satz lautet:

"§ 20. (1) Ehegatten und minderjährigen Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich niedergelassen sind, ist auf deren Antrag im Rahmen der Quote eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12)."

8. § 22 erster Satz lautet:

"§ 22. Eine quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligung darf nur erteilt werden, wenn die für den Fremden samt dem Familiennachzug nach § 20 und § 21 Abs. 2 erforderlichen Bewilligungen in dem Bundesland der beabsichtigten Niederlassung nach der Niederlassungsverordnung zur Verfügung stehen."

9. § 23 Abs. 7 müßte die Wortfolge "gemäß § 13 Abs. 4 des Asylgesetzes 1997" richtigerweise lauten: "gemäß § 14 Abs. 4 des Asylgesetzes 1997."

10. Die Überschrift des 4. Abschnittes lautet:

"Sonderbestimmungen für Grenzgänger und Pendler"

11. § 25 Abs. 1 und 2 lauten wie folgt:

"§ 25. (1) Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an Grenzgänger (§ 1 Abs. 11) und Pendler (§ 1 Abs. 12) gelten die Bestimmungen des 3. Abschnittes einschließlich jener über die Quotenpflicht jedoch mit Ausnahme jener über den Familiennachzug. Des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft bedarf es nicht.

(2) Fremden, denen als Grenzgängern oder Pendlern eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, die sich nunmehr auf Dauer niederlassen wollen, ist – sofern sie einen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nachweisen – auf Antrag ohne weiteres eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen. Hinsichtlich ihres Familiennachzuges gelten §§ 20 bis 22."

12. § 33 Abs. 1 und Abs. 2 erster Halbsatz lauten:

"§ 33. (1) Fremde sind mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2) Fremde, die weder über einen Aufenthaltstitel verfügen noch Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit (§ 30 Abs. 1) genießen, sind mit Bescheid auszuweisen, wenn sie ..."

13. § 34 Abs. 3 erster Halbsatz lautet:

"(3) Schließlich sind Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten mit Bescheid auszuweisen, wenn ihnen ..."


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14. § 35 Abs. 1 letzter Satz lautet:

"Dies gilt allerdings nur, wenn und solange erkennbar ist, daß der Fremde bestrebt ist, die Mittel zu seinem Unterhalt durch Einsatz seiner eigenen Kräfte zu sichern, und dies nicht binnen sechs Monaten aussichtslos erscheint oder seine Bemühungen über diesen Zeitraum erfolglos verlaufen."

15. § 36 Abs. 1 erster Halbsatz lautet:

"§ 36. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt ..."

16. § 36 Abs. 2 Z 2 lautet:

"2. mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung, insbesondere wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes, BGBl. Nr. 435/1996, des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, rechtskräftig bestraft worden ist;"

17. § 36 Abs. 2 Z 5 lautet:

"5. Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat;"

18. In § 38 Abs. 1 sind die Z 4 und in der Folge auch der Abs. 2 zu streichen:

19. § 49 Abs. 2 lautet:

"(2) Die Niederlassungsbewilligung kann solchen Drittstaatsangehörigen auf Antrag unbefristet erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 8 Abs. 1) gegeben sind und die Fremden 1. seit mindestens zwei Jahren mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und seither mit diesem im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt leben; 2. minderjährige Kinder eines österreichischen Staatsbürgers sind und mit diesem im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt leben."

20. Dem § 61 werden folgende Absätze 5 bis 7 angefügt:

"(5) Verweigert ein Schubhäftling beharrlich die Aufnahme von Nahrung, so ist er ärztlich zu beobachten. Sobald es erforderlich ist, ist auf Anordnung und unter Aufsicht eines Arztes die gesundheits- und lebenserhaltende Behandlung durchzuführen.

(6) Ein kranker oder verletzter Schubhäftling ist, soweit seine Haftfähigkeit in den Hafträumen der Behörde beeinträchtigt erscheint, in das nächstgelegene gerichtliche Gefangenenhaus oder die nächstgelegene Strafvollzugsanstalt zu überstellen, die über Einrichtungen verfügt, die die erforderliche Behandlung gewährleisten. Der Leiter einer solchen Anstalt hat dem Ersuchen um Überstellung zu entsprechen, soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist. § 67 Abs. 6 gilt.

(7) Kann der Schubhäftling durch eine Maßnahme gemäß Abs. 6 nicht sachgemäß behandelt werden, oder wäre seine Gesundheit durch die Überstellung gefährdet, so ist er in eine geeignete öffentliche Krankenanstalt zu bringen und dort erforderlichenfalls bewachen zu lassen. Die öffentlichen Krankenanstalten sind verpflichtet, den Schubhäftling aufzunehmen und seine Bewachung zuzulassen. Die Pflegegebühr trägt vorläufig die Gebietskörperschaft, die den Aufwand der Behörde trägt, die die Schubhaft verhängt hat. Für Maßnahmen gemäß Abs. 5 bis 7 gilt § 103 Abs. 1 und 2."

21. § 66 ist zu streichen.

22. In § 103 entfällt die Wortfolge "einschließlich der Aufwendungen für den Einsatz gelinderer Mittel".


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23. § 105 Abs. 4 ist die Wortfolge: "wenn sie mit besonderen Vorrichtungen versehen war" und darauffolgend auch der zweite Satz des Abs. 4 zu streichen.

24. § 106 Abs. 2 lautet:

"(2) Österreicher, deren Eheschließung vermittelt oder angebahnt wird, sind nicht als Beteiligte (§ 12 StGB) zu bestrafen. Über Fremde, die an der Vermittlung von Scheinehen beteiligt sind, ist ein Aufenthaltsverbot zu verhängen."

25. Im Inhaltsverzeichnis hat der 4. Abschnitt zu lauten:

"Sonderbestimmungen für Grenzgänger und Pendler".

26. Im Inhaltsverzeichnis ist im 6. Hauptstück, 2. Abschnitt, der "§ 66 Gelinderes Mittel" zu streichen.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Hagenhofer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.39

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Öllinger hat heute in seinem Debattenbeitrag gemeint, das AMS – das Arbeitsmarktservice – gebe eine Diskriminierung bei Stellenbeschreibungen weiter. Mit "Diskriminierung" hat er offensichtlich gemeint, daß ein Dienstgeber in einer Stellenausschreibung beim Arbeitsmarktservice nur Inländer oder Ausländer mit entsprechend guten Deutschkenntnissen anfordert.

Das Arbeitsmarktservice ist eine Dienstleistungseinrichtung. Das heißt, daß wir Anforderungen, die der Dienstgeber an uns stellt, selbstverständlich zur Kenntnis nehmen, da der Dienstgeber selbst am besten weiß, welche Arbeitskraft er auf welchem Arbeitsplatz einsetzen kann.

Wir wissen, daß es zum Beispiel am Bau Situationen gibt, in denen der Arbeitnehmer, wenn Gefahr in Verzug ist, auf Zuruf reagieren muß. Deshalb sehen wir das auch nicht als Diskriminierung, sondern ganz einfach als Schutz für den Arbeitnehmer an. Damit wir von seiten des AMS der vermeintlichen Diskriminierung entgegenwirken und die Stellenbeschreibungen oder die Stellenbesetzungen ausgleichen können, die Ausländer also eine Integrationsverfestigung erfahren können, bieten wir den Menschen Sprachkurse an.

Und etwas Zweites, was Kollege Öllinger auch angeschnitten hat: Er hat der Bundesrepublik Deutschland sozusagen einen Vorzeigestatus in Sachen Asylpolitik eingeräumt. Ich muß ihm diesbezüglich widersprechen, da ist er nicht auf dem laufenden. Die Bundesrepublik Deutschland schiebt anerkannte Flüchtlinge, die sich in aufrechten Dienstverhältnissen befinden, ab. Das heißt, sie müssen dorthin nach Hause, wo sie hergekommen sind. Das gibt es in Österreich nicht. Daher ist auch die Bundesrepublik Deutschland nicht als Vorzeigemodell anzusehen.

Jetzt zum eigentlichen Kernpunkt: Warum kommen oder wollen Ausländer nach Österreich? – Eben weil sie hier bessere Lebens-, bessere Lohn- und bessere Arbeitsbedingungen erwarten. Diese besseren Bedingungen, die sie bei uns erwarten, können aber nur durch kontrollierten Zuzug gewährleistet werden, denn der kontrollierte Zuzug schaltet eine Lohndrückung nach unten aus. Kontrollierter Zuzug und Kontrolle darüber schalten auch Wettbewerbsverzerrungen aus. Darum ist die Harmonisierung des Fremdenrechtes, des Aufenthaltsrechtes mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sehr zielführend, wie ich meine, da darin klare, für jedermann und natürlich jede Frau nachvollziehbare Kriterien festgelegt sind, wann und unter welchen Bedingungen Ausländer in Österreich Aufenthalt erlangen können, beziehungsweise es ist für sie damit auch kalkulierbar, wodurch sie den Zugang zum Arbeitsmarkt erreichen können.


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77. Sitzung / Seite 175

Eine weitere Angelegenheit, die mit der Regierungsvorlage geklärt wird, ist die Umsetzung des Urteils "Van der Elst". xxx (vgl. Pf) Diese Kriterien besagen, daß eben Drittstaatsangehörige von Firmen dann in EU-Ländern beschäftigt werden können, wenn sie bereits ein Jahr bei einem Dienstgeber beschäftigt sind oder ein unbefristetes Dienstverhältnis vorweisen können.

Meine Damen und Herren! Unsere Aufgabe ist es, mit dem vorliegenden Integrationspaket Sicherheit und Humanität für alle Menschen in Österreich zu erwirken und nicht eine Gruppe gegen die andere auszuspielen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Öllinger hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. 2 Minuten Redezeit. Beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. – Bitte.

18.43

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Kollegin Hagenhofer hat in ihrer Wortmeldung behauptet, ich hätte der Bundesrepublik Deutschland eine vorbildliche Asylpolitik bescheinigt. Ich stelle richtig: Es würde mir nie einfallen, der Bundesrepublik Deutschland eine vorbildliche Asylpolitik zu bescheinigen. Ich habe diese Behauptung bezogen auf das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland und aller anderen europäischen Länder im Gegensatz zu ihrem Verhalten gegenüber ausländischen Betriebsräten. Das hat aber nicht im geringsten etwas mit Asylpolitik zu tun. Das war bezogen auf die Ausländerpolitik beziehungsweise auf die Möglichkeit, in der Bundesrepublik Deutschland auch als Ausländer Betriebsrat zu werden, etwa wenn man Österreicher ist. (Beifall bei den Grünen.)

18.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Sie sind am Wort.

18.45

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte zum Integrationspaket waren immer wieder drei Themen in Besprechung: erstens Asyl für Flüchtlinge nach der Genfer Konvention, also Respekt vor den Menschenrechten, zweitens humanitäre und soziale Hilfe für ausländische Mitbürger, die in Österreich sind, also eine ehrliche Integration, und drittens der Wunsch vieler, zumeist aus früheren kommunistischen Staaten, aber auch aus anderen Ländern, in Österreich aus wirtschaftlichen Gründen Fuß zu fassen, also die neue Völkerwanderung oder eine gezielte Einwanderungspolitik.

Zum ersten Bereich einige Anmerkungen: Asyl für Konventionsflüchtlinge. Mit den heute zu beschließenden Gesetzen werden wesentliche Verbesserungen sowohl im Verfahren als auch inhaltlich Platz greifen. Wir beschließen unter anderem für Konventionsflüchtlinge, die tatsächlich befürchten müssen, der Verfolgung ausgesetzt zu werden, ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren, eine substantielle Verbesserung bei der Aufklärung und Beratung und einen verbesserten, weil gegenwartsbezogenen Schutz bei Abschiebung oder Nichtabschiebung in ein sicheres Drittland, also die sogenannte Drittlandsklausel.

Zum zweiten Bereich: Ehrliche Integration. Wir schaffen eine solide Basis für Organisationen, die Integrationshilfe tagtäglich betreiben. Das sind Einrichtungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden, aber vor allem auch private humanitäre und kirchliche Organisationen. Dabei geht es immer um ganz bestimmte Anliegen: Arbeit, Wohnen, Ausbildung, Sprache, ja soziale und gesellschaftliche Integration durch das Erlernen der deutschen Sprache. Bedacht zu nehmen ist aber auch auf die rechtliche und faktische Zumutbarkeit für die öffentlichen Hände – das haben wir heute auch mehrfach angesprochen –, aber auch für die österreichische Bevölkerung.

Zum dritten Bereich: Moderne Völkerwanderung oder gezielte Einwanderungspolitik. Meine Damen und Herren! Sosehr wir in unserer Volkswirtschaft ausländische Arbeitskräfte mit verschiedenen Qualifikationen brauchen, so sehr müssen wir auch festhalten: Österreich allein kann sicherlich dieses Problem der früheren kommunistischen Staaten Europas und vor allem


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der Menschen, die von dort kommen wollen, nicht lösen. Dazu ist eine gemeinsame Anstrengung aller wohlhabenden westlichen Staaten erforderlich, um für diese von ihren Systemen enttäuschten und geschundenen Menschen neue Lebenschancen, wirtschaftliche und soziale Fortschritte zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Marshallplan des 21. Jahrhunderts wäre vonnöten. Lassen Sie mich daher zum Abschluß das zitieren, was der amerikanische Außenminister vor fast genau 50 Jahren, nämlich am 6. Juni 1947, anläßlich der Geburtsstunde des Marshallplanes gesagt hat – Zitat von George Marshall vom 6. Juni 1947 –: "Es ist nur logisch, daß die Vereinigten Staaten alles tun, was in ihrer Macht steht, um die Wiederherstellung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse in der Welt zu fördern, denn ohne sie kann es keine politische Stabilität und keinen sicheren Frieden geben. Unsere Politik richtet sich gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos." (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dasselbe gilt heute für eine große Zahl von früheren Oststaaten, und wir sollten alle dazu beitragen, daß in den nächsten Jahren tatsächlich diese Hilfen möglich werden. (Beifall bei der ÖVP.)

18.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Sie haben das Wort.

18.50

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die juristischen Details und die grüne Kritik am Integrationspaket betrifft, haben meine Kollegin Terezija Stoisits und Kollege Karl Öllinger das meiste schon gesagt. Mir ist es trotzdem wichtig, Ihnen auch aus der Sicht einer, die die Probleme der Betroffenen nicht vom Hörensagen, sondern aus persönlicher Wahrnehmung kennt, einmal mitzuteilen: Es ist nicht so, wie Sie glauben! Es ist absolut nicht so, wie Sie hier vortäuschen, nämlich daß wir da einen Mittelweg gehen, den einen Oppositionsparteien sei dieses Integrationspaket zuwenig, der anderen sei es zuviel. Es ist kein Mittelweg, den Sie hier gehen, sondern es ist einmal mehr schlechte Gesetzgebung.

Hier wurde gesagt, es gehe um Rechtssicherheit. Derzeit haben die Ausländerinnen und Ausländer in Österreich nur eine Sicherheit, nämlich die Sicherheit, daß sie nach wie vor diskriminiert werden. Diese Sicherheit, daß sie in vielen einzelnen Gesetzen diskriminiert sind, ist es, die insgesamt dem sozialen Gefüge schadet.

Herr Abgeordneter Scheibner hat vor einiger Zeit hier vom Rednerpult aus gesagt, man sehe die Auswirkungen der Zuwanderung. Man merke sie in der Gürtelregion, diese sei durch den Zuzug kaputtgemacht geworden, dort seien Slums entstanden. Meine Damen und Herren! Wenn etwas kaputtgemacht worden ist, dann durch diskriminierende Gesetze, durch Gesetze, die es Menschen nicht ermöglichen, wenn sie ausgebeutet, ausgenutzt, rechtswidrigerweise falsch behandelt werden, zu den Behörden zu gehen, sich zu beschweren, wie das jeder Österreicher und jede Österreicherin könnten, denn die Konsequenz dieser Gesetze richtet sich immer nur gegen die Betroffenen.

Warum dieses Integrationspaket so verfehlt ist, zeigt mir jetzt ein Blick auf die Regierungsbank. Genau diese Doppelgleisigkeit: Behörden der inneren Sicherheit, Behörden der sozialen Verwaltung, bleibt letztlich weiter bestehen – zu Lasten der Betroffenen und zu Lasten der Österreicherinnen und Österreicher.

Frau Abgeordnete Hagenhofer! Die Gesetze sind nicht abgestimmt. Ich möchte Ihnen das anhand eines ganz konkreten Beispiels einer Frau, die ich sehr, sehr gut kenne, darstellen. Sie ist kein Einzelfall. Viele derartige Fälle wenden sich an uns. Diese junge Frau, deren Ehe nach zehn Jahren geschieden wurde, war als Angehörige eines ausländischen Unternehmers immer legal in Österreich. Jetzt ist sie geschieden. Sie will und muß auf eigenen Beinen stehen. Niemals hat sich diese Frau etwas zuschulden kommen lassen, nicht einmal irgendeine Verwaltungsstrafe liegt vor. Sie spricht so gut Deutsch wie Sie und ich. Sie ist wohlintegriert. Sie war


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jahrelang hier im Inland, und sie hat jetzt, weil sie arbeiten will und muß, einen Job gesucht. Sie hat auch einen Arbeitgeber gefunden. Hamburger wollte sie verkaufen bei Mc Donald’s. Die Antwort der Arbeitsmarktverwaltung war lapidar: Die Quote ist voll. Geht nicht mehr!

Ich frage Sie: Was soll ich dieser jungen Frau sagen? Wie soll sie hier in Österreich ihren Lebensunterhalt verdienen? Ihr Mann ist nicht mehr erreichbar. Sie bekommt keine Unterhaltsleistungen. Sie kann auch nicht mehr zurück. Sie ist aus dem Iran. Sie ist mittlerweile eine westlich orientierte, perfekt Deutsch sprechende, wohlintegrierte Person. Was kann ich ihr empfehlen, außer betteln, stehlen oder vielleicht auf den Strich zu gehen?

Das wird sich nach diesem Integrationspaket nicht ändern. Dieses Paket geht insbesondere zu Lasten der ausländischen Frauen und damit auch zu Lasten der Inländerinnen, denn es zwingt ausländische Frauen, die zum Beispiel eine Ehe aufgelöst haben, dazu, illegale Beschäftigungen anzustreben, sich ausbeuten und unterdrücken zu lassen, und damit werden sie subjektiv von anderen sozial Schwachen als Bedrohung empfunden. Wenn es nicht zu einer völligen Harmonisierung von Aufenthalts- und Beschäftigungsrecht kommt, das heißt, wenn nicht all diejenigen, die legal hier sind – bei allen Restriktionen –, auch arbeiten können und dürfen – legal! –, dann, sage ich Ihnen, wird sich an der Diskriminierung, an der Ausbeutung und an der Zerreißprobe für das soziale Gefüge gar nichts ändern. (Beifall bei den Grünen.)

18.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Achs. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.56

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Frau und Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Als letzter Redner zu diesem wichtigen Gesetz darf ich zusammenfassen, daß das heute zur Debatte stehende Integrationspaket Maßnahmen enthält, die der Integration zuträglich sind. Die heutige Debatte zeigt uns aber auch, daß einige ein Problem damit haben, mit diesem Thema sachlich umzugehen.

Ihre Kritik, geschätzte Kollegen von der Opposition, mag vielleicht gutgemeint sein, aber sie geht leider an der Realität vorbei. Für den einen Teil der Opposition sind die neuen Bestimmungen zu restriktiv, für den anderen Teil sind sie zuwenig restriktiv. Das ist doch ein deutliches Zeichen dafür, meine Damen und Herren, daß wir hier den goldenen Mittelweg gefunden haben.

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, daß restriktive Zuwanderungsbestimmungen unumgänglich sind. Nicht umsonst haben wir im Jahre 1992 als eines der ersten Länder den Aufenthalt Fremder mit einem eigenen Gesetz geregelt. Damals lagen die jährlichen Zuwächse bei den ausländischen Arbeitskräften bei 40 000 bis 50 000. Gerade in einer konjunkturell schwierigen Phase war das dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht zuzumuten. Die gesetzlichen Maßnahmen haben gegriffen, und 1995 ist die Zahl der Ausländer erstmals seit 1984 zurückgegangen.

Auch das neue Gesetz enthält restriktive Zuwanderungsbestimmungen. Was aber ganz wesentlich ist, meine Damen und Herren: Das neue Fremdengesetz beinhaltet darüber hinaus auch wichtige integrative Maßnahmen. Integration hat nicht nur einen humanitären Hintergrund, Integration ist auch ein wesentliches Element der Sicherheit in diesem Land.

Die heute zur Debatte stehenden Bestimmungen sind auch vor dem Hintergrund internationaler Abkommen zu sehen. Mit dem Beitritt Österreichs zum Schengener Abkommen haben wir nicht nur Rechte für unsere Bürger übernommen, wir haben dabei auch verschiedenen Verpflichtungen nachzukommen. Dazu zählt die Harmonisierung unserer Gesetze ebenso wie eine verstärkte Kontrolle an unseren Außengrenzen. Dabei geht es nicht um einen neuen Eisernen Vorhang, sondern schlicht und einfach um mehr Sicherheit. Vor allem der internationalen organisierten Kriminalität und dem Schlepperunwesen wird dadurch der Kampf angesagt.

Natürlich erfordert die Erfüllung der Schengener Kriterien große finanzielle und personelle Anstrengungen. Gerade für das Burgenland, meine Damen und Herren, wo die meisten Illegalen


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aufgegriffen wurden, können wir aber heute schon sagen, daß wir die Voraussetzungen bereits im Herbst dieses Jahres erfüllen werden.

Die Zahlen sprechen für sich. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind um 5 000 illegale Grenzgänger mehr aufgegriffen worden, davon allein im Burgenland 3 000. Daran zeigt sich deutlich, daß sich der verstärkte personelle, aber auch technische Einsatz gelohnt hat. Wir tun gut daran, diesen Weg auch weiterhin zu gehen. Wir tun gut daran, wenn wir der Kriminalität bereits an unseren Grenzen einen wirksamen Riegel vorschieben. Das ist im Interesse unserer Partner in Europa und vor allem auch im Interesse der Sicherheit des eigenen Landes.

Es geht, meine Damen und Herren, nun darum, daß wir die polizeiliche Zusammenarbeit auf internationaler Ebene ausbauen. Notwendig ist in erster Linie die Erweiterung auf technischem Gebiet, der Ausbau der Infrastruktur, damit ein reibungsloser Datenaustausch möglich ist.

Das vorliegende Integrationspaket steht für eine vernünftige Ausländerpolitik, für eine Ausländerpolitik mit Augenmaß. Ich bin daher zuversichtlich, daß wir auch in Zukunft in dieser Frage einen Weg gehen werden, der angemessen und praxisnahe ist, einen Weg, der den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird. Ich bin deshalb zuversichtlich, weil wir ein Prinzip niemals aus den Augen verlieren werden: das Prinzip der fortwährenden Sicherheit für alle Menschen in unserem Land. Fortwährende Sicherheit setzt aber auch voraus, daß die ambitionierte Arbeit unserer Sicherheitsexekutive weiterhin voll unterstützt wird, setzt voraus, daß unsere Sicherheitsexekutive Arbeitnehmerbedingungen vorfindet, die eine erfolgreiche Arbeit gewährleisten. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Abschließend darf ich noch zwei Abänderungsanträge einbringen. Der erste Abänderungsantrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Anton Leikam und Paul Kiss zum Bericht und Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten (756 der Beilagen) über den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Überschrift des § 14 lautet richtig "Dienstaufsicht".

*****

Der zweite Abänderungsantrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Anton Leikam und Paul Kiss zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten 755 der Beilagen über die Regierungsvorlagen 658 der Beilagen: Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) und 686 der Beilagen: Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

1. Im § 23 Abs. 7 Fremdengesetz lautet die Zitierung des Asylgesetzes richtig "§ 14 Abs. 4".

2. Im § 14 Abs 5 Asylgesetz lautet die Zitierung des Fremdengesetzes richtig "§ 23 Abs. 7".

*****

(Beifall bei der SPÖ.)


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19.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden soeben verlesenen Abänderungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

19.03

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum sogenannten Integrationspaket wurde von den Grünen berechtigt Kritik geübt, und viele Bereiche wurden von meinen KollegInnen bereits hinreichend ausgeführt. Doch einen Bereich, der mir sehr am Herzen liegt und wo eine humane Lösung zu finden wäre, möchte ich noch erwähnen, und das ist der Bereich der Familienzusammenführung. Es ist zu klären, was in Zukunft geschehen soll, wenn Familienangehörige, die über 14 Jahre alt und behindert sind, nicht mehr nach Österreich dürfen.

Herr Minister! Ich weiß nicht, ob Sie in den letzten Jahren einmal in Rovinj waren, dort, wo viele behinderte Menschen leben und wohin behinderte Menschen zur Kur fahren können, Menschen, die aufgrund des Krieges Behinderte geworden sind oder die von Geburt an behindert sind. Viele dieser Menschen leben derzeit noch in Jugoslawien, weil sie dort die Möglichkeit haben, von den Großeltern betreut und gepflegt zu werden. Aber wie wird die Zukunft dieser Menschen ausschauen, wenn ihre Großeltern gestorben sind und sie dort alleine sind? Wie stellen Sie sich vor, daß Eltern ihre Sorgepflicht für ihre behinderten Angehörigen übernehmen können, wenn diese gar nicht nach Österreich einreisen dürfen, damit sie hier von ihren Eltern gepflegt und betreut werden, obwohl Sie ganz genau wissen, daß diese Menschen in Österreich niemandem – absolut niemandem! – zur Last fallen würden, weil sie ja ohnehin keinen gesetzlichen Anspruch auf Pflegegeld oder auf irgendwelche anderen behinderungsbedingten Leistungen von der österreichischen Gesetzeslage her hätten?

Mir kommt es einfach zu dumm vor, wenn ich sehe, wie man auf der einen Seite mit Projekten in Jugoslawien versucht, für behinderte Kinder Heime aufzubauen und sie dort irgendwie halbwegs menschenwürdig zu pflegen und zu betreuen, diese behinderten Menschen aber auf der anderen Seite in Österreich Angehörige haben, die diese Betreuung sehr gerne übernehmen würden, aber nach Österreich nicht hereindürfen.

Herr Minister! Es bringt alles nichts, es bringt die Aktion "Nachbar in Not" nichts, es bringen auch die Projekte nichts, es bringt auch die Aktion "Licht ins Dunkel" nichts, wenn wir nicht bereit sind, gerade im Behindertenbereich in Österreich für unsere behinderten ausländischen MitbürgerInnen, deren Eltern in Österreich leben, etwas zu tun, wenn wir uns dafür nicht verantwortlich sehen, wenn wir dafür die Verantwortung nicht tragen wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist wirklich schlimm: Ich bin am Montag im 1. Bezirk spazierengefahren, und es ist ein älterer Herr beim Stephansdom gestanden und hat mit dem Pfarrer gesprochen, und als ich dort vorbeigefahren bin, hat er mich angesprochen und mich gefragt, wo er für seinen jugoslawischen Freund einen Rollstuhl mit Kinnbedienung bekommen könne, weil er nicht wisse, wie es mit diesem kriegsverletzten Mann in Zukunft weitergehen soll: Der junge Mann lebt in Jugoslawien, seine Großeltern sind gestorben, seine Eltern aber in Österreich, und er darf noch immer nicht nach Österreich.

Wenn das, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, Ihre Familienzusammenführungspolitik ist, Ihre Politik der Humanität, Ihre Politik, die Sie immer wieder betreiben, indem Sie sagen, Familienangehörige müssen für ihre kranken, behinderten Angehörigen sorgen, ihnen aber auf der anderen Seite verbieten, es tatsächlich zu tun, dann frage ich mich, ob Sie nicht in einem permanenten Widerspruch leben. Es ist für mich schizophren, wenn man sich auf der einen Seite zu Weihnachten vor die Kamera stellt und preist, daß man in Österreich für behinderte Menschen sammelt, und auf der anderen Seite für Menschen, die das Recht haben müssen, nach Österreich zu kommen, absolut nichts tut, sie ganz bewußt ausblendet.


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Ich weiß, Herr Minister – und das kann niemand widerlegen –, daß behinderten Menschen der Zuzug nach Österreich verboten wird, wenn sie älter als 14 Jahre sind. Es ist nicht so, daß man auf diesen Umstand bei diesem Gesetz vergessen hat. Sie wurden von Organisationen mehrmals daran erinnert und gefragt, wie es denn mit diesen behinderten Menschen weitergehen soll. Aber das war für Sie kein Thema. Das muß aber ein Thema sein, denn wir tragen mit Verantwortung für diese behinderten Menschen, und wir dürfen uns so eine Kurzsichtigkeit nicht angewöhnen, indem wir sagen, ab der Grenze Burgenlands geht uns nichts mehr an.

Meine Damen und Herren! Wir tragen Verantwortung für Menschen aus dem Ausland, die bei uns in Österreich leben, und wir tragen auch Verantwortung, wenn sie mit ihren Familien nach Österreich ziehen wollen. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, daß diese Personen, wenn sie behindert sind, in Österreich ein anständiges, ein menschenwürdiges, ein gerechtes Leben führen dürfen. Es kostet den Staat nicht als ein Stück Verantwortung, aber auch das wollen Sie noch verweigern. (Beifall bei den Grünen.)

19.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort wird von den Berichterstattern nicht gewünscht.

Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, jeweils ihren Platz einzunehmen.

Wir kommen nun zur Abstimmung , die etwas länger dauern wird. Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend Fremdengesetz 1997 samt Titel und Eingang, Anlage I in 755 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben Abänderungs- sowie Zusatzanträge eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen Abänderungsanträge eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen Abänderungs- beziehungsweise Zusatzanträge eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Leikam, Kiss und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher über die von den erwähnten Anträgen betroffenen Teile, und zwar der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung das verfassungsmäßig erforderliche Präsenzquorum fest.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben beantragt, das Wort "Fremde(r)" jeweils durch die Wortfolge "Person nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft" und die Wortfolge "fremde Staatsangehörigkeit" durch die Wortfolge "andere Staatsbürgerschaft" zu ersetzen.

Jene Abgeordneten, die sich für diesen Abänderungsantrag aussprechen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 7 Abs. 3 und 4 eingebracht.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfs in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Fall Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen sowie die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben jeweils einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der Z. 3 in § 8 Abs. 3 zum Inhalt hat.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 8 Abs. 3 Z. 3 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 8 Abs. 3 Z. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, daher angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 8 Abs. 4 und 5 eingebracht.


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Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfs in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 9 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfs in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend den ersten Halbsatz des § 10 Abs. 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 10 Abs. 2 Z. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 10 Abs. 3 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben die Streichung des Abs. 4 im § 10 beantragt.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 10 Abs. 4 eingebracht und beantragt, den letzten Satz in der Fassung des Ausschußberichtes als neuen Abs. 5 zu reihen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über § 10 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung des § 13 zum Inhalt hat und sich auf § 14 Abs. 2 und 3 bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 13 sowie § 14 Abs. 2 und 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit, daher angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend § 18 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 18 Abs. 1 bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 18 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 18 Abs. 5 (Verfassungsbestimmung) eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.


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Ich lasse nun sogleich über § 18 Abs. 5 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung des ersten Satzes in § 18 Abs. 6 zum Inhalt hat.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung des vorletzten Satzes in § 18 Abs. 6 zum Inhalt hat.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über § 18 Abs. 6 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Z. 1 in § 19 Abs. 2 enthält.

Ich ersuche im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 20 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 20 Abs. 1 erster Satz eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 20 Abs. 1 letzter Satz eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über § 20 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 21 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.


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Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 21 Abs. 1 und die Streichung des Abs. 3 eingebracht.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen, so Sie zustimmen wollen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über § 21 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 22 eingebracht.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 22 erster Satz gestellt.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über diese Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit, daher angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 23 Abs. 1 bis 3 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen sowie die Abgeordneten Leikam, Kiss und Genossen haben jeweils einen Abänderungsantrag betreffend § 23 Abs. 7 eingebracht, der sich auf die Richtigstellung einer Zitierung bezieht.

Jene Damen und Herren, die sich für die gleichlautenden Abänderungsanträge der Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen sowie der Abgeordneten Leikam, Kiss und Genossen aussprechen, bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag hinsichtlich der Überschrift des Abschnittes 4 sowie des § 25 Abs. 1 und 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen damit zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.


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Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 28 Abs. 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 28 Abs. 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über § 28 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben die Streichung der Überschrift sowie des Abs. 1 im § 32 beantragt.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben jeweils die Streichung des Abs. 2 im § 32 beantragt.

Ich bitte Sie um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über § 32 samt Überschrift in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 33 Abs. 1 und 2 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen im Falle Ihrer Zustimmung. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend § 33 eingebracht.

Jene Abgeordneten, die sich für diesen Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen aussprechen, ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben die Streichung der Abs. 2 bis 4 im § 34 beantragt.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.


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77. Sitzung / Seite 186

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 34 Abs. 1 Z. 3 sowie Abs. 2 und 3 Z. 1 und 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 34 Abs. 3 erster Halbsatz eingebracht.

Wer hiefür eintritt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über § 34 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 35 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag hinsichtlich derselben Bestimmung eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 35 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 35 Abs. 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 35 Abs. 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben die Streichung des § 35 Abs. 3 beantragt.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag zu § 35 Abs. 3 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über § 35 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.


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77. Sitzung / Seite 187

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag zu § 36 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 36 Abs. 1 erster Halbsatz eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 36 Abs. 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 36 Abs. 2 Z. 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 36 Abs. 2 Z. 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 36 Abs. 2 Z. 4 und 9 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 36 Abs. 2 Z. 5 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 36 Abs. 3 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung eines neuen Abs. 5 in § 36 bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über § 36 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.


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77. Sitzung / Seite 188

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 37 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 37 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse daher sogleich über § 37 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Die Zustimmung dazu erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Z. 1 im § 38 Abs. 1 zum Inhalt hat.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 38 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der die Streichung der Z. 4 im § 38 Abs. 1 sowie des Abs. 2 beinhaltet.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über § 38 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 45 Abs. 5 sowie § 49 Abs. 1 eingebracht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 49 Abs. 2 eingebracht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse daher über § 49 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Die Zustimmung erfolgt mehrheitlich. Angenommen.


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77. Sitzung / Seite 189

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 52 Abs. 3 sowie § 57 Abs. 5 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung neuer Abs. 5 bis 7 im § 61 eingebracht.


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77. Sitzung / Seite 190

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 65 Abs. 1 eingebracht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Ich lasse nun über § 65 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Die Zustimmung dazu erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben die Streichung des § 66 beantragt.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen bezieht sich auf § 66 Abs. 1.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über § 66 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Die Zustimmung erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 69 Abs. 4 und 6, § 71 Abs. 2 Z. 2 und Abs. 5 sowie § 75 Abs. 2, 3 und 5 eingebracht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfs in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Die Zustimmung dazu erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Abs. 6 im § 75 zum Inhalt hat.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen bezieht sich auf § 93 Abs. 2 sowie die Streichung der Abs. 2, 3 und 5 im § 94.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.

Die Zustimmung dazu erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die §§ 103, 105 Abs. 4 und § 106 sowie auf das Inhaltsverzeichnis des Gesetzentwurfes bezieht.

Ich ersuche im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Die Zustimmung erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 113 Abs. 5, 7 und 10 eingebracht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.

Die Zustimmung dazu erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit .

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend Asylgesetz 1997 samt Titel und Eingang, Anlage 2 (755 d. B.).

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen Zusatz- und Abänderungsanträge eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen Zusatz- und Abänderungsanträge eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen Zusatz- und Abänderungsanträge eingebracht.

Des weiteren haben die Abgeordneten Leikam, Kiss und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.


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77. Sitzung / Seite 191

Ich werde zunächst über die Zusatzanträge, dann über die von den Abänderungsanträgen betroffenen Teile der Reihe nach und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung eines neuen § 6a bezieht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der einen neuen Abs. 3 des § 27 zum Inhalt hat.

Ich ersuche Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung eines neuen Abs. 4 in § 27 vorsieht.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf einen neuen Abs. 4 in § 32 bezieht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung eines neuen § 40a sowie eines neuen Abs. 7 in § 44 bezieht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, das Wort "Fremder" im gesamten Gesetzentwurf jeweils durch den Ausdruck "Personen nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft" zu ersetzen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 3 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes sichtbares Zeichen. – Dies erfolgt nur durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich § 3 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Die Zustimmung dazu erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 4 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.


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77. Sitzung / Seite 192

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 4 Abs. 3 bezieht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf § 4 Abs. 3 bezieht.

Ich bitte um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 4 Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 4 Abs. 5 bezieht.

Die Zustimmung zu diesem Antrag erfolgt durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 4 Abs. 5 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 6 zweiter Satz eingebracht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 6 zweiter Satz in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 6 Z 2 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 6 Z. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen sowie die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben jeweils die Streichung der Z. 3 und 4 in § 6 beantragt.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 6 Z. 4 bezieht.


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77. Sitzung / Seite 193

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 6 Z. 3 und 4 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 10 Abs. 2 eingebracht.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf § 10 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf § 10 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über § 10 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Die Zustimmung hiezu erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 Z. 5 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über die soeben genannten Bestimmungen des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.


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77. Sitzung / Seite 194

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 14 Abs. 3 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 14 Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 14 Abs. 4 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung § 14 Abs. 4 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Leikam, Kiss und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 14 Abs. 5 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 15 Abs. 3 und § 16 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 15 Abs. 3 und § 16 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 17 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 17 Abs. 1 und 2 sowie auf die Streichung der Abs. 3 bis 5 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend § 17 Abs. 2 und 4 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 17 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht betreffend § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1 sowie § 20 Abs. 1.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1 sowie § 20 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 21 Abs. 1 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.


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Stenographisches Protokoll
77. Sitzung / Seite 195

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 21 Abs. 1 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 21 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 21 Abs. 2 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf § 21 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse nun über § 21 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 24 Abs. 2 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 24 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 25 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 25 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 26 Abs. 1 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über dieselbe Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
77. Sitzung / Seite 196

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 26 Abs. 2 eingebracht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenso auf § 26 Abs. 2 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über dieselbe Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 27 Abs. 1 bezieht.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Vor der Abstimmung über die Fassung des Ausschußberichtes lasse ich noch abstimmen über einen Abänderungsantrag betreffend § 27 Abs. 1, eingebracht von Herrn Dr. Kier und Genossen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über dieselbe Gesetzesbestimmung, und zwar in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 27 Abs. 2 bezieht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über § 27 Abs. 2 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte Sie im Falle der Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 29 eingebracht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf § 29 bezieht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
77. Sitzung / Seite 197

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen einen Abänderungsantrag ebenfalls zu § 29 eingebracht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über § 29 in der Fassung des Ausschußberichtes.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
77. Sitzung / Seite 198

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 30 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir stimmen sogleich über dieselbe Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 32 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich ebenfalls auf § 32 Abs. 1 bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über § 32 Abs. 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 34 und § 38 Abs. 1 und 3 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir stimmen sogleich über dieselben Gesetzesbestimmungen in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf § 38 Abs. 4 bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über dieselbe Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 39 Abs. 1 bis 4 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über dieselbe Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Die Abgeordneten Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 40 Abs. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ich lasse sogleich über dieselbe Gesetzesbestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Da die restlichen Teile des vorliegenden Gesetzentwurfes eine Verfassungsbestimmung enthalten, stelle ich zunächst die Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Anzahl an Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschußberichtes ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit.

Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls durch die Mehrheit.

Ich stelle wiederum ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Vorlage eines Berichtes über den Vollzug des Fremden- und des Asylantrages. – Die Zustimmung erfolgt durch die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat samt Titel und Eingang in 756 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Leikam, Kiss und Genossen einen Abänderungsantrag betreffend die Überschrift zu § 14 eingebracht.


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Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich sogleich über diesen Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Leikam, Kiss und Genossen abstimmen.


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Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens in 693 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung im Sinne des Art. 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß die authentischen dänischen, englischen, französischen, gälischen, griechischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen und spanischen Textfassungen dieses Staatsvertrages samt Protokoll dadurch kundgemacht werden, daß sie im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur Einsichtnahme aufliegen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Dieser Antrag ist damit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Mindeststandards für ein einheitliches materielles Asylrecht in der Europäischen Union.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht nur durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz abgeändert werden, samt Titel und Eingang in 717 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte Sie abermals um ein entsprechendes Zeichen, so Sie zustimmen wollen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend Schaffung eines Kontingents für Au-pairs aus Ländern, die nicht dem EWR angehören.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 718 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte Sie im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 719 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Kenntnisnahme erfolgt mehrheitlich. Angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 719 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen. (E 59.)

Nunmehr gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 720 der Beilagen zur Kenntnis nehmen zu wollen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 720 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen. (E 60.)

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 721 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 722 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (697 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, und über den Antrag 239/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 geändert wird, und über den Antrag 391/A (E) der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung (723 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Gaugg. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 6 Minuten wird angezeigt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.02

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor wenigen Stunden ist in Rust im Burgenland die Regierungsklausur zu Ende gegangen. Es war sehr erstaunlich, daß diese Regierungsklausur zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, zu dem auch ein Treffen der europäischen Finanzminister, also eine sehr bedeutende Sitzung, stattfand, und daher weder der Finanzminister noch der zuständige Staatssekretär die Zeit fanden, an diesem für die künftige Entwicklung des gemeinsamen europäischen Raumes so wesentlichen Sitzung teilzunehmen. In Anbetracht dessen hat meiner Ansicht nach der Hut dieser Regierung gewaltig gebrannt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Hauptaugenmerk dieser Klausur lag auf dem – so möchte ich es nennen – Ruster Regierungsraubzug. Es wurden wieder Belastungen für die Bürger in einem erheblich höherem Maße beschlossen, als das ursprünglich geplant war.

Ich kann mich daran erinnern, daß sich der ehemalige Finanzminister und derzeitige Bundeskanzler bei den Steuerzahlern in Österreich dafür bedankt hat, daß sie wesentlich mehr gezahlt haben als erwartet.

In der Realität schaut alles anders aus: Maßnahmen betreffend 70 000 Arbeitsplätze durch eine Exportoffensive, 30 000 Arbeitsplätze durch Technologie und Forschungsförderung und 10 000 Lehrplätze neu wurden leider nicht umgesetzt, sondern lediglich angekündigt, wieder einmal nur angekündigt! Die Regierung erweist sich als Ankündigungsweltmeister und als Umsetzungszwerg! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn zum selben Zeitpunkt, zu dem diese Regierung ihre Ankündigungen von sich gibt, schließt die Firma Eskimo und haben wir ein Handelsbilanzdefizit von über 100 Milliarden Schilling. Das ist die Realität! Das heißt, wir verlieren Arbeitsplätze, während gleichzeitig wieder Zigtausende Arbeitsplätze versprochen werden.

In Wirklichkeit wird Ihnen auch in der Frage der Lehrlingsbeschäftigung der Spiegel des Versagens vorgehalten. Sie müssen sich den Spiegel des Versagens in der Beschäftigungspolitik, in der Bildungspolitik, in der Bildungspolitik, in der Wirtschaftspolitik und so weiter vorhalten lassen.

Die Maßnahmen, die Sie setzen, sind Alibihandlungen. Da gibt es eine interessante Passage betreffend die Lehrlingsbeschäftigung: 5 600 Jugendliche sollen nach Schulschluß schulisch weiter betreut werden. – Jetzt frage ich: Wo und von wem sollen 5 600 von den genannten 10 000 schulisch weiter betreut werden? Denn dazu braucht man, wie Ministerin Gehrer schon gesagt hat, wieder zusätzliche Beamte, nämlich Lehrer.

Es sind schon Maßnahmen gesetzt worden wie die Entlastung von den Krankenversicherungsbeiträgen für die Lehrherren und für die Lehrlinge. In Wirklichkeit ist das aber nur eine Umverteilung. Dadurch steigt wieder die Lohnnebenkostenbelastung bei den Angestellten, so ganz nach der Devise: Die Regierung ist mit allem einverstanden, aber zahlen soll es ein Dritter! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Koppler: Wieso steigen die Lohnnebenkosten?)

Da frage ich mich: Wozu nimmt diese Regierung überhaupt noch Steuern ein? Zur Selbstverwaltung oder wofür?

Einen wesentlichen Beitrag hätte die Regierung in der Frage der Beschäftigung zu leisten. In Wirklichkeit ist das eine Bankrotterklärung. Sie ist fertig und am Ende, weil der Mut zu Reformen und zu Entscheidungen fehlt. (Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Es gibt im Bildungsbereich seit vielen Jahren Forderungen der Bildungssprecher vieler Fraktionen, daß der Polytechnische Lehrgang endlich einmal reformiert werden muß, daß ein Durchforsten der Lehrpläne bei den Lehrlingen sowie eine Prüfung des Nutzens der europäischen


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Bildungsprogramme notwendig wären und ähnliches mehr. Das Sozialprestige der Lehrlinge sollte angehoben werden, auch durch entsprechende Einkommen. Hiebei zeichnet sich jedoch gerade der öffentliche Dienst wieder aus, indem er einem hoch qualifizierten Arbeiter ein sehr bescheidenes Entgelt bezahlt, während auch ein – mit Verlaub gesprochen – nicht so fähiger Akademiker letztlich mit einer fürstlichen Entlohnung in Pension geht.

All diese Fragen können nicht in einer Husch-Pfusch-Pressekonferenz, die rasch einberufen wird, gelöst werden. Wir werden Sie vielmehr an den Taten messen. Daher ist es notwendig, einen entsprechend Entschließungsantrag einzubringen, der folgendes beinhaltet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Reinhart Gaugg, Sigisbert Dolinschek, Mag. Herbert Haupt, Helmut Haigermoser und Genossen betreffend umfassende Atrraktivierung der Lehre

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat binnen dreier Monate Gesetzentwürfe zuzuleiten, die

1. eine gesetzliche Festlegung einer jährlichen Mindeststeigerung der Lehrlingsentschädigungen im Ausmaß der sonstigen kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen im jeweiligen Wirtschaftszweig (Mindestlehrlingsentschädigung),

2. ein vom Bund finanziertes Leistungsstipendium für überdurchschnittliche Leistungen bis zur Höhe der für AHS–Schüler im Vergleich mehr anfallenden Kosten,

3. einen Lehrlingsausbildungsfreibetrag in Höhe von 30 Prozent des Aufwandes für Ausbildungsbetriebe,

4. den Entfall der Kommunalsteuer auf Lehrlingsentschädigungen,

5. eine frühzeitige laufende Information aller Schüler über sämtliche Bildungs- und Berufsmöglichkeiten,

6. eine Neuorganisation der Lehrlingsausbildung durch eine nach Wirtschaftsbereichen getrennte konzentrierte schulische Ausbildung anstelle des Polytechnischen Lehrganges vor der berufsspezifischen betrieblichen Lehre,

7. eine verbesserte verpflichtende Aus- und Weiterbildung der Berufsschullehrer,

8. eine allgemeine Förderung jeder Lehrlingsweiterbildung im Ausland und

9. eine Gleichstellung der Meisterprüfung mit der B-Matura im öffentlichen Dienst und freien Zugang zu einschlägigen Fachhochschulen

vorsehen."

 

*****

Ich glaube, dann werden wir auch in Zukunft unserer Jugend entsprechende qualifizierte Arbeitsplätze anbieten können. Und das ist unsere Aufgabe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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20.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koppler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.08

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gaugg, als ich den ersten Teil Ihrer Rede hörte, war ich der Meinung, daß ich auf einer falschen Hochzeit bin, denn das Wort "Lehrling" kam erst im letzten Drittel Ihrer Rede vor. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gaugg! Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur aktuellen Lehrlingssituation gibt mir persönlich sicherlich keinen Grund, euphorisch zu sein, und das sage ich auch sehr deutlich. Aber es ist, wie ich meine, ein erster, ein guter Schritt in die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Aber es kommt zu spät! Ihr habt eure Chancen verschlafen!) Auf diesen Schritt können und müssen wir in Zukunft aufbauen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in den nächsten Tagen ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verbesserung der dualen Berufsausbildung sowie zur verstärkten Einstellung von Lehrlingen zu beschließen. Die Regierung hat mit dem vorliegenden Entwurf Verantwortung bewiesen, und das wird vor allem im internationalen Vergleich sehr deutlich: Kaum ein anderer Staat als Österreich konnte bisher ein dermaßen umfangreiches Paket schnüren, obwohl die Probleme jenseits der Grenzen Österreichs ungleich dramatischer sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das zeigt sich am deutlichsten am Beispiel der Jugendarbeitslosigkeit: Mit 3,9 Prozent gehört Österreich zu den Vorbildern in Europa, vor allem im Vergleich zu Deutschland mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 5,2 Prozent. (Abg. Gaugg: Das ändert nichts am Problem!) – Hören Sie zu, Herr Abgeordneter Gaugg! Ich bringe jetzt internationale Vergleiche, und darauf können wir mit Recht stolz sein! Wir dürfen allerdings nicht zufrieden sein, das gebe ich auch zu! (Beifall bei der SPÖ.)

Großbritannien hat eine Jugendarbeitslosenrate von 14,9 Prozent, Frankreich 23,4 Prozent, Italien 31,1 Prozent und Spanien 38,3 Prozent. Im EU-Schnitt liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei erschreckenden 20,2 Prozent! (Abg. Gaugg: Wollt ihr warten, bis ihr auch soweit seid?)

Dennoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, waren diese Schritte in Österreich dringend notwendig, geht es doch um die Zukunft und um unsere Jugend. Ich unterstütze daher das Maßnahmenpaket der Bundesregierung, weil durch Reformen im Gewerberecht attraktivere und modernere Berufe entstehen, die langfristig bessere Beschäftigungsmöglichkeiten garantieren, und weil die beabsichtigte Berufsreifeprüfung die Durchlässigkeit zu höheren Bildungswegen erleichtert und damit das Facharbeiterimage, wie ich hoffe, verbessert wird. (Abg. Gaugg: Ihr habt schon so viel angekündigt am Arbeitsplatzsektor!)

Ich habe nur noch sehr wenig Redezeit, aber schauen Sie, Herr Abgeordneter Gaugg, die Lehrlinge wissen genau, wer ihre Interessen vertritt. (Abg. Gaugg: Sie sicher nicht!) Die Lehrlinge wissen genau, daß es sicherlich nicht die Freiheitliche Partei ist, die für die Lehrlinge eintritt! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Der Pumberger sicher auch nicht! Der gutverdienende Arzt Pumberger sicher auch nicht! – Abg. Gaugg: Der einzige sichere Arbeitsplatz ist der Chauffeurposten vom Herrn Koppler!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte in der mir noch zur Verfügung stehenden Redezeit allen danken, die an dieser Reform, an diesem Reformpapier mitgearbeitet haben. Ich möchte vor allem aber auch den Sozial- und Wirtschaftspartnern für die Mitwirkung und die entscheidenden Vorleistungen, die für dieses Paket sehr notwendig sind, danken.

Gestatten Sie mir abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren, einen kurzen Blick in die Zukunft zu richten. Wir müssen in Zukunft noch stärker als bisher das rein schulische Bildungswesen mit der dualen Berufsausbildung verknüpfen. Jugendliche, Schüler und Lehrlinge sollten nicht miteinander konkurrieren, sondern einander in der Ausbildung ergänzen. Zeitgemäße Lehrberufe werden daher in Zukunft noch stärker als bisher für gleichwertige Beschäftigungschancen von Schülern und Lehrlingen sorgen. (Abg. Gaugg: Ich höre es wohl, allein mir fehlt der Glaube!) Damit steigen die Attraktivität der Lehrlingsausbildung und das Image der Lehrlinge, auf die wir zu Recht stolz sein können.


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In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, begrüße ich diesen Schritt der Bundesregierung, auf dem wir weiter aufbauen sollten. Das ist sehr wichtig für unsere Jugend! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: In sechs Monaten reden wir wieder über dieses Thema!)

20.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. Keine freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

20.13

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren – ein paar sehe ich noch. (Abg. Dr. Pumberger – auf leere Bankreihen deutend –: Wo sind die alle?) Die Lehrlingsausbildung, die duale Ausbildung in Österreich ist eine einzige Erfolgsstory, und zwar bis zum Jahre 1992, danach kam es zu einer Bruchlinie. (Abg. Dr. Pumberger: Richtig!) Wer die Ziffern extrapoliert hätte – also das Sinken der Zahl der Lehrstellen, die angeboten werden, und das Anwachsen der Zahl der Lehrstellen, die nachgefragt werden –, wer also politisch rechtzeitig gehandelt hätte, hätte im Jahre 1992, spätestens 1993 beginnen müssen, zu reagieren. Sie reagieren jetzt, im Jahre 1997, wo wirklich Feuer auf dem Dach ist, weil in drei Wochen die Schulen schließen und eine Menge junger Menschen auf der Straße zu stehen drohen.

Wir haben Ihnen durch viele Jahre hindurch immer wieder gesagt, daß die duale Ausbildung durch Bürokratisierung, durch sozial- und arbeitsrechtliche Vorschriften, die zu einer Kriminalisierung der Lehrbetriebe führen, überfrachtet wird. Wir haben Sie darauf hingewiesen, daß die Kosten der Ausbildung so hoch gestiegen sind, daß ein zunehmendes Maß an Lehrbetrieben –so warnten wir Sie bereits vor zwei, drei Jahren –aus der Lehrlingsausbildung ausscheiden würde. Wir haben Ihnen oft hier im Parlament in Bildungsdebatten gesagt, daß die Grundschule, die Pflichtschule in zunehmendem Maße nicht mehr in der Lage ist, die jungen Menschen so gut auszubilden, daß sie überhaupt in der Lage sind, einen Lehrberuf in einem Betrieb zu erlernen und auch die Berufsschule zu bestehen. Wir haben Sie davor gewarnt, die Lehrherren pauschal zu beschuldigen, zu diskriminieren und sie kollektiv so hinzustellen, als wären sie alle nur Ausbeuter an den jungen Menschen.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Jetzt bekommen Sie die Rechnung dafür präsentiert. Es ist eine traurige Rechnung auf dem Rücken der jungen Leute. Das muß betroffen machen! Es ist traurig, daß die Zahl der Lehrbetriebe einbricht und die jungen Leute keine Lehrstellen mehr finden. Jetzt, fünf vor zwölf, fällt Ihnen ein, daß Sie ganz schnell etwas tun müssen! Ich konzediere Ihnen, daß das, was Sie tun, punktuelle Reformen sind, von denen ohne Zweifel keine einzige schadet. Sie werden alle ein bißchen nützen; aber eben nur ein bißchen, weil Sie weder in der Lage noch bereit sind, den Schritt zu tun, den wir Liberale Ihnen vorgeschlagen haben, nämlich die Lehre völlig zu reformieren, indem Sie die Berufsschulzeit und die Lehrzeit trennen und ein neues Modell mit verlängerten Berufsschulzeiten und besseren Berufsschulen einsetzen.

Herr Kollege Öllinger von den Grünen – wir verhandeln ja auch seinen miterledigten Antrag über Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung; ich sehe ihn hinter der Glastür, ein kluger Mann – hat am 18. Februar 1997 einen Entschließungsantrag eingebracht, den ich in seiner Widersprüchlichkeit nicht verstehen kann. Er zitiert zuerst eine Studie, bei der letztlich herauskommt, daß in Wirklichkeit die Lehrlingsausbildung das größte Geschäft ist. Nachdem er das festgestellt hat, meint er, daß immer weniger Lehrlinge ausgebildet werden und die Anzahl der Lehrstellen sinkt, um dann festzustellen, daß offensichtlich alle Lehrbetriebe – ich sage es jetzt ganz salopp – vom wilden Affen gebissen worden sind, weil sie dieses Riesengeschäft der Lehrlingsausbildung nicht begreifen und keine Lehrlinge mehr ausbilden. – Lieber Herr Kollege Öllinger! Das ist eine Logik, zu der ich nur sagen kann: Schau, schau, schau!

Wie die Zauberlehrlinge haben Sie an der dualen Ausbildung so lange bürokratisch herumreformiert, bis die Betriebe gesagt haben: Wir können nicht mehr, wir schaffen es nicht mehr! Gott sei Dank gibt es noch viele Betriebe, die es trotzdem tun, weil sie Verantwortung für


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die jungen Leute spüren, weil sie es gerne tun, weil sie sich einsetzen und weil sie sich gerne 40 Stunden in der Woche zusammen mit ihren Mitarbeitern um den Lehrling kümmern, ohne gleich wie der eine oder andere Lehrer, der nichts anderes zu tun hat, als sich nur 20 Stunden in der Woche um einen Lehrling zu kümmern, niederzubrechen und davon zu reden, daß das Leben so hart wäre. Die jungen Menschen, die wir in den Betrieben ausbilden, sind nämlich genauso frech und genauso nett, genauso aufgeweckt und genauso störrisch wie diejenigen, die die Lehrer in der Schule unterrichten, aber wir ertragen sie erstaunlicherweise mit einiger Geduld 40 Stunden in der Woche, während die Lehrer meinen, wenn sie sie 20 Stunden in der Woche haben, sei das schon nicht mehr zumutbar, und die Flucht in die Frühpension beginnt. (Abg. Gatterer: Die Lehrlinge müssen 60 Stunden arbeiten!) – Wir werden das später ausdiskutieren, gnädige Frau.

Ich bekenne mich zur Lehrlingsausbildung, ich bekenne mich zur Bedeutung der dualen Ausbildung und fordere Sie noch einmal auf – heute und am morgigen Tag, wenn wir über das Berufsausbildungsgesetz reden, noch einmal –: Haben wir den Mut, die Lehre wirklich auf eine neue Basis zu stellen, sie als eine gleichwertige Säule der sekundären Bildungsstufe hinzustellen, sie damit zu attraktivieren und es über eine Trennung von Berufsschule und Lehrzeit und damit über eine integrale Verlängerung der Berufsschule auch den Betrieben zu ermöglichen, mehr Lehrlinge aufzunehmen! Ein Lehrling, der sechs Monate Berufsschule absolviert und sechs Monate im Betrieb ist, also halbe-halbe, kann zu einer doppelten Anzahl von Lehrlingen im selben Betrieb führen. Außerdem wird eine ganze Reihe junger Menschen, die heute die BHS absolvieren, ohne dafür geeignet zu sein – anders kann ich mir die hohe Drop-out-Quote von fast einem Drittel in den BHS nicht erklären –, wieder dorthin zurückgebracht, wo sie über die Lehre genauso wie über die Fachhochschulreife in den tertiären Bildungssektor vordringen können.

Kollege Öllinger läßt uns dann, nachdem er festgestellt hat, daß die Lehre ein Geschäft ist und die Unternehmer – salopp gesagt – nur zu dumm sind, das zu verstehen, als vierten Streich noch wissen, wie er sich die Maßnahme zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung vorstellt. Er sagt: Erhöht die Lohnnebenkosten! – Das ist seine Antwort darauf. Wir haben zwar "nur" die dritthöchsten Arbeitskosten in der Europäischen Union, wir preisen uns selbst aus den internationalen Exportmärkten hinaus, aber Öllinger schlägt vor: Ein Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Unternehmen ist herzustellen! Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, werden durch diesen Lastenausgleich gefördert!

Das, Herr Kollege Öllinger – Sie kommen ja dann noch dran; wir werden darüber noch diskutieren –, ist nichts anderes als die Erhöhung der Lohnnebenkosten um 1, 2, 3, 4 Prozentpunkte, je nachdem, wie Sie diesen Lastenausgleich festlegen. Das ist aber genau der falsche Weg, weil Sie obrigkeitsstaatlich reglementierend vorgehen wollen. Zuerst belasten Sie die Lehrbetriebe, sodaß diese sagen: Wir bilden keine Lehrlinge mehr aus, wir schaffen es nicht mehr!, und dann sagen Sie: Jetzt machen wir eine Ausgleichszahlung, jetzt kommen noch die Lohnnebenkosten dran. Euch werden wir es schon zeigen! Wir wissen, was Vernunft ist; mit dem Steuerrecht werden wir es euch einbleuen!

Herr Kollege Öllinger! Das ist ein total falscher Weg! Glauben Sie jemandem, der seit über 25 Jahren wirklich mit Herz Lehrlinge ausbildet und viele Erfolge, aber auch entsetzliche Mißerfolge gehabt hat. So werden Sie niemanden zur weiteren Lehrlingsausbildung bringen, weil das ganz wesentlich auch eine Frage des persönlichen Einsatzes ist.

Es gibt auch einen Antrag, den Sie nun schon zum dritten Mal miterledigen, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, das ist der Antrag des Abgeordneten Dolinschek betreffend die Arbeit von jungen Menschen im Gastgewerbe nach der Sommerzeit.

Das ist ein Justamentstandpunkt, den niemand versteht. Die astronomische Zeit ist 22 Uhr, die Sommerzeit ist 23 Uhr, und das Verhalten, die Wünsche, die Bedürfnisse der Gäste richten sich danach. Ein Lehrling kann nur dann arbeiten und produktiv sein, wenn Gäste da sind. Er muß ja produktiv sein, denn wenn er nicht produktiv wäre, könnte er ja keine Lehrlingsentschädigung bekommen; das ist ja einigermaßen logisch. Und daß Sie ihn nicht bis 23 Uhr arbeiten lassen,


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ist ein reiner Justamentstandpunkt, aber offensichtlich gehen Justamentstandpunkte vor Jugendbeschäftigung. Ich bedauere das. Sie werden das im dritten Versuch wieder ablehnen; es wird sicherlich einen vierten geben. (Abg. Dr. Pumberger: Ein gescheiter Antrag!)

Ich darf Ihnen noch ankündigen, daß wir um eine getrennte Abstimmung über Artikel I und Artikel II der vorliegenden Gesetzesvorlage ersucht haben, weil wir dem Artikel I in zweiter Lesung zustimmen wollen, den Artikel II hingegen werden wir in zweiter Lesung ablehnen, und zwar ganz einfach deswegen, weil ich eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge als Gegenfinanzierung zur Senkung der Krankenversicherungsbeiträge bei den Lehrlingen für den falschen Weg halte. Diese Maßnahme wird den Lehrlingsbetrieben ein bißchen helfen – das ist gar keine Frage; je nachdem, wie viele Angestellte sie beschäftigen –, aber insgesamt drehen wir wieder an der Beitragsschraube, weil wir nicht mutig genug sind, einen Reformansatz zu machen.

Abschließend lassen Sie mich einen Abänderungsantrag mit einem Punkt verlesen, an den Sie vielleicht im Laufe der Gesetzwerdung nicht gedacht haben. Es geht darum, daß Sie, Ihrem Modell folgend, nur die Lehrlinge in diese Ermäßigung einbeziehen. Sie haben dabei auf die Anlernlinge vergessen, denn die Anlernlinge – zum Beispiel bei Ziviltechnikern, Zahntechnikern, Kindergartenhelfern – arbeiten nicht in einem Gewerbebetrieb, daher kann es kein Lehrverhältnis geben. Dennoch ist ein Anlernverhältnis genauso ein Arbeitsplatz für junge Menschen.

Warum beziehen Sie, wenn Sie diese Regelung schon gewollt haben und sie heute auch beschließen werden – nicht mit unserer Stimme –, die Anlernlinge nicht mit ein? Diese sind doch genauso wie die Lehrlinge – nur eben außerhalb von Gewerbebetrieben – als Anlernlinge verwendbar. (Abg. Koppler: Verwechseln Sie doch nicht einen Lehrling mit einem Anlernling, um Gottes willen! Ein Anlernling ist ein Hilfsarbeiter! Das ist doch ein Wahnsinn!)

Herr Kollege Koppler! Es kann doch kein Unterschied sein, ob ein junger Mensch, der ausgebildet wird, diese Ausbildung in einem Gewerbebetrieb – sprich: duales System – oder bei einem Ziviltechniker, Zahntechniker oder Kindergartenhelfer erhält. Das ist auch eine Ausbildungsform, aber weil es kein Gewerbebetrieb ist, greift die duale Lehre dort nicht Platz.

Sie können den Antrag ablehnen. Wir schlagen ihn Ihnen aber vor, weil er auch eine Chance ist, jungen Menschen einen Einstieg in den Beruf zu verschaffen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Volker Kier, Mag. Helmut Peter und PartnerInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Änderung des Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (723 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichts)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel II

Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes

In § 57a werden nach dem Ausdruck "Lehrlinge" die Worte "und sonstige in einem anerkannten" – ich betone das Wort "anerkannten" – "Lehrverhältnis stehende Personen" eingefügt.

*****

Auch Anlernlinge haben offensichtlich eine Form des Lehrverhältnisses außerhalb der Gewerbeordnung. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

20.23


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Der eben verlesene Antrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt.

20.23

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Wenn ich richtig liege, diskutieren wir jetzt über den Tagesordnungspunkt "Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen", aber da ich Herrn Kollegen Gaugg gehört habe beziehungsweise gesehen habe, welchen Auftritt er hier inszeniert hat, frage ich mich, ob er glaubt, daß etwas, was vor ein oder zwei Tagen beschlossen oder in die Wege geleitet wurde, schon vorgestern umgesetzt worden sein konnte. Vielleicht haben Sie als einflußreicher Vizebürgermeister das so gemacht. (Abg. Gaugg: Vor Jahren schon habe ich Lehrlinge beschäftigt und hatte einen Erfolg!) Sagen Sie uns, wie viele Lehrlingsarbeitsplätze Sie in Klagenfurt geschaffen haben! (Abg. Gaugg: Dort, wo ich verantwortlich war, hat es funktioniert!)

Oder: Sie sagen, daß wir so schlecht liegen. – Ja, wir liegen nicht gut. Wir müssen etwas tun, aber vielleicht haben Sie dieses Handbuch (die Rednerin hält eine Broschüre in die Höhe) schon in der Hand gehabt. Darin steht, daß Österreich in der Europäischen Union nach wie vor führend ist, und trotzdem tun wir noch etwas. (Abg. Gaugg: Ihr arbeitet daran, daß es bald nicht mehr so ist!) Wir jammern nicht krank, sondern wir setzen Taten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaugg: Sie haben jahrelang geschlafen! – Abg. Dolinschek: Die Pausen haben Sie gestrichen! – Abg. Silhavy: Jetzt werden Sie nervös!)

Die Jugendbeschäftigung ist das wichtigste Anliegen überhaupt, und wir wissen, daß sich, wenn junge Menschen keine Arbeit finden, danach menschliche Tragödien abspielen können. (Abg. Gaugg: Wie bei Herrn Praschak!)

Ich sage Ihnen nur eines: Ich werde jetzt nicht mehr auf Sie eingehen. Ich nehme Sie nicht ernst, weil auch Ihre Körperhaltung mir zeigt, daß Sie gar kein Interesse an der Sache haben, sondern nur an der Inszenierung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Gaugg: Gnädige Frau! Ihnen sieht man das schlechte Gewissen an!)

Die derzeit herrschende Jugendarbeitslosigkeit wird sicher auch in der nächsten Zeit eine schwierige Situation mit sich bringen, die wir verändern wollen. Daher haben gerade wir von der ÖVP, allen voran der ÖAAB mit Bundesminister Fasslabend, immer wieder einen Jugendbeschäftigungsplan gefordert. (Abg. Gaugg: Super! Was davon ist realisiert?)

Ich begrüße daher die heutige Reform – morgen werden wir einen weiteren Teil in Richtung bessere Rahmenbedingungen für die Lehrlingsausbildung beschließen –, denn diese Vorlage für die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen zeigt, daß in der nächsten Zeit einiges weitergehen wird und daß das auch ein Meilenstein für junge Menschen ist, die einen Lehrplatz suchen. Es ist eine Chance und auch die Möglichkeit, mit einer soliden Voraussetzung etwas voranzubringen. Wir werden mit diesem Programm der Bundesregierung auch diesen Rückgang, von dem Sie gesprochen haben und der schlimm genug ist, in nächster Zeit in den Griff bekommen.

Man darf aber, wenn man von Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung spricht, auch nicht vergessen, welche andere Wichtigkeit dieser Bereich noch hat, und zwar für unsere Klein- und Mittelbetriebe in Österreich. Es ist hochinteressant – das wissen viele nicht –, daß 50 Prozent der österreichischen Unternehmer und Unternehmerinnen selbst einmal eine Lehre absolviert haben. Ich glaube, daß hier der Begriff "Karriere mit Lehre" sehr wohl einen sehr wichtigen Hintergrund hat. (Abg. Gaugg: Wo hat das gegriffen? Wo hat denn das funktioniert, gnädige Frau?) – Haben Sie in Klagenfurt etwas getan, gnädiger Herr? (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich glaube, wir müssen jetzt zur zweiten Phase weitergehen, nämlich zur Einführung von neuen Lehrberufen. (Abg. Gaugg: Haben Sie Lehrlinge ausgebildet in den Stadtwerken?) – Hören Sie


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bitte zu! Wissen Sie, was neue Lehrberufe sind? Das werden Ihnen Frau Bundesministerin Gehrer und Herr Bundesminister Farnleitner gerne sagen oder auch zukommen lassen. Zum Beispiel wird es ab Herbst neue Lehrberufe wie Anlagenelektriker, Maschinenmechaniker und so weiter geben.

Ich merke hier an, daß wir auch intensivst über neue Lehrberufe für Mädchen nachdenken und diese forcieren müssen. Gerade Mädchen werden heute noch – auch durch die familiäre Situation – in diese herkömmlichen Berufe gedrängt und müssen oder wollen auch in diese gehen. In diesem Bereich müssen wir sicher noch rascher handeln. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny.  – Abg. Gaugg: Jawohl!)

Ich meine aber auch, daß eine gezielte Berufsberatung mehr denn je notwendig ist. Diese Ausbildungsinitiative ist auch ein Punkt im Regierungsübereinkommen der österreichischen Bundesregierung. Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, die nicht nur Maßnahmen bleiben werden. Sie können versichert sein, daß in nächster Zeit – beginnend mit Herbst und im nächsten Jahr – diese Maßnahmen umgesetzt werden, sei es über das Arbeitsmarktservice oder sei es auch über die öffentliche Hand. (Abg. Gaugg: Schau, trau, wem?!)

Ich glaube, gerade hier können wir etwas weiterbringen, zum Beispiel mit der Idee der Startjobs. Dieser Vorschlag wird seitens der Steiermark sehr stark unterstützt und könnte im gesamten Bundesgebiet angenommen werden, um damit junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren, die über einen Schul- oder Studienabschluß verfügen, aber keine Arbeit haben, eine gewisse Zeit in das Berufsleben einzubinden, um sie dann auch länger anzustellen beziehungsweise weiterzubeschäftigen. Mit dieser Form von Startjobs könnten wir österreichweit sofort an die 10 000 Arbeitsplätze für eine gewisse Zeit halten beziehungsweise gerade eine Form der Ausbildung anbieten, wie sie immer wieder gefordert wird, nämlich eine Ausbildung mit Praxis.

Abschließend möchte ich sagen: Geben wir der Jugend eine Chance auf eine praktische und qualitativ hochwertige Ausbildung! Auf diese Art werden wir einiges weiterbringen, im speziellen auch mit den Vorschlägen, die jetzt auf dem Tisch liegen und sicher umgesetzt werden in diesem Paket der Jugendbeschäftigungsinitiative. (Beifall bei der ÖVP.)

20.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Öllinger.– Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

20.30

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Es geht noch kürzer, Herr Präsident! Eigentlich wollte ich ganz allgemein ein paar Bemerkungen zu diesem vorliegenden Entwurf machen. Da mir Kollege Peter einen Ball zugespielt hat, muß ich ihn aber aufnehmen.

Kollege Peter! Wenn es so wäre, daß wirklich dort die Lehrausbildung am besten funktioniert, wo das System am wirtschaftsfreundlichsten ausgestaltet ist und die Betriebe am wenigsten Kosten haben, dann müßte man mir erklären können, warum es auch in der Schweiz nicht funktioniert, wo diese Voraussetzungen zutreffen, warum es auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht funktioniert, wo man ebenfalls ein System der dualen Ausbildung hat, das immerhin noch kostengünstiger für die Unternehmen ist als das österreichische System, warum überall in Europa die Ausbildung von Jugendlichen – egal ob im dualen System oder außerhalb – nicht funktioniert und Jugendliche auf den Arbeitsmärkten keine Chancen haben.

Wenn es wirklich so wäre, daß das ein österreichisches Spezifikum wäre, weil wir hier zu teuer ausbilden, dann wäre es einfach, dann hätten nur wir das Problem. Es haben aber – und das haben die Zahlen ergeben – alle anderen Länder auch dieses Problem, und gerade die Länder, die die wirtschaftsfreundlichsten Maßnahmen gesetzt haben, haben die größten Probleme. Es gibt Länder, in denen der Einstieg für Jugendliche in den Arbeitsmarkt so geregelt ist, daß sie zu Löhnen beschäftigt werden können, die weit unter den kollektivvertraglich zugestandenen Löhnen liegen. In diesen Ländern funktioniert das System überhaupt nicht – trotz dieser Öffnung für die Jugendlichen. Das ist das Problem. (Abg. Gaugg: Laß dir was einfallen!)


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Kollege Peter! Meiner Ansicht nach ist es wirklich so, daß die Betriebe in diesem Konkurrenzkampf, in dem sie teilweise stehen, natürlich versuchen, alle Kosten für Ausbildung, für Weiterbildung, für Fortbildung bis hin zu den Kursen beim AMS, in denen das Lehren des Abwaschens bezahlt wird – Beispiel Oberösterreich –, abzustoßen und abzugeben. So kann es aber nicht funktionieren! So kann auch das System der dualen Ausbildung nicht funktionieren. Darum bin ich in keinster Weise davon überzeugt, daß diese Argumentation ihre Berechtigung hat.

Die Betriebe wollen ihre Kosten auslagern; das ist ihr gutes Recht. Es ist auf der anderen Seite aber das gute Recht und die Verpflichtung der Gesellschaft, auch von den Betrieben deren Ausbildungsverpflichtung einzufordern, und zwar nicht nur für die Jugendlichen. Ich halte es auch für falsch, daß man die Ausbildung oder die Fortbildung von Älteren auslagert, möglichst auf Institutionen des Staates, der diese Kosten übernehmen soll. (Abg. Gaugg: In großkoalitionärer Form!) Der Staat hat aber, weil die Leute weniger beschäftigt werden, auch weniger Geld, um das zu finanzieren. Das heißt, es geht ziemlich im Kreis herum. Wir werden auf diese Weise mit diesem Problem nicht fertig werden.

Meiner Ansicht nach hat natürlich – und das ist in unserem Antrag auch angesprochen worden – der Staat bei der Ausbildung Verantwortung mit zu übernehmen. Er hat erstens Lehrlinge auszubilden, was er nicht oder nur in einem unzureichenden Ausmaß macht, auch wenn sich das in den letzten Monaten in einzelnen Bundesdienststellen Gott sei Dank etwas verbessert hat. In der Regel aber findet diese Ausbildung durch den Staat in einem völlig unzureichenden Ausmaß statt. Der Staat und die gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen drücken sich vor dieser Verantwortung zur Ausbildung. Das ist unzulässig! Sie haben dieselben Verpflichtungen, auszubilden, und sie könnten es auch, wenn sie nur dazu angehalten würden.

Darum, meine Damen und Herren, ist die Ausbildungsabgabe natürlich nicht vom Tisch, weil sie im gleichen Ausmaß selbstverständlich auch staatliche oder halbstaatliche Betriebe treffen müßte und sie auch zur Ausbildungsverantwortung verpflichten müßte.

Der Staat hat aber noch eine andere Verpflichtung. Er hat auch die Verpflichtung, die Lehrausbildung zu kontrollieren. Ich halte es für falsch, daß die Lehrausbildung von der Wirtschaftskammer kontrolliert wird. Ich halte es für falsch, daß die Ausbildung der Lehrausbildner minimiert statt verbessert wird. Ich halte es für falsch, daß die Ausbildung der Berufsschullehrer nicht optimal ist. Das wissen wir alle hier im Saal.

Darum, meine Damen und Herren, sind die Forderungen unseres Entschließungsantrages nach wie vor berechtigt, und darum halte ich es nach wie vor für falsch, was im Antrag der Regierungsfraktionen eigentlich versucht wird, indem man glaubt, durch ein bißchen Entgegenkommen an die Wirtschaft diese Frage lösen zu können. Ich halte das – mit Verlaub, Herr Kollege Peter, und natürlich auch an die Adresse der Regierungsparteien – für den falschen Weg.

Sehen Sie sich um im Ausland! Da werden Sie einiges bemerken, was nicht nur in Österreich vorkommt, sondern auch in anderen Ländern, und was Anlaß dazu sein müßte, diese Frage etwas grundsätzlicher anzudiskutieren. (Beifall bei den Grünen.)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

20.35

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Änderung des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen und in diesem Zusammenhang auch des ASVG sind Teil eines umfangreichen Maßnahmenpaketes, um der österreichischen Jugend die Chance auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu gewähren.

Herr Kollege Peter! Probleme der Berufsausbildung zeigen sich sehr wohl durch die Auslagerung der Aus- und Weiterbildungskosten, durch die sinkende Anzahl an Lehrstellen, aber


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auch in den Bereichen der fehlenden Qualität der Lehrlingsausbildung. Es gibt also sehr wohl Lücken in der Lehrlingsausbildung, und Sie selber werden, wenn Sie sich diese Zahlen bei den Lehrabschlußprüfungen anschauen, erkennen können, daß wir nicht überall so eine qualitativ gute Lehrausbildung haben. (Abg. Mag. Peter: Aber weniger Drop-outs als in den BHS zum Beispiel!) – Denken Sie an Gas- und Wasserinstallation und so weiter. Ich brauche Ihnen diese Zahlen nicht zu nennen, Sie werden sie wahrscheinlich genausogut kennen wie ich.

Aber das Arbeitsmarktservice – weil vorhin auch die Öffentlichkeit angesprochen worden ist – hat schon vor langer Zeit darauf reagiert. Heuer werden zum Beispiel 1,4 Milliarden Schilling zur Förderung der Personengruppe der Jugendlichen ausgegeben. (Abg. Dolinschek: Gott sei Dank!)

Ich möchte nur einige laufende Maßnahmen aus der Steiermark aufzählen. Dazu gehören unter anderem die Jugendarbeitsstiftung in Graz, das Projekt "Mädchen und Technik", diverse Berufsorientierungsmaßnahmen, das Projekt "Young People", Aktivgruppen für Jugendliche und anderes mehr. In der Steiermark beteiligen sich derzeit insgesamt 820 junge Menschen an solchen Maßnahmen.

Insbesondere durch sozialdemokratische Initiativen in der Bundesregierung, Bemühungen in der Gewerkschaft und die Einbeziehung der Sozialpartner wurden bereits in der Vergangenheit entsprechende Rahmenbedingungen mit dem Ziel geschaffen, die Ausbildung von jungen Menschen weiterhin in hochwertiger Form zu gewährleisten. Indirekt hat dies Kollege Öllinger gerade vorhin bestätigt, indem er andere, ähnlich gelagerte Ausbildungssysteme in anderen Ländern als Beispiele angeführt hat, die noch weniger funktionieren als unseres. (Abg. Gaugg: Weil ihr die Wirtschaft kaputtmacht, müßt ihr künstlich Arbeitsplätze schaffen!)

Herr Kollege Gaugg! Jemand, der gewisse Worte so buchstabiert wie Sie, ist für mich kein Gesprächspartner, auch nicht in diesem Hohes Haus. Das sage ich Ihnen gleich und an dieser Stelle. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Weil Sie die Wirtschaft ruinieren, müssen Sie künstliche Arbeitsplätze schaffen!)

Die heute diskutierte Regierungsvorlage beinhaltet zweifelsohne Zugeständnisse an die Wirtschaft und ist somit – Herr Kollege Peter ist leider nicht mehr da – als Kompromiß zu bezeichnen, um Unternehmen dafür zu gewinnen, den Jugendlichen eine Chance zu eröffnen. Nun wird aber die Wirtschaft beweisen müssen, daß auch sie bereit ist, Verantwortung für die Menschen in Österreich und für die Zukunft unseres Landes zu übernehmen. (Abg. Gaugg: Ruinieren die Wirtschaft und schaffen künstliche Arbeitsplätze!)

Ich möchte aber in dieser Diskussion nicht verabsäumen, auf einen Mißstand hinzuweisen, der meines Erachtens raschest beseitigt werden muß. Der Leiter der Lehrlingsstelle in der Wirtschaftskammer Steiermark kritisiert das Lehrlingspaket mit folgenden Worten – ich zitiere aus der "Kleinen Zeitung" vom 17. 4. 1997 –: "Auch wenn Sie den größten Nasenbohrer eingestellt haben, werden Sie ihn nicht mehr los." Oder: "Nach 22 Uhr arbeiten darf der Lehrling nicht, aber die ganze Nacht bechern darf er."

Wenn der Leiter der Lehrlingsstelle seine Funktion dermaßen verkennt, dann wird man sich überlegen müssen, raschest eine Neuorganisation in diesem Bereich anzustreben. (Abg. Gaugg: In der ÖGB-Lehrwerkstätte in Krumpendorf gibt es auch interessante Leute!) Aus diesem Fall, daß jemand, der die Jugendlichen, zu deren Schutz er eigentlich da ist und tätig werden muß, als Nasenbohrer beschimpft, die die ganze Nacht bechern, muß man Konsequenzen ziehen. (Abg. Gaugg: Wenn Sie das nicht kennen, erzähle ich es Ihnen!) Man muß raschest überlegen, die Lehrlingsstelle aus dem Wirkungsbereich der Wirtschaftskammer herauszulösen. (Abg. Gaugg: Da hat es auch einen Leiter gegeben in Krumpendorf! Den ehemaligen Vizebürgermeister! Das ist auch interessant!)

Ich komme aber nun zurück zur Regierungsvorlage und habe in diesem Zusammenhang einen


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Abänderungsantrag einzubringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen zum Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden in der Fassung des Ausschußberichtes 753 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Artikel I Z 14 lautet:

14. Dem § 34 wird folgender Abs. 5 angefügt:

"(5) § 1 Abs. 1 und 1a, § 2 Abs. 1 und 1a, § 3, § 5a Abs. 1, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 2 Z 3, § 11 Abs. 2, 2a, 2b, 3 und 8, § 11a, § 12 Abs. 3, § 13, § 15 Abs. 1 und 2, § 16, § 17 Abs. 3a bis 7, § 19, § 19a, § 20, § 23 Abs. 1, 1a, 1b und 2, § 24, § 25 Abs. 1 und 1a, § 27b, § 29, § 33 und § 34 Abs. 1 Z 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxxxx, treten mit 1. Juli 1997 in Kraft."

*****

(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Die Zeit ist abgelaufen!)

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten steht der Mensch im Mittelpunkt der Politik. Dazu gehört auch die Verantwortung, dem einzelnen Menschen, in diesem Fall den Jugendlichen, die bestmöglichen Lebens- und Zukunftsvoraussetzungen zu bieten. Deshalb stimmen wir für diese Regierungsvorlage als Bestandteil des Sonderprogramms für junge Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten.

20.40

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Statistiken, die uns allen vorliegen, belegen eindeutig die seit Jahren katastrophale Entwicklung im Bereich der Lehre beziehungsweise der Jugendbeschäftigung.

Die Zahl der Lehrlinge ist seit dem Jahre 1979 um ein Drittel gesunken; die Jugendarbeitslosigkeit steigt. Auch wenn Kollege Koppler sagt, daß wir eine Jugendarbeitslosigkeit von zirka 4 Prozent haben, während sie in der EU bei 20 Prozent liegt, muß man sich dessen bewußt werden, daß wir schön langsam, aber sicher auch in diese Richtung steuern, wenn wir nicht gegensteuern und nichts dagegen unternehmen. Die Bundesregierung ist jetzt lange genug gefordert, dieser Entwicklung entgegenzuwirken; sie hat jedoch bisher nichts getan.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die Pensionen. Noch vor einem Jahr hat der seinerzeitige Sozialminister Hums gesagt, die Pensionen seien gesichert, und heute sagt man hingegen, daß die Pensionen nicht mehr gesichert sind und wir einen längeren Durchrechnungszeitraum schaffen müssen. Genauso wird es sich bei der Jugendarbeitslosigkeit verhalten, denn auf diesem Gebiet kann man genau dieselben Entwicklungen feststellen (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Koppler. )

Man muß den Tatsachen ins Auge blicken! Wir alle müssen bestrebt sein, die Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen und die Lehre wieder attraktiver zu machen. Gründe dafür, warum die Ausbildung durch eine Lehre derzeit nicht attraktiv ist und die Lehrlingszahlen und die Zahl der


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offenen Lehrstellen in Österreich sinken, liegen meiner Meinung nach in veralteten Berufsbildern, schlechter Entlohnung, in übertriebenen Schutzbestimmungen und der steuerlichen Belastung der Ausbildungsbetriebe sowie darin, daß eben keine Stipendien für Lehrlinge bezahlt werden. Ein weiterer Grund sind die hohen Insolvenzraten. Selbstverständlich ist eine Imageverbesserung notwendig, aber es genügt natürlich nicht, daß man nur auf Plakaten für "Karriere mit Lehre" wirbt – und es damit bewenden läßt. So einfach darf man es sich nicht machen! Es wird vielmehr eine Aufstockung der finanziellen Mittel notwendig sein, um den Lehrstellenmarkt neu zu beleben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Lehrling in Österreich darf nicht zu einem Jugendlichen zweiter Klasse degradiert und gegenüber Schülern und Studenten eindeutig benachteiligt werden. Zum Erreichen dieser Ziele ist es aber notwendig, die dafür bereitstehenden Mittel zu erhöhen. Die Mittel für die Lehrlingsausbildung müssen aufgestockt werden. Derzeit ist ein Lehrling der öffentlichen Hand 6 000 S wert, während ein AHS-Schüler die öffentlichen Hand 60 000 S im Jahr kostet. Daher muß es wirklich zu einer Unterstützung, ja zu einer Begünstigung von Lehrlingen kommen!

Ebenso verhält es sich mit der kostenlosen Unterbringung in Lehrlingsheimen. Auch da gibt es große Unterschiede. Ist ein Lehrling in einem Industriebetrieb beschäftigt, dann ist dieses Lehrlingsheim vom Dienstgeber zu bezahlen, sonst muß er die Unterbringung selbst bezahlen. Diesbezüglich muß es wirklich gleiche Richtlinien geben!

Wenn ich jetzt in dieser Regierungsvorlage sehe, daß diese eine Senkung des Jugendschutzes auf die Vollendung des 18. Lebensjahres enthält, so kann ich dem natürlich zustimmen. Das ist ein Weg in die richtige Richtung, ebenso wie die Regelung betreffend das Einarbeiten in Verbindung mit Feiertagen, die an jene der Erwachsenen angeglichen wird, sinnvoll ist. Das kann ich nur begrüßen. Ich halte es auch für sinnvoll, daß ein Bäckerlehrling im Sinne seiner Berufsausbildung nunmehr nach Vollendung des 15. Lebensjahres ab 4 Uhr früh im Betrieb beschäftigt werden darf, keine Frage. Es gibt einige sinnvolle Punkte in dieser Vorlage. (Abg. Koppler: Na siehst du!) Aber es sind halt relativ wenige, und diese Regelungen kommen viel zu spät, man hätte schon viel früher reagieren können, Kollege Koppler! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Gaugg: Sie kommen viel zu spät!) Richtig: Sie kommen viel zu spät!

Ich halte auch den gänzlichen Entfall der Krankenversicherungsbeiträge in den ersten drei Jahren für den Dienstgeber und den Entfall der Krankenversicherungsbeiträge für die ersten zwei Lehrjahre für den Lehrling für sinnvoll. Diese Regelung führt uns klar vor Augen, wie "weitblickend" die Bundesregierung stets an die Lehrlingsfrage heranging beziehungsweise herangeht! Erst im Herbst vorigen Jahres wurde beschlossen, daß es eine Verringerung der Krankenversicherungsbeiträge in diesem Bereich geben soll. – Jetzt ist nicht einmal ein halbes Jahr vergangen, und man ändert das schon wieder!

Ich verstehe nicht ganz, Frau Bundesminister, warum jetzt eigentlich der Dienstgeber von Angestellten die Differenz aufbringen und 0,1 Prozent Krankenversicherungsbeiträge im Rahmen des Dienstgeberbeitrags mehr bezahlen muß. Meiner Meinung nach müßte das die öffentliche Hand tun! Ebenso wie die öffentliche Hand bei den Schülern und den Studenten mehr eingreift, müßte sie dies auch bei Lehrlingen tun – und nicht den Dienstgeber dazu verurteilen, der Angestellte beschäftigt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt zu meinem Antrag, der miterledigt werden soll, denn bei der Beschäftigung von Jugendlichen treten ja auch noch andere Probleme auf. Wenn sich zum Beispiel durch die Umstellung der Zeitzählung auf Sommerzeit der Bedarf nach Arbeitsleistung zeitlich verschiebt, man sich aber derzeit gesetzlich nach der astronomischen Zeit richtet, so ist es meiner Meinung nach sinnvoll, daß das geändert wird, denn die Nachtruhe bleibt gleich und die Arbeitszeit bleibt gleich und verändert sich dadurch nicht. Wenn jemand aber in der Früh eine Stunde später mit seiner Arbeit oder mit seiner Ausbildung in einem Gastronomiebetrieb beginnen kann, dann kann er auch eine Stunde später aufhören. Das ist sinnvoll. Dieser Antrag ist schon ein paarmal abgelehnt und vertagt worden. Stimmen Sie doch endlich zu! Denn in einer Zeit, in der die Arbeitszeit immer flexibler wird, wäre das sicherlich sinnvoll!


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Ich bringe jetzt den entsprechenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dolinschek, Rossmann, Haigermoser, Mag. Haupt und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (697 d. B.) in der Fassung des Ausschußberichtes (723 d. B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 wird nach Ziffer 9 folgende Ziffer 9a eingefügt:

"9a. § 17 wird folgender Absatz 8 angefügt:

,(8) Während der Sommerzeit gemäß dem Zeitzählungsgesetz, BGBl. Nr. 78/1976, kann die Nachtruhe jeweils um eine Stunde später beginnen und enden, wenn dem Arbeitgeber die schriftliche Zustimmung des betroffenen Jugendlichen, seiner Eltern oder Erziehungsberechtigten und des Betriebsrates (wenn vorhanden) vorliegen.‘"

2. In Artikel 1 Ziffer 14 wird in § 34 Abs. 5 der Ausdruck "§ 17 Abs. 3a bis 7" durch "§ 17 Abs. 3a bis 8" ersetzt.

*****

Der Schutz der Jugendlichen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der durch § 17 Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz gewährleistet werden soll, wird dadurch in keiner Weise tangiert, weil sich die Belastung für die betroffenen Personen nicht vergrößert, derzeit aber die Sommerzeit dadurch ignoriert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

20.48

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte grundsätzlich zum System der dualen Berufsausbildung sagen, daß ich glaube, daß es in unserem Land diesbezüglich einen Grundkonsens gibt. Wir können sehr stolz darauf sein, daß wir dieses Ausbildungssystem haben, denn wir sind dadurch in der Lage, hohe Fachqualität in den Arbeitsleistungen zu erbringen, sodaß unsere Facharbeiter einen international anerkannten Stellenwert haben. In Anbetracht dessen ist es wichtig, sich für die Weiterentwicklung dieses dualen Berufsausbildungssystems einzusetzen.

Wenn man sich zu diesem System bekennt – und es bekennen sich auch die Spitzenvertreter der Wirtschaft zu diesem Ausbildungssystem! –, dann ist es auch legitim, von der Wirtschaft vor allem auch zu verlangen, daß sie sich in erster Linie um den eigenen Nachwuchs kümmert, da sie selbstverständlich ein Interesse daran hat, diese Qualität für die Zukunft aufrechterhalten zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich betrachte es als Mitverantwortung der Bundesregierung und der Politik, entsprechende flankierende Maßnahmen zu setzen. Ich verweise nur darauf, daß im Rahmen des Arbeitsmarktservice 20 Prozent des Förderbudgets für Unterstützung der Lehrlingsausbildung, für Qualifizierungsmaßnahmen, für finanzielle Unterstützung der Unternehmungen aufgewendet


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werden. Das ist ein Betrag von 1,4 Milliarden Schilling. Das ist meiner Überzeugung nach ein Beweis dafür, daß auch seitens der Politik unterstützend gehandelt wird. Aber die Primärverantwortung liegt bei jenen Unternehmungen, auch im Bereich der öffentlichen Hand, die die Ausbildung selbst vornehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Da wir heute das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz diskutieren: Dieses ist als Teil eines Gesamtgesetzespaket zu sehen, das morgen dann vervollständigt wird. Ich glaube daher, daß es wichtig ist, ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu dem jetzt diskutierten Gesetz zu machen.

Ich erachte es als sinnvoll, gesetzliche Bestimmungen, Schutzbestimmungen in gewissen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob sie zeitgemäß sind, ob sie der Praxis entsprechen und ob sie sinnvoll angewendet werden. Trotzdem muß gerade bei der Jugend der Schutzgedanke immer im Vordergrund stehen. Ich glaube, daß bei jenen Änderungen, die heute zur Diskussion beziehungsweise zur Beschlußfassung stehen, genau die entsprechende Balance gefunden wurde. Wir haben einerseits Anpassungen an die Vorschriften der EU-Richtlinie vorgenommen, andererseits aber auch ganz gezielte Maßnahmen im Hinblick auf unsere Bestimmungen im Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz vorgeschlagen.

Ich möchte einige Beispiele kurz erwähnen: Es erfolgte in vielen Bestimmungen letztlich eine Anpassung an die Arbeitszeit der Erwachsenen, so zum Beispiel Pausenregelungen betreffend. Es läßt sich in der Praxis wirklich nicht sinnvoll umsetzen, daß Arbeiter und Angestellte ganz andere Pausenregelungen haben als Lehrlinge. Das betrifft auch das Einarbeiten von Feiertagen, weil es wirklich nicht der Praxis entspricht, daß von der einen Gruppe der unselbständig Erwerbstätigen eingearbeitet wird, während für die in Ausbildung Stehenden die entsprechende Regelung nicht gilt. – Ich könnte dazu noch weitere Beispiele erwähnen.

Ich glaube daher, daß wir mit dieser Überarbeitung des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes wieder einen Schritt in Richtung Angleichung an die Praxis gegangen sind und somit ein modernes Schutzgesetz gefunden haben, mit welchem zusätzliche Erleichterungen in der Praxis geschaffen werden, und zwar für beide Teile: sowohl für die Jugendlichen als auch für die Lehrherren oder Ausbildner.

Ich möchte noch auf einen zweiten Punkt verweisen, der jetzt von Ihnen diskutiert und hoffentlich auch beschlossen wird. Ich meine jene Maßnahme, daß Unternehmungen, die Lehrlinge ausbilden, auch finanziell unterstützt werden. Es soll aber die Gemeinschaft der Unternehmer dafür Sorge zu tragen haben, daß ein gewisser Interessenausgleich innerhalb der Wirtschaft gefunden wird. Denn es verhält sich in der Praxis vielfach so, daß sehr viele Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, dann aber gut ausgebildete Facharbeiter quasi auf Kosten eines anderen Unternehmens für sich in ein Arbeitsverhältnis aufnehmen, letztlich von der großen Zahl von Unternehmungen profitieren, die Lehrlinge ausbilden. Ich glaube, daß es daher ein richtiger Schritt war, zu einem politischen Konsens zu kommen, daß durch die Anhebung der Krankenversicherungsbeitrages um 0,1 Prozent auf Arbeitgeberseite für die Angestellten jene Mittel aufgebracht werden, die dazu herangezogen werden können, daß jene Unternehmungen, die Lehrlinge im ersten, zweiten und dritten Lehrjahr ausbilden, für diese keinen Krankenversicherungsbeitrag leisten müssen. Ich denke, daß mit diesem Ansatz, mit den Jugendschutzbestimmungen und mit dem, was Sie morgen im Bereich der Berufsausbildung diskutierten werden, ein Paket geschnürt wird, mit welchem wir tatsächlich eine deutliche Verbesserung der Lehrlingssituation im Herbst erreichen können. Das Gesetz soll mit 1. Juli 1997 in Kraft treten.

Ich möchte noch zwei Bemerkungen zu dieser Debatte machen. Vom Herrn Abgeordneten Dolinschek wurde die Frage der Berufsbilder angesprochen. Ich glaube, daß morgen Gelegenheit dazu sein wird, darüber zu debattieren, inwiefern wir bei der Überarbeitung des Berufsausbildungsgesetzes und auch im Hinblick auf neue Berufsbilder im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung neue Akzente setzen. Denn es wurde kritisiert, daß neue Berufsbilder noch nicht Eingang ins Gesetz gefunden haben. Ich hoffe, daß auch diese Überlegungen der Bundesregierung die Zustimmung des Hohen Hauses finden werden.


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Herr Abgeordneter Peter ist im Moment nicht im Saal. Ich möchte ihm trotzdem einen kurzen Hinweis geben, weil er auch die freien Berufe und die Anlehre angesprochen hat. (Abg. Hans Helmut Moser: Ich werde ihm davon berichten!) – Bitte! – Ich sehe in der Anlehre kein auch nur annähernd gleichwertiges Äquivalent für eine Berufsausbildung. (Beifall bei der SPÖ.) Dennoch glaube ich, daß es wichtig ist, auch die Berufsgruppe der freien Berufe dafür zu gewinnen, mehr Lehrlinge auszubilden. Wir schlagen daher Vorgehensweisen für die freien Berufe vor, damit auch diese sich verstärkt als Ausbildner für Lehrlinge zur Verfügung stellen.

Etwas ist dabei allerdings ganz wichtig: Es muß, wenn freie Berufe Lehrlinge ausbilden, sichergestellt sein, daß jene Qualitätsstandards erreicht werden, die im dualen Berufsausbildungssystem als Ziel formuliert sind. Ich bin zuversichtlich, daß es in der morgigen Debatte gelingen wird, auch für diese Berufsgruppe entsprechende Bestimmungen zu schaffen, sodaß es möglich sein wird, ein weiteres Spektrum an Lehrstellenangeboten zu erhalten.

Im übrigen bedanke ich mich für die Diskussion und hoffe, daß wir jetzt eine deutliche Besserung für die Zukunft unserer Jugend erreichen werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Dr. Trinkl vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.55

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stellen tatsächlich eine sinkende Ausbildungsbereitschaft unserer Betriebe fest. Diese sinkende Ausbildungsbereitschaft bereitet auch der Koalition große Sorgen. Deshalb sind wir, als diese Koalition geschlossen wurde, gleich darangegangen, ein umfassendes Lehrlingspaket zu schnüren.

Die Gründe dafür, daß die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe sinkt, sind vielfältig. Frau Kollegin Silhavy! Ich gebe zu: Jeder kann nach seiner Fasson glücklich werden. Uns nennen jene Betriebe, die letztendlich Lehrstellen anbieten, die Kostensituation, die Vorschriften, die sie behindern, und klagen natürlich auch über das Mißverhältnis zwischen Anwesenheit im Betrieb und Anwesenheit in der Berufsschule. Wenn mit Recht gesagt wird, daß das Arbeitsmarktservice sehr viel an Geld aufwendet, um zusätzliche Lehrplätze zu fördern, dann sei aber auch der Hinweis gestattet, daß natürlich, würde man 1 Milliarde Schilling zusätzlich aufwenden, in vielen Ausbildungsbetrieben auch Bewegung entstehen könnte. (Abg. Dr. Lukesch: Eine stärkere Bewegung!) Ich bin sogar sicher, daß sie entstehen würde. Wir wissen aus der Praxis wahrscheinlich beide, daß beide Zugänge zum Erfolg führen. Aber natürlich ist jeder davon überzeugt, daß sein Ansatz der bessere ist, so auch ich. (Beifall bei der ÖVP.)

Will man dieses Problem lösen, dann muß man auf die Wünsche und auch auf die Argumente der Betriebe eingehen und die Rahmenbedingungen so gestalten, daß die Betriebe wieder gewillt sind, Lehrlinge einzustellen.

Herr Abgeordneter Öllinger ist jetzt, leider Gottes, gegangen. Ich hoffe, daß man in keinem einzigen Lehrbetriebe seine Ausführungen darüber gehört hat, wie nach seinen Vorstellungen die Lehrlingsausbildung in ganz Österreich funktionieren soll. Das würde nämlich diesem Anliegen bei Gott nicht förderlich sein. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum?) – Wir hätten uns gefreut, wenn die Freiheitlichen im Ausschuß gewesen wären und dort ihre Vorstellungen präsentiert hätten. Aber ihr habt sozusagen Sonderurlaub genommen, und heute kommt ihr mit langen Abänderungsanträge daher! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaugg: Ihr seid schon zehn Jahre in der Koalition! Ihr habt also zehn Jahre Zeit gehabt, habt aber nichts getan!) Lassen wir diese Diskussion! Ihr seid heute braungebrannt zurückgekommen. Ich bin euch aber nicht neidig! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir bekennen uns zur vorliegenden Novelle des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes. Die Frau Ministerin hat schon die positiven Ansätze erläutert; ich kann mir das also ersparen. Ich möchte nur etwas noch erwähnen: Frau Ministerin! Kritik ist in der Vergangenheit


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vor allem aufgrund der berühmten Verordnung zum Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz laut geworden, mit der die verbotenen Arbeiten geregelt werden. Es handelte sich hiebei um strenge und überholte Verbote, daß wissen wir alle. Ich meine, daß die neue Verordnung die gewaltige Chance bietet, ein Signal für die Betriebe zu setzen, daß diese wieder eher bereit sind, Lehrlinge einzustellen.

Ich möchte daher ein gemeinsames Anliegen der steirischen Sozialpartner, das die Arbeiterkammer, der Gewerkschaftsbund und die Wirtschaftskammer Steiermark formuliert haben, massiv unterstützen: Vom bisherigen Weg ist abzugehen! Statt vieler kasuistischer, strenger Vorschriften wurde ein gemeinsamer Grundsatz formuliert, der da lautet: Der Lehrling soll von jeder Gefahrenquelle ferngehalten und aufgeklärt werden, wo Gefahren entstehen können.

Frau Ministerin! Kollege Hums und ich haben uns geeinigt, den Begriff "Evaluierung" nicht mehr in den Mund nehmen. Wenn das Arbeitnehmerschutzgesetz und dieser Begriff einen Sinn haben sollen, müßte man die Gefahren am Lehrplatz wirklich feststellen. Man sollte einen Nachweis der diesbezüglichen Unterweisung der Lehrlinge verlangen. Wenn der Lehrling unterwiesen ist, dann ist die Gefahr gebannt. Man sollte aber nicht wieder in kasuistische Verordnungspunkte abschweifen!

Wir haben noch drei Wochen Zeit: Ich bitte wirklich, diesen Vorschlag, der von den Sozialpartnern gemeinsam erarbeitet wurde, aufzunehmen! (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt bereits einen hoffnungsvollen Ansatz in der heute vorliegenden Novelle, und zwar in § 8 Abs. 3 lit. d des Entwurfes, den Sie versendet haben. Das ist schon ein kleiner Ansatz; vielleicht könnte man diesen auf die gesamte Problematik ausweiten.

Ich hoffe daher, daß diese Verordnung uns einen gewaltigen Schritt weiterbringt und einen gewaltigen Fortschritt für uns alle gemeinsam bedeutet. Es sollte uns nämlich nicht egal sein, ob die Jugendlichen Arbeits- und Lehrplätze bekommen. Unter diesem Gesichtspunkt werden wir dem Problem Jugendarbeitslosigkeit, besser: der Jugendbeschäftigung weiterhin unsere ganze Aufmerksamkeit zu widmen haben – und wir werden das auch tun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Sie hat das Wort. (Abg. Mag. Barmüller: Maria! Nimm dir die Zeit, die du brauchst)

21.01

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! In dieser Diskussion wurde bisher schon sehr viel von "Reformpaket", von "Maßnahmenpaket" gesprochen. Alle hier angekündigten Maßnahmen sollten dazu beitragen, die jetzt meiner Meinung nach wirklich bedrohliche und sehr kritische Situation, die mit dem Eintreten der heurigen Schulabschließenden in den Arbeitsmarkt auftreten wird, zu entschärfen. Ich glaube, daß diese Situation wirklich recht kritisch werden wird.

Kollegin Ridi Steibl hat gesagt: Wir setzen doch Maßnahmen! – Ich habe eher das Gefühl, daß wir jetzt in der jetzigen Situation, deren Entwicklung schon seit Jahren deutlich ablesbar war, in einer Art Krisenmanagement noch rasch zu retten versuchen, was zu retten ist. Und ich habe die große Befürchtung, daß diese gesetzten Maßnahmen nicht so greifen werden, wie Sie sich das vorstellen.

Wenn von der SPÖ verlangt wird, daß die Wirtschaft sich doch mehr einbringen und sich entgegenkommender zeigen möge, und wenn Kollege Öllinger beklagt, daß die Wirtschaft die Ausbildungskosten eigentlich nur auslagert beziehungsweise in vermehrtem Maße auszulagern versucht, dann möchte ich von seiten der Wirtschaft sagen, daß diese viele Jahre hindurch die Verantwortung für 50 Prozent der jungen Menschen übernommen hat. Jetzt hat sich dieser Anteil auf 40 Prozent reduziert. Die Wirtschaft ist aber gerne bereit, diese Ausbildung weiterhin


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zu übernehmen, wenn man ihr die entsprechenden Rahmenbedingungen gibt. Gleichzeitig sollte es auch gelingen, dieses Ausbildungssystem nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für junge und leistungsfähige Menschen wieder attraktiver zu machen, sodaß wir mehr motivierte, engagierte junge Menschen in dieses System bekommen und diese jungen Menschen nicht alle ins berufsbildende Schulsystem abwandern, wobei viele dann zu den Abbrechern und zu den unzähligen Repetenten gehören. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir haben heute schon ausführlich über die Schule diskutiert und darüber gesprochen, wie erfolgreich unsere Volksschule im internationalen Vergleich ist. Es gibt aber natürlich auch andere Untersuchungen, und gerade von wirtschaftlicher Seite kommen immer wieder Reklamationen und das Argument, daß einer der wesentlichen Gründe für die Einstellung der Ausbildung in den Betrieben der Mangel an qualifizierten Bewerbern ist.

Ich habe große Sorge, ob die finanzielle Unterstützung durch das Arbeitsmarktservice und die verschiedenen Landesregierungen ausreichen wird. Ich darf Ihnen sagen: In Tirol haben 260 junge Schulabgänger des vergangenen Jahres trotz massiver finanzieller Unterstützung durch AMS und Amt der Tiroler Landesregierung noch keinen Ausbildungsplatz, und wir erwarten jetzt 3 700 weitere Schulabgänger. Die Situation wird sich daher drastisch verschärfen. Was wir also wirklich brauchen, ist eine echte Reform, sonst wird sich diese Schere immer weiter auseinander bewegen.

Ich möchte zwei konkrete Zahlen aus Tirol nennen: Die Bereitschaft der Betriebe, auszubilden, ist um 47 Prozent gesunken, während sich jetzt um 18 Prozent mehr Lehrstellensuchende auf dem Markt befinden. Auf der anderen Seite gibt es überfüllte BHS und Abbrecher- und Repetentenquoten, was Milliarden kostet. Und weil wir gerade über die Qualität der österreichischen Schule gesprochen haben: 20 Prozent der 20- bis 25jährigen haben überhaupt keine Ausbildung, die über den Pflichtschulabschluß hinausgeht, und diese sind – das beweisen die Statistiken – am meisten von Arbeitslosigkeit bedroht.

Sie haben ein Reformpaket angekündigt. Ich möchte nicht ungerecht sein, muß aber dazu sagen: Übriggeblieben ist quasi eine sozialpartnerschaftliche Nullösung. Es gibt einzelne kleine Schrittchen, die aber den großen Umschwung – wie ich befürchte – nicht herbeiführen werden, weil sie die Attraktivität dieser Ausbildung nicht in dem Maße verbessern werden, wie es in letzter Konsequenz auch von der Wirtschaft gewünscht wurde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir werden morgen noch Zeit haben, über das Berufsausbildungsgesetz und über die Berufsreifeprüfung zu diskutieren. Letztere wird ebenfalls nicht der Zielsetzung gerecht, die Ausbildung attraktiver zu machen, und zwar deshalb, weil es keine Begleitbedingungen dafür gibt. (Abg. Schuster: Sie waren nicht im Ausschuß!) Der Beamtenentwurf, der zum § 46 vorliegt, sieht eine Differenzierung nach Möglichkeit und vielleicht Freigegenstände vor. – Das gibt es jetzt schon, und das konnte auch jetzt schon nicht eingesetzt werden.

Wir geben zu: Es ist ein positiver Schritt, daß im Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz nun das Enden des Jugendschutzes für Lehrlinge mit 18 Jahren festgesetzt und diese in diesem Punkt den anderen Jugendlichen gleichgestellt sind. Es ist positiv, daß es Flexibilisierungen und Anpassungen an die EU-Richtlinie gibt. All das wird aber nicht wirklich dazu beitragen, einen der Hauptgründe für den Rückgang der Beschäftigung von Lehrlingen, den die Wirtschaft nennt, zu beseitigen, nämlich die Kosten dieser Lehrlingsausbildung. Denn wenn Sie zwar eine Entlastung bei den Krankenversicherungsbeiträgen der Lehrlinge vornehmen, dann aber im Bereich der Angestellten die Versicherungsbeiträge anheben, so ist das lediglich eine Umschichtung. Das erhöht die Lohnnebenkosten und wird in letzter Konsequenz die Attraktivität dieses Systems für die Unternehmungen nicht erhöhen. Darüber hinaus berücksichtigen Sie in keiner Weise, daß es durchaus auch Betriebe mit einem hohen Angestelltenanteil gibt, die weder Lehrlinge ausbilden können noch dürfen, aber dennoch diese erhöhten Lohnnebenkosten zu tragen haben.

Zum Entschließungsantrag des Kollegen Öllinger – ich bin immer noch entsetzt über deine Aussagen! – hat Kollege Peter schon Stellung genommen. Die Begründung ist an sich


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widersprüchlich. (Abg. Öllinger: Überhaupt nicht!) Die Behauptung, Ausbildung sei ein Geschäft für den Unternehmer, und die dann folgende Annahme, daß er aus Jux und Tollerei die Ausbildung einstellt, passen überhaupt nicht zusammen!

Wir werden in Zukunft zwei große Probleme haben: Wir werden nicht nur gegen die Jugendarbeitslosigkeit ankämpfen müssen. Wir werden nicht nur mit diesem Problem und all den Folgekosten konfrontiert sein, sondern wir werden vor allem auch einen Mangel an qualifizierten Facharbeitern und Facharbeiterinnen haben, und das wird sich sehr negativ auf unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit auswirken.

Die Bemühungen, die Attraktivität dieser Berufsausbildung über die Berufsreifeprüfung zu steigern, ist, wie ich meine, mißlungen. Ich habe schon gesagt, daß in diesem Zusammenhang alle Begleitmaßnahmen fehlen und von seiten der Wirtschaft die notwendige Flexibilität für eine Ausweitung der Berufsschulzeit aus Kostengründen nicht aufgebracht werden kann. Daraus resultiert in letzter Konsequenz auch unsere Forderung, die betriebliche und schulische Ausbildung sozial- und lohnrechtlich zu entkoppeln, weil wir nur so unter Mitwirkung einer reformierten Berufsschule auch höhere Bildungsabschlüsse anbieten werden können. Und diese sind notwendig, denn nur durch höhere Bildungsabschlüsse werden engagierte und leistungsfähige junge Menschen motiviert, in dieses duale Bildungssystem einzusteigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie das duale Ausbildungssystem attraktiv machen wollen, dann werden weder Slogans noch Kostenumschichtungen, noch kleine Korrekturen zielführend sein, sondern dann werden Sie für Lehrlinge und für Unternehmungen echte Reformen starten müssen. Dieses Maßnahmenpaket wird jedoch meiner Meinung nach diesen Anforderungen bei weitem noch nicht gerecht! (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Krammer. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

21.10

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Das Lehrlingspaket ist eine absolut zu begrüßende Maßnahme der Bundesregierung, zumal die Erkenntnis ernüchternd bis erschreckend ist, daß sich die Wirtschaft eigentlich von der Ausbildung – ich kann das nur wiederholen, was die Frau Ministerin gesagt hat – des eigenen Nachwuchses peu à peu verabschiedet hat.

Wenn man Ridi Steibl zuhört, so gewinnt man den Eindruck, es gibt keine Gewerkschaft, keinen Verzetnitsch, keinen Nürnberger, keinen Hums und keine Hostasch. Alles hat die ÖVP gemacht. Da kann ich nur sagen – richten Sie es ihr bitte aus –: Ridi, nimm die Scheuklappen ab! So ist es nicht, wie sie das gesagt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Ridi, nimm die Scheuklappen ab! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Was heißt denn das? Das sagt man nur bei Pferden, daß sie die Scheuklappen abnehmen müssen! – Abg. Aumayr: Charmant! – Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Umgang miteinander!)

Was im Hinblick auf dieses Lehrlingspaket zu tun bleibt, ist, die jungen Menschen dazu anzuhalten, die Angebote, die mit diesem Paket geschaffen worden sind, tatsächlich anzunehmen und nicht in traditionellen Lehrberufen verhaftet zu bleiben und zu resignieren, wenn es die nicht gibt. Sie sollen – man muß ihnen das sagen – mit beiden Händen die Chancen, die dieses Lehrlingspaket bietet, tatsächlich auch annehmen.

Allerdings bleibt eine Frage offen, die man sich genauer ansehen muß und für die man eine Lösung anbieten muß. Ich glaube, daß ich die Lösung anbieten kann; das heißt, ich habe es ja eigentlich schon gemacht. Wir haben Jugendliche, denen wir Lehrstellen anbieten wollen, wir sagen, die Jugendlichen sollen in die Schulen gehen, aber es wird eine große Anzahl von Jugendlichen übrigbleiben, die keine Lehrstellen findet. Es wird ein großer Rest übrigbleiben. (Abg. Dolinschek: Werden Sie sie in die Arbeitsstiftungen stecken, damit die Arbeitslosenzahlen nicht so hoch sind?) Langsam!


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Diese Kinder sollen in die Schulen gehen, das ist richtig, aber man kann Kinder, die von Haus aus nicht beabsichtigt haben, in eine Schule zu gehen, sehr schwer dazu überreden. Wenn dann einige von ihnen womöglich dazu überredet wurden, in eine bestimmte Schule zu gehen, ist es für die Lehrer schwierig, mit diesen Kindern zu arbeiten, weil sie nicht bereit sind, Leistungen zu erbringen und – ich sage es in Klammern – vielleicht auch gar nicht in der Lage sind, die gewünschten Leistungen zu erreichen.

Daher sollte man diese Jugendlichen nicht in eine reguläre Gruppe, in eine reguläre Klasse setzen, denn sonst gibt es zwei Typen von Schülern in dieser einen Gruppe, in dieser einen Klasse, nämlich diejenigen, die von Haus aus die Absicht hatten, diese Schule zu besuchen, und die anderen, die man eben, weil sie keinen Lehrplatz gefunden haben, in diese Schule –meistens wird das eine Handelsschule sein (Abg. Gaugg: Wer wird sie unterrichten? Wer wird diese Schüler unterrichten?) ; warten Sie ein bißchen, ich bin noch nicht fertig – aufnimmt. Noch dazu wären ja, wenn man dieses Modell verfolgte, weil es größere Gruppen und größere Klassen sind, mehr Lehrer notwendig. Für diese haben wir ja bekanntlich kein Geld.

Deshalb bietet sich für das Projekt "vorübergehende Ausbildung der Jugendlichen an weiterführenden Schulen" folgendes an – das habe ich bereits vorgeschlagen, und ich habe diesbezüglich schon mit dem AMS gesprochen –: Es soll ein Angebot für die Kinder an den Schulen geben, aber am Nachmittag, denn die meisten Schulgebäude stehen am Nachmittag leer. (Abg. Gaugg: Wer wird sie unterrichten? Wer trägt die Kosten für 5 600 Jugendliche? – Abg. Aumayr: Die Schulkinder sollen am Nachmittag lernen!) Also kann man die Kinder am Nachmittag in die Schule holen, eine für sie zugeschnittene Ausbildung anbieten und sie in Fertigkeiten ausbilden, die ihnen nachweislich fehlen.

Ich habe mit meinen Lehrern an meiner Schule schon ein Modell ausgearbeitet. Die Lehrer sind auch bereit – es sind ja nicht alle gefordert, sondern nur gewisse Fächer –, am Nachmittag in die Schule zu gehen und mit diesen Kindern das Wissensdefizit aufzuholen. (Abg. Gaugg: Gratis oder wie? – Abg. Mag. Stadler: Nein, das macht der Schuldirektor, dem sie den Schreibtisch weggenommen hat!)

Das ist ein vernünftiges Modell, von dem ich überzeugt bin, daß es richtig ist. Ich hoffe, daß es uns gelingt, es in die Realität umzusetzen. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Das halt’ ich nicht aus! Das ist ja abenteuerlich!)

21.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edeltraud Gatterer. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin, nehmen Sie die Scheuklappen ab! – Abg. Gatterer: Das bin nicht ich! – Abg. Mag. Stadler: Die Frau Kutscherin hat das gesagt!)

21.13

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich glaube, das Thema wurde schon sehr eingehend diskutiert. Wir befassen uns heute nur mit einem Teilbereich des ganzen Lehrlingspakets der Regierung und all der Projekte, die wir vorhaben.

Einige zielführende Maßnahmen haben schon dazu geführt, daß wir laut Bericht zur Arbeitsmarktlage Ende Mai 1997 bereits dieses Jahr um 994 Beschäftigte im Alter von 19 bis 25 Jahren mehr haben. Ich meine, das ist ein erster, wenn auch kleiner Erfolg. (Beifall des Abg. Dr. Feurstein. – Abg. Gaugg: Das darf nicht wahr sein! Was bringen Sie denn da für Ziffern? Wir reden von den Lehrlingen!)

Schauen Sie, Sie lesen diese Berichte wahrscheinlich selten. (Abg. Dr. Feurstein: Er kennt sie gar nicht! – Abg. Gaugg: Sie reden wie der Blinde von der Farbe! – Abg. Mag. Stadler: Nein, sie redet mit Scheuklappen! Das hat die Frau Krammer gesagt!) Wenn Sie heute von den Lehrlingen reden, dann muß ich sagen, Sie haben sich die Regierungsvorlage auch nicht genau angeschaut, denn ich habe Ihnen zugehört und festgestellt, daß Sie sich nur sehr am Rande oder fast gar nicht mit der Vorlage befaßt haben (Beifall des Abg. Koppler – Abg. Gaugg: Geh! Geh!) , sondern Sie haben mehr oder weniger über alle Felder gegrast und überall eine


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vermeintliche Blume der FPÖ gepflückt, die aber wirklich nicht Sie erfunden haben, sondern das alles war im Grunde schon lange Inhalt von Vorgesprächen der Regierung (Abg. Gaugg: Es gibt Ziffern, wie viele Lehrlinge einen Lehrplatz suchen!) , und Sie haben sich da einiges herausgesucht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich weiß, daß es für Eltern und für betroffene Jugendliche sicher das Schlimmste ist, wenn sie eine Arbeit suchen, wenn sie einen Lehrplatz suchen und wirklich unzählige Betriebe anschreiben, aber trotzdem keinen Lehrplatz bekommen. Das ist das Schlimmste, was einem Jugendlichen passieren kann. (Abg. Gaugg: Eben weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen! Weil ihr die Wirtschaft ruiniert habt! Ihr habt sie verschlafen!)

Wenn zum Beispiel Sie oder Kollege Dolinschek sagt, es müßte sich in den Rahmenbedingungen etwas ändern (Abg. Gaugg: Das habt ihr verschlafen!) , dann frage ich: Was ist denn damit, daß sich jetzt mit dieser Vorlage die Rahmenbedingungen geändert haben? (Abg. Dolinschek: Das hätte viel früher sein müssen!) So werden zum Beispiel Lehrlinge ab dem 18. Lebensjahr in Zukunft generell nicht mehr dem Jugendbeschäftigungsgesetz unterliegen, sondern sie werden wie alle anderen Arbeitnehmer behandelt werden. Was ist daran falsch? Sie kritisieren auch das. (Abg. Gaugg: Das WIFI wird Lehrlinge ausbilden!)

Wenn Sie zum Beispiel im Ausschuß gewesen wären (Abg. Dolinschek: Wir haben im Ausschuß noch nie einen Beistrich verändern können!) , wüßten Sie, daß ich schon einmal darüber geredet habe, daß ich dafür wäre, daß wir uns bei Tourismuslehrlingen durchaus überlegen sollten, daß sie im Sommer während der Sommerzeit bis 23 Uhr arbeiten können. Aber es gibt in vielen Fraktionen Scheuklappen (Abg. Mag. Stadler: Ja! – Abg. Ing. Reichhold: Ja, bei der ÖVP vor allem!) , und das ist zum Beispiel an den Scheuklappen des ÖGB gescheitert. Ich muß das an dieser Stelle sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Darum hat die Frau Krammer gesagt: Die Scheuklappen herunter! – Abg. Ing. Reichhold: Überlegen mußt du auch, wie Lehrlinge, die bis 23 Uhr beschäftigt werden, bezahlt werden!)

Wenn wir über Bezüge und leistungsgerechte Entlohnung reden, dann frage ich, welchem Lehrlingsfonds ihr zum Beispiel die Gelder zur Verfügung stellt, da ihr jetzt immer die Sitzungen boykottiert habt? Aber das werden wir noch ausdiskutieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: "Die Scheuklappen runter!" hat die Frau Krammer gesagt!)

Ich meine, der Entfall der Krankenversicherungsbeiträge für Lehrlinge ist etwas ganz Wichtiges: Das nützt den Rahmenbedingungen der Unternehmer, die von der Kostenseite her entlastet werden, aber vor allem nützt das auch den Lehrlingen. Wir haben auch die Variante diskutiert, daß die Lehrlinge, solange sie in der Lehre sind, bei den Eltern mitversichert sein sollen. Die jetzt gefundene Lösung ist viel positiver für die Lehrlinge, weil sie natürlich einen Schutz haben, wenn sie in Krankenstand gehen. (Abg. Gaugg: Alles ist ja nicht schlecht, was Ihre Fraktion macht!) Auch für die Frauen ist das sehr wichtig, weil es immer wieder vorkommt, daß weibliche Lehrlinge schwanger werden, und diese bisher keinen Anspruch auf Karenzurlaub gehabt haben. Ich glaube, das ist eine sehr gute Lösung. Das muß man hier sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Da wir heute über Kinder- und über Jugendarbeit sprechen, wollte ich mich in meiner Wortmeldung an und für sich in erster Linie mit der Kinderarbeit in der Welt auseinandersetzen. (Abg. Dolinschek: Das ist wichtig!) Meiner Ansicht nach ist es nicht legitim, hier in diesem Haus eine Debatte über Kinder- und Jugendarbeit zu führen und nicht anzumerken, daß es weltweit ungefähr zwischen 100 bis 250 Millionen Kinder gibt, die wirklich unter unwürdigsten Bedingungen arbeiten müssen, die auf der Straße, in Fabriken und in der Landwirtschaft arbeiten müssen. (Abg. Gaugg – Beifall spendend –: Bravo! Verhindern wir es gemeinsam!)

Ich glaube, man sollte in einer solchen Debatte diese Umstände zumindest auch erwähnen, weil wir davor die Augen nicht verschließen dürfen; genausowenig wie vor unseren eigenen Problemen in Österreich. Es ist wichtig, daß wir uns auch in fernen Ländern um diese Kinder kümmern und daß wir hier nach Lösungen suchen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Ich bin der Ansicht, der wichtigste Lösungsansatz wäre, Sozialklauseln in Handelsverträgen und Handelsabkommen zu verankern. Denn solange Kinderarbeit international mehr oder weniger überhaupt nicht bemerkt oder bestraft wird, solange mit Hilfe von Kinderarbeit billig produziert wird, solange mit billigen Löhnen bittere Produkte erzeugt werden, so lange wird sich hier nichts ändern.

Ich glaube, hier sind wir gemeinsam gefordert, einiges zu tun. Und da die Beschäftigung für Jugendliche zurzeit das wichtigste Thema ist und auch in der Politik das wichtigste Thema sein sollte, wäre es wirklich zu begrüßen, wenn auch die Oppositionsparteien positiv zu einer Lösung beitrügen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Seidinger. – Bitte. (Abg. Gaugg: Er ist aufgewacht!)

21.21

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! (Abg. Gaugg: Auch schön braungebrannt!) Meine braune Farbe kommt von der Gartenarbeit, Herr Kollege, wenn Sie schon eine lästige Bemerkung so nebenbei herüberrufen. Sie ist nicht darauf zurückzuführen, daß ich in den Ausschußsitzungen der letzten Wochen nicht dabeigewesen wäre. Das unterscheidet uns. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir gehen in Österreich nach wie vor von einem sehr hohen Level und von sehr hohen Standards aus. Frau Kollegin Gatterer vor mir hat gerade auf die Jugend- und die Kinderarbeit in anderen Ländern verwiesen. Bei uns gibt es das nicht, weil wir einfach verwöhnt sind. Wir sind verwöhnt durch unser Umfeld, durch die gesellschaftliche Situation.

Wenn wir nach wie vor im europäischen Vergleich von einer hervorragenden Position bezüglich der Arbeitsmarktes und auch des Jugendarbeitsmarktes ausgehen können, dann mag das sehr schön sein, aber auch wir wissen und müssen zur Kenntnis nehmen, daß manche Jugendliche dennoch keinen Arbeitsplatz finden.

Das liegt zum Teil an regionalen Standortfaktoren, lokalen bildungspolitischen Konzentrationen, mangelnden Ausbildungsperspektiven, geringer Vorbildung oder auch – und das ist, glaube ich, einer der Hauptgründe – am Rückgang des Lehrstellenangebotes. Daher sind nicht allein arbeitsmarktpolitische, sondern auch ausbildungs- und beschäftigungspolitische Strategien notwendig, die über die Reform der Lehrlingsausbildung und den Programmschwerpunkt des AMS hinausgehen.

Wir konnten gestern und heute aus den Berichten der Medien und von den Bundesministern aus der Regierungsklausur positive Töne insofern vernehmen (Abg. Gaugg: Ein guter Raubzug!) , daß es ein Lehrlingspaket gibt, ein Projekt, bei dem man der Jugendbeschäftigung wirklich starken, vermehrten Raum gibt. Es ist vorgesehen, daß Arbeitsteams – eingesetzt bei den Arbeitsämtern, beim AMS, bei den Schulleitern und Mitarbeitern – sich um jeden einzelnen Lehrling zu kümmern haben werden, daß es ein Projektmanagement der Länder zu geben hat, bei dem Gemeinden und andere Gebietskörperschaften Lehrlinge aufnehmen sollen. Es soll Anreize für Freiberufler geben, wonach durch den Wegfall der Ausbilderprüfung auch diese Lehrlinge einstellen können. Manche gehen in ihrer Aussage sogar so weit, zu sagen, daß es bei öffentlichen Auftragsvergaben eine Bevorzugung jener Betriebe geben soll, die Lehrlinge aufnehmen.

Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, dann ist die heute schon erwähnte Schaffung von Lehrlingsstiftungen eine gute Möglichkeit für junge Burschen und Mädchen, die trotz allem keine Lehrstelle finden.

Letztendlich soll das Ganze noch einem Controlling unterzogen werden und durch eine Überprüfung der Wirksamkeit, durch Clearingkomitees der Regierung auf seine tatsächliche Effektivität hin geprüft werden.


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Die Gründe für die Reform des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes liegen in einer angestrebten Steigerung der Anzahl der Jugendlichen in der dualen Ausbildung. Desgleichen ist die Zahl der Ausbildungsbetriebe zu erhöhen. Es geht um das Qualitätsniveau und -potential im Hinblick auf die soziale Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs, aber auch im Hinblick auf die EU. Es geht um eine Sicherstellung der Qualität der Berufsausbildung, es geht um eine Erleichterung des Zugangs für Lehrlinge und auch um eine Erleichterung für Lehrbetriebe. Die Durchlässigkeit zu anderen Bildungssystemen soll erhalten und, wo es notwendig ist, auch verstärkt werden.

Von der Frau Bundesminister wurde heute die Anpassung der Kinder- und Jugendschutzbestimmungen an betriebliche Realitäten erwähnt. Das bedeutet auf der einen Seite eine Hebung der Attraktivität der Ausbildung für den Arbeitgeber bei gleichzeitiger Beibehaltung des Schutzniveaus. Ich denke, daß das eine sehr, sehr wichtige Forderung ist, die auf uns zukommt.

Nicht zu übersehen: Der Geltungsbereich des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes wird nunmehr einheitlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres geregelt, was eine Erleichterung für die Ausbildungsbetriebe darstellt. Ausgenommen hievon sind das Verbot von Akkordarbeit, die Anrechnung der Berufsschulzeit in die Arbeitszeit sowie die Regelung, daß allfällige Überstunden in der Höhe des Facharbeiterlohnes beziehungsweise Angestelltengehaltes abgegolten werden.

Es gibt sicher manche Bestimmungen, die auf den ersten Blick so ausschauen, als ob sie nur den Betrieben Vorteile brächten, ob das die Arbeitszeit im Handel am Samstag bis 17 Uhr betrifft, die auch für Jugendliche gilt, ob das die Möglichkeit der Einarbeitung von Fenstertagen bei flexiblerer Regelung zum Vorteil des Betriebes ist, aber letztendlich auch die Eingliederung der Jugendlichen in den Betriebsablauf.

Ich denke – das wurde heute schon mehrfach erwähnt, sei aber noch einmal gesagt –, die Entlastung der Lehrbetriebe von den Krankenversicherungsbeiträgen für Lehrlinge durch Aufbringung der Mittel innerhalb der Wirtschaft ist zu befürworten. Hier erfolgt eben der Entfall der Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung in den ersten drei Lehrjahren, dafür gibt es eine Erhöhung der Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung der Angestellten um 0,1 Prozent zur Kostenentlastung ausbildender Betriebe. Das ist gleichzeitig ein Beitrag zum Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Betrieben.

Das Inkrafttreten der Reformen zur Lehrlingsausbildung ist mit 1. Juli 1997 vorgesehen, und morgen werden wir über viele Möglichkeiten im schulischen Bereich – Schulorganisationsgesetz und Schulunterrichtsgesetz – weiterdiskutieren, aber auf dem Sektor der Lehrlingsausbildung stellt eben diese Reform, so meine ich, doch einen wesentlichen Schritt dar. Wir sollen ihn alle gemeinsam gehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Trinkl. )

21.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist daher geschlossen.

Von seiten des Berichterstatters liegt kein Wunsch auf ein Schlußwort vor.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Es wird abgestimmt über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 723 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht.

Herr Abgeordneter Mag. Haupt hat ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Weiters haben die Abgeordneten Dolinschek und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Schließlich haben die Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.


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77. Sitzung / Seite 223

Herr Abgeordneter Mag. Peter hat ebenfalls ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ich werde zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung beziehungsweise von den erwähnten Abänderungs- oder Zusatzanträgen betroffenen Teile und dann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen daher zunächst zur Abstimmung über Artikel I Z 1, 4 und 8 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen der Bejahung. – Dies ist mit sehr großer Mehrheit so beschlossen.

Die Abgeordneten Dolinschek und Genossen haben die Einfügung einer neuen Z 9a in Artikel I beantragt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Dolinschek zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Dr. Khol: Eine sehr große Minderheit!)

Weiters haben die Abgeordneten Dolinschek und Genossen einen Abänderungsantrag hinsichtlich Artikel I Z 14 eingebracht.

Auch hier darf ich bitten, daß jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Auch das hat keine Mehrheit gefunden und ist daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Reitsamer und Dr. Feurstein haben einen Abänderungsantrag zu Artikel I Z 14 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Abänderungsantrag ist von der Mehrheit des Hohen Hauses angenommen.

Ich lasse nunmehr über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Artikels I in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Im Falle der Zustimmung darf ich um ein Zeichen ersuchen. – Diese Abstimmung ergibt eine Mehrheit für den Artikel I in der Fassung des Ausschußberichtes, soweit er nicht bereits vorher abgestimmt wurde.

Die Abgeordneten Dr. Kier und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel II § 57a eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Kier zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Damit stimmen wir über Artikel II § 57a in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – § 57a in der Fassung des Ausschußberichtes ist mit Mehrheit angenommen.

Ich lasse über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Artikels II in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, daß diese restlichen Teile des Artikels II in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen sind.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Titel und Eingang des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.


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77. Sitzung / Seite 224

Auch hier bitte ich im Falle der Zustimmung um ein bejahendes Zeichen. – Diese Abstimmung endet mit Mehrheit für Titel und Eingang des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir stimmen nun in dritter Lesung über den vorliegenden Gesetzentwurf ab.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abzustimmen ist schließlich über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaugg und Genossen betreffend umfassende Attraktivierung der Lehre.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag des Abgeordneten Gaugg zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt.

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 458/A der Abgeordneten Franz Hums, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Bahn-Betriebsverfassungsgesetz – BBVG (724 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Ein Vorschlag auf Berichterstattung liegt nicht vor.

Damit gehen wir gleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Meisinger. Die Redezeit ist auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

21.33

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Nach dem Post-Betriebsverfassungsgesetz vor einem Jahr steht nun das Bahn-Betriebsverfassungsgesetz zur Behandlung. Es betrifft die 58 000 noch verbliebenen ÖBB-Bediensteten.

In den letzten eineinhalb Jahren sind in diesem Bereich ungefähr 8 000 Eisenbahner – zum Teil auf eine sehr zweifelhafte und unschöne Art – abgebaut worden. Auf der anderen Seite wird per 1. August 1997 der Vorstand der Österreichischen Bundesbahnen von drei auf fünf Mitglieder großzügig aufgestockt. Das geschieht natürlich nach dem gewohnten parteipolitischen Proporz: drei Rote, zwei Schwarze – wie eben auch schon in der Vergangenheit.

Geschätzte Damen und Herren! Das ist die gewohnte Versorgungspolitik der Regierung für ihre Auslaufmodelle. Zu diesen Auswüchsen gibt es, wie nicht anders zu erwarten, keinen Aufschrei von den sozialistischen Eisenbahnergewerkschaftern und Personalvertretern, nicht einmal zumindest eine kritische Anmerkung, daß das nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Führung des Betriebes sei.

Genau dort setzt aber meine Kritik ein. Ich finde, daß dieses geplante Betriebsverfassungsgesetz nicht notwendig wäre, denn dieser gegenüber dem Allgemeinen Arbeitsverfassungsgesetz bis zum Zweieinhalbfachen aufgeblähte, abgehobene sozialistische Personalvertretungskörper wird mit diesem Gesetz für immer abgesichert werden. Daher auch dieses diskrete Stillschweigen zu den Tausenden freigesetzten Arbeitnehmern im Bahnbereich auf der einen Seite und dem großzügigen Postenschacher in der Vorstandsetage auf der anderen Seite.


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77. Sitzung / Seite 225

Dieses Gesetz wird außerdem bei den Personalvertretungswahlen extrem minderheitenfeindlich sein. Wo früher ungefähr 100 Unterstützungsunterschriften bei Personalvertretungswahlen notwendig waren, sind nach § 26 Abs. 8 des neuen Gesetzes in etwa 600 notwendig.

Es gibt weiters nur einen Stimmzettel für drei verschiedene Ebenen: für die Dienststellenebene, für den regionalen Personalausschuß und für den Zentralausschuß. Hier sollte es für jede Ebene einen Stimmzettel geben, um eine demokratische Persönlichkeitswahl, also eine zukunftsträchtige Wahl zu ermöglichen.

Außerdem ist nach § 66 Abs. 3 die bezahlte Fortbildung der Vertrauensleute und Personalvertreter an die eigenen Bildungsstätten und jene der Sozialpartner gebunden. Eine weitere Ausbildung wird nicht bezahlt. Wer die Gepflogenheiten bei den ÖBB kennt, weiß, daß das heißt, daß die gelebte Minderheitenfeindlichkeit in diesem Bereich den Vertrauensleuten von kleineren Gruppen keine Möglichkeit einer betrieblich empfohlenen Weiterbildung bietet, weil den Minderheiten – wie bisher – von der herrschenden sozialistischen Klasse eine Zulassung zur Weiterbildung innerhalb der vorhandenen Möglichkeiten verwehrt wird.

Diese heute schon oft angesprochene Diskriminierung ist im höchsten Grade unzufriedenstellend. Trotz all dieser negativen Vorzeichen macht der ÖGB seit Jahren großspurige Werbung für die "Aktion Fairneß", wonach die Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten immer wieder versprochen wird. Es werden großspurige Ankündigungen gemacht, die in Medienberichten aufgebläht zur Schau gestellt werden, aber dieser ÖGB hält nichts von Gleichbehandlung und führt die Glaubwürdigkeit der "Aktion Fairneß" ad absurdum. (Abg. Koppler: Bei den Eisenbahnern gibt es keinen Unterschied!)

Es wäre völlig ausreichend, würde das bestehende Arbeitsverfassungsgesetz auch bei Post und Bahn angewendet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dolinschek: Bravo!)

Eine Neueinführung des Betriebsverfassungsgesetzes ist somit überflüssig, denn es dient nur der Absicherung der ersessenen Privilegien dieser ehrenwerten Gesellschaft. Der ÖGB ist zum Selbstzweck verkommen. Er hat, wie gewohnt, nichts zum Besseren gewendet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hums. – Bitte. (Abg. Dr. Ofner: Jetzt wirst du es schwer haben!)

21.38

Abgeordneter Franz Hums (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Kollegen Meisinger kann ich das Ganze in der mir zur Verfügung stehenden Redezeit leider nicht erklären. Ich werde es anschließend versuchen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Gesetz ist notwendig, weil mit dieser Gesetzesvorlage erstmals eine gesetzliche Regelung für die Betriebsverfassung der Bahnen getroffen wird. Diese gesetzliche Regelung bringt auch mit sich, daß die Personalvertretung künftig nach diesen Normen auch Rechtspersönlichkeit haben wird. (Abg. Dolinschek: Erklär das einmal den Eisenbahnern, die ihr abgeschafft habt in den letzten Jahren!) Bisher ist im Bereich der Österreichischen Bundesbahnen das Personalvertretungsrecht auf vertraglicher Ebene geregelt worden, und mit dieser Gesetzesvorlage wird das geändert. (Abg. Dolinschek: Wo ist das Arbeitsverfassungsgesetz?)

Man hätte natürlich diese Ausnahmeregelungen, die durch die andere Struktur bei den Eisenbahnen bedingt sind, auch im Arbeitsverfassungsrecht mit Ausnahmeregelungen einbringen können. (Abg. Dolinschek: Warum? Warum gibt es da einen Unterschied? Um Privilegien abzusichern?) Einfacher und übersichtlicher ist es aber, das Arbeitsverfassungsrecht zwar als Basis zu nehmen, aber hier eine eigenständige Lösung zu finden und natürlich dort das Arbeitsverfassungsgesetz anzuwenden, wo keine Sonderregelungen erforderlich sind.

Sonderregelungen sind erforderlich, weil die Bahn eine andere Unternehmensstruktur hat, weil sie Betriebs- und Dienststellenregelungen im ganzen Bundesgebiet hat. Das erfordert auch im


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Bereich der Österreichischen Bundesbahnen, um eine gute Vertretung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sichern, eine Dreigliedrigkeit der Personalvertretung. (Abg. Meisinger: Und das Allgemeine Arbeitsverfassungsgesetz?) Das ist eine Ausnahme zur Arbeitsverfassung!

Ebenso gibt es im Bereich der Eisenbahn keine Unterschiede in den Arbeitnehmerbegriffen. Es gibt nur einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff. Daher ist es nicht erforderlich – wie im Arbeitsverfassungsrecht –, zwischen Arbeitern und Angestellten zu trennen. Das erfordert ebenfalls eine eigenständige Regelung. (Abg. Meisinger: Was ist mit der "Aktion Fairneß"?) Kollege Meisinger! Diese Vorlage ist mit Sicherheit sehr, sehr minderheitenfreundlich!

Durch diesen einheitlichen, für alle Ebenen gültigen Stimmzettel wird – auch für die kleinen Fraktionen – sichergestellt, daß wirklich jede Stimme, die in einem Bereich gilt, für den Gesamtbereich angerechnet wird.

Warum gibt es diese Sonderregelung? – Weil gerade im Eisenbahnbereich die wahlwerbende Gruppe – und auch das ist für die Minderheiten sehr, sehr entscheidend – die Möglichkeit haben muß, über die Ersatzmitglieder hinaus Nachnominierungen vorzunehmen, weil es im Eisenbahnbereich durch die extrem flexiblen Dienstrechtsnormen sehr große Fluktuation gibt. Denn in manchen Dienststellen werden Personalvertreter und ihre Ersatzmänner gewählt, wechseln dann aber aus Karriere- oder sonstigen Gründen innerhalb der Periode, für die sie gewählt wurden, wieder. Deshalb ist es notwendig, eine Sonderregelung zu treffen, und diese wird mit dem Betriebsverfassungsgesetz getroffen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meisinger und Gaugg. )

Daß die Freiheitlichen im Bereich der Eisenbahn – ich kann nur für meine Perioden reden – bei den letzten Personalvertretungswahlen trotz Einsatz eures Chefs Haider so wenig Anklang gefunden haben, liegt daran, daß alle Eisenbahner (Abg. Gaugg:   Unter der Knute stehen!) lesen können und daher über viele Jahre verfolgen konnten, wie die Freiheitlichen – auch ihr Obmann Haider! – die Rechte der Eisenbahner angegriffen haben und immer wieder drastische Verschlechterungen für Eisenbahner gefordert haben. Das ist der Grund für den geringen Anklang, nicht ein minderheitenfeindliches Regelungswerk! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Die Eisenbahner werden zunehmend wach werden!)

Das werden Sie auch bei den Wahlen im Herbst nicht wegdiskutieren können! Und wenn Sie sich jetzt plötzlich eisenbahnerfreundlich geben wollen, dann wird Ihnen das niemand abnehmen! Denn Sie geben sich nur deshalb so, weil im November Personalvertretungswahlen stattfinden. Aber es wird niemand vergessen, daß gerade die Freiheitlichen in all diesen Bereichen Jahre hindurch die Rechte der Eisenbahner immer wieder heftigst angegriffen haben. Das ist nachzulesen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Gesetz soll die Basis für die Personalvertretungswahlen im November sein. Daher soll es auch ab dem 1. August gelten. (Abg. Gaugg: Arbeitsplatzterror à la Hums!)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Franz Hums, Dr. Feurstein und Genossen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der vorliegende Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Art. 1 § 79 Abs. 1 lautet:

"(1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. August 1997 in Kraft."

*****

Ich danke Ihnen schon jetzt für die Zustimmung zu dieser Vorlage! (Beifall bei der SPÖ.)

21.45


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Der Abänderungsantrag Hums, Feurstein liegt vor, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

21.45

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde mich ganz kurz fassen, möchte aber doch etwas in Erinnerung bringen. Es ist noch nicht sehr lange her, da haben wir ein Post-Betriebsverfassungsgesetz beschlossen. In den Beratungen im Ausschuß haben wir, als diese Materie zur Verhandlung stand, stark kritisiert, daß für den Bereich der Post ein Sonderbetriebsverfassungsrecht geschaffen wird und daß man den vom Systemansatz her richtigeren Weg nicht gewählt hat, nämlich das Arbeitsverfassungsgesetz zu verwenden und um Artikel, sofern dies notwendig ist, anzureichern, die sich mit den Spezifika der Postbediensteten in den neuen ausgegliederten Formen beschäftigen.

Dieses Post-Betriebsverfassungsgesetz stammte übrigens nicht aus der Feder des Kollegen Hums, des damaligen Sozialministers, sondern aus dem Hause des für den Verkehr zuständigen Bundesministers. Das war noch ein Ansatz, in Anbetracht dessen wir verstanden haben, daß die Einheitlichkeit der arbeitnehmerrechtlichen Regelungen vielleicht vorübergehend aus den Augen verloren wurde. Jetzt hat uns Kollege Hums erklärt, warum für die Bahn ein besonderes Betriebsverfassungsgesetz notwendig ist. Es sind ein paar Plausibilitäten dabei, allerdings steht dahinter sozusagen ein Paravent, womit ich sagen will, daß sich herausstellt, daß sich im Bereich der Eisenbahn ein Arbeitnehmerrecht entwickelt hat, das in gewisser Weise nicht zum sonstigen Arbeitnehmerrecht paßt, und zwar in einer zum Teil sehr vorteilhaften Weise für die Betroffenen, weil es dort nämlich keine Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten gibt. Somit entspricht sozusagen der Standard der Eisenbahn dem, was wir seit Jahren fordern, nämlich daß es keine diesbezügliche Unterscheidung geben sollte.

Allerdings stellt sich dann heraus, daß es sich um eine Nische handelt. Und daher habe ich ein unangenehmes Gefühl. Man hätte natürlich das, was an Sonderaspekten notwendig ist, wie zum Beispiel die Dreigliedrigkeit der Arbeitnehmervertretung, in das Arbeitsverfassungsgesetz einbauen können. Wobei ich hinzufügen möchte, daß ich mir nicht so sicher bin, ob damit wirklich deutlich verbesserte demokratische Strukturen geschaffen werden. Nach dem dreigliedrigen System verfährt man teilweise im Gewerkschaftsbund oder in den Wirtschaftskammern, wo es ganz besonders ausgeprägt ist: Demokratische Strukturen bedeuten in diesem Fall, daß von einer Ebene auf die nächste gewählt wird, wobei die Basiswahlen allmählich verlorengehen. – Es hätte sich dann allerdings herausgestellt, daß es im übrigen Arbeitsverfassungsgesetz Dinge gibt, von denen die sonstigen Arbeitnehmer nur träumen können. Und das ist, glaube ich, der eigentliche Grund dafür, warum wir nunmehr ein besonderes Betriebsverfassungsgesetz für die Bahn vorfinden.

Unsere Fraktion wird daher diesem Gesetzesantrag nicht zustimmen. Allerdings werden wir diese Gelegenheit nützen, jetzt die Harmonisierung der Arbeitsverfassungsrechte stark voranzutreiben. Und ich sage hier, ohne mich ins Detail zu verlieren: Es wird dabei vielleicht die eine oder andere konstruktive Überraschung geben! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

21.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kukacka. – Er hat das Wort.

21.48

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Bahn-Betriebsverfassungsgesetz ist notwendig, um auch im Bereich der Organisation der betrieblichen Arbeitnehmervertretung den neuen Bahnstrukturen, die mit dem ÖBB-Gesetz geschaffen wurden, entsprechend Rechnung zu tragen und die notwendige gesetzliche Basis dafür zu schaffen.

Wir stimmen diesem Gesetz zu, weil es in allen wesentlichen Punkten dem bewährten österreichischen Arbeitsverfassungsgesetz entspricht und es Ausnahmen nur dort gibt, wo dies die


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spezifischen Unternehmensstrukturen der Österreichischen Bundesbahnen und von Bahnen insgesamt gerechtfertigt erscheinen lassen.

Es ist nicht richtig, daß dieses Gesetz, wie Kollege Meisinger gemeint hat, minderheitenfeindlich ist. (Abg. Meisinger: Freilich ist es minderheitenfeindlich!) Es ist nicht minderheitenfeindlich, Herr Kollege! Denn etwa durch die hohe Anzahl der Vertrauenspersonen besteht auch für die kleinen Fraktionen die Möglichkeit, in den verschiedenen Gremien anwesend zu sein und dort ihre Position, ihre Meinung zu vertreten. Das wäre nämlich bei viel kleineren Strukturen, wie es etwa das Arbeitsverfassungsgesetz vorsieht, nicht möglich. Deshalb ist diese Ausnahme richtig, sinnvoll und notwendig! (Abg. Gaugg: Die Kandidatur wird erschwert!) Dadurch werden durchaus auch die Interessen der Minderheiten berücksichtigt. Wir wissen, wovon wir reden, denn wir sind bei den ÖBB auch eine Minderheit! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Meine Damen und Herren! Daß mit diesem Gesetz kein Präjudiz für die Schaffung von spezifischen Betriebsverfassungsgesetzen für verschiedene Unternehmen geschaffen werden sollen, um zum Beispiel das bestehende Arbeitsverfassungsgesetz auszuhöhlen oder zu relativieren, geht schon daraus hervor, daß eine konkrete Ausschußfeststellung vom Sozialausschuß beschlossen wurde, die da lautet:

"Der Ausschuß geht davon aus, daß diese Bestimmungen aufgrund der besonderen Struktur von Bahn und Post notwendig sind, aber kein Präjudiz für künftige Entwicklungen des Arbeitsverfassungsgesetzes darstellen."

Meine Damen und Herren! Damit ist klargestellt, daß der Gesetzgeber an einer einheitlichen und unternehmensübergreifenden Arbeitsverfassungsgesetzgebung festhält. Und auch das ist notwendig und sinnvoll! (Beifall bei der ÖVP.)

Für die Österreichische Volkspartei, die wir uns als eine soziale Integrationspartei verstehen, ist das Bekenntnis zur Arbeitnehmermitbestimmung auch im Betrieb selbstverständlich. Daher ist dies auch für die Österreichischen Bundesbahnen und die Bahnen insgesamt eine Selbstverständlichkeit. Wir bekennen uns zu dieser Arbeitnehmermitbestimmung, und wir wünschen uns auch bei der Bahn eine entsprechend starke und konstruktive Arbeitnehmermitbestimmung, damit der § 6 realisiert werden kann, in dem es heißt: "Das ist notwendig zur Herbeiführung eines Interessenausgleiches, zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes." – Genau das ist es, was wir anstreben!

Genau das ist auch für die Österreichischen Bundesbahnen notwendig, denn diese befinden sich in einer schwierigen Marktsituation: Sie müssen umfassende Reformen realisieren, und sie müssen wichtige Restrukturierungsmaßnahmen umsetzen. Genau dazu wird es einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Unternehmensführung bedürfen. Das wünschen wir uns sehr! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Deshalb halte ich es für etwas überzogen, wenn der neue Eisenbahnergewerkschaftsboß Novak gleich dem Generaldirektor sagt, daß dieser "napoleonische Züge" habe und er ihm ein baldiges "Waterloo" wünsche, denn unter Draxler seien die ÖBB zur "Firma Einsparung" verkommen. – Das ist meiner Meinung nach nicht der richtige Stil, denn auch der neue Gewerkschaftsboß sollte zur Kenntnis nehmen, daß nach der Schaffung der Neuen Bahn AG die Zeiten vorbei sind, in denen dem ÖBB-Vorstand die Unternehmenspolitik von der sozialistischen Gewerkschaft vorgeschrieben wurde. (Beifall bei der ÖVP .) Das hat in die Irre geführt, und das wollen wir auch für alle Zeiten verhindern!

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne: Arbeitnehmervertreter und Unternehmensführung sollten sich gemeinsam um die Problemlösung für die Zukunft bemühen: im Interesse der Arbeitnehmer und im Interesse der Österreichischen Bundesbahnen. (Beifall bei der ÖVP.)


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77. Sitzung / Seite 229

21.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

21.53

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es immer besonders nett, wenn mir Vertreter der Mehrheitsfraktionen ganz generös erklären, daß dieses Gesetz eigentlich nur für die Minderheit gemacht ist. (Abg. Haller: Das ist so "glaubhaft"!)

Ich werde versuchen, Ihnen zu erklären, daß dieses Bahn-Betriebsverfassungsgesetz eigentlich ein FSG-Betriebsverfassungsgesetz ist. Aber Sie werden es mir nicht glauben. Herr Abgeordneter Khol! Sie sollten es sich wirklich genau anschauen! Denn mit diesem Gesetz laufen Sie Gefahr, daß sich auch Ihre ÖAAB-FCG-Fraktion über kurz oder lang aus den Personalvertretungsorganen selbst wegrationalisiert. Sie hat diesem Gesetz ja zugestimmt, und das haben Sie heute wieder einmal erklärt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Ich halte fest: Nicht nur aufgrund der mangelnden Bestimmungen betreffend den Minderheitenschutz – obwohl das ein ganz wesentlicher Punkt in diesem Gesetz ist, mit dem wir nicht einverstanden sind – lehnen wir dieses ab. Insbesondere ist es nämlich ungeheuerlich, daß ein Zentralwahlausschuß mittels eines einheitlichen und einzigen Stimmzettels sozusagen auch den unteren Ebenen über den Stimmzettel diktiert, wie gewählt wird. Das ist unglaublich – aber es ist so! Und das haben Sie zu verantworten! Ich glaube nicht, daß das eine gute und vertretbare Regelung ist!

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Schon gar nicht vertretbar ist, daß Sie sich angesichts der Tatsache, daß Tausende Eisenbahner in den nächsten Jahren wegrationalisiert werden, eine Personalvertretungsstruktur geschaffen haben, in der, rund gerechnet, 100 freigestellte Eisenbahngewerkschaftsfunktionäre – ich schätze, daß 95 davon der FSG angehören – in diesem Betrieb Personalvertretungspolitik machen können. (Abg. Mag. Firlinger: Kommunistische Personalvertretungspolitik!) Bei 60 000 Privatbediensteten in der Privatwirtschaft gibt es 22 freigestellte Funktionäre!

Mit dieser Struktur – Herr Abgeordneter Feurstein, Sie können es nachrechnen! – schaffen Sie für 70 bis 100 freigestellte Funktionäre Positionen auf diesen Ebenen. Und das Pikante daran ist, daß uns Herr Abgeordneter Hums mit treuer Miene erklärt, daß diese Ebene des Personalausschusses, also die Zwischenebene, notwendig sei, weil sich diese aus den betrieblichen Strukturen ergäbe!

Herr Abgeordneter Hums! Wir beide wissen, daß diesen vier Personalausschüssen, die gebildet wurden, die entsprechenden Ansprechpartner auf Arbeitgeberseite fehlen. Denn die Bundesbahndirektionen sind schon wegrationalisiert worden, und diese waren der Ansprechpartner für diese Personalausschußvertretungen!

Herr Abgeordneter Hums! Ich halte es wirklich für fatal, daß wir in Zeiten wie diesen – und man kann lange über die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer auf den unterschiedlichen Ebenen diskutieren – nicht darüber sprechen, daß Sie sich im Bereich der Eisenbahnen bei bestehenden politischen Strukturen innerhalb der Personalvertretung ein Privileg schaffen, von welchem Sie genau wissen, daß es nur dazu da ist, sich alle Minderheitenfraktionen vom Leib zu halten. Sie denken natürlich in erster Linie an die Freiheitlichen, aber es geht im Prinzip um alle Minderheitenfraktionen. Das ist das erklärte Ziel dieses Bahn–FSG–Betriebsverfassungsgesetzes. Und das halte ich für den eigentlichen Skandal! (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen.)

Sie haben auf diese Weise ein weiteres Mal eine Sonderverfassung geschaffen, die weit über das hinausgeht, was in der Post-Betriebsverfassung festgeschrieben ist. Die Post-Betriebsverfassung ist in sehr vielen Bereichen der Arbeitsverfassung nachgebildet. Wir haben jetzt unterschiedliches Recht für die Privatwirtschaft, für den öffentlichen Dienst, für die Post – mit völlig eigenen Strukturen – und für die Bahn, und innerhalb der Bahn gibt es wieder eine Aufgliederung mit eigenen Vertretungsbefugnissen, Vertretungsanteilen für private Bahnbetriebe und für die ÖBB. Denn auch in diesem Punkt gibt es Unterschiede innerhalb der Bahn-Betriebsverfassung.


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77. Sitzung / Seite 230

Meine Damen und Herren! Ich halte das für wirklich unvertretbar! Herr Abgeordneter Hums! Sie können natürlich sehr sicher sein, wenn Sie hier das Wort ergreifen, denn Sie wissen, daß Sie die Mehrheit dafür bekommen werden. Sie können mit Ihrer Mehrheit natürlich alles beschließen, aber der Bahn erweisen Sie damit keinen guten Dienst! Mit dieser Vertretungsbefugnis, die Sie für die FSG dabei sichern, retten Sie ganz sicher nicht die Bahn. Sie retten die Mehrheit der FSG, aber das ist schon alles! Sie werden mit Ihren Personalvertretern in zwei oder drei Jahren vielleicht allein in der Bahn sitzen. Wenn Ihnen das so viel wert ist, dann denken Sie trotzdem auch ein bißchen an die Bahnbediensteten, denn um diese geht es bei diesem Gesetz! (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen.)

22.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sigl. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

22.00

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem neuen Gesetz wird die Personalvertretung zur eigenen Rechtspersönlichkeit, was bisher nicht der Fall war. (Zwischenruf des Abg. Gaugg. )

Aufgrund dieser neuen Struktur können die Effizienz und die Kompetenz der Personalvertretung des größten Unternehmens in Österreich weiterhin beibehalten werden.

Neu im Bahn-Betriebsverfassungsgesetz wird auch sein, daß alle Mitarbeiter – ohne Rücksicht auf ihre Staatsbürgerschaft – das passive Wahlrecht haben.

Unter diesen Gesichtspunkten möchte ich diese Vorlage zum Bahn-Betriebsverfassungsgesetz als durchaus modern, innovativ und zukunftsweisend bezeichnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Besonderen Stellenwert räume ich auch der Tatsache ein, daß durch dieses Gesetz die Stärke der Arbeitnehmervertreter der Österreichischen Bundesbahnen weiterhin zugunsten der Arbeitnehmer eingesetzt werden kann. Denn nur eine geschlossene und starke Interessenvertretung kann schlußendlich ihre Anliegen und Ziele durchsetzen und als ebenbürtiger Verhandlungspartner der Unternehmensführung gegenübertreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke in diesem Zusammenhang aber auch an die verantwortungsvolle Mitgestaltung der Personalvertretung im Hinblick auf deren Eintreten für mehr Bahnpolitik. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. ) Meine sehr verehrten Damen und Herren von der "F"! Die Personalvertretung war es, die die Umweltkomponente bei den Österreichischen Bundesbahnen als erste in die Diskussion gebracht hat. Und ebenso wurde die Stärke der Personalvertretung verantwortungsvoll genützt, als es um eine Ausweitung des Kundenservices bei den Österreichischen Bundesbahnen ging.

Insbesondere in Anbetracht des verschärften europäischen Wettbewerbes ist es mir als Sozialdemokrat und Gewerkschafter ein Anliegen, die Schlagkraft der Personalvertretung und ihrer Organisation im Interesse aller Eisenbahnerinnen und Eisenbahner zu erhalten und zu stärken (Abg. Meisinger: Wo?) und zu verhindern, daß der Arbeitnehmer zum Spielball unternehmensorganisatorischer Überlegungen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch feststellen, daß durch die Bahn-Betriebsverfassung der Grundsatz der Schlagkräftigkeit und Flexibilität der Personalvertretung vor Ort im Interesse aller Eisenbahnerkolleginnen und -kollegen künftig beibehalten werden kann. Aus all diesen Gründen und aus jahrzehntelanger Erfahrung in der Arbeitnehmervertretung kann ich diesen Gesetzesvorschlag nur befürworten und ersuche Sie, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, ebenfalls für diesen Antrag zu stimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben kleine Probleme mit dem Computer, daher stoppen wir die Redezeit jetzt mit der Hand; die Zeitnehmung beim Rednerpult funktioniert.


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77. Sitzung / Seite 231

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Die Uhr ist auf 4 Minuten gestellt.

22.03

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Folgt man den Reden der sozialdemokratischen Abgeordneten, so ist man fast davon überzeugt, sie würden uns auch die Verfassung des russischen Zentralkomitees als demokratische Errungenschaft verkaufen können! Denn in diese Richtung geht das Ganze! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Grabner: Das sagst gerade du! – Abg. Oberhaidinger: Du hast von Demokratie überhaupt keine Ahnung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Weil Sie in diesem Zusammenhang von demokratisch sprechen, möchte ich Ihnen sagen: Sie sitzen in einer XX-large-Koalition, befürchten aber, daß dieser Zustand bald vorbei ist. Bevor Sie abgewählt werden, packeln Sie daher geschwind noch miteinander und beschließen dann diese Linie. Sie fahren mit der Mehrheit drüber – ohne Rücksicht darauf, ob das demokratisch ist oder nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da frage ich Sie: Haben Sie kein Vertrauen in die österreichischen Gesetze, in Verfassungsrechte? – Herr Draxler wird nicht müde, ständig zu erklären, daß die Eisenbahn jetzt ein Privatunternehmen ist. Da gibt es ein von den Sozialpartnern hoch gepriesenes Arbeitsverfassungsgesetz, das aber dort nicht gelten soll. Das ist sehr eigenartig! Das ist geradezu abenteuerlich! Es ist mir aber klar, warum: Herr Hums, ich weiß nicht, ob Sie schon einmal in der Zentralwerkstätte in Linz waren. Dort herrschen nämlich Arbeitszustände, bei welchen jeder private Betrieb vom Arbeitsinspektorat binnen Minuten geschlossen werden würde. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie glauben noch immer, daß es sich bei den bei der Eisenbahn Beschäftigten um eine Erbpacht handelt. Aber Sie werden sich täuschen! Sie werden sich auch im Herbst gewaltig täuschen! Denn die Angst wurde den Mitarbeitern zum Teil genommen, wenn auch noch nicht überall. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) Denn wenn sich ein Mitarbeiter mit jemandem von uns trifft, dann sagt er: Um Gottes willen, nur weg, denn wenn einer sieht, daß ich mit einem Nichtsozialisten rede, bin ich schon versetzt. – Das ist Ihr "Demokratieverständnis". Und das, was Sie mit dem Bahn-Betriebsverfassungsgesetz machen wollen, ist Demokratiebeugung miesester Art! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist Machtmißbrauch, das ist die Einrichtung eines Staates im Staat! Es könnten ja beispielsweise auch alle Bankangestellten oder Versicherungsmitarbeiter so etwas in Anspruch nehmen!

Kollege Stummvoll! Ich muß Sie fragen, weil Sie gerade hier stehen: Warum stimmt die ÖVP solchen Dummheiten zu?! Dazu kann ich nur sagen: Das ist Postenschacher! Das ist der Preis für den zusätzlichen Vorstandsdirektor bei der Eisenbahn! Das ist es! Ihr seid wieder einmal ertappt! Jetzt sitzen zwei ÖVPler im Vorstand! Die Mitarbeiter aber sind euch Wurscht! (Abg. Dr. Stummvoll: Hier ist das Parlament, nicht der Tschauner!)

Und daß die roten Personalvertreter Bestkarrieren machen, während die anderen abgebaut werden, kümmert euch nicht! Denn ihr seid eine ehemalige Wirtschaftspartei. Euch interessiert ja nur, wer vom Wirtschaftsforum irgendwo eine Führungsposition bekommt. Das ist es nämlich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Leilei! – Weitere Rufe bei SPÖ und ÖVP: Leilei! Leilei!)

Ihre Personalvertreter, sofern Sie von der ÖVP bei der Eisenbahn welche haben, werden Ihnen das danken! Sie werden Ihnen entsprechend dafür danken, daß Sie einem Gesetz zustimmen, das zwar alle Rechte der freigestellten Personalvertreter beinhaltet, aber – Öllinger hat schon recht – 100 Freigestellte werden untergebracht, und die Kosten trägt der Steuerzahler! Es gibt 26 im Personalausschuß, die kein Visavis haben, aber etliche Millionen Schilling kosten. Kein Mensch weiß, was die tun! – Halten Sie sich an die bestehenden Arbeitsverfassungsgesetze, dann wird das Ganze auch funktionieren! (Abg. Dr. Stummvoll: Leilei! – Abg. Dr. Cap: Leilei!)


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77. Sitzung / Seite 232

Das, was Sie betreiben, ist die Mißachtung demokratischer Strukturen für eine Berufsgruppe, die auf dem Weg der Privatisierung und daran ist, sich aus den Klauen einer Partei zu befreien. (Abg. Dr. Stummvoll: Der Villacher Fasching ist besser!) Herr Stummvoll, darüber können wir dann noch reden!

Ich sage Ihnen folgendes: Sie werden diesen Beschluß sicherlich noch bereuen! Ich schlage vor, daß Sie dieser Vorlage nicht die Zustimmung erteilen. Aber es ist ohnehin egal! Der Wähler wird Sie ohnedies wegrationalisieren! Und alles andere ist nicht von Bedeutung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Davor haben Sie Angst! Daher versorgen Sie rasch noch alle, denen Sie in Dankbarkeit ergeben sind. Was jedoch mit den Mitarbeitern geschieht, ist für Sie völlig unerheblich! (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Ich appelliere an das Gewissen der einzelnen ÖAABler in Ihrer Fraktion: Unterhalten Sie sich einmal mit den Personalvertretern, was da vor sich geht! Das ist ein Staat im Staat, das ist Machtmißbrauch, das ist Demokratiebeugung! So ist dieses Gesetz, und wir Freiheitlichen werden daher dagegen stimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Von seiten des Berichterstatters wird kein Schlußwort gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 724 der Beilagen.

Es liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Hums, Dr. Feurstein und Genossen betreffend Art. I § 79 Abs. 1 vor.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag zum Gesetzestext vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des soeben erwähnten Abänderungsantrages abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschußberichtes und des Abänderungsantrages Hums, Feurstein zustimmen, um ein Zeichen. – Der Gesetzesbeschluß ist in zweiter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit beschlossen.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über die Regierungsvorlage (611 der Beilagen): Viertes Zusatzabkommen zum Abkommen vom 15. November 1967 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit (725 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 11. Tagesordnungspunkt und sogleich wieder zur Abstimmung, weil hiezu keine Redner gemeldet sind.


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77. Sitzung / Seite 233

Ein Vorschlag für eine mündliche Berichterstattung liegt nicht vor.

Daher können wir sogleich abstimmen über den Antrag des Ausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Vertrages in 611 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag auf Genehmigung des Vertrages in 611 der Beilagen zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig so beschlossen.

Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (700 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird (726 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 127/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Einführung einer Abgabe auf Pestizide (731 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 12 und 13, die unter einem verhandelt werden.

Auch hier wird kein mündlicher Bericht erstattet.

Auf der Rednerliste steht Herr Abgeordneter Ing. Reichhold an der Spitze. Er hat daher das Wort. Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte sehr.

22.11

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir behandeln heute die Erlassung eines Pflanzgutgesetzes und die Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes. Es gibt hier sehr viele Parallelen zum Saatgutgesetz, daher kann ich mir unsere Kritik, die wir bereits beim Saatgutgesetz angebracht haben, im Detail ersparen, aber nicht im Grundsätzlichen, zumal gerade in diesem Gesetz auch inhaltlich ein sehr entscheidender Passus fehlt, der im Saatgutgesetz vorhanden ist.

Herr Bundesminister! Mit diesem Gesetz verbieten Sie den Bauern die Anwendung von eigenem Pflanzgut. Sie verbieten den Bauern auch den Austausch eigenen Pflanzgutes, und zwar nicht nur den Bauern, sondern auch den Kleingärtnern und den Obstbauern. Und das ist, wie ich meine, ein Zustand, den wir Freiheitliche nicht hinnehmen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben, Herr Abgeordneter Gradwohl, beim Saatgutgesetz diesen schwarzen Ökokommunismus noch in letzter Minute mit einem Abänderungsantrag korrigiert, und mir ist unverständlich, warum Sie jetzt dieses Verbot für die Bauern aufrechterhalten wollen.

Wir Freiheitliche werden daher folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold, Anna Elisabeth Aumayr, Franz Koller, Dr. Stefan Salzl, Robert Wenitsch und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird, 700 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 726 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:


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77. Sitzung / Seite 234

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 700 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 726 der Beilagen wird wie folgt geändert:

In Artikel I lautet § 3 Abs. 2:

"(2) Unter ,Inverkehrbringen’ ist nicht zu verstehen

a) die Anwendung von Pflanzgut durch einen Landwirt, wenn das Pflanzgut aus eigenem Anbau des Landwirtes stammt und für den Eigenbedarf bestimmt ist,

b) der Austausch von Pflanzgut im Rahmen der nachbarschaftlichen Hilfe zwischen Landwirten, Kleingartenvereinsmitgliedern und anderen, nicht erwerbsmäßig tätigen Verwendern von Pflanzgut."

*****

Begründung: Gerade in Bauerngärten gibt es noch immer sehr viele seltener werdende Blumenarten und -sorten, deren Weiterverbreitung sicher ein landeskulturelles Anliegen wäre, daher verstehe ich nicht, warum Sie diesen Passus nicht hineinnehmen, und appelliere gleichzeitig an Sie, unseren Antrag zu unterstützen.

Zum zweiten, meine sehr verehrten Damen und Herren, ignorieren Sie auch hier das Anliegen jener 1,2 Millionen Unterzeichner des Volksbegehrens, die eine klare Kennzeichnung wünschen. Der Herr Bundesminister hat im Ausschuß, wie ich der Presse entnehme, der Frau Gesundheitsministerin oder einem der Ausschußmitglieder gesagt, sie sollten doch im Internet nachschauen, wenn sie wissen wollen, inwieweit hierbei die Kennzeichnung erfolgt oder nicht. Das mag vielleicht für einen Abgeordneten oder einen Minister ganz gut sein, aber für einen Bauern ist es, glaube ich, besser, wenn er Zeit hat, um zu arbeiten, als im Internet surfen zu müssen. (Bundesminister Mag. Molterer: Sie waren gar nicht im Ausschuß, aber Sie wissen, was geredet wurde!)

Herr Bundesminister! Ich fordere Sie daher auf, endlich einmal Ihr Rückzugsgefecht im Hinblick auf die Unterzeichner des Volksbegehrens zu beenden! Schaffen Sie die Voraussetzung für eine klare Kennzeichnung! Damit sind alle Probleme beseitigt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drittens: Die Länderinteressen – das haben wir bereits beim Saatgutgesetz angemerkt – werden nicht ausreichend berücksichtigt. Sie haben, als ich das damals gesagt habe, Herr Bundesminister, Ihr Gesicht verzogen, wie Sie das häufig tun, und haben sich wahrscheinlich gedacht: Schon wieder so ein inkompetenter Einwurf eines Freiheitlichen. Ich bin ja nicht schadenfroh, aber irgendwo erfüllt es mich mit innerer Genugtuung, daß bei der letzten Bundesratsitzung genau dieses Saatgutgesetz von der Tagesordnung genommen wurde, weil es massive Proteste der Länder gibt. (Abg. Mag. Stadler: Das sind Ihre Parteifreunde, Herr Minister! Von denen kommen jetzt massive Proteste!)

Daher werden wir auch hinsichtlich der Gentechnik einen Antrag einbringen wie folgt:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold, Anna Elisabeth Aumayr, Franz Koller, Dr. Stefan Salzl, Robert Wenitsch betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird, Regierungsvorlage 700 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 726 der Beilagen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage 700 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes 726 der Beilagen wird wie folgt ergänzt:


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§ 5 Abs. 3 lautet:

"(3) Gentechnisch verändertes Pflanzgut ist als solches deutlich und unmißverständlich zu kennzeichnen und jedenfalls vom anderen Pflanzgut getrennt zu halten."

Der bisherige Absatz (3) erhält die Bezeichnung (4).

*****

Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Anträge, über die der Redner soeben berichtet hat, sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

22.16

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit diesem Bundesgesetz, mit dem ein Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird, regeln wir in erster Linie die Voraussetzungen des Inverkehrbringens von Pflanzgut von Obst, Zierpflanzen und Gemüsepflanzen, also nicht von Saatgut, auch nicht von Gemüsesaatgut. Das ist bereits im Saatgutgesetz geregelt.

Das Inverkehrbringen betrifft nicht den Eigenbedarf oder den Eigengebrauch, wie Sie, Herr Abgeordneter Reichhold, in einem Abänderungsantrag fordern. Mit "Inverkehrbringen" ist die Bereithaltung oder Lagerhaltung, die Ausstellung oder das Angebot zum Verkauf von Pflanzgut gemeint, aber es betrifft nicht den eigenen Anwendungsbereich.

Dieses Gesetz gilt auch nicht für die Ausfuhr von Pflanzgut in Drittländer. Es regelt sozusagen nur den Bereich innerhalb des EU-Binnenmarktes. Die EU-Harmonisierung des Pflanzgutverkehrs soll in allen Mitgliedstaaten einerseits Handelshemmnisse abbauen und andererseits die Versorgung mit gesundem und hochwertigem Pflanzgut sicherstellen.

Mit diesem Pflanzgutgesetz sind im landwirtschaftlichen Bereich nun auch alle EU-Rechtsanpassungen vollzogen. Wir haben mit dieser Beschlußfassung die EU-Richtlinie nunmehr in allen diesen landwirtschaftlichen Bereichen vollzogen.

Das bisherige Bundesgesetz über den Verkehr mit Obstpflanzgut aus dem Jahre 1958 wurde nie vollzogen, sodaß bisher auch keinerlei Kontrollorganisation vorhanden war. Die Regelungen von Pflanzgut von Zierpflanzen und Gemüsearten sind nahezu deckungsgleich mit der Regelung von Pflanzgut bei Obstarten. Aus diesem Grund war es natürlich sinnvoll von der Europäischen Union, das in einem einzigen Gesetz zusammenzuführen und durch ein gemeinsames Gesetz umzusetzen.

Es ist davon auszugehen, daß insgesamt zirka 2 200 Betriebe von diesem Gesetz betroffen sind.

Die Änderung im Pflanzenschutzgesetz 1995 schafft die Möglichkeit, im Rahmen dieser Verordnungsermächtigung eine ähnliche Ausnahmeregelung, wie dies bereits derzeit für forstliche Waren der Fall ist, zu schaffen.

Die zweite Gesetzesmaterie beziehungsweise der Entschließungsantrag, der von Abgeordnetem Wabl und Genossen betreffend Einführung einer Abgabe auf Pestizide eingebracht wurde, wurde im Landwirtschaftsausschuß einstimmig abgelehnt, weil wir mit dem ÖPUL, einem ausgesprochen österreichischen Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft, das System verfolgen, daß wir, um Wettbewerbsverzerrungen hintanzuhalten, jenen Bauern eine Prämie


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gewähren, die freiwillig fünf Jahre hindurch verpflichtend auf die Anwendung von Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln beziehungsweise wasserlöslichem Handelsdünger verzichten.

Nahezu 180 000 österreichische Bauern nehmen an diesem Programm teil. Wir sind damit Europameister. Für etwas mehr als 2 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen in den 15 Staaten der Europäischen Union erhalten wir von Brüssel rund 30 Prozent der für den Umweltschutz in der Landwirtschaft zur Verfügung gestellten Mittel. Hier zeigt sich schon die Sensibilität und die Bereitschaft der österreichischen Bauern, umweltgerecht zu produzieren.

Eines möchte ich abschließend aber mit aller Klarheit sagen: Längerfristig werden die Konsumenten entscheiden, auf welche Art und in welcher Form in Österreich die landwirtschaftliche Produktion stattfinden wird, weil am Markt natürlich ein entsprechender Preis erzielt werden muß. Wenn wir derzeit in Salzburg vor der Situation stehen, daß von Biobauern 50 Millionen Liter Milch angeliefert werden, aber nur 25 Millionen Liter verkauft werden können, werden längerfristig diese Bauern wieder aus der biologischen Produktion ausscheiden, denn sie haben höhere Kosten, etwa für den Ankauf von biologischem Getreide, das doppelt so teuer ist wie das normale Futtergetreide.

Auch andere wesentliche Bestimmungen sind einzuhalten. Die Kontrollen, die lückenlos sind und im Jahr mehrmals erfolgen, müssen von den Bauern in einem eigenen Kontrollverband selbst finanziert werden. Wenn sie aber keine höheren Preise erzielen, so werden die Bauern eben wieder auf die herkömmliche Landwirtschaft umsteigen. (Abg. Schwemlein: Das glaube ich nicht!)

Deshalb der Aufruf an die Konsumenten: Wenn sie wollen, daß die Produktion von biologischen Lebensmitteln in der Landwirtschaft weiterhin diesen Aufschwung nehmen soll, dann müssen sie auch bereit sein, im Supermarkt beziehungsweise in den Lebensmittelgeschäften danach zu langen.

Insgesamt sind wir froh, daß wir jetzt diese Rechtsanpassungen abgeschlossen haben. Wir werden deshalb diesem Bundesgesetz gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Das kann ich mir vorstellen!)

22.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. – Bitte sehr.

22.23

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch wir von seiten des Liberalen Forums sind der Ansicht, daß es letztlich eine Entscheidung der Konsumenten sein muß, welche Art der Landwirtschaft in Österreich betrieben wird, aber daß diese Entscheidung fallen kann, setzt doch voraus, daß alle Beteiligten in der Produktionskette und auch in der Konsumentenkette letztlich wissen müssen, was sie zum Einsatz bringen. Daher müßte eigentlich in diesem Gesetz sehr klar geregelt sein, daß gentechnisch verändertes Pflanzgut auch als solches gekennzeichnet wird. (Abg. Schwarzenberger: Beim Biobauern ist diese Garantie gegeben! Das wird streng kontrolliert!)

Augenblick! Es kann nicht so sein, daß diejenigen, die im bestehenden System ohnehin schon Erschwernisse haben, auch noch die Last aufgedrückt bekommen, die Kennzeichnungen durchführen zu müssen, sondern, wenn schon, dann sollen alle deklarieren, was in den Produkten enthalten ist, damit die Entscheidung sehr klar und deutlich gefällt werden kann und jener Bereich, der unklar ist – was ist drin, was ist nicht drin –, möglichst klein gehalten wird.

All das wird nicht gemacht. Insofern müßte auch noch der Antrag, den Herr Abgeordneter Reichhold gestellt hat, ergänzt werden, weil der § 5 mit der Kennzeichnung derzeit vier Absätze hat. Wenn Sie einen einfügen, muß der vierte zum fünften werden. Das ist in Ihrem Antrag vergessen worden. (Abg. Ing. Reichhold: Der dritte wird zum vierten!) Der dritte wird zum vierten, und der vierte muß zum fünften werden. Aber das ist nicht gesagt worden. Sonst fällt der vierte weg oder wir haben zwei vierte. Das ist aber nur eine Kleinigkeit nebenbei bemerkt (Abg. Böhacker: Barmüller, 4a geht auch!), was den Antrag an sich, lieber Herr Abgeordneter


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Böhacker, nicht schlecht macht, der durchaus berechtigt ist. (Abg. Ing. Reichhold: Mit den Juristen ist es schwer!)

Ich sage noch einmal: Das ist der richtige Weg. Wenn ihr es geschäftsordnungsmäßig auch noch vollständig korrekt machen wollt, greift diese Anregung auf, wenn nicht, laßt es bleiben.

Mir geht es aber vor allem darum, meine Damen und Herren, daß die Beurteilung des Herrn Abgeordneten Schwarzenberger, der sagt, dieses Gesetz sei sinnvoll, in Zweifel gezogen werden kann, denn das Inverkehrbringen von Pflanzgut von Obstsorten ist ja nicht erst seit gestern in Österreich geregelt, sondern schon seit dem Jahr 1958. (Abg. Schwarzenberger: Aber nie vollzogen!) Ja, das ist ja das Problem. Im Jahre 1974 hat man das Gesetz auch noch geändert und dennoch nie vollzogen.

Jetzt behaupte ich, wenn wir hier Gesetze beschließen, die nicht vollzogen werden, dann besteht eigentlich kein Regelungsbedarf. Daher sollten wir uns das überlegen, insbesondere da es auch in Ihrer Partei weibliche Abgeordnete gibt, die sagen, wir müssen der Gesetzesflut Herr werden, wir müssen diese stoppen. Hier meine ich, daß grundsätzlich zu fragen ist, ob das eine sinnvolle gesetzliche Materie ist. (Abg. Schwarzenberger: Es geht darum, die EU-Richtlinie umzusetzen!)

Ich weiß schon, daß es durch den Beitritt zur Europäischen Union Regelungen gibt, die es notwendig machen, das Gesetz zu erlassen. Okay, das muß quasi aufgrund des Beitritts zur Europäischen Union gemacht werden. Es ist für uns keine Frage, daß das notwendig ist.

Warum wir aber diese Art und Weise der Regelung nicht für sinnvoll halten, kann ich Ihnen am § 3 Abs. 2 und am § 10 Abs. 3 vorführen, weil dort für den Herrn Bundesminister sehr weitreichende Verordnungsermächtigungen gemacht werden. In Wahrheit wird überhaupt nur gesagt: Er kann die Richtlinien und das, was dort bestimmt ist – mehr steht im Gesetz nicht darüber; es gibt keine tiefergehende Konkretisierung –, durch Erlassung von Verordnungen umsetzen. Und da sage ich Ihnen: Das geht mir zu weit! Es kann doch nicht sein, daß auf europäischer Ebene auf Vorschlag der Kommission im Ministerrat von den zuständigen Bundesministern Richtlinien gemacht werden, dann kommen sie nach Österreich und setzen die Durchführung dieser Richtlinien mittels Verordnung gleich fort, und das Parlament ist in Wahrheit bei dem ganzen Prozeß ausgeschaltet.

Das, meine Damen und Herren, ist nicht die Auffassung der Liberalen, wie das in Österreich umgesetzt werden soll. Wir wollen, daß das Parlament in diesen Prozeß eingebunden ist. Das ist einer der entscheidenden Gründe, warum wir diese konkrete Ausformulierung der Umsetzung der Richtlinien, die angesprochen worden sind, ablehnen werden.

Der zweite Punkt, den ich noch nennen möchte, ist der, daß, wenn es schon so ist, daß auf europäischer Ebene – wie wir es etwa im Bereich von Rasterfahndung und Lauschangriff sehen – die österreichischen Minister w.o. geben und in Wahrheit ganz wichtige Kriterien nicht in die Richtlinien hineinbringen, ich kein Vertrauen darin habe, daß zukünftig geänderte Richtlinien, die durchaus eintreten können, dann entsprechend dem österreichischen Parlament vorgelegt werden. Das heißt: Nicht nur die jetzt bestehenden Regelungen sind in den Verordnungsermächtigungen, die gesetzt worden sind, zu weitgehend in der Umsetzung, sondern auch das, was zukünftig auf uns zukommen könnte, ist durch diese gesetzliche Grundlage in keiner Art und Weise mehr vom Parlament zu beeinflussen. Und das ist etwas, was wir nicht haben wollen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der zweite Tagesordnungspunkt, der hier unter einem verhandelt wird, betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Wabl auf Einführung einer Abgabe auf Pestizide, der, wie Sie gesagt haben, im Ausschuß einstimmig abgelehnt worden ist, was mich eigentlich wundert, denn der Antrag an sich ist nicht nur, wie in seiner Ausführung schon angeführt, EU-konform, sondern er entspricht auch noch den Regelungen des Nationalen Umweltplans. Und der Nationale Umweltplan, Herr Abgeordneter, ist hier in diesem Hause von der Regierung verkündet worden als das, was die Richtlinie für die Gesetzgebung dieser Koalition sein soll. Wenn der Nationale Umweltplan die Richtlinie Ihrer Gesetzgebung ist und dort auch klar drinnensteht, daß solche


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Maßnahmen zu ergreifen sind, dann, Herr Abgeordneter Schwarzenberger, dürften solche Anträge, wie sie von Herrn Abgeordneten Wabl gestellt worden sind, nicht abgelehnt werden.

Wir meinen ergänzend dazu, daß es gar nicht reicht, nur eine solche Abgabe zu erheben, sondern daß das Aufkommen, das mit dieser Abgabe erzielt werden würde, jedenfalls im Abtausch zu den Lohnnebenkosten gegengerechnet werden sollte. Das halten wir für den richtigen Weg. Es ist daher unverständlich, daß Sie diesen Entschließungsantrag nicht angenommen haben und nicht bereit sind, einen Gesetzentwurf für eine Pestizidsteuer vorzulegen.

Wir meinen daher, meine Damen und Herren, daß wir in beiden Fällen der von Ihnen vorgeschlagene Vorgangsweise nicht unsere Zustimmung geben können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.

22.28

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich werde angesichts der vorgerückten Stunde nur einige wenige Sätze zu dieser Regierungsvorlage und zu dem Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft zu Ihnen sprechen.

Grundsätzlich stelle ich fest, daß meine Fraktion diesem Antrag und diesem Bericht und damit der Vorlage zustimmen wird. Ich verleihe aber ebenso wie im Ausschuß auch hier der Hoffnung Ausdruck, daß es uns gelingen wird, in Zukunft in den Beratungen des Unterausschusses, im Gesundheitsausschuß und im vielleicht zu konstituierenden Sonderausschuß zur Behandlung des Gentechnik-Volksbegehrens auch in diesen Bereichen die Kennzeichnungsfrage, die Haftungsfrage und damit die Sicherheitsfrage für Anwender und Konsumenten zu klären und dementsprechend im Einvernehmen mit diesem Hause auch in einen gesetzlichen Rahmen zu binden.

Kollege Reichhold! Zu deinen Ausführungen nur zwei Bemerkungen. Erstens: Hörensagen bedeutet noch immer nicht, daß auch die Wahrheit gehört wurde. Zum zweiten: Dabeisein wäre besser gewesen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leikam: Das ist gescheit!)

22.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Koller. Ich erteile es ihm.

22.30

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das neue Pflanzgutgesetz regelt die Registrierung von Obst-, Gemüse- und Zierpflanzensorten sowie die Anerkennung von Pflanzgut. (Abg. Parnigoni: Aber geh! Das brauchst du uns nicht zu erzählen!) Das Inverkehrbringen von Pflanzgut von Obstsorten ist derzeit im Bundesgesetz vom Oktober 1958 geregelt, aber dieses Gesetz wurde nie vollzogen. (Abg. Parnigoni: Das ist eine andere Geschichte!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vollzugsaufgaben des Pflanzgutgesetzes sind erstens die Zulassung der Versorger und Labors, zweitens die Überprüfung zugelassener Versorger und Labors, drittens die Überprüfung von Pflanzgut, viertens die Anerkennung von Pflanzgut und fünftens die Einhebung von Gebühren. Zirka 2 200 Betriebe sind betroffen, jedoch werden nur zirka 400 Betriebe sämtlichen Vorschriften dieses Bundesgesetzes unterliegen. Es ist ein an und für sich notwendiges Gesetz, um Obst- und Gemüsebauern und Hobbygärtnern einwandfreies Pflanzenmaterial in die Hände zu geben.

Dieses Gesetz weist große legistische Ähnlichkeit zum Saatgutgesetz auf. Es hat deshalb auch dieselben Mängel. Erstens: Bürokratie und Verwaltungsaufwand auf Kosten der Pflanzgutzüchter, die diese Mehrausgaben von jährlich über 5 Millionen Schilling weiterwälzen werden. Zweitens: Die Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Material ist wieder nicht gegeben.


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Herr Minister! Es ist eine Zumutung, wenn Sie sich darauf ausreden, ähnlich wie beim Saatgutgesetz werde auch beim Pflanzgut eine Sortenliste erstellt, und die Bauern und Gärtner sollten diese im Internet abrufen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Präsidentenkonferenz hat hiezu im Mai 1997 eine neue Broschüre herausgegeben. (Bundesminister Mag. Molterer: Ausgezeichnet!) Und was liest man darin? – Es ist ein Anliegen der Interessenvertretung, dem Wunsch der Konsumenten nach gentechnikfreien Produkten in der Form zu entsprechen, daß die gentechnikfreie Erzeugung auf Basis privatwirtschaftlicher Vereinbarung ermöglicht wird. Die Präsidentenkonferenz fordert daher die strikte Kennzeichnung gentechnisch veränderter Organismen und Produkte. (Abg. Mag. Stadler: Ah, da schau her! Ah, da schau her!)

Sehr geehrte Herren von der ÖVP! Sehr geehrter Herr Kollege Schwarzenberger! Sehr geehrter Herr Kollege Schwarzböck! Hier und heute hätten Sie die Möglichkeit, diese Kennzeichnung zu beschließen. Und was tun Sie? – Sie führen die Bauern und Konsumenten an der Nase herum! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie dem Antrag meines Kollegen Reichhold zur Kennzeichnung gentechnischer Veränderung beim Pflanzgut zu! Springen Sie über Ihren Schatten, handeln Sie zugunsten der Bauern, und legen Sie Ihre Doppelbödigkeit ab! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich diese Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Es wird über die einzelnen Ausschußanträge getrennt abgestimmt werden.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 700 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen einen Zusatz- sowie einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den Zusatzantrag sowie über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil des Gesetzes und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen haben, wie soeben erwähnt, einen Zusatzantrag eingebracht, der in Artikel I die Einfügung eines neuen Abs. 3 des § 5 vorsieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Zusatzantrag Ing. Reichhold zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen haben weiters einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 3 Abs. 2 bezieht.

Jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür stimmen wollen, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen daher ab über den Artikel I § 3 Abs. 2 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist mit Mehrheit beschlossen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß die Beschlußfassung mit Mehrheit erfolgt ist.

Damit ist die zweite Lesung beendet.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich darf jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf in dritter Lesung mehrheitlich angenommen ist.

Es ist abzustimmen über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht in 731 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Ausschußberichtes stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit so beschlossen.

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt.

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (321 der Beilagen): Wasserrechtsgesetz-Novelle 1996 – WRG-Nov. 1996 (727 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (III-72 der Beilagen) über den Gewässerschutzbericht 1996 (728 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 334/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (729 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 335/A der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (730 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir verhandeln jetzt die Punkte 14 bis 17.

Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Damit gehen wir sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte.

22.37

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Ich beginne mit dem Positiven bei der Änderung dieses Wasserrechtsgesetzes. Dabei handelt es sich für uns Bauern vor allem um den § 33f Abs. 6.

Die Freiheitlichen laufen seit Jahren gegen diesen Paragraphen Sturm, haben zu diesem Paragraphen unzählige Anträge eingebracht, und ... (Zwischenruf des Abg. Freund. ) Mein Gott,


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Herr Kollege Freund, bei wie vielen Sitzungen warst du dabei, und was ist für die Bauern herausgekommen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zuletzt haben Sie genau vor 14 Tagen diesen Antrag, diese Änderung abgelehnt, und jetzt beschließen Sie sie, aber nur zur Hälfte, wieder einmal nur zur Hälfte. Der 20prozentige Selbstbehalt für die Bauern entfällt zwar, aber die Kann-Bestimmung bleibt. Das heißt, der Bund und die Länder können eine Entschädigung zahlen, sie müssen aber nicht.

Das ist genau der Haken an dieser Sache, denn die Budgetsituation dieser Bundesregierung ist ja hinlänglich bekannt. Wenn nach Maßgabe der Mittel Entschädigungszahlungen möglich sind, dann kann man sich ungefähr vorstellen, daß die Mittel wahrscheinlich wieder einmal nicht vorhanden sein werden.

Herr Bundesminister! Ich habe schwere Bedenken, denn Sie sind in mehreren Richtungen säumig. Sie haben bis heute noch keine Verordnung über die Entschädigungsrichtlinien erlassen. Jetzt gibt es bereits Bundesländer, in denen aufgrund des geltenden Wasserrechtsgesetzes Wassersanierungsgebiete ausgewiesen worden sind, aber die zuständigen ... (Abg. Dr. Keppelmüller: Maßnahmen! Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?) Selbstverständlich, aber es fehlen nach wie vor die Entschädigungsrichtlinien. Es wird höchste Zeit, Herr Bundesminister, daß Sie in dieser Richtung tätig werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Keppelmüller: Maßnahmen vorschlagen!)

Daß meine Zweifel bezüglich der Einkommensverluste berechtigt sind, Herr Bundesminister, beweist mir Ihre Vorgangsweise bei der ÖPUL-Kürzung für heuer. Mehr als 1 Milliarde Schilling haben Sie den Bauern im Umweltprogramm gekürzt. Diese Kürzung von 1 Milliarde Schilling wurde nicht von der EU erzwungen, sondern diese Kürzung haben einzig und allein Sie zu verantworten. Sie haben Gelder, die den Bauern vertraglich zugestanden sind, wofür sie Leistungen erbracht haben, nicht ausbezahlt, sondern diese Milliarde kampflos dem Finanzminister abgegeben.

Herr Bundesminister! Außerdem ist § 32a Abs. 6 des Wasserrechtsgesetzes geradezu für die OMV maßgeschneidert. Die "Salzburger Nachrichten" schreiben in diesem Zusammenhang von einem "maßgeschneiderten Paragraphen für Schlucksonden der OMV im neuen Wasserrechtsgesetz".

Wenn es jetzt erlaubt ist, verbotene Stoffe in das Grundwasser zu leiten, wenn wasserwirtschaftliche Verhältnisse es zulassen beziehungsweise es aus bergbautechnischen Gründen notwendig ist, dann ist das äußerst bedenklich. Sie können zwar im nachhinein eine wasserrechtliche Bewilligung einfordern, aber Sie wissen ganz genau, daß Sie die OMV mit Gutachten zudecken wird. Das heißt: Am längeren Ast sitzt eindeutig die OMV, daher ist das eine Lex OMV.

Herr Bundesminister! Außerdem handelt es sich hiebei nicht nur um eine Lex OMV, denn außerdem haben sich auch die Schotterbarone massiv durchgesetzt. Beim § 31a Abs. 6 handelt es sich eindeutig um ein Zugeständnis an die Schotterbarone.

Ich gebe zu, daß es eine gute Änderung dieses Gesetzes ist, daß es zu massiven Verfahrensvereinfachungen gekommen ist, überhaupt keine Frage: Das ist als absolut positiv zu vermerken. Aber daß diese Verfahrensvereinfachung so weit geht, daß etwa gemäß § 114 Abs. 3 eine Bewilligung dann gegeben ist, und zwar in vollem Umfang, wenn die Behörde nicht innerhalb von drei Monaten nach Einlangen der Anzeige schriftlich mitteilt, daß ein Bewilligungsverfahren notwendig ist. Denn unter diesen Umständen kann es vorkommen – und das ist in Österreich nicht so selten! –, daß zuständige Beamte während dieser Zeit entweder im Krankenstand, auf Urlaub oder auf Kuraufenthalt sind und, aus welchen Gründen auch immer, die Frist nicht einhalten können. Oder man wird natürlich ... (Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Herr Kollege! Außerdem öffnet man mit diesem Paragraphen der Freunderlwirtschaft und selbstverständlich auch Bestechungsversuchen Tür und Tor! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Was glauben Sie, wer Sie sind?) Was soll denn das heißen? Als gelernte Österreicherin weiß ich, daß so etwas mit Vorsicht zu behandeln ist. Denn wenn die Bewilligung automatisch erfolgt,


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nur weil der zuständige Beamte, aus welchen Gründen auch immer, innerhalb von drei Monaten nicht handelt, so ist bitte jede Anlage bewilligt.

In diesem Punkt geht die Deregulierung eindeutig zu weit, und daher werden wir diesen Punkt ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kopf: Also sind Sie doch für die Deregulierung! Das haben wir immer vermutet!)

22.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jakob Auer. (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.) Dieser – und nur dieser! – hat das Wort. (Abg. Ing. Reichhold: Jetzt bin ich aber neugierig auf deine Ergüsse!)

22.44

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Es hat mich nicht gewundert, daß sich Kollegin Aumayr in ihrer Rede betreffend Wasserrecht relativ kurz gefaßt hat und die Bemerkungen dazu recht dürftig ausgefallen sind. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich verstehe das auch! Gerade in jener Zeit, in der ihr Gründe habt, nicht hier zu sein, einigt sich die Koalition auf ein modernes Wasserrecht mit Verfahrenserleichterung, mit Vorteilen für die Landwirtschaft, für die Betriebe, für die Kommunen und so weiter. Da haben Sie eben eine schlechte Zeit erwischt! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Diese Abstinenzwoche hat schon schlecht für die FPÖ begonnen: Dem Haider ist beim Marathon die Luft ausgegangen, während der Bartenstein flott gelaufen ist, und dann wart ihr bei der Arbeit nicht da. – Aber das ist euer Problem, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Ich halte positiv fest, daß Frau Kollegin Aumayr zumindest anerkennend festgehalten hat, daß es hinsichtlich § 33 Abs. 6 im Sinne dessen, was unbestrittenermaßen von euch öfters gefordert wurde, zu einer Regelung kam. Unbestritten ist aber auch, meine Damen und Herren, daß in den Anträgen der Freiheitlichen betreffend § 33 Abs. 6 immer von einer Kannbestimmung gesprochen wurde. Es hat immer gelautet: "Der Bundesminister wird dann, wenn das jeweilige Bundesland ..". Meine Damen und Herren! Gemeint war eben: dann, und nur dann! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber sei es, wie es sei. (Abg. Ing. Reichhold: Jetzt hast du dich selbst überdribbelt! – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. ) Ich verstehe schon: Es tut ein bisserl weh, wenn die Koalition ein modernes Wasserrechtsgesetz beschließt!

Ich möchte dazu festhalten: Österreich hat einen riesigen, unbezahlbaren Schatz. Manche meinen sogar, es sei das "Gold" der Zukunft: Wasser in ausreichendem Maße, in hoher Qualität zu haben, bedeutet nämlich, das kostbarste Lebensmittel in ausreichendem Ausmaß zu haben. Österreich verbraucht von seinem gesamten Wasservorkommen 3 Prozent als Trinkwasser. 80 Länder dieser Welt leiden hingegen an Wassermangel! Im Vergleich zu unseren Verhältnissen möchte ich festhalten, daß etwa in den Niederlanden Wasser aus dem Rhein aufbereitet wird, und dieses hat vor dem menschlichen Genuß bereits sieben Mal die Niere gesehen! In Anbetracht dessen kann man nur sagen: Du glückliches Österreich!

Mein Damen und Herren! Saubere Seen und Flüsse, intaktes Grundwasser und ein hochwertiges Trinkwasserangebot sind Ziele, für die wir alle einzutreten haben! Ich lade Sie dazu ein.

Mein Damen und Herren! Schade finde ich nur, daß die Erkenntnis betreffend die Notwendigkeit von Wasserschutz erst dann ins Bewußtsein dringt, wenn auf der Adria die Algenplage groß ist, wenn Öltanker auf hoher See leck werden oder wenn die Sperre eines Badesees vorgenommen werden muß. Dann wird das Freizeitvergnügen eingeschränkt, und dann wird man diesbezüglich munter!

Außerdem will niemand auf den Fortschritt verzichten. Luftfahrtbewegungen steigen, der Verkehr nimmt dramatisch zu, die Ölheizungen – das sieht man bei den Bauverhandlungen –


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sind die moderne Heizungsform. Das hat deutliche Auswirkungen auch auf den Wald, das füge ich hinzu, weil gerade diese Woche die "Woche des Waldes" ist.

Meine Damen und Herren! Auf den Boden und auf den Wald sollten wir gerade auch im Hinblick auf vermehrten Wasserschutz besser achten. Der Wald hat das größte Speichervermögen, der Waldboden wirkt wie ein Schwamm. Regen und Schmelzwasser werden zurückgehalten, und daher trägt ein gesunder Wald auch zum Wasserschutz bei. Wer immer ein Buch über das Wasser schreiben wollte, der müßte ein Buch über das Leben schreiben. Denn wo kein Wasser, da gibt es kein Leben, und zwar kein menschliches Leben, keine Vegetation, keine Pflanzen und keine Tiere. Wir müssen daher neben der Vornahme der gesetzlichen Normierung auch die öffentliche Diskussion und das Bewußtsein für die Bedeutung des Wassers verstärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Gescheit! Er sagt das wie eine Kindergartentante!) Wasserverschmutzung und Wasserverschwendung wären der Anfang vom Ende.

Ich halte in diesem Zusammenhang fest: Es ist unfair, die Landwirtschaft ständig als alleinigen Verschmutzer des Wassers zu bezeichnen. Tausende aufgelassene Deponien, undichte Kanäle und Senkgruben sprechen eine deutliche Sprache. Die Landwirtschaft soll jedoch andererseits den Klärschlamm, den "Dreck der Nation", auf Kosten der privaten und der kommunalen Entsorger kostenlos beziehungsweise zumindest billig auf ihre Felder und Böden ausbringen lassen.

Meine Damen und Herren! Ich halte fest: Die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 war eine große theoretische Novelle, die heute zu beschließende beinhaltet jedoch die Umsetzung in die Praxis. Es ist eine umfassende Deregulierung vorgesehen, bei welcher Zigtausende Klein- und Kleinstverfahren – das hat selbst Kollegin Aumayr festgehalten – nicht mehr notwendig sind. Dieses Gesetz bringt für die Gemeinden realitätsbezogene Möglichkeiten und Vereinfachungen im Bereich der Abwasserbeseitigung, der Erweiterung von Kanal- und Trinkwasserversorgungsanlagen. Es bringt für die Landwirtschaft den Wegfall des 20prozentigen Selbstbehaltes in Sanierungsgebieten, die notwendige Anpassung bei Hoftankstellen und in den meisten Fällen bei Beregnungsanlagen den Wegfall der aufwendigen Bewilligen und für Private den Wegfall der unverständlichen Bewilligungsnotwendigkeit bei Heizungsanlagen beziehungsweise Lagerung. Für die Wirtschaft sind ebenfalls wesentliche Deregulierungsschritte vorgesehen, so zum Beispiel die Einführung eines vereinfachten Bewilligungsverfahrens in vielen Bereichen unter bestmöglicher Wahrung der öffentlichen Interessen und Rechte Dritter sowie die Verlagerung von Verfahren von der Ober- zur Bezirksbehörde, damit ein bürgernäheres Agieren ermöglicht wird.

Meine Damen und Herren! Mehr Bürgernähe und eine koordinierte Vorgangsweise wie etwa eine Koordination mit dem Gewerberecht sind positive Veränderungen, ohne daß das primäre Ziel des Wasserschutzes verändert wird.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Bundesminister Molterer, bei den zuständigen Beamten und auch bei den Klubmitarbeitern von SPÖ und ÖVP, die dabei in hervorragender Weise mitgearbeitet und uns unterstützt haben. Mein Dank gilt auch den Kollegen Keppelmüller und Gradwohl, die federführend seitens der SPÖ mitverhandelt haben, und selbstverständlich auch meinem Kollegen Kopf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Erarbeitung dieser Novelle war eine sehr konstruktive, positive und koordinierte Arbeit. Es wurde in drei Schritten vorgegangen: Im Dezember 1996 ging es um Kleinkläranlagen, in diesem Frühjahr zunächst um die Deponieanpassung und jetzt um diese große Novelle. In einem vierten Schritt wurde seitens des Bundesministers aufgrund eines Entschließungsantrages betreffend den genossenschaftlichen Wasserbereich eine Veränderung zugesagt, welche wir heute beschließen. Es ist dies ein großer Reformschritt. Wir von den Regierungsparteien haben die Verantwortung, das Lebensmittel Wasser zu schützen, wahrgenommen, und daher gibt die ÖVP dieser Gesetzesvorlage gerne ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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77. Sitzung / Seite 244

22.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. – Bitte.

22.53

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Auer, ich möchte Ihnen sagen: Jeder, der einen Marathon durchhält, erbringt eine besondere sportliche Leistung. Ich sage das insbesondere zur Verteidigung jener, die langsamer gelaufen sind als Herr Bundesminister Bartenstein und Herr Abgeordneter Haider, denn auch diejenigen, die nach vier Stunden ins Ziel gekommen sind, haben eine große sportliche Leistung erbracht. (Beifall des Abg. Böhacker. ) Sie sollten sich über jene nicht lustig machen und sagen: Die sind ohnehin so langsam gelaufen!

Herr Abgeordneter Auer! Wenn Sie dann entdecken, daß Sie jetzt ein sehr modernes Wasserrechtsgesetz beschließen, dem Sie gerne Ihre Zustimmung geben, dann sollten Sie nicht am Anfang einer Rede § 33 Abs. 6 zitieren, den Sie in der neuen Ausgabe des Wasserrechtsgesetzes vom 1. April 1997 nämlich nicht finden werden. Schauen Sie nach! Das haben Sie eben vergessen! Sie waren zwar im Ausschuß, haben aber offenbar etwas beraten, was Ihnen gar nicht bekannt ist.

Schauen Sie sich einmal an, wie umfangreich der Abänderungsantrag ist, der von Ihren Kollegen eingebracht worden ist! Außerdem ist entgegen dem, was Herr Abgeordneter Khol hier im Hause immer verlangt, keine Kostenschätzung dabei. Und wenn nicht einmal bei der Regierungsvorlage betreffend das Wasserrechtsgesetz 1996 eine Kostenschätzung dabei war, dann frage ich: Wie ernst nehmen Sie es mit Ihren eigenen Vorgaben aus den konstruktiven Ausschußverhandlungen? – Sie nehmen diese überhaupt nicht ernst! Vielmehr lassen Sie sich vom Ministerium etwas vorgeben, was Sie in der Tragweite offenbar selbst nicht überblicken! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Herr Kollege Barmüller! Wieviel haben Sie in der Praxis damit zu tun gehabt?)

Frau Abgeordnete Tichy-Schreder! Ich habe im Zusammenhang mit der Gesetzwerdung und der Beschlußfassung hier mindestens so viel damit zu tun wie Sie, weil wir beide uns sehr intensiv mit der Materie auseinandersetzen.

Zweiter Punkt: Es gab Probleme bei der konkreten Umsetzung. Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich noch gut daran, daß die Regierungsvorlage, die bereits lange vor Ende des Jahres 1996 eingebracht wurde, nicht umgesetzt werden konnte, weil man sich weder zwischen den Koalitionspartnern, Ihren beiden Regierungsparteien, noch mit den Ländern einigen konnte. Daher hat man überfallsartig Ende des Jahres 1996 Änderungen vorgezogen, und zwar, wie Sie wissen, hauptsächlich Friständerungen. Daher wundert es mich, daß Sie heute mit dieser Novelle dieselben Bestimmungen, die Sie 1996 geändert haben, im Eilzugstempo schon wieder ändern! Offenbar handelt es sich hiebei nicht um eine akkordierte, wohlüberlegte, gut durchdachte, auf ein modernes Wasserrechtsgesetz ausgerichtete Vorgangsweise, sondern Sie wissen selbst nicht mehr, wie Sie mit den Problemen zu Rande kommen und wie Sie das finanzieren sollen. In Wirklichkeit ist dies ein Debakel dieser Politik, die die große Koalition betreibt. (Abg. Kopf: Das glauben Sie doch nicht einmal selbst!)

Herr Abgeordneter Kopf! Das wissen Sie doch selbst! Schauen Sie sich doch den sehr umfangreichen Abänderungsantrag an, mit dem Sie sehr, sehr viele Bestimmungen ändern! Dagegen hat es in einem Brief aus dem Jahre 1996 Einwendungen von Herrn Bundesminister Bartenstein gegeben, die Sie jedoch auch heute nicht berücksichtigt haben!

Sie tun nichts anderes, als Fristen zu verlängern, Sie nehmen höchstens Rücksicht darauf, was bei der Verhinderung von gefährlichen Stoffen, die eingeleitet werden, technisch durchführbar ist und orientieren sich an den wasserwirtschaftlichen Verhältnissen, was natürlich eine Fristverlängerung bedeutet. Aber es wird nicht, wie Sie es sich selbst im Nationalen Umweltplan zur Aufgabe gemacht haben, angedacht, ob nicht andere Produktionsverfahren ein sinnvollerer Weg wären, als dauernd die Umsetzungsvorschriften hinauszuschieben!

Nehmen Sie sich etwa auch § 33b Abs. 2 vor: Betreffend gefährliche Einleitungen hat es bisher geheißen: "Die Einleitung gefährlicher Abwasserinhaltsstoffe darf nur soweit und solange bewilligt werden ...". Das "und solange" streichen Sie jetzt in dieser Novelle. Ist das wirklich


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fortschrittlich? – Ich meine, daß Sie in Wirklichkeit kapitulieren, aber das können Sie ja hier nicht sagen! (Abg. Dr. Keppelmüller: Du mußt weiterlesen und darfst nicht nur Halbsätze zitieren!)

Herr Abgeordneter Keppelmüller! Sie können froh sein, daß wir uns im Ausschuß dazu nicht zu Wort gemeldet haben, denn sonst hätten Sie wieder unsere Vorschläge ablehnen müssen. Jetzt müssen Sie aber letztlich auch in der Öffentlichkeit offenbaren, daß Sie, auch wenn Sie allein in den Ausschüssen sind, mit sehr umfangreichen Abänderungsanträgen agieren müssen, weil Sie in Wirklichkeit mit sich selbst nicht einig sind. – Das ist ein Problem, das Sie in dieser ganzen Diskussion haben!

Herr Abgeordneter Khol hat gesagt: Wir haben immer sehr konstruktive Ausschußsitzungen! – Wir konnten Ihnen mit einer Aufzählung all unserer Abänderungsanträge, die die Opposition gesamthaft gemacht hat, beweisen, daß Sie in Wahrheit in den Ausschüssen das Majoritätsprinzip mit der Majoritätsherrschaft verwechseln. Das ist die Art und Weise Ihres Vorgehens. Und es war ein sinnvoller Effekt dieses Boykotts, daß darauf einmal aufmerksam gemacht wurde.

Darüber können Sie im übrigen etwa auch im Buch von Hans Kelsen "Vom Wesen und Wert der Demokratie", Seite 62 und folgende nachlesen. Dort steht, daß solche Maßnahmen dann erlaubt sind, wenn einem die Mehrheit keine andere Chance läßt, um auf gewisse Tatsachen aufmerksam zu machen. Wir haben – wohldosiert – von diesem Mittel Gebrauch gemacht, und das hat Sie, wie Sie selbst wissen, ins Mark getroffen. Der Sozialausschuß ist etwa so abgelaufen, daß die Ausschußsitzung begonnen hat und sich die Abgeordneten dort rauchend aufgehalten haben, während sich die Frau Ministerin und Abgeordneter Stummvoll mit den entsprechenden Beratern in eine Ecke zurückgezogen und die Beratungen fortgeführt haben. Dann haben Sie das beschlossen, was jene sich ausgemacht haben. – Das sind die "konstruktiven" Ausschußverhandlungen dieser großen Koalition! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich will aber nicht verhehlen, daß wir uns über einen Bericht, den es hier mitzuverhandeln gilt, sehr wohl gefreut haben: Der Gewässerschutzbericht 1996 ist, entgegen dem Usus dieser Koalition, tatsächlich aktuell und wird auch aktuell hier im Hause behandelt. Wir haben uns darüber sehr gefreut, daß es sich hiebei um einen sehr gefällig gemachten Bericht mit Farbbildern und – ich möchte fast sagen – Stilleben handelt, in dem es auch um Baggerseen und dergleichen geht. Damit wird belegt, daß in diesem Bereich offenbar doch viel gemacht wird. Es sind sogar Stilleben mit Hausbrunnen abgebildet, und jene Abgeordneten, die wenig Bezug zur Realität haben, können sich in diesem Bericht einmal einen Hausbrunnen anschauen. (Abg. Tichy-Schreder: Ich habe zwei echte Brunnen, keine Hausbrunnen!) Diesem Bericht werden wir unsere Zustimmung geben, weil er aktuell ist, weil er sehr umfassend ist und eine klare Bestandsaufnahme dessen bietet, was in Österreich in diesem Bereich Sache ist.

Meine Damen und Herren! Den beiden anderen Tagesordnungspunkten, die sich auf Entschließungsanträge der Abgeordneten Aumayr beziehen, werden wir nur zum Teil unsere Zustimmung geben, und zwar deshalb, weil man anhand dieser Berichte sieht, daß das, was von der Opposition in Entschließungsanträgen verlangt wird, solange im Ausschuß liegengelassen wird, bis es nicht mehr aktuell ist. Dann lehnt man es ab, wiewohl man in der konkreten Novelle in dieselbe Richtung gehende Änderungen macht.

Sie hätten nämlich den zweiten Entschließungsantrag schon Ende des Jahres 1996 mit in Verhandlung nehmen müssen, wenn es eine konstruktive Ausschußberatung geben hätte sollen. Das haben Sie, wie bei vielen anderen Anträgen auch, verweigert. Ich möchte hier noch einmal unseren Protest gegen diese Art der Mehrheitsherrschaft zum Ausdruck bringen: Wir haben einen Parlamentarismus mit einem Majoritätsprinzip, und Sie haben uns die notwendigen konstruktiven Verhandlungen in den Ausschüssen, seit Sie wieder die Zweidrittelmehrheit haben, in zunehmendem Maße verweigert. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.00


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

23.00

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich dem Gewässerschutzbericht 1996 zuwenden. Gestatten Sie mir, für einige Minuten die sehr heftige Diskussion um die Wasserrechtsgesetz-Novelle zu unterbrechen.

Im wesentlichen – das ist schon angesprochen worden – knüpft dieser Bericht an die vorangegangenen Erhebungen an. Die jetzige Fassung ist auf jeden Fall eine hervorragende Dokumentation und eine handfeste Analyse des Istzustandes. Allen Damen und Herren, die dazu beigetragen haben, daß dieses Werk heute vor uns liegt, sei von dieser Stelle aus Dank ausgesprochen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Qualität der Abwasserbeseitigung in Österreich befindet sich auf einem hohen Niveau. Derzeit sind mehr als 75 Prozent der Einwohner an öffentliche Abwasserreinigungsanlagen angeschlossen. Dieser Prozentsatz wird sich in den nächsten zehn bis 15 Jahren beträchtlich erhöhen. Ich meine, daß das ökologisch eine enorme Leistung ist, vor allen Dingen, wenn man die topographische Lage Österreichs betrachtet und wenn man weiß, daß ein gehöriger finanzieller Aufwand damit verbunden ist, damit jene Maßnahmen umgesetzt werden können.

Die Wasserqualität der österreichischen Gewässer wird in diesem Bericht als insgesamt sehr zufriedenstellend bezeichnet. Das ist grundsätzlich ein erfreulicher Umstand, und zwar deshalb, meine sehr geschätzten Damen und Herren, weil sich zeigt, daß die verschiedenen gesetzlichen Maßnahmen, die in den letzten Jahren eingeführt beziehungsweise umgesetzt wurden, tatsächlich gegriffen haben. Ich denke in diesem Zusammenhang vor allen Dingen an die letzte Novellierung des Wasserrechtsgesetzes, an das Wasserbauten-Fördergesetz.

Ich möchte sagen, daß wir daher auf internationaler Ebene Vergleiche nicht zu scheuen brauchen. Die österreichweite Emissionserfassung von Grundwässern und Fließwässern ist voll ausgebaut. Es gibt rund 2 500 Meßstellen in diesem Beobachtungssystem. Das ist bester internationaler Standard. Österreich hat somit die am besten untersuchten Gewässer Europas, und das spricht für einen hohen ökologischen Standard.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Natürlich darf diese Analyse nicht über Probleme hinwegtäuschen, denn Probleme gibt es, und das wissen wir auch. In manchen Gebiete werden die Grundwasserschwellenwerte, vor allem was Nitrate und Atrazin anbelangt, massiv überschritten werden. Vor allem in den bekannten Ackerbauregionen im Südosten und Nordosten Österreichs treten diese Probleme auf. Auch im Bericht ist die Rede von Gebieten mit Sanierungsbedarf. Die Frage ist nur, ob wir mit den jetzt vorhandenen Lenkungsmaßnahmen, wie zum Beispiel mit dem Umweltprogramm ÖPUL, diese Probleme auch lösen können oder ob aufgrund dieser Akutsituation längerfristig andere Maßnahmen notwendig werden. Ich möchte sagen – und ich stehe dazu –, daß dieses Umweltprogramm einen wesentlichen Beitrag zur Entschärfung dieser Problematik leistet. Die Frage ist nur, ob dies ausreicht.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich weiß natürlich, daß dieses Förderungsprogramm nicht unmittelbar auf den Gewässerschutz zugeschnitten und ausgerichtet ist. Aber jede Maßnahme, die von einer intensiven Bewirtschaftung wegführt, wirkt sich positiv auf den Schutz von Gewässern aus, und letztlich geht es ja gerade darum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gewässerschutz wird immer mehr zu einer internationalen Angelegenheit, und das ist gut so. Als gutes Beispiel einer internationalen Kooperation möchte ich die Donau-Schutzkonvention erwähnen, mit deren Hilfe es wirklich gelungen ist, durch abgestimmte Programme die Qualität der Grund- und Oberflächengewässer international zu sichern. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Bericht zeigt, daß mit guten und wirksamen Instrumenten an dieses Problem herangegangen wird. Gewässerschutz – das entnehme ich diesem Bericht – wird in Österreich ernst genommen. Das ist ein guter Weg, der weiterhin beschritten werden soll. Wir werden daher diesem Bericht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

23.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ing. Monika Langthaler. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. (Abg. Dr. Haselsteiner: So lange!)

23.05

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Sind Sie schon müde, Herr Abgeordneter Haselsteiner? Soll ich Sie ein bißchen aufwecken? (Abg. Mag. Peter: Ihnen hören wir ohnedies gerne zu!)

Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgeordneter Auer hat gemeint, daß dies eine moderne Novelle sei. – Wenn man davon ausgeht, daß heute alles, was mit Deregulierung zu tun hat, modern ist, dann hat er recht. Denn diese Novelle, die die Regierungsparteien heute beschließen wollen, ist in erster Linie ein Deregulierungsentwurf, ein Zurücknehmen von guten Bestimmungen, die bei der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 in Kraft getreten sind. Daß einige Bereiche totes Recht geblieben sind, liegt wohl in der Verantwortung der Bundesminister, da Verordnungen, die notwendig gewesen wären, schlichtweg sechs Jahre hindurch nicht erlassen wurden.

Ganz kurz zum Gewässerschutzbericht: Ich verstehe die Euphorie meines Vorredners nicht ganz. Wir werden dem Gewässerschutzbericht nicht zustimmen. Ich sehe, daß die Beamten, die hiefür zuständig sind, ordentliche Arbeit geleistet haben. Das ist eigentlich bei all den verschiedenen Berichten der Fall. Sie können jedoch auch am Gewässerschutzbericht erkennen, daß die notwendigen Verordnungen, die wir bei der Novelle 1990 beschlossen haben, schlichtweg nicht erlassen wurden. Bis zur Fertigstellung des Berichtes wurde keine Verordnung zum Schutz des Grundwassers vor Kontaminationen durch die Landwirtschaft und Gewerbe- und Industriebetriebe mit Chemikalien erlassen. Konkret wurde keine einzige Verordnung betreffend ein Grundwassersanierungsgebiet nach § 33f Wasserrechtsgesetz erlassen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Daß keine Verordnungen vom jeweils zuständigen Bundesminister erlassen wurden, ist im Gewässerschutzbericht nachzulesen. Insofern ist der Bericht eine gute Dokumentation des Versagens Ihrer Politik in diesem Bereich. Man kann sich daher sicherlich jetzt nicht ein Hütlein aufsetzen und sagen: Das ist der Erfolg unserer großartigen Politik!

Sie haben großes Glück mit der geographischen und geologischen Situation dieses Landes, da es in Österreich tatsächlich große Wasserressourcen gibt. Sie haben jedoch all die Probleme, die im Gewässerschutzbericht, aber auch im Vierten Umweltkontrollbericht beschrieben werden, daß es nämlich keinen Rückgang der Grundwasserbelastung in Österreich gibt, daß es nach wie vor große Beeinträchtigungen der Fließgewässerstruktur gibt und daß es tatsächlich einen Wassermangel im Osten gibt, im Zuge der Verhandlungen über diese Novelle, die Sie heute beschließen wollen, nicht einmal angedacht, geschweige denn diskutiert.

Es sollen heute in erster Linie Deregulierungsmaßnahmen beschlossen werden. Konkret in acht Punkten deregulieren Sie in weiten Bereichen. Ich möchte das kurz taxativ aufzählen: bloße Anzeigepflicht für Anlagen nach dem Stand der Technik gemäß § 12a Abs. 4, Bewilligungsfreiheiten für Vorhaben minderer wasserwirtschaftlichen Bedeutung nach § 12b, Bewilligungsfreiheit für Anlagen zur Leitung und zur Lagerung wassergefährdender Stoffe nach § 31a, "Genehmigungsfiktion" für mit der Novelle 1990 bewilligungspflichtig erklärte Anlagen nach § 31d, Relativierung der Bewilligungspflichten nach § 32, Anzeigepflicht für Indirekteinleiter nach § 32a, Entfall der dynamischen Anpassung bei gefährlichen Abwasserinhaltsstoffen nach § 33b Abs. 2 und bloßes Anzeigeverfahren nach § 114 Abs. 2.


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Ich kann mich bei einigen Bereichen tatsächlich noch an die Diskussion im Rahmen der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 erinnern, die Sie hier als "großen Erfolg" zu verkaufen versucht haben. Jetzt werden unter dem Druck verschiedener wirtschaftlicher Interessenten Deregulierungsmaßnahmen beschlossen, um die Fiktion zu vermitteln, daß, wenn Sie deregulieren, Anlagen schneller genehmigt werden könnten. Das ist eine Fiktion! Wir werden das morgen beim Gewerberecht noch einmal diskutieren. Ich kann Ihnen eine große Zahl von Berichten zitieren, vor allem von der Volksanwaltschaft, aber auch von den diversen Umweltanwaltschaften, in denen jetzt schon festgestellt wird, daß all die Deregulierungsmaßnahmen, die Sie seit zwei Jahren im Umweltrecht setzen, nicht zu einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren geführt haben. – Sie haben vielmehr zu Problemen geführt, und Sie werden sich damit Probleme für die Zukunft einbrocken.

Sie verlassen ein Prinzip, das wir im Umweltrecht vor einigen Jahren verankert haben, nämlich das Prinzip der Vorsorge, das Prinzip der Prävention, das an und für sich nicht nur in Österreich ein Prinzip der Umweltgesetzgebung war, sondern auch innerhalb der Europäischen Union. Sie durchbrechen dieses Prinzip permanent; auch heute hier beim Wasserrecht, und zwar gerade bei der Novelle des § 31a, bei dem es um Anlagen zur Lagerung und Leitung von wassergefährdenden Stoffen geht. Da geht es konkret um solche Anlagen wie etwa die Eisenrohrerzeugung, die Perchloräthylen zur Entfettung der angefertigten Rohre verwendet.

Wir hatten so einen Problemfall in Österreich. Das war der Betrieb Schoeller-Bleckmann in Ternitz, bei dem es genau um solche Kontaminationen ging und bei dem genau diese Bestimmung anzuwenden war, weil vorsorgende Maßnahmen gerade dort vorzunehmen sind, wo eine großflächige Grundwasserverseuchung hintanzuhalten ist.

Solche bisherige Bestimmungen, die grundsätzlich im Sinne der Vorsorge bewilligungspflichtig und in umfassendem Ausmaß zu begutachten waren, drehen Sie um. Diese sind nun nur mehr ausnahmsweise meldepflichtig, und auch nur dann, wenn es eine Verordnung des Landeshauptmannes gibt, in der er die besonderen Gefährdungspotentiale entsprechend beschreibt.

Das ist ein Verlassen eines Grundkonsenses, den es gerade im Wasserrechtsbereich gab, nämlich des Grundsatzes der Vorsorge, der flächendeckenden Grundwasserschonung und des Schutzes, den Sie einfach für eine Deregulierung aufgeben, deren Tragweite Sie noch nicht abschätzen können. Tatsächlich scheinen Sie die Tragweite dessen, was Sie heute und morgen bei der Gewerbeordnung beschließen werden, noch nicht zu erfassen.

Das zeichnet auch diese acht von mir taxativ aufgezählten Deregulierungsbestimmungen aus, daß Sie deren Vagheit und Grenzenlosigkeit, die Sie letztlich heute mitbestimmen werden, offensichtlich noch nicht erkennen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß gerade die Umweltsprecher der beiden Koalitionsparteien, Abgeordneter Keppelmüller und Abgeordneter Kopf, die hier als Hauptverhandler zitiert wurden, nicht sehen, daß sie ein Grundprinzip des Grundwasserschutzes verlassen, nämlich das Prinzip der Vorsorge und der Prävention, und daß sie heute für Anlagen mit wassergefährdenden Stoffen letztlich eine wirklich mehr als schlechte Prüfung beschließen.

Der Abänderungsantrag, den Sie in letzter Minute in den Ausschuß eingebracht haben – Herr Abgeordneter Barmüller hat natürlich vollkommen recht, daß Sie uns den Abänderungsantrag, wären wir im Ausschuß gesessen, auch nicht früher gegeben hätten und daß wir genausowenig hätten tun können; Sie haben ihn kurz vorher eingebracht; das betrifft den § 32a; Kollegin Aumayr hat es kurz angeführt –, ist natürlich eine Lex OMV; eine Lex Aderklaa, denn damit wird der Bundesminister ermächtigt, in einer Verordnung jene Stoffe zu nennen, die jedenfalls nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen in das Grundwasser eingebracht werden dürfen.

Neu in Ihrem Abänderungsantrag ist nun, daß bestimmte Branchen, und zwar insbesondere der Bergbau, bestimmten Sonderbestimmungen unterliegen. Wenn es nämlich im Rahmen von geothermischen Verfahren oder bei Bergwerken und Steinbrüchen aufgrund wirtschaftlicher Verhältnisse oder aus bergbautechnischen Gründen notwendig ist, mit entsprechenden auch grundwassergefährdenden Substanzen zu arbeiten; dann ist dies möglich. Das bedeutet nichts


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anderes als eine Legalisierung der Tiefenverpressung von Sonderabfällen durch die ÖMV und ist eine Nachlegalisierung eines bisher unhaltbaren Zustandes. Das ist aus ökologischer Sicht selbstverständlich inakzeptabel.

Zusammenfassend: Diese Wasserrechtsgesetz-Novelle bewegt sich zweifellos ausschließlich auf der Deregulierungsschiene. Sie öffnen damit ein Tor für Änderungen, deren Auswirkungen Sie tatsächlich noch nicht erfassen können. (Abg. Auer: Da haben Sie in Zukunft weniger zu verhindern!) Sie haben es wieder nicht geschafft, auch den anlagenspezifischen Bereich endlich in einem einheitlichen, umfassenden Anlagenrecht zu regeln, denn Sie werden heute wieder Bestimmungen beschließen, die zum Teil völlig anders sind als das Verfahrensregime im Gewerberecht. Es wird zu keiner Verfahrenserleichterung kommen. Sie werden deshalb, wenn Sie offensichtlich dem wirtschaftlichen Druck nachgeben, kaum zu einer Beschleunigung und Effizienzsteigerung der Verfahren gelangen, und auch die Betriebe werden sich keine Kosten ersparen.

Ganz kurz zum Schluß: Es gibt auch positive Bestimmungen, und ich möchte diese nicht verschweigen. Wir werden diesen auch in einer getrennten Abstimmung zustimmen.

Wir haben uns sehr bemüht, im Bereich der dezentralen Abwasserentsorgung Genehmigungsvereinfachungen zu erreichen. Dem kommt die Novelle in einigen Bereichen nach. Es ist ja nicht so, daß wir generell gegen die Vereinfachung von Verfahren sind, wo sie logisch und gut ist. Bei der dezentralen Abwasserentsorgung gibt es positive Bestimmungen.

Auch die Ausweitung der Zuständigkeiten der Bezirkshauptmannschaften ist ausgesprochen positiv. Es ist richtig, daß man die Verfahren und auch bestimmte Kompetenzen im Verwaltungsverlauf näher an die Bürger und Bürgerinnen heranbringt. Deshalb ist diese Ausweitung, die im § 99 vorgesehen ist, absolut zu begrüßen.

Auch die Standardisierung der Genehmigungsbescheide und Bewilligungsanträge durch eine Verordnung, die Sie hoffentlich bald erlassen, Herr Bundesminister, ist zu begrüßen. Wir werden dem in getrennter Abstimmung zustimmen.

Das Gesamtkunstwerk aber, das Sie heute hier beschließen werden und das ein großer Schritt in Richtung Deregulierung ist, werden wir mit Sicherheit ablehnen. (Abg. Auer: Das werden wir verschmerzen!) Wir werden sicher in einigen Jahren in den neuen Gewässerschutzberichten nachlesen können, daß Ihre heutige Novelle dem Grundwasserschutz in unserem Lande einen mehr als schlechten Dienst erwiesen hat. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Warum seid ihr für mehr Bürokratie?)

23.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.16

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute schon einmal der Satz gefallen, daß Politik in Zeiten wie diesen sehr stark und prioritär Wirtschaftspolitik ist, und es ist auch begrüßt worden – ich glaube, auch von einem Oppositionsredner –, daß das notwendigerweise so ist.

Ich meine, wir können uns in Österreich zu Recht darauf berufen, daß wir in einigen Bereichen, die die Wirtschaft tangieren, sehr attraktive Rahmenbedingungen haben. Wenn ich etwa an unser Steuerrecht denke, so haben wir eine durchaus attraktive Steuersituation für Unternehmen, wir haben einen guten Ausbildungsstand unserer Mitarbeiter. Wenig förderlich für eine gedeihliche Wirtschaftsentwicklung hingegen sind rechtliche Bestimmungen, sind Überreglementierungen im Verfahrensbereich – zum Beispiel im Bereich des Anlagenrechtes –, die wir vor Jahren gemacht haben und die jetzt, Frau Kollegin Langthaler, dazu benützt werden, und zwar gerade von Umweltaktivisten, um Dinge, die sich materiell-rechtlich nicht verhindern lassen, dann über Verschleppung von Verfahren, über zum Teil ungerechtfertigte Einsprüche zu erreichen. Wir kennen alle diese notorischen Aktivisten, die versuchen, das, was sie materiell-


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rechtlich nicht erreichen können, über Verfahrensbestimmungen, die dazu nicht gemacht wurden, zu erreichen.

Diesen Umstand wollen wir mit dieser Novelle auf ein vernünftiges Maß zurückschrauben, ohne Schutzbestimmungen substantiell und materiell zu senken, ohne substantiell Rechte der öffentlichen Hand oder auch das von Ihnen zitierte Vorsorgeprinzip – gemeint haben Sie wahrscheinlich eher das Verhinderungsprinzip – anwenden zu wollen.

Sie haben die Punkte schon erwähnt, um die es in der Wasserrechtsgesetz-Novelle vor allem geht. Sie haben richtigerweise gesagt, daß wir morgen auch noch über die Gewerbeordnung reden. Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich wirklich zwei Freudentage – und das sage ich auch als Umweltpolitiker – für uns, und zwar für die österreichische Wirtschaft einerseits, für die österreichische Verwaltung auf der anderen Seite und auch für die Bevölkerung, die sich ebenfalls mit diesen langen Verfahren herumschlagen muß. Aber auch für Umweltbewegte sehe ich überhaupt keine Probleme, weil wir, wie gesagt, die Standards in keinster Weise angetastet haben. (Abg. Ing. Langthaler: Die Volksanwaltschaft ist anderer Ansicht! Haben die alle unrecht?)

Was uns aber gelingt, ist eine Deregulierung und Entbürokratisierung. Die Bereiche haben Sie bereits erwähnt. Wozu führt das Ganze? Es führt zu Kosteneinsparungen für die öffentliche Hand, vor allem für die Länder, die sehr stark davon betroffen sind. Es geht um 10 000 Wäschereien, 10 000 Fotolabors und 100 000 kommunale Kleineinleiter, weitere 10 000 im Bereich der Brunnen zur Feldberegnung, für die jetzt vereinfachte Verfahren abgewickelt werden können, wo es vorher ein kompliziertes Verfahren gab. Es geht weiters um 5 000 Bäckereibetriebe, 10 000 Gastgewerbebetriebe, 3 000 Metzgereien, die jetzt überhaupt bewilligungsfrei sein können, und zwar, wie gesagt, ohne Gefährdung dieses Vorsorgeprinzips. (Abg. Dr. Khol: Das sind ja alles Kostenersparnisse! Das interessiert den Herrn Barmüller nicht!)

Dabei handelt es sich um Erweiterungen, Änderungen im Kanalbereich, im Leitungswasserbereich, die künftig anstatt des gesamten Vollverfahrens mit 10 000 Anzeigeverfahren ablaufen können. Das bedeutet 150 Millionen Schilling Verwaltungskosteneinsparung pro Jahr, wie gesagt primär für die Bundesländer. Ich glaube, das ist doch nicht vernachlässigbar. (Abg. Dr. Khol: Das hat der Barmüller nie kapiert!)

Wenn ich dann noch sehe, daß sich die Wirtschaft jährlich etwa 1 Milliarde Schilling ersparen wird, und wenn ich darüber hinaus noch daran denke, welcher Investitionsimpuls damit verbunden sein wird – davon bin ich fest überzeugt –, dann kann ich nur sagen, es gibt bei dieser Gesetzesnovelle jede Menge Gewinner: die Bevölkerung, die Verwaltung, die Wirtschaft, die Landwirtschaft (Abg. Dr. Fekter: Die Bürgermeister!) , vor allem aber einen Landwirtschaftsminister und ein Parlament, das sich traut, Bestimmungen, die vor Jahren geschaffen wurden und bei denen sich herausgestellt hat, daß manche mißbraucht werden und andere nicht tauglich sind, auf ein vernünftiges Maß zurückzunehmen.

Als Verlierer dieser Novelle können sich eigentlich nur Pessimisten und notorische Nörgler fühlen (Abg. Dr. Fekter: Utopisten!) , die auf der einen Seite zwar ständig über hohe Kosten in der öffentlichen Verwaltung jammern, die Verfahrenserleichterungen und Kosteneinsparungen verlangen, die aber dann, wenn wirklich etwas geschieht, versuchen, mit Phrasen ohne Inhalt und ohne wirkliche Argumente und wahrscheinlich neidvoll, weil sie es nicht für möglich gehalten haben, daß ein solch großer Wurf möglich ist, alles mieszumachen. (Abg. Dr. Khol: Das ist ein hartes Urteil, das du über den Barmüller fällst!) Tut mir leid! (Abg. Dr. Keppelmüller: Ein Wahrspruch!) Ich muß es so sagen, wie ich die Sache einschätze.

Uns liegt heute eine Wasserrechtsgesetz-Novelle zur Beschlußfassung vor, die unsere Fraktion und die sozialdemokratische Fraktion gerne beschließen werden.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch ganz herzlich beim Herrn Bundesminister, bei seinen Beamten, bei unseren Mitarbeitern in den beiden Klubs, bei meinem Mitverhandler Jakob Auer, bei meinen Verhandlungspartnern Keppelmüller und Gradwohl bedanken. Ich glaube, es ist uns wirklich ein großer Wurf gelungen. Wir können diesem Gesetz daher mit gutem Gewissen zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser – auf einen


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Bediensteten des Hauses zeigend –: Bei dem mußt du dich auch bedanken! Der hat es auch verdient!)

23.


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77. Sitzung / Seite 252

23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.23

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob es ein Freudentag für das Wasser wird, wird letztlich die Vollzugspraxis zeigen. Wir haben unsere Bedenken in einigen Punkten angemeldet, aber ich gebe zu, es sind einige Verbesserungen enthalten. Ich möchte ausdrücklich etwa §12 Abs. 2 und 3 zitieren. Das ist etwas, was auch ich immer wieder gefordert habe, daß man nämlich keine sehr starre Regelungen bezüglich Stand der Technik macht, weil meines Erachtens hiefür unnütz hohe Investitionen zu tätigen sind, deren Kosten in keiner Relation zum Nutzen stehen. (Abg. Schwarzenberger: Dann können Sie ja zustimmen!)

Wir werden in einer getrennten Abstimmung auch klarmachen, welche Bereiche dieses Wasserrechtsgesetzes wir ausdrücklich unterstützen.

Was ich aber in meinem heutigen Debattenbeitrag anreißen möchte – in zwei, drei Minuten kann man das nicht wirklich behandeln –, ist jene Äußerung, die auch Abgeordneter Auer heute hier gemacht hat, daß nämlich einige Mitgliedsländer der Europäischen Union bereits gezwungen sind, ihre Gülle aufzubereiten, damit sie überhaupt ihren Wasserbedarf decken können. Für mich ist daher verständlich, daß die EU gerade im Begriff ist, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie in Zukunft nicht nur einen qualitativen Einfluß auf das Wassermanagement der Mitgliedstaaten haben wird, sondern daß sie natürlich auch bestrebt ist, einen mengenmäßigen Zugriff auf die Wasserressourcen der einzelnen Mitgliedstaaten zu haben.

Ich rede hier von der EU-Wasserrichtlinie, die offenbar vom Rat diskutiert wird und aus der eindeutig und klar hervorgeht, daß vor allem, was die Nutzung der Wassermengen eines Mitgliedstaates anlangt, in Hinkunft die EU ein gewaltiges Wörtchen mitzureden haben wird.

Ich habe mir diesen Vorschlag geben lassen. Es ist in der Tat so, daß sehr strenge Vorschriften hinsichtlich dieser Nutzung vorgesehen sind. Insbesondere lassen die geforderten Analysen, die nach dem Vorschlag bis zum 31. Dezember 2001 von den Mitgliedstaaten abgegeben werden müssen, einiges erahnen. Da sollen nämlich Analysen über die Entnahme und Verteilung von Süßwasser gemacht werden, über die Sammlung und Entsorgung der Abwässer, über Umfang, Preise und Kosten, über die Aufschlüsselung in die einzelnen Wirtschaftssektoren, Langzeitprognosen von Angebot und Nachfrage, die Ermittlung von Infrastrukturinvestitionen, Trends der Vergangenheit und saisonale Schwankungen.

Mit einem Wort: Es sind sehr genaue Informationen und Daten, die der Europäischen Union zugeleitet werden, und wenn man weiß, daß im Rahmen eines gemeinsamen Bewirtschaftungsplanes dann vor allem auch Oberflächengewässer grenzüberschreitend gemanagt werden sollen, dann nützt auch der Hinweis auf § 130s, den Sie, Herr Bundesminister, in Ihren Aussendungen gemacht haben, nichts, denn ich meine, daß in der Regierungskonferenz das Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen Union abgeschafft werden wird, was bedeutet, daß dadurch auch Österreich von der demokratiepolitischen Situation her oder in bezug auf seine Möglichkeiten in der Europäischen Union sehr eingeschränkt sein wird.

Wir Freiheitliche schlagen daher vor, rechtzeitig Verfassungsbestimmungen oder Staatszielbestimmungen zu schaffen, um den Zugriff der Europäischen Union auf die österreichischen Wasserressourcen zu verhindern, weil ich glaube, daß dieses kostbare Gut für die Zukunft auch ein großes Geschäft für Österreich sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte.

23.27

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben diese Novelle tatsächlich einstimmig beschlossen. Ich bedauere es, daß die Opposition nicht dabei war, um mit uns zu diskutieren, denn ich glaube, daß man über diese Novelle sehr sachlich diskutieren kann und daß sie als dritter Teil eines umfassenden Werkes ein guter Wurf ist. – Herr Kollege Kopf hat das schon ausführlich dargestellt.

Ich sehe an der Deregulierung auch nichts Negatives. Negativ könnte man sie nur deshalb sehen – da habe ich gewisses Verständnis für die Opposition –, weil man, wenn aufgrund von Verfahrensbeschleunigungen etwas weitergeht, wenn Investitionen getätigt werden, die bisher zurückgehalten wurden, und wenn Arbeitsplätze gesichert werden, die Regierungskoalition natürlich nicht mehr so kritisieren kann. (Abg. Ing. Reichhold: Die Drei-Monate-Regelung ist nicht so schlecht!)

Ich muß sagen, Kollege Reichhold, du warst an sich von der Opposition heute eigentlich der Konstruktivste. Ich möchte jetzt nicht auf die Trinkwasserproblematik eingehen, das könnte man gesondert diskutieren, weil wir tatsächlich eines der wasserreichsten Länder Europas sind (Abg. Ing. Reichhold: Gott sei Dank!) und man durchaus in einem gewissen Sinn auch an kommerzielle Verwertung denken könnte. Ich hielte es aber zum Beispiel für sinnvoller, darüber nachzudenken, wie man möglichst wenig Wasser, das vom Himmel fällt, in Kanäle ableitet, sondern wie man es in der Landschaft verteilen kann. Stichwort: Drainkanalisation. Da wäre einiges zu tun. Wir haben damit sicherlich kein Problem. Das kann man vernünftig bereden.

Ich habe auch etwas dagegen, wenn uns die EU vorschreibt, daß wir das tun müssen, aber wir sollten überlegen, inwieweit wir unser Wasser durchaus kommerziell, aber vielleicht auch im Sinne einer internationalen Solidarität nützen können.

Meiner Ansicht nach handelt es sich um eine gute Novelle. Wir haben damit, was die Grundwassersanierung betrifft, auch eine gewisse Hürde im Hinblick auf Hilfe für die Landwirte überschritten. Es fällt damit nun hoffentlich auch ein Argument des Kollegen Achatz in Oberösterreich weg, und er wird sich entschließen, außer den zwei Grundwassersanierungsgebieten, die er verordnet hat, jetzt auch entsprechende Maßnahmen zu setzen. Er könnte damit eine Pilotwirkung erzielen. – Ich glaube, daß wir einen guten Weg gegangen sind.

Ich möchte noch etwas richtigstellen. Herr Kollege Barmüller – an sich sonst immer sehr sachlich – scheint heute ein wenig schlecht vorbereitet gewesen zu sein, da er unterstellt hat, § 33 Abs. 6 gebe es nicht. – Natürlich gibt es den! Das ist genau der Punkt mit den 20 Prozent. Da steht: Im § 33f Abs. 6 entfallen die Wortfolgen "von mehr als 20 vH". (vergl. Pk) Genau das steht drinnen. Der Paragraph an sich ist natürlich neu. Es entfällt eine Passage, die aber entsprechend wichtig und wertvoll ist. (Abg. Auer: Er hat es nicht gelesen! Er war nicht dabei!)

Wenn Kollegin Langthaler – sie kann da nie über ihren Schatten springen – wiederum gesagt hat, beim Gewässerschutzbericht hätte man Glück hinsichtlich der geographischen und der hydrographischen Lage, möchte ich dazu anmerken, daß irgend jemand einmal gesagt hat: So viel Glück kann auch ein Dummer nicht haben! Wenn man die Bilder von 1976 hernimmt (der Redner hält eine Karte in die Höhe) und österreichweit die roten Flecken anschaut und dann dasselbe Bild von 1993/94 betrachtet – wenn man ein aktuelleres hernähme, sähe es noch besser aus –, kommt man zu der Erkenntnis: Das ist das Ergebnis von Investitionen und Maßnahmen. Das ist also nicht Glück, denn so viel Glück kann auch ein Depperter nicht haben! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Man kann die Deregulierung natürlich auch als etwas Negatives und als eine Einschränkung der Rechte der Bevölkerung sehen. Man kann aber auch – wie das Herr Kollege Kopf getan hat – durchaus zu Recht darauf verweisen, daß es in Wirklichkeit eine Entbürokratisierung war. Er hat das ja an vielen Beispielen demonstriert.

Deutlich herausgestellt seien vielleicht auch noch die Indirekteinleiter. Ich finde es gut, daß jetzt die Verbände und Gemeinden dafür verantwortlich sind, daß sie ihren Indirekteinleitern auf die


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Finger schauen können und daß nicht mehr unbedingt die Behörden der Landesregierung und der Bezirkshauptmannschaft ständig prüfen müssen. Es gibt mehr Eigenverantwortung, dafür vielleicht auch strengere Strafen und Überprüfungen.

Ich glaube auch, daß die Erarbeitung dieser Wasserrechtsgesetz-Novelle in allen drei Schritten notwendig war. Der Abänderungsantrag ist natürlich umfangreich, weil es zunächst eine Regierungsvorlage gab. Wir haben diese Regierungsvorlage beraten, wir haben sie in mehrere Tranchen geteilt, weil einiges vorgezogen werden mußte. Es ist ein guter Gesetzentwurf, eine gute Novelle, die notwendig und wichtig war. Wir werden wahrscheinlich noch einen vierten Schritt setzen, in dem wir vielleicht noch auf einige Ungereimtheiten, die uns in der Praxis auffallen, eingehen können.

Auch mein Dank gilt all jenen, die konstruktiv mitgearbeitet haben, allen Mitarbeitern, speziell aus dem Bereich des Landwirtschaftsministeriums, aber auch des Parlaments. Wir stimmen dieser Novelle natürlich auch gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

23.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

23.32

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von Abgeordnetem Keppelmüller angekündigte vierte Schritt zeigt schon, daß bei der Wasserrechtsgesetz-Novelle beziehungsweise beim Wasserrecht weiterhin Handlungsbedarf gegeben ist, denn anstatt eine wirkliche und umfangreiche Überarbeitung und Novellierung des Wasserrechts vorzunehmen, wurde –abgesehen von einigen Verfahrensänderungen und Deregulierungen, die hier genannt wurden – wieder einmal lediglich eine Pflichtübung gegenüber der EU absolviert.

Diese Regierung gibt das in der Regierungsvorlage auch ungeniert zu. So heißt es im dazugehörigen Ausschußbericht: "Durch den Beitritt Österreichs zur EU sind wasserbezogene Regelungen auch für Österreich wirksam geworden." Und weiter: "Zur Vermeidung von Vertragsverletzungsverfahren ist daher eine weitere Anpassung wasserrechtlicher Vorschriften unabdingbar."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierung bemüht sich, in der EU weiterhin als Musterschüler dazustehen, aber um die wirklich dringenden Probleme in unserem Österreich kümmert sie sich kaum. Seit Jahren wird eine generelle Überarbeitung des Wasserrechts und eine Harmonisierung – denn diese Deregulierung ist keine wirkliche Harmonisierung – mit anderen Rechtsmaterien wie etwa dem Gewerberecht oder dem Bergrecht versprochen.

Bereits bei den Budgethearings im Jahre 1994 wurde auf eine diesbezügliche Anfrage von mir versprochen, daß es eine Harmonisierung zwischen dem Wasserrecht und dem Altlastensanierungsgesetz geben werde. Doch das waren – wie viele andere Behauptungen auch – lediglich Ankündigungen, denn in dieser Causa ist bis heute nichts oder fast nichts geschehen, obwohl gerade die Harmonisierung zwischen dem Wasserrechtsgesetz und dem Altlastensanierungsgesetz für viele österreichische Gemeinden sehr wichtig wäre. In den meisten österreichischen Gemeinden bestehen nämlich alte Deponien, die bereits vor 10, 15, 20 Jahren geschlossen wurden, die aber unterschiedlich behandelt werden, und zwar einerseits nach dem Altlastensanierungsgesetz, in dem es nach wie vor heißt, daß diese Deponien keine Priorität hätten, daß sie somit auch keinen Sanierungsfall darstellen, was bedeutet, daß es für die Sanierung auch keinerlei Förderungen gibt, andererseits nach dem Wasserrechtsgesetz, das keine Verhältnismäßigkeit kennt und in dem umfassende Sanierungen bis hin zur Sicherung und auch Räumung vorgeschrieben werden, und zwar auf Kosten der Gemeinden, auf Kosten der Gemeindebürger. Letztendlich sind es also die Österreicherinnen und Österreicher, die die Zeche für die Säumigkeit dieser Bundesregierung bezahlen müssen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie sollten sich meiner Meinung nach weniger um die EU-Anpassungen kümmern, sondern um die Probleme der Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sollten auch möglichst rasch diesen angekündigten vierten Schritt setzen und eine wirkliche Harmonisierung zwischen den einzelnen Gesetzesmaterien vornehmen. – Danke schön. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen .)

23.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzböck. 5 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte.

23.37

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sechsjährigen Erfahrungen in der Vollziehung des Wasserrechtsgesetzes – einer sehr, sehr sensiblen Gesetzesmaterie – haben uns in die Lage versetzt, bei Erhaltung des Schutzzieles die Schutzmechanismen mit dieser Novelle wesentlich praktikabler und schlanker zu gestalten. Wir können aufgrund dieses heutigen Beschlusses in Hinkunft auf mindestens 15 000 Verfahren verzichten.

Aus der Sicht der Landwirtschaft freut es mich, daß wir in konsequenter Fortsetzung der Entwicklung, die wir bereits mit der Novelle vom Dezember 1996 eingeleitet haben, unter Einbeziehung der Umweltprogramme, vor allem des ÖPUL, den 20prozentigen Selbstbehalt für die Landwirtschaft in Sanierungsgebieten nun gänzlich beseitigen können.

Aus einer Reihe von sehr persönlichen Erfahrungen freue ich mich auch besonders, daß im Rahmen der Feldberegnung in Tausenden bis Zehntausenden Fällen von einem Bewilligungsverfahren zu einem Anzeigeverfahren übergegangen wird.

Wer jemals als Praktiker und als Werber um ein Wasserrecht versucht hat, zu einer Bewilligung für einen Feldbrunnen zu kommen und den dicken Akt vorzubereiten hatte, wo man von Brunnen zu Brunnen Gutachten der Grundwasserströme, die im Grunde genommen bekannt sind, immer wieder erbringen muß – auch nach nach fünf Jahren muß dies oft wieder beigebracht werden –, kann verstehen, daß sehr viele Bürger, die vollkommen gleichgesinnt die Schutzmechanismen erhalten möchten, wenig Verständnis dafür haben, daß wir übers Ziel schießen.

Ich meine, wir sollten auch zugeben, daß die Sensibilität, die 1990 zu berücksichtigen war, und der Handlungsbedarf, den wir damals ebenfalls zu berücksichtigen hatten, eben nach einigen Jahren der Vollziehung Erfahrungswerte bringt, die es uns ermöglichen, einen vernünftigen Schritt weiterzugehen.

Für mich als Mitglied des Ausschusses ist im Grunde genommen die Art und Weise, wie die Opposition heute diese Novellierung kommentiert, die beste Bestätigung dafür, daß wir einen guten und einen richtigen Schritt getan haben, denn in der Sache war die Kritik sehr dürftig. Ich freue mich, daß bei einem Gesetz sogar ausnahmsweise einmal auch Anerkennung und im Grunde genommen Genugtuung von Oppositionsabgeordneten geäußert werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Brix. )

23.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Wenitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.40

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im noch bestehenden § 105 Abs. 1 lit. l heißt es: "Im öffentlichen Interesse kann ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen bewilligt werden, wenn zu be


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fürchten ist, daß eine Schädigung wirtschaftlicher Interessen durch nicht ausreichende Berücksichtigung inländischer Erzeugnisse oder des inländischen Arbeitsmarktes eintreten könnte."

Herr Minister! Was bedeutet das? – Das bedeutet nichts anderes als einen Schutz österreichischer Interessen. Beim vorliegenden Entwurf zum Wasserrechtsgesetz wurde jedoch auf die inländischen Erzeugnisse und die inländischen Arbeitnehmer keine Rücksicht mehr genommen! Dieser Text wurde einfach gestrichen!

Herr Minister! Das ist meiner Ansicht nach ein deutliches Anzeichen dafür, daß Sie nicht bereit sind, für österreichische Interessen einzutreten und daß Ihnen in Wirklichkeit die österreichischen Arbeitnehmer egal sind.

Herr Minister! In Ihrer Aussendung vom 20. März des heurigen Jahres klagen Sie darüber, daß in den EU-Wasser-Rahmenrichtlinien für eine gemeinschaftliche Wasserpolitik österreichische Anliegen zu wenig Berücksichtigung finden und daß eine Einschränkung der Verfügungsgewalt Österreichs über seine Wasserressourcen keinesfalls akzeptabel sei. – Soweit, so gut. Mit der nunmehrigen Novelle aber, Herr Minister, wird doch genau das Gegenteil beschlossen: Darin tritt deutlich der vorauseilende Gehorsam gegenüber der EU zutage! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie haben alle Versprechen, die Sie vor der EU-Abstimmung abgegeben haben, eine Vorreiterrolle in der EU übernehmen, mehr Arbeitsplätze schaffen zu wollen, offensichtlich vergessen. Die Interessen der österreichischen Produzenten und Arbeitnehmer werden durch dieses neue Wasserrechtsgesetz geschädigt. Es ist beschämend, wie die Österreicher von Ihnen an der Nase herumgeführt werden!

Mit § 32 Abs. 3 wurde trotz heftiger Proteste von Bürgern und Umweltexperten beziehungsweise auch der Umweltlandesräte – ich möchte da etwa den niederösterreichischen Landesrat Blochberger anführen, der damals sehr gegen die damaligen Rückverpressungen der ÖMV in Aderklaa gewettert hat – jetzt ein gesetzlicher Rahmen dafür geschaffen, daß diese Rückverpressungen ohne Bewilligung der Wasserrechtsbehörde vom Landwirtschaftsminister unter bestimmten Voraussetzungen genehmigt werden können. Was bedeutet das? Welcher Art sind diese bestimmten Voraussetzungen? Was sind diese Voraussetzungen wert, wenn man den Lobbyismus in Betracht zieht, der in unserer Regierung heute herrscht, demzufolge Betriebe wie die ÖMV oder auch Schotterbarone ohne Wenn und Aber begünstigt werden? Meine Damen und Herren! Dies bedeutet in Wirklichkeit eine Entmachtung der Länder und ihrer Behörden, und dem werden wir Freiheitliche sicher keine Zustimmung geben, das sage ich Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich will hier nicht nur Kritik anbringen. Ich gebe gerne zu und bin erfreut darüber, daß einige Punkte in diesem Gesetz enthalten sind, die in Zukunft Erleichterungen schaffen werden. Erfreulich ist für mich als Bauer unter anderem natürlich, daß nach § 33 Abs. 6 betreffend den 20prozentigen Selbstbehalt für die Bauern nun endlich eine langjährige freiheitliche Forderung meiner Kollegin Aumayr teilweise berücksichtigt wurde. Ich sage "teilweise" deshalb, da wir Freiheitliche erstens den Entfall des Selbstbehaltes ohne Wenn und Aber einfordern und zweitens die Bauern für ihren Einkommensentgang 100prozentig entschädigt werden müssen. (Zwischenruf des Abg. Amon. ) Ja, diesem Punkt werde ich zustimmen, darum werden wir heute eine getrennte Abstimmung verlangen!

Meine Damen und Herren! Ich wende mich in diesem Fall besonders an die Bauernvertreter von der ÖVP, die da oben immer so laut sind: Sie haben aus der Forderung der Freiheitlichen, eine Bestimmung ohne Wenn und Aber zu schaffen, eine Kann-Bestimmung gemacht!

Es gibt einige Punkte in dieser Wasserrechtsgesetz-Novelle, die meine Zustimmung finden werden. Wir werden auf alle Fälle getrennte Abstimmung verlangen. Ich hoffe, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß Sie nicht in Zukunft einige Punkte, die Sie heute beschließen, bitter bereuen werden! (Beifall bei den Freiheitlichen .)

23.45


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77. Sitzung / Seite 256

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

23.45

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Ausführungen des Kollegen Schwarzböck anschließen.

Natürlich hat es in der Vergangenheit Probleme mit der Auslegung und der Umsetzung gegeben. Es war nicht egal, wo ähnliche Vorhaben eingereicht wurden, es war von Bundesland zu Bundesland verschieden, und es gab auch zwischen den Bezirken Unterschiede. Gerade in Niederösterreich haben wir in der Vergangenheit öfters erlebt, daß es bei den Bezirkshauptmannschaften und bei den Ländern eine gewisse Fluktuation der zuständigen Juristen gegeben hat, das heißt, daß ein wasserrechtliches Verfahren quasi zwei bis drei Juristen "verbraucht" hat. Und der jeweils neue Jurist hatte neue Vorstellungen und neue Zweifel, es mußten neue Gutachten für den neuen Juristen erstellt werden, es gab neuerliche Vertagungen und schließlich zusätzliche Kosten. Ich glaube, daß mit dieser Deregulierung – es handelt sich zweifelsohne um eine solche – ein Beitrag zur Verfahrensvereinfachung geleistet wird.

Ich schließe mich auch den Ausführungen des Kollegen Keppelmüller an, der gemeint hat, daß es zu einer vierten Novelle kommen wird. Ich sehe darin aber nichts Schlechtes, ich erachte das nicht als Nachteil: Ein Materiengesetz muß laufend an neue Gegebenheiten und neue Erkenntnisse angepaßt werden.

Dazu eine Anregung: Mir fehlt zum Beispiel im Wasserrechtsgesetz etwas Wesentliches, was auch in der heutigen Diskussion zur Sprache kam, nämlich Definitionen und Begriffsbestimmungen, und ich hoffe, daß diese Definitionen in der nächsten Novelle enthalten sein werden.

Ich führe hier als Beispiel die Definition des Begriffes "Grundwasser" an: Was ist Grundwasser eigentlich? – Die EU-Richtlinie gibt uns eine Definition vor: alles unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder Untergrund steht. – Das ist eine Definition, die in der Praxis nicht sehr griffig ist. Wir haben auch eine österreichische Definition: Grundwasser ist alles Wasser von der Erdoberfläche bis zum Erdmittelpunkt. – Diese Definition ist aber auch nicht der Stein der Weisen, denn damit führen wir das Wasserrecht selbst in einigen Teilbereichen ad absurdum. Denn was würde das bedeuten? – Wenn wir das wirklich ernst nehmen und umsetzen, dann bedeutet das, daß wir das Hydrographiegesetz bis zum Erdmittelpunkt exekutieren müssen. Dann müßten wir Kontrollpegel bis zum Erdmittelpunkt errichten und müßten schließlich und endlich auch die Grundwasserschwellenwert-Verordnung bis zum Erdmittelpunkt einhalten. Das ist technisch Nonsens und nicht machbar! Das ist weder im Sinne des Gesetzgebers noch im Sinne der Exekutive!

Wenn wir theoretisch abteufen, also hinuntergehen, dann kommen wir zu Wässern, die einen Kohlenwasserstoffgehalt aufweisen, der die 0,06 Prozent der Grundwasserschwellenwert-Verordnung deutlich überschreitet, nämlich bis 90 oder 95 Prozent Kohlenwasserstoffgehalt. Solche Wässer werden Erdöllagerstätten genannt, und um diese Erdöllagerstätten auszubeuten, ist es notwendig, sie an die Oberfläche zu bringen und die Wässer abzutrennen. Und dann hat man bei den österreichischen Förderungen 10 Millionen Hektoliter Salzwasser. Frau Kollegin Aumayr! Wenn Sie hier polemisieren, dann frage ich Sie: Was tun wir mit 10 Millionen Hektolitern Salzwasser? Gehen wir zurück in die fünfziger Jahre, als dieses Salzwasser in den Vorfluter geleitet und dann in den Bach gegangen ist, oder pressen wir dieses Salzwasser wieder zurück? Ich finde es extrem unseriös, wenn Sie hier einen Artikel der "Salzburger Nachrichten" zitieren, in dem es heißt, daß "Hopfen und Kraut durcheinander gehaut" werden. Sie hätten es so einfach gehabt, Kollegin Aumayr! Zwei Reihen hinter Ihnen sitzt Herr Schöggl, der versteht etwas davon, Sie hätten ihn nur fragen zu brauchen, wie das funktioniert! Mir fehlt jetzt die Zeit, hier eine Vorlesung über den Erdöl-Bergbau zu halten. (Abg. Aumayr: Ersparen Sie mir das!)


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Aber wenn Sie meinen, daß diese salzhaltigen Wässer nicht mehr einzupressen und nicht mehr zu gewinnen sind, dann fordern Sie hier vom Rednerpult aus die Einstellung des Erdöl-Bergbaues in Österreich! Das ist dann eine klare Aussage, bei der sich jeder auskennt!

Frau Kollegin Langthaler würde das wahrscheinlich ins Konzept passen! Aber wenn auch Ihre Partei, die FPÖ, die sogenannte Wirtschaftspartei, jetzt auf einmal dafür eintritt, den Erdöl-Bergbau umzubringen, dann sagen Sie das hier auch! (Beifall bei der SPÖ.)

Interessant ist auch die Unterstellung, daß die OMV Lobbying betreibe. Damit hätte man bereits in den siebziger Jahren beginnen müssen, denn genau das, was Sie bekritteln, steht bereits in einer EG-Verordnung aus dem Jahre 1980 und wurde in dieser Anpassung umgesetzt. Wir haben trotzdem noch Probleme, das füge ich hinzu. Wenn man aus verschiedenen Horizonten fördert – auch zu diesem Punkt bitte ich Sie, Kollegen Schöggl zu befragen –, gemeinsam aufbereitet, Spalter zusetzt, weil das sonst nicht funktioniert, dann kann man schwer in die geographisch gleiche Grundwasserschicht zurückpressen. Ich sehe es daher so, daß mit derselben Grundwasserschicht chemisch ähnliche Wässer gemeint sind, das heißt, daß wieder in Salzwasser eingepreßt wird.

Bleiben wir bitte beim Wasserrecht bei einem Begriff von Grundwasser, den jeder normale Mensch versteht, bezeichnen wir damit das oberflächennahe Grundwasser. Aber auch in diesem Zusammenhang gibt es Handlungsbedarf. Anhand des Gewässerschutzberichtes, der meiner Ansicht nach sehr bedeutend ist, müssen wir feststellen, daß ein Gebiet von 870 km2 , das Marchfeld, für welches wir seit 35 Jahren eine Rahmenverfügung haben, als Sanierungsgebiet ausgewiesen ist. Herr Minister! Wir brauchen für Gebiete wie das Marchfeld und das nordöstliche Weinviertel, die im Gewässerschutzbericht als die letzten Gebiete ausgewiesen sind, die noch Gewässer der Güteklasse III bis IV haben, tatsächlich Hilfe. Setzen wir diese Novelle im Zusammenhang mit der Entschließung, die das Hohe Haus verabschieden wird, für die Sanierung der Gewässer, die tatsächlich geschützt werden müssen, und nicht für Utopien der Frau Aumayr ein! (Beifall bei der SPÖ.)

23.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Horngacher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.53

AAbgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Barmüller hat vorhin gesagt, daß es einen § 33f Abs. 6 nicht gibt. (Abg. Mag. Barmüller: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe Abgeordneten Auer nur gesagt, daß er nicht etwas zitieren soll, was es gar nicht mehr gibt!) Er entfällt nur im neuen Gesetz. (Abg. Ing. Langthaler: Barmüller ist Jurist!)

Frau Abgeordnete Langthaler! Im Gewässerschutzbericht wird festgestellt, daß die Situation wesentlich besser geworden ist, und darauf kommt es in erster Linie an! Und diese Verbesserung ist darauf zurückzuführen, daß sehr viel Geld investiert wurde.

Der nun vorliegende Gewässerschutzbericht dokumentiert zahlreiche positive Veränderungen in den letzten Jahren. Österreichweit ist der Anschlußgrad der Abwasserreinigungsanlagen von 71 auf 75 Prozent der Einwohner gestiegen, in Tirol sogar auf 85 Prozent. Dadurch ist die Wasserqualität wesentlich verbessert worden. Durch die Ringleitungen ist auch die Wasserqualität der Seen gestiegen.

Mit der Erhebung der Abwasserentsorgung der Alpinhütten, die auch ein großes Problem darstellt, liegt nun die Grundlage für eine rechtliche, wirtschaftliche und finanzielle Beurteilung vor. Es gibt einen gewaltigen Bedarf an Investitionen.

Ein Problem, das noch nicht zufriedenstellend gelöst ist, ist sicherlich die Behandlung des Klärschlammes. Die billigste Art der Entsorgung ist, diesen auf landwirtschaftlichen Böden auszubringen. Als Bauernvertreterin bin ich jedoch sehr dagegen, daß man das tut, denn Klärschlamm enthält Schwermetalle, und es gibt noch eine Reihe anderer Substanzen, die dem


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Boden bei regelmäßigem Auftrag schaden und auch das Gedeihen der Pflanzen beeinträchtigen.

Unlängst gab es eine Initiative der Freiheitlichen und der SPÖ in Kärnten. Sie wollten eine Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz beschließen, die zum Inhalt hatte, Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Böden auszubringen. Damit könnte man – so die Initiatoren – die Abwasserreinigung für die Bürger wesentlich billiger gestalten. Dieser Antrag fand dann jedoch keine Mehrheit. (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. ) Ich empfinde diesen Vorstoß geradezu als Zynismus. Haben Sie denn noch nicht begriffen, was wir durch die BSE-Katastrophe lernen konnten, daß nämlich vieles, was kurzfristig schnellen Erfolg bringt und kurzfristig gesehen folgenlos bleiben könnte, langfristig, für künftige Generationen, zum Verhängnis werden kann? – Wir Bauern haben in der Zwischenzeit mit Umweltproblemen unsere Erfahrungen gemacht! Wir waren es, die nach Tschernobyl Heu nicht mehr verfüttern durften, die das Gemüse einackern mußten. Wir waren es auch, die im Raum Brixlegg Milch nicht mehr liefern durften, weil die Grenzwerte überschritten waren. Wenn es Probleme gibt, dann fragt niemand, wer schuld daran ist. Dann werden die Produkte nicht mehr gekauft, und den Schaden haben wir Bauern!

Zum Wasserrechtsgesetz ist zu sagen, daß es ein großer Schritt zur Entbürokratisierung ist. Es ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich und bringt viele Verfahrensvereinfachungen, jährlich sollen es etwa an die 100 000 sein. Diese Novelle wird aufgrund der hohen umweltpolitischen Standards, die bei den Verhandlungen eine große Rolle gespielt haben, keine negativen Auswirkungen auf die hohen Schutzziele des Wasserrechtes haben. Die Bürger des Landes werden jedoch von unnötigem Bürokratismus befreit, und das, Herr Minister, ist dankenswert! (Beifall bei der ÖVP.)

Der Gewässerschutzbericht dokumentiert umfangreich eine Standortbestimmung Österreichs innerhalb der Europäischen Union. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die weitgehenden Verbesserungen der letzten Jahre fortzusetzen. Denn Wasser ist ein sehr hohes Gut und ist zu schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

23.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Tychtl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

23.58

Abgeordneter Ing. Gerald Tychtl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich habe mir vorgenommen, nur zwei Dinge anzureißen, und das in aller Kürze.

Mir geht es zum Thema Wasserrechtsgesetz-Novelle beziehungsweise Gewässerschutzbericht um die Thematik Wasserqualität im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Produktion. Ich habe mir vorgenommen, beide Seiten dieser Medaille zu betrachten, und ich möchte mit der Feststellung beginnen, daß gerade der biologische Landbau in Österreich ein sehr wesentlicher Faktor ist, wenn man dieses Problem aufarbeiten möchte. Ich glaube, Österreich hat mit seinen mehr als 20 000 biologisch wirtschaftenden Bauern eine Spitzenposition auf diesem Gebiet in Europa. Bereits seit 1983 bestehen rechtsrelevante Regelungen für den biologischen Landbau in unserem Land. Der Biolandbau ist damit ein wichtiger Bestandteil der gesamteuropäischen Agrarreform.

Was bedeutet nun biologischer Landbau? –- Unter anderem darf nur organischer Stickstoffdünger, also Kompost, Mist oder Gründünger, verwendet werden. Chemische, synthetische Pestizide sind verboten. Pro Hektar Betriebsfläche dürfen höchstens zwei Großvieheinheiten an Nutztieren gehalten werden.

Ich möchte betonen, daß das jene Ansätze des biologischen Landbaues sind, die vielfältige positive Auswirkungen auf die Umweltsituation und damit natürlich auch auf das Wasser haben. Wichtig dabei sind die Frage der Entschärfung der Nitratproblematik und das Verbot des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pestiziden.


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Die biologische Landwirtschaft ist somit die umweltgerechte Landwirtschaftsreform schlechthin. Das gilt insbesondere für den großen Problembereich Grundwasser. Ich meine daher, daß der biologische Landbau einen nicht zu unterschätzenden Lösungsansatz für die Bewältigung vielfältiger Probleme aller bäuerlichen Betriebe in Österreich bietet und in Zukunft verstärkt darstellen sollte und könnte.

Wenn ich mein Bundesland, die Steiermark, betrachte, dann kann ich feststellen, daß bereits 3 400 Landwirte – man stelle sich vor: 1980 waren es nicht einmal 100! – auf Biolandwirtschaft umgestellt haben. Laut Statistik der Steiermärkischen Landwirtschaftskammer sind das 8 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe. Wir liegen damit genau im österreichischen Schnitt.

Laut Gewässerschutzbericht 1996 liegt Österreich, gemessen an den EU-Staaten, bei der Abwasserreinigung im Mittelfeld. Wir konnten in Österreich auch den Anschlußgrad an öffentliche Kanalnetze von 71 Prozent im Jahre 1991 auf 75 Prozent aller Haushalte anheben. Es wäre zu wünschen, daß wir in den nächsten zehn Jahren diesen Anschlußgrad noch weiter, und zwar auf 80 bis 85 Prozent, erhöhen könnten.

An dieser Stelle ist es wohl recht und billig, auch die Kehrseite der Medaille zu betrachten und diese Problematik nicht zu verschweigen, weil sie weltweit gilt und daher auch für uns von Relevanz ist. Die Landwirtschaft kommt – und das ist ein besonderes Problem – im Zusammenhang mit dem Trinkwasser, welches letztendlich ein Gut ist, das wir nicht hoch genug einschätzen können, mehr und mehr ins umweltpolitische Blickfeld. Umso wichtiger ist es, daß die konventionelle Landwirtschaft versucht, die Verursachung von Wasserschäden vor allem durch die Art der Düngung, des Pestizideinsatzes und der Tierhaltung hintanzuhalten.

Anfang dieses Jahres wurde der erste globale Umweltbericht der Vereinten Nationen vorgelegt, in dem darauf hingewiesen wird, daß die Ressourcen der Erde weiterhin stärker geplündert werden, als sie sich regenerieren können – und das vor allem im Bereich des Trinkwassers. Ich glaube, wir in Österreich sind uns dessen gar nicht bewußt, welchen Reichtum wir mit unserem Trinkwasser haben. Umso stärker sollten wir uns dieses Reichtums aber auch gewahr werden und diesen Reichtum schützen. Es ist ein Irrtum, wenn man, wenn über das Trinkwasser diskutiert wird, meint, es handle sich um Probleme der Dritten Welt. Gerade auch wir in Europa haben mehr Trinkwasserprobleme, als manche meinen.

Laut Europäischer Umweltagentur werden auf einem Großteil der Agrarflächen die geltenden Höchstwerte für die Belastung mit Nitraten und Pestiziden überschritten. Nicht umsonst hat bereits im Jahre 1995 Ken Collins, der Obmann des Umweltausschusses des Europäischen Parlamentes, darauf hingewiesen, daß beispielsweise die Höchstmenge der Pestizide auf 75 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen deutlich überschritten wird.

Es ist bemerkenswert, wenn man sich einliest und feststellt, daß auch in Österreich 400 000 Menschen mit Wasser versorgt werden, dessen Pestizidgehalt über den derzeitigen gesetzlichen Grenzen liegt. Für mindestens 120 000 Einwohner in Österreich ist der derzeit gültige Nitratwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter überschritten. – Ich glaube, das zeigt die Problematik deutlich auf und zeigt auch auf, wo wir den Hebel ansetzen müssen.

Auch in den Untersuchungen des Landwirtschaftsministeriums wurden wir darauf hingewiesen, daß die Pestizidbelastung ausschließlich und die Nitritbelastungen des Grundwassers zu 60 bis 80 Prozent von der Landwirtschaft verursacht werden. Auch das ist ein Hinweis darauf, daß in Richtung biologischer Landbau umgestellt werden muß. – Da ist der Ansatz vorgezeichnet, wir sollten diesen auch nützen!

Sanierungsmaßnahmen sind meiner Meinung nach eingeleitet. Sie greifen nicht überall so schnell, wie wir uns das wünschen würden, aber der erfreulicherweise überaus hohe Grad der Teilnahme unserer Bauern, auch der Bauern aus der Steiermark, am Öpul-Programm, dem österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft, läßt mich durchaus positiv in die Zukunft blicken. Unter diesem Aspekt sollten wir diesen Bericht zur Kenntnis nehmen und uns


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für die Zukunft sicher sein, daß unsere Bauern den richtigen Weg beschreiten werden! (Beifall bei der SPÖ.)

0.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

0.04

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie auch mir noch einige Überlegungen zum Gewässerschutzbericht 1996.

Das herausragende Ergebnis für mich ist, daß 72 Prozent unseres Gewässernetzes Güteklasse 1, 1 bis 2 oder 2 aufweisen. Das heißt, es gibt keine beziehungsweise nur geringfügige Verschmutzungen. Einer meiner Vorredner, Kollege Keppelmüller, hat bereits auf diesen Umstand hingewiesen. Ich führe – wie er das getan hat – diese Situation nicht nur auf das Glück, das wir haben, zurück, sondern sehe sie als erfolgreiches Ergebnis der Umweltpolitik unserer Koalitionsregierung.

Es ist dies aber nicht nur das Ergebnis der Leistungen dieser Koalition, sondern vor allem auch der Kommunen. Milliardenbeträge wurden in den letzten Jahren in die Abwasserreinigung investiert. Ich erspare Ihnen auch nur Auszüge aus der Erfolgsbilanz meines Bundeslandes Niederösterreich. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß neben Bund und Land vor allem der Bürger ganz besonders gefordert wurde. Es waren in den Gemeinden drastische Erhöhungen bei den Kanalanschluß- und Benützungsgebühren erforderlich. Meine Gemeinde mußte zum Beispiel innerhalb von drei Jahren den Berechnungssatz von 4,60 S auf 17 S anheben, also beinahe vervierfachen. An die Bevölkerung werden also große Anforderungen gestellt. Und obwohl auch in meiner Gemeinde die Freiheitlichen dagegen polemisieren, steht die Bevölkerung zu diesen Abgaben und vor allem zu den Investitionen, die damit finanziert werden!

Ich möchte mich von dieser Stelle aus ganz besonders für das Verständnis unserer Bürger und für ihren Weitblick bedanken. Es ist uns bewußt – und auch die Bevölkerung sieht das so –, daß wir damit einen entscheidenden Schritt in die eigene Zukunft setzen. Wir gewährleisten damit, daß auch die Generationen nach uns sauberes Wasser und eine intakte Umwelt vorfinden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

0.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brix. – Bitte.

0.07

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben es heute im Zuge dieser Debatte schon mehrmals gehört: Die Wasserrechtsgesetz-Novelle, die 1990 beschlossen wurde, war eine sehr gute Novelle. Diese gute Novelle wird jetzt durch eine noch bessere ersetzt. Das ist eigentlich schön, darüber kann man sich freuen! Und da weitere Verbesserungen möglich sind, werden wir sicherlich auch noch einen vierten Schritt setzen. Fortschritt, Dr. Salzl, ist nichts Schlechtes, sondern führt zu Besserem. Daher muß man zukunftsorientierte Schritte setzen, denn ein Gesetz kann nicht auf einem gewissen Status quo stehenbleiben.

Meine Damen und Herren! Durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 ist es uns gelungen, im Laufe der Jahre wirklich ganz ausgezeichnete Güteklassen bei den Gewässern zu erzielen, vor allem bei fließenden Gewässern. – Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu nutzen, kurz anzumerken: Wenn wir in Österreich heute vorwiegend Flüsse mit einer hervorragenden Wassergüte haben, so verdanken wir das auch den Kommunen, die mit dem Bau von Kläranlagen dazu beigetragen haben. – Lassen Sie mich als Wiener Abgeordneter ein Beispiel aus meinem Bezirk anführen.

In der Großkläranlage der Bundeshauptstadt Wien in Simmering wird das Wasser zu 85 bis 87 Prozent geklärt. Ich halte es daher – das sage ich heute wieder – für überflüssig, den Klärungsgrad noch weiter zu verbessern. Denn was würde es bedeuten, wenn wir auf über


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90 Prozent kommen? – Die Wassergüte des Donauwassers unterhalb von Wien ist schon jetzt hervorragend, es handelt sich hiebei um herrliches Badewasser! Es gibt dort Wassergüteklasse 2. Wenn wir noch weiter klären, kostet das zwar eine Menge Geld, bringt aber in weiterer Folge nichts: Weiter im Osten wird der ganze Dreck in die Donau geleitet, das Wasser wird dort nicht geklärt. Daher wäre es besser, dieses Geld für andere Maßnahmen im Umweltbereich zu verwenden. Kollege Kummerer hat eine hervorragende, fachspezifische Rede von hoher Qualität gehalten und hat gesagt, daß es noch einige Gebiete in Österreich – zum Beispiel in seinem Bezirk – gibt, wo es notwendig ist, Gewässer zu sanieren.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen: Mit dieser Wasserrechtsgesetz-Novelle wird ein weiterer Schritt in Richtung Umweltverbesserung gesetzt. Ich stehe nicht an, dem Bundesminister für Landwirtschaft dazu zu gratulieren. Er ist ein Teil dieser Umweltbewegung, durch welche es uns ermöglicht wird, in einer gesunden Umwelt zu leben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kröll. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

0.10

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Hohes Haus! Wenngleich es sehr spät ist – schon nach Mitternacht, und ich glaube, ich bin der letzte in der Rednerliste –, sei es mir trotzdem gestattet und möglich gemacht, daß ich noch, weil so viele Bürgermeister auf diesen heutigen Tag gewartet haben, als einer von ihnen und auch im Namen des Gemeindebundes hier an dieser Stelle Dank sage. Herr Minister, dir einen herzlichen Dank, desgleichen deinen Mitarbeitern, dir, lieber Freund Jakob Auer, den Kollegen vom Regierungspartner und allen, die daran mitgewirkt haben!

Denn eines hat diese Wasserrechtsgesetz-Novelle 1997 ganz sicherlich gebracht und wird sie noch bringen: Nach den dringenden Fristanpassungen im Dezember des Vorjahres, der jüngsten Einigung über die Übergangsbestimmung für die Deponien im April 1997 werden in dieser Novelle wesentliche Dinge erledigt. Der hohe Umweltstandard wird beibehalten – ganz im Gegensatz zu dem, was Kollegin Langthaler gesagt hat –, die Beachtung der Machbarkeit findet Eingang, die Deregulierung wird endlich begonnen – es wäre gut, wenn sie nicht nur hier begonnen werden würde –, das Verfahrensvereinfachungsprinzip bringt hier wirklich erhebliche Abhilfe, bringt Kostenersparnis, und die Flexibilisierung des Standards der Technik ist eine alte Forderung gerade der Gemeinden, die nunmehr verwirklicht wird. Die Verhältnismäßigkeit wird damit angesprochen, und die praxisbezogene Umsetzung wird dem Umweltschutz mehr dienen, als sie ihm schadet, wie das heute von Oppositionsrednern befürchtet wurde.

Ich glaube daher, daß man ganz einfach sagen muß, daß es, Kollege Barmüller, nicht stimmt, daß von Kollegen Auer und allen im Ausschuß keine ernstzunehmende Arbeit geleistet wurde, sondern das Gegenteil ist wahr und richtig. Zu Frau Kollegin Langthalers Ausführungen ist noch einmal zu sagen, daß es nicht ein Rückschritt, sondern in meinen Augen durchaus ein Fortschritt ist. (Abg. Mag. Barmüller: Dann denken Sie an den § 4a!)

Trotzdem stellt alles zusammen einen erheblichen Fortschritt dar. Das kann man drehen und wenden, wie man will. Wenn man, wie die Bürgermeister, in der Praxis Tag für Tag mit diesen Dingen lebt, kann man nur sagen: Diese Novelle hat einen erheblichen Fortschritt gebracht!

Ich danke vielmals all jenen, die daran mitgewirkt haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

0.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich noch Herr Bundesminister Mag. Molterer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

0.13

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz. Ich glaube, die wesentliche


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Weichenstellung mit dieser Wasserrechtsgesetz-Novelle ist wohl darin zu sehen, daß es gelungen ist, in einem vernünftigen Dialog und Diskurs das Schutzziel des Wasserrechtes aufrechtzuerhalten und gleichzeitig massive und wesentliche Schritte zur Deregulierung, zur Vereinfachung und zur Kosteneinsparung zu setzen.

So gesehen halte ich dieses Gesetz, das von Ihnen, meine Damen und Herren, heute beschlossen werden wird, auch für vorbildlich für andere Rechtsmaterien. Es wird gelingen, für die Verwaltung, insbesondere für die Länder, für die Gemeinden, aber auch für die Unternehmen und für die Bürger wesentliche Kosteneinsparungen zu erzielen. Wir rechnen – wie heute schon gesagt – alleine mit Verwaltungsersparnissen in der Größenordnung von etwa 150 Millionen Schilling.

Es sind auch wesentliche Vereinfachungen beinhaltet. So etwa war es bisher für ein Fotogeschäft, das Filme entwickelt, notwendig, die wasserrechtliche Bewilligung beim Landeshauptmann zu erhalten, während die Gewerbeordnung eine Bewilligung bei der Bezirkshauptmannschaft vorgesehen hat. Das wird nun konzentriert, und beide Bewilligungen für die Unternehmen sind in der Bezirksverwaltungsbehörde zu erhalten.

Ganz entscheidend ist, daß die wasserrechtliche Bewilligung für die Indirekteinleiter nicht mehr notwendig ist, weil es wohl eigenartig wäre, daß für einen kleineren Betrieb, der in eine genehmigte Kanalisation einleitet, die in eine genehmigte Abwasserentsorgung mündet, die Einleitung an sich noch einmal genehmigt werden müßte. Das ist widersinnig, und im neuen Gesetz ist daher ein Meldeverfahren normiert.

Wesentlich ist, daß die Verordnungsermächtigung im neuen § 12a nun auch neue Möglichkeiten für die Kleinanlagen oder etwa für die Beregnungen bietet.

Das sind die wesentlichsten Teile.

Ich bin auch dankbar, daß Frau Abgeordnete Langthaler etwa die Frage der kommunalen Abwasseranlagen, der dezentralen Abwasseranlagen angesprochen hat, weil diese Novelle auch diesbezüglich in die richtige Richtung geht.

Gestatten Sie mir abschließend, meine Damen und Herren, daß auch ich mich für die gute Zusammenarbeit, insbesondere auch mit den Beamten des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, bedanke.

Gestatten Sie mir auch ein sehr deutliches Wort an Frau Abgeordnete Aumayr. Ich stelle mich schützend vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ressorts hin, weil die Beamtinnen und Beamten des Ressorts es nicht verdienen, in einer Art und Weise, wie Sie es heute gemacht haben, abqualifiziert zu werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Das ist nicht Ihr Ressort! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

0.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung, wobei wir über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 727 der Beilagen.

Hiezu hat Frau Abgeordnete Ing. Langthaler ein Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich einiger Bestimmungen gestellt.


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Weiters haben die Abgeordneten Ing. Reichhold und Aumayr ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ich werde zunächst über die von dem Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Meine Damen! Frau Kollegin Jäger! Ich bitte um Aufmerksamkeit! (Abg. Schieder: Die Kollegin Jäger ist brav gesessen! Das war eine andere Kollegin!) Ich habe zwei Damen gesehen und eine davon erwähnt, wenn Sie nichts dagegen haben, Herr Abgeordneter. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Khol: Das war die Hagenhofer!)

Wir stimmen ab über Artikel I Ziffern 2, 15 § 31a Abs. 1, 3 bis 5, 16a, 19 § 32a Abs. 1, 2 und 4, 24a, 25, 54a, 55b § 134 Abs. 7 sowie Z 60 Anhang C in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Die von mir genannten Bestimmungen sind mehrheitlich angenommen worden.

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über Artikel I Ziffern 3, 10a, 33, 36 a bis h und 38 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch diese von mir genannten Bestimmungen sind mehrheitlich angenommen worden.

Ich lasse nunmehr über Artikel I Ziffern 18, 36i, 39, 41, 47 und 50 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit. Diese Bestimmungen sind mehrheitlich angenommen worden. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Herr Abgeordneter Gaugg! Ich glaube, es wäre sinnvoll, sich wenigstens bei der Abstimmung ein bißchen zu konzentrieren.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung für diesen Gesetzentwurf ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über die dem Ausschußbericht 727 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen. (E 61.)

Jetzt stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-72 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Kenntnisnahme erfolgt mehrheitlich.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 729 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.


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Schließlich lasse ich abstimmen über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 730 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

18. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (680 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (747 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung findet nicht statt; es wurde auf sie verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Mag. Schreiner das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

0.22

Abgeordneter Ing. Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Bundesminister, mit dieser Regierungsvorlage liefern Sie ein Lehrstück, wie man ein Monopol verteidigt, obwohl man an sich als Bundesminister für Finanzen der Marktwirtschaft das Wort reden sollte.

Herr Bundesminister! Wie kommt es, daß im ersten Entwurf einer Regierungsvorlage, die aus Ihrem Ministerium kommt, ein Grundkapital mit 100 Millionen Schilling dargelegt wird, dann auf einmal aber ein Austauschblatt verwendet und dieses Grundkapital einer Aktiengesellschaft auf 500 Millionen Schilling aufgestockt wird? Dann kommt es zu wüsten Protesten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten spricht davon, daß dies mit Entschiedenheit abgelehnt werde, da die Mindestkapitalausstattung ausreichend sei. Der Gemeindebund sagt, damit werde eine Monopolstellung eines privaten Betreibers noch weiter gestärkt. Die Burgenländische Landesregierung meint, dies sei eine unzulässige Marktzugangsbeschränkung, denn das Grundkapital wäre mit 500 Millionen Schilling unzulässig hoch. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten spricht davon, daß es eine vergleichbare Zugangsbeschränkung in Europa nicht gebe. Das wäre daher EU-bedenklich.

Herr Bundesminister! (Abg. Böhacker: Er hört Ihnen nicht zu!) Was muß man davon halten, wenn von Ihnen anscheinend ein Monopol verteidigt wird, indem sich in einer wirtschaftlich wirklich beinahe niederträchtigen Art und Weise der Gesetzgeber immer danach richtet, was knapp vorher in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft an Grundkapital festgelegt worden ist? Sie sagen dann: Dieses Grundkapital, das diese AG festlegt, ist das Grundkapital, das ich normiere, damit ein anderer Betreiber eine Konzession bekommt. Frei nach dem Motto: Die Casinos Austria AG legt ein Grundkapital in einer Hauptversammlung fest, und nachher kommt der Gesetzgeber und sagt: Dieses Grundkapital ist für mich die Basis dafür, daß ein anderer Mitbewerber keine Konzession bekommt. Damit perpetuieren Sie ein Monopol in einer Art und Weise, die in einer freien Marktwirtschaft ökonomisch unverträglich ist. Herr Bundesminister für Finanzen! Das muß man von dieser Stelle aus einmal klar sagen und feststellen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Rosemarie Bauer: Das müssen Sie nicht zu dieser frühen Morgenstunde!)

Anscheinend hat Sie im Ausschuß doch etwas der Mut verlassen, denn infolgedessen, daß die Proteste offenbar doch zu massiv waren, kam es zu einem Abänderungsantrag, wonach dieses Grundkapital von 500 Millionen jetzt wieder auf 300 Millionen herabgesetzt wird.

Herr Bundesminister für Finanzen! Ich weiß schon, daß die Casinos Austria AG eine sehr wichtige Aufgabe hat und daß dieses Geschäft ein sehr risikoreiches ist (Abg. Ing. Meisch


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berger: Herr Präsident! Was ist das schon wieder? Der Herr Bundesminister führt dauernd Gespräche!) , aber werden Sie – wir haben gerade in den letzten Wochen und Monaten in diesem Haus sehr lange über Banken diskutiert – in Hinkunft auch das Bankwesengesetz ändern, um das dort normierte Grundkapital von derzeit mindestens 70 Millionen Schilling ebenfalls auf 300 Millionen Schilling anzuheben?

In Österreich kann man eine Bank mit 70 Millionen Schilling Grundkapital betreiben, die Casinos Austria AG benötigt 500 Millionen, jetzt reduziert 300 Millionen. Warum eigentlich? Diese Antwort sind Sie uns im Ausschuß schuldig geblieben. Ich hoffe, Sie werden uns diese Antwort heute nicht wieder schuldig bleiben.

Aber mir ist schon klar, warum das alles so ist, Herr Bundesminister für Finanzen. 34 Prozent Anteile der Casinos Austria AG hält die Lotto-Toto GesmbH, 7 Prozent dieser Lotto-Toto GesmbH hält der öffentlich-rechtliche Rundfunk ORF. Und wenn ich mir eine interne Mitteilung eines Generalintendanten (Abg. Böhacker: Intendant Zeiler!) an Landesintendanten und Chefproducer anschaue, so wird mir klar, daß dieser eigentlich diese Monopolstellung der Lotto-Totto-Gesellschaft festschreiben will, indem er Mitkonkurrenten dadurch ausschaltet, daß sie im ORF nicht werben dürfen und daß Themen, die diese Firmen in den Medien plazieren wollen, nicht in das Programm des ORF übernommen werden. Das ist eine eindeutige Situation, wenn der Generalintendant, wenn der Kaufmännische Direktor eine derartige Weisung an all diese Personen herausgibt. (Ruf: Wer sagt das?)

Der Generalintendant des ORF, Zeiler, sagt: "In dieser Situation ist es unternehmenspolitisch von eminenter Bedeutung, daß Casinos und Wettbüros nicht vom ORF bedient werden und daß es keine aktive Mithilfe gibt, damit der ORF diesen Firmen nicht zu einer gewünschten Publizität verhilft." (Abg. Böhacker: Das ist ja unglaublich!)

Das heißt, da gibt es die Lotto-Toto-Gesellschaft, an der die Casinos Austria AG – ein Monopolbetrieb, weil es keinen zweiten gibt – zu 34 Prozent beteiligt ist, 7 Prozent hält der ORF selbst, und 188 Millionen an Sponsorgeldern überweist die Lotto-Totto-Gesellschaft an den ORF. In anderen Staaten, Herr Bundesminister für Finanzen, bezahlen die Fernsehgesellschaften dafür, daß sie die Lottoziehung – darum geht es nämlich dabei –, daß sie also so eine Lotto-Toto-Sendung überhaupt übertragen dürfen. Bei uns ist das gerade umgekehrt. (Abg. Meisinger: Staatskapitalismus!)

Damit ist natürlich auch klar, warum Sie als Regierung, warum Sie als Finanzminister über das Instrument des Grundkapitals das so steuern, daß sämtliche Mitkonkurrenten ausgeschaltet werden. Und das, Herr Bundesminister für Finanzen, ist nicht freie Marktwirtschaft, wie wir sie uns vorstellen innerhalb eines Staates, der Mitglied der Europäischen Union ist. Darüber sollten Sie einmal nachdenken! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich jetzt Frau Abgeordnete Huber gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Graf: Diese Rede wird ein Glücksspiel werden!)

0.29

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In Anbetracht der mitternächtlichen Stunde möchte ich nur sehr kurz auf dieses Glücksspielgesetz eingehen. Hier war es in unserer Fraktion eben ganz besonders wichtig, daß die Konzessionsnehmer über eine entsprechende Kapitalausstattung verfügen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt spricht die Finanzexpertin der SPÖ!) Frau Kollegin Pablé! Nicht alles, was Sie nicht verstehen, verstehen andere auch nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich habe ja nur gesagt, daß Sie Finanzexpertin sind! – Abg. Mag. Stadler: Lesen Sie ruhig weiter! Lassen Sie sich nicht aufhalten!)

Es war uns besonders wichtig, daß das Gesetz über eine entsprechende Kapitalausstattung verfügt, weil auch ich es für besonders wichtig halte, daß gerade in diesem sensiblen Bereich alles sehr geordnet zugeht, und zwar vor allem deshalb, weil die Konzessionsnehmer die Herkunft der Geldmittel nachweisen müssen. Es ist damit zu erwarten, daß sich Investoren, die –


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ich würde es einmal locker formulieren – nicht ganz astrein sind, nicht so leicht etablieren können.

Ich denke, daß diese Novelle insgesamt mehr Klarheit im Bereich des Glücksspieles bietet, daß sie sowohl den Spielanbietern als auch den Spielern ein höheres Maß an Sicherheit gewährt.

Die Sozialdemokratie wird daher der vorliegenden Novelle die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.30

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben in letzter Zeit einige Novellen, die hier rasch durchgepeitscht werden müssen, und da stellt sich wirklich die Frage – wir haben sie bereits bei der Dezember-Novelle gestellt –: Wem nützt das eigentlich alles? (Abg. Mag. Schweitzer: Cui bono?)

Da haben wir einen § 56a beschlossen, der eigentlich große Unsicherheit hervorgerufen hat, und zwar deshalb große Unsicherheit hervorgerufen hat – es geht um die Betriebsschließungen –, weil bei der jetzigen Novelle diese Frist bis zum 1. Jänner 1999 verlängert wird.

Bei der jetzigen Novelle geht es einerseits um die Zutrittsbehinderung durch ein sehr hohes Anfangskapital, es geht auch darum, daß man eine Konzessionserweiterung durchsetzen will, eine Konzessionserweiterung für elektronische Lotterien, für Bingo und Keno. (richtig) Wem kommt das zugute? – Natürlich demjenigen, der derzeit die Konzession hält, nämlich die Österreichische Glücksspiellotterie.

Dazu muß man natürlich wissen, wie dort die Anteilsverhältnisse ausschauen. Wie Sie alle wissen, wird derzeit eine Diskussion über die Veräußerung der P.S.K.-Anteile geführt, und die P.S.K. hält 34 Prozent an der österreichischen Lotto-Toto-Gesellschaft. (Abg. Mag. Stadler: Kollege Stummvoll! Jetzt sollten Sie aufpassen, sonst sind Sie wieder nicht informiert!) An der Öffentlichkeit geht das ziemlich spurlos vorüber.

Man muß aber auch wissen, daß diese österreichische Lotto-Toto-Gesellschaft ein sehr lukratives Unternehmen ist. Da kommt es zu einer Gewinnausschüttung an die Gesellschafter in einer Größenordnung zwischen 400 und 600 Millionen Schilling, man schafft zusätzlich erhebliche stille Reserven und hat dann noch Liquiditätsreserven in der Höhe von mehreren Milliarden in petto.

Dieses Unternehmen ist für österreichische Verhältnisse ein, wie gesagt, sehr gewinnträchtiges Unternehmen. Da steckt man ohne weiteres weg, daß man ein Verwaltungsgebäude um 400 Millionen plant, das letztlich dann 1,2 Milliarden Schilling kostet, und der Wert der Gesellschaftsanteile Lotto-Toto kann mit etwa 10 Milliarden Schilling beziffert werden. Das bedeutet aber auch, daß der 34prozentige Anteil der P.S.K. an der Lotto-Toto einen Wert zwischen 3 und 3,5 Milliarden Schilling hat. (Abg. Mag. Stadler: Kollege Stummvoll! Sie sollten aufpassen, sonst wissen Sie wieder nicht, was los ist!)

Im Zuge der Privatisierung der P.S.K. wurden allerdings diese Anteile der P.S.K. an der Lotto-Toto nicht marktgerecht beurteilt, und zwar insofern nicht marktgerecht beurteilt, als man nur die Ausschüttung der Gewinne herangezogen, aber in keinster Weise eine Unternehmensbewertung durchgeführt hat, bei der man auch die stillen Reserven beziehungsweise die Liquiditätsreserven heranziehen hätte müssen.

Sie können sich sicher noch ganz genau daran erinnern, wie sich das damals im Jahre 1990 bei der Privatisierung des Verkehrsbüros abgespielt hat. Auch damals hat man einen Anteil mit 170 Millionen Schilling bewertet, und erst als die Freiheitlichen – in erster Linie der Parteiob


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mann der Freiheitlichen – darauf aufmerksam gemacht haben, daß dieser Anteil ja beträchtlich höher ist, nämlich mindestens um das Dreifache höher, konnte im Folgejahr ein Realisat von zirka 600 Millionen Schilling erzielt werden, was dem damaligen Finanzminister einen zusätzlichen Veräußerungserlös in der Größenordnung von 430 Millionen Schilling eingebracht hat.

Deswegen geht es bei der Frage der Privatisierung der Postsparkasse dezidiert um eines: Man kann nicht eine Bewertung der P.S.K.-Anteile an der Lotto-Toto vornehmen, indem man nur die Gewinnausschüttung zur Bewertung heranzieht, sondern man muß eine Bewertung nach kaufmännischen Gesichtspunkten vornehmen. Das, lieber Herr Finanzminister, könnte Ihnen zwischen 2 und 3 Milliarden Schilling mehr an Erlös einbringen. Die Lotto-Toto sollte, bevor die Privatisierung der P.S.K. über die Bühne geht, aus der P.S.K. herausgelöst und bei einer staatlichen Beteiligungsgesellschaft eingeparkt werden, damit nicht wieder unter dem wahren Wert des Unternehmens veräußert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe schon darauf hingewiesen, daß es wesentlich ist, wer die Nutznießer dieser Sache sind. (Abg. Mag. Stadler: Der Stummvoll verschläft auch das!) Wesentlich ist auch, wer die Gesellschafter dort sind und ob ein Anteilseigner, der jetzt bereits dort drinnen sitzt, diese Anteile an der Lotto-Toto-Gesellschaft – ich denke da zum Beispiel an die Raiffeisenkassen – erwirbt. Wenn man sich nämlich das Beteiligungsmodell der Lotto-Toto-Gesellschaft anschaut (der Redner hält ein Blatt in die Höhe): Es halten 34 Prozent der Anteile die Casinos Austria AG, 34 Prozent die P.S.K., 29 Prozent hält eine Bankenholding, in der die Raiffeisenkasse bereits das Sagen hat. Andererseits ist in der Casinos Austria, die zu 34 Prozent an der Lotto-Toto beteiligt ist, zu 33,3 Prozent die Münze drinnen und zu 29 Prozent wieder der Raiffeisensektor mit der Medial Beteiligungs GmbH, mit Raiffeisen, Leipnik-Lundenburger und so weiter, die jeweils 100prozentige Töchter sind. Die anderen sind private Zeichner.

Wenn Sie jetzt wollen, daß ein strategischer Partner, der bereits als Anteilseigner vertreten ist, diese Anteile erwerben kann, ohne daß vorher die Lotto-Toto-Anteile aus der P.S.K. herausgelöst werden, dann passiert folgendes: In Österreich wird es einen Anteilseigner an der Lotto-Toto-Gesellschaft mit einer Mehrheit von zirka zwei Dritteln geben, der das Sagen im österreichischen Lotto-Toto-Geschäft hat.

Dieser Maßnahme, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir unsere Zustimmung ganz sicherlich nicht geben, und zwar in zweifacher Hinsicht: Erstens, Herr Finanzminister, sollten Sie dafür sorgen, daß es bezüglich des Herauslösens der P.S.K. klare Beteiligungsverhältnisse gibt, im zweiten Fall wären Sie auch ein großer Nutznießer (Abg. Mag. Stadler: Das verschlaft ihr jetzt wieder, das sage ich euch!) , denn Sie könnten durch ein Realisat zum wahren wirtschaftlichen Wert zwischen 2 und 3 Milliarden Schilling mehr erlösen, was Ihrem Budget sehr guttun würde. (Beifall bei den Freiheitlichen .– Abg. Mag. Stadler: Herr Minister, die SPÖ wird es wieder verschlafen!)

0.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Dr. Graf: Was sagen Sie zu den Milliarden, Kollege Höchtl? Das wär’ doch etwas! – Abg. Dr. Höchtl: Ja, das glaube ich!)

0.38

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da Sie die 300 Millionen Schilling Grundkapital angeschnitten haben, Herr Kollege, darf ich Ihnen sagen, daß sich das relativ einfach ergeben hat. Das war nichts anderes als ungefähr die Relation der Entwicklung der Einnahmen im Spielbetrieb im Laufe der Jahre. (Abg. Mag. Stadler: Kollege Höchtl, an wen geht denn die P.S.K. jetzt?) Das waren, wenn Sie auf das Jahr 1967 zurückblicken und heraufrechnen, ungefähr die 300 Millionen Schilling, wozu wir – Frau Kollegin Huber und ich – diesen Abänderungsantrag im Ausschuß eingebracht haben. Ich glaube, das ist eine Grundkapitalausstattung, die tatsächlich inhaltlich durch die Entwicklung begründet ist. (Abg. Dr. Graf: So schlechte Gesetze kann man nicht argumentieren!)


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Zum zweiten: Was die Novelle insgesamt anbelangt, haben wir bei solchen Novellen des öfteren schon betont, daß aufgrund der entsprechenden Entwicklung immer wieder Änderungen, Anpassungen notwendig sind. Wir haben auch gewisse Ergänzungen vorgenommen, indem wir zusätzliche Konzessionsabgaben bei neuen Spieltypen eingeführt haben. (Abg. Dr. Graf: Von den 7 Milliarden, die dem Finanzminister fehlen, haben wir schon 2! Jetzt brauchen wir nur noch 5!)

Es hat auch insofern eine gewisse Notwendigkeit gegeben, als eine höchstgerichtliche Entscheidung sicherlich in absehbarer Zeit zu erwarten sein wird. Deshalb haben wir den § 56a für eineinhalb Jahre ausgesetzt.

Darüber hinaus wird Kollege Gusenbauer in wenigen Sekunden einen Abänderungsantrag einbringen, den er gemeinsam mit mir unterzeichnet hat, der in die Richtung geht, daß wir für Eingaben, die ans Parlament beziehungsweise an Einrichtungen des Parlaments erfolgen, eine Gebührenbefreiung vorsehen.

Wir von der Österreichischen Volkspartei stimmen dieser Novelle gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

0.39


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Herr Abgeordneter, die Redezeit für Ihren Klub beträgt noch 7 Minuten. (Abg. Dr. Haselsteiner: 27 Minuten?) 7! (Abg. Dr. Haselsteiner: Schade!)

0.40

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt zwei Punkte, die ich zum Glücksspielgesetz anmerken möchte. Ich nehme an, Sie haben, wie auch wir von der liberalen Fraktion, ein Schreiben von Vertretern von Jugendschutzorganisationen bekommen, in welchem diese uns gebeten haben, dieser Novelle nicht zuzustimmen, weil sie sozusagen in der Bingo- und Keno-Verkommerzialisierung eine Gefahr für Jugendliche sehen.

Wir haben das klubintern diskutiert und sind zur Auffassung gelangt, daß man diese Glücksspiele über elektronische Medien nicht verhindern kann und daß es daher eine Entscheidung der Vernunft ist, wenn diese Varianten des Glücksspiels wenigstens von konzessionierten Unternehmern wahrgenommen werden. – Das ist einer der Gründe, warum wir dieser Novelle zustimmen. Wenn wir es schon nicht verhindern können, dann ist es meiner Meinung nach am besten, wenn wir es in geregelte Bahnen lenken.

Der zweite Punkt betrifft die neuen Kapitalerfordernisse für Glücksspielunternehmer. In diesem Punkt teile ich zwar die Bedenken des Herrn Trattner, wenn wir darüber reden, was bei der P.S.K. passieren würde. Denn es soll nicht dazu kommen, daß es noch einmal ein solches Getöse gibt wie seinerzeit bei diesem Reisebüro, dessen Namen ich jetzt nicht weiß; die Sache ist mir aber noch in Erinnerung. Es ging um einen Privatisierungsanlauf, ich weiß aber nicht mehr genau, wer es war.

Jedenfalls sollten wir beim nächsten Privatisierungsanlauf genau überlegen und die Strukturen analysieren. Wir sollten im Interesse der Republik, Herr Bundesminister, einen fairen Preis dafür verlangen, erzielen – und nicht nebenher irgendwelche Geschäfte machen.

Im übrigen bin ich aber der Meinung, daß für Glücksspielunternehmungen solche Kapitalerfordernisse, wie sie in dieser Novelle vorgesehen sind, durchaus angemessen sind. Denn es handelt sich um Unternehmungen, die ein entsprechendes Risiko tragen. Außerdem sollen die Zutrittsbeschränkungen wirksam sein. Herr Generaldirektor Wallner, ich vermute Sie hier irgendwo auf der Galerie: Das heißt aber nicht, daß ich Ihren Bestrebungen immer völlig unkritisch gegenüberstehe! Mit Ihrer Monopolstellung in Österreich mit hohen Mauern, großen Zinnen und dem Ausbau aller möglichen Abwehrmechanismen werden wir uns bei gegebener Gelegenheit auch kritisch auseinanderzusetzen haben! – Ich danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

0.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorläufig letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

0.42

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bereits vom Abgeordneten Höchtl angekündigt, werde ich einen Abänderungsantrag einbringen, der offensichtlich antizyklischen Charakter hat: Da die Bundesregierung vorhat, die Gebühren zu erhöhen, setzen wir einen echten Schritt der Demokratisierung, indem wir Eingaben an die parlamentarischen Organe gebührenfrei stellen wollen.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Höchtl betreffend die Regierungsvorlage über ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (680 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage 680 der Beilagen in der Fassung des Ausschußberichtes (747 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Dem Artikel II wird folgender Artikel III angefügt:

Dem § 14 TP 6 Abs. 5 Z 20 ist folgende Z 21 anzufügen:

"21. Eingaben an die parlamentarischen Organe und Einrichtungen (die Präsidenten des Nationalrates, die Präsidenten des Bundesrates, die parlamentarischen Ausschüsse, die Ausschußobmänner sowie die Parlamentsdirektion)."

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun zur Frage des Glücksspielmonopolgesetzes: Ich nehme die kritischen Einwände, die von der Opposition gekommen sind, ernst. Ich meine, daß wir uns, nachdem wir zahlreiche Begutachtungen zu dieser Novelle aus den unterschiedlichsten Bereichen bekommen haben, in der Frage des Glücksspielmonopolgesetzes grundsätzlich etwas überlegen müssen.

Man kann unterschiedliche Auffassungen dazu haben: Viele Menschen sind der Meinung, daß Glücksspiel an und für sich etwas Unmoralisches oder Gefährliches ist, andere haben dazu ein anderes Verhältnis. Sicherlich können jedoch negative externe Effekte davon ausgehen. Daher meine ich, daß es eine allgemeine Zielsetzung ist, daß ein möglichst großer Teil des Glücksspieles, wenn es schon Glücksspiele in einer Gesellschaft gibt, auf legaler Basis durchgeführt und damit auch der illegale Bereich einzuschränken versucht wird. (Abg. Mag. Stadler: Sie tun so, als ob das eine Krankheit wäre!) Nein! Überhaupt nicht! Ich habe ein völlig entspanntes Verhältnis dazu.

Ich bin aber der Meinung, daß man das Ganze einer ordnungsgemäßen Regelung unterziehen soll. Wir bemerken, daß sich der Markt auf diesem Sektor irrsinnig dynamisch entwickelt, auch aufgrund neuer technologischer Methoden. Wir sehen auch, daß offensichtlich mehrere Anbieter auf den Markt drängen. Es ist auch eine Reihe höchstgerichtlicher Entscheidungen in dieser Frage anhängig. Ich glaube, daß es nicht gut ist, wenn wir nun alle drei oder vier Monate auf Basis etwaiger Entscheidungen dazu veranlaßt werden, hier im Nationalrat immer wieder erneut eine Novelle zu diesem Bereich zu beschließen. Daher meine ich, daß der Zeitpunkt gekommen ist, das Glücksspielmonopolgesetz nach bestimmten Grundlinien insgesamt neu zu ordnen. Wir sollten uns mit dieser Problematik auseinandersetzen und das Relevante in den Vordergrund stellen: daß es überall geregelte Zugangsbedingungen gibt, daß es relativ harte Überprüfungen


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für bestehende oder neue Konzessionäre gibt und daß es auch einen vernünftigen steuerlichen Ertrag aus den Einkommen aus dem Glücksspiel für die Republik gibt.

Wir sollten außerdem darüber reden, in welchen Bereichen wir einen Teil dieser Gelder zweckgebunden einsetzen können – was zum Teil schon jetzt der Fall ist – , um etwaige negative externe Effekte des Glücksspiels zu kompensieren. Ich glaube, daß das ein vernünftiger Vorgang für die Zukunft ist, wenn wir verhindern wollen, daß wir alle drei bis vier Monate hier eine neue Novelle zum Glücksspielmonopolgesetz diskutieren müssen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

0.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Dr. Gusenbauer vorgetragene und geschäftsordnungsmäßig ausreichend unterstützte Abänderungsantrag wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Nun hat sich Herr Bundesminister Edlinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

0.47

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur vier Bemerkungen:

Erstens: Ich glaube, daß klargestellt ist, daß durch diese Novellierung die schon bisher im Gesetz vorgesehene Abgrenzung von Ausspielungen mittels Glücksspielapparaten von elektronischen Lotterien, die aus dem Telekommunikationsbereich hereinkommen, geregelt werden soll.

Zweitens möchte ich feststellen, daß es durch diese Neuregelung zu keiner Ausweitung des Monopols kommt, sondern daß lediglich geregelt wird, wie und auf welche Weise Konzessionen übertragen werden.

Drittens: Die Anregung, Lotto, Toto und für den Fall der Veräußerung der P.S.K. bestimmte Dinge zu bewerten, werden wir selbstverständlich sehr gründlich und auch, wie ich meine, nach ökonomischen Grundsätzen bewerten und beurteilen.

Viertens: Ich bedauere, daß ich im Ausschuß Herrn Abgeordneten Schreiner die Antwort schuldig geblieben bin, die er urgiert hat, aber er war leider nicht dort! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

0.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 747 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Höchtl und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht; ferner hat Frau Abgeordnete Haidlmayr hinsichtlich des erwähnten Antrages ein Verlangen auf getrennte Abstimmung gestellt.

Ich werde daher über den Zusatzantrag und schließlich über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Höchtl und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung eines neuen Artikels III eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Dieser Zusatzantrag ist einstimmig angenommen worden.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Gesetzentwurf ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer für diesen Gesetzentwurf in dritter Lesung ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

19. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (670 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird (750 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zu Punkt 19 der Tagesordnung.

Auf eine schriftliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Haidlmayr. Frau Abgeordnete, da Ihnen nur mehr eine kurze Redezeit zur Verfügung steht, komme ich Ihrem Wunsch gerne nach, und Sie können Ihre Wortmeldung von Ihrem Sitzplatz aus abgeben. – Bitte, Sie sind am Wort.

0.51

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist in unserem Interesse, daß die Deckungssumme von 12 auf 15 Millionen Schilling erhöht wird. Ich möchte aber – das ist mir ganz besonders wichtig – darauf hinweisen, daß diese Regelung in der Haftpflichtversicherung, wie sie jetzt angestrebt wird, keine Dauerlösung sein kann. Vielmehr muß endlich davon ausgegangen werden, daß Autofahrer für Schäden, die sie verursacht haben, auch aufzukommen haben, und zwar unbegrenzt. Es soll nicht ab einem gewissen Betrag – und seien es jetzt auch 15 Millionen Schilling – der Staat zu haften haben, sondern im Einzelfall jene Person, die schuld ist.

Meine Damen und Herren! In Österreich erleiden im Jahr zirka 26 000 Kinder unter 15 Jahren durch Verkehrsunfälle Dauerschäden beziehungsweise Schäden, die längere Heilungsprozesse verursachen. Das kostet das Gesundheitswesen und das Sozialwesen sehr viel Geld. Für diese langfristigen Kosten reicht eine Deckungssumme von 15 Millionen Schilling niemals aus. (Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Wir Grünen plädieren dafür, daß es in Zukunft eine Regelung geben soll, mit der sichergestellt wird, daß alle Kosten, die aufgrund eines Verkehrsunfalles verursacht werden, nur mehr über die Haftpflichtversicherung bezahlt werden müssen und es keinen Regreßanspruch mehr seitens der Sozialversicherungen geben darf. Es soll die Haftpflichtversicherung allein für diese Schäden aufkommen.

Ich meine, Herr Finanzminister, es kann nur in Ihrem Interesse sein, wenn es endlich zur Kostenwahrheit kommt und endlich der Verursacher die Kosten zu tragen hat. Denn auf diese Weise wird es in Zukunft möglich sein, die Kosten im Behindertenbereich, im Sozialbereich und im Gesundheitswesen nach unten zu drücken. Ich glaube, das kann nur im Interesse aller Menschen sein! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

0.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine weitere Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet auch nicht statt.


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Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 670 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Gesetzentwurf ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung dafür ist, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

20. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (666 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (751 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Ihrem Klub stehen noch 2 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

0.54

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesfinanzminister! Hohes Haus! Im Zuge des Belastungspaketes 1996 wurde von den Regierungsparteien die Mindestkörperschaftsteuer von 15 000 S auf 50 000 S erhöht. Diese Erhöhung wurde gegen die Warnungen aller Finanzrechtler und gegen die Warnungen der Finanzexperten der Freiheitlichen vorgenommen. Ergebnis: 27 000 Berufungen, 11 000 Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof. Schlußendlich hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben und somit die Bedenken der Finanzexperten der Freiheitlichen vollinhaltlich bestätigt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie reagieren diese Bundesregierung und diese Regierungsparteien? – Sie treiben das Spiel weiter, so nach dem Motto: Wie weit kann ich vor dem Höchstgericht gehen? Es liegt uns nun wieder ein Gesetzentwurf vor, mit dem eine Erhöhung der Mindestkörperschaftsteuer vorgesehen wird.  Diese Vorgangsweise ist wieder verfassungsrechtlich bedenklich, es wird – das wage ich heute schon zu behaupten – abermals zu einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof kommen, weil wiederum gegen prinzipielle Grundsätze der Ertragsbesteuerung verstoßen wird, indem die Ertragssteuer nicht auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens abgestellt wird.

Ebenso wird weiterhin Ungleiches gleich besteuert. Wenn Kollege Stummvoll euphorisch meint, die 15 000 S-Regelung für – unter Anführungszeichen – "Jungunternehmer" sei ein großer Erfolg und ein Beitrag zur Unternehmensgründungswelle, dann muß ich ihm sagen: Herr Kollege, Sie haben Jungunternehmer im ersten Jahr wahrscheinlich nur deswegen von den 25 000 S oder 50 000 S ausgenommen, damit diese die Inkorporationsgebühr und die Kammerbeiträge überhaupt bezahlen und zu arbeiten beginnen können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweitens: Auch der Ansatz beim Umsatz ist völlig falsch, denn Umsatz ist nicht gleich Ertrag. Für einen Großhändler sind 50 Millionen Umsatz eher wenig, ein Freiberufler hingegen, etwa eine Wirtschaftstreuhand GesmbH, mit einem Umsatz von 50 Millionen Schilling wäre ein Riese. Daher ist das Gesamtkonzept dieser neuen Mindestkörperschaftsteuer wieder falsch und


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verfassungswidrig. Wir Freiheitlichen werden daher nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. Die Redezeit Ihres Klubs beträgt zur Gänze noch 17 Minuten. (Abg. Schwarzenberger: Das ist aber keine Pflicht!)  – Bitte.

0.56

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Ich werde versuchen, die 17 Minuten auszuschöpfen. – Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Diese neue Mindestkörperschaftsteuerregelung ist deswegen notwendig geworden, weil der Verfassungsgerichtshof die Regelung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 aufgehoben hat. Er hat sich aber nicht grundsätzlich gegen eine Mindestkörperschaftsteuer ausgesprochen. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Die ältere Regelung mit dem Mindestsatz von 15 000 S wurde auch beibehalten. Der Verfassungsgerichtshof hat nur verlangt, daß sich der Betrag an einem fiktiven Besteuerungsbetrag, einer normalen Rendite des eingesetzten Mindeststammkapitals orientiert. Man kann davon ausgehen, daß das jetzt der Fall ist, und daher wird das vermutlich auch halten. (Abg. Böhacker: Das ist ein Wunschdenken!) – Das ist kein Wunschdenken, das wird so sein!

Dazu gibt es auch eine Gliederung in diesem jetzt vorgesehenen Gesetz. Die Mindest-KöSt für eine GmbH beträgt 25 000 S und für eine AG 50 000 S. Es wurde eine Differenzierung für Unternehmungen mit einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Schilling vorgenommen, darüber hinaus wurde der KöSt-Satz für das erste Jahr nach der Gründung einer GmbH oder AG mit 15 000 S festgesetzt. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Der wesentliche Grund, warum es überhaupt eine Neuregelung geben muß, ist meiner Meinung nach die Tatsache, daß wir diese Mindest-KöSt im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes eingeführt haben, um ein bestimmtes Budgetziel zu erreichen. Dabei war auch eine bestimmte Verteilung der Leistungen der Arbeitnehmer und der Unternehmer vorgesehen. Die Arbeitnehmer haben diese Leistungen aufgrund von Lohnsteuerveränderungen und Einschränkungen von Sozialausgaben pünktlich und in genauem Ausmaß erbracht, die Unternehmungen aufgrund des Wegfalls dieser Mindest-KöSt hingegen nicht ganz. Daher mußte es eine neue Regelung in diesem Punkt geben. (Abg. Dr. Graf: Das ist klassenkämpferisch!) Das ist überhaupt nicht klassenkämpferisch, sondern im Sinne der vereinbarten Verteilung zwischen einzelnen gesellschaftlichen Gruppen notwendig! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Schönheitsfehler bei dieser jetzigen Regelung ist, daß sie um etwa ein Drittel weniger als die ursprüngliche einbringen wird. Ich gehe davon aus, daß das ein fiktives Guthaben im Sinne der Maßnahmen ist, die die Arbeitnehmer möglicherweise einmal belasten werden. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Letzter Punkt: In der Debatte über die soziale Ausgewogenheit beim Strukturanpassungsgesetz und über die Frage, was seitens der Unternehmerschaft, obwohl ausgemacht, nicht gebracht wird, ist es mir ein Anliegen, das Road-Pricing und die LKW-Maut mitanzuführen. Dabei geht es immerhin um 3,5 Milliarden Schilling; dieser Betrag ist also etwa fünfmal so hoch wie die Geburtenbeihilfe. Es ist also – wenn wir schon über soziale Symmetrie und Vereinbarungen reden – unbedingt notwendig, diese LKW-Maut genauso wie diese Mindest-KöSt anzuheben. Das ist auch verkehrspolitisch notwendig, daher sollten Sie Ihren Widerstand, den der Wirtschaftsminister hier immer wieder ins Treffen führt, aufgeben! Denn auch diese Maßnahmen sind ein Teil der zukünftigen sozialen Ausgewogenheit eines Gesamtpaketes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Jetzt weiß ich, warum Österreich als Wirtschaftsstandort auf Platz 41 ist!)


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1.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. 4 Minuten Restredezeit für Ihren Klub. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.01

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Gewerkschafter des öffentlichen Dienstes hat sich kürzlich in den Medien geäußert, und zwar sehr eindeutig. Er hat gesagt, daß dieses Parlament "blödsinnige Gesetze" beschließt und Tausende Finanzbeamte dazu vergattert, "blödsinnige Gesetze" zu vollziehen. Das lasse sich nicht mit den Sparvarianten, die dem öffentlichen Dienst auferlegt werden, vereinbaren.

Ich halte diese Aussage an und für sich für eine Ungeheuerlichkeit, wenn auch nicht aus eigener Betroffenheit heraus, denn ich vertrage das schon. Aber in einem Punkt muß ich ihm recht geben: Sie reparieren ein Gesetz, das gerade vom Höchstgericht zurückgeworfen wurde, ein bißchen und bringen es dann wieder ein. Herr Kaufmann hat das gerade damit begründet, daß die großkoalitionäre Ausgewogenheit das verlange, weil es einer gewissen Symmetrie bedürfe: Wenn die Arbeitnehmer etwas leisten müssen, dann müssen die Unternehmer auch etwas leisten, ohne Rücksichtnahme darauf, ob die Maßnahme logisch, gerechtfertigt, wirtschaftsnah und in irgendeine Richtung lenkungswirksam ist oder nicht. – Meine Damen und Herren! Das ist leider Gottes die Frucht großkoalitionärer Überlegungen!

Meine Damen und Herren! Mit Logik oder Steuergerechtigkeit hat das nichts mehr zu tun, daher ist auch die Akzeptanz gering. Denn wenn der Steuerpflichtige nicht nachvollziehen kann, was der Gesetzgeber im Kopf und im Sinne hatte, als er ein Gesetz verabschiedet hat, dann wird er einen größeren Steuerwiderstand an den Tag legen – und recht hat er! Herr Bundesminister für Finanzen, nur wenn wir in der Lage sind, Gesetze so zu beschließen, daß sie auch nachvollziehbar sind, wird das besser werden.

Es wäre mir viel lieber gewesen, wenn man gesagt hätte: Wir haben zwar die Vermögenssteuer abgeschafft, aber im Fall der Körperschaftsteuer sind wir der Meinung, daß eine Vermögenssteuer eingeführt werden muß. Denn das, was Sie hier beschließen, Herr Bundesminister, ist, wie Sie wissen, eine Vermögensteuer für Körperschaften – und nichts anderes! Es wäre daher ehrlicher, von der Körperschaftssteuer abzugehen. Denn sie ist keine Ertragssteuer, sondern eine Steuer auf die Substanz. Daher wäre mehr Ehrlichkeit gefordert!

Herr Kollege Stummvoll! Es tut mir schon fast leid, daß ich immer Sie anschauen muß bei diesen Debatten. Sie haben aber jetzt ganz zum Schluß, damit Sie irgend etwas haben, womit Sie Ihrer Klientel gegenüber gut dastehen, gesagt: Wir haben etwas für die Jungunternehmer getan. – Herr Stummvoll! Genieren Sie sich! Das, was Sie getan haben, ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben wurde! Es ist weder ergiebig noch förderlich, es ist gar nichts! Sie sollten sich einmal grundsatztreu verhalten und Ihrem Koalitionspartner sagen: Das geht zu weit, das kann ich als Wirtschaftskammervertreter meiner Klientel, die mich bezahlt und ernährt und als deren großer Fürsprecher ich gelte, nicht zumuten! Das, Herr Kollege Stummvoll, wäre eine aufrichtige Politik! Wenn Sie jetzt hier sagen: Wir haben wenigstens etwas für die Jungunternehmer getan, dann kann ich sagen: Sie haben für die Jungunternehmen wenig getan, und das, was Sie getan haben, ist für diese nicht erfreulich! In diesem Zusammenhang erinnere ich Sie an das schlechteste aller Gesetze, dem Sie zugestimmt haben, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. (Beifall beim Liberalen Forum.)

1.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Jetzt ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt kommt wieder ein Gefasel von der "staatstragenden Rolle" der ÖVP! – Abg. Haigermoser: Jetzt wird wieder Weihrauch geschwenkt! Halleluja!)

1.05

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Haselsteiner hat neuerlich ein Beispiel dafür geliefert, daß man als Opposition einfach keine Verantwortung für die Gesamtpolitik hat. Denn es ist relativ leicht, Herr Kollege Haselsteiner, hier vom Rednerpult aus seine Reden zu halten! Ich respektiere zwar, daß Sie viel Verantwortung für Ihr Unternehmen tragen – aber für die


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Regierungspolitik tragen Sie keine Verantwortung, daher haben Sie hier leicht reden! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nach 14 Stunden parlamentarischer Debatte ist es wahrscheinlich nicht die richtige Stunde, hier ausführlich zu diskutieren, daher nenne ich nur drei Punkte.

Erster Punkt: Herr Kollege Haselsteiner! Ich gebe zu, daß es für ein Unternehmen fraglos keine Freude ist, eine Ertragssteuer auch dann zahlen müssen, wenn kein Ertrag vorliegt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine lieben Herren! Man muß jedoch so fair sein – und das unterscheidet uns von der Opposition – , zu politischen Pakten zu stehen. Wir haben uns beim Strukturanpassungsgesetz über eine Mindest-KöSt geeinigt, und wir stehen zu diesem Pakt, denn wir sind pakttreu, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der Unterschied zur Opposition, Herr Kollege Haselsteiner! Pakttreue ist gefordert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens: Wir haben natürlich zur Kenntnis genommen, daß der Verfassungsgerichtshof erklärt hat, daß der einheitliche Satz von 50 000 S nicht verfassungskonform ist. Daher wurde aufgegliedert in 15 000, 25 000, 50 000 und 75 000 S. Herr Kollege Haselsteiner! Ich habe sehr wohl vom Verfassungsdienst ein Gutachten angefordert, bevor das im Finanzausschuß diskutiert wurde. (Abg. Dr. Ofner: Das ist ja klassenkämpferisch!) In diesem Gutachten, das vorliegt, ist mit keinem Wort davon die Rede, daß das verfassungswidrig ist. Ich gehe davon aus, daß diese Regelung nach Auffassung des Verfassungsdienstes durchaus verfassungskonform ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens: Herr Kollege Haselsteiner! Mir ist völlig klar, daß ein Milliardär sehr leicht sagen kann: 90 Millionen Schilling sind für Jungunternehmer ein Klacks. – Für die Betroffenen ist das jedoch sehr wohl eine schöne Entlastung! Herr Kollege Haselsteiner, Sie tun sich hier doppelt leicht: Sie reden leicht als Opposition – und leicht als Milliardär! Das muß man hier auch einmal sagen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. )

1.08


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

1.08

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ein Wort aus dem Mund einer Wirtschaftstreuhänderin: Herr Kollege Ofner, Sie haben soeben vernommen, daß wir ein Gutachten des Verfassungsdienstes eingeholt haben. (Abg. Dr. Ofner: Na und?) Wir gehen davon aus, daß diese Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof hält.

Herr Kollege Haselsteiner, nun zu Ihnen: Normalerweise sind Männer Ihres Alters oder Ihrer gesellschaftlichen Provenienz um diese Zeit auf dem Golfplatz. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Es ist an und für sich durchaus lobenswert und auch eine Bereicherung, daß Sie hier im Hause sitzen! Dennoch kann ich Ihrer jetzigen Argumentation nicht folgen. Sie sagen, daß es gerechter gewesen wäre, die KöSt als Vermögenssteurer zu titulieren. (Abg. Dr. Haselsteiner: Es wäre richtiger gewesen!) Mag sein, daß das richtiger gewesen wäre. Wir hatten eine ähnliche Konstellation bei der Gewerbesteuer und haben dann unterschieden zwischen einer Gewerbekapitalsteuer und einer Gewerbeertragsteuer. Es ist nur eine Frage des Begriffes. Sonst hätten wir eigens ein Vermögensteuergesetz beschließen müssen. Ich bin der Meinung, daß es gescheiter ist, wenn man sich das erspart. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Nein, das ist nicht eine Frage des Verkaufs! Ich finde, es ist auch gerechtfertigt, daß Kapitalgesellschaften verschieden hohe Abgaben zu leisten haben! Lieber Herr Haselsteiner! Sie tragen Ihre Argumente in durchaus charmanter Weise vor, und dann und wann haben diese auch etwas Richtiges an sich: In diesem Fall sind Sie jedoch nicht im Recht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

1.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstatter findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte Sie, die Plätze einnehmen zu wollen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 751 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

21. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (584 der Beilagen): Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972 (748 der Beilagen)

22. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (649 der Beilagen): Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen (749 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 21 und 22 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wortmeldungen liegen keine vor.

Wir treten daher sofort in das Abstimmungsverfahren ein. Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages: Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter in 584 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dies tun wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das geschieht mit Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

Nun kommen wir noch zur Abstimmung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, daß dieser Staatsvertrag hinsichtlich der authentischen chinesisch-, russisch- und spanischsprachigen Textfassungen dadurch kundzumachen ist, daß diese im Bundesministerium für Finanzen zur öffentlichen Einsichtnahme aufgelegt werden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls mit Stimmeneinhelligkeit. (Widerspruch. – Abg. Schwarzenberger: Nein! Der Peter ist zu faul zum Aufstehen! – Abg. Dr. Haselsteiner: Sie haben Ihre Fraktion vergessen!) Bitte um Entschuldigung! Dies geschieht mit Stimmenmehrheit. Der Antrag ist dennoch angenommen.


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77. Sitzung / Seite 277

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des gegenständlichen Staatsvertrages, nämlich Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur samt Anlagen in 649 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dies tun wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen weiters zur Verhandlung über den Antrag der Abg. Mag. Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der Veräußerung der Bundesanteile an der Creditanstalt-Bankverein an die Bank Austria.

Da dieser Antrag inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Kollegen betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR

Der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

"Zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der Veräußerung der Bundesanteile an der CA-BV an die Bank Austria wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der aus insgesamt 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ : 5 ÖVP : 4 FPÖ : 1 Liberale : 1 Grüne besteht."

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen in die Debatte ein. Ich erinnere an die Redezeitbeschränkungen nach § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung: Begründer 10 Minuten, weitere Abgeordnete 5 Minuten, Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre sollen nicht länger als 10 Minuten Redezeit in Anspruch nehmen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 10 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.

1.14

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Klubobmann der Österreichischen Volkspartei hat zu Beginn der Vorbesprechung der ÖVP zur Regierungsklausur in Rust via Fernsehen der verblüfften Öffentlichkeit – entgegen dem, was noch vorher sein Kollege Stummvoll vom Rednerpult aus dem Bundeskanzler gegenüber erklärt hat – erklärt: Wir sind belogen worden, nach Strich und Faden belogen worden. – Meine Damen und Herren, die gesamte Österreichische Volkspartei wurde belogen.

Er hat auch dazugesagt, wen er meint, denn das war aus dem Sinn ohne weiteres herauszuhören. (Abg. Dr. Khol: Was habe ich gemeint?) Na sicher, von Ihrem eigenen Regierungspartner sind Sie belogen worden. Oder haben Sie den nicht gemeint? (Abg. Dr. Khol: Das habe ich nicht gemeint!) Herr Kollege Khol, dann seien Sie so nett und stellen Sie das klar. Die ganze österreichische Öffentlichkeit – bis hin zur "Neuen Zürcher Zeitung" – geht davon aus, daß Sie gemeint haben, daß Sie von Ihrem Regierungspartner belogen wurden, entgegen dem, was Ihr eigenes Fraktionsmitglied Stummvoll erklärt hat.


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Meine Damen und Herren! Es geht bei dieser Banken-Causa um die Frage: Hat der Bundeskanzler der österreichischen Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt, wie es Herr Stocker in der Grazer "Kleinen Zeitung" gesagt hat: "Ist er also ein Lügner" – ich zitiere nur die Grazer "Kleine Zeitung" – "oder" – sagt der Herr Stocker – "hat er wirklich keine Ahnung? Dann" – so meint Herr Stocker – "ist er nur ein Trottel."

Stocker, meine Damen und Herren: Ein alter Großkoalitionär, richtet dieser Koalition aus, daß es in dieser großen Koalition zugeht wie unter Lügnern und Trotteln! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist, glaube ich, eine Angelegenheit, wo die österreichische Öffentlichkeit das Recht darauf hat ... (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. ) Da müssen Sie nur nachlesen bei Ihren eigenen Schreiberlingen, die Sie ja selbst finanzieren, meine Damen und Herren! Lesen Sie bei denen nach, die sagen Ihnen, was die österreichische Öffentlichkeit, was die Mitbürger von diesem Deal halten! Das ist nicht etwa bei irgendwelchen Revolverblättern nachzulesen.

Die jämmerliche Rolle der Österreichische Volkspartei wird in der "Neuen Zürcher Zeitung" – das ist keine sozialistische Zeitung, auch keine, die der FPÖ nahesteht, sondern eine sehr bürgerliche Zeitung – dargestellt, und Michael Maier vom "Standard" hat es am Montag freudig übernommen. Lieber Herr Kollege Stummvoll! Er redet vom "Gefasel von der staatstragenden Rolle". Das haben Sie übrigens heute wieder geliefert. "Gefasel" sagt der Herr Maier im "Standard", auch eine Zeitung, die am Tropf der Presseförderung hängt. Der Herr Maier spricht also vom "Gefasel von der staatstragenden Strategie der Österreichischen Volkspartei".

Und er sagt dann weiter – ich zitiere Ihnen Maier wörtlich –: "Die Naivität der ÖVP ist so sensationell, wie ihre Empörung jetzt peinlich ist. Wer sich von der SPÖ so über den Tisch ziehen läßt, muß auch damit rechnen, daß ihm noch der Suppentopf übergegossen wird."

"Sie" – gemeint ist die Österreichische Volkspartei – "ist in der politischen Gestaltung unerheblich und stolpert von einer Peinlichkeit in die andere. Sie ist ein Kammer-Wurmfortsatz" – da hat er wahrscheinlich den Kollegen Stummvoll im Auge gehabt –, "der sich als Partikularkartell versteht. Sie trägt den Staat auf ihrer Nase und meint die Pfründe. Sie erweist sich als eine abgewirtschaftete Klüngel-Partei, die von der SPÖ nach allen Regeln der Kunst vorgeführt wird. Sie ist eben der Lächerlichkeit preisgegeben." – Ende des Zitats, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Stummvoll: Wer ist der Michael Maier? Es gibt Meinungsfreiheit!) Michael Maier am Montag im "Standard", meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man könnte getrost zur Tagesordnung übergehen, wenn nicht elementare Fragen ... (Abg. Dr. Stummvoll: Na wer ist das schon?) Ah, denn kennen Sie nicht, den Michael Maier? Lesen Sie halt auch einmal etwas anderes als nur Ihre Provinzblätter. Wissen Sie, der Herr Michael Maier legt den Finger in eine Wunde, die Sie schmerzen müßte, nämlich in die Wunde, daß Sie ahnungslos waren, daß Ihre Leute in allen Gremien dabeisitzen und Sie nicht informiert haben. Das schreibt auch die "Neue Zürcher Zeitung". Sie hätten informiert werden müssen, wenn Sie dort nicht Leute hineinschickten, die gar nicht wissen, worum es geht, und Sie dann nicht informieren. Dann tun Sie erstaunt, wenn Sie daraufkommen, daß es da ein Vorkaufsrecht gibt, daß von diesem Vorkaufsrecht die gesamte SPÖ wußte, daß dieses Vorkaufsrecht in der Öffentlichkeit bekannt wurde – nur die Österreichische Volkspartei wußte nichts.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben abgewirtschaftet. Maier und die "Neue Zürcher Zeitung" haben recht: Sie haben abgewirtschaftet, Sie haben jede Wirtschaftskompetenz verloren. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind nach allen Regeln der Kunst von der SPÖ über den Tisch gezogen worden, und Sie bedanken sich auch noch dafür. (Abg. Ing. Reichhold: Sie werden genug Geld bekommen haben dafür!) Das haben wir jetzt in Rust gesehen, wie Sie sich alle beim Anblick des Neusiedlersees in die Arme gefallen sind – zu den Klängen der Kaiserhymne.

Meine Damen und Herren! Sie sind der Lächerlichkeit preisgegeben, wenn Sie selbst kein Interesse daran haben, aufzuklären, wann die Meldung nach § 20 Bankwesengesetz an Finanzminister Klima ergangen ist, was genau der Inhalt dieser Meldung war, ob der Herr Randa seiner Meldepflicht nach dem Gesetz uneingeschränkt nachgekommen ist, oder ob man


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versucht, diese Meldepflicht so zu vertuschen, wie das Herr Bundesminister Edlinger in der letzten Sitzung darzustellen versucht hat. Wenn Sie daran kein Interesse mehr haben, dann sind Sie als Partei abgetreten. Erklären Sie sich zum Wurmfortsatz der Wirtschaftskammer, erklären Sie sich zum Filialbetrieb der SPÖ! Das wäre der österreichischen Bevölkerung gegenüber ehrlicher! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie kein Interesse mehr daran haben, zu erfahren, welchen Wissensstand über das Vorkaufsrecht der Herr Bundeskanzler als damaliger Finanzminister am Abend vor den Verhandlungen – die damals Herr Klubobmann Khol noch "zum Kotzen" fand – vom 11. auf den 12. Jänner dieses Jahres hatte, wenn Sie das nicht interessiert, meine Damen und Herren, dann ist das Ihr Problem. Uns interessiert es! Uns interessiert, ob dieser Bundeskanzler das Gesetz verletzt hat, uns interessiert, ob er der österreichischen Öffentlichkeit eine österreichische Lösung verkauft hat, die auch im Gesetz nachzuvollziehen war – oder ob dieser Bundeskanzler in dem Wissensstand um die Existenz von Vorkaufsrechten und von Syndikatsabsprachen eine gegenteilige Lösung realisiert hat.

Wenn Sie das nicht interessiert, wenn Sie kein Interesse daran haben, zu erfahren, wie Sie über den Tisch gezogen wurden – uns interessiert es, und zwar nicht, weil es die Österreichische Volkspartei betrifft, sondern weil es um die österreichischen oder, wie es im Gesetz so schön heißt, um die nationalen Interessen dieses Landes geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Interessen hat der Herr Bundeskanzler offenkundig verletzt, aber die ÖVP gibt sich gleich wieder her für eine Exportoffensive. In Rust war das Klima so gut, es war alles so harmonisch, daß man eine Exportoffensive beschlossen hat. Der ÖVP dürfte es nicht aufgefallen sein, daß diese Exportoffensive wieder durch die Büros der Herren Randa und Scholten abgewickelt wird.

Also Sie sind wirklich nicht mehr zu retten, meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei muß sich bereits gefallen lassen, daß in ausländischen Tageszeitungen geschrieben wird, daß sie abgetreten ist, nicht mehr ernst zu nehmen ist. Es ist aber, glaube ich, ganz gut, wenn das Ausland erkennt, mit welcher Regierungspartei hier Österreich fortwurstelt.

Letztlich – und das hat ja auch die Reaktion des Kollegen Stummvoll heute in der Vordebatte zum Glücksspielgesetz gezeigt – weiß die ÖVP auch nicht, was sich schon als nächstes im Bankenbereich anbahnt. Ich bin überzeugt davon: Die ÖVP wird wieder hier stehen, wird sich wieder ins eigene Knie geschossen haben und wird dann wieder alle anderen für die Schmerzen verantwortlich machen, wenn der P.S.K.-Verkauf an eine ganz andere Adresse geht als an jene, die Sie sich ausgepackelt haben. Sie wird wieder nicht kapiert haben, worum es gegangen ist, weil die ÖVP eben die Sozialisten geradezu einlädt – dadurch, daß man auch kein Interesse an der Aufklärung hat –, sie weiterhin über den Tisch zu ziehen, weil dieses Spiel "gar so schön" ist.

Hohes Haus! Sie von der ÖVP haben heute die Möglichkeit, Reste Ihrer Eigenständigkeit als Partei zurückzugewinnen. Wir werden Ihnen heute eine Möglichkeit bieten, wie Sie für Aufklärung durch einen Untersuchungsausschuß in einem Bereich sorgen können, in dem Sie tatsächlich ein Parteiinteresse haben und darüber hinaus ein österreichisches Staatsinteresse zu vertreten haben – da Herr Kollege Stummvoll ja immer wieder die staatstragende Rolle der ÖVP beschwört –, ein Staatsinteresse, indem Sie helfen, aufzuklären, was im Bankenbereich an parteipolitischer Mißwirtschaft betrieben wird, indem Sie dazu beitragen, daß es nicht mehr vorkommen kann, daß eine staatstragende Partei, als die Sie sich gerne gerieren, dermaßen über den Tisch gezogen werden kann – zu Lasten österreichischer Interessen –, wie das Ihnen passiert ist.

Sie haben darüber hinaus die Möglichkeit, dafür zu sorgen, daß Herr Randa uns Politikern nicht Klagsdrohungen ausrichtet – ich habe gehört, daß er den Generalsekretär der Österreichischen Volkspartei bereits geklagt habe –, sondern daß der Herr Randa auf jenen Platz zurückverwiesen wird, der ihm in diesem Lande zukommt: daß er nämlich als Kaufmann und Bankfachmann zu agieren und sich nicht als Überregierung in diesem Lande aufzuführen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Der Herr Randa wird einer der Hauptpunkte in diesem Ausschuß sein – das geht auch aus dem Antrag hervor –, insbesondere seine Weigerung, nicht einmal mehr bei der WestLB dafür eintreten zu wollen, daß auf das Vorkaufsrecht verzichtet wird. Das richtet er schnöde aus. Was geht es überhaupt ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Ich komme zum Schlußsatz.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das wird wahrscheinlich für den Fall – und das ist der wahrscheinliche Fall – der Ablehnung unseres Antrages nicht das letzte Kapitel in dieser Messe sein – um in Ihrer Diktion zu bleiben, Herr Kollege Khol –, die mit den Kürzeln CA und Bank Austria verknüpft ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Ab jetzt beträgt die Höchstredezeit 5 Minuten. – Bitte.

1.25

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! – Herr Abgeordneter Stadler, ich verstehe wirklich nicht, warum Sie in einer peinlichen und in einer nahezu sich anbiedernden Form in der letzten Zeit permanent glauben, sich den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, wie die Koalitionspartner miteinander agieren. Ich denke, daß Sie jede Denkarbeit für Ihre eigene Partei dringender benötigten. Das möchte ich hier eingangs sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind heute auch wieder damit befaßt gewesen und haben uns hier anhören dürfen, daß Sie mit großer Lautstärke versucht haben, über Inhaltslosigkeit, Unrichtigkeit und Wirrheiten hinwegzutäuschen.

Wir haben letzte Woche nahezu einen ganzen Tag damit verbracht (Abg. Mag. Stadler: Es wird nicht der letzte gewesen sein!)  – es ist nicht der letzte, aber es spricht für Ihre "Qualität", Herr Kollege Stadler, das muß man einmal sagen –, daß hier ganz einfach unrichtige Fakten behauptet wurden (Abg. Dr. Graf: Was wollen Sie alles unter den Teppich kehren?) , meine Damen und Herren, und darauf aufbauend der Versuch unternommen wird, es zu einem Eklat zu bringen. (Abg. Dr. Graf: Was ist mit den unrichtigen Fakten? Gibt es richtige und unrichtige?)

Herr Kollege, ich sage es Ihnen ganz deutlich. Drei Punkte waren es: erstens die strategische Beteiligung. Die Beteiligung an sich ist ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )  – Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Sie viel Verständnis dafür haben. Ich hätte mir gewünscht, daß jemand hier herausgeht, der zumindest wirtschaftliche Grundkenntnisse hat. Kollege Stadler! Sie haben sie sicher nicht, aber irgend jemand von Ihrem Haufen wird sie ja hoffentlich haben. Das wünsche ich mir. (Heftige, anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der erste Vorwurf war die Beteiligung. Der zweite war das Vorkaufsrecht. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.) Der dritte Punkt war das Beratungsrecht.

Ich versuche jetzt, Ihnen hier folgendes zu erklären, obwohl ich der Meinung bin, daß Sie es nicht verstehen werden (Abg. Ing. Reichhold: Sie Obergescheiter! – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen – Präsident Dr. Brauneder gibt neuerlich das Glockenzeichen): Es ist ganz einfach darum gegangen, daß ein ausländischer Investor eine Investition bei einer österreichischen Bank tätigt. Es ist nur allzu klar, daß jeder Investor, der ins Ausland geht, den Versuch unternimmt (Abg Ing. Reichhold: Das spricht ein Obergescheiter!) , daß dort eine gewisse Kontinuität herrscht, daß dort absehbar ist, wie sich die betreffende Gesellschaft entwickelt. (Anhaltende Zwischenrufe.)

Daher ist es nur allzu selbstverständlich, daß hier ein Vorkaufsrecht vereinbart wird, noch dazu ein befristetes, um sicherzustellen, daß sich nach dem Eintritt in diese Gesellschaft nicht die Gesellschaftsverhältnisse ändern. (Abg. Gaugg: Sie sind schon übermüdet!) Das ist eine ganz


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selbstverständliche Vorgangsweise bei jeder gesellschaftlichen Änderung, meine Damen und Herren. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt war: Die Bank Austria hätte sich dem Ausland verkauft. Das wurde mehrfach zitiert und war auch Gegenstand Ihrer gesamten Vorwürfe. Darf ich vielleicht sagen, worauf sich das stützt? (Abg. Haigermoser: Sie dürfen auch nach Hause gehen!) Herr Kollege, ich glaube, das disqualifiziert sich ohnehin von selbst. (Neuerliche heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.  – Gegenrufe bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Sie spielen da den Oberlehrer! – Ruf bei den Freiheitlichen: Frechheit!) Ja, ist in Ordnung, Herr Kollege. (Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Es gibt also hier ein Übereinkommen zwischen der AVZ als gesellschaftsrechtsübertragende Gesellschaft und der WestLB, daß in wichtigen Punkten wie Kapitalbeschaffung, Bilanzgewinn – ich zitiere aus Ihrem Vortrag –, Satzungsänderung, Kapitalherabsetzung, also in wichtigen Punkten, eine Konsultation, eine Besprechung stattfinden soll, die keinerlei verpflichtende Wirkung für die beiden Teile hat. Keinerlei verpflichtende Wirkung! Der Herr Finanzminister hat das das letztemal hier vorgelesen. Ich halte es für unreell, wenn Sie sich herstellen, diesen Absatz weglassen und uns dann erklären, das sei ein Ausverkauf ins Ausland, das sei eine Schädigung österreichischer Interessen. (Abg. Dr. Graf: Was halten Sie da für Vorträge? Sie sind ein Ahnungsloser!)

Es gibt keine Verbindlichkeit, und das werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen. Wenn Sie das nicht tun, dann zeigen Sie, mit welcher Gesinnung Sie hier dieses Hohe Haus mißbrauchen. Das möchte ich einmal klar sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es besteht daher überhaupt kein Anlaß und überhaupt keine rechtliche Grundlage für diese Vorwürfe. Ich konzediere gerne, daß Sie nicht mit rechtlichen Grundlagen arbeiten. Das konzediere ich gerne. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Kollegin Partik-Pablé, zu Ihnen komme ich vielleicht ein anderes Mal. (Abg. Mag. Stadler: Nein, bitte gleich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es besteht überhaupt keine rechtliche Grundlage, das zu behaupten, was Sie permanent tun, es hätte hier ein Ausverkauf ins Ausland stattgefunden. (Abg. Dr. Graf: Ja, was denn?!)

Das zeugt von einer beängstigenden Unkenntnis. Ich sage Ihnen eines: Die Koketterie mit der eigenen Unfähigkeit als politisches Mittel ist sicher etwas, was Sie sich sehr gut überlegen sollten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

1.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Stadler, war das zur Geschäftsordnung? (Abg. Mag. Stadler: Ja!) – Bitte. (Abg. Grabner: Eine Präsidiale wird er verlangen! – Heiterkeit.)

1.29

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Der Vorredner hat meine Fraktion pauschal als "Haufen" bezeichnet. (Zwischenrufe ironischen Bedauerns bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Präsident! Diese Verbalinjurie einer ganzen Fraktion gegenüber hat bedauerlicherweise ... (Anhaltende Zwischenrufe. – Abg. Dr. Schwimmer: Ausgerechnet der Stadler sagt das!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter Stadler ist am Wort. Bitte, ihn aussprechen zu lassen! (Abg. Dr. Fuhrmann: Es wäre schön, wenn auch der Präsident etwas dazu sagen würde! – Weitere Zwischenrufe.)

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (fortsetzend): Herr Präsident! Diese Verbalinjurie hat bedauerlicherweise auch den Anfangsapplaus des Herrn Präsidenten Fischer gefunden, was meine Fraktion besonders bedauert.


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Herr Präsident! Ich verlange einen Ordnungsruf für den Kollegen Jarolim für die Bezeichnung meiner Fraktion als "Haufen"! (Zahlreiche Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fuhrmann: Was war das für eine Geschäftsordnungsmeldung?)

1.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Stadler: nach Einsicht in das Protokoll.

Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Klubobmann Dr. Kostelka gemeldet.

1.31

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr verehrter Herr Präsident! Hinter dem Wort "Haufen" vermag ich in keiner Weise eine Verbalinjurie und auch keine Beleidigung zu erkennen (Abg. Mag. Stadler: Ach so! Dann ist das – in Richtung SPÖ zeigend – also ein roter "Haufen" da drüben!) , sehr wohl aber im Vorwurf der Präpotenz, der Frechheit und der Lüge, alles Worte, die von dieser Seite (in Richtung Freiheitliche deutend)  – es ist leicht festzustellen, von wem – in den letzten Minuten gefallen sind. Dafür verlange ich in Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung einen Ordnungsruf. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Und der Herr Präsident Fischer applaudiert da drüben! Das ist der rote "Haufen"! – Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsordnung!)

1.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, Her Abgeordneter. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt kommt der schwarze "Haufen"!)

1.32

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Wer im Glashaus sitzt, Herr Kollege Stadler, soll nicht mit Steinen werfen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das hat mit der Geschäftsordnung nichts zu tun!)

1.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Was die behaupteten Äußerungen, die Ordnungsrufe hervorrufen könnten, betrifft, so wird erst in das Protokoll Einsicht genommen werden.

Bei der letzten Wortmeldung des Abgeordneten Khol habe ich Zweifel, ob dies tatsächlich zur Geschäftsordnung war.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Haselsteiner. – Bitte. (Fortgesetzte Zwischenrufe. – Abg. Dr. Fuhrmann: Sie führen sich auf als wie, und dann spielen Sie auf beleidigt! Sie beleidigen alle anderen! – Abg. Mag. Stadler: Der Herr Präsident findet ja nichts dran am roten "Haufen"! – Ruf: Das ist eine neue "Qualität"!)

1.32

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Stadler! Die Oppositionsparteien haben sich in der Frage der Untersuchungsausschüsse zu einer gemeinsamen Vorgangsweise, zu einer gemeinsamen Linie bekannt. Ihre Wortmeldung von heute erleichtert uns das Festhalten an diesem Beschluß nicht unbedingt. (Abg. Dr. Fuhrmann: Sie führen sich da auf, und dann sind Sie beleidigt! Sie beleidigen alle anderen immer wieder! – Abg. Mag. Stadler: Ich bin nicht beleidigt, Kollege Fuhrmann! Ich möchte nur wissen, ob "Haufen" zulässig ist oder nicht! Ich möchte es nur wissen! Denn nach dem Applaus des Kollegen Fischer ... – Lautstarke Rufe bei der SPÖ: Noch einmal! Jetzt sagt er das noch einmal! – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Ich glaube, Herr Kollege Stadler, daß Sie, abgesehen davon (Abg. Mag. Stadler: Ich muß mich mit dem Kollegen Fuhrmann unterhalten!)  – vielleicht machen Sie das später –, daß Sie es uns nicht sonderlich leicht machen, zu dieser Vereinbarung zu stehen, auch der Sache selbst keinen guten Dienst erweisen. (Abg. Dr. Khol: Da gibt es eine Vereinbarung?) Wenn wir tatsächlich einen Untersuchungsausschuß wollen – und den wollen wir, sowohl zur Bankenfrage als auch, und das sage ich aus liberaler Sicht dazu, insbesondere zu den Kurden-Morden –, dann werden


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wir allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses, die dazu ihre Stimme geben sollen, das Gefühl vermitteln müssen, daß wir diesen Untersuchungssausschuß nicht mißbrauchen werden und nicht mißbrauchen wollen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Stummvoll: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Diejenigen, die die Untersuchungsausschüsse der Vergangenheit beobachtet haben, verstehen, daß es demokratische Bedenken gibt, einen Untersuchungsausschuß einzuberufen, der zu einem Tribunal gemacht werden könnte, das einer geifernden Masse sozusagen zur Volksbelustigung dient. (Abg. Dr. Graf: Das ist eine verräterische Rede!) Das sind Bedenken, Kollege Stadler, die wir als Oppositionsparteien der Sache wegen ernst nehmen wollen. (Abg. Mag. Stadler: Kriechen Sie zurück zur SPÖ!) Nein, Herr Kollege Stadler, ich "krieche" nicht "zurück", ich erlaube mir nur, darauf hinzuweisen und Sie zu ersuchen: Machen Sie es mir als Ihrem Verbündeten in dieser Frage nicht schwerer als notwendig, bei der Stange zu bleiben! (Abg. Dr. Nowotny: Das ist hoffnungslos!) Ich sage Ihnen das und ersuche Sie darum! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist blamabel!)

Meine Damen und Herren, insbesondere von der freiheitlichen Fraktion: Das hat nichts damit zu tun, daß selbstverständlich die Causa CA – Bank Austria eine nach wie vor untersuchenswerte ist. Ich glaube, weit darüber hinaus, ein Untersuchungsausschuß würde heute wahrscheinlich den einen oder anderen Mißstand aus der Vergangenheit durchaus auflösen. (Abg. Mag. Stadler: Das ist peinlich!) Ich sehe sachlich den Schwerpunkt nicht so sehr dort, wo Sie ihn sehen. Aber mich würde zum Beispiel die Rolle des Herrn Jud sehr interessieren. Das ist für mich ein Thema, von dem man sagen kann: Das muß man untersuchen. (Abg. Mag. Stadler: Herr Kollege, es geht um die Frage, was der Kanzler gemacht hat!)

Zu diesem Syndikat, dieser Gesellschaftervereinbarung muß ich wirklich sagen: Wer sich mit diesen Fragen beschäftigt, weiß, wie so ein Syndikat ausschaut. Und was sollte sonst in dem Vertrag stehen als so etwas oder so etwas Ähnliches? Das sind tägliche Geschäfte für Unternehmer oder für Gesellschafter großer Unternehmungen, und da sehe ich diesen Untersuchungsausschuß nicht als so wichtig an. (Abg. Dr. Graf: Sie merken permanent, daß das überhaupt keine Wirkung hat!)

Aber bei der Rolle des Herrn Jud, bei der Rolle der jahrelangen Privatisierungsbemühungen, bei der Rolle der Politik zur Verhinderung der einen und zur Unterstützung der anderen Lösung, dort sehe ich einen Aufklärungsbedarf. Daher stehen wir auch dazu, daß wir einen solchen Untersuchungsausschuß wollen. Aber wir wollen ihn selbstverständlich auch auf Basis einer fairen Auseinandersetzung und nicht als reine Polemik.

Im übrigen, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, meine ich, daß der Untersuchungsausschuß allein Ihnen gar nichts mehr nützen wird. Sie werden dieses Thema Bank Austria – Creditanstalt so lange nicht von der Tagesordnung bekommen, solange Sie sich nicht zum einzigen sinnvollen Schritt entschließen können, und das ist eine Novellierung des Sparkassengesetzes. Das wissen Sie doch in der Zwischenzeit! Was immer der Vorstand dieser großen Bank macht, welche Entscheidungen immer er treffen wird: Es wird immer ein Politikum werden. Und das wird Sie zermürben im Laufe der Monate und Jahre. Glauben Sie mir das, Sie werden das nicht aushalten!

Das einzige, was Sie retten würde oder was Ihnen helfen würde – und nicht nur Ihnen als Koalition, sondern auch dem Land und der Wirtschaft  –, das einzige, was das Vertrauen in unseren Bank- und Finanzplatz stärken würde, wäre eine Konsequenz in der Novellierung des Sparkassengesetzes. Es ist ein Unding, heute, im Jahre 1997, Hunderte Milliarden Schilling an Vermögen eigentümerlos zu gestalten und dieses Vermögen und die Verfügungsgewalt über dieses Vermögen dem Zufallsprinzip oder gar der gezielten, zum Teil ... (Abg. Dr. Nowotny: Das ist kein Zufallsprinzip!) Kollege Nowotny, das wissen Sie doch. Ich verstehe nicht, Sie wissen doch, wie es geht, Sie sind doch ein gescheiter, ausgebildeter, hervorragender Kenner der Szene. Sie wissen, daß es ein Politikum ... (Abg. Dr. Nowotny: Ich habe auch meine Meinung dazu!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter, den Schlußsatz bitte!


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77. Sitzung / Seite 284

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner
(fortsetzend): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Das ist das Krebsgeschwür! Sorgen Sie dafür, daß die Politik die Hände aus den Bankengeschäften läßt! Dann werden Sie einen Schritt weiterkommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

1.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

1.37

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hätten wir nicht schon gewußt, daß sich diese Angelegenheit nicht für einen Untersuchungsausschuß eignet – nach Ihrer Rede, Herr Stadler, wüßten wir es! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Witz! Die ÖVP ist wirklich nicht mehr zu retten!)

1.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun noch Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Kästle!)

1.38

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Khol, ich glaube, Ihre kurze Wortmeldung war nicht sehr geeignet (Abg. Eder: Sehr geeignet!) , die Demokratie in diesem Hohen Haus zu fördern. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das war die Wirtschaftskompetenz der ÖVP!)

Wissen Sie, Herr Haselsteiner: Belehrungen, in welcher Form ein Antrag begründet werden soll, sind nicht Thema dieser Aussprache, aber hinsichtlich des Sparkassengesetzes stimme ich Ihnen zu. (Anhaltende Zwischenrufe, in denen immer wieder das Wort "Kästle" fällt.)

Herr Jarolim! Sie haben kein Licht ins Dunkel dieser Affäre gebracht! Ihre ständigen Ablehnungen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses lassen einfach den Schluß zu, daß die handelnden Personen der Öffentlichkeit etwas verschweigen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Tatsache ist: Die Informationen sind nicht oder unrichtig von den Verantwortlichen weitergegeben worden. Tatsache ist, daß die handelnden Personen wie der Herr Bundeskanzler und frühere Finanzminister Klima nur scheinbar nicht wußten, was um sie herum vorging. Tatsache ist, daß der Anteilsverkauf zur Bildung eines neuen machtpolitischen Zentrums gedient hat, und Tatsache ist, daß Experten wie Professor Tichy den Verkauf als Scheinprivatisierung angesehen haben. Tatsache ist auch, daß der Verkauf der Bundesanteile an der CA nicht zu einer weitgehenden Neuorientierung der Kreditwirtschaft und insbesondere nicht zur Verringerung des parteipolitischen Einflusses auf strategische und personelle Entscheidungen der Banken unter Wahrung nationaler Interessen geführt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch wenn Sie von der ÖVP sich ob der Vorgänge um den CA-Verkauf gekränkt gezeigt haben: Letztendlich wollen Sie ja die Möglichkeit im Dunstkreis des Raiffeisensektors auch nicht preisgeben. Der einzige Unterschied zwischen der ÖVP und der SPÖ im Versuch des Machterhaltes ist der, daß die SPÖ – zugegebenermaßen – ungenierter und schneller handelt und Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, hinterherhinken. Wenn Sie dies anders sehen, dann stimmen Sie doch der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu! Sie können ja nichts verlieren.

Aber auch an die Abgeordneten der SPÖ: Lassen Sie wirklich den Verdacht, den Dr. Praschak in seinem Vermächtnis niedergeschrieben hat, politisch unbeantwortet (Abg. Grabner: Reden wir lieber von Kästle!), daß etwa bei der Kontrollbank ein System der Ungleichgewichte herrscht, daß aufgrund der vorgegebenen Eigentümerstruktur die Oesterreichische Kontrollbank mit einem Monopol ausgestattet und ganz sicher nicht EU-konform ist? (Abg. Grabner: Man könnte auch über Kästle einiges reden!) Oder daß in diesem österreichischen Exportförderungssystem die "checks and balances" nicht gegeben sind, wie Dr. Praschak dies ausgedrückt hat? Oder


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daß keine Übersicht über die Höhe uneinbringlicher Forderungen besteht und nichts unternommen wurde, um zu verhindern, daß Haftungszusagen gemäß AFG trotz negativer Projekt- und Länderanalysen, also negativer Risikobeurteilung, durch politische Einflußnahme erteilt wurden? (Abg. Dr. Cap: Das Licht brennt!)

Der Herr Finanzminister ist nicht mehr da, aber er hat selbst in seiner Beantwortung meiner Frage im Hauptausschuß festgestellt, daß per 31. Dezember 1996 Umschuldungsgarantien in Höhe von 103,545 Milliarden Schilling bestehen; Umschuldungsgarantien, die aus Geschäften entstanden sind, die zum Großteil aus politisch motivierter Beschäftigung der seinerzeitigen Staatsbetriebe entstanden sind. (Abg. Dr. Fekter: Herr Präsident! Das Licht leuchtet schon seit drei Minuten! – Abg. Dr. Stummvoll: Es erleuchtet ihn aber nicht!)

Ganz abgesehen davon, ob nun die Kontrollbank in ihrer Struktur EU-rechtskonform ist oder nicht: Sie müssen die Exportfinanzierung auf neue Beine stellen, denn das jetzige System ist untauglich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann stimmen Sie diesem Untersuchungsausschuß zu!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (fortsetzend): Dann entkräften Sie die Vorwürfe, daß die politisch geleitete Kontrollbank unsauber bilanziert hat (Abg. Eder: Einen Satz!), indirekt Parteienfinanzierung durchgeführt hat, bedenkenlose und von politischer Seite manipulierte Kreditvergabe und Schuldenaufnahme betrieben hat! (Abg. Dr. Khol: Einen Satz! – Abg. Dr. Fuhrmann: Redezeit, Herr Präsident!) Und dann entkräften Sie, meine Damen und Herren, unseren Vorwurf ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, den Schlußsatz zu Ende zu bringen!

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (fortsetzend): ..., daß dies alles unter politischem Druck durchgeführt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

1.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die Wortmeldungen nach § 57a der Geschäftsordnung sind konsumiert, die Debatte somit geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Es liegt nach § 66 Abs. 4 der Geschäftsordnung ein Antrag von 20 Abgeordneten auf Durchführung einer geheimen Abstimmung vor.

Nach dieser Geschäftsordnungsbestimmung ist über diesen Antrag abzustimmen. Ich lasse daher über den Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung abstimmen.

Wer diesem Antrag beitreten möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Minderheit. Der Antrag auf geheime Abstimmung ist damit nicht angenommen. (Abg. Mag. Stadler: Sie wollen nicht einmal eine geheime Abstimmung machen, weil Sie Ihren eigenen Leuten nicht vertrauen!)

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen möchten, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Anschober und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Untersuchung der Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im


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77. Sitzung / Seite 286

Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere, ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von Seiten des Iran, "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet –, erteilt wurden.

Dieser Antrag wurde inzwischen an alle Abgeordneten verteilt. Es erübrigt sich die Verlesung durch den Schriftführer.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Rudolf Anschober und FreundInnen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgenden Gegenstandes wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt:

Verantwortlichkeit von Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der freien Ausreise der Täter betreffend den Mord an dem damaligen Vorsitzenden der DPK-I Dr. Abdul Rahman Ghassemlou und seiner zwei Vertrauten; insbesondere ob und welche Weisungen angesichts der Drohungen von Seiten des Iran "die Unterlagen über die illegalen österreichischen Waffenlieferungen im ersten Golfkrieg" preiszugeben – wie vom ehemaligen Präsidenten des Iran Bani-Sadr behauptet – erteilt wurden.

Mit folgender Zusammensetzung:

4 SPÖ, 3 ÖVP, 2 FPÖ, 1 Liberales Forum, 1 Grüne.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich verweise auf die Redezeitbeschränkung wie zuvor.

Erstmeldung: Herr Abgeordneter Anschober. 10 Minuten maximale Redezeit. – Bitte. (Abg. Dr. Fuhrmann: Erzähl uns etwas! Distanzierung von Pilz ist angesagt, Kollege Anschober! – Weitere Zwischenrufe.)

1.46

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! In der 17. Stunde der heutigen Plenardebatte kommen wir zu einem sehr wichtigen Thema. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wie war der Zwischenruf? Kollege Cap, ausgerechnet von dir dieses Wort? Das ist überraschend. (Abg. Dr. Schwimmer: Herr Kollege! Haben Sie keine Rede vorbereitet? Brauchen Sie ein Stichwort? – Ruf bei der SPÖ: Jetzt wiederholt er das vom Bani-Sadr!): sechster Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Und obwohl eigentlich längst die Mehrheit in diesem Haus – das merke ich bei vielen, vielen Gesprächen unter vier Augen mit ÖVP-Abgeordneten und mit SPÖ-Abgeordneten – für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist ... (Abg. Dr. Fekter: Reden Sie über den Denunzianten Pilz!) Ich kann Ihnen, Frau Kollegin Fekter, etliche Abgeordnete der ÖVP nennen, die, wenn sie nicht unter dem Einfluß des, wie er in den eigenen Reihen tituliert wird, "Ganz-fair"-Klubobmannes Khol stehen (Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP) , doch zu einer gewissen Haltung in der Frage Untersuchungsausschuß motiviert werden könnten. (Abg. Schwarzenberger: Nennen Sie sie doch!) Ich kann Ihnen auch etliche Damen und Herren – die sind ja nicht geheim, die sind ja auch öffentlich – aus der SPÖ-Fraktion nennen, die dann, wenn sie frei abstimmen könnten, für diese Untersuchungsausschußanträge stimmen würden. Es gibt


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eigentlich längst eine Mehrheit in diesem Hohen Haus. (Abg. Dr. Fekter: Ah, das glauben Sie! – Abg. Dr. Stummvoll: Realitätsverlust!)

Die Frage ist: Wann wird es soweit sein, daß die Abgeordneten von ÖVP und SPÖ in dieser Frage das abstimmen können, was sie abstimmen wollen, das abstimmen dürfen, was sie abstimmen wollen? Und auch das wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die politische Kultur in diesem Hause. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Wie spät ist es?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Strategie ist eine sehr, sehr einfache und sehr durchschaubare. (Abg. Dr. Khol: Seien Sie doch nicht so unglaublich oberlehrerhaft!) Sie glauben, Sie können dieses Thema über den Sommer aussitzen, Herr Ex-Innenminister, und dann ist Gras über diese Angelegenheit gewachsen, dann ist diese Angelegenheit vergessen.

Ich sage Ihnen, Herr Ex-Innenminister: Diese Kalkulation – zu Ihnen und Ihren Weisungen komme ich noch, Herr Ex-Innenminister –, diese Berechnung, wird mit Sicherheit nicht aufgehen (Abg. Dr. Höchtl: Nicht einmal Ihre eigenen Leute kriegen Sie dazu! – Abg. Dr Fekter: Der Van der Bellen stimmt auch nicht zu!) , und zwar völlig gleichgültig, ob Sie jetzt den demokratiepolitischen Mindeststandard zugestehen (Abg. Dr. Khol: Der Wabl wird nicht zustimmen, der Van der Bellen wird nicht zustimmen, die Langthaler will auch nicht zustimmen!) , nämlich daß Untersuchungsausschüsse so wie in Deutschland auch in diesem Haus ein Minderheitenrecht werden. (Abg. Dr. Schwimmer: Der Wabl wird nicht zustimmen!) Herr Kollege Schwimmer, Sie können mit Ihrer Brüllerei die Argumente nicht übertönen, das wird Ihnen nicht gelingen. (Beifall bei den Grünen.)

Spätestens im Herbst wird dieser Untersuchungsausschuß durchgesetzt, Herr Klubobmann Dr. Khol! Da hilft auch die harte Linie nichts mehr, Herr Klubobmann Khol! (Zwischenruf des Abg. Dr. Schwimmer. ) Herr Kollege Schwimmer! Wollen Sie nicht dann zum Pult kommen und Ihre wertvollen Ezzes von sich geben?

In der Zwischenzeit werden wir, gemeinsam mit einer kritischen Öffentlichkeit in diesem Land ... (Abg. Dr. Schwimmer: Wo ist Herr Wabl? Wo ist Frau Langthaler? – Abg. Schieder: Bei Ihnen fehlt die Hälfte der Abgeordneten für die Zustimmung!) Ja, ja, Herr Kollege Schieder! In der Zwischenzeit werden wir die vielen, vielen offenen Fragen thematisieren, unter anderem auch die Frage Ihrer politischen Weisungen, Herr Ex-Innenminister Löschnak! Diese vielen offenen Fragen können nur in einem Untersuchungsausschuß endgültig geklärt werden!

Um welche offenen Fragen geht es? So zum Beispiel – und damit bleibe ich jetzt bei Ihnen, Herr Ex-Innenminister Löschnak! – geht es um die Frage der Weisungen des Ex-Innenministers Löschnak. Es geht um drei konkrete Weisungen! Herr Ex-Innenminister Löschnak, Sie könnten ja hier herausgehen (Abg. Schieder: Hinausgegangen ist die Hälfte Ihrer Abgeordneten!) und uns hier erklären, wie es mit diesen drei politischen Weisungen ausgesehen hat!

Erstens: Warum haben Sie eine rechtswidrige Weisung erteilt, damit Schubhaft verhängt werden kann, obwohl Sie genau gewußt haben, daß diese Weisung rechtswidrig ist? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Warum haben Sie nicht ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Löschnak.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da werden Sie nervös, das verstehe ich! Da gibt es interessante Aktenvermerke. Warum haben Sie nicht eine 48 Stunden-Festhaltung in der Causa Bozorgian verhängt? Das wäre ganz einfach gewesen! Es wäre für einen Mörder unmöglich gewesen, zu fliehen, wenn Sie diese Weisung erteilt hätten!

Zweitens: Was war mit der Weisung in der ersten Nacht, Herr Ex-Innenminister Löschnak? Ich meine die Weisung, daß – nach einer Intervention eines Wiener Spitzenpolitikers – nicht die EBT, die bereits in der Mordnacht festgestellt hat, daß mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent die drei Iraner die Täter sind, sondern die Staatspolizei Wien die Ermittlungen übernehmen muß. Es gibt zwei Aktenvermerke dazu, Herr Kollege und Ex-Innenminister Löschnak. Erklären Sie uns doch: Wer hat denn diese Intervention mit welchen Interessen getätigt?

Drittens: Wer hat denn die Weisung auf Reduktion des Botschaftspersonals, nach der Bozorgian erst fliehen konnte, gegeben, und was war der Vorlauf dieser Weisung?


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Viertens: Herr Ex-Innenminister Löschnak! Wissen Sie, worüber sich die Beamten, führende Beamte im Innenministerium am meisten wundern? – Darüber, daß es nur äußerst wenige Akten in der Kurden-Causa im Innenministerium gibt. Warum gibt es nur zwei Aktenkonvolute? (Abg. Gaál: Sie haben keine Ahnung!) Jeder Beamte im Innenministerium sagt uns, daß nur zwei Sachen vorgefallen sein können: Entweder der damalige Ressortchef hat ganz bewußt und gezielt keine Aktenvermerke verfaßt, oder die entscheidenden Aktenvermerke sind irgendwann verschwunden. – Das ist die Auskunft aus dem Innenministerium, Herr Ex-Innenminister Löschnak! Das werden Sie erklären müssen, und das werden Sie in einem Untersuchungsausschuß erklären müssen! Das garantiere ich Ihnen.

Der fünfte Punkt, der sehr stark mit dem Innenressort zu tun haben wird, ist die Frage: Wie kommt ein damaliger Leiter der Staatspolizei dazu, daß er direkt bei der Justiz interveniert, damit Haftbefehle zurückgezogen werden? Hat er von sich selbst aus agiert, Herr Ex-Innenminister Löschnak? War er völlig frei von irgendwelchen Beeinflussungen und von Druck? War er völlig frei von Beeinflussungen seitens des Innenministeriums und seitens des Justiz- und des Außenressorts? – Ich bin mir ziemlich sicher, daß das nicht der Fall war. (Abg. Dr. Löschnak: Sie haben keine Ahnung!)

Der zweite Fragenbereich betrifft den 5. Dezember. – Sie selbst haben einmal bei einem interessanten Gespräch im Innenministerium die Meinung geäußert, daß Sie "überrascht" waren über die Haltung des Außenressorts und über die Politik des Kopf-in-den-Sand-Steckens in dieser Causa. Der 5. Dezember war der Tag des jetzigen Bundespräsidenten: Das Vorgehen Klestils in dieser Frage an diesem Tag ist aufklärungsbedürftig, und zwar nicht nur für mehrere Fraktionen dieses Hohen Hauses, sondern für die gesamte kritische Öffentlichkeit in diesem Land und über dieses Land hinaus.

Was geschah an diesem 5. Dezember? – Es hat zunächst eine vom jetzigen Bundespräsidenten bestrittene Intervention des iranischen Botschafters bei ihm gegeben. Es hat daraufhin ein Telephongespräch Klestil – Löschnak gegeben, und es hat daraufhin die Weisung auf Abzug des Bewachungspersonals der Botschaft gegeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es besteht nun die Frage, Herr Ex-Innenminister Löschnak: Warum, mit welchem konkreten Druck und mit welchen Argumenten kam es zu dieser Fluchthilfe und zur Fluchtermöglichung in diesem Zusammenhang?

Der Fall der Kurden-Morde in Wien ist kein Einzelfall, das wissen Sie. Unter Ihrem Vorgänger Blecha ist es im Mai 1987 zum Fall Citgar, zum Mord an einem iranischen Oppositionellen gekommen. Auch in diesem Fall gab es keine Ermittlungen seitens der Exekutivbehörden und seitens der Justiz. Und nun ein ganz interessantes Faktum: Bereits Mitte August des Jahres 1989, also nur drei Wochen nach dem Mord an Ghassemlou und seinen Kollegen, wurde im Bundeskanzleramt dem Kabinett des Bundeskanzlers ein Dossier übermittelt, in dem dezidiert und detailliert über die Organisation des iranischen Terrors in Wien für ganz Europa und über die Täter bei den Kurden-Morden informiert wurde.

Herr Ex-Innenminister! Sie müßten dieses Dossier kennen! Wissen Sie, was die Reaktion darauf war? – Schubladierung! Es hat keine Ermittlungen und Recherchen in dieser Causa gegeben, und es hat kein Aufdecken gegeben, ob diese Informationen korrekt sind. Wir wissen mittlerweile nach dem heutigen Erkenntnisstand, daß diese Informationen korrekt waren, und zwar betreffend alle drei Täter im Fall der Ermordung Ghassemlous.

Es gibt jede Menge Fragen in diesem Zusammenhang. Der Fall Ghassemlou ist auch kein Einzelfall. Es gab zwischen 1980 bis 1992 eine Attentatsserie in ganz Europa, insgesamt 34 Morde an iranischen Oppositionspolitikern.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Rudolf Anschober (fortsetzend): Wir werden Sie in den nächsten Wochen und Monaten – und sei es auch zu so später Stunde – immer wieder daran erinnern, daß Sie es sich nicht leisten können, daß Sie bei drei politischen Morden und unter dem dringenden Verdacht,


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daß hier eine staatlich organisierte Fluchthilfe stattgefunden hat, weiter diese Mauer des Schweigens aufrechterhalten! (Beifall bei den Grünen.)

1.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Ab jetzt beträgt die maximale Redezeit 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.57

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst Herrn Abgeordneten Jarolim ins Stammbuch: Herr Kollege, der Ton, den Sie hereingebracht haben, haben wir hier im Haus wirklich nicht gebraucht! (Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Eine Gruppe von Abgeordneten, die immerhin 42 Männer und Frauen umfaßt, hinter der 1 Million Wähler stehen, ist kein "Haufen" – weder für Sie noch für irgend jemanden anderen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Ich bin weit davon entfernt, die Fraktion der sozialdemokratischen Abgeordneten als "Haufen" zu bezeichnen, aber ich möchte gerne wissen, was Sie tun und wie Sie sich zu Recht aufregen würden, wenn ich Sie als "Haufen" bezeichnete! (Abg. Dr. Fuhrmann: Und was ist mit euren Zwischenrufen?)

Es gehört sich schlicht und einfach nicht, sich so zu betragen, wie Sie sich hier betragen haben, und ich rate Ihnen dringend, das in Zukunft zu unterlassen! Wenn Sie aus Ihrer hintersten Reihe nach vorne kommen, dann sollten Sie sich ein bißchen an den Ton halten, der in einem Parlament üblich ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fuhrmann: Und was ist mit euren Zwischenrufen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das gilt immer, auch wenn man berücksichtigt, daß Sie sich als Pflichtverteidiger, vielleicht sogar als Verfahrenshelfer in der Bankensache fühlen mögen! (Abg. Dr. Fuhrmann: Denk einmal an eure Zwischenrufe!) – Willi, worüber regst du dich auf, bitte? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Komm heraus! Sag etwas zu Stadler! Ich bin ja auch hier und sage etwas zu der ungeheuerlichen Formulierung, die ein Fraktionsmitglied der SPÖ – und im übrigen ein Berufskollege von dir und von mir – gegenüber einer Fraktion verwendet hat, hinter der 1 Million Wähler stehen. Das gehört sich nicht! So beträgt man sich nicht – und schon gar nicht in einem Parlament! Und wenn dir etwas nicht gefällt an einem anderen, dann komm heraus und sag es! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Fuhrmann. )

Ich nehme mir heraus, jeden zu kritisieren, der gerade erst die Nase hier herein gesteckt hat und schon zum Rednerpult geht und ausfällig wird! Dagegen wehre ich mich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und jetzt zum Antrag selbst. Hohes Haus! Ich weiß nicht, ob in der Öffentlichkeit wirklich Interesse an Klarheit darüber besteht, unter welchen Umständen seinerzeit drei Kurden ums Leben gekommen sind. Ich glaube es, ehrlich gesagt, eher nicht!

Ich höre aus der Bevölkerung, daß die Leute den Standpunkt vertreten: Solange die bei uns einander gegenseitig die Köpfe einschlagen, aber uns in Ruhe lassen, soll es uns recht sein; es soll nur keiner von unseren eigenen Polizisten daran glauben müssen! – Hören Sie auf die Leute auf der Straße, dann werden Sie das ähnlich wahrnehmen. Ich habe den Eindruck, daß sich die, die glauben, daß alle in der Republik Österreich nur darauf brennen, zu erfahren und zu klären, was sich wirklich ereignet hat, sehr stark von der Meinung der Bevölkerung abgehoben haben.

Ich weiß auch nicht, ob seinerzeit wirklich die große Verschwörung stattgefunden hat, auf die sich Grün und Gelb eingeschworen haben. Ich glaube auch das eher nicht. Ich meine, daß eher ein bißchen "Kottan ermittelt" Platz gegriffen hat, "Kottan ermittelt", wie wir diese Serie aus dem Fernsehen kennen, bei der wir die ein bißchen liebenswerten und ein bißchen belächelten österreichischen Eigenschaften schätzen.

Ich bin mir in beiden Punkten nicht sicher. Ich bezweifle aber das wirklich wache Interesse der Öffentlichkeit, und ich bezweifle auch, ob es die Verschwörung gegeben hat, die an die Wand


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gemalt wird, aber etwas weiß ich sicher: Wenn sich hinsichtlich eines Stückes politischer Kriminalgeschichte alle drei Oppositionsparteien in diesem Haus, die immerhin fast ein Drittel der Abgeordneten stellen, nachhaltig einig sind, daß sie das schärfste Instrument der politischen, also der parlamentarischen Aufklärung zum Einsatz gebracht sehen wollen, dann ist es eine Notwendigkeit der parlamentarischen Courtoisie, daß dem nicht auf Dauer widersprochen wird. (Zwischenruf des Abg. Kopf. )

Wenn in einer parlamentarischen Demokratie die gesamte aus drei Parteien bestehende Opposition sich einig ist, daß sie Aufklärung durch ein parlamentarisches Instrument bekommen will, dann ist das Haus gut beraten, diesem Wunsch entsprechend nachzukommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

2.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordnetem Moser vor. – Bitte, Herr Abgeordneter.

2.02

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es trotz vorgerückter Stunde noch Sinn macht, sich hier zu Wort zu melden und einige Anmerkungen zum Antrag der grünen Fraktion zu machen.

Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich sagen, daß ich doch etwas überrascht bin, daß sich seitens der Regierungsparteien dazu überhaupt niemand zu Wort meldet. Ich hoffe, daß zumindest noch jemand von der sozialdemokratischen Fraktion sprechen wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dann ist jetzt noch eine Wortmeldung gekommen!

Ich glaube, nach den Vorwürfen und den Anwürfen des Kollegen Anschober gegenüber Herrn Ex-Innenminister Löschnak ist es sicherlich zweckmäßig und notwendig, hier auch Stellung zu nehmen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie werfen uns undemokratisches Verhalten vor, wenn wir die Ausschüsse nicht besuchen, um unseren Protest gegen Ihre ständige Ablehnung eines notwendigen Untersuchungsausschusses kundzutun. (Abg. Schwarzenberger: Aber die Reisekostengebühren für die Teilnahme an den Ausschüssen wurden beantragt!) Sie verweigern Ihrerseits hier die Diskussion. – Ich glaube, daß es sich hiebei um mangelndes demokratiepolitisches Verständnis auf Ihrer Seite handelt, meine Damen und Herren!

Mir fällt es heute – das sage ich auch ganz ehrlich – nicht wirklich leicht, mich zu Wort zu melden, vor allem im Zusammenhang mit zwei Ereignissen der letzten Zeit. Einerseits hat Kollege Anschober in seiner Rede hier keine im Prinzip wirklich nachvollziehbaren Argumente vorgebracht, die eine echte politische Verantwortlichkeit tatsächlich begründen könnten. Ich habe damit Probleme, schon aufgrund der Tatsache, daß Kollege Anschober nun auch schon beginnt, die Linie seines Klubkollegen Pilz einzuschlagen, wenn er hier von "staatlich organisierter Fluchthilfe" spricht. (Abg. Dr. Fekter: In der Zeitung steht: Denunziant!) Herr Kollege Anschober! Ich glaube, mit der Einschätzung der Lage und der Situation, die du heute hier kundgetan hast, bist du ein bißchen zu weit gegangen!

Das Verhalten des Herrn Kollegen Pilz in Amerika müssen wir schlichtweg zurückweisen. Denn wenn man sich heute den Bericht in der "ZiB 2" angesehen hat oder wenn man die heutige "Presse" gelesen hat ... (Abg. Schwemlein: Aha, du hast ferngesehen! Wir waren nämlich hier im Plenum!) Ich war da im Sitzungssaal, aber ich habe es mir berichten lassen, Herr Kollege!

Aber wenn man in den Zeitungen von heute liest, daß Herr Pilz in Amerika unser Land heftig attackiert, daß der Ausschußvorsitzende am Ende die österreichische Regierung als Komplizen von Mördern darstellt – wobei es noch einige Fragen zu beantworten gibt –, dann muß ich feststellen, meine Damen und Herren: Das geht wirklich zu weit! Das ist, gelinde gesagt, eine Sauerei! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.) Ich meine, daß derartige Aussagen entschieden


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abzulehnen sind! Sie leisten der Sache betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wirklich einen Bärendienst, meine Damen und Herren von den Grünen.

Der Grund, warum ich mich zu Wort gemeldet habe, ist das Faktum, daß ich überzeugt davon bin, daß die Notwendigkeit der Einsetzung eines derartigen Untersuchungsausschusses tatsächlich vorhanden ist. Meine Damen und Herren! Sie haben jetzt, wie ich hoffe, alle den Bericht, den die Bundesregierung dem Parlament vorgelegt hat. Sie kennen die Berichte der drei Ministerien. – Diese Berichte sind unvollständig! Diese Berichte lassen mehr Fragen offen als sie Fragen beantworten. Insbesondere das Justizministerium und auch das Außenministerium sind dem Parlament ganz entscheidende Antworten schuldig geblieben sind. Ich glaube daher, daß Sie von den Regierungsparteien insgesamt der Sache nichts Gutes tun, wenn Sie weiterhin – - und ich vermute, auch heute wiederum – die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ablehnen!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie wirklich wollen, daß dem Recht zum Durchbruch verholfen wird, wenn Sie wirklich wollen, daß das verwirklicht wird, was Ihr früherer Minister, der sozialistische Innenminister Löschnak, erklärt hat, daß nämlich in einem Rechtsstaat das Recht konsequent verfolgt werden muß, welche negativen Begleiterscheinungen dabei auch immer herauskommen, dann stimmen Sie bitte dem Untersuchungsausschuß zu! (Abg. Dr. Fekter: Damit der Pilz recht bekommt? – Nie und nimmer!) Denn wir wollen, daß hier Licht ins Dunkel kommt! Wir wollen, daß die politischen Verantwortlichkeiten dargestellt und klargelegt werden. Vor allem, Frau Kollegin Fekter, geht es darum, wirklich zu hinterfragen und Fakten auf den Tisch zu legen, was im Außenministerium passiert ist. Lesen Sie bitte die Interviews durch, die im Jahre 1989 vom jetzigen Bundespräsidenten Klestil, dem damaligen ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Hans Helmut Moser (fortsetzend): Lesen Sie die Interviews, die mit Klestil gemacht wurden! Dann wissen Sie, daß das Parlament nicht vollständig informiert wurde. Wir wollen aber, daß dieses Parlament vollständig informiert wird: im Interesse des österreichischen Parlamentarismus und im Interesse dieses Landes. Daher ersuchen wir Sie, daß Sie diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Ihre Zustimmung erteilen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

2.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Löschnak. – Bitte.

2.08

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz vorgerückter Stunde ist es, glaube ich, notwendig, einige wenige Sätze zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Anschober zu sagen. Denn was er vorbringt oder im Laufe der letzten Wochen und Monate vorgebracht hat, ist wirklich unbeschreiblich. So hat er zum Beispiel den Vorwurf erhoben, daß es im Innenministerium über die Ermittlungen seiner Meinung nach viel zu wenig Akten und Aktenvermerke gebe. Dann unterstellt er, da es offenbar zu wenig Unterlagen gibt, daß sie nur beiseite geschafft worden sein können oder gar nicht angefertigt wurden, damit man etwas vertuscht oder verheimlicht. Da muß ich die Frage wiederholen, die ich Ihnen schon das letzte Mal gestellt habe: Mit welchem Recht gehen Sie hier heraus, wenn Sie – Herr Pilz und Sie – sich mit jemandem wie jenem Bani-Sadr auf eine Bank setzen, der Tausende Menschen umgebracht beziehungsweise zumindest davon gewußt hat?! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Mit welchem Recht kommen Sie jetzt hier heraus und stellen Forderungen?! (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zweiter Punkt, Herr Kollege Anschober: Mit welchem Recht gehen Sie in diesem österreichischen Parlament zum Rednerpult und verlangen einen Untersuchungsausschuß, nun, da Herr Pilz in Amerika gewesen ist, nachdem er und hier in Österreich offenbar keine Chance mehr hat, seine Ideen und Anliegen erfolgreich vorzubringen, weil sie ihm nicht mehr geglaubt werden, von der Bevölkerung schon lange nicht mehr, aber offenbar auch von einem Teil der Presse nicht?! Nun geht er ins Ausland und schüttet Österreich permanent an, und zwar in einer


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Art und Weise, die unerträglich ist! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: So hat es die SPÖ früher gemacht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine letzte Feststellung, da wir nun offenbar bei der Minute der Empfindlichkeiten sind: Wenn Sie sich, Herr Klubobmann Stadler, aufregen, daß jemand Ihre Fraktion als "Haufen" bezeichnet ... (Abg. Mag. Stadler: Ich will nur, daß das geklärt wird! Ich rege mich überhaupt nicht auf!) Hören Sie mir einmal zu! Ich räume Ihnen wirklich ein, daß Sie sich zu Recht darüber aufregen (Abg. Mag. Stadler: Ich rege mich überhaupt nicht auf! – Abg. Dr. Fuhrmann: Hören Sie doch einmal zu!), aber dann muß ich fragen, wieso sich zwei Fraktionen nicht aufregen, wenn jemand wie Herr Anschober hier sagt, daß diese beiden Fraktionen "staatlich organisierte Fluchthelfer" gewesen sind.

Herr Kollege Anschober! Es ist eine bodenlose Frechheit, was Sie hier von sich gegeben haben, und ich weise dies im Namen beider Fraktionen mit aller Entschiedenheit zurück! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Anschober. ) Das ist nicht böse gemeint. Ich muß Ihnen das aber doch einmal sagen: Ich verstehe Kollegen Pilz: Er läuft um sein politisches Leiberl. Aber daß Sie auch ums Leiberl laufen, läßt nur den Schluß zu, daß Sie die Hoffnung in Oberösterreich auch schon aufgegeben haben, Herr Kollege Anschober. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Anschober: Das ist ein tiefes Niveau! Das ist ganz unten!) Das ist nicht unten, und das ist nicht tief. Ich bin längst nicht mit Ihnen auf einem Niveau, das muß ich Ihnen schon sagen! (Neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn Sie daher zu Ihrer persönlichen Rettung und zur Rettung Ihrer Fraktion etwas beitragen wollen, dann kommen Sie hier heraus mit wirklichen Fakten. Dann kann man darüber reden. Aber daß Sie immer wieder mit Beschuldigungen, Verallgemeinerungen und Verunglimpfungen agieren, das können wir uns ganz einfach nicht gefallen lassen! (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

2.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

2.12

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Ich freue mich immer besonders, wenn der "Fanclub" der ÖVP aufwacht, wenn ich zum Rednerpult gehe. Nichts kann schöner sein, als wenn es schon Zurufe gibt, wenn man durch die Reihen in Richtung Rednerpult geht. (Abg. Dr. Schwimmer: Sie überschätzen sich!)

Kollegen und Kolleginnen! Wir können natürlich heute um diese Zeit noch eine Debatte über Politik und Moral führen, Herr Kollege Löschnak. Ich habe nichts dagegen!

Wenn Sie hier – sicherlich teilweise zu Recht – Bani-Sadrs Namen im Zusammenhang mit den Morden im Iran und seiner Rolle als Staatschef nennen, dann kann ich Ihnen zwei Dinge entgegenhalten. Zum einen: Er hat seine Meinung ganz offensichtlich revidiert, allerdings zu spät, wie man feststellen kann. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Schwimmer: Er hat anständige Menschen aufhängen lassen!)

Zum anderen möchte ich hier noch sagen, bevor Sie sich weiter aufregen: Wer hat denn Geschäfte mit dem Iran gemacht? Welche Regierung? Welche Regierung hat freundschaftliche Beziehungen zum Iran gepflogen? Welche Regierung hat die Verantwortung dafür, daß es zu keinem anderen Land im asiatischen Raum in diesem Zeitrahmen – und bis zum heutigen Tag – dermaßen viele außenpolitische Besuche und Außenwirtschaftskontakte gegeben hat? (Heftiger Widerspruch bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Schwimmer: Das darf nicht wahr sein!) Wer trägt dafür die Verantwortung, daß die Außenwirtschaftsbeziehungen zum Iran verstärkt wurden und die Außenhandelsbilanz zum Iran nach diesen Morden gestiegen ist? (Anhaltende heftige Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Rosemarie Bauer: Das ist ungeheuerlich! – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.) Wer trägt dafür die Verantwortung? Welche


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77. Sitzung / Seite 293

Bundesregierung? – Die Bundesregierung, Herr Exminister Löschnak, der auch Sie angehört haben!

Es wurde eine Außenpolitik betrieben, bei der immer nur vorgegeben wurde, daß sie eine moralische Außenpolitik sei! Es war eine pseudomoralische Außenpolitik, die die Maße ungleich verteilt hat und die ganz offensichtlich Geschäfte mit diesem Regime gemacht hat! (Abg. Dr. Keppelmüller: Das ist empörend!) Ihre Empörung ist gänzlich unglaubwürdig! (Weitere heftige Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Lassen Sie mich noch zwei Dinge ausführen! – Sie können ruhig schreien, das ist meine Redezeit, und ich habe die Mikrophone, es hilft Ihnen ohnehin nichts, kann ich da nur sagen! (Anhaltende heftige Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.) Es wäre besser, Sie würden zuhören und nicht so schreien, denn das spart Ihnen Nerven um diese Tageszeit! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Bani-Sadr hat mehr Menschen umbringen lassen, als Sie Wähler haben! – Abg. Steibl: Aufhören! Aufhören!) Das würde Ihnen so passen, wenn wir jetzt aufhören!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich stelle fest, daß Frau Abgeordnete Kammerlander nur noch eine Restredezeit von knapp über 2 Minuten hat. Ich bitte Sie, das zu respektieren!

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (fortsetzend): Zu all den Vorwürfen, Herr Kollege Löschnak, die im Raum stehen: Die Worte "das Parlament ist belogen worden" haben nicht wir kreiert, sondern das haben die Zeitungen geschrieben, nachdem sie die Debatte verfolgt haben und nachdem sie die Akten genauso studiert haben wie wir. (Abg. Dr. Keppelmüller: Wo ist da die Moral?) Da hilft nur eines: Wenn Sie sich selbst ernst nehmen wollen als Abgeordnete und höchste Repräsentanten in diesem Land, dann setzen Sie einen Untersuchungsausschuß ein, damit festgestellt werden kann, ob uns von Mitgliedern der früheren Bundesregierung und auch noch heutigen Repräsentanten die Unwahrheit gesagt wurde oder nicht! (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Grünen.)

Ich verstehe Ihre Aufregung nicht! Das einzige, was dazu beitragen kann, das aufzudecken, wäre wirklich nur ein Untersuchungsausschuß! Die Zeitungen, auch die Ihnen wohlgesinnten Zeitungen wie etwa die "Kleine Zeitung" hat unter dem Titel "Die Ferdinande" ganz richtig geschrieben, daß dieser Regierung das Kunststück gelungen ist, eine an und für sich uneinige Opposition in einer Sache zu einen, nämlich in dem Anliegen, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Dieses Kunststück ist Ihnen gelungen! Sie haben sicherlich heute gemerkt – und das dürfen Sie auch merken! –, daß diese Opposition nicht in allen Fragen einer Meinung ist, auch was die Untersuchungsausschüsse betrifft. Aber wir sind einer Meinung, daß es in dieser Sache zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kommen soll.

Und zu Ihrer Wehleidigkeit über die Bezeichnung "Haufen" möchte ich nur sagen: Betrachten Sie es positiv! Ich hätte gerne einen Haufen von Stimmen, dann würden wir nämlich einen Untersuchungsausschuß unter den schon gegebenen Gegebenheiten der Geschäftsordnung einsetzen können!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (fortsetzend): Ich meine, daß Sie, wenn Sie immer vom Thema ablenken, den Regierungsparteien nur einen Bärendienst erweisen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Das war ein Skandal!)

2.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich bitte, den jeweiligen Platz einzunehmen.


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77. Sitzung / Seite 294

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag des Abgeordneten Anschober und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht nur durch die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 475/A bis 488/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 2569/J bis 2584/J eingelangt.

*****

Für den Gebrauch des Wortes "Haufen" in Richtung der Freiheitlichen Partei erteile ich Herrn Abgeordneten Jarolim einen Ordnungsruf.

Wegen des Gebrauchs der Worte "roter Haufen" beziehungsweise "schwarzer Haufen" erteile ich Herrn Abgeordneten Stadler einen Ordnungsruf.

Die nächste Sitzung des Nationalrats berufe ich für morgen, Donnerstag, 12. Juni 1997, 9 Uhr ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 2.19 Uhr