Stenographisches Protokoll

92. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 31. Jänner 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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92. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 31. Jänner 2002

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 31. Jänner 2002: 9.01 – 20.26 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird

2. Punkt: Bericht über den Antrag 573/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung des Mountainbike-Sports in Österreich

3. Punkt: Bericht über den Antrag 335/A der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 419/1996, sowie die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 134/1999, geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 134/A der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird

5. Punkt: Bericht über die Petition (2/PET) betreffend Mobilfunk, überreicht von den Abgeordneten Mag. Johann Maier, Dr. Gabriela Moser und Dr. Martin Graf,

den Antrag 55/A der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Telekommunikation (Telekommunikationsgesetz – TKG) BGBl. I Nr. 100/1997, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 27/1999, geändert wird, sowie

den Antrag 213/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forschungsprogramm über Auswirkungen von GSM-Emissionen

6. Punkt: Bericht über die Petition (9/PET) betreffend "Dringend dafür zu sorgen, dass schnellstmöglich die Lärmplage für die Anrainer der Inntalautobahn in zwei Erler Ortsteilen durch die Errichtung einer Lärmschutzwand gemildert wird", überreicht von der Abgeordneten Edith Haller

7. Punkt: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kroatien andererseits samt Schlussakte und Erklärungen

8. Punkt: Erste Lesung: Bildungsoffensive- und Studiengebühren-Volksbegehren


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92. Sitzung / Seite 2

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz – KFG geändert wird (550/A)

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Inhalt

Nationalrat

Angelobung des Abgeordneten Josef Blasisker 11

Personalien

Verhinderungen 11

Ordnungsrufe 177, 178

Geschäftsbehandlung

Unterbrechung der Sitzung 11

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3073/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 33

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 165

Redner:

Dr. Gabriela Moser 165

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 167

Mag. Johann Maier 168

Anna Elisabeth Achatz 170

Hermann Gahr 170

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 171

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 33

Wortmeldungen im Zusammenhang mit der Anwesenheit des Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer während der Debatte über die Dringliche Anfrage:

Ing. Peter Westenthaler 147

Dr. Josef Cap 148

Ersuchen des Abgeordneten Dr. Martin Graf auf Erteilung eines Ordnungsrufes 162

Antrag der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen auf Wahl eines besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Bildungsoffensive- und Studiengebühren-Volksbegehrens gemäß § 87 Abs. 1 GOG – Ablehnung 199

Fragestunde (18.)

Auswärtige Angelegenheiten 12

Dr. Caspar Einem (136/M); Mag. Beate Hartinger, Dr. Michael Spindelegger, Mag. Ulrike Lunacek

Mag. Karl Schweitzer (132/M); Walter Murauer, Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Kurt Heindl


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92. Sitzung / Seite 3

Mag. Ulrike Lunacek (134/M); Anton Heinzl, Mag. Karl Schweitzer, Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler

Dr. Michael Spindelegger (130/M); Dr. Kurt Heindl, Dr. Evelin Lichtenberger

Inge Jäger (137/M); Mag. Karl Schweitzer, Dr. Christof Zernatto, Dr. Eva Glawischnig

Wolfgang Jung (133/M); Mag. Karin Hakl, Inge Jäger, Mag. Ulrike Lunacek

Dr. Evelin Lichtenberger (135/M); Dr. Caspar Einem, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Astrid Stadler

Wolfgang Großruck (131/M); Mag. Ulrike Lunacek, Dr. Gerhard Kurzmann, Mag. Christine Muttonen

Dkfm. Dr. Hannes Bauer (138/M); Ilse Burket, Edeltraud Gatterer, Mag. Ulrike Lunacek

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 11

Ausschüsse

Zuweisungen 31, 199, 201

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Regierungskrise zum Schaden Österreichs (3345/J) 102

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer 105

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 110

Debatte:

Mag. Barbara Prammer (tatsächliche Berichtigung) 118

Dr. Josef Cap 118

Ing. Peter Westenthaler 121

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigungen) 137, 159

Dr. Andreas Khol 137

Dr. Alexander Van der Bellen 140

Rudolf Edlinger 142

Hermann Böhacker (tatsächliche Berichtigung) 145

Mag. Karl Schweitzer 146

Maria Rauch-Kallat 148

Mag. Terezija Stoisits 150

Doris Bures 154

Dr. Gerhart Bruckmann (tatsächliche Berichtigung) 156

Mag. Walter Tancsits (tatsächliche Berichtigung) 156

Dr. Martin Graf 156

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 158

Mag. Terezija Stoisits (tatsächliche Berichtigung) 160

Karl Öllinger 160

Dr. Helene Partik-Pablé 162

Dr. Caspar Einem 163


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92. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz des Verfassungsgerichtshofes vor unsachlichen Angriffen – Ablehnung 121, 164

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend konsequentes Vorgehen der Bundesregierung in Fragen der Erweiterung der Europäischen Union – Annahme (E 120) 124, 164

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Organisation und Verfahren der Verfassungsgerichtshöfe in vergleichbaren demokratischen Staaten – Annahme (E 121) 137, 164

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein klares Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur Erweiterung der Europäischen Union – Ablehnung 141, 165

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen betreffend die konsequente Unterstützung des Erweiterungsprozesses der Europäischen Union  – Ablehnung 144, 165

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend unverzügliche Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses zu zweisprachigen Ortstafeln nach dem Volksgruppengesetz – Ablehnung 152, 165

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über die Regierungsvorlage (448 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird (953 d. B.) 33

Redner:

Beate Schasching 34

Mag. Dr. Udo Grollitsch 35

Reinhold Lexer 37

Dieter Brosz 38

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 39, 49

Katharina Pfeffer 42

Mag. Gerhard Hetzl 43

Johannes Zweytick 44

Mag. Werner Kogler 45

Hermann Böhacker 46

Theresia Haidlmayr 47

Annahme 50

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 573/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung des Mountainbike-Sports in Österreich (954 d. B.) 50

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 335/A der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975,


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92. Sitzung / Seite 5

BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 419/1996, sowie die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 134/1999, geändert werden (956 d. B.) 50

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 134/A der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird (955 d. B.) 50

Redner:

Dr. Günther Kräuter 51

Mag. Dr. Udo Grollitsch 52

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 53

Reinhold Lexer 55

Dr. Peter Wittmann 56

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 58

Ing. Kurt Scheuch 59

Dr. Günther Kräuter (tatsächliche Berichtigungen) 60, 64, 67

Dieter Brosz 61

Werner Miedl 62

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 64

Christian Faul 64

Hans Müller 66

Stefan Prähauser 67

Georg Schwarzenberger 68, 70

Dr. Peter Wittmann (tatsächliche Berichtigung) 69

Emmerich Schwemlein 70

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 954 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Förderung des Mountainbike-Sports in Österreich (E 117) 71

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 956 und 955 d. B. 71

5. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Petition (2/PET) betreffend Mobilfunk, überreicht von den Abgeordneten Mag. Johann Maier, Dr. Gabriela Moser und Dr. Martin Graf,

den Antrag 55/A der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Telekommunikation (Telekommunikationsgesetz – TKG) BGBl. I Nr. 100/1997, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 27/1999, geändert wird, sowie

den Antrag 213/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forschungsprogramm über Auswirkungen von GSM-Emissionen (913 d. B.) 71

Redner:

Kurt Eder 71, 84

Mag. Reinhard Firlinger 73

Dr. Gabriela Moser 75

Mag. Helmut Kukacka 77

Mag. Gisela Wurm 78

Dr. Gerhard Kurzmann 80

Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 81

Rudolf Parnigoni 82

Mag. Johanna Mikl-Leitner 83


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92. Sitzung / Seite 6

Dr. Brigitte Povysil 85

Johann Kurzbauer 86

Ing. Wilhelm Weinmeier 87

Mag. Karin Hakl 88

Rudolf Parnigoni (tatsächliche Berichtigung) 89

Johannes Zweytick 90

Edeltraud Gatterer 91

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 913 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Ausbau der Mobilfunknetze (E 118) 92

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 913 d. B. 92

6. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Petition (9/PET) betreffend "Dringend dafür zu sorgen, dass schnellstmöglich die Lärmplage für die Anrainer der Inntalautobahn in zwei Erler Ortsteilen durch die Errichtung einer Lärmschutzwand gemildert wird", überreicht von der Abgeordneten Edith Haller (914 d. B.) 92

Redner:

DDr. Erwin Niederwieser 92

Edith Haller 93

Johannes Schweisgut 94

Dr. Evelin Lichtenberger 95

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 914 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Errichtung einer Lärmschutzwand bei Erl (E 119) 96

7. Punkt: Regierungsvorlage: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kroatien andererseits samt Schlussakte und Erklärungen (975 d. B.) (gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) 96

Redner:

Inge Jäger 96

Dr. Michael Spindelegger 98

Mag. Terezija Stoisits 98

Wolfgang Jung 99

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 100

Genehmigung des Staatsvertrages 101

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG 101

8. Punkt: Erste Lesung: Bildungsoffensive- und Studiengebühren-Volksbegehren (966 d. B.) 172

Redner:

Mag. Andrea Kuntzl 173

Mag. Rüdiger Schender 173

Werner Amon, MBA 175

Dieter Brosz 178

Dr. Dieter Antoni 181

Mag. Dr. Udo Grollitsch 182

Erwin Hornek 184

Dr. Kurt Grünewald 185

DDr. Erwin Niederwieser 188


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92. Sitzung / Seite 7

Mag. Karl Schweitzer 189

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 190

Beate Schasching 191

Dr. Sylvia Papházy, MBA 192

Mag. Christine Muttonen 193

Christian Faul 194

Gabriele Heinisch-Hosek 196

Dr. Gertrude Brinek 197

Mag. Walter Posch 198

Zuweisung des Bildungsoffensive- und Studiengebühren-Volksbegehrens an den Unterrichtsausschuss 199

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz – KFG geändert wird (550/A) 199

Redner:

Mag. Johann Maier 199

Mag. Reinhard Firlinger 200

Ernst Fink 200

Dr. Evelin Lichtenberger 200

Zuweisung des Antrages 550/A an den Verkehrsausschuss 201

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 31

962: Zivilverfahrens-Novelle 2002

984: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002) erlassen und das Kraftfahrgesetz 1967 und das Immissionsschutzgesetz – Luft geändert werden

Anträge der Abgeordneten

Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (598/A)

Hermann Böhacker, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001, das Finanzausgleichsgesetz 2001, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Bundesstraßengesetz 1971, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das ASFINAG-Gesetz, das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, die Straßenverkehrsordnung 1960 und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert werden und das Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen erlassen wird (Bundesstraßen-Übertragungsgesetz) (599/A)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer EU-weiten "Schwarzen Liste" sozial- und arbeitsrechtlich unzuverlässiger Güterbeförderungsunternehmen (600/A) (E)


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92. Sitzung / Seite 8

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend unverzügliche Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses zu zweisprachigen Ortstafeln nach dem Volksgruppengesetz (601/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Aktion zur Regularisierung des Aufenthaltsstatus von AusländerInnen ohne Aufenthaltsrecht ("Legalisierungsaktion") (602/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verschärfung und Anwendung der Bestimmungen zum Konzessionsentzug im Güterbeförderungsgesetz (603/A) (E)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung des Personalabbaus und Aufstockung des Personals im Bereich der Kontrolle des Straßengüterverkehrs (604/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Um- und Ausbau des Hauptbahnhofes Salzburg" (605/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Lebensmittel: Kürzere Haltbarkeitsfristen und effektivere Kontrollen" (606/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine österreichisch-tschechische Erklärung zu den Beneš-Dekreten (607/A) (E)

Kurt Eder, Mag. Reinhard Firlinger, Mag. Helmut Kukacka, Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierungsbedarf für das Telekommunikationsgesetz (608/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Regierungskrise zum Schaden Österreichs (3345/J)

Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend fehlgeschlagene Privatisierung der ÖDOBAG (3346/J)

Helmut Dietachmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend fehlgeschlagene Privatisierung der ÖDOBAG (3347/J)

Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Mängel bei der Stromkennzeichnung in Österreich (3348/J)

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den geplanten Austausch von Leitlinien auf Autobahnen (3349/J)

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den erbarmungswürdigen Zustand der Straßenverkehrstunnels auf der A 2 (Süd Autobahn) (3350/J)

Anton Gaál, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bahnhofsprojekte in Wien (3351/J)

Mag. Walter Posch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend MenschenrechtskoordinatorInnen in den Bundesministerien (3352/J)


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92. Sitzung / Seite 9

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Aufhebung des Atomstromimports aus Drittländern nach Österreich (3353/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Schlachthof-Skandal und Fleisch-Kontrollsystem (3354/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Wettbewerbsrecht (3355/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Wettbewerbsrecht (3356/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Gefährdung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF gemäß RundfunkG durch parteipolitische Interventionen (FPÖ-"STUNK" im ORF) (3357/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Rehabilitierung der österreichischen Opfer der NS-Militärjustiz (3358/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend versorgungsrechtlichen Status der österreichischen Opfer der NS-Militärjustiz (3359/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Verurteilung (§ 178 StGB) trotz Befolgung der Safer-Sex-Regeln im Zusammenhang mit Hiv und Aids (3360/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend machoide Verhaltensweisen von Leitungspersonal in aus ihrem Ministerium ausgegliederten Einrichtungen (3361/J)

Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend unterbliebene Maßnahmen trotz umfassender Informationen über Missstände in der Transportbranche (3362/J)

Harald Trettenbrein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zuweisung einer Schengen-Planstelle an die VAASt Wolfsberg (3363/J)

Mag. Gerhard Hetzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend unrechtmäßige Einbehaltung der "Stranded Costs"-Abgeltung durch private Netzbetreiber (3364/J)

Mag. Helmut Kukacka, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Bau der City-S-Bahn in Linz (3365/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Basel II – Gefährdung der Klein- und Mittelbetriebe im Gastronomie- und Beherbergungswesen (3366/J)

Emmerich Schwemlein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Gefahr der Mehrbelastung der Tourismusbranche durch Seenbewirtschaftung (3367/J)

Dipl.-Ing. Werner Kummerer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ergebnisse einer Kontrolle des Schlachthofes in Großharras (NÖ) durch die Fremdenpolizei (3368/J)


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92. Sitzung / Seite 10

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausgliederung der Bundesbetreuungsstellen (3369/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Form und Inhalt der Reisepässe und Passersätze (3370/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verzögerung beim Kfz-Beschaffungsverfahren 2001 (3371/J)

Dr. Ilse Mertel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die briefliche Mitteilung an österreichische Familien wegen Anhebung der Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge (3372/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Kontrolle von Betrieben zwecks illegaler Beschäftigung von Arbeitskräften (3373/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (3138/AB zu 3189/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen (3139/AB zu 3225/J)


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92. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren, ich darf Sie sehr herzlich begrüßen und eröffne die für heute, 9 Uhr, anberaumte 92. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Sodian, Hagenhofer, Dr. Hlavac, Reheis und Huber.

Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass an Stelle des Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner, dessen Ausscheiden gestern bekannt gegeben wurde, Herr Josef Blasisker in den Nationalrat berufen wurde.

Da der Wahlschein vorliegt und der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach der Verlesung der Gelöbnisformel durch Frau Schriftführerin Edith Haller wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich darf die Frau Schriftführerin um die Verlesung der Gelöbnisformel bitten.

Schriftführerin Edith Haller: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Josef Blasisker (Freiheitliche): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße den neuen Kollegen herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die heutige Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung mitgeteilt, dass der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein durch Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer vertreten wird.

*****

Wir bräuchten jetzt Frau Bundesminister Dr. Ferrero-Waldner für die


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92. Sitzung / Seite 12

Fragestunde. Herr Abgeordneter Khol, können Sie mir sagen, ob die Frau Bundesminister schon im Hause ist? (Abg. Dr. Khol: Sie war um halb neun bereits in meinem Büro!)

Ich unterbreche die Sitzung für wenige Minuten.

(Die Sitzung wird um 9.04 Uhr unterbrochen und um 9.07 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt, um 9.07 Uhr, mit dem Aufruf der einzelnen Anfragen, wobei ich darauf hinweise, dass wir in der Präsidialsitzung vereinbart haben, dass dieses Mal auf jeden Fall alle Anfragen aufgerufen werden, auch wenn das länger als 60 Minuten dauern sollte.

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 1. Anfrage stammt von Herrn Abgeordnetem Dr. Einem. Ich darf ihn darum bitten, so wie vorgesehen, seine Frage vorzutragen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

136/M

Ist die von Ihnen angekündigte "Strategische Partnerschaft" mit den mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten aus heutiger Sicht ein politischer Erfolg?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich darf festhalten, dass mir nicht bewusst war, dass die zwei Fragen an Bundesminister Dr. Bartenstein zurückgezogen wurden. Ich war bereits im Hause, ich habe eigentlich nur darauf gewartet, mit der Fragestunde beginnen zu können.

Herr Abgeordneter Einem! Die regionale Partnerschaft ist ein langfristiges Projekt, sie ist ein lebendiger Prozess mit dem Ziel der Vorbereitung auf die Erweiterung der Europäischen Union, mit dem Ziel, diese für die Beitrittskandidaten zu erleichtern und später – das ist die zweite Phase – das gemeinsame Interesse im Rahmen der EU zu vertiefen.

Ich kann eine Zwischenbilanz ziehen, die aus österreichischer Sicht sehr positiv ist. Der Prozess der Einrichtung dieser Partnerschaft ist bereits auf gutem Wege. Ich darf sagen, dass die fünf involvierten Partner diesen Prozess als sinnvoll bezeichnet haben und ihn auch in die Praxis umsetzen. Nach der ersten Konferenz in Wien fand bereits eine zweite Konferenz in der Slowakei statt. Ich weise auch auf die Einladung des slowenischen Außenministers hin und darf daher sagen, dass das tatsächlich ein Erfolg ist, der einen nützlichen Beitrag geleistet hat.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Bundesministerin! Können Sie mir sagen, welche Maßnahmen Sie kurzfristig setzen wollen, um in Anbetracht des beträchtlichen Flurschadens im Verhältnis zwischen Österreich und seinem Nachbarn, der Republik Tschechien, wieder gutnachbarliche Beziehungen herzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf Ihnen sagen, dass ich immer darauf hinweise, dass man nicht auf der emotionalen, sondern auf der sachlichen Ebene diskutieren muss. Ich stehe diesbezüglich zum Beispiel – weil Sie Tschechien ansprechen – mit Außenminister Kavan in Kontakt und glaube, es ist mir trotz der schwierigen Lage – weil es ja noch einige ungelöste Fragen gibt – gelungen, die Diskussion auf die sachliche Ebene zu bringen. Ich denke, das ist mein Beitrag dazu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Hartinger, bitte.


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Abgeordnete Mag. Beate Hartinger
(Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Minister! Sie haben ausgeführt, welche Bedeutung die regionalen Partnerschaften generell haben.

Meine Frage lautet: Welche Bedeutung haben die regionalen Partnerschaften im kulturellen Bereich?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Frau Bundesministerin.


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Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner:
Dazu darf ich Folgendes sagen: Ich glaube, sie haben eine ganz große Bedeutung, denn wir haben ja eine gemeinsame kulturelle Tradition und Perspektive. Aus diesem Grund haben wir auch gemeinsam die Plattform "Kultur Mitteleuropa" geschaffen. Ich habe sie selbst zusammen mit meinen Kollegen bei einer gemeinsamen Kulturgala in Brüssel vorgestellt. Das werden wir auch während der spanischen EU-Präsidentschaft so handhaben, vielleicht auch in Drittstaaten. Hier zeigt sich, dass sehr viel Gemeinsames da ist – das muss uns wieder bewusst werden, und das läuft sehr gut.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger, bitte.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Sie haben ja bei Ihrer Idee dieser regionalen Partnerschaften immer ein langfristiges Ziel vor Augen gehabt.

Meine Frage an Sie lautet: Welche Rolle kann denn diese regionale Partnerschaft in einer erweiterten Union für Österreich spielen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung der Frage, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Das wesentliche Ziel dieser regionalen Partnerschaft ist ja eigentlich langfristig. Das heißt, dann, wenn die jetzigen Kandidatenländer in der Europäischen Union Mitgliedstaaten wie wir sind, können wir auf unserer gemeinsamen geographischen, kulturellen und historischen Lage aufbauend gemeinsame Interessen auch gemeinsam durchsetzen.

Wir alle wissen, dass wir in einer großen Europäischen Union nur durch Allianzbildung überhaupt handlungsfähig sind. Ich habe deshalb auch immer auf ähnliche Modelle in den Benelux-Staaten beziehungsweise in Schweden und in der nordischen Zusammenarbeit Bezug genommen. So etwas stelle ich mir auch für die Zukunft mit den Kandidatenländern vor. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Bundesministerin! Sie haben gesagt, dass die "Strategische Partnerschaft" – die mittlerweile "Regionale Partnerschaft" heißt – die Vorbereitung für die Kandidatenländer erleichtern soll.

Welche sind Ihre nächsten Schritte, um die "Strategische Partnerschaft" zwischen der ÖVP und der FPÖ so zu gestalten, dass es keine weiteren Veto-Drohungen gegen die Beitrittskandidaten geben wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin! Das ist kein Gegenstand der Vollziehung, aber ich überlasse es traditionell dem jeweils befragten Regierungsmitglied, ob es von sich aus eine Antwort geben will oder nicht. (Abg. Großruck:  ... unqualifiziert!)

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Ich gebe darauf eine kurze Antwort: Es gibt ein ganz klares Regierungsprogramm. Darin ist vorgesehen, dass wir den Erweiterungsprozess weiterführen können; ich halte mich daran und gehe davon aus, dass dies von beiden Seiten getan wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 2. Anfrage. Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer wird gebeten, seine Frage vorzutragen. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

132/M

Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation im Nahen Osten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich beurteile sie als äußerst kritisch; sie gibt derzeit wenig Anlass zur Hoffnung. Es sind zurzeit leider die extremistischen Kräfte auf beiden Seiten diejenigen, die den Ton angeben. Sie wissen, dass durch die Affäre um das Schiff "Karine A" die Glaubwürdigkeit Arafats von israelischer und vor allem auch von amerikanischer Seite angezweifelt wurde. Deshalb hat die Europäische Union beim letzten Rat Allgemeine Angelegenheiten am Montag auch in einer sehr langen und ausführlichen Diskussion zu klären versucht, was wir an Gegensteuerungsmaßnahmen leisten können, um den Friedensprozess aus dieser "stalemate", aus dieser Stagnation herauszuholen.

Wir hatten dazu gestern Gespräche mit dem UNO-Generalsekretär und auch mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga Amre Mussa, und beim nächsten informellen Rat der Außenminister in Gymnich werden wir das Thema wieder aufgreifen. Es geht darum, zu versuchen, das so genannte Quartett – das sind die EU, die Vereinigten Staaten von Amerika, Russland und die Vereinten Nationen – wieder zu einer gemeinsamen Initiative zusammenzubringen.

Wenn dies aber nicht gelingt – da die USA ja derzeit eher einen anderen Kurs fahren –, dann wird die Europäische Union versuchen, auf eigene Initiative tätig zu werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Welchen Beitrag kann Österreich über diese von Ihnen genannten Gespräche hinaus zur Deeskalation im Nahen Osten leisten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Österreich ist sicher eines jener Länder, die sich in der Europäischen Union ganz nachdrücklich und laufend darum bemühen, durch Kontakte in der Region, aber auch im Rahmen der Europäischen Union zur Deeskalation beizutragen. Gerade diese erwähnten Kontakte und auch die intensiven Gespräche haben mir die Möglichkeit gegeben, auch gewisse eigene Gedanken einzubringen.

Ich erinnere auch an die letzte Erklärung der Europäischen Union von vergangenem Montag, in die solche Gedanken eingeflossen sind, zum Beispiel – auf meine Initiative hin – die Möglichkeit, internationale Experten in die Untersuchungskommission zur Affäre um das Schiff "Karine A" einzubringen. Wir alle haben ja keine Beweise gesehen. Es wäre gut, wenn wir internationale Beweise sehen könnten. (Abg. Mag. Kogler: Applaus! Wo ist der Applaus?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Murauer, bitte.

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Frau Bundesministerin! Eine Frage zum Konflikt zwischen Palästina und Israel: Was tut die EU gegen die Zerstörung der von ihr finanzierten Projekte durch Israel?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Es ist zweifellos so, dass die Schmerzgrenze auch für die Europäische Union erreicht ist. Der spanische Außenminister Piqué ist nun im Begriff – nach einer Abstimmung innerhalb unserer Runde –, einen Brief an den israelischen Außenminister Peres zu schreiben, in dem er unsere Sorgen und unser Befremden darüber ausdrückt, dass diese Zerstörungen stattgefunden haben. Es wird auch die Frage von Schadenersatzforderungen insofern angesprochen, als man sagt, dass man sich ausdrücklich solche vorbehält.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Es gibt schon aus Zeiten der früheren Bundesregierung, als Sie Staatssekretärin waren, Zusagen für weitere Projekte in den besetzten Gebieten.

Angesichts der drängenden Lage in den besetztzen Gebieten frage ich Sie: Ist geplant – beziehungsweise wann haben Sie vor –, diese Zusagen endlich umzusetzen? Ist eine Erhöhung der Beiträge für Projekte in den besetzten Gebieten in Aussicht? Wenn ja, wann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann nur allgemein sagen, dass wir an allen Projekten, die es gibt, weiterarbeiten und – sobald das auch in der Bundesregierung geklärt ist – zusätzliche, ursprünglich zugesagte Mittel einsetzen werden.

Man muss aber trotzdem sehen, dass man derzeit auf Grund der politisch schwierigen Lage mit Vorsicht vorgeht, denn es sind auch 11 000 € aus österreichischen Mitteln – in Zahlen ausgedrückt – sozusagen "beschädigt" worden. Selbstverständlich muss man eine gewisse Deeskalation der Situation abwarten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Heindl, bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Frau Bundesministerin! Gerade im Zusammenhang mit dem Thema Schadenersatzforderungen – Sie haben ja auch die österreichische Position angesprochen – frage ich Sie Folgendes:

Was ist Ihre Position beziehungsweise haben Sie selbst in dieser Frage bezüglich Israel Schritte unternommen, also bilaterale Gespräche gesucht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Wir sind ständig mit dem hiesigen Geschäftsträger in Kontakt, und selbstverständlich gibt es über unseren Botschafter in Israel diesbezüglich laufende Kontakte. Im Übrigen ist es, wie gesagt, in einer Außenpolitik, die über die EU koordiniert wird, eben so, dass der jeweilige EU-Ratsvorsitzende – in diesem Fall der spanische Außenminister Piqu頖 von uns allen instruiert wurde, die Dinge in diesem Fall sehr klar anzusprechen, und das hat er getan.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit haben wir das Thema Naher Osten abgeschlossen.

Wir kommen zur 3. Anfrage. Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte um Formulierung Ihrer Frage.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

134/M

Werden Sie dafür eintreten, dass in der von Ihnen angekündigten österreichisch-tschechischen Erklärung zu den Beneš-Dekreten, analog zur deutsch-tschechischen Erklärung von 1997, auch


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ein kritisches Bekenntnis zur Verantwortung von Österreicherinnen und Österreichern innerhalb des NS-Regimes sowie das Bedauern über das daraus entstandene Leid und Unrecht ausgedrückt werden?


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Frau Außenministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich möchte diesbezüglich darauf hinweisen, dass sich die Position Österreichs natürlich von jener Deutschlands grundlegend unterscheidet. Die Bundesrepublik Deutschland ist bekanntlich im Unterschied zu Österreich Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches. Österreich war zwischen 1938 und 1945 als Staat völkerrechtlich nicht handlungsfähig.

Das schließt aber natürlich nicht aus, dass einzelne Österreicherinnen und Österreicher Schuld an Nazi-Verbrechen hatten, diese aktiv unterstützten oder zumindest stillschweigend zur Kenntnis nahmen. Österreich hat daher Maßnahmen der Restitution und Entschädigung für NS-Opfer und ehemalige Sklaven- und Zwangsarbeiter ergriffen, die auch tschechischen Staatsbürgern zugute kommen.

Weiters darf ich sagen, dass die deutsch-tschechische Erklärung, die inzwischen abgegeben wurde, auch eine historisch andere Lage anspricht und ein völlig analoges Vorgehen daher nicht der richtige Weg ist. Die Tschechische Republik hat aber meiner Ansicht nach selbst Mittel und Wege zu finden, historisches Unrecht einzusehen, einzugestehen, dafür die moralische Verantwortung zu übernehmen und eine Weiteranwendung der Rechtsnormen, auf denen dieses Unrecht basiert, zu beenden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, dann haben Sie nicht vor, einen derartigen Passus in einer eventuell zu formulierenden österreichisch-tschechischen Erklärung unterzubringen.

Wie sieht Ihre Haltung für den Fall, dass die Beneš-Dekrete nicht vor dem EU-Beitritt Tschechiens aufgehoben werden, aus? Planen Sie dann, ein Veto gegen den Beitritt Tschechiens einzulegen – Sie haben ja gesagt, diese seien ein Hindernis für den Beitritt – oder nicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Meine Meinung war immer, dass ich für die Interessen der Österreicher gegenüber unseren Nachbarn eintrete, und ich erwarte mir daher Gesten und Symbole der Versöhnung und der Völkerverständigung.

Frau Abgeordnete! Deshalb bemühe ich mich seit zwei Jahren, zusammen mit dem tschechischen Außenminister Kavan, der Historikerkonferenz und den Völkerrechtlern, die an diesem Problem arbeiten, diese Frage aufzuarbeiten, und zwar gelassen und in Ruhe aufzuarbeiten, und ich gehe davon aus, dass sie vor der Ratifikation des Beitrittes gelöst sein wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Heinzl, bitte.

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben am 24. Jänner in einem Interview in der "Zeit im Bild" überraschend angekündigt, dass ein EU-Beitritt Tschechiens von der Abschaffung der Beneš-Dekrete abhängen wird.

Ich frage Sie, Frau Ministerin: Schließen Sie nunmehr im Zusammenhang mit den Beneš-Dekreten ein Veto der österreichischen Bundesregierung betreffend den Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union dezidiert aus? (Abg. Mag. Schweitzer: Die Frage war schon!  – Abg. Ing. Westenthaler: Irgendwie haben wir die Frage schon gehabt! Sie wurde schon beantwortet! – Abg. Dr. Ofner: Hören tut er auch schlecht!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Abgeordneter! Erstens stimmt der Wortlaut dessen, was ich selbst gesagt habe, nicht mit dem überein, was Sie jetzt zitiert haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist öfter bei der SPÖ!) Ich habe jetzt das Zitat nicht hier, aber ich kenne den Wortlaut sehr genau, und daher möchte ich noch einmal sagen: Ich hatte mich in meiner damaligen Wortmeldung auf die Entschließung des Nationalrates und auf die Entschließungen vieler Landtage bezogen, die besagen, dass in dieser Frage eine Lösung gefunden werden muss. Ich arbeite an dieser Lösung und bin zuversichtlich, dass sie kommen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! In den Kopenhagener Kriterien ist eindeutig festgehalten, dass nur jene Länder Mitglied der Europäischen Union werden können, die die Menschenrechte und die Minderheitenrechte vollinhaltlich garantieren können und gewähren.

Meine Frage lautet: Können die Beneš-Dekrete diesen Forderungen standhalten oder widersprechen sie den Kopenhagener Kriterien?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Die Europäische Kommission hat im Rahmen der Agenda 2000 Stellungnahmen vorgelegt, in welchen Bereichen beim Europäischen Rat in Kopenhagen politische Kriterien angewandt würden, und das war eben als eine Voraussetzung für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen vorgesehen.

Mit dem Beschluss des Europäischen Rates von Luxemburg, in dem dann im Frühjahr 1998 bilaterale Regierungskonferenzen einberufen wurden, hat der Europäische Rat einvernehmlich bestätigt, dass die Tschechische Republik neben den anderen genannten Ländern die politischen Kriterien für die Beitrittsverhandlungen erfüllt.

Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen der Kommission zu den Beitrittsanträgen der zehn mittel- und osteuropäischen Länder sowie Zyperns kam der Europäische Rat von Luxemburg zu der Auffassung, dass die sechs Länder der Luxemburger-Gruppe für eine EU-Mitgliedschaft sowohl die erforderliche institutionelle Stabilität als auch die Garantie für eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung bereits verwirklicht haben.

Die Situation in der Tschechischen Republik hat sich in Bezug auf die Erfüllung der politischen Kriterien von Kopenhagen nicht geändert. Daher ist das keine Frage der EU-Verhandlungen. Es ist aber sehr wohl eine bilaterale Frage, die, wie gesagt, bilateral zu klären sein wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler, bitte.

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Frau Bundesministerin! Sind Sie der Meinung, dass die Problemkreise Beneš-Dekrete und Temelín allein ausschlaggebend für die eher angespannten bilateralen Beziehungen zu Tschechien sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich bin keineswegs dieser Ansicht, sondern sehr vereinfacht ausgedrückt: Wenn wir unsere Beziehungen zu diesem wichtigen Nachbarland und künftigen Partner in der Europäischen Union nur auf diese zwei Fragenkomplexe reduzieren würden, dann wäre das total falsch. – Gott sei Dank ist die Wirklichkeit auch eine ganz andere.

Lassen Sie mich hier nur die wirtschaftlichen Verflechtungen ansprechen: Die österreichische Wirtschaft hat in den zehn Jahren seit der Ostöffnung enorm profitiert. Das Handelsvolumen mit


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Tschechien zum Beispiel erreichte im Jahr 2000 einen neuen Höchststand, wenn ich an die österreichischen Exporte in der Höhe von 1,98 Milliarden € und an die österreichischen Importe in der Höhe von 1,92 Milliarden € denke. Österreich war damit nach Deutschland und der Slowakei drittwichtigster Handelspartner Tschechiens.

Auf der anderen Seite haben wir auch bei den kumulierten Investitionen seit 1990 nach Deutschland und den Niederlanden eine ausgezeichnete Position als drittgrößter ausländischer Investor.

Aber auch im kulturellen Bereich tut sich sehr viel. Es werden unser Kulturforum in Prag sowie das Tschechische Zentrum in Wien weiterhin gute Arbeit leisten. Es wird ein neues Kulturabkommen ausgehandelt, außerdem gibt es einen regen Kultur- und überhaupt einen regen politischen Besuchsaustausch.

Auch die österreichisch-tschechischen Konferenzen zur Bewältigung der Vergangenheit, die ich angesprochen habe, sind ja Ausdruck dieser wichtigen Grundhaltung. Das möchte ich ganz klar betonen, und das geht auch alles in die Richtung, von der ich gesprochen habe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur 4. Anfrage. Herr Abgeordneter Spindelegger, Sie erhalten das Wort.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

130/M

Welche nächsten Projekte planen Sie im Rahmen der regionalen Partnerschaft?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Im Rahmen der regionalen Partnerschaft haben wir ja viele Projekte begonnen. Ich freue mich sehr, dass auf meine Initiative hin die Regierungskollegen – die Innenminister, die Infrastrukturminister, die Landwirtschaftsminister, aber auch die Kultur- und Erziehungsminister – die Fragen aufgegriffen haben, was man in diesem Raum inhaltlich tun kann. – Da wird sich sehr viel für die Zukunft entwickeln.

Wir haben aber auch bei der letzten, zweiten Konferenz in Bratislava vor allem Themen, die für die Europäische Union wichtig sind, behandelt. Ich glaube, das ist auch der richtige Ansatz. So haben wir sehr stark unsere Positionen über die Zukunft der Europäischen Union ausgetauscht, und natürlich habe ich die Kollegen auch über die Terrorismusdebatte informiert. Es sind ja gerade jene Fragen, die in der Europäischen Union angesprochen werden, die für die Erweiterungskandidaten von Bedeutung sind.

Slowenien wird nun auf der Ebene der politischen Direktoren die Themen abstimmen – es hängt immer auch an dem Land, das einlädt –, und ich gehe davon aus, dass wir weiter die Agenda nehmen, aber selbstverständlich gewisse Sonderthemen, die Slowenien vorschlägt, hereinnehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Abgeordneter Spindelegger.

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Frau Bundesministerin! Die regionale Partnerschaft ist ja ein relativ junges Projekt, dennoch gibt es, glaube ich, bereits einige Ergebnisse daraus. Welche Ergebnisse aus diesem Projekt können Sie schon nennen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Minister, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich glaube, die wichtigsten Ergebnisse sind diese Sonderpartnerschaften der einzelnen Minister, die ich angesprochen habe. Ich denke hier vor allem an die Sicherheitspartnerschaft, die besonders


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wichtig und gut ist und die auch von allen Kollegen aufgenommen wurde, denn die wollen sich natürlich vorbereiten hinsichtlich ihrer Grenzen, hinsichtlich der schwierigen Fragen Drogen, Kriminalität, Terrorismus, und diesbezüglich ist sehr viel passiert.

Aber auch in der Frage der Jugendarbeit, des Unterrichts hat sich etwas getan. Wir gehen hinein in die Frage gemeinsame Schulbücher, es müssen die Geschichtsbilder verändert werden. Ich habe in meinem Bereich den Austausch junger Diplomaten angeboten. Diese Kulturplattform hat also bereits stattgefunden und wird jetzt gemeinsam in Drittländern ausgearbeitet.

Es sind also, glaube ich, schon sehr konkrete Dinge in Angriff genommen worden, aber vieles muss sich weiterentwickeln, und wir müssen da einfach vorangehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Heindl, bitte.

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Frau Bundesministerin! Wie wichtig diese regionale Partnerschaft ist, zeigt ja am besten die Entwicklung der Beziehungen des Burgenlands zu Ungarn. Ein bedauerliches Faktum ist aber, dass die Beziehungen Prags zu Wien alles andere als erfreulich sind. Welche Initiativen haben Sie gesetzt beziehungsweise beabsichtigen Sie zu setzen, um diese Situation step by step zu verbessern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Minister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich glaube, ich habe in der Vergangenheit schon sehr viele Initiativen gesetzt, die ich vorhin gerade aufgezählt habe. In der Zukunft, glaube ich, wird man vor allem nach dem Wahlkampf wieder ansetzen können, denn es kommen ja auch von tschechischer Seite Töne, die natürlich auch nicht dazu angetan sind, das Verhältnis mit Österreich zu verbessern. Ich denke, nach dem Wahlkampf in Tschechien kann man auch die Frage der Aussöhnung, zu der eine dritte Konferenz stattfinden wird, wieder aufgreifen. Dann muss auch der Besuchsaustausch wieder aufgenommen werden.

Ich darf aber doch sagen, dass mir zum Beispiel der Präsident der "Erste Bank", Treichl, mitgeteilt hat, dass Gott sei Dank zum Beispiel in seiner Bank, die ja eine wichtige Bank jetzt auch in Tschechien ist, das Thema Tschechien – Österreich überhaupt nicht als so belastet gesehen wird. Ich würde sagen, in Wirtschaftskreisen herrscht der sachlich normale Ton, aber auf einer rein politisch-mediativen Ebene haben wir dieses Problem. Ich glaube aber, nach dem Wahlkampf kann man da sehr viel wieder zurücknehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, bitte.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Die regionale – früher Strategische – Partnerschaft ist ja noch ein eher abstraktes Projekt. Trotzdem wäre es interessant zu wissen, und ich frage Sie – die Problematik der TEN-Netze, der Transeuropäischen Netze, wird sicher auch ein Thema sein –: Welche Positionen gerade in Bezug auf die Wahl von Schiene oder Straße bei einzelnen Projekten werden Sie in dieser Sache vertreten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Dazu kann ich sagen, dass ich mich freue, dass eben auch auf meine Anregung und vielleicht auf den Wunsch auch der Beitrittsländer eine Konferenz der Infrastrukturminister stattgefunden hat, bei der diese Fragen, vor allem die Fragen einer besseren Vernetzung angesprochen wurden. Ich kann natürlich jetzt nicht in Details eingehen, denn das sind ja nicht meine Kompetenzen, aber ich kann Ihnen sagen, dass diesen Fragen von allen Seiten größte Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Im Generalverkehrsplan, den die Verkehrsministerin neulich vorgestellt hat, wurden ja auch die Fragen der Anbindung angesprochen. Gleichzeitig haben wir mit Kommissar Michel Barnier, der ja für regionale Förderungen zuständig ist, dieses Thema erörtert und dabei eben auch die


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Hoffnung ausgesprochen, dass zusätzliche Mittel für TEN-Projekte gerade im Bereich der Anbindung der Kandidatenländer aufgebracht werden können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu diesem Thema gibt es offenbar keine weitere Zusatzfrage.

Daher kommen wir zum 5. Thema. – Bitte, Frau Abgeordnete Jäger.

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

137/M

Wo lagen die inhaltlichen Schwerpunkte der Position, die Österreich beim Rat Allgemeine Angelegenheiten am 28. und 29. Jänner 2002 eingebracht hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf um Beantwortung bitten.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Bevor ich antworte, hätte ich gerne an dieser Stelle Herrn Abgeordnetem Schieder gratuliert. Ich glaube, es ist ein besonderer Tag, und ich möchte daher gerne gratulieren. (Allgemeiner Beifall.)

Österreich hat die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Position beim Rat am Montag in erster Linie im Rahmen einer öffentlichen Aussprache, die traditionsgemäß immer beim ersten Rat einer neuen Präsidentschaft erfolgt, zum Ausdruck gebracht. Ich habe dort die Erweiterung angesprochen. Ich habe die Präsidentschaft darin unterstützt, dass die Erweiterung für uns ein zentrales Thema ist, eine zentrale Bedeutung hat und dass wir hoffen, sie gemeinsam erfolgreich weiterzuführen. Ich habe mich mit den Zielen der Präsidentschaft im Erweiterungsprozess einverstanden erklärt und auch meiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass die Kommission ihre gute Arbeit fortsetzen wird, damit eben die Beitrittsverhandlungen entsprechend der Wegskizze abgeschlossen werden können.

Ich habe betont, dass Österreich das Ziel der nuklearen Sicherheit als eines seiner zentralen Anliegen im Erweiterungsprozess weiterverfolgen wird.

Ich habe festgestellt, dass bei den nun anstehenden Verhandlungskapiteln – Landwirtschaft, Regionalpolitik, finanzielle Fragen und auch Organe – Lösungen auf der Grundlage des existierenden Rechtsbesitzes gefunden werden müssen, die sowohl den Erwartungen unserer Bevölkerung als auch jenen der Bevölkerung der Beitrittskandidaten entsprechen sollen.

Zu Zypern habe ich die Absicht der Präsidentschaft begrüßt, die derzeit unter der UN-Schirmherrschaft laufenden Bemühungen um eine politische Lösung zu unterstützen.

Und dann habe ich natürlich die wesentlichen außenpolitischen Fragen angesprochen, nämlich Afghanistan und unsere Wiederaufbauhilfe. Ich war ja eine der wenigen AußenministerInnen, die in Tokio selbst anwesend waren, und ich habe das kurz angesprochen.

Im Rahmen dessen, was wir tun können, um die Situation auch nach einem Ende des Terrorismus in unseren Gesellschaften zu verbessern, habe ich auf die Bedeutung des Dialogs zwischen den Zivilisationen und Kulturen hingewiesen. Darüber hinaus habe ich natürlich den Nahen Osten thematisiert, der uns ja allen ein großes Anliegen ist, und den Westbalkan, wo es ja auch noch einige schwierige Krisenpunkte gibt.

Ich habe weiters auch noch die Konfliktverhütung, die ein besonderes Thema war, mit hineingenommen, und dabei habe ich erwähnt, dass für mich neben Afghanistan Zentralasien ein wichtiger Themenschwerpunkt sein wird, aber auch Belarus und Moldova nicht vergessen werden sollen, denn wir müssen diese Länder etwas näher an die Europäische Union heranführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Da die Fragestunde im Fernsehen übertragen wird, darf man hinzufügen, dass dem Kollegen Schieder gratuliert wurde, weil er einstimmig zum Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gewählt wurde. Es handelt sich also nicht nur um einen Geburtstag oder so etwas. (Neuerlicher allgemeiner Beifall.)


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92. Sitzung / Seite 21

Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Jäger, bitte.

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Frau Bundesministerin! Wieso haben Sie die Ergebnisse des Volksbegehrens zu Temelin nicht zum Anlass genommen, um entsprechend Ihrer Erklärung vom 10. Dezember im Rat Allgemeine Angelegenheiten, der zufolge Sie sich vorbehalten wollten, nochmals auf das Energiekapitel zurückzukommen, weitere Verhandlungen zum Energiekapitel einzufordern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich habe die Frage Temelin beim Rat Allgemeine Angelegenheiten sehr wohl zur Sprache gebracht. Ich habe die Bedeutung der nuklearen Sicherheit hervorgehoben, ich habe gesagt, dass das jüngste Volksbegehren von 915 000 Österreichern unterstützt wurde, und damit jenen Stellenwert aufgezeigt, der dieser Frage in der österreichischen Bevölkerung zukommt.

Ich habe außerdem betont, dass die österreichische Regierung diese Willensäußerung auch im Zusammenhang mit der bekannten österreichischen Position eines anzustrebenden Ausstiegs aus der Kernenergie sehe. Damit habe ich dieses Thema selbstverständlich klar thematisiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schweitzer, bitte.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Haben Sie beim Rat Allgemeine Angelegenheiten, nachdem Sie dieses Thema angesprochen haben, auch Verständnis für die Forderungen Österreichs bei anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gefunden? Wenn ja, bei welchen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf Ihnen sagen, dass es beim Rat Allgemeine Angelegenheiten – insbesondere bei dieser öffentlichen Aussprache – nicht üblich ist, auf die anderen Länder und Länderpositionen einzugehen, sondern jedes Land legt dort eben seine eigenen Prioritäten offen. Daher ist auf meine Erklärung von den anderen Mitgliedstaaten nicht geantwortet worden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zernatto, bitte.

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Frau Bundesministerin! Wie schätzen Sie den Fortgang der Beitrittsverhandlungen ein?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Mit der spanischen Präsidentschaft hat die Schlussphase der Erweiterungsverhandlungen begonnen, und ich würde sagen, nach den aus österreichischer Sicht großen Fortschritten bei den Verhandlungen im Vorjahr können wir nun diese letzten, aber großen und schwierigen Fragen angehen.

Ich glaube, es ist jetzt die Aufgabe des spanischen Vorsitzes, vor allem Lösungsvorschläge in den finanziell relevanten Fragen auf den Tisch zu legen. Hier wird es darauf ankommen, dass vor allem die Diskussionen auf der Basis des geltenden Rechtsbesitzstandes geführt werden. Grundsatzdiskussionen sollten vor allem erst einmal EU-intern geführt werden; wir werden wahrscheinlich die erste informelle Grundsatzdiskussion beim Informellen Rat in Caceres am 8. Februar haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Glawischnig, bitte.


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Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig
(Grüne): Frau Bundesministerin! Was haben Sie beim Rat Allgemeine Angelegenheiten für das erklärte österreichische Ziel – europäischer Atomausstieg und Auflösung des EURATOM-Vertrages – konkret erreicht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich habe diese Frage schon klar beantwortet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 6. Thema: Herr Abgeordneter Jung, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:

133/M

Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Geberkonferenz in Tokio zum Wiederaufbau Afghanistans?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Minister. (Abg. Dr. Pilz:  ... Sie ein ordentliches Benehmen! Beantworten Sie die Fragen! – Gegenrufe bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Jung hat eine Frage gestellt, und die Frau Bundesminister Dr. Ferrero-Waldner wird jetzt darauf antworten!

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Abgeordneter! Ich habe an der Spitze der österreichischen Delegation an dieser internationalen Konferenz zu Afghanistan über den Aufbau dieses Landes teilgenommen, und ich glaube, es war sehr wesentlich, dass man dort selbst anwesend war.

Es waren auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, aber auch andere hohe Persönlichkeiten dort anwesend, und der neue, derzeitige Interims-Premierminister Hamid Karsai, der übrigens eine große Persönlichkeit ist und viel Charisma hat – etwas, das, wie ich glaube, in dieser Situation sehr wichtig ist –, hat dort eindringlich vor Augen geführt, wie die Bevölkerung leidet und welche Zerstörungen Afghanistan derzeit treffen.

Daher war es wichtig, im Rahmen der Geberländer auch von Österreich aus einen Beitrag zu leisten. Ich habe ja den österreichischen Beitrag, der innerhalb der Regierung abgestimmt war, dann auch bekannt gegeben, und zwar mit 12,3 Millionen €. Zusätzlich sind in dem von Österreich geleisteten Beitrag weitere 5,3 Millionen € enthalten. Das heißt, insgesamt ergeben die österreichischen Gesamtleistungen 17,6 Millionen €. Diese 5,3 Millionen € sind nämlich unser Anteil an der Zahlung der Europäischen Kommission.

Die Gesamtsummen, die genannt wurden, belaufen sich auf 4,5 Milliarden US-Dollar, und darüber hinaus wurde noch eine Reihe von Sachgütern angesprochen.

Wie Sie wissen, habe ich drei Schwerpunkte gesetzt, nämlich: Förderung der Frauen und Frauenrechte, Entminung und Drogenkontrolle. Ich darf Ihnen sagen, dass ich mit diesen Schwerpunkten sehr richtig gelegen bin, denn am nächsten Tag wurde in den Expertenkomitees genau darauf Wert gelegt, in diesen Fragen Projekte vorzustellen, in die wir dann auch im Rahmen der Vereinten Nationen unsere Gelder einzahlen werden.

Also ich beurteile die Konferenz als wichtig und sehr erfolgreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Wie sehen Sie die österreichische Position, sollten die USA, wie vom amerikanischen Präsidenten angedroht, die


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Kampfhandlungen nach Afghanistan auch auf andere Staaten, wie den Irak oder Somalia, ausweiten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich habe immer gesagt, dass wir, so wie auch die Europäische Union, glauben, dass eine Ausweitung der Kampfhandlungen – vor allem auch auf den Irak, der immer wieder genannt wird – sicher sehr negative Konsequenzen im gesamten arabischen Raum haben würde. Ich habe das bei mehreren Gelegenheiten auch persönlich gesagt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Hakl, bitte.

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Wie sehen Sie jetzt, nach Abschluss der Geberkonferenz, die politische Zukunft in Afghanistan?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Es ist natürlich immer schwer, darüber Auskunft zu geben, aber ich hatte ein sehr informatives Gespräch mit dem UN-Special Representative Lakhdar Brahimi, der ja Afghanistan wie seine Westentasche kennt. Seine Aussage, die ich mir zu Eigen machen möchte, weil ich glaube, dass sie eine vernünftige ist, war folgende:

In keinem Moment gab es eine bessere Chance für Afghanistan als jetzt, und zwar aus zwei Gründen. – Erstens: Die Menschen in Afghanistan haben genug vom Krieg und wollen den Frieden. Und zum Zweiten: Zum ersten Mal hat die internationale Gemeinschaft erkannt, dass ein kleines Land am Ende der Welt für den Frieden in der Welt wichtig ist.

Daher ist jetzt auf Grund der Präsenz der internationalen Gemeinschaft, auf Grund des Willens, dort auch wirklich Aufbauhilfe zu leisten und dem Land zur Seite zu stehen, eine gute Chance gegeben, allerdings – das sage ich auch dazu – sind die Sicherheitsfragen auf lange Sicht noch nicht geklärt, und wir werden alle gemeinsam an diesen Sicherheitsfragen weiter arbeiten und sie weiter unterstützen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Jäger, bitte.

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Frau Bundesministerin! Sind Sie auch der Meinung, dass die westliche Welt, die europäischen Länder, wesentlich mehr Mittel zur Vermeidung von Konflikten zur Verfügung stellen müssen? Das Beispiel Afghanistan zeigt doch, dass wir den Frieden langfristig nur dann sichern können, wenn die Menschen in diesen Ländern Überlebenschancen bekommen.

Nun hat die Bundesregierung in den letzten Jahren ihren Beitrag für die Internationale Flüchtlingshilfe UNHCR gekürzt. Wir sind mit der Entwicklungshilfe auf einem absoluten Tiefstand. (Abg. Dr. Khol: Frage!) Gibt es zwischen Ihnen und dem Herrn Finanzminister schon eine Einigung darüber, dass Österreich seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechend bei der Entwicklungshilfe in absehbarer Zeit auf die 0,7 Prozent kommen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Das waren jetzt eigentlich zwei Fragen in einer Frage.

Erstens zu Afghanistan: Ich glaube, die internationale Gemeinschaft hat mit diesen 4,5 Milliarden US-Dollar einen wirklich beträchtlichen Beitrag geleistet, und ich glaube auch, wichtiger, als jetzt höhere Summen zu geben, ist – und das wurde dort auch sehr intensiv diskutiert –, dass diese Summen nicht versickern, sondern dass diese Summen auch effizient dort ankommen.


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Ich muss Ihnen sagen, ich möchte selbst ein sehr kontrollierendes Auge darauf werfen, denn es ist vorgesehen, das entweder über UN-Trust-Funds oder zum Teil auch über die Weltbank, aber auch bilateral zu machen, und ich glaube, man muss die Projekte, die da vorbereitet werden, zuerst einmal sehr genau anschauen, bevor man bezahlt. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Wir sind nicht so stark abgefallen, wir liegen immer noch im Mittelfeld. Übrigens liegen auch viele andere Staaten, ähnlich wie Österreich, im Mittelfeld.

Was die 0,7-Prozent-Grenze betrifft, wissen Sie, dass grundsätzlich das politische Commitment, das ja vor langer Zeit gegeben wurde, nicht aufgegeben wird, dass wir uns aber im Jahre 2003 auf 0,35 Prozent hinbewegen werden. Ich hoffe, dass wir das halten können, und natürlich hoffe ich auch, dass in Zukunft eine Steigerung dieser Mittel möglich sein wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Lunacek, bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Bundesministerin! Der Wiederaufbau Afghanistans hat auch zu tun mit dem Umgang der Internationalen Friedenstruppe ISAF mit etwaigen Gefangenen. Wir wissen, dass die US-Streitkräfte diese Gefangenen weder als Kriegsgefangene anerkennen noch als normale Verbrecher behandeln. Sie haben uns im Hauptausschuss gesagt, dass sich, was die österreichischen Soldaten betrifft, alles im völkerrechtlichen Rahmen abspielt. (Rufe bei der ÖVP: Frage!)

Bundesminister Scheibner hat gesagt, sie würden, sollten Österreicher damit zu tun haben, an die afghanischen Behörden ausgeliefert. Das Parlament hat jedoch keine Einsicht in die rules of engagement erhalten. Frau Ministerin! Können Sie tatsächlich ausschließen, dass österreichische Soldaten etwaige angehaltene Al-Quaida-Kämpfer an die US-Streitkräfte ausliefern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.


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Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner:
Frau Abgeordnete Lunacek! Sie haben mir einen Brief geschrieben, der bei mir gestern Abend einging, den ich also heute früh gesehen habe, und ich werde auf diesen Brief natürlich antworten. Ich gehe davon aus, dass es auszuschließen ist, aber ich möchte natürlich schriftlich zu Ihrer Anfrage Stellung nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Aber bitte jetzt auch! Jetzt ist Fragestunde! – Nennen Sie uns eine Frage, die Sie beantworten können!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die 7. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Frau Ministerin! Ich hoffe, dass ich im Gegensatz zu meinen Vorrednerinnen aus meiner Fraktion eine Antwort von Ihnen bekomme, obwohl es lange Kontroversen über dieses Thema gab. (Rufe bei den Freiheitlichen: Frage verlesen!)

Im Zuge der Nachfolgeverhandlungen über die Transitregelung für Österreich ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete, darf ich Sie bitten, so wie alle anderen die Frage vorzutragen.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (fortsetzend):  ... gab es Aussagen von EU-Kommissar Fischler.

Meine Frage lautet:

135/M

Stimmen die Aussagen von EU-Kommissar Fischler, wonach in den Verhandlungen mit der EU-Kommission über eine Transit-Nachfolgeregelung, die unter Beteiligung Ihres Ressorts erfolgten, Österreich selbst den Entfall der 108%-Fahrtenzahlgrenze vorgeschlagen hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Minister.


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Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner:
Vorweg möchte ich klarstellen, dass die in den Medien wiedergegebene Aussage von Kommissar Fischler, wonach in den Verhandlungen mit der EU-Kommission über eine Transit-Nachfolgeregelung wir, also Österreich selbst, den Entfall der 108-Prozent-Regelung vorgeschlagen hätten, unrichtig ist. Ich habe Kommissar Fischler nicht im Originalton gehört. Das heißt, ich weiß nicht, ob er in den Medien richtig zitiert worden ist. Jedenfalls war er aber bei den Gesprächen, die ich und die anderen Mitglieder der Bundesregierung mit Verkehrskommissarin de Palacio und mit Erweiterungskommissar Verheugen geführt haben, nicht anwesend.

Grundsätzlich stelle ich fest, dass es nicht an Österreich, sondern an der Kommission gelegen ist, die Vorschläge zu unterbreiten. Wir haben mit der Kommission Gespräche geführt mit dem Ziel, für die Interessen Österreichs bestmöglich einzutreten und natürlich ein Lobbying zu betreiben. Es wäre geradezu absurd und würde jeder Logik widersprechen, ohne jegliche Veranlassung – so wie es dargestellt wird – der Streichung der 108-Prozent-Regelung zuzustimmen.

Wie Sie wissen, hat die Kommission ja seit über einem Jahr versucht, die Streichung der 108-Prozent-Regelung beim bestehenden Transitprotokoll durchzusetzen. Ein diesbezüglicher Verordnungsvorschlag der Kommission ist am 5. September 2001 ohne Abänderungsanträge mit 303 : 253 Stimmen im Europäischen Parlament auch gebilligt worden.

Bisher, glaube ich, ist es der österreichischen Regierung mit Erfolg gelungen, dass dieser Verordnungsvorschlag bei den Verkehrsräten nicht zur Abstimmung gelangt ist. Natürlich aber haben die Vertreter der Kommission, mit denen Gespräche in dieser Frage geführt wurden, die Streichung der 108-Prozent-Regelung bei ihren Forderungen immer ganz oben gereiht. Andere Forderungen waren auch die Eingrenzung einer Übergangsregelung und nicht notwendigerweise eines Ökopunkte-Regimes auf wenige Alpenkorridore oder auch eine Begrenzung auf ein Jahr.

Dass die Kommission vehement gegen die 108-Prozent-Regelung kämpft, zeigen natürlich auch die beiden vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren gegen die Anwendung der 108-Prozent-Regelung vor allem in den Jahren 1999, 2000 und 2001.

Im Übrigen ist das auch ein eindeutiger Hinweis für die konsequente Haltung der gesamten Bundesregierung in dieser, wie ich glaube, für Österreich so wichtigen Frage. Beide Forderungen haben die betroffenen Mitglieder der Bundesregierung – Bundeskanzler, Vizekanzlerin, Verkehrsministerin und auch ich – abwehren können.

Der Verordnungsvorschlag umfasst jetzt das ganze Bundesgebiet und ist auf drei Jahre hin befristet. Dass uns ein Erfolg in der 108-Prozent-Regelung versagt geblieben ist, entspricht leider der Stimmung in Europa, wie eben die erwähnte Abstimmung auch im Europäischen Parlament, aber auch die Position der Mitgliedstaaten zeigen. Das ist aber meines Erachtens kein Grund für eine Katastrophenstimmung, denn auch die Ökopunkte für sich allein bewirken durch die Kontingentierung der Fahrtenbegrenzung doch eine Reduzierung.

Leider hat sich diese Art der Fahrtenbegrenzung in all den Jahren, selbst als die 108 Prozent überschritten wurden, als die einzig wirksame Limitierung des Straßengüterverkehrs durch Österreich erwiesen. In den beiden vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren geht es nämlich, wie erwähnt, um die Nicht- Anwendung der 108-Prozent-Regelung durch die Kommission; das möchte ich dazu sagen.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Es tauchen jetzt ja offensichtlich wirklich zwei unterschiedliche Behauptungen auf, nämlich die von Herrn Kommissar Fischler und Ihre, Frau Ministerin. Wie werden Sie diese wieder auf eine einheitliche Haltung zurückführen können, zumal hier eine von beiden Seiten die Unwahrheit sagen muss?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann nur sagen, dass das, was hier ausgehandelt ist, Faktum ist, und das ist das, was ich Ihnen auch hier explizit erklären kann. Ich habe keinen Einfluss auf die Äußerungen des Herrn Kommissars Fischler.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Einem, bitte.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Bundesministerin! Darf ich Sie trotz Ihrer etwas ausführlichen Antwort fragen, welches denn Ihr konkreter und persönlicher Beitrag zu dieser nicht sehr überzeugenden Lösung gewesen ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Mein sehr konkreter Beitrag war, dass ich in den letzten sechs Monaten vor allem bilateral mit sehr, sehr vielen Außen-, aber manchmal auch Verkehrsministern persönlich gesprochen habe, um um Verständnis für die spezifische österreichische Situation zu werben. Ich freue mich, sagen zu können, dass beim Europäischen Rat in Laeken dann auch eine Lösung zustande gekommen ist, die bedeutet, dass es eine Übergangsregelung geben wird. Wenn man jetzt nicht diese Situation thematisiert hätte, dann hätte das dazu geführt, dass das Transitprotokoll Ende 2003 ausgelaufen wäre. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Bösch, bitte.

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Wie ist der Stand der Verhandlungen zu einer neuen Wegekostenrichtlinie?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Die Kommission beabsichtigt, noch vor dem Europäischen Rat von Barcelona die internen Vorarbeiten abzuschließen und schon bis zum Sommer eine Rahmenrichtlinie zu haben, mit der für alle Verkehrsträger die Grundsätze der Tarifierung der Infrastrukturnutzung sowie die Gebührenstruktur festgelegt werden. Es geht also nicht nur um die Straße, sondern auch um die Schiene, die Binnenwasserstraßen und die Luftfahrt. Die Festlegung der Tarifierungshöhe soll dabei gemäß dem Weißbuch unter Einschluss der externen Kosten sowie durch Bedingungen für einen fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern erfolgen.

Einen für Österreich besonders wichtigen Aspekt stellt die Frage der so genannten sensiblen Gebiete dar. Es soll möglich werden, neben den Infrastruktur- und externen Kosten einen Zuschlag für Querfinanzierungen umweltfreundlicher Verkehrsträger einzuheben.

Österreich hat in einer von mir mit initiierten besonderen Arbeitsgruppe mit der Kommission diese Vorstellungen dargelegt, und ich denke, es liegt nun an der Kommission, die Ankündigungen aus dem Weißbuch in einen Richtlinienvorschlag zu gießen. Es ist kein Geheimnis, dass auch in dieser Frage – wie in anderen Verkehrsfragen – die gleichen gegensätzlichen Interessen zwischen Österreich als klassischem Transitland und der Mehrzahl der anderen EU-Partner bestehen, deren Hauptziel eben die Anbindung der Märkte an die übrigen Mitgliedstaaten ist. Sobald aber die Vorstellungen der Kommission vorliegen, wird es darum gehen, die österreichische Vorstellung hier weitgehend einfließen zu lassen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Stadler, bitte.

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In meinem Bundesland Tirol liegt eine der wichtigsten Bahnverbindungen der Zukunft auf der Nord-Süd-Achse zwischen Deutschland und Italien, und zwar die Unterinntaltrasse und der Brenner-Basistunnel. Welche Fortschritte macht die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Das mir derzeit zur Verfügung stehende Zahlenmaterial zeigt im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten in der EU, wie ich sagen darf, eine sehr positive Entwicklung. Hinsichtlich weiter gehender Informationswünsche darf ich ersuchen, Fragen direkt an die zuständige Verkehrsministerin zu stellen, weil ich nicht über die kompletten Unterlagen verfüge.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Durch die Ereignisse des 11. September ist das Weltinteresse auf die Terroranschläge und deren Folgen gelenkt worden. Trotzdem ist das Pulverfass ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Verlesung des Textes der Anfrage!

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Trotzdem ist das Pulverfass am Balkan latent.

Meine Frage lautet:

131/M

Welche Zwischenbilanz kann über das bisherige Engagement der EU zur Stabilisierung Südosteuropas gezogen werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Obwohl sich im Verhältnis zu Momenten einer totalen Destabilisierung am Balkan inzwischen eine große Verbesserung abgezeichnet hat, darf ich sagen, dass der Balkan nach wie vor zu den Krisenregionen gehört. Das betrifft vor allem Montenegro und sein Verhältnis zu Jugoslawien, aber auch den Kosovo und Mazedonien, die uns besondere Sorgen bereiten.

Seit zehn Jahren ist die Europäische Union umfassend mit humanitären Hilfsprojekten, mit Wiederaufbau- und Reformprojekten am Balkan präsent, und es wird in vielen Bereichen gute Arbeit geleistet. Ich glaube, das Wesentliche ist, dass wir diese Länder langsam an die Europäische Union heranführen müssen. Die so genannte europäische Perspektive ist für diese Länder wichtig, daher sind auch die Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen sowie der Stabilisierungs- und Assoziationsprozess, der 1999 eingeleitet wurde, wesentliche Voraussetzungen für diese Heranführung.

Ich freue mich darüber, dass es in Bezug auf Kroatien gelingen wird, diese Stabilisierung voranzutreiben und das betreffende Abkommen sehr bald hier im Parlament zu ratifizieren.

Für die Zukunft darf ich sagen: Wir müssen am Balkan – auch in den nächsten Jahren weiterhin, als internationale Gemeinschaft und als Europäische Union – einfach am Ball bleiben und dürfen diese Länder nicht allein lassen. Dann bin ich zuversichtlich, dass eine Stabilisierung auch endgültig gelingen wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben gerade Mazedonien erwähnt. Meine Frage speziell zu Mazedonien lautet: Wie beurteilen Sie die gefährliche und noch immer instabile Lage in dieser Region des Balkans?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich glaube nach wie vor, dass die Lage nicht endgültig stabilisiert ist. Ich konnte neulich den mazedoni


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schen Außenminister Casule zu einem Besuch empfangen. Er kam am Tag nach der Annahme des Gesetzes über die lokale Selbstverwaltung zu mir und hat das besonders hervorgestrichen, weil das die letzte Etappe des Reformprozesses war, der Mazedonien von der Europäischen Union sozusagen auferlegt worden war. Damit ist der Weg frei für die Geberkonferenz, und ich glaube, auch das wird wichtig sein, vor allem für die politische und psychologische Bedeutung in der Region.

Minister Casule hat sich auch klar für ein Amnestiegesetz ausgesprochen, was endgültig einen Schlussstrich unter die kürzliche Vergangenheit ziehen und vor allem die politischen Akteure von den kriminellen trennen würde.

Trotzdem muss man die noch radikalen Elemente auf beiden Seiten sehr genau beobachten, und ich glaube, es liegt wieder an uns, der Europäischen Union, auch in Zukunft Mazedonien mahnend und kontrollierend beizustehen, aber gleichzeitig die Geberkonferenz nun durchzuführen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Sie haben vor kurzem den österreichischen bilateralen Botschafter in Belgien, der auch gleichzeitig Österreichs Vertreter bei der NATO ist, Herrn Botschafter Mayr-Harting, zum Balkanbeauftragten der Bundesregierung ernannt.

Frau Ministerin! Wie können Sie gewährleisten, dass durch Mayr-Harting, der gleichzeitig Österreichs Botschafter bei der NATO ist, eine neutrale Haltung Österreichs gegenüber den verschiedenen Ländern und Parteien in Südosteuropa eingenommen wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zum Ersten ist Mayr-Harting nicht der Beauftragte der Bundesregierung, sondern ich habe ihn zu meinem Sondervertreter für den Balkan ernannt, und zwar deshalb, weil ich einfach möchte, dass der Balkan, der für uns nach wie vor außerordentlich wichtig ist, auch mir informationsmäßig immer sehr nahe ist.

Ich habe ihn auch deshalb ernannt, weil ich glaube, dass Mayr-Harting als früherer Stellvertretender Politischer Direktor sehr viel Persönliches für diese Position mitbringt, weil er in Brüssel mit einigen Stellen in Kontakt bleiben kann und weil die für mich wertvollen Informationen dann auch in meine Regierungsarbeit einfließen können.

Ich sehe in den von Ihnen angesprochenen Aspekten überhaupt kein Problem, denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Er ist sozusagen als Informationsgeber für mich da; sonst gar nichts.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann, bitte.

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Welche Möglichkeiten sehen Sie, der von Dr. Buseks Vorgänger Hombach geäußerten Kritik an der Umsetzung des Stabilitätspaktes Rechnung zu tragen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Minister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich möchte sagen, der Hauptansatz der Kritik von Hombach war, dass einige Initiativen, vor allem einige Projekte, viel zu langsam verwirklicht wurden.

Inzwischen weiß ich, dass sich Herr Dr. Busek sofort mit der Europäischen Kommission in sehr gutes Einvernehmen gesetzt hat, dass allerdings auch schon durch die Kritik Hombachs einige Prozesse in der Kommission selbst begonnen wurden, damit diese Projektschritte nicht so


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lange dauern, sondern verkürzt werden. Vor allem wird Dr. Busek diesbezüglich eine verstärkte, engere Zusammenarbeit mit der Kommission durchführen.

Ich glaube, es gab auch zu viele Institutionen. Busek versucht, die Institutionen zu straffen, und er versucht, auch den regionalen Ansatz zu stärken, nämlich dass die einzelnen Staaten am Balkan mehr miteinander arbeiten. Er hat diesbezüglich mit der SECI-Initiative gute Vorarbeit geleistet, kennt daher die Akteure gut, und ich habe bereits eine sehr positive Rückmeldung von Kommissar Chris Patten beim letzten Rat "Allgemeine Angelegenheiten" erhalten, der mir für die Ernennung von Busek gedankt hat.


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92. Sitzung / Seite 30

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Muttonen, bitte.

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Ministerin! Ihr Balkanbeauftragter Erhard Busek ist der Meinung, dass die Stabilität am Balkan vom Schicksal der Flüchtlinge abhängt, und das wird auch vom UNO-Flüchtlingskommissar bestätigt und untermauert. Meine Frage lautet: Denken Sie daran, den österreichischen Beitrag zur UNO-Flüchtlingshilfe, der ja gekürzt worden ist, zu erhöhen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zum Ersten hat Herr Dr. Busek, soweit ich weiß, die Flüchtlingsrückkehrfrage als eine jener Fragen angesprochen, die natürlich auch am Balkan in der Zukunft wichtig sind, und dem stimme ich grundsätzlich zu.

Ich kann nur sagen, dass ich derzeit die Beträge ausgebe, die Sie kennen, die genannt wurden, und dass wir versuchen, oft über Bi- oder Multi-Projekte Gelder besonders dorthin zu lenken, wo sie eben notwendig sind, das heißt unter anderem auf den Balkan.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur letzten Anfrage der heutigen Fragestunde. Herr Abgeordneter Dr. Bauer wird die Frage 138/M vortragen. – Bitte.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Frau Bundesminister! Meine Frage lautet:

138/M

Hat aus Ihrer Sicht die kolportierte Eingliederung des Generalsekretariats des Außenamtes in das Ministerbüro eine Abwertung dieser Einrichtung zur Folge?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Laut Bundesministeriengesetz obliegt dem Generalsekretär die zusammenfassende Behandlung der Agenden im Außenministerium.

Das bis dato eingerichtete Generalsekretariat hat den Generalsekretär bei den ihm obliegenden Aufgaben zu unterstützen.

Im Rahmen der auch dem Außenministerium zur Budgetkonsolidierung auferlegten Einsparungserfordernisse wird das ursprünglich als Abteilung eingerichtete Generalsekretariat per 1. Februar 2002 zu einem direkt dem Generalsekretär unterstellten Büro des Generalsekretärs umstrukturiert und zu einem Referat gemacht. Damit wurde eine Planstelle eingespart. Die inhaltlichen Zuständigkeiten sind davon unberührt, und von einer Eingliederung in das Ministerbüro oder von einer Abwertung kann nicht gesprochen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bauer.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Frau Bundesministerin! Heißt das, dass diese Personaleinsparung keine Einschränkung der Aufgaben, die sich ja weiter stellen werden, bedeutet?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Auch diese Frage habe ich schon beantwortet, aber ich darf sagen, das heißt, es wird keine Einschränkung geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Burket, bitte.

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Welche weiteren Verwaltungseinsparungen und organisatorischen Verbesserungen sind im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten geplant?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zuerst darf ich sagen, dass mein Haus den Reformen immer offen steht. Wir waren das erste Ministerium, das den ELAK lange vor den anderen, nämlich schon im Jahre 1998 eingeführt hatte. Wir haben auch keine Scheu davor, immer wieder die Organisation zu restrukturieren.

Wir müssen auch je nach Aufgabenbereich manchmal Abteilungen schaffen, die wir nach Erledigung wieder auflösen müssen. Ich denke dabei zum Beispiel an die gesamte Frage des Exekutivsekretariats für die österreichische EU-Präsidentschaft, aber auch für die OSZE. Ich darf erwähnen, dass in den letzten Jahren in der Zentrale fünf Abteilungen und sieben Referate eingespart wurden. Vier Kulturinstitute wurden in die jeweiligen Vertretungsbehörden eingegliedert, ein Berufskonsulat und ein Berufsgeneralkonsulat im Ausland wurden geschlossen.

Nicht unerwähnt möchte ich auch lassen, dass wir die Ausgliederung der Diplomatischen Akademie und die Errichtung der Österreich Institut GmbH mit den damit verbundenen Sprachkursen durchgeführt haben.

Ich bin auch in Zukunft offen für weitere Verwaltungseinsparungen. Diese werden vor allem auch im Zusammenhang mit der Herrengasse möglich sein, weil dann bestimmte Verwaltungseinheiten auf einen Standort zusammengelegt werden können. Damit ist eine bessere Koordination möglich.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Gatterer, bitte.

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Das Ziel dieser Bundesregierung war und ist es ja, keine neuen Schulden mehr zu machen. Sie haben jetzt gesagt, wie viel an Verwaltungseinsparungen es bereits gegeben hat. Wie schätzen Sie das ein, wann werden diese Maßnahmen abgeschlossen sein? Was haben Sie in unmittelbarer Zukunft noch vor, im Verwaltungsbereich an Einsparungen zu tätigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Bei uns herrscht, wie Sie wissen, Frau Abgeordnete, das Mobilitätsprinzip. Das heißt, es gehen Mitarbeiter hinaus, und andere kommen herein. Und jedes Mal, wenn jemand hinaus geht oder wenn ein Posten frei wird, dann kann ich das auch dazu nützen, um zu überlegen, ob diese Struktur noch vernünftig ist.

Daher bin ich eigentlich laufend in einem Reformprozess. Aber vor allem das, was ich gerade angesprochen habe, nämlich die Herrengasse, wird uns die Möglichkeit für eine gründliche Überprüfung der internen Abläufe geben. So werden zum Beispiel die Sekretariate und Kanzleien zusammengelegt werden. Es wird dann auch eine andere Arbeitsplatzbeschreibung geben.

Außerdem wird die weltweite Vernetzung unseres Vertretungsbehördennetzes im Computerbereich durch das so genannte Intranet-Computerprogramm "MEDUSA" weiter verfolgt. Daran


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arbeiten wir laufend weiter. Und auch, was die Frage der Auslandsübersiedlungen betrifft, versuchen wir, Einsparungen zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Bundesministerin! Sie haben gesagt, dass durch die Einsparungen keine Einschränkung der Aufgaben stattfindet.

Nun ist es aber schon so, dass Sie im Gegensatz zu Ihrer Zeit als Staatssekretärin im Außenamt keinen Staatssekretär beziehungsweise keine Staatssekretärin zur Verfügung haben. Sie haben auch mit der Ernennung des neuen Generalsekretärs einen anerkannten Manager in das Generalsekretariat geholt, der dort ausgezeichnete Leistungen erbringen wird.

Warum haben Sie es sinnvoll gefunden, ein Generalsekretariat nicht mit jemandem zu besetzen, der Sie auch nach außen hin politisch unterstützen kann?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich glaube, der neue Generalsekretär, Botschafter Dr. Hans Kyrle, ist ein ausgezeichneter Mann, und er wird beides tun können. Aber ich wollte jemanden, der sich auch verstärkt – vor allem im Hinblick auf die Herrengasse – mit dem Management des Hauses auseinander setzt, denn ich bin eben allein, ich habe keinen Staatssekretär, und ich reise natürlich sehr viel. Daher muss jemand da sein, der sich auch um das Haus kümmert, und das war traditionsgemäß immer die Aufgabe des Generalsekretärs. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurden alle neun Anfragen aufgerufen.

Ich danke der Frau Bundesministerin und erkläre die – verlängerte – Fragestunde für beendet. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 GOG auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung hinweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 3138/AB und 3139/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Zivilverfahrens-Novelle 2002 (962 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002) erlassen und das Kraftfahrgesetz 1967 und das Immissionsschutzgesetz – Luft geändert werden (984 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG) geändert wird (949 der Beilagen),


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Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) geändert wird (951 der Beilagen);

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Nationalbankgesetz 1984 geändert wird (968 der Beilagen),

Antrag 595/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einführung einer 2-Euro-Banknote;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über öffentliche Schutzimpfungen gegen übertragbare Kinderlähmung aufgehoben wird (950 der Beilagen);

Justizausschuss:

Antrag 593/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesweite Regelung zu Freiheitsbeschränkungen in Alten-, Pflege- und Behindertenheimen;

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975, das Bundesgesetz zur Schaffung eines Gütezeichens für Holz und Holzprodukte aus nachhaltiger Nutzung, das Bundesgesetz über die Bundesämter für Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Bundesanstalten und das Forstliche Vermehrungsgutgesetz geändert werden (970 der Beilagen);

Umweltausschuss:

Antrag 596/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorschläge zur Umsetzung des Temelín Volksbegehrens,

Antrag 597/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung Natura 2000 alpiner Raum;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (960 der Beilagen),

Kraftfahrliniengesetz-Novelle 2001 (961 der Beilagen),

Antrag 591/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strahlungskennzeichnung von Mobiltelefonen,

Antrag 592/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für den Schutz von Tieren beim Transport;

Wirtschaftsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom, Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird (948 der Beilagen),

Konjunkturbelebungsgesetz 2002 (977 der Beilagen);

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz-FHStG) geändert wird (976 der Beilagen),


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Antrag 594/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bereitstellung von Mitteln für die Förderung von Alternativen zu Tierversuchen.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Zuweisung des Bildungsoffensive- und Studiengebühren-Volksbegehrens kann erst nach Durchführung der für heute vorgesehenen ersten Lesung erfolgen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Fraktion das Verlangen gestellt haben, die heute eingebrachte schriftliche Anfrage 3345/J, Dr. Gusenbauer an den Herrn Bundeskanzler, betreffend die Regierungskrise zum Schaden Österreichs, dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen, die Sie alle kennen, wird der Aufruf dieser Dringlichen Anfrage um 15 Uhr erfolgen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 3073/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, dass mir das Verlangen vorliegt, eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung 3073/AB auf die Anfrage 3140/J der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser betreffend Finanzierung der zukünftigen Agentur für Ernährungssicherheit durch den Herrn Bundesminister für Finanzen abzuhalten.

Diese Kurzdebatte findet statt, wenn die Beratungen über die Dringliche Anfrage beendet sind.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, in der heutigen Tagesordnung die Punkte 2 bis 4 zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens darüber erzielt, dem Nationalrat eine Tagesblockzeit von 6 "Wiener Stunden" vorzuschlagen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 117 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 87 Minuten und Grüne 69 Minuten.

Darüber hat der Nationalrat zu befinden, und ich frage Sie, ob es Einwände oder Gegenstimmen gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist das einstimmig so festgelegt.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über die Regierungsvorlage (448 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird (953 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu Punkt 1 der Tagesordnung.


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Herr Abgeordneter Lexer ist zwar Berichterstatter, meint aber, dass eine mündliche Berichterstattung nicht erforderlich ist.

Daher erteile ich Frau Abgeordneter Schasching als erster Rednerin das Wort. Die Uhr wird wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.19

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs feststellen, wir haben seit Antreten dieser blau-schwarzen Bundesregierung auf eine Zeit zurückzublicken, in der sich für die einzelnen Menschen in diesem Land vieles zum Schlechteren gewendet hat. (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir haben es mit einer finanziellen Belastungswelle zu tun, mit erhöhten Abgaben und Gebühren und mit der höchsten Steuerquote der letzten 30 Jahre. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist der falsche Tagesordnungspunkt! Sie sind schon bei der Dringlichen!)

Es gibt massive Angriffe auf demokratische Strukturen und Bereiche der Selbstverwaltung. Das möchte ich deshalb voranstellen, weil ich glaube, dass es in diesem Sektor, in dem es darum geht, über den Sport, die Sportausübung und die Rahmenbedingungen dafür zu sprechen, ein sehr wichtiger Aspekt ist, festzustellen, dass wir es hier mit einem großen Bereich der Ehrenamtlichkeit zu tun haben, den wir gesetzlich zu regeln haben.

Das ist eine sehr, sehr sensible Materie, weil wir feststellen müssen, dass wir dabei gemeinsam mit der österreichischen Bevölkerung einen Bereich der Gesellschaft zu regeln haben, der davon lebt und profitiert, dass es hauptsächlich Freiwillige und Ehrenamtliche sind, die da ihre Arbeit leisten. Diese Menschen mit gesetzlichen Maßnahmen abzuschrecken oder von ihrer Arbeit abzuhalten, das wäre höchst fatal für unsere Gesellschaft, und dem gilt es entgegenzuwirken.

Der Umgang mit dem autonomen Sport in Österreich ist daher ein höchst bemerkenswerter. Wie wir schon in den letzten Debatten festgestellt haben, ist es für uns sehr wichtig, festzuhalten, dass die Autonomie des Sportes auf alle Fälle erhaltenswert ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre unmöglich, den Sport staatlich zu regeln und vor allem zu finanzieren. Darüber haben wir schon vielfach auch in den Dachverbänden gesprochen, und ich denke, in diesem Bereich eine gemeinsame Arbeit zu tun, gemeinsam mit den gesetzlichen Vertretungen, ist ein sehr guter Weg, den wir weiter beschreiten sollten.

Ein kleines Beispiel dazu: In meiner Heimatstadt Neulengbach gibt es an die 70 Vereine und Hunderte Freiwillige, die im Sportbereich tätig sind, dafür arbeiten, dafür ihre Freizeit aufgeben und sich in ihrer Freizeit dort einbringen. Diese Menschen für diese Arbeit zu motivieren und für den Sport zu motivieren, soll unsere gemeinsame Aufgabe sein.

Im Jahr 2001, dem "Internationalen Jahr des Ehrenamtes", ist es dazu gekommen, dass das Vereinsgesetz und die Vereinsrichtlinien neu erarbeitet wurden. Daher gilt diesem Bereich unsere große Aufmerksamkeit und auch unsere Sorge. (Abg. Böhacker: Sie hat noch immer nicht verstanden ...!)

Ihre Feststellung, Frau Sportministerin, es werde keine Verordnung in diesem Bereich über die Bühne gehen, die nicht auch von der BSO anerkannt wird, möchte ich als sehr positiv vermerken. Das möchte ich auch anerkennen, denn das zeigt unter anderem auch, dass Sie durchaus bereit sind, in diesem Selbstverwaltungskörper Fachleute zu akzeptieren, die wir als unsere gewählten Vertreter stellen, denen wir vertrauen und denen auch Sie offensichtlich vertrauen, auch dahin gehend, dass sie für die Sportgesetzgebung in Österreich ein gewichtiges Wort einlegen sollen.

Die Dachverbände sind unter anderem diejenigen, die das Sport-Know-how haben, die ihre ExpertInnen zur Verfügung stellen können – und es auch tun –, die auch einforden, für die vielen hunderttausend Sportausübenden in Österreich die passenden Richtlinien zu erarbeiten und sich vor allen Dingen auch unabhängig und autonom einbringen zu können.


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Zum Bundes-Sportförderungsgesetz ist nur noch eines festzustellen, sehr geehrte Frau Vizekanzlerin, und zwar, dass von unserer Seite prinzipiell auf keinen Fall ein Einwand dagegen erhoben wird, dass bei der Vergabe von entsprechend hohen Summen bei Investitionen für Großsportanlagen ein Controlling eingeführt wird. Das ist auf keinen Fall abzulehnen, sondern das ist zu begrüßen! Dazu haben wir auch gerne unsere Zustimmung gegeben.

Was wir allerdings angemerkt haben – und auch dafür gilt unsere Anerkennung –, ist, dass es unbedingt notwendig ist, auch im Sinne der Haftungsfrage, gerichtlich beeidete Sachverständige und Wirtschaftsprüfer einzusetzen, die in diesem Bereich das entsprechende Controlling durchführen sollen. Es kann nicht sein, dass willkürlich eingesetzte Personen diese Kontrolle ausüben, sondern es muss auch im Sinne der Haftung für den Förderungsnehmer möglich sein, dass wir auf eine entsprechende Rechtssicherheit zurückgreifen.

In diesem Sinne sind wir froh darüber, dass diese Abänderung in die Gesetzgebung Eingang gefunden hat, und wir denken, dass es schon aus diesem Grund auch für die SPÖ-Fraktion notwendig und richtig ist, diesem Bundes-Sportförderungsgesetz zuzustimmen.

Abschließend möchte ich jedenfalls Folgendes bemerken: Trotz der Beschneidungs- und Einmischungstendenzen, die diese Bundesregierung in fast allen Bereichen unserer Gesellschaft erkennen lässt, haben Sie, Frau Sportministerin, offensichtlich erkannt, dass die Autonomie des Sportes anzuerkennen ist und dass die ExpertInnen und gewählten VertreterInnen des Sportes und der Dachverbände in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen sind. Damit wird es gelingen, auch in Zukunft für die Sportlerinnen und Sportler in Österreich die entsprechend richtige Zielsetzung festzuschreiben und eine gemeinsame Sportausübung und eine Motivation zu mehr Sportausübung hier in unserem Land sicherzustellen. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

10.26

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Sportministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! "Ein guter Tag beginnt mit Sport", darf ich abwandelnd den Herrn Finanzminister zitieren. Wir sind also unter neuer Führung von der mitternächtlichen "Mantschlerei" im Sektor Sportdebatten in eine frühe, frische Morgenstunde gerückt, und dafür vorweg schönen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Schasching hat nach ihrer kurzen Pflichtübung, auf die Regierung loszugehen, abschließend versöhnende Worte gefunden und gemeint, die Frau Vizekanzlerin habe die Bereitschaft erkennen lassen, die Autonomie des Sportes anzuerkennen. – Liebe Frau Kollegin Schasching! Nur bei der Zeitwahl haben Sie sich mit dieser Aussage geirrt. Die Frau Bundesministerin hat die Autonomie des Sportes endlich geschaffen und lebt sie auch, denn diese Autonomie war bisher zweifellos nicht gegeben. Ich weiß, wovon ich rede.

Die Frau Vizekanzlerin hat mit Kompetenz und Charme die Herzen der Proponenten des österreichischen Sportes erobert. Das spürt man bei jedem Sport-Event, das spürt man bei den zahlreichen Diskussionsveranstaltungen, wo sie ganz einfach die Herzen und die Köpfe der Funktionäre, aber auch der Sportler selbst erobert hat, und dazu gratuliere ich Ihnen aus ganzem Herzen, Frau Vizekanzlerin!

Es ist nicht leicht, vor allem im Spitzensportbereich in diese teils durchaus egoistischen Köpfe einzudringen, und es ist Ihnen zuzuschreiben, dass Sie trotz der Verfilzung der politischen Ausgangssituation in diesem Bereich für eine deutliche Versachlichung und Entflechtung gesorgt haben. Danke vielmals! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die auf der Tagesordnung stehende Novelle zum Bundes-Sportförderungsgesetz kann stellvertretend für diesen Kurs angesehen werden. Wenn man etwa den letzten Rechnungshofbericht über die Sportförderung heraussucht, dann sieht man – und das war einleitend als Schwerpunkt vermerkt –, dass darin die bedarfsunabhängige Zuweisung der Förderungsmittel – also ohne dass vorher auch nur im Ansatz das Bedürfnis nachgewiesen worden wäre, dass man diese


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Förderung benötigt – kritisiert wurde. Weiters wurde betont, dass die vorgefundene Doppel- und Mehrfachgleisigkeit die Abwicklung der Abrechnung und der Kontrolle erschwert hat, weil seinerzeit oft dieselben Personen die Anträge auf Sportförderung gestellt haben, dann das entsprechende Geld ausgegeben haben und außerdem noch im Kontrollausschuss gesessen sind. – Damit ist aufgeräumt worden, und daher auch der sinnvolle heute vorliegende Abänderungsantrag.

Kollege Böhacker wird das noch genauer ausführen. Für Herrn Kollegen Böhacker als Wirtschafter ist es eine Selbstverständlichkeit, dass diese Kontrollmechanismen, die wir heute beschließen, auch im Sportbereich eingeführt werden.

Ich möchte die Gelegenheit auch wahrnehmen, um kurz auf die Schwerpunkte der bisherigen sportpolitischen Arbeit Ihres Ressorts und Ihrer Person einzugehen, denn selbst die Granden der Vergangenheit in Österreichs Sport, die in erster Linie auf der sozialistischen Seite angesiedelt sind, bekennen zumindest hinter vorgehaltener Hand, welche Kompetenz bei Ihnen vorzufinden ist.

Sie sagen mir, dass in Österreich erstmals spürbar Sportpolitik betrieben wird. Das sagen auch jene Personen, die in dieser sinnvollen Einrichtung von "Top Sport Austria" untergebracht wurden. Ich nenne die Namen und habe die Befugnis dazu: Innauer, Graf (Abg. Mag. Schweitzer: Die rote Graf?), Lichtenegger, Seisenbacher, Giger – alles Exponenten des Österreich-Sports –, Martin Kessler, der Trainer des Sports, also Leute, die mit dieser Form des Managements des Spitzensportes Österreichs zufrieden und auch dankbar dafür sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben es nicht nur in der Regierungserklärung angekündigt, sondern Sie haben es auch umgesetzt, dass der durchaus kompetente sportwissenschaftliche Bereich Österreichs einbezogen wird. Das "Who is who" der österreichischen Sportwissenschaft, Holdhaus, Amesberger, Werner Nachbauer, Erich Müller, Schwarz, Haber, also die Exponenten der österreichischen Sportwissenschaft, finden sich im wissenschaftlichen Beirat von "Top Sport Austria". Mehr konnte man auf diesem Sektor wirklich nicht tun. Wir gratulieren auch dazu, Frau Vizekanzlerin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben sich aber auch äußerst konsequent um den Bereich des Behindertensports bemüht. Stellvertretend für alle Initiativen sei gesagt: Erstmals werden der behinderte Sportler und der nicht behinderte Sportler im Leistungsbereich gleichbehandelt, das heißt, "Top Sport Austria" schaut nicht darauf, ob dieser Leistungsträger eine Behinderung hat oder zu den so genannten gesunden zu zählen ist. Das ist ein Quantensprung, der auch von den Versehrtensportlern so empfunden wird.

Am Finanzsektor gibt es die Rubbellosaktion, die für die behinderten Sportler in die Wege geleitet wurde. (Abg. Leikam: Versehrtensportler gibt es nicht mehr!) – Die gibt es sehr wohl. – Ziel ist es jedenfalls, dass der Behindertensportverband als ordentliches Mitglied – da kannst du mithelfen, Kollege Leikam – in die BSO aufgenommen wird und nicht als außerordentliches ohne finanzielle Zuwendung dasteht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da ist die Halbherzigkeit spürbar, deutlich spürbar. Setz dich dafür ein, Kollege Leikam, dass der Behindertensport, so wie es in unserem Antrag aus dem Jahr 1997 gefordert wird, mit einem Prozentanteil im 50 Jahre alten Verteilungsschlüssel bedacht wird und davon profitieren kann. Das wäre ein Schritt, den wir begrüßen würden. (Abg. Leikam: Wird passieren!)

Aber es gibt auch andere Aktivitäten, die Ihnen teilweise über die Medien zur Kenntnis gekommen sind – oder auch nicht. Es sind dies Sonderaktionen. Wir haben heuer, im Jahr 2002, das "Jahr der Berge". Was macht das Ressort? Was macht die Vizekanzlerin? – Eine Initiative "Klettern drinnen und draußen" wird flächendeckend gestartet. Unter Beihilfe aller Schulen soll versucht werden, die Sportanlagen auch mit Indoor-Klettereinrichtungen auszustatten. Wir sind da auf gutem Weg, und auch bezüglich Outdoor-Klettern werden heuer zahlreiche Aktivitäten stattfinden.


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Oder: das Thema Damenfußball. Österreich ist in der EU diesbezüglich das letzte Rädchen. Dieser Bereich ist nicht anerkannt, aber da besteht ein Bedürfnis bei den Dirndln. Ein Bedürfnis besteht auch bei den Leistungsträgern in diesem Bereich, ein bisschen mehr Anerkennung zu finden. Eine diesbezügliche Sonderinitiative wurde gesetzt.

Zum Thema Mountainbike-Sonderinitiative werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt sprechen. Auch da besteht höchste Bereitschaft, sich für diesen gesunden Sport einzusetzen.

Ein Allerletztes, weil es angesprochen wurde: In der Regierungserklärung ist davon die Rede, dass wir die ehrenamtlichen Funktionäre, vor allem im "Jahr der Freiwilligkeit", besonders unterstützen. Wenn ich mir die Änderung des Vereinsgesetzes – erfolgt durch Ihr Ressort – anschaue, Frau Vizekanzlerin, dann muss ich sagen, dass das in vollem Umfang umgesetzt worden ist. Sogar von der kritischen BSO ist eine positive Stellungnahme zur Änderung des Vereinsgesetzes, die Sie hineinreklamiert haben, abgegeben worden. Es passt rundherum.

Sie haben blendende Mitarbeiter in Ihrem Ressort, mit denen es eine Freude ist, zusammenzuarbeiten. Der frische Wind, den Sie in den österreichischen Sport bringen, ist spürbar, und dafür möchte ich auch im Namen meiner Fraktion herzlich danken. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Lexer zu Wort. – Bitte.

10.36

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst konkret auf die Änderung des Sportförderungsgesetzes eingehen und meine, dass eine Verbesserung der Qualität in der Planung und Abwicklung von Sportprojekten dringend geboten ist. Zusätzlich und in Ergänzung zu den bisherigen Kontrollmechanismen ziehen wir jetzt eine professionelle Instanz ein. Wirtschaftstreuhänder und Sachverständige müssen verpflichtend bereits in der Projektierungsphase involviert werden. Es ist also nicht so wie bisher und wie in den Rechnungshofberichten zu lesen ist, dass erst im Nachhinein kritisiert und geprüft wird, sondern es muss schon im Vorfeld mitgewirkt und mitgestaltet werden.

Mit dieser Änderung werden alle Projektphasen erfasst. Erstens: die Planung und Entwicklung des Projektes und die genaue und rechtzeitige Erfassung der Kosten. Die Erarbeitung einer konkreten Leistungsliste ist eine wichtige Grundlage für die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen.

Zweitens: Die Umsetzung und begleitende Kontrolle bei der Projektabwicklung wird durch eine unabhängige, zivilrechtlich haftende Instanz gewährleistet.

Drittens: Die nachhaltige wirtschaftliche Nutzung ist bei vielen großen Projekten von Bedeutung. Es nützt nämlich nichts, dass wir nur die Mittel für den Bau einer Sportanlage zur Verfügung stellen, sondern wir müssen auch danach trachten, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Betriebsführung möglich ist. So können wir höhere Beiträge für die Vereinsmitglieder verhindern und auch zukünftige Vereinspleiten vermeiden. Durch den sorgfältigen und effizienten Einsatz der Sportförderungsmittel können wir Spielräume für wichtige Sportanliegen schaffen. Ich nenne hier das in nächster Zeit aus meiner Sicht wichtigste Anliegen: Initiativen für den Frauen- und Mädchensport.

Frauen und Mädchen sind auf fast allen Sportanlagen extrem benachteiligt. Fußballplätze werden fast ausschließlich von Männern und Burschen genutzt. Es gibt viel zu wenige qualifizierte Trainerinnen. Es fehlen adäquate sanitäre Einrichtungen. Mädchen und Frauen erhalten für dieselbe Leistung eine wesentlich geringere Abgeltung. Dies gilt auch und vor allem für den Spitzensport. Ich rege daher an, dass das Jahr 2003 zum "Jahr des Mädchen- und Frauensports" erklärt wird und sich alle Sportverantwortlichen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene besonders um diese Thematik kümmern müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Dazu zähle ich auch den Schulsport, denn gerade dort wird der Grundstein für eine positive Beziehung zu Sport und Bewegung gelegt. Wir brauchen ein bewegungsorientiertes Angebot im Kindergarten, in der Schule, im Betrieb und in der unmittelbaren Wohnumgebung. Das Ziel ist klar: Wir wollen, dass möglichst viele Mädchen und Frauen ihren sportlichen Interessen nachgehen können und dass die Benachteiligung der Frauen und Mädchen im Sport beseitigt wird.

Durch einen effizienten Einsatz der Sportförderungsmittel ist auch eine verstärkte Förderung des Behindertensports möglich. Der Behindertensportverband – das wurde bereits von meinem Vorredner erwähnt – ist zwar Mitglied in der Bundessportorganisation, wird aber nicht aus diesem Budget dotiert.

Es ist mir schon klar, dass die Sportverbände in der BSO die bisherigen Mittel nicht auf mehrere Mitglieder aufteilen wollen. Wir wollen auch die wertvolle Arbeit der Sport- und Dachverbände nicht gefährden oder in Frage stellen. Trotzdem verlangen wir, dass die BSO den Behindertensportverband als vollwertiges Mitglied aufnimmt und auch aus den ständigen, jährlichen Erhöhungen der Sportmittel dotiert.

Immer mehr behinderte Menschen möchten am sportlichen Leben teilnehmen. Auch die Sportverbände und Vereine gehen auf dieses Bedürfnis ein. Die Betreuung der behinderten Sportler ist aber sehr kostenintensiv. Daher begrüße ich die Rubbellosaktion der Frau Vizekanzlerin als erste wichtige Maßnahme. Allerdings glaube ich, dass wir in Zukunft mehr Geld für den Sport brauchen.

Nach Erreichen der Sparziele verlange ich mehr Geld für den Sport. Mehr Geld für den Sport bedeutet über 100 000 Arbeitsplätze, zum Teil sehr hochwertige Arbeitsplätze, mehr Geld für den Sport bedeutet einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge und weniger Folgekosten im Gesundheitswesen. Mehr Geld für den Sport bedeutet vitale und leistungsfähige Bürgerinnen und Bürger. Damit leistet der Sport auch einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Investitionen in den Sport zahlen sich also mehrfach aus. Ich denke, dass es daher sinnvoll ist, in der Zukunft dem Sport einen noch größeren Stellenwert einzuräumen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

10.41

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte meine Ausführungen zum eigentlichen Anlass dieses Tagesordnungspunkts, nämlich zur Änderung des Bundes-Sportförderungsgesetzes, die von allen vier Parteien beschlossen werden wird, kurz halten.

Ich stimme dem völlig zu, dass es in der Vergangenheit bei diversen Sportprojekten Probleme gegeben hat, was die Nachnutzung betrifft. Ich denke da nur an den Bau von Fußballstadien in jüngerer Vergangenheit, bei denen unmittelbar nach Fertigstellung schon Diskussionen darüber ausgebrochen sind, ob sie nicht vergrößert werden müssten. Wenn all diese Überlegungen im Rahmen des Bundes-Sportförderungsgesetzes, im Rahmen von Gutachten vorweg überprüft werden, dann macht das sicher Sinn, und deshalb geben wir auch unsere Zustimmung.

Es ist aber auch kein Wunder, dass die anderen Redner, ähnlich wie ich, nur in etwa drei Sätze dazu sagen konnten und sich der Rest der Debatte um ganz etwas anderes dreht. Es wird der gesamte "Gemüsegarten" des Sports aufgebreitet, und die Inszenierung, die seit Beginn der Amtszeit dieser Bundesregierung und seit Ihrer Amtsübernahme sehr offen erfolgt, nämlich sich im Rahmen des Sports zu präsentieren, findet auch heute ihren Niederschlag.

Ich finde es durchaus okay, das Thema Sport an den Beginn der Tagesordnung zu setzen, wenn dies auch den Inhalten der Gesetzesänderung entsprechen würde. Ich denke, das Berufssportgesetz würde es durchaus verdienen, an prominenter Stelle behandelt zu werden, weil


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es dabei doch um substanzielle Inhalte geht. Jetzt, so denke ich, geht es eher wieder um die Frage der Inszenierung, um dieser wieder einen Rahmen zu geben. Kollege Grollitsch kann in breiten Worten all das loben, was Sie bislang getan haben.

Aber schauen wir uns das doch noch etwas näher an: In Einzelbereichen stimme ich dem durchaus zu; auch ich halte unter anderem das Zugestehen von Prämien auch für Behindertensportler für einen sehr positiven Schritt. Dass diesbezüglich noch sehr viel anderes zu tun ist, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, dazu kann Frau Kollegin Haidlmayr sehr viel sagen. Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor Dinge, die ausständig sind, wie beispielsweise die Frage der besonderen Sportförderung und der Transparenz; ich habe das immer wieder angesprochen. Ich hoffe, dass sich bei den nächsten Sportberichten und bei der Evaluation zeigen wird, ob klarere und bessere Richtlinien vorliegen, ob man besser bewerten kann, was mit den eingesetzten Geldern passiert.

Betreffend Berufssportgesetz erfolgte im Sommer einmal ein erster Versuch, es hat dazu einen "runden Tisch" gegeben, der, so glaube ich, im Juli stattgefunden hat. Seitdem habe ich nichts mehr gehört. Es hat geheißen, es soll da eine gemeinsame Einigung geben. Ich bin gespannt, was diesbezüglich weitergeht. Dass das eine sehr schwierige Materie ist, ist mittlerweile auch allen klar geworden. Es ist zwar viel davon die Rede, aber ob es wirklich umgesetzt wird, ist ein anderes Kapitel.

Ich habe auch schon mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass es meiner Meinung nach unter anderem im Bereich der Fußballbundesliga ziemliche Probleme mit der Umsetzung des EU-Rechts geben wird, weil wir in der 1. Division eine Regelung haben, die dem EU-Recht mit Sicherheit widerspricht, da die Anzahl der EU-Ausländer begrenzt ist, was mit allen Richtlinien nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Da hätte ich mir erwartet, dass Sie als Sportministerin entsprechende Initiativen setzen.

Aber belassen wir es dabei: Dieses Gesetz verdient unsere Zustimmung und wird sie bekommen. Ich hoffe aber auch, dass die Sportpolitik von der Inszenierung abgeht und vermehrt zu den Inhalten findet. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Vizekanzlerin. – Bitte.

10.45

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr über die heutige Debatte, weil sie, wie Herr Kollege Grollitsch schon gesagt hat, einmal nicht in den Nachtstunden stattfindet.

Herrn Kollegen Brosz möchte ich nur sagen: Ich bin für die Erstellung der Tagesordnung dieses Hauses nicht zuständig, aber ich weiß, dass das die Präsidiale des Nationalrates macht, in der auch Ihre Fraktion einen Vertreter hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Kogler ist in der Präsidiale!) Und wenn Sie sich dafür einsetzen, dass Sportangelegenheiten immer an solch prominenter Stelle, nämlich zu Beginn der Tagesordnung behandelt werden, dann werde ich mich sehr darüber freuen, und Sie finden dafür selbstverständlich auch unsere Unterstützung.

Obwohl es nicht auf der heutigen Tagesordnung steht, möchte ich noch eine kleine Anmerkung zu dem machen, was Sie, Herr Kollege Brosz, am Schluss Ihrer Rede bezüglich der Ausländerregelung im österreichischen Fußball gesagt haben. Ich glaube nicht, dass es gerade angesichts der Nachwuchsprobleme, die wir im österreichischen Fußball haben, zweckmäßig ist, jetzt in die Richtung zu gehen, dass wir sagen, wir nehmen noch mehr ausländische Spieler in die österreichische Bundesliga. Ich meine, dass es der ÖFB, aber auch die Bundesligavereine erkannt haben, dass die Zukunft des österreichischen Fußballs nur dann gesichert werden und nur dann eine positive Entwicklung nehmen kann, wenn wir unsere jungen österreichischen Talente fördern und ihnen auch die Möglichkeit geben, in österreichischen Vereinen zu spielen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


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92. Sitzung / Seite 40

Das Thema der heutigen Debatte, die Gesetzesvorlage, die wir heute behandeln, ist eine Novelle zum Bundes-Sportförderungsgesetz, die eine wesentliche Verbesserung im Zusammenhang mit Sportstätten, deren Infrastruktur und Bau in Österreich bewirken wird. Diese Novelle sieht nämlich vor, dass die Förderung von großen Investitionsprojekten an ein Gutachten von unabhängigen Prüfern über die Wirtschaftlichkeit, die Zweckmäßigkeit und die Sparsamkeit bei der Errichtung geknüpft wird, und weiters wird ein begleitendes Controlling vorgesehen. Das ist eigentlich ein Nachziehen im Hinblick darauf, dass der übliche Controllingstand, so wie er sonst bei Großprojekten gang und gäbe ist, auch da eingeführt werden soll.

Ich möchte dazu sagen, dass wir damit auch einer Anregung des Rechnungshofes entsprechen, der in der Vergangenheit immer kritisiert hat, dass es keine geeigneten Controllinginstrumente bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln gibt. Wir haben sichergestellt, dass das für den Sportstätteninfrastrukturbau in Österreich in Zukunft auch tatsächlich gegeben ist.

Mitglieder dieses Controlling-Beirates oder dieser -Beiräte werden sein: jeweils ein Vertreter meines Ministeriums sowie der Förderer, sprich: Land und Gemeinden, die auch Gelder zur Verfügung stellen, sowie ein Wirtschaftsprüfer, der ein solches Gutachten zu erstellen hat.

Wir haben das in der Praxis auch schon auf freiwilliger Basis mit der Errichtung des Salzburger Stadions umgesetzt. Ich möchte mich auch bei den Errichtern und Betreibern des Salzburger Stadions sehr herzlich dafür bedanken, dass sie uns dieses Pilotprojekt ermöglicht haben. Ich bin damals gefragt worden: Ist das nicht sozusagen ein Misstrauen gegenüber den Stadienerrichtern? – Wir haben im Laufe dieser Projekterstellung festgestellt – und zwar beide Seiten, Bund und Land und Stadt Salzburg –, dass alle davon profitiert haben, dass auch der Controlling-Beirat entsprechend positive Anregungen für das Projekt gemacht hat und dass wir es dadurch auch kostengünstiger errichten können, was für alle Seiten ein großer Vorteil ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben bei der Planung des Stadions in Salzburg etwas gemacht, was wir in Hinkunft bei allen Sportstättenbauten entsprechend berücksichtigen werden, nämlich sichergestellt, dass die Errichtung und die Förderung des Bundes für dieses Projekt auch an ein Nachwuchsprojekt gekoppelt ist, denn ich glaube, dass es in sportpolitischer Hinsicht auch von Bedeutung ist, dass wir nicht nur schöne Sportstätten bauen, sondern dass wir auch junge Sportlerinnen und Sportler haben, die in diesen Sportstätten dann spielen und ihren Sport ausüben können. Daher haben wir im Zusammenhang mit dieser Förderung des Stadions mit dem Land Salzburg und mit dem Verein Austria Salzburg auch ein entsprechendes Nachwuchsprojekt initiiert, und das wird auch in Hinkunft bei allen anderen Sportstättenprojekten so gehandhabt werden.

Nachwuchsarbeit ist meines Erachtens überhaupt der zentrale Punkt im Sportbereich. Es ist schon angesprochen worden: Im Fußball haben wir derzeit die Situation, dass wir international den Anschluss deshalb verloren haben, weil wir im Gegensatz zum Beispiel zum Wintersport in den letzten Jahren keine so konzentrierte Nachwuchsarbeit betrieben haben, und deswegen ist uns das ein besonderes Anliegen. Wir haben mit dem ÖFB auch entsprechende Projekte ausgearbeitet, die Nachwuchsarbeit gerade im Fußball zu verbessern. Wir haben ein Nachwuchsprojekt im Rahmen von "Top Sport Austria", bei dem wir heute schon damit beginnen, die U-19-Nationalmannschaft für die kommende Europameisterschaft entsprechend vorzubereiten und auch die Trainings- und Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Wir haben ein Projekt in Arbeit bezüglich der Errichtung von Ballsportschulen in Österreich, also nicht nur für Fußball, sondern auch für alle anderen Ballsportarten, und wollen damit das Erfolgsrezept der Wintersportarten, nämlich die Verbindung von beruflicher, schulischer und sportlicher Ausbildung, auch in diesem Bereich umsetzen. Ich bedanke mich bei den Bundesländern, die an diesem Projekt sehr engagiert mitarbeiten und dafür sorgen werden, dass das zu einer guten Umsetzung kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben "Top Sport Austria" – das ist ein ganz wichtiger Punkt für mich – auch für den Behindertensport geöffnet, weil ich es eigentlich immer für unzulässig gehalten habe, dass der Behindertensport insofern eine Sonderrolle spielt, als man ihn nicht wirklich anerkennt. Udo Grollitsch


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hat das gesagt, und ich habe sehr genau gehört, was Kollege Leikam gesagt hat, der jetzt gerade telefoniert, aber seine Kollegen werden ihm das ausrichten. (Abg. Leikam telefoniert mit seinem Handy.) – Entschuldigung, ich wollte Sie nicht verpetzen, Herr Kollege!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Abgeordneter, keine Handys im Plenum. (Allgemeine Heiterkeit. – Abg. Leikam: Das war der Präsident des Schiverbandes! – Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat gewonnen?)

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer (fortsetzend): Ich wollte eigentlich etwas Positives zu Ihnen sagen, Herr Kollege Leikam, nämlich dass ich es sehr begrüße, dass Sie – ich habe Ihnen genau zugehört –, als Kollege Grollitsch gesagt hat, der Behindertensport müsste eigentlich in der BSO nicht nur außerordentliches, sondern ordentliches Mitglied und als solches mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet sein, gesagt haben: Ich war immer dafür, und das wird auch passieren. – Also ich nehme Sie jetzt beim Wort in dieser Frage, und ich hoffe auch, dass Sie Ihre Kollegen in der BSO davon überzeugen, dass das auch umgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo, Toni!) Vom Bekenntnis allein wird nicht sehr viel weitergehen.

Ich freue mich aber, dass es uns gelungen ist – und da bedanke ich mich auch sehr herzlich beim Finanzminister und bei den Lotterien –, heuer im März eine Rubbellos-Aktion zu Gunsten des Behindertensportes zu starten. Wir rechnen auf Grund von Erfahrungen mit doch beträchtlichen Einnahmen, die sich da ergeben und dem Behindertensport zugute kommen werden. Die Größenordnung liegt bei etwa 30 Millionen Schilling; das ist doch ein wesentlicher Beitrag für den Behindertensport in Österreich, auch für die Vorbereitung auf die Paralympics und Special Olympics in der Zukunft.

Ich glaube, dass das etwas ist, was wir alle aus vollem Herzen unterstützen können, weil die österreichischen Behindertensportler sowohl bei den Paralympischen Sommerspielen als auch bei den Winterspielen entsprechende Erfolge erzielt haben beziehungsweise erzielen werden, wofür wir ihnen auch alles Gute wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Sportstätteninfrastruktur – das ist ein wichtiges Anliegen in Österreich – hat in der Vergangenheit daran gekrankt, dass man nach dem Gießkannenprinzip, nach dem Zufallsprinzip und dort, wo gerade eine Wahl war und man etwas versprechen musste, Projekte gefördert beziehungsweise untersagt hat.

Mir ist es wichtig, dass wir ein Gesamtkonzept für Österreich haben, dass wir uns darauf konzentrieren, in den Bereichen, in denen es in der Vergangenheit große Versäumnisse gegeben hat, entsprechend etwas umzusetzen.

Ich freue mich daher, dass wir mit dem Bundesland Burgenland eine Vereinbarung getroffen haben, die es ermöglicht, dass in diesem Jahr noch mit dem Bau eines Bundesleistungszentrums für Segeln in Neusiedl begonnen wird und damit auch eine Ausbildungsstätte in diesem Bereich geschaffen wird, die, so glaube ich, in Österreich, aber durchaus auch in Europa einmalig ist.

Wir haben beim Skispringen am Berg Isel gesehen, dass die neue Schanze, die der Bund entsprechend mitgefördert hat, eine international herausragende Sportstätte für den Skisprungsport in der Welt ist und dass das entsprechend positiv kommentiert wurde und für die Sportler eine entsprechende Motivation darstellt, auf solch einer Schanze ihren Sport ausüben zu können.

Für die Planung der möglichen Vergabe der Fußball-Europameisterschaft und eines möglichen Zuschlags an Österreich und die Schweiz, die sich gemeinsam bewerben, haben wir Vorsorge dafür getroffen, dass wir in Österreich Fußballstadien haben, die auch als Austragungsstätten für eine Europameisterschaft zur Verfügung stehen werden.


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Herr Kollege Leikam hat ganz begeistert das künftige Stadion in Klagenfurt erwähnt: Ich möchte ihn da unterstützen, das ist ein hervorragendes Projekt, genauso wie das Stadion in Salzburg, das sich schon im Bau befindet. Dazu kommen das neue Stadion in Innsbruck, das entsprechend erweitert werden muss, und die Renovierung und der Umbau des Stadions in Wien. Das wird die Grundlage dafür sein, dass Österreich eine gute Bewerbung abgeben kann und auch, so glaube ich, gegenüber den Mitbewerbern für die Vergabe der Europameisterschaft ausgezeichnete Chancen hat, diese große Sportveranstaltung nach Österreich zu bekommen und damit eine große Motivation für den Fußball zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend möchte ich gerade im Zusammenhang mit Österreich als Austragungsort von Sportgroßveranstaltungen sagen – wir werden heuer zum Beispiel auch die Mountainbike-WM in Zell am See und Kaprun haben; Salzburg bewirbt sich gemeinsam mit Kitzbühel um die Austragung der Olympischen Winterspiele –, dass solche Sportgroßveranstaltungen ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor, volkswirtschaftlicher Faktor für das Land sind und der Zusammenhang zwischen Sport und Wirtschaft immer unterschätzt wird. Es gibt Experten, die sagen, dass 3 Prozent der Wertschöpfung eines Landes sportspezifischer Natur sind. Das heißt, dass wir da einen großen Faktor für die Wirtschaft, für die Standortsicherung, aber auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen haben. Allein der Bau des Stadions in Salzburg zum Beispiel schafft 60 neue Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft und damit auch einen entsprechenden Impuls in diesem Bereich.

Es gibt Berechnungen für die Jahre 1998/99, wonach in den angeführten Bereichen des Sports eine Wertschöpfung in der Höhe von 64,5 Milliarden Schilling erreicht wurde. Wenn man die Konsum- und Investitionseffekte noch dazurechnet, kommt man auf eine Summe von 74,6 Milliarden Schilling. Der Sporttourismus, den man auch hinzurechnen kann, hat einen Anteil von 21 Milliarden Schilling. Darüber hinaus sind immer mehr Menschen im Sportumfeld beschäftigt, sodass wir davon ausgehen können, dass rund 100 000 Menschen in Österreich dort eine Betätigung haben, das heißt, einen Arbeitsplatz und eine Beschäftigung haben. Und das ist etwas, was man nicht hoch genug schätzen kann und was wir auch bei Förderungen der öffentlichen Hand mitberücksichtigen müssen, da man weiß, dass es eine Umwegrentabilität und einen Effekt gibt, der sich letztendlich immer lohnt, und zwar sowohl wirtschaftlich, vor allem aber sportpolitisch für den Nachwuchssport, für den Breitensport und für die Motivation der jungen Menschen in Österreich, sich sportlich zu betätigen und damit auch für ihre Gesundheit und für ihre persönliche Entwicklung entsprechend etwas zu tun und zu leisten. Das ist etwas, was wir alle gemeinsam unterstützen sollten.

Insofern bedanke ich mich auch für die Unterstützung für dieses Bundes-Sportförderungsgesetz, weil ich glaube, dass wir damit einen wesentlichen Schritt in Richtung Verbesserung des Sportstättenbaus in Österreich getan haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Pfeffer –: Kathi, das ist eine Sportministerin, die hat etwas zu sagen, weil sie etwas geleistet hat! Wittmann war immer ganz kurz!)

10.57

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Text zur Änderung des Bundes-Sportförderungsgesetzes wird Folgendes angeführt – ich möchte hier ein paar Sätze zitieren –:

"Durch die gesetzliche Verankerung geeigneter Kontrollmaßnahmen sollen der effiziente und langfristig wirkende Einsatz von Bundesmitteln und eine Erhöhung der Transparenz bei der Vergabe von Mitteln der Allgemeinen Sportförderung sichergestellt werden."

Und weiters: Mit diesem Gesetz wird eine gesetzliche Grundlage für die Einholung von Sachverständigengutachten, in denen das Investitionsguthaben auf seine Wirtschaftlichkeit, Zweck


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mäßigkeit und Sparsamkeit nach Vergaben des Bundes geprüft wird, geschaffen. (Abg. Böhacker: Welches Investitionsguthaben? Gutachten meinen Sie!) Weiters soll ein Beirat zur begleitenden Kontrolle eingesetzt werden.

Ich habe nichts dagegen einzuwenden, ganz im Gegenteil: Aber wichtig ist mir dabei, den Vereinen behilflich zu sein, um ihnen unnötigen Ärger und finanzielle Einbußen zu ersparen.

Meine Damen und Herren! Noch ein Thema liegt mir am Herzen. Es heißt hier:

Um die gesellschaftliche Funktion des Sports zu sichern, darf die öffentliche Förderung nicht nur auf den Leistungssport beschränkt sein, sondern muss vor allem auch den Breiten- und Gesundheitssport umfassen. Diese Bereiche des Sports werden derzeit nicht über Fachverbände, sondern über die Dachverbände realisiert. – Zitatende.

Diese Sätze, meine Damen und Herren, sind nicht von mir, diese Sätze stehen im Sozialstaatsvolksbegehren, welches vom 3. bis 10. April 2002 durchgeführt wird.

Weiters wird in diesem Volksbegehren unter anderem auch verlangt, dass öffentliche Sportförderung nicht nur auf die Errichtung von Großanlagen für publikumswirksame Sportarten konzentriert werden soll. – Es soll dies für viele Bevölkerungsgruppen, für viele Menschen gemacht werden. Das muss der Grundsatz einer sozialpolitischen Sportpolitik sein. Dieses Volksbegehren, meine Damen und Herren, ist es daher wert, in jeder Art und Weise unterstützt zu werden.

Zum Schluss kommend noch eine positive Anmerkung: Ich freue mich auch darüber, dass es künftig im Burgenland eine Bundessporteinrichtung für Surfen und Segeln geben wird. Das ist eine große Bereicherung für unsere begeisterten Wassersportler. Standort wird die Bezirksstadt Neusiedl am See sein. Dazu kommt noch, dass dieses Gebiet im Dezember als grenzüberschreitendes UNESCO-Weltkulturerbe eingestuft wurde, und im Hinblick auf die Osterweiterung ist es auch eine zusätzliche Bereicherung, die dem Land und der gesamten Landschaft zugute kommt.

Wie gesagt: Ich freue mich darüber, dass dieses Projekt in Zusammenarbeit mit dem Land Burgenland und dem Bundesministerium für Sport verwirklicht wurde, und ich bedanke mich dafür. (Beifall bei der SPÖ.)

11.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Hetzl. – Bitte.

11.00

Abgeordneter Mag. Gerhard Hetzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen verfolgen heute sehr aufmerksam die Debatte zum Bundes-Sportförderungsgesetz – Sportler oder Nicht-Sportler, zumindest am Sport Interessierte oder jene, die es noch werden wollen. Ich sehe das auch als Zeichen dafür, dass der Sport hier den entsprechenden Stellenwert genießt, den er auch in Zukunft in diesem Haus unbedingt zu genießen hat.

Meine Vorrednerin, Kollegin Pfeffer, hat den Beirat zur begleitenden Kontrolle, der in diesem Gesetzeswerk vorkommt, erwähnt. Ich halte diesen Beirat für ein ganz entscheidendes Instrument. Es ist nämlich jenes Instrument, das dafür sorgt und darüber wacht, dass die Steuermittel entsprechend verwendet werden. Genau das ist ein wesentlicher Punkt bei Großinvestitionen der öffentlichen Hand, dass mit Steuermitteln entsprechend umzugehen ist. Es ist eine Verpflichtung gegenüber dem Steuerzahler, dies in jeder Phase zu garantieren. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ich sage das deswegen, weil auch die Ansätze, die im Bereich des New Public Management beziehungsweise in der Verwaltungsreform und vielen anderen Initiativen laufen, genau darauf zurückgehen. Die in Diskussion stehende Gesetzesvorlage ist ein weiterer Baustein, dem Rechnung zu tragen: Die Ausgaben der öffentlichen Hand müssen


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nachvollziehbar werden, sie müssen nach wirtschaftlichen Kriterien überwacht und beurteilt werden.

Die Frau Vizekanzlerin nannte das Beispiel Stadion Salzburg. Im Zusammenhang mit diesem Projekt sind tatsächlich bereits in der Vorlaufphase, der Planungsphase, gravierende Mängel aufgetreten, was die Zahlen, was die Berechnungen anlangte. Erst durch den Eingriff der Experten des Ministeriums wurde dieser Missstand behoben. Man kann es letztlich auch als Zeichen der Anerkennung werten, dass sich Landeshauptmann Sausgruber, Entschuldigung, nicht Sausgruber (Abg. Böhacker: Schausberger!), sondern Schausberger – ein Freud’scher Versprecher (Ruf: "Schausgruber"!); jetzt haben wir dann den "Schausgruber" (Heiterkeit), jetzt wird es gefährlich –, dafür bedankt hat, da ihm damit geholfen wurde. Er hat gesehen, in welcher professionellen Art und Weise hier an die Themen herangegangen wird und in diesem Fall herangegangen wurde. (Abg. Brosz: Wenn man bedenkt, was der Westenthaler alles verwechselt! – Abg. Mag. Kogler: Die "Verwestenthalerung" der FPÖ!)

Es ging hier in der ersten Phase immerhin um eine förderungswürdige Summe von 25 Millionen €, ein Drittel davon wurde ja seitens des Ministeriums gefördert. (Abg. Mag. Kogler: Spott oder Sport?) Nun ist bei diesem Projekt bereits der Controlling-Beirat aktiv, der das Projekt "Stadion Salzburg" überwacht. Es wird auch im Interesse unserer Salzburger Freunde zu einem guten Ende kommen und ein erfolgreiches Projekt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die sportbegeisterte Jugend in unserem Lande hat ein Recht darauf, entsprechende und gut ausgestattete Anlagen zu haben. Investitionen in diesem Bereich sind dringend notwendig und werden auch in Zukunft vorrangig sein.

Im Bereich des Leistungssports werden in einem Nachwuchsprojekt des Österreichischen Fußballbundes 1 500 Jugendliche fünf Jahre hindurch betreut. Es werden so genannte Kompetenzzentren eingerichtet, in denen in äußerst professioneller Art und Weise – mit medizinischer, physiologischer Betreuung, mit professionellen Trainern – das Geschehen überwacht wird, denn wir sollten uns nicht die Möglichkeit nehmen lassen, auch in Zukunft ein Sportland Nummer eins, gerade was den Fußball anlangt, zu bleiben, um auch in diesem Bereich wieder in die Weltspitze zurückzukehren. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die EM 2008 bereits ins Auge gefasst werden muss.

Das darf natürlich nicht auf den Sektor Fußball beschränkt bleiben. Diese Kompetenzzentren wurden daher bereits auf Tennis, Skisport und Segeln ausgedehnt; Sportarten, die in Österreich sehr hohes Ansehen genießen, Sportarten, in denen Österreich Weltspitzensportler hervorgebracht hat. Es soll damit eine Basis für den Nachwuchs geschaffen werden, sodass das auch in Zukunft so bleiben kann beziehungsweise wir wieder in die Lage kommen, Vorbilder für die Jugend hervorzubringen, Sportgrößen, Sportpersönlichkeiten, wie sie Österreich immer wieder hatte.

Die Sportpolitik hat durch die Politik unserer Vizekanzlerin in Österreich wieder einen sehr hohen Stellenwert bekommen. Die erfolgreiche Sportnation Österreich wird auch in Zukunft einen hohen Stellenwert haben, und darauf sind wir stolz. Wir begrüßen sehr begeistert diese Entwicklung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

11.06

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt von meinen Vorrednern, insbesondere von Reinhold Lexer und Udo Grollitsch, so viel Richtiges und Wichtiges zum österreichischen Sport im Allgemeinen, aber auch zum Bundes-Sportförderungsgesetz gesagt worden. Die Frau Vizekanzlerin hat das dann auch noch im Detail bestätigt und noch verständlicher, noch anschaulicher dargelegt.


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Ich möchte meine Ausführungen kurz fassen und darf der Frau Vizekanzlerin und dem Sportausschuss herzlich gratulieren, denn es geht in der Tätigkeit dieses Ausschusses wirklich etwas weiter. Das müssen wir alle anerkennen und zugestehen. Es geht in diesem Land wirklich etwas weiter, was den Sport anlangt, was insbesondere die Sportpolitik betrifft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das macht mich zuversichtlich, dass auch die Themen, die den Sport in Zukunft beschäftigen und Probleme darstellen, sicher gelöst werden können. Besonders ein Berufssportgesetz ist ein Anliegen. Emotionale Sportarten wie Fußball bringen doch etwas in Bewegung, gerade wenn die Initiativen des Bundes so stark sind, dass im Stadionbau etwas weitergeht. Es muss uns aber auch gelingen, die Emotionen der betroffenen Betreiber, Funktionäre, aber auch Sportler und Sponsoren letztlich im Rahmen eines Gesetzes unter Kontrolle zu bringen.

Nächste Woche werden 95 Athletinnen und Athleten aus Österreich an den Olympischen Spielen in Salt Lake City teilnehmen. Gerade Olympische Spiele sind die beste Möglichkeit, weltweit für Österreich Reklame zu machen, da Millionen Menschen vor den Fernsehern sitzen werden. Die österreichischen Sportlerinnen und Sportler werden diese Möglichkeit bestens nützen, sie werden Erfolge haben. Ich hoffe, sie werden mit vielen bronzenen, silbernen, vor allem aber auch goldenen Medaillen nach Hause kommen.

Die Änderung des Bundes-Sportförderungsgesetzes soll sicherstellen, dass auch in Zukunft Vorhaben von internationaler und nationaler Bedeutung errichtet und vom Bund gefördert werden. Die Voraussetzungen dafür sind die erforderlichen Rahmenbedingungen, damit der hohe Stellenwert des Sportes auch in Zukunft gesichert werden kann.

Kollege Brosz hat von einem "Gemüsegarten-Sportgesetz" gesprochen, und dem möchte ich Folgendes hinzufügen: Gemüse hat für Sportler schon einen sehr hohen Stellenwert, allerdings nur als Nahrung.

Zu diesem Gesetz kann man gratulieren. Und ich möchte mich dafür auch im Namen des Sportes herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Abg. Böhacker: Schon wieder der Kogler!)

11.09

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es ist dies in der Tat, Kollege Zweytick, eine richtige gesetzliche Änderung, sie ist durchaus wichtig – deshalb auch unsere Zustimmung. Es ist sicher so, dass bei Großbauvorhaben begleitende Kontrolle vorangestellt werden muss oder zumindest Kontrolle – im Sinne des Begriffs – begleitend gegeben sein muss. Ich hoffe, dass die Ausführungsbestimmungen entsprechend sind; dazu findet man ja im Gesetz nichts. Es wäre allerdings eine Überregulierung, würden wir auch das ins Gesetz schreiben. Insofern ist es also gut, dass die Anregungen des Rechnungshofes aufgegriffen wurden.

Zum Sport allgemein möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Sie, Frau Vizekanzlerin, das auch tatsächlich umsetzen, was Sie in Ihren ersten sportpolitischen Beiträgen gesagt haben: dass Sie gewillt sind, das Förderungswesen als Ganzes umzukrempeln. Es wäre interessant, zu hören, wie sich in diesem Zusammenhang die Dinge entwickeln, ich füge aber hinzu, dass bei der Debatte über den Sportbericht noch ausreichend Zeit für diese Fragestellungen sein wird.

Ich möchte noch ein einzelnes Anliegen herausgreifen: Ich habe schon vor einem Jahr darüber gesprochen, dass die Förderung des Frauenfußballs in Österreich sehr, sehr zu wünschen übrig lässt, und zwar im Verhältnis zu anderen europäischen Nationen, und dass möglicherweise Sie als Frau und Sportministerin hier Positives bewirken könnten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Kollege Westenthaler, der jetzt nicht im Saal ist, hat mich zu einer zusätzlichen, zu einer adäquaten Äußerung im Zusammenhang mit der Tagesordnung verleitet. Er hat nämlich gemeint, die Tagesordnung sei in der Präsidiale erstellt worden – und das ist durchaus richtig –, er hat aber nicht hinzugefügt, dass ich meinen Einwand habe protokollieren lassen. Ich bin der Meinung, dass es wirklich nicht gescheit ist, wichtige Kontrollberichte gegen Mitternacht abzuhandeln, am nächsten Tag aber nur eine Tagesordnung, für die eine Gesamtredezeit von lediglich sechs Stunden vorgesehen ist, anzuberaumen. Wir hätten diese Kontrollberichte auch heute behandeln können. Damit möchte ich nicht sagen, dass der Sport ein unwichtiges Thema ist, aber da ist irgendetwas in der Inszenierung schief gegangen.

Möglicherweise war es so, wie es ein Schreiben, das mir hier vorliegt, wiedergibt: dass Kollege Westenthaler endlich einmal eine wunderbare Sportdebatte auch im ORF haben wollte. Er wollte sie auch direkt übertragen lassen. Allerdings ist da, wie aus diesem Schreiben hervorgeht, bei der Intervention wieder einmal etwas schief gegangen. Auf die Nachfrage des Redakteurs, warum er denn schon wieder so drängle, hat er gesagt: Nein, es geht nicht um Sport, eigentlich geht es um Spott! – Und das wollte sich der ORF nicht bieten lassen. (Beifall bei den Grünen.)

"Spott-Ministerin", das ist wirklich nicht adäquat.

Dass Herr Westenthaler jetzt wieder fehlt, ist wahrscheinlich damit erklärbar, dass er den verdienten Herrn Haigermoser bei seinem letzten Umtrunk unterstützt – in Westenthaler’scher Diktion ... (Abg. Dr. Grollitsch: Ist der Herr Van der Bellen auch da? – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Herr Kollege Scheuch, Sie haben ja die Pointe noch gar nicht erraten. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Kollege Scheuch! Westenthaler hätte an dieser Stelle gesagt (Abg. Achatz: Entschuldigen Sie sich!), er ist bei einem "Umstunk" und nicht bei einem Umtrunk. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Böhacker. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.13

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin und Sportministerin! Hohes Haus! Es ist nicht notwendig, auf die letzten Ausführungen des Kollegen Kogler einzugehen, absolut nicht. Er hat sich damit selbst disqualifiziert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist durchaus erfreulich zu hören, dass die Oppositionsparteien dieser Novelle zum Bundes-Sportförderungsgesetz die Zustimmung erteilen werden. Hervorragend, aber die Einsicht kommt spät!

Es bedurfte einer Sportministerin Susanne Riess-Passer, es bedurfte der Wenderegierung, dass diese Novelle endlich zustande kommt. Es ist ja nichts Neues, der Rechnungshof hat bereits im Jahre 1994 festgestellt, dass zahlreiche Förderungsentscheidungen nicht nachvollziehbar waren. – Herzlichen Dank für die Novelle, Frau Bundesministerin für Sport.

Die Novelle wurde inhaltlich bereits ausführlich diskutiert: Prüfung der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit. Wiewohl man dazu sagen muss, dass bei dieser Prüfung auch der gemeinwirtschaftliche Aspekt des Sportes entsprechenden Einfluss haben muss.

Die Nachhaltigkeit der Investition, gepaart mit einer begleitenden Kontrolle, ist im öffentlichen Bereich richtungweisend – im privatwirtschaftlichen Bereich ist sie längst Stand der Technik. Aber es wird – und auch das sollte man sagen – immer ein gewisses Restrisiko bleiben, denn jede Sportstätte ist mit der Performance des darin etablierten Sportvereins eng verbunden.


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Ohne einen erfolgreichen SV Wüstenrot Salzburg wird das Stadion Salzburg hinsichtlich seiner Nutzung nicht ganz so hervorragend abschneiden wie mit einem erfolgreichen Fußballklub.

Zu den Fußballklubs kommend: Ausländer im österreichischen Fußball. Heute ist im "Kurier" zu lesen, dass sich der neue Bundestrainer Hans Krankl für den österreichischen Nachwuchs ausgesprochen hat und gegen ein vermehrtes Engagement von ausländischen Fußballspielern. – Hoffentlich bleibt er dabei. Ich erinnere an den vormaligen Bundestrainer Otto Baric, der in seiner Funktion als Bundestrainer gesagt hat: Nachwuchsförderung! Jetzt ist er Sportdirektor beim SV Wüstenrot Salzburg, mit dem Ergebnis, dass bereits der sechste ausländische Fußballspieler "im Testbetrieb" in Salzburg läuft.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Eine Bitte an Sie: Unterlassen Sie die Verunsicherung der Vereinsfunktionäre! Unterlassen Sie die Vernaderungsaktionen! Es ist unerträglich, mit welch unwahren Mitteln Sie Unfrieden bei den Sportfunktionären verbreiten! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es gibt keine Änderung im Bereich der Vereinsbesteuerung. Es gibt keine gesetzlichen Änderungen, es gibt keine neue Verordnung, und eine Richtlinie hat nur Erlasscharakter, und ein Erlass hat auf den bestehenden Gesetzen zu beruhen.

Sie verunsichern mit Ihrer Gräuelpropaganda Tausende ehrenamtliche Funktionäre in den Sportvereinen, und das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich garantiere Ihnen: Es wird keine Regelung geben, die schlechter ist als die bisherige – es wird eine bessere Regelung. Die beiden Regierungsfraktionen und die Frau Bundesministerin sind Garanten dafür. (Abg. Schasching: Änderungen wird es aber doch geben!) Es gibt keine gesetzliche Änderung, es gibt keine neue Verordnung! Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! (Abg. Schasching: Zuerst haben Sie es aber gesagt!) Und eine Richtlinie hat auf bestehenden Gesetzen zu basieren.

Kennen Sie nicht den Unterschied zwischen Verordnung, Gesetz und Erlass? (Abg. Schasching: Doch, schon!) Ein Erlass kann nicht einem Gesetz widersprechen. Und wenn Sie nicht wissen, wie die bisherige Besteuerungspraxis war, dann lesen Sie nach!

Ich habe es Ihnen bereits im Sportausschuss gesagt: Das, was Sie hier machen, ist eine unglaubliche Verunsicherung der Sportfunktionäre. Sie schicken Schreiben aus, sammeln Unterschriften gegen etwas, was es gar nicht gibt. Lassen Sie die ehrenamtlichen Sportfunktionäre in Ruhe und Frieden arbeiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte die Gelegenheit aber auch nützen, mich bei der Frau Sportministerin und beim Herrn Finanzminister dafür zu bedanken, dass es auf Grund intensivster Verhandlungen und guter persönlicher Beziehungen gelungen ist, weiterhin Formel-1-Grand Prix in Österreich durchzuführen. Herzlichen Dank, Frau Bundesministerin! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend: Wir alle sollten diese Sportdiskussion dazu nützen, den österreichischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City unfallfreie Spiele und recht viel Erfolg zu wünschen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

11.19

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Sportstättengesetz und dem Behindertensport möchte ich etwas hinzufügen, was Sie, Frau Bundesministerin, zwar immer wieder versprechen, aber bis jetzt noch nicht eingehalten haben: Es ist noch nicht einmal eine Woche her, dass Sie wieder davon gesprochen haben, und zwar anlässlich einer Verleihung von Prä


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mien, dass Sie sich für die Förderung des Behindertensportes massiv einsetzen werden. Genau denselben Sager haben Sie auch vor einem Jahr gemacht, mit dem Ergebnis, dass es den Sager zwar noch immer gibt, die Mittel aber nicht erhöht wurden und die Situation des Behindertensportes nach wie vor trist ist.

Frau Bundesministerin, da Sie das Sportstättengesetz jetzt so sehr preisen, frage ich Sie: Haben Sie in diesem Sportstättengesetz auch die Barrierefreiheit von Sportstätten berücksichtigt? – Natürlich nicht. Jene Sportstätten, die in letzter Zeit errichtet wurden oder jetzt neu adaptiert werden, sind bei weitem nicht barrierefrei ausgestattet! Sie mögen behindertenfreundlich sein – das spreche ich nicht ab –, aber zwischen Freundlichkeit und Freiheit besteht ein großer Unterschied; und wir wollen Freiheit und nicht Freundlichkeit! (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe letzte Woche zufällig im Fernsehen gesehen, dass die österreichische Schimannschaft jetzt im Wert von 60 000 S pro Person eingekleidet wurde. Es sei ihnen gegönnt, sie sollen schön ausschauen, aber Folgendes: Wenn ein einziger Behindertensportler jemals die Chance hätte, auch nur die Hälfte davon im Jahr zu bekommen, dann würden wir schon ganz gut dastehen. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Sie wissen, dass behinderte Menschen nicht nur hier im Hohen Haus keine Attraktivität haben, sondern auch für Werbeträger. Deshalb ist es eben nicht so einfach, dass sich der Behindertensport über Werbeträger finanziert, und daher bedarf es der öffentlichen Unterstützung des Behindertensports, das kann eben nicht auf Werbeträger ausgelagert werden. So ist es, auch wenn Sie mir das vielleicht nicht glauben. Wenn bezüglich behinderter Menschen die Situation in diesem Haus anders wäre, dann hätten wir bereits ein Behindertengleichstellungsgesetz und müssten diese Menschen nicht in vielen Bereichen noch immer als Bittsteller und Almosenempfänger dastehen.

Zum Jugend- und Breitensport: Frau Ministerin, Sie wissen so wie ich, dass die Vergabe der Mittel über die Dachverbände organisiert ist, aber da muss etwas geschehen. Sie wissen wahrscheinlich nicht so gut wie ich, wie schlecht der Jugend- und Breitensport mit finanziellen Mitteln ausgestattet ist.

Gerade im Jugendsport – ich denke da jetzt ganz konkret an den großen Boom des Skater-Sports, der hauptsächlich von Jugendlichen ausgeübt wird – ist es so, dass es für diesen Bereich, wenn nicht Einzelpersonen entsprechende Geräte auftreiben und finanzieren, überhaupt nichts gibt. Ich meine, da muss man sich etwas überlegen. (Beifall bei den Grünen.)

Die Rubbellos-Aktion, die Sie heute hier vorgestellt haben, ist ja ganz nett – das ist überhaupt keine Frage –, aber eine Rubbellos-Aktion ist zeitlich begrenzt, und was ist danach, Frau Ministerin?

Es geht nicht darum, immer wieder zu versuchen, kurzfristig irgendwelche Geldmittel aus dem Boden zu stampfen, sondern es geht darum, den Sport – aus meiner Sicht vor allem den Behindertensport – langfristig abzusichern (Abg. Böhacker: Dann sagen wir die Rubbellos-Aktion auch gleich ab, oder wie?!), nicht durch Einzelaktionen. Das muss auch Ihr Ziel sein. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Sie haben es vor knapp eineinhalb Wochen zum zweiten Mal versprochen – vielleicht versprechen Sie es ein drittes Mal, wir wissen es nicht. Wir wünschen uns aber nicht nur Versprechen, sondern auch deren Umsetzung.

Ich möchte Sie, Frau Ministerin, heute schon darauf aufmerksam machen, dass von 29. August bis 1. September in Salzburg die Internationalen Rollstuhl-Tennis Open stattfinden, und ich hoffe, dass die Veranstalter dieses Sportereignisses nicht zu Ihnen betteln kommen müssen, sondern dass Sie sie mit einer entsprechenden, mit einer anständigen Förderung ausstatten, die sicherstellt, dass diese große Veranstaltung in Österreich ihren Platz bekommt, denn so gute Tennisspieler wie im Rollstuhlsport haben wir im so genannten Fußgehersport nicht. (Beifall bei den Grünen.)

11.24


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92. Sitzung / Seite 49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Vizekanzler Dr. Riess-Passer zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.24

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie gestatten, dass ich mich auf Grund der Ausführungen der Frau Kollegin Haidlmayr noch einmal zu Wort gemeldet habe.

Ich bin wirklich ein bisschen erschüttert, Frau Kollegin Haidlmayr, dass Sie jedes Mal, wenn wir hier Fragen des Behindertensports diskutieren, dieselben unrichtigen Behauptungen hier aufstellen (Abg. Haidlmayr: Dann schauen Sie einmal nach!), aber jedes Mal weglassen, was an Positivem in diesem Bereich getan wurde.

Ich möchte hier auch festhalten, dass das, was Sie hier sagen, überhaupt nicht mit dem übereinstimmt, was die Vertreter der Behindertensportverbände mir gegenüber artikulieren (Abg. Haidlmayr: Dann fragen Sie halt nach!), mit denen ich ständig im Gespräch bin. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie geben mir damit aber die Gelegenheit, dass ich noch einmal ausführe, was in den letzten beiden Jahren für den Behindertensport in Österreich getan wurde.

Erstens möchte ich festhalten, dass selbstverständlich alle Sportstätten, die gebaut werden, behindertengerecht gebaut werden. (Abg. Haidlmayr: Barrierefrei! Barrierefrei!) Das ist überhaupt keine Frage.

Zweitens haben wir betreffend die Spitzensportförderung in Österreich, von der Behindertensportler früher ausgeschlossen waren – es war für Behindertensportler nicht möglich, Spitzensportförderung zu erhalten –, mit "Top Sport Austria" die Möglichkeit geschaffen, dass Behindertensportler gleichberechtigt – so wie jeder andere Sportler – hier Förderungen bekommen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben es zum ersten Mal – und das war erst vor zwei Wochen – ermöglicht, dass die Sporthilfe Prämien für die Medaillengewinner bei den Paralympischen Spielen in Sydney ausschüttet. Wir werden dasselbe auch für die Wintersport-Medaillengewinner bei den Paralympischen Spielen in Salt Lake City machen. – Das hat es auch noch nie gegeben, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie jetzt hier sagen: Die Rubbellos-Aktion ist ja ganz nett, aber etwas Besonderes ist das auch nicht!, dann möchte ich Ihnen sagen, dass es sich dabei um ein Volumen von immerhin 30 Millionen Schilling handelt. Das ist ein beträchtlicher Betrag für die Behindertensportler Österreichs; und dazu bekenne ich mich auch. Alle, die dazu beigetragen haben, sehen das durchaus als positive Initiative. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was die BSO betrifft, möchte ich Ihnen sagen: Herr Brosz, Ihr Fraktionskollege, hat heute hier vom Rednerpult aus wieder einmal, wie schon so oft, die Autonomie der Sportverbände betont. Ich habe damit überhaupt kein Problem, ich achte sie auch. Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es nicht in meiner Ingerenz ist, der BSO irgendetwas anzuschaffen! Ich begrüße es, dass Herr Kollege Leikam heute gesagt hat, dass jetzt endlich etwas weitergehen wird.

Ich habe in unzähligen Briefen und persönlichen Gesprächen mit den Vertretern der BSO darauf gedrungen, dass der Behindertensportverband als vollwertiges Mitglied der BSO anerkannt wird, und wenn Sie das auch tun, dann freue ich mich darüber, dass wir auf derselben Seite stehen, aber dann sagen Sie bitte nicht, dass das in meinem Einflussbereich liegt. – So ist es leider nicht. Könnte ich es beeinflussen, dann wäre der Behindertensportverband längst Vollmitglied der BSO. Das kann ich Ihnen garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Die Einkleidung der Sportler ist etwas, liebe Frau Kollegin Haidlmayr, was mit mir überhaupt nichts zu tun hat, das ist Sache des ÖOC. Ich denke, dass Sie wissen, dass selbstverständlich auch die Sportler, die an den Paralympics teilnehmen, eine Unterstützung bekommen und eingekleidet werden, so wie die Sportler, die jetzt nach Salt Lake City fahren. Ich finde das auch legitim. – Aber das ist eigentlich nicht der entscheidende Punkt.

Das, was mich wirklich erschüttert, ist Ihre Aussage, dass die Behindertensportler immer betteln kommen müssen. Ich kann Ihnen sagen: Kein Behindertensportler muss zu mir betteln kommen. Im Gegenteil: Es hat in Österreich noch nie – und das sage ich wirklich in Kenntnis der Fakten, die ich Ihnen belegen kann – einen für den Sport Zuständigen gegeben, der so viel für die Behindertensportler getan hat wie ich. Dafür brauche ich keinen Dank, sondern das tue ich aus vollster Überzeugung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 953 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 573/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch, Karlheinz Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Förderung des Mountainbike-Sports in Österreich (954 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 335/A der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 419/1996, sowie die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 134/1999, geändert werden (956 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Antrag 134/A der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Forstgesetz 1975 geändert wird (955 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 2 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Dr. Kräuter mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 6 Minuten. – Bitte.


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11.30

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der teilweise peinlichen Lobhudelei zum Tagesordnungspunkt 1 und der Selbstbeweihräucherung zu einem sportpolitischen Bereich, in dem Sie völlig versagen, Frau Vizekanzlerin, Frau Sportministerin, nämlich zum Lieblingssport Nummer eins in Österreich: zum Radfahren.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen nun ein Beispiel für verfehlte Sport-, Freizeit- und Tourismuspolitik in Österreich drastisch vor Augen führen. (Der Redner stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der verschiedene Verkehrszeichen abgebildet sind.) Da heißt es: "Forststraße" – nämlich fahren verboten! "Gilt auch für Radfahrer", aber nicht für Privilegierte, für Jagdlimousinen, die sind bis 3,5 Tonnen zugelassen, wie hier steht. – Das, meine Damen und Herren, Frau Vizekanzlerin, ist Ihre Sportpolitik, die Sie hier in Österreich zu vertreten haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Mehr als 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben ein geländegängiges Fahrrad, und mehr als die Hälfte davon – das weiß man aus Umfragen – wollen die Forstwege benutzen, und zwar gratis, denn sie bezahlen ohnehin als Steuerzahler dafür. In einer Anfragebeantwortung von Minister Molterer heißt es:

"In den letzten 10 Jahren wurden für die Errichtung von Forststraßen Förderungsmittel in der Höhe von durchschnittlich 52 277 000 S pro Jahr zur Verfügung gestellt."

Weiters sagt Herr Minister Molterer in dieser Anfragebeantwortung: "Die Forstwegeerhaltung wird ausnahmslos nicht gefördert."

Wie so oft bei parlamentarischen Anfragebeantwortungen müssen wir auch bei dieser feststellen: Das stimmt nicht oder ist zumindest nur die halbe Wahrheit.

Ich habe hier ein Dokument aus dem Land Steiermark, und da steht: "Erhaltungsprogramm 2000, Wegeerhaltung im ländlichen Raum", Bewilligung von Landesmitteln in der Höhe von 39 500 000 S.

Also allein in einem Bundesland werden pro Jahr 39,5 Millionen Schilling an Steuergeldern für die Wegeerhaltung ausgegeben!

Meine Damen und Herren! Das muss man sich einmal vor Augen führen: Die Radfahrer zahlen Hunderte Millionen Schilling pro Jahr, sind aber von der Nutzung der Forstwege ausgeschlossen!

Wie schaut es damit im Bereich des Tourismus aus, Frau Vizekanzlerin? – Dieses absurde Verbot, das es in Österreich gibt, gibt es natürlich nicht in den angrenzenden Ländern Österreichs. In Frankreich, Slowenien und Südtirol ist es selbstverständlich erlaubt, die Forstwege zu benutzen. In der Schweiz ist das seit dem Jahr 1907 erlaubt, in Bayern seit 1945, und in Skandinavien hat es solch ein absurdes Verbot überhaupt nie gegeben.

Und was sagt dazu einer, der es wissen muss, nämlich Gerhard Zadrobilek? – Er meint Folgendes: "Ein Mountain-Bike-Event, den ein Freund gemeinsam mit einem Biker-Magazin im Salzburger Lungau plante, ging wegen dieses Verbots dann am Gardasee über die Bühne. Es kamen 15 000 Leute." – Ich wiederhole: 15 000 Leute!

Für die Sportinfrastruktur im Schibereich, für Lifte und Seilbahnen werden Summen in Milliardenhöhe ausgegeben, da sind die Umwelt, die Jagd und die Forstwirtschaft unwichtig, aber von der vorhandenen Sportinfrastruktur, wie etwa den Forstwegen, werden die Radfahrer ausgesperrt.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ, die "Naturfreunde", der ARBÖ, der ASKÖ, viele Prominente, viele Vereine: Sie alle haben sich wahrlich engagiert. Der Antrag, der hier vorliegt, hat wirklich Hand und Fuß. Er wurde auf Basis eines Parlaments-Hearings, an dem internationale


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Experten teilnahmen, im Jahr 2000 entwickelt, er wurde von einem Institut für Freizeitrecht ausgearbeitet, und er beruht auf einer Expertise des damaligen Justizministers Michalek. Die Frage der Haftung bei Unfällen ist geklärt. Die Frage der Eigentumsrechte ist geklärt. Die Frage der Schonung von Wild, Wald und Natur ist geklärt. (Abg. Ing. Scheuch: Nichts ist geklärt!) Die Frage des Vorrangs von Fußgängern ist geklärt. Die Frage des Vorrechts der Forstwirtschaft ist geklärt. – Trotzdem sagen Sie: Njet, das kommt nicht in Frage! Sie prolongieren diese absurde Situation.

Meine Damen und Herren! Ist nicht Mountainbiken eine ideale Sportart für die Jugend? Ist diese Sportart nicht eine optimale Prävention gegen den Konsum von Drogen und Alkohol und gegen den Zulauf zu Sekten? – Ich fordere Sie auf: Geben Sie die Forstwege frei! – Das wäre eine gute Drogenpolitik!

Ist Radfahren im Gelände nicht eine ideale gesundheitspolitische Angelegenheit, optimal in der Rehabilitation? Dabei werden Geschicklichkeit und Gleichgewichtsvermögen geschult. – Ich fordere Sie auf: Geben Sie die Forstwege frei! – Das wäre eine gute Gesundheitspolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zum Resümee: Wider alle Vernunft werden Sie den Antrag der Sozialdemokraten ablehnen, aber politisch ist damit Klarheit erzielt. In den auflagenstarken Magazinen "Mountainbike Revue", "Land der Berge" und "Naturfreund" wird glasklar diese Politik der ÖVP verurteilt, aber auch die Politik des Herrn Präsidenten Prinzhorn, der eine Freigabe der Forstwege mit verhindert, und die Politik der FPÖ, die da mitspielt.

Frau Vizekanzlerin! Das Image der FPÖ "sportlich, jung und frei" schaut inzwischen sehr alt und grau aus!

Meine Damen und Herren! Wenn sich die Frau Vizekanzlerin bei einer Mountainbike-WM in das Rampenlicht der Öffentlichkeit drängt, dann grenzt das hart an Zynismus. Die sportbegeisterte Jugend, Frau Vizekanzlerin, und die radfahrbegeisterte Bevölkerung wird Ihnen für diesen Zynismus bei den nächsten Wahlen die Rechnung präsentieren. (Beifall bei der SPÖ.)

11.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Herr Abgeordneter, die Uhr ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.35

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei meiner Jungfernrede Ende 1994 habe ich den Ausbau des Mountainbike-Wegenetzes von dieser Stelle aus gefordert und wurde damals von Noldi Grabner aufgeklärt, dass in den nächsten Wochen ein österreichisches Mountainbike-Gesetz hier vorliegen werde und dass man diesem Problem Abhilfe schaffte. – Na, zwischen 1994 und 1999 ist es zu diesem Thema auf dieser Seite des Hohen Hauses (der Redner weist in Richtung SPÖ) sehr still geworden, aber just am Ende des Jahres 1999 hat man es wieder herausgekramt.

Was Sie vergessen haben, lieber Kollege Kräuter: Es hat sich zwischen 1994 und 1999 schon etwas getan, und es hat sich noch viel mehr getan zwischen 1999 und heute. Wir haben derzeit 16 000 Meter Mountainbike-Strecken ausgewiesen, und zwar wurde das in vernünftiger Kooperation zwischen den Kommunen, Tourismusverbänden, Fremdenverkehrsvereinen und den Grundbesitzern ausgehandelt. Doch gegen den Besitzer des Grundes, gegen die Vor-Ort-Interessen, auch gegen die Interessen von Alpenverein und anderen Naturverbänden sollte man nicht partout diese unsachliche Forderung, alle Forststraßen über 1,5 Meter Breite frei zugänglich zu machen, durchsetzen.

Das ist einfach nicht sachlich gerechtfertigt, wie es heute heißt, sondern das ist sachlich ein Unsinn! Es gibt keine Forststraßen mit 1,5 Meter Breite, die fangen bei 3,5 Meter an, lieber Günther Kräuter! (Abg. Dr. Kräuter: Das stimmt nicht! Das haben alle Nachbarländer! Bayern,


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Südtirol!) Wenn du das gemeint hättest, wenn du von diesen 108 000 Kilometern in Österreich gesprochen hättest, dann wäre das ein anderer Einstieg gewesen. – Wir befinden uns ja mit diesem heute zu beschließenden Antrag auf einem guten Weg, in welchem steht, dass alle bestens geeigneten Forststraßen für das Mountainbiking zu erschließen sind. Die Sportministerin, aber auch die Tourismussektion helfen da eifrig mit. Auch den Herrn Landwirtschaftsminister haben wir diesbezüglich zur Mitarbeit eingeladen, und wir konnten auch seine Zustimmung dazu erreichen.

Man hätte es eben über die Landwirtschaft, über die Forstwirtschaft weiter versuchen sollen. Aber da wärst du, lieber Günther Kräuter, mit dieser deiner heutigen Idee schon viel früher gescheitert!

Wege mit 1,5 Meter Breite sind Forstwege, meine Herrschaften, das sind jene Wege, die für die Holzbringung eine Zeit lang benötigt werden. Dorthin wollte in Wirklichkeit Kollege Kräuter die "Off-Road-Bikerei" forcieren, wie es von Extremisten verlangt wird. Doch da war unser Widerstand einfach klar: Wir sind für diesen Sport, wir sind für die Ausweitung des Mountainbike-Netzes, wir sind aber dagegen, dass man gegen die Grundbesitzer und gegen Regionalinteressen vorgeht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Weil Sie Herrn Zadrobilek zitiert haben: Wir haben in der Zwischenzeit in mehreren Sitzungen auch von seiner Seite her volle Unterstützung für diese Vorgangsweise bekommen. Diese Sache ist in besten Händen, verlassen Sie sich darauf! (Abg. Brosz: Im Ausschuss haben Experten etwas anderes gesagt!)

Eine eigenartige Rolle – wenn Sie schon dazwischenreden, Kollege Brosz, muss ich es Ihnen sagen – spielen Sie: Europaweit gibt es keine Grünen, die in dieser Frage so aggressiv für das Eindringen in Natur und Wald vorstellig werden, wie Sie es hier tun. (Abg. Dr. Kräuter: Es ist überall in Europa erlaubt!) Das gibt es ganz einfach nicht, aber das mag damit zusammenhängen, dass Sie im Sportbereich nicht wissen, wovon Sie reden.

Es werden noch einige Redner aus meiner Fraktion dazu Stellung nehmen. Ich möchte nur noch anmerken, dass wir mit der Lösung, die mit unserer Entschließung hier heute eingebracht wird, voll zufrieden sind. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

11.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Vizekanzlerin! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Diese Mountainbike-Frage ist ein politischer Dauerbrenner. Seit gut zehn Jahren gibt es darüber eine intensive Diskussion. Ich glaube, dieser Initiativantrag der SPÖ hätte Ihre Aufmerksamkeit verdient. Es hat dazu mehrere Ausschusstermine und zwei Hearings gegeben. Ich meine, dass das eine Chance war, die Sie leider nicht genutzt haben. Doch das werden Sie von vielen Konsumentinnen und Konsumenten, von vielen jungen Leuten zu spüren bekommen.

Meine Damen und Herren! Es ist einfach nicht verständlich, warum die Benützung von Forststraßen, die in anderen Ländern erlaubt ist, wie zum Beispiel in Bayern oder in der Schweiz oder in Südtirol, aber auch in Frankreich, in Österreich verboten ist. Dieser freie Zugang zum Wald ist ein Grundrecht unserer Bürgerinnen und Bürger in Österreich, doch Sie sind nicht bereit, hier konstruktiv auf einen wirklich sehr konkreten Vorschlag der SPÖ einzugehen. Und das halte ich wirklich für ungebührlich, für unglaublich.

Herr Kollege Grollitsch, wenn Sie konkrete Kritikpunkte darin finden – und da gebe ich Ihnen Recht: Es gibt einiges, wo auch wir glauben, da könnte man konkreter bestimmte Anliegen der Ökologie, den Wald betreffend, aber auch Rechte der Grundbesitzer, der Tourismusgemeinden auch noch integrieren (Abg. Dr. Grollitsch: Na eh! Stellen Sie einen neuen Antrag!)  –, dann hätten Sie sie doch vorbringen können! Sie hätten doch im Ausschuss diese guten Vorschläge


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machen können! Dann hätten wir eine wirklich gute Lösung, was in einem Tourismusland wie Österreich doch recht und billig ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Österreich lebt von diesem Tourismus, und unsere Gäste sind herzlich willkommen und wollen doch auch diese Natur genießen. Natürlich wollen auch unsere Bürgerinnen und Bürger diese Natur wahrnehmen. Sportlerinnen und Sportler haben einen grundsätzlich verantwortungsvollen Umgang mit dieser Natur. Wir sollten nicht unterstellen, dass das Extremisten sind, Herr Grollitsch! Diese Ihre Bezeichnung ist, meine ich, wirklich völlig danebengegriffen. Dabei handelt es sich nicht um Extremisten, sondern um sportinteressierte Österreicherinnen und Österreicher. (Abg. Dr. Jarolim: Es gibt andere Extremisten!)

Noch ein Punkt – auch diesen hat der Kollege Kräuter schon erwähnt –, und zwar die Frage des Ausbaues der Forststraßen und die Frage der Finanzierung der Forststraßen. Der Ausbau der Forststraßen wird in Österreich seit Jahrzehnten von Bund und Ländern finanziert. Meine Damen und Herren! Da liegt der Knackpunkt! Wenn Sie Ökologie sozusagen in den Wald hineinbringen wollen – und damit wären wir einverstanden –, dann müssen Sie auf die Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Bau der Forststraßen Einfluss nehmen. Das ist wirklich der Knackpunkt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Schauen Sie, dass das Forstgesetz entsprechend "ökologisiert" wird, dann werden diese Ansprüche wirklich umgesetzt! Aber erst die Forststraße mit öffentlichen Mitteln zu bauen und dann zu sagen: Biker wollen wir hier keine haben, Nutzungen durch Staatsbürger sind hier nicht erwünscht, wir erlauben das nur dann, wenn dafür zusätzliche Mittel fließen!, diese Vorgangsweise lehnen wir ab. Es geht Ihnen doch um ein rein wirtschaftliches Argument, Herr Kollege Grollitsch, und das finde ich bedenklich.

Wo wir aber berechtigterweise auch Kritikpunkte finden – und da meine ich, darauf hätte man im Ausschuss auch von Ihrer Seite verstärkt eingehen können –, das ist natürlich die Frage, dass in Naturschutzgebieten, in Nationalparks, in speziellen hochalpinen Lagen eine Nutzungsbeschränkung sinnvoll wäre. Das hätte man doch auch noch fertig diskutieren können. Doch Ihr Entschließungsantrag geht in eine ganz andere Richtung.

Für einen guten Antrag, in welchem die SPÖ eindeutig ein wesentliches Grundproblem gelöst hat, halte ich den Vorschlag betreffend die Frage der Haftung. Ich glaube, dass das ein wichtiger Knackpunkt war. Für viele Waldbesitzer ist das die große Frage gewesen, nämlich: Was ist, wenn ein Unfall passiert, wenn etwas Schlimmes passiert, wer wird dann die Haftung dafür übernehmen? Auch diesbezüglich sind wir mehr für den Initiativantrag der SPÖ. Diesen Vorschlag, der hier von der SPÖ gemacht wurde, diese Haftungseinschränkung, halte ich für eine gelungene Lösung.

Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch auf die Frage des Forstgesetzes konkret eingehen. In den letzten Tagen ist uns die Regierungsvorlage zum Forstgesetz übermittelt worden, und dazu muss ich Ihnen sagen: Darüber sind wir wirklich hell empört. Darin ist der Vorschlag gemacht worden, Rodungen zu erleichtern.

Wo ist der Kollege Grollitsch? Er hat soeben von "Rodungs-Mountainbikern" gesprochen. Jetzt ist er nicht mehr hier im Saal. – Das ist wirklich eine Maßnahme, mit der Sie nachhaltig die Bodenspekulation anheizen werden, was dazu führen kann, dass dann unter Umständen Nutzungskonflikte zur Regel werden.

Oder: Wo haben Sie in diesem Forstgesetz klare Leitlinien und Regelungen für eine naturnahe Waldbewirtschaftung festgelegt? Wo haben Sie diese Maßnahmen im neuen Forstgesetz implementiert? – Ich habe keine solchen Maßnahmen darin gefunden.

Meine Damen und Herren! Eine nicht standortgemäße Waldbewirtschaftung mit Fichtenmonokulturen in Tallagen ist ökologisch problematisch. Das wird mit diesem Forstgesetz nicht ausgeschlossen, und hier wird nicht umgesteuert.


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Ebenso ist die Kahlschlagwirtschaft nach österreichischem Forstgesetz derzeit sehr wohl möglich. Es gab im letzten Jahr massive Kahlschläge auf Kärntner Berghängen. Dort wurde massiv ausgeholzt, es blieben dort zwischen den Schlägen schmale Waldremisen stehen. Das nennen Sie dann eine naturnahe Waldbewirtschaftung?!

Das wird mit dem neuen Gesetz noch verstärkt, meine Damen und Herren! Darauf sollten Sie Ihr Augenmerk richten und nicht auf die 5 oder 10 oder 100 Mountainbiker, die sich der Natur angepasst mit einem Fahrrad in der Landschaft bewegen! Ich glaube, das ist eine völlig falsche Sichtweise, die Sie hier an den Tag legen, und wir werden sowohl im Landwirtschaftsausschuss als auch im Plenum an dieser Regierungsvorlage zum Forstgesetz noch massiv Kritik üben.

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, geben Sie sich einen Ruck! Nehmen Sie die Gelegenheit wahr und stimmen Sie diesem Initiativantrag zu, denn letztendlich ist er ein richtiges Signal an Tausende Österreicherinnen und Österreicher und auch an die österreichische Tourismuswirtschaft! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lexer. Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber –: Mich hast du nicht überzeugt! – Ruf bei der SPÖ – in Richtung des Abg. Mag. Schweitzer –: Du hast ja keine Berge im Burgenland!)

11.47

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst kurz auf die Argumente meiner Vorredner eingehen. Es ist eines klar: dass dieser Antrag jedes Jahr deshalb wieder kommt, deshalb immer wieder von den gleichen Abgeordneten vorgetragen wird, um bei jenen, die den Wald nutzen wollen, Eindruck zu schinden.

Meine Damen und Herren! Wir wollen auch, dass möglichst alle, möglichst viele Forstwege und Forststraßen freigegeben werden, nur, die Vorgangsweise, wie man zu diesem Ziel kommt, ist bei uns eine andere.

Herr Pirklhuber, ich bin sehr erstaunt darüber, dass man das Leben im Wald nicht wirklich sieht. Es geht nicht nur um den Traktor, der durch den Wald fährt, sondern es geht auch um das Wild, das darin lebt, und es ist eben ein Unterschied, ob da Hunderte Touristen durchfahren oder ob eine Nutzung durch die Landwirtschaft erfolgt. Daher glaube ich, dass diese Frage nicht allein von Seiten des Bundes zu lösen ist, sondern dass wir differenziert nach Regionen vorgehen sollten. Wir müssen gemeinsam mit den Gemeinden, mit den Ländern, mit den Verbänden eine Lösung finden. Zum Beispiel könnte man die breiteren Forststraßen freigeben. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Sportpolitiker möchte ich auf Grund der steigenden Nachfrage natürlich erreichen, dass möglichst alle Forstwege geöffnet werden, aber als Sportpolitiker mit Grundsätzen möchte ich auf die Vorgangsweise achten. Eine rücksichtslose und wilde Öffnung der Forstwege kommt für die Regierungspartei ÖVP nicht in Frage! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann  – eine Tafel in die Höhe haltend, auf welcher verschiedene Verkehrszeichen abgebildet sind –: Das ist Ihre Politik!)

Der Schutz der Natur, des Waldes als ökologisch wichtiger Teil unserer Kulturlandschaft ist uns dabei ein großes Anliegen, genauso wie die Anliegen der Waldbesitzer und der Jäger. Darüber hinaus sind wichtige Sicherheitsfragen zu klären, und daher ist es von uns abzulehnen, eben alle Wege zu öffnen.

Wir sind als Sportpolitiker auch an einem möglichst großen Angebot für den Tourismus interessiert, wir sind als Sportpolitiker dafür, dass wir gemeinsam mit den anderen Beteiligten Konzepte erarbeiten, die uns diesem Ziel näher bringen.


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Die Vorgangsweise ist klar, und sie ist auch in den Bundesländern mehrfach positiv erprobt und durchgeführt worden. Eine partnerschaftliche Konzept- und Projekterstellung bezieht alle Beteiligten und Betroffenen ein. Das sind zunächst einmal die Nutzer, die Sportvereine, die Tourismusverbände und natürlich auch die Eigentümer und die Anrainer.

Die ökologische Verträglichkeit muss auch berücksichtigt werden. Es sollen an der Lösung der Alpenverein, die Naturschutzverbände, die Bezirkshauptmannschaften und natürlich auch die Jäger mitarbeiten; auch die sollen da mitreden können.

Was die Sicherheitsbestimmungen betrifft, ist es, glaube ich, wichtig, die Exekutive vor Ort in die Projektentwicklung miteinzubeziehen.

Wenn alle diese Kriterien erfüllt sind, dann steht einer Freigabe eines Weges natürlich nichts mehr entgegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte zwei weitere Vorteile einer geregelten Freigabe anführen. Erstens: Die Mountainbikestrecken können gekennzeichnet und damit auch von der Tourismuswirtschaft beworben werden. Zweitens: Eine Zertifizierung der Strecken bringt für die Konsumenten eine bessere Einschätzbarkeit, etwa über den Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Wege oder über die zur Verfügung stehende Infrastruktur oder zum Beispiel auch über Notrufdienste und dergleichen mehr.

Kein einziger Experte im Unterausschuss hat erklärt, dass der von uns präferierte partnerschaftliche Weg zur Freigabe von möglichst vielen Forst- und Waldwegen für den Mountainbikesport nicht ausreichend wäre. Auch der Vertreter des Alpenvereins hat gesagt, dass in Tirol mit der partnerschaftlichen Projekterstellung durchaus positive Arbeit geleistet wurde und wird.

Er hat gemeint, dort, wo wirklich gute Konzepte umgesetzt sind, sei auch die Zufriedenheit der Konsumenten, sprich: der Mitglieder des Alpenvereins, durchaus gegeben.

Es richtet sich unser Entschließungsantrag folgerichtig, weil ja die Gemeinden und die Länder zuständig sind, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport, an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Wir ersuchen alle diese Ministerien um Unterstützung aller Bestrebungen zum partnerschaftlichen Ausbau des österreichischen Radwegenetzes.

Unser gemeinsames Ziel sind möglichst viele geeignete, möglichst viele gekennzeichnete, möglichst viele zertifizierte und möglichst viele sichere Radwege für Sportlerinnen und Sportler und alle anderen bewegungsorientierten Mitbürgerinnen und Mitbürger. Mit partnerschaftlichen Konzepten, getragen vom Grundsatz "Freiheit in Verantwortung", sind diese auch erreichbar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nur keine Aufregung! Nur keine Aufregung, meine Herren! – Abg. Mag. Schweitzer: Peter, kannst du Rad fahren? – Am Rednerpult angelangt, stellt Abg. Dr. Wittmann eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der verschiedene Verkehrszeichen abgebildet sind. – Abg. Gaugg: Ist die Tafel zweisprachig oder einsprachig?)

11.52

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schade, dass der Sportsprecher Fischl nicht mehr bei der Freiheitlichen Partei ist, denn der hat noch etwas von Sport verstanden. Das Niveau ist bei den Freiheitlichen wirklich gesunken. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Wer?) Der Abgeordnete Fischl! Das war ein Sportsprecher, wie wir ihn uns vorgestellt haben. Er hat sich wirklich für den Sport eingesetzt. (Abg. Dr. Krüger: Das hast du aber damals nicht gesagt!)


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Aber die Rede des Kollegen Grollitsch ist an Rückgratlosigkeit unüberbietbar, liebe Freunde. (Beifall bei der SPÖ.) Vor drei Jahren hat Kollege Grollitsch noch gewettert, dass man die Forstwege für die Radfahrer und für die Mountainbiker öffnen sollte, und jetzt macht er einen Kotau vor der Landwirtschaftslobby der ÖVP. Ihr tut mir ja Leid, denn ihr dürft ja nichts mehr machen, nichts mehr entscheiden! Es ist schade, weil es um die Sache schade ist.

Sie dürfen nicht jenen Standard herstellen, der in Europa Status ist. Bayern, Südtirol, Schweiz, Slowenien, Italien: In all diesen Ländern darf man als Mountainbiker Forststraßen über 1,5 Meter Breite benützen. Ich bin selbst Mountainbiker. Kein Mensch will durch den Wald fahren, sondern nur diese Straßen benützen! (Abg. Miedl: Wie lange waren Sie für den Sport zuständig?)

Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, was Sie hier machen, und es ist schade, dass Sie nicht mehr Rückgrat bewiesen haben, denn auch Sie haben diese Meinung vertreten. Ich habe auch mit der Frau Vizekanzlerin gesprochen. Sie hat gesagt, sie wäre sofort dafür, gäbe es ihren Koalitionspartner nicht. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer schüttelt verneinend den Kopf.) Na dann springen Sie einmal über diesen Schatten!

Frau Vizekanzlerin! Zwei Aussagen von Ihnen möchte ich schon berichtigen:

Die erste Sache ist, dass die Medaillenprämie für die Behinderten nicht Ihre Erfindung ist, die ist nämlich schon in Nagano ausgeschüttet worden. Damals – daran darf ich erinnern – war noch ich Sportstaatssekretär. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Das gibt es also schon wesentlich länger und ist nicht auf Ihre Fahnen zu heften. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweite Sache: Selbstverständlich sind wir dafür, dass der Behindertensportverband als Vollmitglied in die BSO kommt, aber es kann nicht so sein, dass man das zulasten der jetzigen Sportverbände macht und die Behindertenverbände dann sozusagen aus dem selben Topf speisen muss und die Behinderten und die Nichtbehinderten gegeneinander ausspielt. Das ist doch klar, dass eine zusätzliche Dotierung auch für die Behinderten gefordert werden muss und auch kommen muss! (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, man kann es sich nicht so einfach machen, zwar zu fordern, aber letztendlich dann die Behinderten gegen die Nichtbehinderten auszuspielen. (Abg. Mag. Schweitzer: Mach einen Vorschlag!) Das, finde ich, ist eine unfaire Argumentation. Das kann man nicht der BSO umhängen, denn das liegt in Ihrer Verantwortung, dass dafür auch das Geld aufgebracht wird, dass die Behindertenverbände auch dotiert werden, zusätzlich dotiert werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Mach einen Vorschlag!)

Weiters möchte ich sagen: Grundsätzlich ist diese Rubbelaktion als Vorschlag und als Finanzierungsmöglichkeit zu begrüßen, und ich stehe nicht an, mich auch hier im Namen der Behinderten zu bedanken. Da ist wirklich etwas geschehen, und da wird es Geld geben. Das ist grundsätzlich eine uneingeschränkt positive Aktion. (Abg. Mag. Schweitzer: Mach einen Vorschlag! Einen konstruktiven Vorschlag! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber um auf das Thema zurückzukommen: Ich erwarte von einem meiner Nachredner, dass er mir dann diese Verkehrszeichen erklärt (der Redner hält die zu Beginn seiner Rede auf das Rednerpult gestellte Tafel in die Höhe), wonach man zwar mit Forstwagen und Forstgeräten bis 3,5 Tonnen auf Forststraßen fahren darf, aber als Radfahrer nicht. Das ist Ihre Politik! Die Tourismuswirtschaft wird sich bei Ihnen "bedanken". Alle Anrainerstaaten setzen auf diese Art des Tourismus, und mich wundert, dass der Hotelier Ortlieb hier nicht an das Rednerpult tritt und sagt: Das ist ein Blödsinn, was wir da beschließen! Wenn wir diese Straßen nicht öffnen, dann verweigern wir uns einem neuen Wirtschaftszweig und einer neuen Art des Tourismus!

Und das haben einzig und allein Sie zu verantworten: Nur deshalb, weil einige Bauern zusätzliches Geld verdienen wollen, weil einige Jäger die Öffentlichkeit aus dem Wald draußen halten wollen, machen Sie das. Und das sind dann die Vertreter des kleinen Mannes. Das schaue ich mir an! Sie vertreten eine Grundbesitzerlobby, Großgrundbesitzer, Jäger, reiche Leute, aber


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92. Sitzung / Seite 58

dem einfachen Mann verweigern Sie es, mit dem Fahrrad in den Wald fahren zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

11.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Vizekanzler Bundesminister Dr. Riess-Passer zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.57

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Wittmann, ich habe extra Ihre Wortspende abgewartet, denn Sie motivieren mich immer so, besonders dann, wenn es um Sport geht. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich knüpfe da an, wo wir eigentlich bei jeder Diskussion mit Ihnen beginnen, nämlich bei dem Umstand, dass Sie die Zeit vor dem 4. Feber 2000 irgendwie aus Ihrem Gedächtnis gestrichen haben – absichtlich oder unabsichtlich. Manches war auch sehr schmerzhaft, deswegen verstehe ich das ja auch. Aber ich frage Sie jetzt schon: Wenn Ihnen das so ein ehrliches und aufrichtiges Anliegen mit den Forststraßen und der totalen Öffnung in diesem Bereich ist und wenn Sie den Mountainbikesport wirklich aus vollem Herzen unterstützen, wie das Kollege Kräuter immer sagt, warum haben Sie das dann nicht schon längst gemacht? (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Er war dafür zuständig! (Vizekanzler Dr. Riess-Passer weist in Richtung SPÖ.) Der Herr Wittmann war dafür zuständig! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Warum haben Sie das nicht gemacht, Herr Kollege Wittmann?

Wenn Herr Kollege Wittmann sagt, er habe mit mir gesprochen und ich hätte gesagt, ich würde es ohnehin tun, aber der Koalitionspartner sei dagegen, so muss ich sagen: Das haben Sie geträumt! Ein Gespräch mit mir kann das jedenfalls nicht gewesen sein. Ich sage Ihnen auch meine Begründung, warum diese Diskussion keine ist, bei der man einfach so aus dem Ärmel schütteln beziehungsweise sagen kann, man ist für oder gegen Mountainbiker, wenn man über die Öffnung der Forststraßen redet, weil es da einfach auch noch andere Aspekte gibt. Es gibt den Aspekt der Natur und der Landschaft, das ist schon ausführlich diskutiert worden, es gibt aber auch einen wichtigen Aspekt, der bei Ihnen nie vorkommt, das ist der Aspekt der Sicherheit und der Haftungsfragen, die sich daraus ergeben. Das ist ein unglaublich wichtiger Aspekt. (Ruf bei der SPÖ: Zusperren wegen der Sicherheit!)

Ich darf Ihnen sagen, dass wir eine Arbeitsgruppe, eine Expertengruppe, einen Runden Tisch zum Thema Mountainbike hatten, und da waren auch verschiedenste Experten anwesend, unter anderen Herr Dr. Othmar Thann vom Kuratorium für Verkehrssicherheit, der große Bedenken in diese Richtung geäußert hat. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Herr Thann einer der engsten Mitarbeiter von Viktor Klima war, als dieser noch Verkehrsminister war. Also nehme ich an, dass er in Ihren Augen ein qualifizierter Mann ist. Er sitzt heute im Kuratorium für Verkehrssicherheit und wird, nehme ich an, so etwas nicht einfach so sagen.

Das Thema Sicherheit lasse ich aus dieser Debatte nicht heraußen. Dabei machen Sie es sich schon ein bisschen zu einfach. Die Unfälle, die in diesem Bereich passieren, sind ja nicht einfach irgendwelche Radunfälle, sondern Unfälle, die immer mit hochgradigen Verletzungen verbunden sind, oft auch mit Dauerschäden. In Anbetracht dessen muss ich schon sagen: Diese Frage müssen wir schon ein bisschen ernster nehmen, als Sie es tun. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Wittmann läuft jetzt wieder davon, weil er halt nicht gerne Gegenargumente hört. Aber eines muss ich Ihnen schon noch sagen, Herr Kollege Wittmann, dann dürfen Sie gleich gehen: Wenn Sie sagen, bei der Sache mit dem Behindertensport, mit der BSO, da könnten Sie nichts machen, möchte ich eine kleine Anmerkung machen. Der Vorsitzende und Präsident der BSO heißt Löschnak. Und der Herr Löschnak wird Ihnen auch nicht ganz unbekannt sein. Herr Löschnak war jahrelang Angehöriger der Bundesregierung für die sozialdemokratische Fraktion. Ich möchte Sie und den Kollegen Leikam um Folgendes bitten: Wirken Sie gemeinsam auf den Präsidenten der BSO, Herrn Löschnak, ein, in der BSO für die volle Anerkennung des Behindertensports als Vollmitglied zu sorgen. Dafür haben Sie meine volle Unterstützung, und


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dann wird in der Zukunft auch etwas weitergehen, Herr Kollege. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Scheuch. – Bitte.

12.00

Abgeordneter Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Liebe Frau Vizekanzlerin! – Jetzt muss ich zuerst das Rednerpult ein bisschen höher stellen, weil, wie auch seine Rede gezeigt hat, Herr Dr. Wittman nicht nur körperlich ein kleiner Mann ist. (Abg. Mag. Kogler: Hören Sie doch auf!  – Abg. Edlinger: Beleidigen Sie nicht den Bundeskanzler! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Befassen möchte ich mich jetzt mit dem Antrag des Genossen Kräuter, der praktisch zum Inhalt hat: Jeder Mann soll – unbeschadet der Bestimmungen – auf Forststraßen Rad fahren dürfen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. ) Das ist schon okay, Herr Genosse. Wir warten auch auf den Antrag, dass jedermann – unbeschadet der Besitzverhältnisse – in seines Nachbarn Pool springen und dort baden darf, eben als Trendsportart zum Beispiel. Ich sehe schon Zustimmung bei der linken grünen Seite; das scheint bei Ihnen also durchaus gewünscht zu sein.

Überlegenswert wäre es vielleicht auch, Herr Genosse Kräuter (Abg. Kiermaier: Sie sind nicht unser Genosse!), das Auto des Nachbarn zu benutzen, weil das in Bezug auf die Umwelt ganz gut wäre. Da Sie auch von Zahlen gesprochen haben: Vielleicht laden unsere Freunde Genossen auch den einen oder anderen zum Gratis-Fernsehen zu sich nach Hause ein oder vielleicht gar zum Gratis-Wohnen, weil da immerhin auch öffentliche Wohnbauförderungsmittel eingesetzt wurden, lieber Genosse Kräuter. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Lei, lei! – Abg. Edlinger  – den Kärntner Dialekt imitierend – Lei loossn, lieba Kollege!)

Letztendlich, Herr Genosse Kräuter, könnten Sie ja auch den Antrag stellen, dass jeder zu Ihnen nach Hause kommen darf, um dort die Mao-Bibel zu lesen, die wahrscheinlich auf Ihrem Nachtkästchen liegt. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Aber, meine lieben Marxisten-Freunde, so einfach ist das alles nicht! (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Rufe bei der SPÖ: Der Villacher Fasching ist vorbei! Lei, lei, lei, lei! Lei losssn!) Es gibt da nämlich auch die Interessen der Grundbesitzer, es gibt die Interessen der Jäger, der Holzwirtschaft, des Waldes, der Pflanzen und des Wildes.

Lieber Herr Kollege Kogler, ich möchte gerne wissen, wie Sie das den Leuten erklären werden, die den Nationalpark Hohe Tauern führen – für den ich mich übrigens sehr eingesetzt habe (Abg. Mag. Kogler: Wir auch!)  –, wenn es dort dann freies Mountainbiking geben wird. Darauf bin ich wirklich neugierig; aber darüber steht in Ihrem Antrag natürlich nichts.

Ich sage dazu auch ganz klar und ehrlich: Es gibt natürlich auch ein Grundinteresse der Mountainbiker und des Tourismusbereichs. – Das müsste jetzt eigentlich Beifall bei Ihnen auslösen. (Ruf bei der SPÖ: Für Sie wirklich nicht!) Es gibt aber in diesem Zusammenhang noch etwas, und das nennt sich Vernunft – aber das haben manche Leute von der Opposition hier nicht; Sie, Herr Wittmann, sowieso nicht. (Abg. Dr. Wittmann: Das ist doch ungeheuerlich! Ordnungsruf, Herr Präsident! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich konstatiere aber durchaus Vernunft in Bezug auf eine SPÖ-Initiative im Oberösterreichischen Landtag. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Ordnungsruf, Herr Präsident! Das ist doch unmöglich!)

Ihre Kollegen im Oberösterreichischen Landtag brachten folgenden Initiativantrag ein: Die Landesregierung wird aufgefordert, ein Konzept zum weiteren Ausbau des Netzes an Mountainbike-Strecken vorzulegen. Dabei sollen Verträge – nach dem Muster des Vertrages mit den Österreichischen Bundesforsten – auch mit privaten Eigentümern und Forststraßen geschlossen werden. – Zitatende. So lautet der SPÖ-Antrag im Oberösterreichischen Landtag.


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Das, meine Damen und Herren, unterstützen auch wir. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Was ist, Herr Präsident?! Ordnungsruf!)

Und noch etwas: Ein Kollege Ihrer Fraktion, den ich wirklich sehr geschätzt habe – ich hatte leider nur die Möglichkeit, ihn relativ kurze Zeit hier zu erleben, muss aber sagen: er ist aus einem anderen Holz geschnitzt als Herr Kollege Kräuter –, nämlich Herr Abgeordneter Arnold Grabner, hat da ganz anders agiert. Deswegen wurde er ja auch von allen "Noldi" genannt und hier sehr herzlich verabschiedet.

Arnold Grabner hat bereits im Jahre 1997 hier am Rednerpult Folgendes gesagt – ich zitiere, falls Sie das schon vergessen haben; Kollege Wittmann vergisst ja allerhand, wie man weiß. Abgeordneter Grabner hat sich bereits im Jahre 1997 mit dem Fahrverbot für Radfahrer auf Forststraßen beschäftigt. Mountainbiking ist für den Tourismus sehr wichtig, unterstrich Grabner damals.

Grabner trat bereits im Jahre 1997 dafür ein, sich mit den Forstbesitzern, den Gemeinden und den Tourismusvertretern an einen Tisch zu setzen und ein partnerschaftliches und für alle akzeptables Modell zu entwerfen. (Abg. Böhacker: Gescheit ist das!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, dazu sollten Sie applaudieren, denn das war gescheit, was Arnold Grabner damals verlangt hat – und nichts anderes steht in unserem Antrag.

Abschließend an die Adresse der Grünen: Wissen Sie, ich bin ein leidenschaftlicher Jäger, und zwar von Kindesalter an. (Rufe bei der SPÖ und den Grünen. Oje! – Rufe bei der ÖVP: Sehr gut!) Und mit Leidenschaft bin ich auch Bauer und Grundbesitzer sowie ein glühender Kämpfer für Eigentumsrechte. Und trotzdem: Die Mountainbike-WM in Oberkärnten, die sogenannte Lurnfelder "Eisenwadl"-WM, hat in meiner Jagd, hat auf meinem Grundbesitz stattgefunden, und zwar ohne dass ich auch nur einen einzigen Schilling dafür verlangt habe. Aber man hat mich eben vorher gefragt, hat meine Zustimmung dazu eingeholt und mich in die Entscheidung mit eingebunden.

Das, meine Damen und Herren, ist der richtige Weg in diesem Bereich. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung. Beginnen Sie bitte mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen.

12.05

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Danke, Herr Präsident, für diesen Hinweis.

Die Frau Vizekanzlerin hat in ihren Ausführungen behauptet, die SPÖ hätte das Thema Sicherheit nicht berücksichtigt.

Ich verweise auf den Antrag, der jetzt zur Diskussion steht, 335/A der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen, und ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang die Lektüre von: b) Strafbestimmungen, c) allgemeine Haftungsbestimmungen sowie das ganze Kapitel Änderung der StVO.

Offensichtlich hat die Frau Vizekanzlerin das gar nicht gelesen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das war eine Aussage – und keine tatsächliche Berichtigung!)


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12.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.06

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Schauen wir uns doch einmal die Vorgangsweise an, die es rund um diese Anträge im zuständigen Ausschuss gegeben hat.

Dazu gab es zunächst einen Antrag der SPÖ, der sehr kurz und bündig formuliert war und die Freigabe von Mountainbiking auf Forststraßen zum Inhalt hatte. Es gab dann – offensichtlich ist das noch nicht in diese Diskussion eingeflossen – einen weiteren Antrag, und zwar nach dem ersten Expertenhearing, der schon wesentlich differenzierter und klarer war, was etwa Haftungsfragen, was die Straßenverkehrsordnung anlangt, und in dem mehrere Regelungsmöglichkeiten vorgeschlagen wurden.

Ganz offensichtlich gab es auch – zumindest für mich ist das relativ klar gewesen – Unstimmigkeiten in den Regierungsfraktionen, wie man mit diesem Antrag umgehen soll, und zwar über einen relativ langen Zeitraum hinweg. Nicht zuletzt zeigt sich das auch daran, dass ein Antrag von FPÖ und ÖVP erst unmittelbar vor dem zweiten Expertenhearing – nach, glaube ich, eineinhalb Jahre langen Diskussionen – eingebracht wurde, ein Antrag, der letztlich dazu geführt hat, dass hier jetzt steht, dass eigentlich alles so bleiben soll, wie es bislang gewesen ist.

Man kann das alles auch durchaus differenziert betrachten. Natürlich ist es so – und das habe ich im Ausschuss gesagt; ebenso die Vertreter der SPÖ –: Wenn es klare und berechtigte Einwände gibt, wenn man noch zusätzliche Maßnahmen hineinnehmen will, wenn man unter anderem auch über die Breite diskutieren möchte, so hätte es zu all diesen Dingen Gesprächsbereitschaft unsererseits gegeben; das wurde auch bereits im Ausschuss betont.

Herr Kollege Scheuch hat es, wie ich meine, wunderbar auf den Punkt gebracht, worum es Ihnen von den Regierungsfraktionen de facto gegangen ist, nämlich um das Eigentum an Forststraßen, um das Eigentum am Wald. Eigentumsrechte sollen Ihrer Ansicht nach so weit gehen, dass ohne Zustimmung der Eigentümer nichts läuft.

Als Herr Kollege Schwarzenberger dann bei der letzten Ausschusssitzung, eben bei diesem Hearing, aufgetaucht ist, habe ich mir gedacht: Eigentlich können wir jetzt froh sein, dass wir diese Angelegenheit zumindest so beenden, denn wenn wir noch lange diskutieren, dann haben wir das nächste Problem, und es wird so weit zurückgegangen, dass auch die Fußgänger, die Wanderer wieder von den Forststraßen verbannt werden sollen.

Da ich Ihnen genau zugehört habe, Herr Kollege Scheuch, muss ich sagen: Mir fehlt in Ihrer Argumentation eigentlich nur mehr die Begründung, was die Wanderer von den Radfahrern unterscheidet. (Abg. Ing.  Scheuch: Die Haftungsfrage ...!) Warum sagen Sie bezüglich der Wanderer nicht genau dasselbe?

Haftungsfragen, Herr Kollege, haben Sie nicht argumentiert! Was hat denn das mit Ihrem "Argument" vom "in den Pool springen" zu tun, das Sie hier so wunderbar ausgebreitet haben? Das hat doch mit Haftungsfragen überhaupt nichts zu tun! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ing. Scheuch. )

Ihnen geht es doch darum, zu sagen: Wenn man in unseren Wald gehen will, dann muss dafür bezahlt werden! Das ist doch das, worauf Sie hinaus wollen – und das haben wir von den Grünen, ebenso die SPÖ, abgelehnt! So einfach ist das! So war die Diskussion, und das ist die Kernfrage, um die es gegangen ist. (Abg. Ing. Scheuch: Es lebe der Marxismus! – Abg. Edlinger  – in Richtung des Abg. Ing. Scheuch –: So ein Blödsinn!)

"Marxismus" ist bei Ihnen offensichtlich dann gegeben, wenn die Natur für die Menschen zugänglich sein soll; das ist bei Ihnen "Marxismus". Ihrer Ansicht nach sollte man am besten alles einkasteln, niemand darf das, was ihm nicht gehört, betreten. Das ist offensichtlich der besondere Begriff von Naturschutz in der FPÖ. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Über die Frage, was man in Naturparks und an besonderen Stätten machen kann, ob es da Regelungen in Bezug auf eine Einschränkung geben soll, über all das hätte man diskutieren


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können. Klar war jedoch: Sie von den Regierungsparteien wollen das alles ohnehin nicht. Für Sie gilt: Freigabe nur dann, wenn es dazu eine Zustimmung der Eigentümer gibt, wenn es dafür eine Abgeltung, wenn es dafür Cash gibt. Dann wollen Sie sehr wohl darüber reden, ob der Wald geöffnet wird. – Eine solche Position vertreten wir Grünen nicht!

All diese Ökologie-Fragen haben wir wirklich ausführlich mit Experten zu klären versucht. Es gab in den diesbezüglichen Ausschusssitzungen durchaus auch andere Meinungen. Selbst der Experte aus Tirol, der bei der letzten Sitzung dabei war, ebenso jener aus der Steiermark, der von den Regierungsparteien nominiert wurde, hat betont, dass es diesbezüglich genug Handlungsbedarf gibt und dass die gegenwärtige Situation höchst unbefriedigend ist.

Wenn Sie also gewollt hätten, dann hätte man sicherlich die ökologischen Kriterien dabei noch klarer formulieren können; das haben wir Grünen auch immer wieder angeboten. Der Punkt war allerdings: Sie von den Koalitionsparteien wollten nicht, Sie wollten alles so belassen, wie es ist. – Kollege Miedl hat ja immer wieder sein Projekt geschildert, wobei aber klar wurde, wie viel man dort auf Asphalt fahren muss.

Wir haben dazu einen anderen Zugang. Man kann sagen: grundsätzlich Freigabe, mit der Überlegung, welcher Maßnahmen es bedarf, um zu einer sinnvollen Lösung zu kommen – oder eben das, das was Sie betrieben haben, wobei ich meine, dass es eine unbefriedigende Lösung ist, zu sagen: grundsätzlich Verbot, und Freigabe nur dann, wenn wir es wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

12.11

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Brosz, das, was Sie soeben gesagt haben, stimmt nicht. Sie haben mir jetzt den Ball bestens aufgelegt. Erst vor kurzem war ich bei einem Mountainbike-Wettbewerb und habe mich dort mit diesen Sportlern unterhalten. Ich kann daher sagen: Diese Sportler sind mit dem Angebot sehr zufrieden. – Sie, Herr Kollege Kräuter, sehe ich ja nie bei solchen Veranstaltungen. (Abg. Dr. Kräuter hält eine Tafel, auf der mehrere Verkehrszeichen abgebildet sind, in die Höhe.)

Geben Sie mir dann diese Tafel, und ich erkläre Ihnen, worum es dabei geht. Es geht dabei in erster Linie um Qualität vor Quantität, und daher verstehe ich weder die Grünen noch Sie, Herr Kollege Kräuter. Ich verstehe nicht, warum Sie sozusagen den Weg der uferlosen Quantität befürworten. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Kollege Kräuter, geben Sie mir jetzt die Tafel her, ich erkläre Ihnen das! Ich möchte gerne Ihre Tafel haben, aber Sie geben sie mir ja wahrscheinlich nicht, denn ich würde Ihnen genau erklären, was der Hintergrund, was der Beweggrund dafür ist. Ich möchte auch ganz gerne, dass alle Abgeordneten diese Tafel sehen. (Abg. Dr. Kräuter hält neuerlich eine Tafel in die Höhe.)

Ich bin nämlich vorhin genau deswegen zum Kollegen Wittmann gegangen, weil ich wissen wollte, ob das, was diese Tafel zeigt, möglicherweise auf dem Schöckl photographiert wurde, und ich bin davon überzeugt: Dieses Photo wurde auf dem Schöckl aufgenommen.

Dazu, meine Damen und Herren, folgende Geschichte. Dort gibt es ein allgemeines Fahrverbot mit dem Hinweis: Forststraße. Das allgemeine Fahrverbot gilt grundsätzlich für jeden, der dort mit einem Fahrzeug unterwegs ist. Das ist also ein Verbot. Darunter ist eine Tonnagebeschränkung angeführt: 3,5 Tonnen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. ) Die gibt es deshalb, Herr Kollege Kräuter, weil der Weg nicht mehr als ein Fahrzeug mit 3,5 Tonnen Gewicht aushält; der Unterbau würde das nicht aushalten. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter. )


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Jetzt hören Sie mir zu, Herr Kollege Kräuter, denn jetzt komme ich auf das Argument "Sicherheit" der Frau Vizekanzlerin zu sprechen. Was Sie da zeigen, ist nämlich genau jene Stelle, Herr Kollege Kräuter, an der vor drei Jahren ein Radfahrer, ein Mountainbiker ums Leben gekommen ist, weil es dort Gegenverkehr gegeben hat. Dort war ein riesiger Holzstoß, und der Mountainbiker ist mit vollem Karacho dort hineingefahren und zu Tode gekommen. Deswegen, meine Damen und Herren, ist dann die Zusatztafel dazugekommen: gilt auch für Radfahrer, weil sich die Radfahrer von diesem Verbot noch immer nicht angesprochen fühlten.

Meine Damen und Herren, diese Regelung macht Sinn! Ich bin daher dagegen, dass man hier polemisiert und die Hintergründe, warum es dazu gekommen ist, nicht erklärt. Das geschieht doch bitte auf Grund der geltenden Rechtsordnung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie, Herr Kollege Wittmann, polemisieren hier, kennen aber überhaupt nicht die Hintergründe. Da frage ich mich schon, wieso Sie damals als für den Sport zuständiger Staatssekretär nicht längst das getan haben, was Sie jetzt von anderen fordern! Da muss ich schon sagen: Sie sind als Staatssekretär nicht nur nicht glaubwürdig, sondern auch wenig erfolgreich gewesen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Sie waren dagegen! Der ÖAAB war dagegen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Wittmann, ich will Sie an Ihren Erfolgen messen, aber solche hatten Sie nicht! Jetzt tun Sie so, als ob Sie sozusagen die Weisheit mit dem Löffel gegessen hätten. Dem ist wirklich nicht so! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist es aber schon so, dass die SPÖ, dass die Grünen, dass wir von der ÖVP und natürlich auch die Freiheitlichen eines gemeinsam wollen: Wir wollen die Jugendlichen und Sportbegeisterten die Natur genießen lassen und ihnen das Mountainbiken in unseren Wäldern ermöglichen.

Jetzt aber kommt der Punkt, wo wir uns in unseren Ansichten unterscheiden. Herr Kollege Pirklhuber, Herr Kollege Brosz: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Forstwege Arbeitsstätten der Forst- und Landwirte sind. Und wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es daher dort nicht drunter und drüber gehen kann. Darüber hinaus müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Mountainbiker für sich Strecken haben wollen, die gekennzeichnet, die markiert sind und wo eine gewisse Infrastruktur gegeben ist.

Aber, Herr Kollege Pirklhuber, genau da unterscheiden wir uns – und da kann ich Sie von den Grünen nicht verstehen –: Wir wollen Mountainbiken im Einvernehmen mit den Land- und Forstwirten sowie mit den Tourismusverbänden zulassen, und wir wollen das auch ausbauen, so, wie wir das auch bei uns in der Steiermark gemacht haben.

Ich habe dabei Herrn Landesrat Hirschmann sehr wesentlich unterstützt, und wir haben dabei einen Weg gefunden – vielleicht nicht zur hundertprozentigen Zufriedenheit aller, aber doch einen Weg: mit den Landwirten, mit den Forstwirten, mit den Tourismusverbänden und mit den Sportbegeisterten, einen Weg, den man durchaus auch woanders gehen kann.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen: Dieser Weg wird sich auszahlen, ist er doch einer, bei dem die Qualität forciert wird und der die Quantität gar nicht anstrebt. Daran, was in diesem Zusammenhang der Natur abverlangt wird, denken Sie doch gar nicht! Flurschäden entstehen, Tiere nehmen Schaden und so weiter! Das alles bleibt doch von Ihrer Seite völlig unbeantwortet, meine Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen!

Diesen Weg, den wir dabei zu gehen versuchen, nämlich den qualitativ hochwertigen Ausbau von Mountainbike-Strecken anzustreben, lade ich Sie mitzugehen ein, denn unser Weg ist der erfolgreiche. – Ihrer führt in die Irre! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Stummvoll: Der Niederwie


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ser versteht auch etwas vom Mountainbiken? – Abg. Dr. Niederwieser  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Sicherlich verstehe ich davon etwas!)

12.15

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Herr Abgeordneter Ing. Scheuch, der jetzt noch hier im Saal ist, hat in seinen Ausführungen – und dann auch in einem Zwischenruf – uns und den Grünen zu unterstellen versucht, "Marxisten" zu sein, weil wir für die Öffnung des Waldes für Mountainbiker eintreten.

Dazu und auch zur Aufklärung des Kollegen Scheuch in puncto Geschichte stelle ich tatsächlich richtig: Die Freiheit der Nutzung des Waldes für die Allgemeinheit hat es bereits gegeben, als Karl Marx noch gar nicht geboren war. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Das alles weiß Scheuch nicht!)

12.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.16

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Abgeordneter Miedl hat behauptet, dass diese Photographie (der Redner hält eine Tafel, auf der verschiedene Verkehrszeichen abgebildet sind, in die Höhe) aus dem Bereich des Schöckl stammen würde und deshalb angebracht worden sei, weil es dort einen schrecklichen Unfall gegeben habe.

Ich berichtige tatsächlich: Diese Aufnahme (der Redner hält neuerlich die Tafel in die Höhe) eines unhaltbaren Zustandes, den Sie zu verantworten haben, stammt aus dem Kleintal bei Übelbach!

Offensichtlich ist bei diesem Argumentationsnotstand der ÖVP kein Argument zu tief. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

12.17

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Vizekanzlerin, wenn Sie ein Mann wären, hätte ich heute ein bisschen Aktionismus hier betrieben und Ihnen eine Waschschüssel überreicht, denn dann könnten Sie wie einst Pilatus Ihre Hände in Unschuld waschen. Das tun Sie ja besonders gern, und immer wieder versuchen Sie, bei allem auf die Vergangenheit hinzuweisen, so zum Beispiel auf den Kollegen Wittmann und so weiter. Ständig weisen Sie darauf hin, dass dies und jenes in der Vergangenheit nicht gemacht worden wäre. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Fragen darf man schon noch, oder?)  – Selbstverständlich.

In Wahrheit, Frau Vizekanzlerin, geben Sie nicht zu – auch Kollege Grollitsch nicht, der jetzt gerade nicht da ist –, woran Sie in diesem Punkt stets scheitern, nämlich an der ÖVP-Bauern-Lobby und letztlich auch an Ihrer freiheitlichen Minimalisten-Bauernlobby, etwa in Person des Kollegen Scheuch. So etwas hat ja die Welt noch nicht gehört! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich aber noch einen anderen Zugang zu diesem Thema finden, der sehr aktuell ist. (Abg. Schwarzenberger: Wir sind generell gegen Enteignungen, wenn es nicht im öffentlichen Interesse ist!) – Herr Kollege Schwarzenberger, auf Sie komme ich dann auch noch zu sprechen.

Österreich ist ein Tourismusland, ein Land, wie wir aus den letzten Berichten ersehen haben, mit einem starken Winter-, aber einem sehr schwachen Sommer-Tourismus. Und es gibt eine Staatssekretärin von Ihrer Partei, Frau Vizekanzlerin, die gemeinsam mit Vertretern der Gastronomie und der Hotellerie darüber nachdenkt, wie man diese Situation verbessern könnte, wie


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man sozusagen Bonuspunkte aus dem Winter-Tourismus mit in den Sommer-Tourismus nehmen und wie man diesen attraktivieren könnte.

Und da gibt es noch die Landwirte, Herr Schwarzenberger, die den "Feinkostladen Österreich" preisen und den Gästen ihre – zweifelsfrei! – guten Produkte verkaufen wollen, um ein bisschen aus der BSE-Schwäche herauszukommen.

Weiters wird in Österreich auch viel vom Erlebnis- und Eventtourismus gesprochen. – Übrigens: Das, was Günther Kräuter vorhin gesagt hat, habe ich auch in einer Untersuchung gelesen: Jeder dritte Urlauber in Österreich kommt mit dem Rad, und der will natürlich auch bei uns Rad fahren, aber nicht so, wie Sie meinen, Herr Kollege Miedl: Rad fahren auf Asphaltstraßen, sondern diese Urlauber möchten auch Mountainbiken.

Dagegen, Herr Schwarzenberger, ist jedoch die Bauern-Lobby, und diese fährt ganz schnell die schärfsten Geschütze auf, indem sie klagt: Enteignung von Grund und Boden!, so Scheuch. Rechtsunsicherheit, Haftungsverpflichtungen der Landwirte, und so weiter. – Darüber kann man doch nur lachen, da kann Sie doch wirklich niemand mehr verstehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Auch die Jäger sind natürlich gegen das Mountainbiken; diese "unheimliche Bedrohung" der heimischen Wildarten durch die paar Radlfahrer, Herr Scheuch! Da kann ich mir ja das Lachen wirklich nicht verkneifen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was ist also Ihr Resümee, Herr Scheuch? – Alle Mountainbike-Urlauber zurück in die Schweiz, nach Italien, nach Deutschland! Bei uns in Österreich sollen sie nur essen, trinken und fest zahlen – das ist offensichtlich Ihre Philosophie! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Apropos zahlen, Herr Schwarzenberger: Da sind die Bauern schon gesprächsbereiter. Eine ordentliche Maut für jeden Kilometer – das haben Sie auch gesagt –, und weg wären die Bedenken gegen die Mountainbiker! So sieht es aus! Weil der Staat aber gerade nicht besonders liquid ist, ein bisserl marod ist, versucht man einen Umweg über die Länder, über die Gemeinden, denn die sind ohnehin schon gewohnt, für alles zahlen zu müssen. Vielleicht verstreicht dann auch noch mehr Zeit.

Daraus, meine sehr verehrten Damen und Herren, resultiert dieser beachtenswerte Entschließungsantrag von FPÖ und ÖVP. Der "österreichische Weg" wird in diesem Antrag vorgezeichnet, nämlich: Er soll auf die lange Bank geschoben werden!

Die so genannten Experten, die Sie eingeladen haben, haben auch nach dem Motto gearbeitet: Alles, was der Bauer nicht will, werden wir nicht machen! – Wahre Horrorszenarien wurden von diesen so genannten Experten vorgebracht. Die Straßenverkehrsordnung haben sie auf den Wald so umgelegt, dass die Holzstellen in der Nacht beleuchtet sein müssten, damit sie der Straßenverkehrsordnung entsprächen und als Gefahrenquelle erkannt werden könnten. Ein Experte meinte sogar, im Falle einer Auseinandersetzung zwischen einem Mountainbiker und einem Waldreh müsse die Rechtsregel angewendet werden. Das schlägt doch wirklich dem Fass den Boden aus! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Die Frächter könnten das Holz nicht mehr aus dem Wald bringen, und die Forstarbeiter fühlten sich an Leib und Leben bedroht – so wurde argumentiert! Ich habe das alles mitgeschrieben. (Abg. Prinz: Zutiefst ist das, Herr Schuldirektor! – Abg. Schwarzenberger: Das ist Klassenkampf, was Sie da betreiben!)  – Das ist kein Klassenkampf! Die Experten aus dem Justizministerium haben sich überhaupt nicht mehr ausgekannt.

Wir, liebe Freunde, haben auf die Ladung unserer Experten bewusst verzichtet, denn wir haben ein Expertengutachten gehabt. Uns ist klar – meine Kollegen haben es schon erläutert –, dass nur der gute Wille seitens ÖVP und FPÖ fehlt und letztlich beide Regierungspartner dem Druck der Bauern unterliegen! (Beifall bei der SPÖ.)

12.22


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

12.22

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Rund 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher betreiben Sport. Die Rolle des Sports zur Erhaltung der Gesundheit und als Freizeitbeschäftigung wird zunehmend wichtiger. Man betreibt Sport vor allem aus Freude an der Bewegung, sowie, um fit und gesund zu sein.

95 Prozent der aktiven Sportler betreiben Breiten- und Freizeitsport, nur 5 Prozent Leistungs- und Wettkampfsport. Eine Sparte, die dem Breiten- und Freizeitsport zuzuordnen ist, ist das Mountainbiken. Diese Sportart hat speziell in Österreich starken Aufschwung erfahren und bewirkt neben den gesundheitlichen Aspekten zusätzlich starke Impulse für die heimische Tourismus- und Freizeitwirtschaft.

Bei der Ausübung dieser Sportart ergaben sich in der Vergangenheit Konflikte zwischen den Grundeigentümern und der Tourismuswirtschaft. Es war daher sehr sinnvoll, dass man regional eine Partnerschaft zwischen den Grundeigentümern und der Freizeitwirtschaft einging.

Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es in Österreich rund 108 000 Kilometer an privaten Forststraßen gibt, von denen rund 16 000 Kilometer bereits als Mountainbike-Strecken ausgewiesen sind.

Diese regional abgeschlossenen Partnerschaften würden mit dem Gesetzesantrag von der SPÖ, alle Forstwege ab einer Breite von 1,5 Meter für die Mountainbiker freizugeben, ad absurdum geführt. Durch diese unbedachte Aktion würde man die bereits umgesetzte professionelle Gestaltung von Mountainbike-Strecken gefährden. Nicht nur die Jäger, sondern auch die Wanderer, die im Wald Erholung suchen, hätten wenig Freude daran, würden ihnen immer wieder und überall wie aus heiterem Himmel die Radler um die Ohren sausen.

Da in meinem Bezirk einige Mountainbike-Projekte in Ausarbeitung sind, habe ich sowohl mit Grundbesitzern als auch mit Vertretern aus der Tourismusbranche persönliche Gespräche geführt. Fazit: Privatwirtschaftlichen und regionalen Lösungen ist gegenüber der allgemeinen Öffnung der Forststraßen der Vorzug zu geben.

In diesem Zusammenhang sollte man bei der Regelung für Bike-Strecken auch den Wald- und Wildschutz respektieren. Wildschutzgebiete, in denen das Mountainbiken zeitlich eingeschränkt werden kann, sollte man den Tieren zuliebe akzeptieren.

Im Zuge der marktwirtschaftlichen freiwilligen Organisation von Mountainbike-Strecken und Radrouten entstanden Hunderte Arbeitsplätze: Routenplaner, Schildererzeuger, Kartendesigner, Radgastronomie, Almhütten und Tourismusconsulting.

Das Sportministerium hat nun einen Antrag ausgearbeitet, der Bestrebungen in Bezug auf den partnerschaftlichen Ausbau der österreichischen Radwege unterstützt. Dabei soll es das Ziel sein, möglichst alle für das Mountainbiking geeigneten Forststraßen zu erschließen, wobei mit den Grundbesitzern diesbezügliche Verträge, die selbstverständlich auch Haftungsrisken regeln, abzuschließen wären. Nicht die gesetzliche Zwangsöffnung ist anzustreben, sondern vernünftige, vertragliche Regelungen, die eine möglichst konfliktfreie Ausgestaltung zulassen.

Österreich ist für die Mountainbiker die Entdeckung des neuen Jahrhunderts: Kaum anderswo ist man diesen Gesundheitssportlern gegenüber so aufgeschlossen, kaum anderswo ist man so gut für ihre Bedürfnisse gerüstet, und nirgendwo anders gibt es bessere Mountainbike-Strecken. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.26


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92. Sitzung / Seite 67

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, beginnen Sie bitte mit der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen.

12.26

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat behauptet, dass durch den Vorschlag der SPÖ bestehende Partnerschaften gefährdet beziehungsweise zerstört werden würden.

Ich zitiere aus dem Antrag der SPÖ, Seite 3, Begriffsbestimmungen:

"b) Begriffsbestimmungen

Die Einführung des ,Naturradweges‘ in die StVO bietet die gesicherte rechtliche Basis für gekennzeichnete Mountainbikestrecken im Wald, wie sie zurzeit auf Grund von Vereinbarungen mit den Forststraßenerhaltern bereits bestehen."

Der Kollege hat offensichtlich auch nicht den SPÖ-Antrag gelesen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prähauser. – Bitte.

12.27

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Haus! Die absurdeste Argumentation gegen die Benützung der geeigneten Forstwege durch Mountainbiker kam vom Kollegen Miedl, der besonders laut und deutlich vom "Schaden an den Tieren durch die Radfahrer" gesprochen hat.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Herr Kollege Miedl ausschließlich den Radfahrern die toten Tiere an den Straßenrändern zuordnet oder ob er nicht doch meint, dass man dies auch dem Kraftfahrzeugverkehr ankreiden sollte.

Meine Damen und Herren! Wenn wir hier jemandem helfen wollen, dann sollten wir versuchen, ehrlich miteinander zu diskutieren, nicht aneinander vorbeizureden, sondern einfach zuzugeben, dass es zwei verschiedene Gruppen gibt: auf der einen Seite die Radsportler und auf der anderen Seite die Jagdsportler. Jede Gruppe für sich hat eine Lobby. Wir stehen auf der Seite der großen Massen, die Erholung suchen, allerdings natürlich in einem entsprechend geführten Rahmen, nicht quer durch den Wald, sondern eben auf dafür geeigneten Forststraßen. Die Jäger haben damit natürlich wenig Freude, weil sie glauben, die Tiere, die sie zu hegen, zu pflegen und auch zu schießen haben, werden in ihrer Ruhe gestört.

Meine Damen und Herren! Es gibt hier vier Parteien, die sich für die eine oder andere Seite stark machen und mit unterschiedlichen Aspekten argumentieren. Für uns ist es keine Frage, worum es uns geht: Uns geht es darum, für die Erholung Suchenden, für die Fremdenverkehrswirtschaft und auch für die Volksgesundheit sportliche Möglichkeiten zu bieten. Der anderen Seite geht es darum, möglichst viel an Wertschöpfung für die Benützung und Überlassung von Privateigentum herauszuschlagen und auch eine entsprechende Jägerlobby in ihren Bestrebungen, den Jagdsport auszuüben, zu unterstützen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, gerade die ÖVP/FPÖ-Koalition, die uns so gerne die CSU in Bayern als Vorbild anpreist, sollte wissen: Dort ist das freie Recht der Benützung der Radwege sogar in der Verfassung verankert! Man sollte auch andere Beispiele heranziehen, auch wenn sie einem nicht so gut gefallen.

In Salzburg zum Beispiel, um in kleineren Dimensionen zu reden, hat man sich in einer Koalition zusammengesetzt und eine Möglichkeit für die Nutzung geschaffen, allerdings natürlich unter dem Aspekt, nicht alles herauszuholen, was möglich ist. Es gibt den freiheitlichen Antrag, man möge auf die Bundesforste dahin gehend einwirken, von der Wegnutzungsgebühr gänzlich ab


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92. Sitzung / Seite 68

zusehen. Als dann deutlich wurde, dass diese 3,50 S auch die Grundlage für Verhandlungen mit privaten Bauern war, hat man das natürlich vergessen und einer Ermäßigung von 2,50 S zugestimmt.

Letztendlich ist man dann in der Lage gewesen, das Radwegenetz auszubauen, aber von 7 500 Kilometern LKW-geeigneter Forstwege sind nur 3 400 Kilometer im Besitz der Bundesforste, also wesentlich mehr im Privatbesitz. Und das sieht dann so aus: Die Bundesforste einigen sich mit den Gemeinden – Salzburg-Umgebung, Flachgau zum Beispiel –, man hat einen freien Radweg, dieser endet aber plötzlich, weil Herr Mayr-Melnhof mit seinem Besitz an die Bundesforste angrenzt, und dort ist es dann vorbei mit dem freien Radwegenetz.

Meine Damen und Herren! Diese Dinge gilt es anzukreiden. Wenn man an die Fremdenverkehrswirtschaft denkt, an die Volksgesundheit denkt, dann muss man hier die Hebel ansetzen und nicht mit Argumenten, die man eigentlich selbst nicht ehrlich meint, Scheingefechte führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer sind die Betroffenen, meine Damen und Herren? – Die Betroffenen sind die Radfahrer; die Routenwahl ist altersbedingt.

Abschließend möchte ich Ihnen noch Folgendes vor Augen führen: Wenn wir ein großes Radwegenetz haben, dann verteilen sich die Sportler und die Erholung Suchenden auf viele, viele Wege. Die Tiere, die Natur würden geschützt und geschont werden. Wenn man aber alle auf die letzten 10 Prozent an freien Wegen zwingt, dann wird es ein Gedränge geben, und das ist das, was wir alle nicht wollen.

Daher: Öffnen wir die Radwege! Versuchen wir auf diesem Weg, der Natur zu helfen, das Wild zu schonen und andererseits der Fremdenverkehrswirtschaft sowie auch der Volksgesundheit einen Dienst zu leisten! (Beifall bei der SPÖ.)

12.31

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.

12.32

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das Thema Mountainbiking beschäftigt uns im Parlament ja schon seit einigen Jahren. Ich möchte zu grundsätzlichen Feststellungen einige Fakten vorbringen.

Wir haben in Österreich insgesamt 108 000 Kilometer Forstwege. Bis zum vergangenen Herbst gab es für 16 000 Kilometer Forstwege bereits Verträge, wonach diese Wege den Mountainbikern zur Verfügung stehen. In den nächsten Wochen wird noch eine Reihe von Strecken dazukommen, somit werden im heurigen Frühjahr den Mountainbikern bereits über 20 000 Kilometer Forstwege zur Verfügung stehen.

Im Vergleich dazu: Die sonstigen Radwege, die in Österreich von der Tourismuswirtschaft angeboten werden, etwa der Donauradweg sowie die Radwege am Inn, an der Mur, an der Salzach, umfassen insgesamt nur 10 000 Kilometer. Das heißt, es gibt bereits doppelt so viele Kilometer an Forstwegen als an anderen Radwegen, die den Radsportlern zur Verfügung stehen.

Zur Verteidigung des Abgeordneten Scheuch – ich brauche ihn normalerweise nicht zu verteidigen – möchte ich betonen, dass sich die SPÖ schon gewandelt hat. Ich habe hier eine Aussendung der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, allerdings aus einer Zeit, als sie noch in der Regierung war. Einen Ausschnitt daraus möchte ich vorlesen:

"Tourismus- und Verkehrssprecher Rudolf Parnigoni hob die Bedeutung des Mountainbiking für den Tourismus hervor. Man müsse die Frage der rechtlichen Stellung der Mountainbiker ebenso lösen wie die der Haftung, um eine Abwanderung der Urlauber nach Südtirol zu verhindern.


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92. Sitzung / Seite 69

,Außerdem müssen wir das Angebot an Verkehrsflächen für die Biker erweitern, sodass die Sportler ein österreichweites Netz von 10 000 bis 15 000 Kilometer zur Verfügung haben.‘" – In der Zwischenzeit haben wir 20 000 Kilometer.

Weiters: ",An eine generelle Öffnung der Waldwege kann angesichts des starken Besitzrechts in der Verfassung nicht gedacht werden‘, stellt Parnigoni fest." – Zitatende.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Man muss sagen, von Klima zu Gusenbauer ist aus einer sozialdemokratischen Partei eine sozialistische Partei geworden. Es haben sich hier offensichtlich Veränderungen aufgetan.

Wer beklagt, dass wir zu wenig Mountainbike-Strecken zur Verfügung haben, dem zeige ich diese Tabelle über eine Befragung bei der Ferienmesse des Jahres 2000. (Der Redner hält die angesprochene Tabelle in die Höhe.) Tourismusmanager von ganz Österreich wurden gefragt, ob in ihrer Region Mountainbiking möglich sei. In vier Bundesländern – Vorarlberg, Kärnten, Salzburg, Tirol – haben 100 Prozent der Tourismusmanager gesagt, Mountainbiking sei in ihren Regionen möglich. In Niederösterreich waren es 96,8 Prozent, in Oberösterreich 77,8 Prozent, in der Steiermark 75 Prozent und im Burgenland 66,7 Prozent.

Zum Burgenland muss man sagen, dass es im gesamten Seewinkel keine größeren Waldflächen gibt, das heißt, in dieser Region hat man naturgemäß keine Mountainbike-Strecken zur Verfügung.

Auf der nächsten Seite zur Frage: Gibt es Probleme mit den Grundeigentümern?, zeigt die Tabelle: Selbst im Burgenland haben 100 Prozent der Tourismusexperten erklärt, es gebe kein Problem mit den Grundeigentümern. In Vorarlberg und Tirol ist das ebenso, und in den anderen Ländern sind es etwa 90 Prozent.

Das heißt, wir haben auf vertraglicher Basis Regelungen dafür geschaffen, dass Mountainbiking überall in Österreich möglich ist. Das haben auch die Experten im Unterausschuss festgestellt. Selbst Dipl.-Ing. Christian Hlavac, der von den Grünen als Experte im Unterausschuss nominiert war, hat gesagt, es gebe zwei Möglichkeiten, nämlich die gesetzliche und die vertragliche, und beide seien gangbar. Alle anderen Experten haben sich für die vertragliche Regelung ausgesprochen, weil wir mit der vertraglichen Regelung in Österreich genügend Flächen zur Verfügung stellen können.

All das hat ja auch behördliche Folgekosten, denn die Forststraßen gelten in der Raumordnung als Arbeitsflächen im Wald. Wenn sie für den Verkehr freigegeben werden – wenn auch nur für Radfahrer –, dann unterliegen sie der Straßenverkehrsordnung. Alle Forststraßen müssen dann einer Rodungsgenehmigung unterworfen werden, und es gelten auch ganz andere Haftungspflichten für den Waldeigentümer.

Die Untersuchungen zeigen, dass wir in Österreich überall entsprechend mountainbiken können, und die vertragliche Regelung – unser Entschließungsantrag zielt darauf ab – wird dafür sorgen, dass die notwendigen Verbindungen gegeben sind, dass wir Rundwege haben. Wir werden in Zukunft die zum Mountainbiken regional notwendigen Flächen auf vertraglicher Basis zur Verfügung haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort gemeldet. – Ich ersuche Sie, mit der Wiedergabe jener Behauptung zu beginnen, die Sie zu berichtigen wünschen, Herr Abgeordneter.

12.37

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Abgeordneter Schwarzenberger hat in seiner Rede behauptet, dass es im Burgenland keine natürlichen Ressourcen zum Mountainbiken gebe. (Abg. Schwarzenberger: Im Seewinkel!) – Das ist unrichtig!


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Es gibt im Burgenland natürliche Ressourcen, sie sind nur nicht frei zugänglich, weil alles dem Großgrundbesitzer Esterházy gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

12.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Schwemlein. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

12.38

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Ich kann nur sagen: Wieder einmal typisch, der Verlauf dieser Debatte! Kein einziger Touristiker kommt ans Rednerpult! (Abg. Dr. Trinkl: Der einzige Schwemlein!) Es hat sich die Freiheitliche Partei von der Tourismuswirtschaft verabschiedet, es hat sich die ÖVP von der Tourismuswirtschaft verabschiedet. Wer war von der ÖVP am Rednerpult? – Landwirte! Landwirte, die natürlich auch davon betroffen sind.

Was mich an dieser Debatte stört, meine Damen und Herren, ist, dass Sie es zwar als eine Selbstverständlichkeit ansehen, dass die Freizeit- und Tourismuswirtschaft einen wesentlichen Stellenwert in Österreich hat, aber anstatt ihr zu helfen – was sie dringend bräuchte –, behindern Sie sie überall! Das möchte ich von dieser Stelle aus einmal klar und deutlich unterstreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Argumente betonen immer wieder die Möglichkeiten, die es bereits gibt. Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter )  – auch Ihnen, Frau Kollegin –, dass Österreichs Anteil am europäischen Tourismusmarkt von 9 Prozent auf 5 Prozent abgesunken ist, Tendenz weiter fallend. Ich frage Sie: Wohin wollen Sie diesen durchaus motivierten, aber angeschlagenen Wirtschaftsbereich noch treiben?

Das Entscheidende für den Erfolg der Freizeit- und Tourismuswirtschaft ist, dass das Angebot passt. Dem Gast – ob Mann oder Frau oder Kind –, der in Österreich seinen Sommerurlaub verbringt, ist es völlig egal, wem der Mountainbikeweg gehört. Was er aber haben möchte, ist die Möglichkeit der Nutzung. Der Gast will Vielfalt, aber Sie berauben ihn dieser Möglichkeiten, und das ist eine wirtschaftsfeindliche Einstellung! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren haben uns alle unsere Nachbarländer, die im Bereich der Freizeit- und Tourismuswirtschaft zulegen konnten, den Weg vorgegeben, wie man auch im Bereich des Mountainbikings vorzugehen hat. Was wir hier im österreichischen Parlament abliefern, die Bemühungen, die seitens der Sozialdemokratie seit Jahren in ehrlicher Art und Weise geführt werden, um zu einem Rechtszustand zu kommen, der auch der Tourismuswirtschaft hilft, werden von Ihnen unterwandert, werden von Ihnen behindert. Das soll der österreichischen Freizeit- und Tourismuswirtschaft von dieser Stelle aus auch gesagt werden. Diese Regierung ist dem Tourismus in Österreich gegenüber feindlich eingestellt! (Beifall bei der SPÖ.)

12.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum zweiten Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 1 Minute eingestellt. – Bitte.

12.40

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Es gab soeben einige Aussagen, die einer Antwort bedürfen.

Herr Abgeordneter Schwemlein, ich habe mir die Tourismus-Statistik genau angesehen. Österreich hatte im Jahre 1996 112 Millionen Übernachtungen, 1999 waren es 112,7 Millionen Übernachtungen. In der Schweiz waren es 1996 66 Millionen und 1999 68 Millionen, um 2 Millionen mehr. In Südtirol waren es 1996 95,3 Millionen und im Jahre 1999 nur 23 Millionen Übernachtungen. In Bayern waren es 26,7 Millionen im Jahre 1996, im Jahre 1999 27,1 Millionen. – Eine parallel laufende Entwicklung in allen mitteleuropäischen Ländern!


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Herr Abgeordneter Wittmann, ich habe in meinem Debattenbeitrag – das können Sie auch im Protokoll nachlesen – gesagt, dass im Burgenland 66,7 Prozent der Regionen mountainbiketauglich sind. Ich habe nur gesagt, dass im Seewinkel die zusammenhängenden Waldflächen und die Forststraßen fehlen, dass man im Seewinkel auf Grund der geographischen Bedingungen nicht mountainbiken kann. – Bevor man eine tatsächliche Berichtigung macht, sollte man an und für sich schon auch den genauen Wortlaut der zu berichtigenden Aussage kennen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 954 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 117.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Sportangelegenheiten, seinen Bericht 956 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Sportangelegenheiten, seinen Bericht 955 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Zustimmung sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

5. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Petition (2/PET) betreffend Mobilfunk, überreicht von den Abgeordneten Mag. Johann Maier, Dr. Gabriela Moser und Dr. Martin Graf,

den Antrag 55/A der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Telekommunikation (Telekommunikationsgesetz – TKG) BGBl. I Nr. 100/1997, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 27/1999, geändert wird, sowie

den Antrag 213/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forschungsprogramm über Auswirkungen von GSM-Emissionen (913 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Eder mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

12.44

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Art der Behandlung der Mobilfunk-Petition durch die Regierungsfraktionen im Verkehrsausschuss war an und für sich schon ein Skandal.


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Es wurde endlos Zeit verschwendet, die Behandlung der Petition wurde aufgeschoben und dann eigentlich relativ rasch durchgezogen. Die Petitionsführer wurden überhaupt nicht gehört, und die Regierungsfraktionen kamen mit einer vorgefassten Meinung und mit einem den Interessen der Bürger, aber auch den Interessen der Industrie absolut nicht entsprechenden Antrag. Es ist daher selbstverständlich, dass die SPÖ dieser unbefriedigenden Entschließung, die nichts, aber auch wirklich gar nichts bewirken wird, nicht zustimmen wird.

Ich möchte hier den Standpunkt unserer Fraktion noch einmal verdeutlichen. Aus unserer Sicht sollten jedenfalls einerseits der Schutz der Bevölkerung gewährleistet sein, die Umwelt geschützt werden und eine effektive Beteiligung der Bürger sichergestellt werden, andererseits aber auch ein funktionierendes UMTS-Netz aufbaubar sein. Dabei befindet sich die Koalition in einem selbst verursachten Notstand, denn Sie, Frau Bundesministerin, haben es in jedem Fall verabsäumt, bisher eine entsprechende Strahlen-Grenzwerteverordnung zu erlassen. Somit fehlt einerseits der Industrie die Rechtssicherheit, der Aufbau des UMTS-Netzes ist gefährdet, andererseits kommt es in den Ländern zu einem Wildwuchs von Regelungen, weil die Bürger sich nicht ausreichend geschützt fühlen.

Dies wird und wurde von der SPÖ in den letzten zwei Jahren immer wieder kritisiert. Sie, Frau Minister Forstinger, haben bis zum heutigen Tag das Chaos im Bereich der Handy-Masten zugelassen und damit auch mit zu verantworten.

Diese Ihre Untätigkeit reiht sich in eine Fülle von anderen Tätigkeiten, mit der Sie die Regierung immer wieder in größte Schwierigkeiten bringen:

Ich habe zum Beispiel gehört, dass die Postuniversaldienstverordnung gestern oder heute unterschrieben worden ist, was aber weiters keinerlei Auswirkung darauf hat, dass die Postämter jetzt reihenweise geschlossen werden.

Es gibt kein neues Telekom-Gesetz – daher eine Stagnation in der Branche. Es gibt keine wirklichen politischen Vorgaben für den jetzt vorgestellten Bundesverkehrswegeplan – daher ein unfinanzierbarer Moloch mit falschen Prioritätensetzungen. Im heutigen "Standard" kann man schon über die ersten Korrekturen, die wir prophezeit haben, lesen.

Es gibt keine Klage mit aufschiebender Wirkung bei den Ökopunkten – daher weiterhin ungehemmter Transitverkehr.

Und an einem In-Kraft-Treten des Road-Pricing im Jahr 2002 zweifeln auch immer mehr Experten. – Wahrlich eine "erfolgreiche" Zweijahresbilanz dieser Koalition, vor allem im Verkehrs- und Infrastrukturbereich!

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung schadet den Interessen Österreichs und gefährdet somit auch den Wirtschaftsstandort. Fehlentscheidungen auf dem Mobilfunksektor führen diese Regierung aber in eine besondere Sackgasse. Einerseits haben allein für den UMTS-Ausbau die Firmen mehr als 11 Milliarden Schilling an Konzessionen bezahlt – dies für das Recht, ein UMTS-Netz in Österreich errichten zu dürfen –, aber jetzt blockieren mittlerweile mehr als 600 Bürgerinitiativen in ganz Österreich den Ausbau.

Tatsache ist somit, dass UMTS-Investitionen von bis zu 50 Milliarden Schilling in Österreich in der Luft hängen. Sechs Konsortien haben bereits angekündigt, den bezahlten Konzessionsbetrag von 11,4 Milliarden Schilling vom Staat zurückzufordern. Wenn dies so weitergeht, dann wird der Finanzminister diesen Betrag womöglich zurückzahlen müssen.

Gleichzeitig sind aber auch die Modernisierung der Telekom-Infrastruktur in ganz Österreich und damit die Lebensqualität und der Wirtschaftsstandort Österreich gefährdet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf dem Telekom-Sektor wird jetzt vom Regulator auf Basis einer Gesetzeslage agiert, welche sich durch die Marktlage mittlerweile überholt hat. Das hat auch äußerst negative Auswirkungen auf die Telekom Austria, denn von einem Monopol


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kann bei einem Marktanteil von knapp über 40 Prozent etwa im Mobilfunkbereich wohl kaum mehr die Rede sein.

Vielmehr sind wir vor die Situation gestellt, dass die größten europäischen Unternehmungen wie die Deutsche Telekom, die Telecom Italia, die spanische Telefónica in Österreich tätig sind, sodass es eigentlich bereits längst darum geht, das nationale, viel kleinere Unternehmen Telekom Austria durch Gleichbehandlung im Wettbewerb zu schützen. Daher ist eine Abkehr von der jetzigen asymmetrischen Regulierung notwendig, sonst droht auf Sicht ein Oligopol mit steigenden Telekom-Preisen und steigenden Telefonpreisen für alle Konsumenten in Österreich und andererseits ein ernstes wirtschaftliches Problem innerhalb der Telekom Austria.

Das heißt im Klartext: Vernichtung öffentlichen Eigentums, Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen im High-Tech-Sektor in Österreich, Zerstörung des nationalen Unternehmens und damit Verlust des nationalen Einflusses auf einen strategisch wichtigen Wirtschaftssektor.

Es ist heute ein Antrag vorbereitet worden, mit dem wir das regulieren wollen. Ich hoffe, dass dieser Antrag angenommen wird.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Glauben Sie mir, die SPÖ freut sich nicht über diese Problematik in der Telekom-Politik, sondern hat bereits mehrfach angeboten – und ich wiederhole das –, bei einem Neuanfang in der Telekom-Politik im Interesse der Bevölkerung unseres Landes mitzumachen. Greifen Sie daher unser Angebot einer konstruktiven Opposition auf und arbeiten Sie mit uns im Interesse Österreichs und seiner Bevölkerung! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

12.50

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Eder! Ich bin auch für konstruktive Haltungen in sensiblen Materien. Das, was allerdings jetzt von dir kam, war nicht besonders konstruktiv, sondern war populistische Oppositionspolitik. Das muss ich dir leider sagen. Ich hätte mir eigentlich einen Beitrag von dir erwartet, der eher jener Linie entspricht, die wir im Ausschuss gemeinsam gefunden haben. Aber ich will auch nicht abseits vom Thema reden, sondern zur Mobilfunk-Petition zurückkehren.

Wir haben dieses Thema sicherlich nicht leichtfertig abgehandelt, haben ganz bewusst das Thema Mobilfunk-Petition mehr als einmal vertagt, weil es hier immer wieder einen neuen Erkenntnisstand gibt und weil uns – uns als Freiheitlichen und uns als Regierungsparteien – die Anliegen der Bevölkerung wirklich am Herzen liegen und wir mit diesem Gut nicht leichtfertig umgehen wollen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die ganze Materie hat wie viele andere komplexe Materien zwei Facetten, zwei Gesichter. Die eine Komponente sind die Ängste der Bevölkerung, die im Hinblick auf die Frage bestehen: Gibt es eine Gesundheitsgefährdung oder gibt es keine? Die zweite Komponente ist dieser eher unappetitliche Wildwuchs im Bereich der Sendeanlagen und Handy-Masten, die natürlich als störend empfunden werden. Es ist ganz klar: Wenn heute jemand einen Vertrag für ein Reihenhaus oder eine neue Wohnung unterschreibt, im guten Glauben, zukünftig in einer schönen Landschaft, in einem Erholungsgebiet zu leben, und dann einzieht und auf einmal eine Sendeanlage vor dem Haus stehen hat, dann hat das natürlich eine eigentumsrechtliche, auch eine privatrechtliche Komponente, die man einfach nicht so leichtfertig hinnehmen kann.

Ich muss daher sagen, dass in der Vergangenheit mit diesem Thema relativ salopp umgegangen worden ist. Nur, Herr Kollege Eder, jetzt die Frau Bundesminister dafür verantwortlich zu machen und zu sagen, sie habe eigentlich den Wildwuchs dieser Sendeanlagen zu


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92. Sitzung / Seite 74

verantworten, das ist schon mehr als populistisch, das ist einfach unseriös. (Abg. Parnigoni: 15 Jahre hat die FPÖ ausschließlich populistisch agiert!)

Meine Damen und Herren! Die GSM-Entwicklung hat im Jahr 1995/96 gestartet, da wurden keine Vorkehrungen getroffen, und da waren sozialdemokratische Minister am Ruder! Lassen wir doch einmal die Kirche im Dorf, und kommen Sie nicht immer mit der gleichen Leier! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edlinger: Sehr populistisch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann jetzt über die Petition urteilen, wie man will. Es sind sehr viele ernst zu nehmende Punkte darin enthalten, aber es sind auch viele Punkte drinnen, die man nicht 1 : 1 umsetzen kann, jedenfalls nicht kurzfristig.

Ein Punkt in der Petition – das möchte ich ganz klar festhalten –, ein besonders kritischer Punkt, der meines Erachtens nicht umsetzbar ist, ist die Forderung nach Einführung des Salzburger Vorsorgewertes mit einer Leistungsflussdichte von 1 Milliwatt pro Quadratmeter. Derzeit liegt die Empfehlung der WTO bei 4,5 Watt pro Quadratmeter Leistungsflussdichte. Wenn man diesen Salzburger Vorsorgewert einführt, dann steht der Mobilfunkbetrieb nicht nur in urbanen Gebieten, sondern auch auf dem Land still. Dieser Punkt ist sicher nicht umsetzbar.

Wo wir uns aber sehr wohl finden können, das sind alle jene Fragen, bei denen es darum geht, dass wir uns bemühen müssen, die Anrainerrechte besser zu schützen. Wir müssen dafür sorgen, dass es diesen Wildwuchs nicht mehr länger in dieser Form gibt, dass es nicht möglich ist, einfach irgendwo eine Sendeanlage hinzustellen. Ich glaube, der Ansatzpunkt muss sein, dass wir die Bürgermeister stärker verpflichten, vor Ort einen Interessenausgleich herbeizuführen, dass das Prinzip des Site-Sharing nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, sondern dass wir hergehen und den Leuten sagen: Da ist eine geeignete, bestehende Sendeanlage, und da setzt man einen zweiten Sender drauf. Damit nimmt man der Bevölkerung viele Ängste, und das erscheint mir wichtig.

Eines wollen wir aber nicht: Wir wollen keine Verunsicherungspolitik betreiben, wir wollen den Leuten, die vielfach auch auf das mobile Kommunikationsinstrument Handy angewiesen sind, nicht das Gefühl geben, es werde alles zusammenbrechen, da haben wir eben Pech gehabt.

Einige radikale Salzburger Ärzte fordern ja so etwas wie einen "Handy-Betrieb light". Meine Damen und Herren, das kann sich Österreich abschminken, denn dann steht die Konjunktur-Lokomotive GSM-Technologie völlig still, und diese wird weiterhin eine sehr wichtige sein.

Daher haben wir, meine Damen und Herren, diese ganze Debatte mit Augenmaß zu führen, Augenmaß erscheint mir ganz wichtig. Es muss vernünftige Lösungen geben, die wir auch umsetzen können, und wir werden ein Problem nach dem anderen in Angriff nehmen. Aber zu sagen, das ist ein Problem, das eigentlich nur die Frau Bundesminister betrifft, also den Bereich reiner GSM-Funk, das geht an der Realität vorbei.

Wir werden eine Regelung brauchen, so etwas wie ein einheitliches Bundesimmissionsschutzgesetz, ein Gesetz, das sich eben nicht nur mit der Strahlung im Bereich der GSM- oder UMTS-Technologie auseinander setzt, sondern darüber hinaus geht und alle möglichen Arten von Emissionsquellen erfasst. Darüber müssen wir ausgiebig diskutieren, das ist eine übergreifende Materie, das betrifft mehrere Ministerien, aber federführend müsste in diesem Bereich natürlich das Umweltministerium tätig sein. Das muss auch einmal ganz klar ausgesprochen werden.

Ich bin davon überzeugt, dass von allen beteiligten Ministerien entsprechende Bemühungen unternommen werden, sodass wir schließlich und endlich zu einer solchen Lösung kommen werden. Ich halte das für positiv im Sinne Österreichs und auch für positiv für den Standort Österreich, für den diese Frage auch sehr wichtig ist. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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92. Sitzung / Seite 75

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

12.57

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Namentlich könnte ich jetzt auch noch sagen: Sehr geehrte Frau Kollegin Aumayr! Sehr geehrter Herr Kollege Böhacker! Sehr geehrter Herr Kollege Bösch!, und so weiter. Ich könnte jetzt sozusagen das ganze "freiheitliche Alphabet", was Abgeordnete anlangt, bis zu "Zierler" durchgehen, aus einem ganz einfachen Grund: weil Sie persönlich das unterschrieben haben – nämlich die Mobilfunk-Petition –, was Sie persönlich heute durch Ihr Aufstehen ablehnen werden.

Für mich ist es wirklich ein unglaubliches politisches Schauspiel, wie schnell Sie zu Wendehälsen werden, wenn Sie in der Regierung sind, wie Sie vorher die Anliegen der Bevölkerung ernst nehmen, aber dann, wenn Sie die Möglichkeit hätten, in den Reihen der Nationalratsabgeordneten oder auf der Regierungsbank in dieser Richtung wirklich etwas zu unternehmen, das Gegenteil machen.

Einen darf ich allerdings seriöserweise ausnehmen: Der Kollege Firlinger hat diese Petition nie unterschrieben, und er hat vorher so gesprochen, wie er nachher spricht. Das muss man der Fairness halber festhalten. Aber diejenigen, die zuerst unterschrieben haben und dann dagegen stimmen, sind meines Erachtens keine würdigen Vertreter der Anliegen der Bevölkerung. Das ist einmal festzuhalten. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm. )

Es wäre noch ein vergleichsweise geringes Problem, wenn man die Unterschriften freiheitlicher Mandatare nicht ernst nehmen muss. Das wäre ein geringeres Problem. Aber dahinter steht ja ein gewichtigeres Problem, nämlich das Ernstnehmen der Anliegen von Tausenden von Menschen, die sich als gefährdet sehen.

Ich möchte keinerlei Angstmache oder Panikmache betreiben, ich wiederhole nur das, was mir gesagt worden ist, und ich weise darauf hin, dass es, was wissenschaftliche Forschungen und Untersuchungen in diesem Bereich anlangt, ein Defizit, einen Mangel und einen Nachholbedarf gibt.

Der österreichische Staat riskiert es, ohne das Risiko wissenschaftlich abgeklärt zu haben, eine eventuell risikobehaftete Technologie massiv zu forcieren und dafür auch noch Milliarden zu kassieren. Das ist auch der Vorwurf an die Vorgängerregierung, das muss man redlicherweise dazusagen. Das ist auch das Versäumnis sozialdemokratischer Minister, die die Tür für eine neue Technologie öffneten, ohne vorher abzuklären, inwieweit nicht doch gesundheitliche Bedenken anzumelden sind. Und da hakt auch die Petition ein, und hier wird immer wieder von meiner und unserer Seite der Finger in die offene Wunde der Bedürfnisse der Bevölkerung gelegt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Wer von euch hat kein Handy?)

Ich lasse mich zwar anrufen, sage aber sofort: Rufen Sie auf der Festnetzleitung zurück! (Lebhafte Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das glaubt Ihnen kein Mensch!) Ich sage es ganz ehrlich, ich war die letzte Abgeordnete der Grünen, die auf dieses Gerät zurückgegriffen hat, einfach deshalb, weil man im Prinzip durch diese Technologie nur Befehlsempfänger ist. Das sage ich Ihnen auch. Und das stammt nicht nur aus meinem Mund, sondern das habe ich auch schon den Bemerkungen anderer Abgeordneter entnommen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Aber nun zurück vom persönlichen Bereich zum sachlichen, fachtheoretischen Bereich. Es hat ja schließlich auch das Bundeskanzleramt festgestellt: "Keine Normungsbehörde hat Expositionsrichtlinien mit dem Ziel erlassen, vor langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen, wie einem möglichen Krebsrisiko, zu schützen." – Das sagt auch das Bundeskanzleramt. Und das nehmen Sie einfach so hin und missachten die Anliegen von Tausenden von AnrainerInnen, die endlich Vorsorgewerte, endlich Forschung und endlich Bürgerrechte und demokratiepolitische Einbindung haben wollen!? Das ist eine Diskrepanz, die mich jedes Mal wieder empört!

Ich kann nämlich noch darauf hinweisen, dass sehr wohl auch Mediziner verschiedener Richtung auf der Seite der Betroffenen und auch auf unserer Seite stehen. Denken Sie an Herrn Dr. Gerd Oberfeld, Umwelthygieniker des Landes Salzburg, auch Beauftragter der Ärztekammer


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im Bereich Umwelt. Er hat immer wieder herausgestrichen, dass eine intensive Befassung notwendig ist, und hat bei Ihnen, Frau Minister, auch eine Art kleines Forschungsvorhaben beantragt. Bis jetzt hat er keine Antwort! Es handelt sich da um 1 Million Schilling, damit er die Nieder- und Hochfrequenzbelastungen in einem abgezirkelten Bezirk oder Raum näher untersuchen kann, damit dann diese Ergebnisse die Grundlage für die weitere Vorgangsweise werden können. Aber selbst die Grundlage zu erarbeiten ist nicht möglich, weil Sie das anscheinend nicht wollen. Und das verstehe ich nicht.

Fragen Sie Herrn Mag. Weidlinger; ich habe kürzlich mit ihm darüber telefoniert! Ich verstehe nicht, dass man das Schaffen von Facts verhindern will, nur weil man die Steigbügel für eine Industrie hält, von der Sie, Herr Kollege Firlinger, sagen, das sei eine – ich zitiere – "Konjunkturlokomotive". Schauen Sie sich doch international die Bilanzen der ganzen Telekombranche an! Aus ist es mit der "Konjunkturlokomotive"! Im Gegenteil: Hoch verschuldet sind diese Unternehmen, und im Endeffekt sind die Investoren mit dieser Technologie nicht nur ein hohes Risiko eingegangen, sondern wahrscheinlich haben sie auch mit großen Verlusten zu rechnen. Das ist keine "Konjunkturlokomotive"! (Beifall bei den Grünen.)

Wir gefährden auch keinerlei österreichische Arbeitsplätze, wenn wir hier Vorsicht walten lassen. Für diese Vorsicht plädiere ich, und deshalb sind wir auch immer wieder Unterstützer und Vorantreiber dieser Mobilfunk-Petition gewesen, wobei wir uns in bester Gesellschaft befinden – in Gesellschaft der Ärzte, in Gesellschaft des Obersten Sanitätsrates. Diesen kann ich Ihnen auch zitieren. (Abg. Wattaul: Wieso telefonieren Sie denn überhaupt noch mit einem Handy, wenn es so schädlich ist?)  – Ich habe gesagt, ich lasse mich zurückrufen! Ich lege sofort auf und lasse mich immer zurückrufen. – Der Oberste Sanitätsrat hat am 18. November 2001 gesetzliche Maßnahmen gefordert, um die Betreiber zu einer Minimierung der elektromagnetischen Belastung anzuhalten.

Lesen Sie auch internationale Studien, wie etwa die von Herrn von Klitzing! Oder schauen Sie sich einmal die bayrische Rinderstudie an, die das Umweltamt in Bayern durchgeführt hat! Tiere sind psychologisch nicht so massiv zu beeinflussen wie Menschen. Diese bayrische Rinderstudie hat Tatsachen ans Licht gefördert, die wirklich sehr bedenklich sind. Da ist es zu mangelnder Fruchtbarkeit gekommen, da haben die Kühe nicht mehr so viel Milch gegeben, da ist es dazu gekommen, dass 80 Mal mehr Missgeburten zu verzeichnen waren. Das ist alles in dieser Studie der bayrischen Staatsregierung nachzulesen. Da hat es sehr viele Totgeburten gegeben. Da hat es zehnmal höhere Geburtenraten von Zwillingen gegeben, also abnormes Verhalten. – Und das alles wird unter den Tisch gekehrt und nicht ernst genommen?! Forschungsbedarf besteht ja laut Ihrer Ansicht nicht, denn sonst würden Sie ja nicht die Mobilfunk-Petition und unseren Antrag ablehnen.

Herr Kollege Kukacka, Sie haben sicherlich auch die "Österreichische Gemeinde-Zeitung" bekommen. (Die Rednerin hält eine Ausgabe der "Österreichischen Gemeinde-Zeitung" in die Höhe.) In dieser wird sehr seriös dargelegt, welche Bedenken bestehen und welche rechtlichen Schwierigkeiten und – das muss man wirklich sagen – Missstände und Lücken es gibt. Sie können immer wieder darauf hinweisen, dass das Sache der Bauordnung und somit Landesangelegenheit ist. Sie wissen aber genau, die gesundheitlichen Aspekte sind Bundesmaterie, und da haben wir hier im Nationalrat Handlungsbedarf. Aber Sie weisen das ab, Sie stimmen es nieder, obwohl Sie zum Beispiel unterschrieben haben. (Abg. Mag. Kukacka: Ich habe nicht unterschrieben!) Das ist eine Verhaltensweise, die ich in keiner Weise akzeptieren und dulden kann.

Auf Länderebene hat man jetzt teilweise Versuche gemacht, zumindest eine Bauverhandlung herbeizuführen und die Nachbarn zu informieren. Und was macht Herr Kollege Firlinger? – Er schiebt den ganzen schwarzen Peter den armen Bürgermeistern – und das sage ich bewusst – in die Schuhe. Gerade in der ÖVP gibt es viele Bürgermeister, die dann das auslöffeln müssen, was Sie ihnen hier mit dieser mangelhaften Gesetzeslage einbrocken. Es gibt für die Bürgermeister einfach keine rechtlichen Möglichkeiten, sie können nur privatrechtliche Vereinbarungen, wenn die Betreiber es wollen, also auf Goodwill-Basis, am Verhandlungstisch erzielen. Die andere Variante, nämlich so lange zu warten, bis wir ein Bundes-Immissionsschutzgesetz


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haben, ist für Sie selbst, glaube ich, nicht sehr realistisch, weil das eine langfristige Geschichte ist. Sie kennen ja den Vorlauf, den ein großes Bundes-Immissionsschutzgesetz hat.

Ich bin ja schon seit dem Jahre 1985 mit diesem Thema, was den Schutz vor Immissionen aus schadstoffreichen Betrieben anlangt, beschäftigt. Das ist eine Sache, die nicht nur auf die lange Bank geschoben wird, sondern wo am Ende der Sankt-Nimmerleins-Tag steht. Angesichts der Tatsache, dass innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre ein neues UMTS-Netz über ganz Österreich ausgebreitet wird, das auf Grund der Versteigerungsbedingungen von der Republik vorgeschrieben ist, kann man nicht auf dieses Gesetz warten. In diesen zwei Jahren wird wahrscheinlich diese Technologie Hals über Kopf verbreitet werden, werden sich die Ängste der Bevölkerung weiter steigern, beziehungsweise werden dann nach den Latenzzeiten die Auswirkungen der gesundheitlichen Belastung auf die Einzelperson immer deutlicher werden.

Diese zwei Jahre sind für mich im Hinblick auf ein Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht einfach so abzuwarten, sondern sie sind für mich Handlungsspielraum, damit Rechtssicherheit für die AnrainerInnen einkehrt – und auch Rechtssicherheit für die Betreiber, denn sie wollen diese auch. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

13.08

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir reden ja in den letzten zwei, drei Jahren wiederholt zu diesem Thema. Leider ist bisher niemand mit neuen Erkenntnissen zu diesem Thema hier vorgedrungen, allerdings haben einige ihre Meinung zu diesem Thema offensichtlich massiv geändert, zum Beispiel die sozialdemokratische Fraktion in diesem Haus. (Abg. Mag. Wurm: Dr. Graf!)

Als Kollege Parnigoni noch Verkehrssprecher war, hat er gesagt – und das ist ja wirklich einigermaßen peinlich, weil er vor nicht einmal zwei Jahren genau das Gegenteil von dem gesagt hat, was heute Kollege Eder gesagt hat; da kommt ja gerade Kollege Parnigoni herein –:

"Dazu ist festzuhalten, dass ... die Grenzwerte der WHO als durchaus ausreichend erscheinen. Wenn man die geforderten Grenzwerte", nämlich die Grenzwerte der Grünen, die im Übrigen auch in dieser Petition genannt werden, "umlegen würde auf die Verwendung der Handys, nämlich die Forderung, die die Grünen auch in ihrem Antrag erhoben haben" und noch immer erheben, "dann würde das bedeuten, dass man das Handy beim Telefonieren ungefähr zehn Meter weit weg vom Körper halten müsste! Das wird sich irgendwie nicht machen lassen." – Zitat Parnigoni.

Da gebe ich Kollegen Parnigoni vollkommen Recht. Das wird sich wirklich nicht machen lassen, und deswegen ist der Antrag der Grünen ein Unfug und würde auch zum völligen Zusammenbruch der Mobilkommunikation führen. (Abg. Dr. Moser: Es geht um die Sendemasten!)

Aber dass heute Kollege Eder das Gegenteil von dem sagt, was Kollege Parnigoni gesagt hat, und jetzt auf einmal diese Mobilfunk-Petition unterstützt, zeigt doch, dass Sie hier eine Wendepolitik betreiben, die nichts damit zu tun hat, was sachliche Notwendigkeit ist, sondern rein mit politischem Opportunismus zu tun hat, meine Damen und Herren. Das ist das Abdanken jeder sachlichen Politik. Das möchte ich in diesem Zusammenhang gesagt haben, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.– Abg. Dr. Lichtenberger: Herr Kollege, Sie verwechseln doch auch nicht den Staubsauger mit der Steckdose!)

Dass die Grünen immer wieder versuchen, dieses Thema hier zu bringen, zeigt doch in erster Linie, dass es Ihnen auch darum geht, Ängste zu schüren. Sie verneinen das zwar, aber es geht Ihnen hier darum, die Ängste, die es natürlich in der Bevölkerung gibt, und die Emotionen für Ihre politischen Zwecke zu nutzen, meine Damen und Herren.

Ich kann wirklich von unserer Fraktion sagen, dass wir hier immer, von Anfang an, eine ganz klare Linie gehabt haben und diese auch durchgehalten haben. Wer immer da gekommen ist


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mit irgendwelchen Petitionen – ob das die Grünen waren, ob das sonstige Bürgergruppen waren, ob das Bürgermeister waren, die nicht in der Lage gewesen sind, das Problem in ihrer Gemeinde zu handlen –, wir haben immer die Meinung vertreten: Jawohl, die Ängste der Bürger müssen wir ernst nehmen, aber wir dürfen nicht mit diesen Ängsten Politik machen, wir müssen Emotionen abbauen, wir müssen informieren, weil wir wissen, dass es derzeit nach wie vor keine einzige Untersuchung gibt, die nachweist, dass von der Handy-Telefonie eine konkrete gesundheitliche Gefährdung ausgehen würde. (Abg. Dr. Lichtenberger: Zwei gibt es!)

Es gibt über 2 000  Untersuchungen weltweit! Tun wir doch nicht so, als ob das ein österreichisches Problem wäre! Die ganze Welt forscht auf diesem Gebiet! (Abg. Mag. Wurm: Wir nicht!) Überall, in allen Ländern – von den USA über Australien bis Österreich –, bemüht man sich, eben weil es überall diese Ängste gibt, nachzuprüfen, ob diese berechtigt sind, und keine einzige Untersuchung konnte wirklich ganz konkrete oder überhaupt nur konkrete Nachweise erbringen.

Selbstverständlich: Es gibt Befindlichkeitsstörungen, die auch Auswirkungen auf die Gesundheit haben. (Abg. Mag. Wurm: Ist das für Sie lächerlich?) Nein, das ist für uns überhaupt nicht lächerlich! Aber die Ursache für die Befindlichkeitsstörung ist die Angst vor der Telefonie, aber nicht die konkrete Auswirkung der Strahlung, meine Damen und Herren! Auch das haben diese Untersuchungen längst ergeben.

Und deshalb glauben wir, dass wir auch in Zukunft hier sachlich sein sollen und müssen, dass es aber selbstverständlich sinnvoll ist, wenn die Maßnahmen, die wir auch in unserem Entschließungsantrag fordern, durchgesetzt werden. Es machen es sich auch viele Bürgermeister zu leicht – auch das sage ich –, und es machen es sich auch die Länder viel zu leicht (Abg. Parnigoni: Das sind vor allem ÖVP-Bürgermeister! Denen müssen Sie das sagen, nicht uns!), denn wir haben hier die Möglichkeit schon längst geschaffen und die Länder auch aufgefordert, zum Beispiel dieses Site-Sharing wirklich durchzusetzen, nämlich die verschiedenen Anbieter zu zwingen, ihre Sendeanlagen tatsächlich auf einem Masten zu montieren. Da wird dann immer auf den Bund verwiesen, anstatt dass endlich in den Landesbauordnungen konkrete Maßnahmen getroffen würden und dieses Problem wirklich angegangen wird, meine Damen und Herren.

Niemand in diesem Haus will den Wildwuchs dieser Handy-Masten – das ist überhaupt keine Frage! Selbstverständlich wollen wir auch, dass es hier entsprechende Anrainerrechte gibt. Natürlich will niemand, dass neben seinem Haus so ein Mast steht; auch ich würde das wahrscheinlich nicht wollen. Aber selbstverständlich ist es möglich, dass es hier zu einem Konsens, zu einer gemeinsamen Lösung kommt, dass die Bürger eingebunden werden, dass das mit der Gemeinde abgesprochen wird und eine gemeinsame Lösung gefunden wird. – Die gesetzlichen Voraussetzungen jedenfalls haben wir dafür geschaffen. Jetzt geht es darum, dass das auch mit entsprechendem politischen Mut auf Gemeindeebene durchgesetzt wird, meine Damen und Herren. Das ist es, was wir wollen, und diese Politik werden wir auch weiter betreiben. (Abg. Dr. Moser: Und wenn die Betreiber nicht wollen?)

Klar ist: Die jetzt bestehenden Regelungen sind Regelungen, die modern und zeitgemäß sind, die dem Standard der Europäischen Union entsprechen, die durch die EU-Richtlinien gedeckt sind und die auch den Normen der Weltgesundheitsorganisation entsprechen. Das ist unser Stand in Österreich, und es wäre völlig unvertretbar, für Österreich irgendwelche Sonderregelungen in diesem Bereich zu suchen. Man würde uns international in dieser Frage nur auslachen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

13.16

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute wieder einmal über die Mobilfunk-Petition diskutieren, dann möchte ich schon erwähnen, dass diese Mobilfunk-Petition, die vor zirka zwei


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Jahren in den Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen gelangt ist, einerseits von Vertretern der FPÖ, der Grünen und der SPÖ eingebracht wurde und dass andererseits Landtage auch noch im letzten Jahr – im Jahre 2001 – Vier-Parteien-Anträge zu dieser Problematik einstimmig verabschiedet haben. Ich erinnere daran: der Kärntner Landtag, der Burgenländische Landtag, der Steiermärkische Landtag, der Salzburger Landtag, der Tiroler Landtag, der Landeshauptmann von Oberösterreich Pühringer. Es ist ein Problem, das sich von Vorarlberg bis ins Burgenland zieht, und daher ist es ernst zu nehmen.

Es ist uns damals in einer gemeinsamen Anstrengung – ich sehe Frau Abgeordnete Gatterer, Herrn Abgeordneten Kurzmann – gelungen, im Hauptausschuss eine parlamentarische Enquete zu diesem Thema anzuregen und diesen Beschluss auch durchzusetzen. Es war das eine Initiative unseres Ausschusses und eine wichtige und notwendige Maßnahme, denn bei dieser Enquete sind Experten, Expertinnen und die Bürgerinitiative, die Proponenten dieser Petition zu Wort gekommen. Ich glaube, das hat uns gedient und auch die Interessen der Bürgerinitiative, der Proponenten dieser Petition berücksichtigt, die forderten, dass eine parlamentarische Enquete zu diesem Thema veranstaltet wird. – So weit, so gut.

Nun sind zwei Jahre vergangen, aber es ist in Wirklichkeit nichts passiert, es ist fast nichts passiert. Und das ist der Vorwurf, den ich Ihnen jetzt mache. Damals, als wir diese Enquete veranstalteten, hat Ihr Vorgänger, Herr Bundesminister Schmid, noch eine Grenzwerteverordnung angekündigt – sie wurde dann nicht erlassen. Die Bürgerinitiativen sind froh darüber, weil sie sagen, sie wäre grob fahrlässig, vielleicht auch verfassungswidrig gewesen. Das, was einheitlich gefordert wird, Frau Ministerin, ist Rechtssicherheit: Rechtssicherheit in Bezug auf die Parteienstellung der Anrainer, der Mieter und Mieterinnen. Andererseits gibt es große Bedenken in Bezug auf die gesundheitlichen Auswirkungen. Und hier sind Sie säumig: Hier sind Sie säumig als Ministerin für Innovation und Verkehr, und hier ist auch die Ministerin für Wissenschaft säumig. Wieso gibt es denn nicht die entsprechenden Forschungsaufträge, damit wir mehr Sicherheit und Aufschlüsse darüber bekommen, was denn die Langzeitauswirkungen dieser Strahlungen sind? (Abg. Gaugg: So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht gehört!) – Dann sollten Sie hinausgehen, so wie viele Ihrer Kollegen – es ist ja sehr leer in Ihren Reihen. (Abg. Zweytick: Da drüben ist es auch nicht besser!)

Es ist notwendig, dass eine Langzeittechnologieforschung in diesem Bereich stattfindet. Wenn wir hier in Österreich nun – und so ist es auch in diesem Antrag zu lesen – warten, bis wir vom Ausland Ergebnisse bekommen, dann ist das zu wenig. Auch wir sollten unseren Teil beitragen, damit die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden können.

Ein anderes Faktum ist – Herr Kollege Eder hat schon darauf hingewiesen –, dass sehr viele Menschen einfach Probleme damit haben, wenn sie in der Früh aufwachen und ein so genannter Handy-Mast vor ihrer Tür steht. Das ist eine Abwertung! (Abg. Gaugg: Haben Sie ein Handy, Frau Kollegin?) Sie, Herr Abgeordneter Schwarzenberger, haben sich heute über den Eingriff in Eigentumsrechte beim Mountainbiken alteriert. Ist das nicht auch ein Eingriff in die Eigentumsrechte, wenn vor meinem Haus am Nachbargrundstück ein Handy-Mast aufgestellt wird, ist das nicht eine Abwertung des Grundstückes? – Das ist eine massive Abwertung! Ob es gesundheitlich bedenklich ist oder nicht, wissen wir noch nicht. Auch dieser Aspekt ist zu bedenken. (Abg. Schwarzenberger: Der Grundbesitzer muss gefragt werden, wenn ein Handy-Mast aufgestellt wird!)

Alles voller Handy-Masten! Hier muss evaluiert werden. Es sollten Pläne dahin gehend gemacht werden, wo diese Handy-Masten zu situieren sind, ob es denn gerade in der Nähe eines Kindergartens, einer Schule sein muss, wenn es diese Bedenken gibt, auch dann, wenn noch keine gesicherten Daten aus wissenschaftlichen Untersuchungen vorliegen. Daher meine ich, Frau Bundesministerin, dass es in diesem Falle einfach notwendig wäre, Maßnahmen zu setzen. Dadurch könnten der Bevölkerung viele Ängste genommen werden, und in so mancher Gemeinde gäbe es ein besseres Klima.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines bemerken: In einer Gemeinde im mittleren Zillertal ist es so weit gekommen – und das könnte auch die ÖVP interessieren –, dass in einer Kirche


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eine Handy-Sendeanlage situiert wurde. Dies hat zu beinahe bürgerkriegsähnlichen Situationen geführt. Der zuständige Pfarrer hat um Versetzung angesucht. Die Hälfte der Bevölkerung ist in eine andere Kirche gegangen. So weit ist es gekommen! Das ist kein Witz. Das ist nachzulesen, das können Sie dort sehen. (Abg. Gaugg: Bravo, da geht es zu!)

Ich glaube, dass das ernst zu nehmen ist. Ich meine, es ist notwendig, wieder Frieden in unsere Gemeinden zu bringen. Wir sollten nicht das tun, was Sie mit Ihrem Entschließungsantrag machen, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, und was Ihnen zum Beispiel auch die "Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt" konstatieren: Verzögern, verleugnen, verspotten. – So wird Ihre Politik in diesem Zusammenhang beschrieben. (Abg. Wattaul  – in Richtung Rednerin –: Gisi, warum telefonierst du so viel?)

Nehmen Sie sich ein Herz, Frau Ministerin! Beginnen Sie zu handeln! Sie würden viel für die Bevölkerung in diesem Sinne machen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Die SPÖ könnte mit gutem Beispiel vorangehen und alle Handys absammeln!)

13.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

13.22

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Mobilfunk-Petition ist, wie das meine Vorrednerin schon ausgeführt hat, sowohl im Petitionsausschuss als auch im Verkehrsausschuss sehr ausführlich behandelt worden.

Vor eineinhalb Jahren, also im Frühsommer des Jahres 2000, hat es dazu eine parlamentarische Enquete gegeben, die alle Aspekte, von der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die Sendemasten bis hin zu möglichen schädlichen Auswirkungen der Strahlen auf den menschlichen Körper, umfasst hat. Die Aussagen der damals anwesenden Wissenschafter stellten aber für die Politiker – und auf diese Feststellung lege ich schon Wert – keine schlüssige Entscheidungsgrundlage dar – das war eine wesentliche Erkenntnis dieser Enquete –, denn ein Mediziner hat dem anderen widersprochen. Die Experten haben durchaus die unterschiedlichsten Standpunkte und Hypothesen vertreten. Ein Beweis für die Richtigkeit der einen oder anderen Behauptung ist dabei unterblieben. Stundenlang wurde aus unterschiedlichen Gutachten zitiert, und jede Gruppe hat versucht, jene Argumente zu stützen, die ihren Standpunkt verteidigt haben, und die Argumente sozusagen der Gegenseite zu bestreiten oder zumindest in Zweifel zu ziehen. Daran kann, glaube ich, kein Zweifel bestehen. Jeder, der dort dabei war, wird mir das bestätigen.

An dieser Sachlage hat sich seither nichts geändert. Die Diskussion im Verkehrsausschuss hat sich, wie auch der Bericht des Ausschusses zeigt, nicht wesentlich von der im Petitionsausschuss unterschieden. Der vorgelegte und auch vorliegende Entschließungsantrag ist bestimmt ein Kompromiss. Die Regierungsparteien tragen aber damit der Enquete Rechnung, denn ein Ergebnis dieser Veranstaltung hier im Parlament war doch, dass von Mobiltelefonen eine Strahlenbelastung ausgeht. Der Nachweis, dass Mobiltelefone gesundheitsgefährdend wirken können, indem sie etwa die Funktion von Herzschrittmachern beeinträchtigen, kann nicht bezweifelt werden.

Deshalb ist eine einheitliche Strahlungskennzeichnung von Mobilgeräten eine logische Forderung, die die Frau Bundesminister auch sozusagen akzeptiert hat. Sie hat versprochen, das in diesem Falle zu beachten.

Was die Mobilfunkanlagen betrifft, die immer wieder zur Verunsicherung von Anrainern und zu Protesten geführt haben, hat die Frau Bundesministerin die Erlassung einer Grenzwerteverordnung in Aussicht gestellt.

Eines sollte hier aber nicht verschwiegen werden: Viele Forderungen, die die Petition enthält – und das wissen alle –, betreffen nicht den Bundesgesetzgeber. Die Bauordnungen oder auch


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der Landschaftsschutz sind Angelegenheiten der Länder und der Gemeinden, in die nicht einfach zentralistisch eingegriffen werden kann. Wichtig wird es in Zukunft sein, sicherzustellen, dass bei der Errichtung von Sendemasten die Anrainer rechtzeitig informiert werden und nicht überfallsartig überrascht werden, wie das in der Vergangenheit hin und wieder passiert ist. Das Ministerium sollte auch seinen Einfluss auf die Betreiber geltend machen, Sendemasten verstärkt gemeinsam zu nutzen. Schließlich ist es notwendig, die Forschungen hinsichtlich möglicher gesundheitlicher Schädigungen weiter voranzutreiben. Bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird man dann auch, aber erst dann, die Gesetzeslage diesen neuen Standards anzupassen haben.

Kollege Firlinger hat gesagt, es sei notwendig, in der Diskussion das richtige Augenmaß zu bewahren. Ich stimme dieser Feststellung nicht nur im Hinblick auf diese Diskussion zu. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Bundesministerin Dr. Forstinger. – Bitte.

13.26

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Aufgabe der Telekommunikationspolitik ist sicherlich die flächendeckende Versorgung mit Infrastrukturen, gleichzeitig aber auch den Schutz der Bürger entsprechend zu wahren. Dies ist eine sehr hohe Herausforderung, der wir uns natürlich gerne stellen.

Heute wurde angesprochen, es seien für die Wirtschaft die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben. Ich muss das ganz eindeutig dementieren. Das stimmt nicht. Es sind die Rahmenbedingungen gegeben. Wir haben entsprechende EU-Normen vorliegen. Es gibt eine ÖNORM, auf der die rechtlichen Rahmenbedingungen basieren, wodurch auch der wirtschaftliche Aspekt, der gerade vom Abgeordneten Eder angesprochen wurde, gegeben ist.

Es kann keine Ausrede sein, dass keine Grenzwerteverordnung vorliegt, sodass die Telekomindustrie nicht ausbauen könnte. Wir werden auch keine eigene Grenzwerteverordnung für den Bereich der Mobilfunktelefone und der Sendemasten erlassen, nicht zuletzt auch unterstützt von den vielen Bürgerinitiativen, denn auch sie wissen, es können keine politisch motivierten Grenzwerte erlassen werden.

Wir haben, gerade weil das Thema so sensibel ist und weil es im Gesundheitsbereich nichts zu verbergen gibt beziehungsweise alles zu schützen gilt, durch den Obersten Sanitätsrat ein Gutachten zur Mobilfunktelefonie erstellen lassen. In diesem steht ganz klar und deutlich, dass auf Grund der bisherigen Untersuchungen und Studien in der Mobilfunktelefonie kein wissenschaftlicher Hinweis auf biologische Schäden an Menschen und Tieren vorliegt.

Das heißt aber nicht, dass wir uns den Fragen, die an uns gestellt werden, verschließen. Ganz im Gegenteil: Ich habe auch immer angeboten, Fragen, die zu beantworten sind, die gemeinsam formuliert sind, auch entsprechend mit Forschungsergebnissen zu untermalen. Nur ist es leider bis heute nicht gelungen, einen einheitlichen Fragenkatalog zu formulieren. Es hat viele Gespräche gegeben, auch mit der Plattform der Mobilfunkbetreiber, und immer wieder musste eigentlich erkannt werden, dass die vorliegenden Untersuchungen ausreichen, um die Argumente zu bestätigen. Sollten neue gemeinsame Fragen formuliert werden, bin ich die Erste, die das unterstützt.

Insbesondere von Seibersdorf aus, einer Institution, die gerade in diesem Bereich der Messungen, auch der Untersuchungen der Strahlenbilanzen Vorreiterin ist, werden nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland Messungen durchgeführt, um der Bevölkerung gesicherte Daten zu geben. Wir werden auch wieder einen Bericht erstellen lassen, worin alle Studien, die es zu diesem Thema gibt, dargestellt werden. Dies könnte auch einen Beitrag dazu leisten, dass die emotionalen Diskussionen entflochten werden können und den Bürgerinnen und Bürgern die


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notwendigen Grundlagen gegeben werden, diese Aspekte auch auf sachlicher Ebene zu begründen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Emotionale Themen können auf sachlicher Ebene nicht behandelt werden. Das heißt, es wird einen laufenden und weiteren Dialog dazu geben müssen. Dazu sind wir auch bereit. Es liegen alle rechtlichen Grundlagen vor. Es kann auch nicht sein, dass man nur für einen Teil einer Belastung eine Grenzwerteverordnung erlässt, sondern – und diese Aspekte sind sicherlich sehr positiv und heute auch schon mehrmals angesprochen worden – es ist sicherlich ein Weg in die richtige Richtung, ein bundeseinheitliches Immissionsschutzgesetz zu erlassen (Abg. Dr. Moser: Das dauert!), und dem werden wir auch folgen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

13.30

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, einiges anzumerken. Zum einen halte ich fest, dass Kollege Eder nicht populistisch ist, sondern sich große Sorgen macht, und zwar vor allem auch deshalb ... (Abg. Dr. Ofner: Wo ist er überhaupt? – Abg. Schwarzenberger: Er telefoniert gerade mit dem Handy!)  – Ich komme darauf zurück. Er steht da. – Er macht sich große Sorgen, weil Sie im Besonderen eine sehr populistische Vorgangsweise gewählt haben. Wenn sogar Frau Riess-Passer die entsprechenden Petitionen mit unterschrieben hat und, wie Kollegin Moser gesagt hat, fast die gesamte FPÖ-Riege außer dem Kollegen Firlinger, der damals noch nicht in der FPÖ war und nicht unterschrieben hat (Abg. Mag. Firlinger: Es waren andere auch! Bitte genau nachlesen), dann sieht man ja ganz genau, wenn Sie einmal Blut geleckt haben, das heißt, die Macht gespürt haben, dann pfeifen Sie sich einfach nicht mehr um die Sorgen der Menschen.

Ein Zweites ist auch festzuhalten, und das hat mich jetzt schon etwas erschüttert, Frau Bundesministerin. Da gibt es ja dieses Sprichwort: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann bilde ich einen Arbeitskreis. Bei der FPÖ heißt es anders: Wenn ich mich nicht mehr aussiseh, dann schieb ich’s in ein Ministerium der ÖVP! – Das ist so die Linie, die die Frau Bundesministerin da geprägt hat, nämlich: Okay, jetzt brauchen wir irgendetwas, wo der Umweltminister zuständig ist. Pfui gack, das wollen wir nicht mehr! Das sollen jetzt die bösen Schwarzen erledigen. – So ist Ihre Politik, ganz genau so! (Abg. Mag. Firlinger: Der Blödsinn wird nicht wahrer, indem du den Blödsinn wiederholst, Parnigoni!)

Weiters – leider ist Kollege Kukacka nicht da –: Ich habe dem Kollegen Eder sehr genau zugehört, er hat mich in keiner Weise konterkariert. Und ich stehe auch zu dem, was ich damals gesagt habe, nämlich dass ich die Salzburger Werte für nicht umsetzbar halte. Das ist überhaupt keine Frage. Das hat ja auch Kollege Eder in keinster Weise erwähnt. Aber Kollege Kukacka hat das ja so an sich, er hört immer nur zur Hälfte zu und erzählt dann immer etwas, was meistens nicht stimmt.

Meine Damen und Herren! Was mich bei der ganzen Angelegenheit besonders erschüttert, ist, dass die Frau Bundesministerin so drüberschlenzt und so irgendwie meint, wir werden keine ... (Abg. Dr. Mertel: Wie heißt das oberösterreichisch?) Ich kann das nur niederösterreichisch sagen. Wie dies auf Oberösterreichisch heißt, darüber bin ich nicht informiert! (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: Sagen Sie doch einmal etwas Konkretes! Das ist doch nur Polemik!)

Auf alle Fälle war sie der Meinung, dass die Rahmenbedingungen in Ordnung sind und dass sie in keinster Weise eine entsprechende Verordnung erlassen will. Und da möchte ich sie schon wirklich fragen, wie sie sich die Zukunft des Telekom-Marktes vorstellt. Jetzt hat Salzburg eine Verordnung mit den bekannten Grenzwerten erlassen. Andere Bundesländer werden ebenfalls entsprechende Möglichkeiten nutzen, auch irgendetwas zu erlassen, und dann sollen sich die Investoren, die 10 Milliarden, 11 Milliarden für die Konzessionen hingelegt haben, die 50, 60 Milliarden Schilling investieren sollen (Abg. Mag. Firlinger: Du hast geglaubt, es werden 60 Milliarden werden!)  – schau, das soll man wirklich ernst abhandeln! –, in diesem Wirrwarr von rechtlichen Gegebenheiten orientieren. Und da, meine Damen und Herren, kann ich der


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FPÖ nicht folgen und verstehe daher auch diese Handlungsweise nicht. Das, was Sie da heute vorgelegt haben, dient sozusagen eigentlich nur dazu, in irgendeiner Art und Weise der Bevölkerung und den Betroffenen Sand in die Augen zu streuen.

Schutz der Bevölkerung, das ist uns sehr wichtig, auch die Beteiligung der Bürger. Das steht unserer Meinung nach nicht im Gegensatz zum Ausbau der Telekom-Netze, vor allem auch im Bereich des UMTS. Ich darf daran erinnern, dass wir schon bei der Beschlussfassung des Telekomgesetzes im Jahr 1997 gewusst haben, dass sich das dynamisch weiterentwickeln muss. Daher haben wir auch im Jahr 1999 entsprechende Maßnahmen beschlossen, damit die Betreiber gezwungen sind, die Masten gemeinsam zu nutzen. Leider haben durch die Ministerwechsel, durch die Rotationen im Verkehrsministerium, wo einer nach dem anderen kam, zwei Jahre lang keine besonderen Aktivitäten gesetzt werden können. Daher haben wir bis heute keine entsprechende Verordnung. Und Sie weigern sich ja auch, dieses wichtige Instrument zu erlassen.

Meine Damen und Herren! Ein letzter Punkt, der mir persönlich sehr, sehr wichtig ist: Ich habe immer den Ausbau des UMTS-Netzes und der Telekommunikation ganz generell als eine Maßnahme gesehen, die auch regionalpolitisch von großer Bedeutung ist. Und, meine Damen und Herren, ich halte es für eine große Chance, vor allem für Regionen wie das Waldviertel, dass man dann die Möglichkeit hätte, von Bundes- und Landesstellen entsprechende Einrichtungen in periphere Regionen zu verlegen und mit einer entsprechenden Datenleitung die Anbindung zu schaffen. UMTS schafft große Datenmengen in hoher Geschwindigkeit. Es wären die Landesregierungen und die Bundesregierung aufgefordert, diesbezüglich Aktivitäten zu setzen.

Wir im Waldviertel brauchen diese Chance – ich sage das ganz offen –, weil der Gmünder Bezirk im Jänner des Jahres 2002 eine Arbeitslosenrate von mehr als 15 Prozent aufweisen wird. Das ist ein Skandal schlechthin. Wir verlieren auch eine große Zahl von Arbeitsplätzen und haben massiv Betriebsschließungen hinzunehmen.

Dass wir im Generalverkehrsplan der Frau Minister Forstinger nicht vorkommen, ein weißer Fleck sind, ist etwas, was uns ganz besonders erschüttert. Wenn der Landeshauptmann von Niederösterreich herumgeht und irgendetwas von der Top-Ten-Region erzählt, dann kann ich nur lachen. Er hat aber in einem Recht: Wir sind Top Ten bei der Arbeitslosenrate, bei der Abwanderung, beim Verlust von Arbeitsplätzen und beim Zusperren von öffentlichen Einrichtungen.

Frau Landespartei-Geschäftsführerin! Das können Sie alles fest mitschreiben. Berichten Sie das Ihrem Herrn Pröll! Er soll endlich Gas geben und etwas für periphere Regionen tun! Und Sie, Frau Minister, handeln Sie endlich, sodass die Industrie entsprechend ausbauen kann, damit wir in Österreich eine fortschrittliche Infrastruktur auch im Telekommunikationsbereich haben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Mikl-Leitner. – Bitte.

13.37

Abgeordnete Mag. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Zum Kollegen Parnigoni: Ich glaube, Sie haben bis heute noch immer nicht begriffen, dass Generalverkehrsplan nicht Detailplan heißt. Sie sollten sich das meiner Ansicht nach noch einmal anschauen, und dann sollten Sie sich vielleicht einmal überlegen, was die Verländerung der Straßen für Niederösterreich, insbesondere fürs Waldviertel, heißt, denn da profitiert vor allem das Waldviertel. (Abg. Parnigoni: Das trauen Sie sich aber nicht im Waldviertel zu erzählen! Das ist eine Frechheit, so etwas!)

Aber nun zurück zum aktuellen Thema, zum Mobilfunk. Gerade dieses Thema hat der Opposition in den letzten Monaten wieder einmal Gelegenheit gegeben, Verunsicherung zu erzeugen, Ängste zu schüren, und das ist einfach nicht korrekt. Allein wenn die Bevölkerung das Wort


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"Strahlung" hört, verbindet sie es meiner Meinung nach ohnedies mit radioaktiven Strahlen, was in keinster Weise gegeben ist, sondern man sollte eben an nichtionisierende elektromagnetische Wellen denken.

Ich appelliere an die Opposition, an dieses Thema mit mehr Ernsthaftigkeit und weniger Polemik heranzugehen und endlich einmal einen konstruktiven Beitrag zu leisten, denn ich glaube, Angstmache, so wie sie Sie betreiben, kann wirklich krank machen. (Abg. Mag. Firlinger: Schäm dich, Parnigoni!) Und das kann wohl nicht in Ihrem Interesse sein, denn wir alle wissen, dass wir hier in einem sehr, sehr sensiblen Bereich agieren, wo es Emotionen und Sorgen gibt. Daher sollten wir diese Sorgen einfach ernst nehmen.

Ich darf auch jetzt die Gelegenheit nutzen, noch einmal zu betonen, dass das Problem Mobilfunk kein neues Problem ist, dass dieses Problem seit Jahren diskutiert wird, und zwar selbstverständlich auf breiter Ebene. Dies ist ja auch selbstverständlich und ganz klar, weil dieser Markt einfach ein wachsender ist.

Ich darf noch einmal an Herrn Parnigoni mein Wort richten, und zwar darf ich ihn an die frühere Position der SPÖ erinnern. Ich darf Sie nur daran erinnern, dass die SPÖ jahrelang gerade in diesem Bereich sehr zurückhaltend war, dass gerade in diesem Bereich zig SPÖ-Minister verantwortlich waren und dass hier jahrelang nichts gemacht worden ist, dass also im wahrsten Sinne des Wortes viel an Regelungsbedarf verschlafen worden ist. Das nur zur Erinnerung! Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist meiner Ansicht nach nicht die Aufgabe eines Politikers, der Bevölkerung Angst zu machen, sondern seine Aufgabe ist es, für die Bevölkerung nach konstruktiven Lösungen zu suchen. (Abg. Parnigoni: Der Bevölkerung einen Schmäh erzählen, das ist Ihre Aufgabe!) Gerade wir in Österreich – Sie sollten das wissen – halten uns an Richtlinien, die innerhalb der Europäischen Union gelten, die aber auch seitens der WHO kommen.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist meiner Ansicht nach die einheitliche Kennzeichnung der Mobilfunktelefone, denn in diesem Fall kann dann jeder Konsument selbst entscheiden, welche Werte für ihn akzeptabel oder nicht akzeptabel sind. Ein entscheidender Schritt war auch die Vereinbarung zwischen dem Österreichischen Gemeindebund und den Mobilfunkbetreibern, wo einiges geregelt worden ist und wo man sich zum Ziel gesetzt hat, für aktive Information zu sorgen, denn letztendlich halte ich diese aktive Information für den Schlüssel zur Vermeidung von Konflikten. Ich glaube, das ist einfach der beste Weg.

Gehen wir an dieses sensible Thema objektiv heran! Nehmen wir alle internationalen Studien zur Hand und versuchen wir, gemeinsame Regelungen zum Schutz der Bevölkerung, zum Schutz der Österreicher zu finden! Betreiben wir keine Panik, sondern arbeiten wir im Sinne Österreichs, im Sinne der Bevölkerung mit konstruktiven Beiträgen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

13.42

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich deswegen noch einmal zu Wort gemeldet, weil mich Kollege Firlinger in meiner Seele getroffen und gemeint hat, ich hätte heute hier populistisch geredet und man sollte doch sachlich bleiben. (Abg. Mag. Firlinger: Parnigoni! Du hast dich heute nicht ausgezeichnet!)

Ich möchte Ihnen jetzt einmal an einem anderen Beispiel zeigen, was Populismus ist, nämlich am Beispiel dessen, was meine Vorrednerin gesagt hat. Heute spricht sie nämlich so, während sie gestern in Niederösterreich eine Presseaussendung gemacht hat, die sehr interessant ist, nämlich: "Konjunkturankurbelung läuft in NÖ auf Hochtouren":


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"Null Initiativen – null Arbeit – null Lösungen und null Konzepte, das ist das Dasein der Freiheitlichen in Niederösterreich." – So spricht Frau Kollegin Mikl in Niederösterreich in Presseaussendungen über den Koalitionspartner.

Frau Bundesminister! Ich gratuliere Ihnen wirklich recht herzlich zu diesem Koalitionspartner. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zweytick: Das war ein "wichtiger" Beitrag! Schade um die Zeit!)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

13.43

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Strahlung, sei es ionisierende wie im Fall Temelin oder nichtionisierende wie jetzt im Fall der Mobilfunknetze, ist, wie man sieht, immer verbunden mit Emotion, mit Angst, mit Unsicherheit, mit Gefahr. (Abg. Parnigoni: So wie Sie das bei Temelín geschürt haben, die Angst, Sie, die FPÖ!) Wissen Sie, was das Thema Angst schüren am Rednerpult betrifft, könnte man heute viele Fraktionen gerade in dieser Richtung sehr angreifen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Strahlen sind nämlich unsichtbar, ungreifbar und unfühlbar. Und wie es um das allgemeine Wissen darüber bestellt ist, das war heute auch hier am Rednerpult ganz besonders eindrucksvoll zu erkennen: Es sind Worte wie "Strahlensachen" und so weiter gefallen. Frau Abgeordnete! Strahlen sind keine Sachen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Frau Abgeordnete! Es ist mein Job, darüber Bescheid zu wissen. – Also das allgemeine Wissen darüber ist sehr gering. Und damit werden gerade diese Fälle, in denen allgemeines Wissen wichtig ist, auch sehr bald und sehr leicht zum Spielball von Emotionen.

Ich bin Facharzt für Strahlendiagnostik, Frau Abgeordnete, und es ist mein täglicher Job, Menschen, Patienten, besorgte Eltern und Kinder über Strahlenwirkungen aufzuklären. Wenn ich es nicht wüsste, wäre ich ein schlechter Arzt, und das versuche ich nicht zu sein.

Meine Damen und Herren! Wir sind alle hier herinnen von elektromagnetischer Strahlung umgeben, die einen ein bisschen mehr, die anderen ein bisschen weniger, jene, die im Mühlviertel im Granithochland leben, mehr, jene, die nach Australien fliegen, ebenfalls mehr, weil die extraterrestrische Strahlung höher ist. Jene, die nach New York fliegen, haben ungefähr die Strahlenbelastung eines Thorax-, also eines Lungenröntgens zu verkraften.

Wer von Ihnen hat keinen Fernseher? Haben Sie einen? Wer hat keinen Walkman? Wer hat kein Handy? Wer hat keinen Mikrowellenherd? (Abg. Dr. Mertel: Ich zum Beispiel!) Das heißt, ich bin gegen jede Form von Strahlenhysterie, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es schürt Emotionen, wie ich sehe. Was ist denn das beste Vorbeugen gegen Hysterie? – Das ist Wissen darüber. Wissen darüber ist der Garant dafür, dass man auch weiß, wie man sich vor Strahlung schützt.

Die biologische Wirksamkeit von ionisierenden Strahlen, meine Damen und Herren, ist uns sehr wohl bekannt, nämlich von den schrecklichen Atombombenabwürfen der Amerikaner in Hiroshima und Nagasaki. Da haben wir eine ganz klare Dosis- und Wirkungsbeziehung.

Im Gegensatz dazu – und das hat die Frau Ministerin bereits ganz genau ausgeführt – gibt es derzeit keine wissenschaftlichen Studien und keine Beweise dafür, dass nichtionisierende Strahlung der Mobilfunknetze gesundheitsgefährdende Schäden verursacht. Man kennt Interaktionen mit technischen Geräten wie Herzschrittmachern oder technischen Geräten in den Krankenhäusern, aber keine gesundheitsgefährdenden Schädigungen oder Effekte. (Abg. Mag. Wurm: "Ärzte und Ärztinnen für eine gesunde Umwelt" sagen etwas anderes!)


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Das heißt, Vorsicht und Wissenschaft ja, Hysterie nein, Frau Abgeordnete. Und es ist daher auch gut gewesen, diese Petition zu unterstützen. Die Petition hat durchaus Sinn gemacht, denn sie hat etwas gebracht: Sie hat auch die Entschließung im letzten Ausschuss gebracht, die ja nun zu weiteren Maßnahmen führt, die auch, wie die Frau Ministerin sagt, von ihr unterstützt werden, nämlich zu einer Kennzeichnung der einzelnen Mobiltelefone hinsichtlich der Intensität der Strahlung, zu einer Information der Bevölkerung, die davon betroffen ist, über Baumaßnahmen und – etwas ganz Wichtiges – zu einem Bericht über den Stand der internationalen Forschung. (Abg. Mag. Wurm: Sie waren nicht dabei!) Das ist im Ausschuss beschlossen worden. Lesen Sie doch bitte die einzelnen Punkte des Entschließungsantrages! Ich habe den Entschließungsantrag gelesen, Frau Abgeordnete, und das ist ein schriftliches Dokument. (Abg. Mag. Wurm: Was sagen die "Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt"? Oder sprechen Sie ihnen die Fachkompetenz ab?)

Ganz wichtig ist, dass diese Forschungsmaßnahmen auch zu regelmäßigen Adaptierungen der gesetzlichen Maßnahmen in diesem Bereich führen. Und da sind besonders – das muss man ganz klar sagen – das Umweltministerium und Herr Minister Molterer gefordert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der wichtigste Schutz vor einer Strahlenquelle aber ist – und das sage ich in jedem meiner Ausbildungskurse – der Abstand von der Strahlenquelle. Das heißt, benutzen Sie Ihr Handy dann, wenn es notwendig ist, nicht als Zeichen der Wichtigkeit, nicht als Zeichen der Unabkömmlichkeit, nicht als Zeichen der einzigen Kommunikation! Und das machen Sie als Vorbildwirkung auch für Ihre Kinder. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte.

13.49

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! In der Sitzung des Verkehrsausschusses am 4. Dezember wurde als Ergebnis der Beratungen ein Entschließungsantrag angenommen, und in diesem Entschließungsantrag wurden fünf Punkte formuliert, in denen es insgesamt um die Mobilfunktechnik geht. Ich möchte auf Punkt 2 näher eingehen.

In Punkt 2 wird die Frau Bundesminister ersucht, im Rahmen ihrer Kompetenzen auf die Mobilfunkbetreiber dahin gehend einzuwirken, dass bei der Errichtung oder Veränderung von Basisstationen die umliegende Bevölkerung rechtzeitig vor den jeweiligen Maßnahmen umfassend informiert wird.

Geschätzte Damen und Herren! Es geht also um Information an die betroffene Bevölkerung. Wie wichtig diese Information ist, möchte ich anhand eines Beispiels aus der eigenen Gemeinde untermauern.

In der Nähe eines Seniorenwohnheimes wird eine Sendeanlage errichtet. Der Mobilfunkbetreiber beauftragt eine Baufirma, diese geplante Anlage umzusetzen. Es wird ein passendes Grundstück gefunden und mit dem Grundeigentümer ein Vorvertrag abgeschlossen. Im nächsten Schritt wird dann eine naturschutzbehördliche Baubewilligung eingeholt und dann die Gemeinde kontaktiert. Da sich das Bauvorhaben außerhalb des Ortsgebietes befindet, wird keine Bauverhandlung abgehalten, sondern es genügt eine Bauanzeige. Rechtlich steht somit dem Bau dieser Sendeanlage nichts mehr im Wege.

Nun aber nochmals zum gegenständlichen Fall: Bereits bei der Baustelleneinrichtung, also bevor noch mit dem Bau begonnen wurde, traten die Probleme auf – Probleme infolge von Anrainerbeschwerden. Diese Beschwerden kommen naturgemäß – Sie alle wissen das – als Erstes einmal zur Gemeinde, und es wird auch der Bürgermeister damit befasst. Ich war also selbst in diesen Bereich eingeschaltet.

Was war für die Anrainer, für die Betroffenen, das Störende? Es war, wie sich herausstellt, lediglich der Sichtkontakt zur Sendeanlage (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger ) und die


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damit verbundene Befürchtung, dass dadurch gesundheitliche Beeinträchtigungen für die Heimbewohner auftreten könnten. Weiters wurde bemängelt, dass durch diese Sendeanlage das Ortsbild negativ beeinflusst wird.

Geschätzte Damen und Herren! Nach diesen gemeinsamen intensiven Gesprächen mit den Anrainern, dem Betreiber und der Gemeinde ist es letztlich gelungen, einen Konsens zu finden, einen Konsens in der Form, dass sich alle Betroffenen an einen Tisch gesetzt und vereinbart haben, dass neben dieser Sendeanlage nach deren Fertigstellung ein Grüngürtel gepflanzt wird, um optisch eine Veränderung herbeizuführen.

Wie dieses Beispiel zeigt, geschätzte Damen und Herren, geht es im Wesentlichen um Information und vor allem um die zeitgerechte Information.

Ich begrüße daher die Vereinbarung zwischen dem Österreichischen Gemeindebund und dem Forum Mobilkommunikation, welche im August des Vorjahres getroffen wurde. Mit dieser Vereinbarung soll der Informationsfluss zwischen den betroffenen Gemeinden und dem Mobilfunkbetreiber sichergestellt werden. Das heißt, die Mobilfunkbetreiber verpflichten sich, Informationen über geplante Bauvorhaben unaufgefordert und ehestmöglich schriftlich an die zuständige Gemeinde zu übermitteln, und die Gemeinden sind selbstverständlich berufen, diese Unterlagen und Informationen ortsüblich zu verlautbaren und mit den Anrainern bereits im Vorfeld Gespräche aufzunehmen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich denke, dass durch diese Vereinbarung die Voraussetzung beziehungsweise die Chance für ein partnerschaftliches Zusammenwirken aller Beteiligten gegeben ist. (Beifall bei der ÖVP.)

13.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. – Bitte.

13.54

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Mobilfunksendeanlagen bewegt seit einiger Zeit sehr viele Bürger. Die Mobilfunk-Petition war daher sehr wichtig und auch richtig, um dieses Anliegen der Bürger zu transportieren. Ich stehe auch zu dieser meiner Unterschrift in dieser Petition, weil dadurch nämlich mit dem Beschluss des heutigen Antrages in der Sache sehr viel weitergebracht wird.

Durch die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes in den letzten Jahren hat sich sehr viel verändert. Es wurden sehr viele Sendeanlagen errichtet, und es kam, wie schon gesagt wurde, leider auch zu einem Wildwuchs bei der Errichtung dieser Sendeanlagen – und das alles zu einer Zeit, in der es einen roten Verkehrsminister und einen roten Gesundheitsminister gab. Diese haben nichts dagegen unternommen, und ich frage mich daher, wie ich das verstehen soll, dass die Redner der sozialdemokratischen Fraktion heute ganz anders sprechen als damals.

Herr Kollege Parnigoni ist jetzt leider nicht da. (Abg. Parnigoni  – auf seinen Sitzplatz zurückkehrend –: Das ist ein Irrtum!) – Doch, er ist da. Das freut mich, da kann ich das gleich direkt übermitteln: Herr Kollege, es gab im Jahr 1998 einen Antrag von Ihnen (Abg. Parnigoni: Ja!) zu einer Novelle des Telekommunikationsgesetzes, und da haben Sie nichts in dieser Richtung beantragt. Es gab nur eine kleine Novelle, mit der die Frage des Site-Sharing im Gesetz verankert wurde (Abg. Parnigoni: Hab’ ich ja gesagt!)  – sicherlich, auch das ist ein wichtiger Schritt –, aber all das, was Sie heute hier gefordert oder kritisiert haben, haben Sie in diesem Antrag nicht formuliert. (Abg. Parnigoni: Ich habe nur die Verordnung verlangt ...!) Diese Wendigkeit, Herr Kollege, ist beachtlich! (Abg. Parnigoni: Wieso?)

Wir entwickeln mit der heutigen Entschließung die Sache im Sinne dieser Mobilfunk-Petition weiter. (Abg. Parnigoni: Wie?) Ich zitiere im Folgenden nur einige dieser fünf Punkte, die schon mehrfach angesprochen wurden:


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Punkt 1, nämlich die Kennzeichnung der Mobilfunktelefone, halte ich für sehr wichtig, denn – und das haben inzwischen ja die meisten Kritiker eingesehen – wenn eine Gefahr von diesen Strahlen ausgeht, dann geht diese in erster Linie von der Benutzung der Handys selbst aus und nicht von den Sendeanlagen, die ja wesentlich weiter entfernt sind.

Sehr wichtig ist meiner Meinung nach auch Punkt 3, nämlich dass die Frage dieses Site-Sharing auch einmal geprüft wird: dass ein Bericht vorgelegt wird, der darüber Aufschluss gibt, was es gebracht hat, und dass diese Verpflichtung, die Masten auch anderen Benutzern zur Verfügung zu stellen, auch einmal evaluiert wird.

Der fünfte Punkt, der auch schon mehrfach angesprochen wurde, ist meiner Meinung nach der entscheidende, nämlich dass die Vorlage eines Gesetzes zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung angestrebt wird. Hier ist, wie schon mehrfach gesagt wurde, der Umweltminister gefordert. Ich wiederhole hier noch einmal, dass wir den Vorschlag eines bundeseinheitlichen Immissionsschutzgesetzes für sehr gut und für sehr interessant halten.

Eines noch zu meiner Beobachtung – denn jeder Politiker ist wahrscheinlich irgendwann einmal schon mit Bürgerprotesten in dieser Sache befasst gewesen –: Was den Bürgern Angst bereitet und was die Bürger stört, das sind nicht in erster Linie die gesundheitlichen Aspekte, sondern es sind die Beeinträchtigungen von Ortsbild und Landschaftsbild und vor allem die fehlende Mitsprache. Das ist das, was die Bürger in Wirklichkeit am meisten stört. Anrainerrechte sind zu schützen – das ist gar keine Frage –, aber das alles ist, wie heute auch bereits ausgeführt wurde, kompetenzrechtlich eben Ländersache, und niemand will – zumindest habe ich von keinem Vorredner diese Forderung gehört – in diese Kompetenzverteilung eingreifen.

Der Bund kann hier nur die Länder ersuchen, etwas zu tun, und das hat er auch schon gemacht. Es wurde nämlich (Abg. Parnigoni: 1998!) im Jahre 1998 – Herr Kollege Parnigoni weiß es, er hat das ja auch mit beantragt – dieser Beschluss gefasst (Abg. Parnigoni: Schauen Sie, was wir alles gemacht haben, im Gegensatz zu ...! Da sehen Sie, wie aktiv wir waren!), durch den die Landeshauptleute aufgefordert werden, in ihrem Bereich Regelungen zur Verbesserung der Anrainerrechte beziehungsweise im Bereich Landschaftsschutz, Natur- und Umweltbeeinträchtigung zu treffen. Nur ist leider nichts geschehen, Herr Kollege! Es ist nämlich nichts geschehen in dieser Richtung (Abg. Parnigoni: Zwei Jahre ...! Zwei Jahre! – Das war 1998!), und daher wird die Bundesregierung weiterhin daran arbeiten, um die Landeshauptleute davon zu überzeugen, dass hier etwas geschehen muss. (Abg. Parnigoni: Viel Spaß!)

Meine Damen und Herren! Man kann nicht dauernd kritisieren und dauernd an die Frau Bundesminister Forderungen stellen, wenn andere dafür zuständig sind, aber in dieser Angelegenheit nichts tun. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

13.59

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich weiß, wir haben dieses Thema jetzt schon so oft debattiert, und die Argumente stehen sich unentwegt unverändert gegenüber. Ich werde trotzdem nicht müde, noch einmal zu wiederholen, dass es nicht so ist, dass über die nichtionisierende Strahlung keine Untersuchungen vorliegen würden. Ich glaube, dass es mittlerweile keine Strahlungsart gibt, über die so viele medizinische Studien durchgeführt wurden, auch Langzeitstudien über die Fernsehsender, die übrigens eine viel stärkere Strahlung haben. In keiner einzigen dieser Studien ist eine Gesundheitsgefährdung bei Einhaltung der in Österreich geltenden Grenzwerte – und wir haben in Österreich geltende Grenzwerte der WHO – festgestellt worden.

Es ist also faktisch unmöglich, auf einem emotionalisierten Thema aufbauend andere Grenzwerte zu schaffen. Das ist nicht legitim. (Abg. Parnigoni: Entschuldigung! Wieso gibt es sie in Salzburg?)  – Herr Parnigoni, wie Sie richtig bemerkt haben, so halte auch ich die Regelung, die in Salzburg aufrecht ist, für keine geeignete, schon gar nicht für ganz Österreich. Ich bin in


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diesem Sinne auch betrübt darüber, dass es sie in Salzburg gibt. So wie Sie offen eingeräumt haben, dass Sie die dortigen Werte nicht für umsetzbar halten, so kann umgekehrt auch ich das in Bezug auf die Regelung in Salzburg tun.

Aber, Herr Parnigoni, Sie haben auch noch etwas anderes angesprochen, nämlich den Generalverkehrswegeplan. Ich danke hier der Frau Bundesminister dafür, dass es diesen Generalverkehrswegeplan endlich gibt, und ich habe einen guten Grund zu danken, Herr Parnigoni: Ich war vor Jahren – da war ich noch nicht in der Politik – im Verkehrsministerium dabei, als sich Verkehrsminister Einem bemüht hat, einen Generalverkehrswegeplan auf die Beine zu stellen. Ich finde, dass er dabei gute Vorleistungen erbracht hat; es war nur so, dass ihn in seinem eigenen Ministerium – und das habe ich ganz unmittelbar mitbekommen – die eigenen Beamten und die Mitarbeiter, auch jene der ÖBB, nie ganz aufgeklärt haben.

Es war nämlich so, dass jedem sehr wohl bewusst war, was die wirklich wichtigen Bereiche im Verkehrswegeplan sind, dass aber die Einzelinteressen der ÖBB niemals hinterfragt wurden, was auch die Arbeit des Herrn Bundesminister Einem unglaublich erschwert hat. Ich war dabei, als man gesagt hat: Die Strecke Wien – St. Pölten ist unbedingt wichtig, aber das übertragen wir jetzt nicht zum Bau, denn da gibt es, irgendwo verteilt, kleine, viel unwichtigere Projekte, die eigentlich schon baureif sind, und diese werden jetzt einfach umgesetzt! Und weil Wien – St. Pölten so wichtig ist, wird man später schon die Mittel für die Schieneninfrastruktur aufstocken – das war sozusagen eine Erpressung –, und die Dinge, die jetzt eigentlich nicht so notwendig sind, die bauen wir jetzt einfach!

Genau so ist es immer gemacht worden, und ich bin froh darüber, dass all das einmal hinterfragt wurde und jetzt ein vernünftiger Generalverkehrswegeplan mit klaren Prioritäten auf dem Tisch liegt. Auch aus der Erfahrung meiner Tätigkeit in einem Verkehrsunternehmen, wo sich alle Verkehrsunternehmen im Schienenbereich immer kurzgeschlossen haben, kann ich sagen, dass jetzt im Schienenbereich alle Projekte von zentraler Wichtigkeit endlich enthalten sind und dass das vorher noch nie der Fall war. (Beifall bei der ÖVP.)

Darauf kann und muss man aufbauen. Das darf nicht das Ende und das Einzige einer Verkehrspolitik in Österreich sein, sondern das ist die Grundlage dafür. Nun ist es auch wichtig, im Rahmen einer möglichst frühzeitigen Umsetzung der neuen Wegekostenrichtlinie weiterzuarbeiten.

Ich ersuche die Frau Bundesminister darum, in Bezug auf eine solche Wegekostenrichtlinie, wie sie auch von Frau Kommissarin de Palacio bereits in Aussicht gestellt wurde, unbedingt Einigung zu erzielen und entsprechend zu lobbyieren, bevor die Ökopunkte-Regelung ausläuft. Ich bin sicher, dass das zu schaffen sein wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.04


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Parnigoni zu Wort gemeldet. Ich gehe davon aus, dass Ihnen die Bestimmungen der Geschäftsordnung hinlänglich bekannt sind. – Bitte.

14.04

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Vorrednerin hat behauptet, dass in den SPÖ-Planungen und im Masterplan wesentliche Projekte nicht untergekommen sind, wie etwa Wien – St. Pölten. (Abg. Dr. Pumberger: Da hat sie Recht gehabt!)

Ich berichtige tatsächlich: Das stimmt nicht! Im Masterplan des Minister Einem waren alle Projekte vorhanden (Abg. Mag. Hakl: ... nicht übertragen!), aber es hat die ÖVP gemeinsam mit der FPÖ – auch in der Koalition, in der sich die ÖVP mit der SPÖ befunden hat – immer verhindert, dass die entsprechenden Geldmittel für die Gesamtprojekte zur Verfügung gestellt wurden. (Abg. Mag. Hakl: ... nicht übertragen!) Ich bin froh darüber, dass es jetzt gelungen ist, dass Sie sich wenigstens auf das geeinigt haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Das geht schon über eine "Tatsächliche" hinaus! Das war schon wieder zu viel des Guten!)

14.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte.

14.05

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme wieder zur Sache zurück. (Beifall des Abg. Dr. Mitterlehner. ) Wir sprechen jetzt im Wesentlichen über die Mobilfunk-Petition, und ich möchte heute hier allen Folgendes ins Stammbuch schreiben – ich möchte Sie wirklich darum bitten, sich das auch zu merken –: Keiner will streiten, und am allerwenigsten die Bürgermeister in den Regionen mit ihren Bürgern! – Deshalb ist das ein Thema, das zwar emotional diskutiert wird, das aber gerade an uns die Forderung stellt, klare Richtlinien für die Zukunft zu schaffen – denn wir spielen hier den Ball zurück an die Basis. Die Basis aber erwartet sich zu Recht vom Gesetzgeber einen Rahmen, der es der Basis ermöglicht, einen Konsens mit den Mobilfunkbetreibern, mit den Bewohnern, mit den Interessenvertretern aller Art zu finden, der es ermöglicht, in Ruhe und Frieden und in Sicherheit zu leben. Um nichts anderes geht es!

Was wir hier machen, ist dasselbe, was in den Gemeinderäten und in den Gemeindestuben der Regionen passiert. Das kann es nicht sein, dass wir hier quasi indirekt die Schuld wieder an die betroffene Bevölkerung zurückschieben! Deswegen sind wir ja von der Bevölkerung gewählt worden, um hier dieses Problem zu lösen. Es nützt überhaupt niemandem, wenn hier nur gegeneinander Vorwürfe erhoben werden – und schon gar nicht, wenn von der Opposition nur reine Polemik betrieben wird. Damit helfen wir den Menschen nicht! Im Gegenteil!

Mit diesem heute hier vorliegenden Entschließungsantrag wird den Menschen, den Betroffenen, ein bestimmtes Stück an Recht gegeben (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser ), das die Bevölkerung erwartet – nona! Natürlich ist das nicht das Gelbe vom Ei und noch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber wir wissen genau, dass wir, so glaube ich, in der Zeit liegen und uns damit auch am Stand der Technik befinden.

Das schließt aber nicht aus, dass es weitere Veränderungen und neue Erkenntnisse geben wird, und das schließt auch nicht aus, dass wir uns auch in der Gesetzgebung einem neuerlichen Handlungsbedarf gegenübersehen können und diesem dann auch gerecht werden müssen.

Der laufende Dialog ist gesichert; das hat uns die Frau Bundesminister zugesagt. Ich meine, dass der Konsens mit der Bevölkerung ein entscheidendes Kriterium ist, von dem es abhängig sein wird, ob wir in dieser Frage eine Beruhigung der Lage und eine Gemeinsamkeit vor Ort in den Regionen erreichen oder nicht.

Es gibt in diesem Zusammenhang ein Angebot, das ich wirklich gerne annehme, nämlich den einheitlichen Fragenkatalog, den die Frau Bundesminister zu den Problemen, deren Lösung als Nächstes ansteht und die in der Zukunft noch auf uns zukommen werden – man weiß das ja nicht schon alles im Vorhinein –, angeboten hat. Ich nehme dieses Angebot gerne an, und ich lade dazu ein, anlässlich einer der nächsten Ausschusssitzungen, sofern es neue Erkenntnisse und Lösungen gibt, mit einem Vertreter jeder Fraktion, aber auch mit den Vertretern sowohl des Bundesministeriums, der Frau Bundesminister, als auch mit dem Konsumentenschutzvertreter und dem Gesundheitsminister, also Herrn Bundesminister Herbert Haupt, und natürlich auch mit dem Vertreter des Umweltschutzes zu neuen Schlüssen und zu neuen Lösungsansätzen zu kommen – ganz einfach, ganz unkompliziert, ohne großes Trara und großes Hin und Her –, anstatt diese Thematik wieder zurück an die Bevölkerung oder an die Bürgermeister zu schieben, denn das kann es nicht sein.

Ich denke, ein Schritt ist heute durch diese Petition, die hier beschlossen wird, gelungen. Damit kommen wir der betroffenen Bevölkerung ein großes Stück entgegen. Auch der Betreiber ist damit noch einmal aufgefordert, sich vernünftig an diesem Dialog mit den betroffenen Menschen zu beteiligen und nicht als eigene Partei Position zu beziehen, denn das kann es auch nicht sein.


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Da es eine Lösung im Interesse aller ist, hoffe ich, dass auch Sie, die Opposition, im Interesse der Bevölkerung heute dieser Mobilfunk-Petition und diesem Entschließungsantrag zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

14.09

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen! Als ÖVP-Fraktionsvorsitzende im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen möchte ich noch einmal auf diese Petition eingehen. Obwohl, wie heute ja schon festgestellt worden ist, die ÖVP als einzige Partei dieser Petition nicht von Anfang an beigetreten ist, war es für unsere Partei ganz selbstverständlich, dass wir eine Parlamentarische Enquete zu diesem Thema veranstalten, weil wir eben wissen, dass es in diesem Zusammenhang viele Probleme gibt, dass es ein großes Spannungsfeld gibt: dass auf der einen Seite natürlich jeder mit seinem Handy telefonieren möchte, sogar an Orten, an denen es an und für sich nicht erlaubt ist – wie zum Beispiel hier im Plenum oder in Ausschusslokalen –, dass es auf der anderen Seite aber große Ängste, natürlich auch in Bezug auf die Gesundheit, gibt.

Diese Ängste sind ernst zu nehmen. Meine Vorrednerinnen und Vorredner, die bei dieser Enquete auch anwesend waren, haben schon darauf hingewiesen, dass an dieser Enquete hoch qualifizierte Experten aus verschiedensten Bereichen teilgenommen haben, und auch darauf, dass die Gesundheitsexperten in Wirklichkeit nicht beweisen konnten, dass es zu großen Gefährdungen kommt. Es gibt auf der einen Seite natürlich Ängste, und es gibt auf der anderen Seite viele Studien pro und contra, aber keinen letzten Beweis.

Ich möchte hier schon auch darauf hinweisen, weil mir das wichtig ist, dass wir uns fragen müssen, wie wir das den Österreicherinnen und Österreichern erklären wollen, wenn es nicht mehr überall Empfang gibt. – Gerade für die Bevölkerung in ländlichen Gebieten ist nämlich das Mobiltelefon eine große zusätzliche Chance und trägt zu einer Aufwertung dieses Raumes bei. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir müssen natürlich auch sagen – das möchte ich hier unterstreichen –, dass Österreich bei Handys nach Norwegen die zweitgrößte Marktdurchdringung in Europa hat. Wie werden wir das erklären, wenn wir sagen, dass es keine zusätzlichen Sendemasten mehr geben darf?

Ich möchte hiezu, denn das war für mich selbst interessant, aus einer Fessel-Studie zitieren, bei der 882 Österreicher, die ein Mobiltelefon haben, befragt wurden: 1999 hatte die Hälfte aller Haushalte ein Handy. 2002 hat nur mehr ein Viertel der Haushalte ein Handy, die meisten schon zwei, und 7 Prozent der Haushalte haben mehr als vier Handys!

Wenn wir also von Bürgerrechten und -interessen sprechen, dann müssen wir natürlich auch darüber sprechen, dass die Leute eben das Bedürfnis haben zu telefonieren, und wir müssen darauf achten, dass wir sie aufklären, dass Anrainerrechte besser geschützt sind.

Ich würde mir auch wünschen, dass viele Eltern auch ihre Kinder aufklären, wenn sie ihnen ein Handy schenken, damit diese nicht ununterbrochen telefonieren, damit sie wirklich auch Sendepausen – im wahrsten Sinne des Wortes – einlegen. Kinder sollten nicht stundenlang per Handy telefonieren. Ich glaube, all das sind Vorsorgemaßnahmen, die man durchaus treffen kann.

An dieser Stelle möchte ich auf einen wichtigen Punkt im Entschließungsantrag zurückkommen, nämlich dass es in Zukunft eine Kennzeichnung bei den verschiedenen Handys geben soll. "Handy" heißt es in Österreich, weil man es eben – ich habe Ihnen ja aus der Statistik zitiert – immer bei der Hand hat und weil man in Österreich sehr viel telefoniert; in allen anderen Ländern heißt es ja "Mobiltelefon". Wir sollten, glaube ich, wirklich sensibel mit diesem Thema umgehen. Wir sollten danach trachten, dass es dem Bürger ermöglicht wird, anhand der Gebrauchsanweisung zu vergleichen: Wie stark ist die Strahlung? Welches Gerät bevorzuge ich, welches möchte ich haben?


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Ich möchte ganz zum Schluss noch einen Experten für Strahlenschutz zitieren, nachdem heute schon viele Experten zitiert worden sind, nämlich den Strahlenexperten Neubauer, der sagt:

"Ein Handy ist ein Nahfeldsender, der eine Strahlenexposition im Kopfbereich verursacht. Von der Leistung ist die Basisstation stärker, nur sind wir im Normalfall so weit weg, dass die Stärke der elektromagnetischen Wellen deutlich unter der des Handys liegt." – Das haben auch die Experten gesagt – ich möchte dies hier unterstreichen!

Und weiters: "Auch wenn Sie auf der Straße gehen, können Sie durch die Telefonate anderer Nutzer höheren Expositionen ausgesetzt sein als durch Basisstationen."

Es gibt dazu also so viele Meinungen! Es gibt eine so große technische Entwicklung, der wir nicht im Wege stehen müssen, sondern angesichts derer wir versuchen müssen, unsere Gesetze dahin gehend auszurichten, dass wir sowohl den Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung tragen, als auch die Wirtschaft und die Allgemeinheit in die Lage versetzen, die damit verbundenen Chancen wahrzunehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 913 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist die Entschließung angenommen. (E 118.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, seinen Bericht 913 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich eine Mehrheit und damit die Annahme fest.

6. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Petition (9/PET) betreffend "Dringend dafür zu sorgen, dass schnellstmöglich die Lärmplage für die Anrainer der Inntalautobahn in zwei Erler Ortsteilen durch die Errichtung einer Lärmschutzwand gemildert wird", überreicht von der Abgeordneten Edith Haller (914 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen unmittelbar in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Ich erteile es ihm hiemit. (Unruhe im Saal.)

Darf ich gleichzeitig noch um etwas Ruhe bitten und darum, die Gespräche entweder zu beenden oder nicht hier im Plenarsaal fortzuführen, sonst wird der Redner keine Chance haben, sich Gehör zu verschaffen!

14.16

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Als Erstes danke ich dafür, dass Sie auch hier herinnen für Lärmschutz sorgen (Heiterkeit des Abg. Dr. Pumberger ) – das ist manchmal auch notwendig. (Abg. Dr. Pumberger: Das ist aber lustig!)


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Zum Zweiten darf ich darauf hinweisen, dass ich hier an Stelle meines Kollegen Gerhard Reheis stehe, der es auf Grund seines "Kampfes" im Verkehrsausschuss verdient hätte, auch hier im Plenum zu diesem Thema zu sprechen. Aber er hatte, wie Sie wissen, einen Rodelunfall und ist noch im Krankenstand.

Zum Dritten stellt sich die Frage: Wie verbaut man 1,8 Millionen €? – Bei dieser Lärmschutzanlage handelt es sich ja um kein Riesenprojekt, sondern um eine relativ bescheidene Investition, die aber für die Anrainer in Erl von größter Wichtigkeit ist. Dieses Projekt leidet aber darunter, dass die Lärmschutzwand auf deutschem Staatsgebiet gebaut wird, aber österreichische Anrainer damit geschützt werden sollen. Das verkompliziert selbst in einem vereinten Europa die Sache einigermaßen.

Was wir dabei auch festgestellt haben, ist die Tatsache, dass wir in Österreich wesentlich höhere Lärmschutzstandards haben als in Deutschland. Auch das verdient in diesem Zusammenhang, hervorgehoben zu werden.

Zum Letzten zeigt dieser Tageordnungspunkt, dass man auch mittels einer Petition – nämlich einer Petition der Kollegin Haller; da will ich ihr gar nichts wegnehmen – etwas bewirken kann. Wenn ich diese Geschichte verfolge, dann denke ich schon, dass letztlich die Petition im Verkehrsausschuss den notwendigen Druck erzeugt hat, um doch auch die Verwaltung dazu zu bewegen, einen Schritt zu machen, der sonst nicht gemacht worden wäre. Das spricht für diese Petitionen, und das spricht auch dafür, dass das Parlament die Petitionen doch immer wieder ernst nimmt.

Wir freuen uns daher über diese Entschließung und hoffen, dass sie rasch umgesetzt wird. Im Gegensatz zu dem, was die Kollegen Khol und Schweisgut schon verkündet haben, steht diese Wand noch nicht. – Wir hoffen, dass sie bald errichtet werden wird. (Abg. Dr. Khol: Diesen Schlenker hättest du dir schenken können!)

Abschließend, Frau Bundesministerin, darf ich noch Folgendes feststellen, weil wir heute Vormittag auch mit der Frau Außenministerin darüber diskutiert haben: Es handelt sich um die Inntal Autobahn und damit um die vom Schwerverkehr am meisten belastete Straße in einem engen Tal – natürlich gibt es auch andere, aber hier geht es eben auch um die enge Tallage. Es wird nicht genügen, Frau Bundesministerin, dass wir den Erlern sagen: Ihr bekommt jetzt die Lärmschutzmauer, aber dafür fällt die 108-Prozent-Klausel in den Verhandlungen mit der Europäischen Union, und dann können die LKW mengenmäßig unbeschränkt durchfahren.

Dieses Anliegen bleibt natürlich ungeachtet der Errichtung der Lärmschutzwand aufrecht. Es bleibt auch das Anliegen aufrecht, dass es dringend notwendig ist, mit voller Kraft das Road-Pricing für LKW, für den Schwerverkehr umzusetzen, denn das ist letztlich die wirksamste Lärm- und Umweltschutzmaßnahme, die man gegen den Schwerverkehr treffen kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Bitte.

14.20

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es waren nicht 915 220 Unterschriften, es waren nur 138 Unterschriften, die die Petition Nummer 9 unterstützt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es waren die Unterschriften von 138 der wahlberechtigten Personen der Tiroler Gemeinde Erl, einer Gemeinde, die bekanntlich an der Grenze zu Deutschland situiert ist, die eine hundertjährige Passionsspiel-Tradition hat und die im kulturellen Bereich in den letzten Jahren besonders auch durch eine Reihe von wunderbaren Sommerkonzerten auf sich aufmerksam gemacht hat.

Mit meiner Unterstützung wurde diese Petition als unmittelbar demokratisches Mittel hier im Parlament eingebracht. Es wurde von den betroffenen Bürgern sozusagen als letzte Möglichkeit angesehen, nachdem sie sich bereits zehn Jahre lang beim Bürgermeister und bei Landtags


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abgeordneten um die Errichtung einer Lärmschutzwand bemüht hatten und ihren Bemühungen kein Erfolg, ja eigentlich nicht einmal ein Echo zuteil geworden war.

Meine Bemühungen in dieser Sache laufen seit 1997. Ich habe hier im Parlament Anfragen an die damals zuständigen Minister Schüssel, Farnleitner und auch Edlinger gerichtet. Auch Kontakte zu deutschen Abgeordneten habe ich aufgenommen. Aber die FPÖ war ja damals in Opposition, und so sind diese meine Bemühungen ohne sichtbaren Erfolg geblieben, vor allem wegen des Arguments, dass der Einsatz österreichischer Budgetmittel für die Errichtung einer Lärmschutzwand auf deutschem Bundesgebiet – und das war ja zur Eindämmung des Lärms notwendig – nicht möglich sei.

Heute freue ich mich jedoch. Ich freue mich wirklich, denn Frau Bundesministerin Monika Forstinger macht es möglich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Mit Rückendeckung beziehungsweise mit Unterstützung durch einen Vier-Parteien-Antrag im Verkehrsausschuss dieses Hauses – das ja der Gesetzgeber dieser Republik ist – kann jetzt diese Lärmschutzwand Realität werden.

Wenn wir uns die Einleitung zu diesem Entschließungsantrag des Verkehrsausschusses vom 4. Dezember 2001 ansehen, dann sehen wir auch dort wieder die grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Finanzierung von Anlagen im Ausland angeführt. Aber es steht auch ganz dezidiert fest, dass der Nutzen dieser Anlagen der österreichischen Bevölkerung zugute kommt. Der Text dieser Entschließung lautet – nachzulesen in 914 der Beilagen –:

"Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, Ihre Bemühungen hinsichtlich einer Errichtung der von der ASFINAG bereits baureif geplanten Lärmschutzwand bei Erl fortzusetzen und im Rahmen ihrer Kompetenzen dafür Sorge zu tragen, dass der Bau so rasch wie möglich begonnen werden kann."

Das ist eine sehr gute Nachricht. Aber ich habe noch eine weitere gute Nachricht, die ich heute auch schriftlich aus dem Verkehrsministerium bekommen habe. Es kann nun definitiv mit einem Baubeginn Anfang 2004 gerechnet werden, und die kurze Verzögerung des ursprünglich geplanten Termins muss praktisch deshalb zustande kommen, weil es eine Qualitätsverbesserung dieser Wand geben wird. Die mit 2,5 Meter Höhe geplante Wand soll nun letztlich mit einer Höhe von 3,5 Metern errichtet werden, um auch die Situation der Bewohner der Häuser in Hanglage in der Ortschaft Erl zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, wirklich sagen zu können, dass das ein schöner Erfolg ist. Es bleibt mir eigentlich nur noch übrig, zu danken, in meinem Namen und auch im Namen der Erler Bürgerinitiative. Mein Dank ergeht vor allem an Frau Bundesministerin Forstinger, die genauso wie ihr Vorgänger Schmid – das geht in Richtung Erwin Niederwieser –, wo immer möglich, für Tiroler Anliegen da ist und sich für Tiroler Interessen einsetzt, siehe auch behindertengerechter Umbau von Bahnhöfen und so weiter.

Mein Dank gilt aber auch den österreichischen und deutschen Beamten sowie den Verantwortlichen in der ASFINAG für die bereits geleisteten Vorarbeiten. Mein Dank gilt nicht zuletzt meinen Kollegen hier im Hohen Haus, auch den Kollegen von der SPÖ, den Grünen und der ÖVP, die durch die Behandlung dieser Petition und durch ihre Zustimmung zu dieser Entschließung das Anliegen der Erler Bevölkerung unterstützt haben, was jetzt letztlich zu einem glücklichen Ende führen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweisgut. – Bitte.

14.26

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Freunde! Eigentlich ist das Thema der Lärmschutzmauer Erl, weil sich ja alle hinter dieses Projekt stellen, mit diesen zwei Reden schon ausreichend be


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handelt. Ich möchte aber trotzdem die Schlussworte von Frau Haller aufgreifen, dass sehr viel Glück dabei war, dass diese Lärmschutzmauer errichtet werden wird. Es ist im wahrsten Sinn des Wortes auch Glück beteiligt, nämlich der Abgeordnete Glück von der CSU in Bayern, der in den bilateralen Gesprächen mit unserer Frau Minister sicherlich auch das Seine dazu beigetragen hat, dass es ein gemeinsames österreichisch-deutsches Projekt geben wird.

Aber ich möchte auch auf den Aspekt zurückkommen, warum wir uns im Parlament mit einem kurzen Teilstück einer Lärmschutzmauer beschäftigen müssen. Das Inntal – ich glaube, das ist vielen bekannt – ist eine sehr sensible Zone mit sehr viel Verkehr, und es wurden dort von österreichischer Seite bereits überall Lärmschutzmauern errichtet. Es wurde auch überall lärmdämmender Asphalt aufgetragen. Aber mit der Grenze zu Deutschland beginnt das Ende der Lärmschutzmauern, und mit der Grenze beginnt auch eine Betonautobahn mit entsprechenden Rillen, wodurch sehr viel Lärm hervorgerufen wird.

Ich komme aus dem Nachbarort, bin also dort ansässig und weiß, wie schwierig eine geregelte Nachtruhe ist. Deswegen ist das meiner Ansicht nach eindeutig ein Thema, das von uns auch bei einem zusammenwachsendem Europa entsprechend betont werden muss. Wir können uns nicht nur damit begnügen, ein gemeinsames Europa immer in den Mittelpunkt zu stellen, wir wollen auch ein vereintes Europa leben. Dazu gehört auch, dass nicht der Lärm, der in einem anderen Land fabriziert wird, in der Nachbargemeinde keine Gültigkeit mehr hat, weil der Zuständigkeitsbereich für die Verhinderung des Lärms ausfällt. Ich glaube, gerade dies ist ein Beispiel dafür – nicht wegen der Lärmschutzmauer –, welche Aspekte des internationalen Zusammenlebens in der Europäischen Gemeinschaft auch in anderen Bereichen auf uns zukommen werden.

So gesehen bedanke ich mich dafür, dass diese Vier-Parteien-Entschließung im Ausschuss zustande gekommen ist, natürlich stark unterstützt vom Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen. Ich darf mich hier auch bei unserer Vorsitzenden bedanken, die dieses Projekt immer entsprechend unterstützt hat.

Aber ich glaube, es muss auch betont werden, dass es, obwohl vier Parteien ihre Unterstützung geben, doch ausschließlich die Regierungsparteien waren, die dieses Projekt vorangetrieben und dafür gesorgt haben, dass es verwirklicht werden kann. Wenn auch der Dank meiner Vorrednerin allen Parteien gegolten hat, so war doch, glaube ich, die Unterstützung im Laufe der letzten zehn Jahre primär von den zwei Regierungsparteien und nicht von allen vier Parteien gegeben. Das möchte ich als Anmerkung hinzufügen.

Insgesamt bedanke ich mich dafür – und die Erler Bürger werden es sicherlich zu schätzen wissen –, dass wir uns auch um die Bürger kümmern, wenn Lärm und Belastungen in einem anderen Gebiet entstehen. Auch dieser Bereich ist ein Aspekt für die Zukunft. Wir werden uns um die Anliegen der Bürger und unserer Gäste auch dann bemühen, wenn es offensichtlich nicht direkt unsere primäre Aufgabe, aber im Endeffekt doch die Aufgabe der Politik ist, für die Österreicher, für unsere Bürger für entsprechende Nachtruhe und für Gegebenheiten des ordentlichen Zusammenlebens zu sorgen.

In diesem Sinne bedanke ich mich für diesen Entschließungsantrag, und ich hoffe, dass die Realisierung dieser Lärmschutzmauer nicht erst in zwei Jahren, wie von Frau Haller angekündigt, sondern vielleicht doch etwas früher stattfinden kann. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

14.29

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Es steht hier eine Vier-Parteien-Unterstützung für eine Lärmschutzwand in Erl zur Abstimmung, und wir haben uns in einem sehr konstruktiven Gespräch auf diese gemeinsame Arbeit geeinigt. Leider hat es Kollege Schweisgut schon wieder für notwendig gefunden, parteipolitisches Kleingeld zu


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wechseln und sich sozusagen den Erfolg an die eigene Brust zu heften. Ich halte das in diesem Zusammenhang für kindisch. Normalerweise achtet man darauf, dass man gute Zusammenarbeit, die man bei einem Thema beginnt, auch fortsetzt. So, wie Sie das machen, ist es eher kontraproduktiv. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: ... dem Budget zustimmen, mit dem wir das finanzieren!)

Zur Sache selbst: Dass gerade in Abschnitten der Inntal Autobahn die Lärmbelastung besonders groß ist, liegt natürlich an der Topographie. Daran liegt aber auch die Schwierigkeit für Lärmschutzwände generell. Wir haben jetzt in Tirol einen ersten Fall, dass eine Lärmschutzwand nach ihrer Errichtung leider keine Reduktion des Lärms mit sich gebracht hat. Das heißt, ob ein Erfolg vorliegt, werden wir erst dann sagen können, wenn die Lärmschutzmauer steht und wenn die Menschen spürbar entlastet worden sind.

Sonst – und das kündige ich an – werden wir weitere Maßnahmen setzen müssen, nämlich genau im Bereich der Geschwindigkeitsbegrenzung, vor allem im Schwerverkehr, weil dieser lärmmäßig besonders stark durchschlägt. (Abg. Dr. Ofner: ... allgemein abschaffen!) Dann bin ich gespannt darauf, ob die Damen und Herren, die jetzt für die Lärmschutzwand als eine End-of-Pipe-Technologie gestimmt haben, mit der gleichen Begeisterung und noch immer im Interesse der Bevölkerung zur Entlastung von diesem Lärm auch Maßnahmen der Geschwindigkeitsbegrenzung – zumindest für den Schwerverkehr – zustimmen werden, weil das in diesem Bereich notwendig ist und weil das dann die einzige noch verbleibende Maßnahme ist, die man setzen kann. Sie, meine Damen und Herren, machen ja das Gegenteil! Im Wege Ihrer Kammerfunktionäre verlangen Sie zum Beispiel die Aufhebung von Geschwindigkeitsbegrenzungen, die zum Zweck des Lärmschutzes festgelegt worden sind.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien und auch von den Sozialdemokraten – ich nehme Sie hier nicht aus! –: Ich fordere Sie auf, wenn es um Lärmschutz geht, wirklich Lärmschutzmaßnahmen zu befürworten, und sei es auch die Beschränkung der Geschwindigkeit, wenn sich zum Beispiel erweist, dass technische Lärmschutzmaßnahmen wie die Errichtung einer Lärmschutzwand nicht die Erfolge bringen, die wir brauchen, um der Bevölkerung zumindest wieder Nachtruhe und einen Teil der Tagesruhe zurückzugeben, die ihnen der Verkehr wegnimmt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 914 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle die einstimmige Annahme fest. (E 119.)

7. Punkt

Regierungsvorlage: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kroatien andererseits samt Schlussakte und Erklärungen (975 der Beilagen) (Gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erste Rednerin gemeldet ist Frau Abgeordnete Jäger. Ich erteile ihr das Wort.

14.34

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 26. Mai 1999 hat die Europäische Kommission einen Stabilisierungs- und Assoziie


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rungsprozess für Bosnien und Herzegowina, Kroatien, die Bundesrepublik Jugoslawien, Mazedonien und Albanien vorgeschlagen. Mit dieser Initiative hat die Europäische Union nun eine wesentliche Aufgabe auch bei der Stabilisierung Südosteuropas übernommen.

Ich begrüße es sehr, dass nun, nach Mazedonien, Kroatien das zweite Land ist, mit welchem dieses Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen unterzeichnet wurde. Dies ermöglicht nun eine weitreichende Zusammenarbeit, und es fördert den Prozess der Einbindung von Kroatien in die europäischen Strukturen.

Für Österreich hat dieses Abkommen aber auch eine besondere Bedeutung. Es wurde auf Vorschlag des Präsidenten des Nationalrates Heinz Fischer ein beschleunigtes Verfahren der Aufnahme gewählt. Dies war vor allem deshalb möglich, weil es zwischen allen Fraktionen Konsens über die Richtigkeit und Wichtigkeit dieses Abkommens gegeben hat, verbessern sich doch mit diesem Abkommen nicht nur die gut nachbarlichen Beziehungen, sondern dieses Abkommen schafft auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, die vor allem österreichische Unternehmer brauchen, damit sich die Handels- und Investitionsbeziehungen mit Kroatien verbessern.

Ich möchte hinzufügen, dass Österreich schon derzeit nach den USA und Deutschland der größte Auslandsinvestor in Kroatien ist. Wirtschaftskammerpräsident Dr. Leitl hat auch gesagt, Österreichs Wirtschaft habe die EU-Erweiterung mit Kroatien schon begonnen. Ich denke, vor allem für die Wirtschaftsbeziehungen ist dieses Abkommen sehr förderlich. Deshalb freue mich darüber, dass es gelungen ist.

Nun geht es darum, einen formalen Rahmen für den politischen Dialog zu schaffen, schrittweise eine Freihandelszone einzurichten, Justiz und Inneres in diesen Bereichen zu enger Zusammenarbeit zu bringen sowie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle wissen, dass Frieden und Wohlstand für die gesamte Region sowie auch für Europa außerordentlich wichtig sind. Für uns ist dieses Abkommen auch ein Symbol dafür, dass sich unsere beiden Staaten, Österreich und Kroatien, sehr gut verstehen. Dies kommt jetzt auch darin zum Ausdruck, dass heuer sowohl der Herr Bundespräsident als auch der Herr Nationalratspräsident Kroatien besuchen werden und dass es auch auf Regierungsebene gute Kontakte gibt.

Ich möchte auch hervorheben, dass Kroatien erstaunliche Fortschritte gemacht hat, dass in Kroatien sehr viel für die Stabilisierung des Landes getan wurde und dass es jetzt notwendig ist, dass sich die wirtschaftliche Situation weitgehend verbessert. Dies ist vor allem für den Tourismus, für den Fremdenverkehr eine wichtige Angelegenheit. Vielleicht machen auch etliche Österreicher in Zukunft Urlaub in diesem schönen Land.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass gerade für Österreich die guten Beziehungen außerordentlich wichtig sind, sowohl zu Ländern wie Kroatien und Slowenien als auch – und da sind die Beziehungen in letzter Zeit leider etwas gestört – zu Tschechien, weil es um gute Wirtschaftsbeziehungen geht. Ich möchte hier auch die Gelegenheit nützen, mich noch einmal massivst gegen die ständigen Provokationen des Kärntner Landeshauptmannes auszusprechen. (Abg. Dr. Krüger: ... für die Anregung!) Wenn ich zum Beispiel nur das "WirtschaftsBlatt" zitieren darf – es ist einfach notwendig –: Hier wird ungeheuer viel an Imageschaden angerichtet. Österreich hat gerade zu den ehemaligen osteuropäischen Länder ganz wichtige Handelsbeziehungen.

Nur aus wirtschaftlicher Perspektive betrachtet, muss ich zur Wirtschaftspartei ÖVP sagen: Wie lange sehen Sie hier zu? Wie lange machen Sie das noch mit? – Hier zeigt sich tatsächlich die christliche Tradition der ÖVP: Sie halten auch noch die zweite Wange hin, wenn Ihr Koalitionspartner Sie auf die eine schlägt. Ich denke, das muss baldigst beendet werden. Insofern bin ich jetzt auch neugierig auf den nächsten Tagesordnungspunkt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei den Grünen.)

14.40


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

14.40

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu diesem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Kroatien kurz drei Punkte erwähnen.

Zum Ersten: Wir haben ein abgekürztes Verfahren gewählt, nicht weil wir es nicht für diskussionswürdig halten oder weil es uns gar nicht schnell genug gehen kann, sondern weil sich alle Fraktionen dieses Hauses klar mit dem Inhalt dieses Abkommens identifizieren können und weil wir auch ein Zeichen dafür setzen wollen, das möglichst rasch ein Ratifikationsprozess, wie wir ihn in Österreich durchführen, in der gesamten EU zur Umsetzung dieses Abkommens führen soll.

Zum Zweiten: Wir halten dieses Abkommen für sehr unterstützenswert, weil Kroatien damit in der richtigen Form an die Europäische Union herangeführt wird, weil damit auch ein Stufenplan mit dem Ziel einer Freihandelszone mit Kroatien in Kraft tritt, der wesentlich dazu beitragen wird, dass Stabilität in dieser Region einkehrt, und weil damit – so wie mit vier anderen Balkanländern – der Aspekt des dauerhaften Friedenszustandes wesentlich unterstützt wird. Eine wesentliche Voraussetzung dafür besteht eben darin, dass es Handelsbeziehungen gibt, die florieren, damit die Bevölkerung durch ein Wirtschaftswachstum die berechtigte Hoffnung hat, dass ihr Lebensstandard steigen kann.

Zum Inhalt selbst – das ist meine dritte Bemerkung – muss man meiner Ansicht nach über das hinaussehen, was nur Wirtschaftsbeziehungen anlangt. Mit diesem Abkommen – und das wird bei diesen Assoziierungsabkommen vielfach unterschätzt – gibt es einen programmierten politischen Dialog. Es ist ganz entscheidend, dass es regelmäßige Treffen zwischen den Außenministern gibt, dass es auf Beamtenebene eine sehr inhaltsbezogene ständige Diskussion gibt und dass auch, wenn das eine oder andere nicht optimal erfüllt wird, dies in einem geordneten Dialog angesprochen werden kann.

Das sind genau die Rahmenbedingungen, die uns hoffen lassen, dass der Demokratisierungsprozess in der Republik Kroatien vorankommt, dass die Menschenrechtssituation auch dann, wenn es Probleme gibt, in einem normalen Dialog besprochen werden kann und dass das zu einer Entwicklung führt, wonach Kroatien gemäß einem Stufenplan tatsächlich auf einer Schiene in Richtung Europa steht. Das unterstützen wir nachdrücklich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte daher namens meiner Fraktion auch festhalten, dass dieses Signal, das Österreich mit der Ratifikation dieses Assoziierungsabkommens als erstes EU-Land heute aussendet, ein richtiges Signal dafür sein soll, dass die traditionell guten Beziehungen zwischen Österreich und Kroatien um eine Facette reicher werden und dass dieses freundschaftliche Verhältnis zwischen den Österreichern und den Kroaten dadurch gefestigt wird.

Ich freue mich darüber und möchte auch in diesem Rahmen sagen, dass ich stolz darauf bin, dass sich im Rahmen des verkürzten Verfahrens alle Fraktionen so klar positiv für die rasche Ratifikation eingesetzt haben. Ich glaube, das ist auch ein sehr gutes Signal in Richtung einer Ausweitung von Stabilität und Frieden in Europa. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen.)

14.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Bitte zwei Worte auf Kroatisch!)

14.44

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Dobar dan, gospod vele poslanik! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin!


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Meine Grußworte haben heute nicht nur Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, gegolten, sondern auch dem Botschafter der Republik Kroatien, der an diesem für Kroatien, wie ich meine, historisch bedeutenden Tag hier bei uns zu Gast ist.

Ich möchte nicht wiederholen, was meine beiden Vorredner schon gesagt haben, aber doch Folgendes feststellen: Die Bedeutung ist deshalb so groß, weil Österreich als erstes EU-Land dieses Assoziierungsabkommen zwischen Kroatien und der EU ratifiziert. Warum wir das tun, hat wirklich mehr als gute Gründe, insbesondere die historischen Verbindungen zwischen Österreich und Kroatien, die gemeinsame Geschichte, das gemeinsame Leid, das wir erlebt haben, aber auch die kulturelle und zum Teil sehr menschliche Verbundenheit zwischen Österreich und Kroatien.

Hier spreche ich viele Beziehungen an, die sich ergeben haben, nicht nur durch die Existenz der burgenländischen Kroaten, sondern vor allem durch zahlreiche Menschen, die in Österreich eine neue Heimat gefunden haben, die als Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen hierher gekommen sind, die heute ein wichtiger Teil der österreichischen Gesellschaft sind und die auch noch ihre Beziehungen zum Heimatland haben. Das ist der Grund dafür, warum der Nationalrat dieses Verfahren gewählt hat und es auch als Zeichen betrachtet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 15. Jänner 1992 hat die EU Kroatien anerkannt. Dieser Tag ist ein wesentlicher und wichtiger Tag in Kroatien. Genau zehn Jahre später, am 15. Jänner 2002, also erst vor einigen Tagen, hat es in Kroatien ebenfalls eine wichtige und, wenn Sie so wollen, historische Erklärung gegeben. Premierminister Ivica Racan hat dort in einer Festsitzung des Sabor angekündigt, dass Kroatien innerhalb des kommenden Jahres, also innerhalb der Jahresfrist bis 15. Jänner 2003, den Antrag auf volle Mitgliedschaft in der EU stellen möchte.

Kroatien ist mit den Wahlen im Jänner 2002 in eine neue Ära, in eine neue Epoche eingetreten. Der Ausgang der Wahlen, diese neue Ära und die Entwicklung, die damit eingetreten ist, wurde auch von der Europäischen Gemeinschaft ausdrücklich begrüßt. Kroatien und auch andere Länder Südosteuropas sind für die europäische Entwicklung maßgeblich. Dieses Assoziierungsabkommen und dieser quasi erste formelle Schritt der Aufnahme vertraglicher Beziehungen sind nicht nur für Kroatien in interner Sicht wesentlich, sondern für ganz Europa, weil von dieser Eröffnung einer Perspektive für Kroatien und für die Länder Südosteuropas über Kroatien hinaus auch ein wesentlicher Beitrag zum Stabilisierungsprozess erwartet wird. Ich meine, dass dies auch ein wesentlicher Beitrag ist. Der neue, aus Österreich kommende Koordinator Dr. Busek hat schon eine wichtige Rolle und wird sie meiner Ansicht nach in Zukunft ganz besonders haben.

Ich möchte mit der Bemerkung schließen, dass diejenigen, die sich als Freunde eines Landes sehen – und Österreich sieht sich als Freund Kroatiens –, auch die Aufgabe haben, die Entwicklungen eines Landes besonders kritisch zu beobachten. Kritische Anteilnahme zeichnet ja eine Freundschaft aus. Daher sind wir aufgerufen – Kollege Spindelegger hat es vorhin gesagt –, Kroatien auch bei möglichen Entwicklungen, die nicht so laufen, wie es einem Beitrittsprozess entsprechen würde, zu unterstützen. Diese kritische Freundschaft wird – so schätze ich es ein, und viele andere auch – auch von Kroatien erwartet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich danke seitens der grünen Fraktion dafür, dass wir uns zu diesem symbolischen, aber über die Symbolik hinaus so wertvollen Schritt der Ratifikation entschlossen haben. – Danke herzlich! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Khol. )

14.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

14.49

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich freue mich über diese Regelung nicht nur aus privaten Gründen. Ich kenne dieses Land seit meiner


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frühesten Jugend, war in den letzten zwölf Jahren – mit einer einzigen Ausnahme – jedes Jahr mehrere Wochen in diesem Land und konnte seine Entwicklung sehr genau mitverfolgen.

Diese Region ist ein Gebiet, das traditionell und seit Jahrhunderten mit Österreich eine überaus enge Verbindung hat, für uns eigentlich der klassische Zugang zum Meer war und diesen hoffentlich auch in Zukunft im handelspolitischen Sinn noch in verstärktem Ausmaß darstellen wird. Dieses Land ist in seinen Bestrebungen zur Heranführung an die EU sicherlich so fördernswert wie nur ganz wenige andere.

Weil Frau Kollegin Stoisits, mit der ich ausnahmsweise fast alles geteilt habe, was sie hier gesagt hat, am Schluss ihrer Rede die kritische Freundschaft angesprochen hat: Freundschaft auf jeden Fall, und ich glaube, Kroatien hat deutlich gemerkt, wie sehr Österreich sein Freund ist, gerade in den schwierigen Jahren, als – das muss man wirklich sagen – Bundesminister a. D. Mock wie ganz wenige in Europa die Entwicklung in Kroatien und am Balkan richtig erkannt und auch unterstützt hat – zu Zeiten, als man Österreich, auch von der linken Seite dieses Hauses, dafür heftig angefeindet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Abschluss noch ein Wort zur Frau Kollegin Jäger: Sie haben die unterschiedlichen Positionen meiner Fraktion zu Kroatien und zu Tschechien angesprochen. Eines sei Ihnen auch ins Stammbuch geschrieben: Im Gegensatz zu Tschechien mit den Beneš-Dekreten hat Kroatien nie ein Hehl daraus gemacht, dass die AVNOJ-Bestimmungen für Kroatien keine Gültigkeit mehr haben. – Und das ist ein wesentlicher Klassenunterschied, Frau Kollegin Jäger! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Es spricht nun Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

14.51

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf sagen, es freut mich ganz besonders, dass ausnahmsweise – es passiert ja nicht oft – alle vier Parteien hier im Parlament einer Meinung sind und begrüßen, dass dieses Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kroatien so rasch hier im Nationalrat behandelt wird und wir damit das erste Land sind, das dieses Abkommen ratifiziert.

Es ist dies nicht nur Symbolik, es ist ein politisches Signal, das wir unserem Nachbarland senden. Ich denke, es ist wichtig zu zeigen, dass wir Kroatien als einen verlässlichen Partner in der Region schätzen.

Die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Kroatien sind von einer auch aus der gemeinsamen Geschichte resultierenden Nähe gekennzeichnet. Dies spiegelt sich auch wider in der Unterstützung Kroatiens bei und seit dessen Staatswerdung – Bundesminister a. D. Mock ist ja schon genannt worden – und auch in der humanitären Hilfe durch Österreich während des Krieges. Österreich setzte sich von Anfang an für Kroatiens Annäherung an die EU ein, und zwar auch in schwierigen Zeiten, als die anderen Staaten, auch in der Europäischen Union – ich war damals selbst schon entweder als Staatssekretärin oder als Außenministerin tätig –, dies nicht getan haben, und zwar sowohl bezüglich der Geschwindigkeit als auch hinsichtlich des Inhalts dieser Annäherung.

In der Tat hat Österreich mit Kroatien erfreulicherweise solch intensive Beziehungen, dass deren Darstellung im Detail den Rahmen hier sprengen würde. Ich möchte daher nur auf ein paar wesentliche Punkte eingehen.

Allein im Jahre 2001 fanden über 70 bilaterale Besuche in Österreich beziehungsweise in Kroatien statt. Staatspräsident Mesić stattete Österreich im Vorjahr nicht nur einen mehrtägigen offiziellen Besuch ab, sondern nahm auch an zwei Veranstaltungen in Österreich teil. Auch auf Ebene der Regierungschefs, der Parlamentspräsidenten, der Außenminister und zahlreicher anderer Minister finden regelmäßig Gespräche statt. Ebenso gibt es viele Kontakte auf regio


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naler und lokaler Ebene, und ich selbst habe natürlich auch vor, heuer nach Kroatien zu reisen und den Besuch meines Kollegen im letzten Jahr damit zu erwidern. (Beifall bei der ÖVP.)

Seit dem Jahre 1955, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Österreich in Agram mit einer Auslandskultureinrichtung vertreten, und im Jahre 2001, also letztes Jahr, wurden vom heutigen – wie wir es nennen – Kulturforum Zagreb mit 108 Partnern in 36 Orten Kroatiens immerhin 246 Veranstaltungen durchgeführt. Schwerpunkte waren auch hier das gemeinsame Europa und Themen, die in Richtung Europa weisen.

Die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen werden aber vor allem auch durch eindrucksvolle Zahlen im Bereich der Wirtschaft belegt. Die Statistik der kroatischen Nationalbank für den Zeitraum 1993 bis zum dritten Quartal 2001 weist Österreich mit einem Anteil von 29,44 Prozent an den Gesamtinvestitionen als größten Investor von Kroatien aus; gefolgt übrigens von den Vereinigten Staaten und von Deutschland. Für die ersten Monate des Jahres 2001 liegt Österreich laut der kroatischen Statistik sogar mit beeindruckenden 58 Prozent an erster Stelle und Deutschland an zweiter Stelle. In den bilateralen Handelsbeziehungen liegt Österreich insgesamt an vierter Stelle, bei Import und Export jeweils an der fünften. Im Jahr 2002, also in diesem Jahr, wird erwartet, dass die Ein-Prozent-Marke der österreichischen Exporte nach Kroatien überschritten wird.

Wenn ich an die touristische Bilanz denke, so weiß ich, wie sehr die Österreicher Kroatien schätzen. Nicht zuletzt wurde Kroatien im letzten Jahr von über 680 000 österreichischen Touristen besucht. Damit ist Österreich das einzige Land, dessen Besucherzahlen jene des Jahres 1990 überschreiten.

Diese Zahlen, meine sehr geehrten Damen und Herren, beweisen, dass das heute vorliegende Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, das ja auch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Exporte und Investitionen zum Inhalt hat, für Österreich wirklich von ganz besonderem Interesse ist. Das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen der EU mit Kroatien, über das wir heute eben hier sprechen und abstimmen, ist – das darf ich sagen – ein Meilenstein in unseren Beziehungen zu Kroatien. Ich freue mich darüber, dass es möglich war, und ich danke Ihnen allen für die Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen.)

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Gemäß § 65 der Geschäftsordnung gelangen wir nunmehr zur Abstimmung.

Gegenstand ist die Genehmigung des Staatsvertrages: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kroatien andererseits samt Schlussakte und Erklärungen in 975 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung, im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu beschließen, dass die Kundmachung dieses Abkommens samt Schlussakte einschließlich der beigefügten Erklärungen, die in den elf Amtssprachen der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht werden, in allen authentischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten erfolgt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle neuerlich die einstimmige Annahme fest.

*****

Wir kämen damit zum nächsten Punkt der Tagesordnung. Da es aber bereits zwei Minuten vor 15 Uhr ist und eine Dringliche Anfrage vorliegt, frage ich grundsätzlich die Fraktionsführer – der


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Herr Bundeskanzler ist auch schon anwesend –, ob sie etwas dagegen haben, wenn wir zwei Minuten früher anfangen. – Wenn das nicht der Fall ist, dann unterbreche ich die vorgesehene Tagesordnung, um die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage durchführen zu können.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Regierungskrise zum Schaden Österreichs (3345/J)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 3345/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die Bundesregierung hat den ÖsterreicherInnen in den letzten Tagen und Wochen ein unglaubliches Bild der Uneinigkeit, Zerstrittenheit und der Handlungsunfähigkeit geboten. In einer zentralen Frage des Regierungsübereinkommens – der Erweiterung der Europäischen Union – zeigt sich ein unlösbar scheinender Konflikt zwischen beiden Regierungsparteien. In der Frage der nuklearen Sicherheit, insbesondere im Fall des AKW Temelin, gibt es keine gemeinsame Vorgangsweise der Bundesregierung. Tatsächlich ist es ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Zweiten Republik, dass eine Koalitionspartei ein Volksbegehren initiiert, das gegen die Politik der Bundesregierung gerichtet ist, um sich damit gegen den anderen Teil der Koalitionsregierung durchzusetzen.

Das Ergebnis des Volksbegehrens zeigt die große Angst, die es in der Bevölkerung vor der Risikotechnologie Atomenergie gibt, zugleich ist es Ausdruck des Misstrauens in den von Ministerpräsident Zeman und Bundeskanzler Schüssel in Brüssel ausverhandelten Vertrag. Die Bundesregierung war bis heute nicht in der Lage, der Bevölkerung Aufschluss darüber zu geben, welche Schritte sie nun setzen wird, um ein Mehr an Sicherheit für die österreichische Bevölkerung zu erzielen bzw. einen Durchbruch in Richtung Stilllegung des AKW Temelin zu erreichen. Selbst innerhalb der Regierungsparteien, die "Europapartei" ÖVP ist davon nicht ausgenommen, gibt es völlig unterschiedliche Auffassungen über die weitere Vorgangsweise.

Innen- und außenpolitisch betrachtet kann man die Ereignisse der letzten Wochen nur als Fiasko bezeichnen. Der Rückfall in alte Denk- und Konfliktmuster ist unübersehbar. Der Ortstafelstreit belastet nicht nur das Verhältnis zur österreichischen Volksgruppe der Slowenen, sondern auch zur Republik Slowenien. Zwischen der Tschechischen Republik und Österreich eskaliert ein Krieg der Worte, alte Feindbilder werden wieder zum Leben erweckt, Emotionen und Vorurteile werden geschürt. Das Verhältnis, so das Resümee von Andreas Unterberger in der "Presse", zu einem wichtigen Nachbarland ist auf lange Zeit gestört, mit noch unabsehbaren Folgen ("Die Presse", 24. Jänner 2002). Von einer "Strategischen Partnerschaft" mit Österreichs mittel- und osteuropäischen Nachbarländern, die im letzten Jahr noch vollmundig von Außenministerin Ferrero-Waldner verkündet wurde, hat man bezeichnenderweise nie wieder etwas gehört. Dass die Regierung diese Sprechblase von Anfang an nicht wirklich ernst genommen hat, hat sie – etwa mit dem Verbot von Stromimporten – bereits in der Vergangenheit bewiesen. Ein weiteres Konfliktfeld, das nun gegenüber der Tschechischen Republik aufgebaut wird, ist das der Beneš-Dekrete. Für die FPÖ sind die Beneš-Dekrete ein weiterer Grund für ein Veto gegen den Beitritt der Tschechischen Republik ("NEWS", 24. Jänner 2002), die ÖVP sendet dazu – wie schon im Fall Temelin – widersprüchliche Signale. Zu befürchten ist, dass durch die verbalen Drohungen gegenüber der Tschechischen Republik eine Lösung der Frage, um die sich Diplomaten und Historiker im Hintergrund bemühten, scheitern könnte.

Innerhalb der Europäischen Union gerät die Regierung mit diesem Schlingerkurs zunehmend in Isolation. Die Unberechenbarkeit der österreichischen Regierungspolitik verunsichert die EU-Partner. Für die österreichische Bundesregierung wird es dadurch noch schwieriger, Unterstüt


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zung seitens der EU-Partner zu bekommen. Wichtige österreichische Interessen bleiben auf der Strecke, weil es der Bundesregierung nicht gelingt, Bündnispartner zu finden. De facto war die Erfindung der "Strategischen Partnerschaft" mit den mittel- und osteuropäischen Nachbarn von der Absicht getragen, den unterkühlten Kontakten der Bundesregierung mit einigen EU-Partnern künftig ein anderes Bündnissystem entgegenzustellen. In nostalgischer Reminiszenz wünschte sich die Bundesregierung eine Führungsrolle Österreichs in Mitteleuropa. Dieser Versuch ist gründlich gescheitert.

Die Politik der schwarz-blauen Koalition läuft darauf hinaus, das Image Österreichs im Ausland zu schädigen. Lösungen wichtiger Fragen im Interesse Österreichs werden dadurch schwieriger. Die Koalition nimmt das nach wie vor in Kauf. Eine Politik, die in alte Freund-Feind-Schablonen verfällt, die Beziehungen zu den Nachbarstaaten und den EU-Partnern leichtfertig und permanent aufs Spiel setzt und die Erweiterung der Europäischen Union in Frage stellt, richtet sich letztlich gegen die Interessen Österreichs. Schließlich sollte die Regierung wissen, dass Österreich zu jenen Ländern gehört, die bisher wirtschaftlich am meisten von der Ostöffnung profitiert haben.

Die regierungsinternen Turbulenzen der letzten Wochen um die zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten, die von einem Teil der Koalition geführten Angriffe gegen den Verfassungsgerichtshof als Garanten der Verfassung und der Grundrechte, die Vorgangsweise in Bezug auf das AKW Temelin, die Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten und die Position zur Erweiterung der EU, haben – ungeachtet des politischen Schadens, der für Österreich entstanden ist – für die Regierung doch den Vorteil, von der wirtschaftlichen und sozialen Schadensbilanz abzulenken, die das "Neu Regieren" von ÖVP und FPÖ den ÖsterreicherInnen gebracht hat. Österreich, das sich zwischen 1970 und 1999 auf der europäischen Überholspur befunden hat, ist seit dem Amtsantritt der schwarz-blauen Regierung auf eine Kriechspur zurückgefallen.

Nach dem Bundesministeriengesetz 1986 i.d.g.F., Anlage zu § 2, Teil 2, ist der Bundeskanzler insbesondere auch für die wirtschaftliche Koordination und die zusammenfassende Behandlung der Strukturpolitik zuständig. Weiters ist er für "Angelegenheiten der staatlichen Verfassung" zuständig. Politisch gesehen, trägt er die Gesamtverantwortung für das Handeln der Bundesregierung. Daher stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Stimmt es, dass laut Statistiken des AMS der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich im Dezember 2001 gegenüber Dezember 2000 einen Rekordwert von 50 689 zusätzlichen Arbeitslosen erreicht hat?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?

2. Stimmt es, dass – wie ein Gutachten der Europäischen Kommission zeigt – Österreich in der Europäischen Union Schlusslicht bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze und Spitzenreiter beim Nettoverlust von Arbeitsplätzen ist?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?

3. Stimmt es, dass Österreich laut EU-Kommission mit seinem realen Wirtschaftswachstum an vorletzter Stelle der Europäischen Union liegt?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?

4. Stimmt es, dass die Steuerquote in Österreich nach Berechnungen der EU-Kommission den historischen Höchstwert von 47 Prozent des BIP erreicht hat?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?

5. Stimmt es, dass die Belastungsmaßnahmen der Bundesregierung, wie die Einführung der Ambulanzgebühren, die Erhöhung der Energieabgabe, die Erhöhung des Preises der Auto


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bahnvignette, die Erhöhung der Gerichtsgebühren et cetera, untere und mittlere Einkommensbezieher relativ stärker belasten als die Bezieher höherer Einkommen?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?

6. Stimmt es, dass Österreich im Jahr 2001 somit das Land mit den höchsten Steuererhöhungen in der EU war?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?

7. Stimmt es, dass Österreich, was den Nettoeinkommenszuwachs betrifft, laut Daten der EU an letzter Stelle in der Europäischen Union liegt?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?

8. Stimmt es, dass somit relevante österreichische Wirtschaftsdaten – wie Wirtschaftswachstum, Anstieg der Arbeitslosigkeit und Entwicklung der Nettoeinkommen – den Berechnungen der EU zufolge erstmals schlechter als im EU-Durchschnitt sind?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen?

9. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung ihren Beitrag zur Umsetzung der von der EU beschlossenen "Lissabonner-Strategie" leisten, die jährlich konkrete Schritte zur Erreichung eines jährlichen Wirtschaftswachstums von 3 Prozent und die Erhöhung der Gesamtbeschäftigungsquote auf 70 Prozent vorsieht?

10. Sehen Sie als Bundeskanzler eine Chance, mit der Tschechischen Republik rechtlich verbindliche Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich des AKW Temelin zu vereinbaren, die (im Gegensatz zu der von Ministerpräsident Zeman und Ihnen getroffenen Vereinbarung) nicht ausschließlich vom Ermessen der tschechischen Atomenergiebehörde abhängen?

11. Wird die österreichische Bundesregierung über die Stillegung des AKW Temelin verhandeln? Werden diese Verhandlungen wie von der FPÖ angekündigt von Vizekanzlerin Riess-Passer geführt werden?

12. Stärkt es die Position der österreichischen Bundesregierung, dass ein Teil der Koalition mit dem Veto gegen den Beitritt der Tschechischen Republik droht?

13. Gibt es einen Beschluss der Bundesregierung oder beabsichtigen Sie, einen solchen herbeizuführen, dass Außenministerin Ferrero-Waldner bei der nächsten Ratstagung "Allgemeine Angelegenheiten" an die anderen Mitgliedstaaten der EU herantreten wird, um die Verhandlungen über das Energiekapitel wieder aufzunehmen?

Wenn ja, welche Chancen sehen Sie, sich mit diesem Anliegen durchzusetzen?

Wenn nein, warum nicht?

14. Welche Schritte werden Sie setzen, um beim Europäischen Rat von Barcelona die Frage des europaweiten Ausstiegs aus der Kernenergie zu thematisieren?

15. Wieso gibt es bis heute keinen Versuch der österreichischen Bundesregierung, jene Mitgliedstaaten der EU, die bereits jetzt auf eine Kernenergienutzung verzichten oder die einen Ausstieg aus der Atomenergie bereits beschlossen haben, für einen europaweiten Ausstieg aus der Kernenergie zu gewinnen?

16. Wie beurteilen Sie als Vorsitzender dieser Bundesregierung die von Ihrem Regierungspartner vorgebrachte Forderung, auch die Frage der Beneš-Dekrete mit den Erweiterungsverhandlungen zu verknüpfen und gegebenenfalls ein Veto gegen den Beitritt der Tschechischen Republik zur EU einzulegen?


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17. Welchen Stellenwert hat das in der Präambel zum Regierungsübereinkommen gegebene Bekenntnis zur Erweiterung in der konkreten Politik Ihrer Koalition?

18. Teilen Sie als zuständiges Mitglied der Bundesregierung für "Angelegenheiten der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit" die Auffassung des Kärntner Landeshauptmannes und Mitunterzeichners des Koalitionspaktes Dr. Jörg Haider, der Verfassungsgerichtshof sei "politisch korrumpiert", und halten Sie solche Äußerungen für eine bloße Stilfrage?

19. Meinen Sie, die Verfassungsrichter hätten es sich mit ihren Bezügen "gerichtet", und werden Sie daher als zuständiges Mitglied der Bundesregierung eine Änderung bei den Bezügen der Verfassungsrichter initiieren?

20. "Früher haben wir Kollegen in den Oststaaten getröstet", sagt laut "Kurier" vom 29.1.2002 ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofes. Am 9.1.2002 schickte die Präsidentin des deutschen Bundesverfassungsgerichtes Jutta Limbach ein Solidaritätsschreiben an den österreichischen Verfassungsgerichtshof, in dem es hieß: "Mit großer Anteilnahme verfolgen wir Ihren unbeirrten Einsatz für die Minderheiten-Rechte und die richterliche Unabhängigkeit. Unser Kompliment! Im Geiste scharen wir uns um Sie und Ihren Präsidenten."

Was werden Sie als das für "Angelegenheiten der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit" zuständige Mitglied der Bundesregierung unternehmen, um das Ansehen dieses österreichischen Höchstgerichtes vor ungerechtfertigten Angriffen, die den Rechtsstaat insgesamt in Frage stellen, zu schützen?

21. Wie reagieren Sie als das für "Angelegenheiten der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit" zuständige Mitglied der Bundesregierung auf das absurde Vorhaben von Seiten Kärntner Freiheitlicher, das Verfassungsgerichtshoferkenntnis betreffend die Ortstafelfrage "auf Nichtigkeit" überprüfen zu lassen?

22. Teilen Sie die Auffassung der "Presse"-Journalistin Anneliese Rohrer, die vor einigen Tagen die Bilanz der Bundesregierung in der Außenpolitik folgendermaßen zusammenfasste: "Bei den EU-Partnern herrscht Misstrauen und Herablassung, bei den Nachbarn konnte man weder Vertrauen noch Respekt festigen. Die außenpolitischen Konsequenzen der innenpolitischen Turbulenzen kann man nicht verhindern. Der ständige Wechsel der Persönlichkeit von Schlitzohr zu Kraftmeier hat Konsequenzen. Schaden hat das Land." ("Die Presse", 8. Jänner 2002)?

23. Wie stehen Sie zu den Schlussfolgerungen, die in der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" über die Bilanz der Bundesregierung gezogen wurde: "Die schwarz-blaue Koalition, die uns für die vielen Entbehrungen auf dem Weg zum Nulldefizit eines Tages mit einer Steuerreform belohnen will, hat die höchste Belastungsquote aller Zeiten zu verantworten. (...)Auf der ganzen Welt gibt es nur vier Staaten, die bei Unternehmen und Bürgern noch ungenierter abkassieren – ein trauriger Spitzenplatz von geradezu konkurrenzschädigender Signalwirkung für den Wirtschaftstandort, ganz zu schweigen von der Frustration, die eine solche Schröpfung bei den Verdienern hervorruft. (...) Das Inkassobüro Schüssel & Co nimmt uns aus wie die Weihnachtsgänse. Bloß dass dieses Weihnachten schon fast bis Schulschluss dauert. Von wegen ‚Österreich neu regieren‘: Diese Regierung schaut ganz schön alt aus." ("Neue Vorarlberger Tageszeitung", 19. Jänner 2002)?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

14.59

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor rund zwei Jahren ist Bundeskanzler Schüssel vor dem


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Hohen Haus gestanden und hat gesagt, an den Taten und nicht an den Worten solle man die schwarz-blaue Bundesregierung messen. (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!) Wir meinen, dass es nach zwei Jahren normalerweise an der Zeit ist, eine erste Leistungsbilanz vorzulegen, und haben daher erwartet, dass der Bundeskanzler nach zwei Jahren diese Leistungsbilanz dem Parlament vorlegt. Offensichtlich ist diese Leistungsbilanz so dürftig ausgefallen, dass es zu dieser Erklärung des Bundeskanzlers nicht gekommen ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Wo ist eine Leistungsbilanz von euch? Ihr leistet nichts! )

Wir wollen Ihnen daher im Rahmen unserer Dringlichen Anfrage die Möglichkeit geben, das darzustellen. (Abg. Dr. Khol: Danke! – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Herr Abgeordneter Stummvoll, Sie werden in der Debatte noch zu Wort kommen. Wir werden genügend Möglichkeit haben, uns in Heiterkeit an Ihren Worten zu erbauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kommen wir aber zu den Realitäten, die unser Land nun seit zwei Jahren charakterisieren, und diese Realitäten sind kein besonders guter Ausweis für die schwarz-blaue Bundesregierung. (Abg. Dr. Trinkl: Champagner trinken!)  – Den Champagner können sich immer weniger Österreicherinnen und Österreicher leisten – auf Grund Ihrer Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Lebhafte ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie trinken ihn! – Abg. Schwarzenberger: Den Champagner trinken Sie ganz allein!) Der Einzige, der sich noch Champagner leisten kann, ist der Finanzminister (lebhafte ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP), der den Österreicherinnen und Österreichern 15 000 S pro Kopf und Jahr mehr an Steuern abnimmt als in der Vergangenheit, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das erste Mal seit zehn Jahren gibt es in Österreich keine steigende Anzahl an Arbeitsplätzen. Die Arbeitslosenrate steigt das erste Mal dramatisch an, und es gibt am Ende des Jahres 2001 um 50 000 Arbeitslose mehr als am Ende des Jahres 2000. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wären froh gewesen, wenn Sie so eine Arbeitslosenrate gehabt hätten in Ihrer Regierung!) Ich weiß, die Arbeitslosen sind Ihnen von der FPÖ völlig egal. Das kennzeichnet Ihre Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Nettoeinkommen der Österreicherinnen und Österreicher sind nicht gestiegen – als einzigem Land in der Europäischen Union –, und das obwohl die Österreicherinnen und Österreicher auf Basis der ganz hohen Produktivitätsraten zu den fleißigsten Arbeitnehmern ganz Europas gehören. Wir wollen nicht einsehen, dass dieser Fleiß, diese Leistung der österreichischen Arbeitnehmer nicht belohnt wird und dass die Fleißigsten von ganz Europa das Allerwenigste davon bekommen, nur weil Sie die höchste Steuer- und Abgabenquote in der gesamten Geschichte unseres Landes veranlasst haben, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß schon, was vom Herrn Bundeskanzler alles an Antworten kommen wird. Er wird darauf hinweisen, dass alles so ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja nicht zu glauben! – Abg. Mag. Schweitzer: Warum machst du dann eine Anfrage?) Ja, ja, es ist ziemlich leicht vorauszusagen, Herr Westenthaler! Die Art der Einfalt, die Sie immer wieder an den Tag legen, kann man leicht prognostizieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie werden sicherlich wieder darauf hinweisen, wie schwer Sie es haben auf Grund des Erbes, das Sie angetreten haben. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist richtig!) Und erneut müssen wir darauf hinweisen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Bis zum Jahr 1999 war Österreich ökonomisch und sozial auf der europäischen Überholspur, seit Sie aber an der Regierung sind, sind wir auf die europäische Kriechspur gewechselt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Hier verwechseln Sie uns mit Deutschland!)

Wenn Sie sich immer hierher stellen und sagen, es sei sehr schwierig, man könne nichts tun, internationale Rezession, Konjunktureinbruch und all so etwas, dann stellt sich schon die


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Frage ... (Abg. Kiss: Wer sagt das?) Das haben Sie bei mehreren Gelegenheiten hier im Plenum dargeboten. (Abg. Schwarzenberger: Das sagt Schröder!) Ich möchte Sie nur immer wieder darauf hinweisen: Es gibt andere europäische Staaten, die sich ... (Abg. Mag. Schweitzer: Deutschland! Deutschland! Deutschland! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Moment! Herr Kollege Schweitzer, ich weiß, in der Lautstärke sind Sie hervorragend (Abg. Mag. Schweitzer: Auch! Auch!), aber in der Argumentationsstärke nicht! Das ist Ihr Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Erklären Sie den Österreicherinnen und Österreichern Folgendes: Erklären Sie Ihnen, wieso Österreich, wenn es überall einen Wirtschaftseinbruch gegeben hat, in der Arbeitslosenrate im Jahr 1999 an zweiter Stelle in Europa lag und jetzt nur mehr an fünfter Stelle liegt! Erklären Sie den Österreicherinnen und Österreichern, dass nach zehn Jahren überdurchschnittlichen europäischen Wachstums Österreich an vorletzter Stelle in der Europäischen Union liegt! Erklären Sie den Österreicherinnen und Österreichern, wieso nach Jahren eines überdurchschnittlichen Reallohnwachstums Österreich das Schlusslicht bei der Entwicklung der Reallöhne ist!

Das ist nicht die Schuld der internationalen Konjunktur, das ist das Ergebnis der Politik der schwarz-blauen Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist das Schlimme daran? – Das Schlimme daran ist, dass es Betroffene gibt. Es gibt 50 000 mehr Arbeitslose und deren Familien. Es gibt nahezu 2 Millionen Rentner und Pensionisten, die eine Kürzung ihrer Pensionen und Renten im Realwert hinnehmen mussten. (Abg. Großruck: Das war im Jahr 1998 unter Klima!) Es gibt Hunderttausende Unfallrentner, deren Einkommen durch die Besteuerung der Unfallrenten gekürzt wurden. Es gibt Millionen von Patienten in Österreich, die durch die Ambulanzgebühren und die Erhöhung der Medikamentenpreise betroffen sind. Und es gibt 8 900 Betriebe, die auf Grund der Wirtschaftspolitik dieser Regierung im vergangenen Jahr leider insolvent geworden sind. (Ironische Heiterkeit und lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Meine Damen und Herren! Es gibt Opfer der Politik dieser Bundesregierung, und das macht die Lage so dramatisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, nach zwei Jahren ist es an der Zeit, dass Sie sich einmal die Frage stellen, ob Sie nicht Ihren Kurs korrigieren sollten, denn nach zwei Jahren wird es schön langsam unglaubwürdig und langweilig, wenn Sie immer sagen: Angesichts der Vergangenheit kann es nicht besser sein, die internationale Lage ist nicht besser, alle anderen Bedingungen sind nicht besser. Nach zwei Jahren sollten Sie doch endlich imstande sein, selbst die Verantwortung für das zu übernehmen, was Sie getan haben. Wenn die Resultate so schlecht sind, wie sie auf dem Papier ablesbar sind, meine Damen und Herren, dann ist es Zeit für einen Kurswechsel in Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Kurswechsel, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat in einer anderen Wirtschafts-, Sozial- und Europapolitik zu bestehen, denn das sichert letztendlich die Einkommen der Österreicherinnen und Österreicher. Ein Kurswechsel muss darin bestehen, endlich eine aktive Wirtschaftspolitik zu machen, die die Unternehmen zum Investieren motiviert und die Arbeitnehmer in Österreich für ihre Leistungen auch gerecht entlohnt. Das ist das, was dringend erforderlich ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten brauchen wir eine Standortpolitik, die den Wirtschaftsstandort Österreich verbessert. Es nützt aber nichts, wenn Frau Bundesminister Forstinger auf Infrastrukturprojekte verweist, die am Sankt-Nimmerleins-Tag realisiert werden, wozu selbst die ÖVP-Landeshauptfrau aus der Steiermark, Waltraud Klasnic, meint, sie wisse nicht, ob sie überhaupt noch eines der Projekte, die in dem Generalverkehrsplan enthalten sind, erleben werde. Mit dieser Art von Infrastrukturpolitik, meine Damen und Herren, wird man die Herausforderungen der Osterweiterung nicht wahrnehmen können, und das wird Österreich schaden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen weiters eine Sozialpolitik, die die Sicherheit für jene Menschen in Österreich bietet, die letztendlich Risiko auf sich nehmen sollen, die im Wettbewerb stehen und von denen Tag für Tag neue Höchstleistungen gefordert


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werden. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass jene Staaten in Europa am erfolgreichsten sind – bei den Investitionen und beim Wirtschaftswachstum –, die imstande sind, ein dichtes soziales Netz zu kombinieren mit einer Orientierung nach Wettbewerbsfähigkeit. Wenn Sie über den Tellerrand Österreichs hinausschauen können, schauen Sie nach Schweden und Finnland! Dort werden Sie die Anleitungen finden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch notwendig, dass wir zu einer sozial gerechten Steuerpolitik kommen, meine Damen und Herren! 47 Prozent Steuer- und Abgabenquote und damit die höchsten Steuererhöhungen in ganz Europa sind keine befriedigende Situation, vor allem dann nicht, wenn der Bundeskanzler meint, im Jahr 2010 würden es ohnehin nur mehr 40 Prozent sein. Täglich die Steuern zu erhöhen und die Bevölkerung auf das Jahr 2010 zu vertrösten, das ist keine Motivation für Leistung – weder für die Wirtschaft noch für die Arbeitnehmer in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Kurswechsel ist auch in der Europapolitik notwendig (Abg. Großruck: Applaus!), denn es gibt in der Europapolitik einen tiefen Spalt, der durch diese Bundesregierung geht. Auf der einen Seite steht offensichtlich die ÖVP, in der es nach wie vor eine proeuropäische Orientierung auch in Richtung Erweiterung gibt, und auf der anderen Seite steht eine nationalpopulistische FPÖ (Abg. Wochesländer: Ha, ha!), die nach ihren Kampagnen in der Vergangenheit gegen den Beitritt zur EU, gegen die Einführung des Euro nun ihre Kampagne gegen die Erweiterung vorbereitet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt keine falschere These als die, die von der FPÖ vertreten wird, die da lautet: entweder EU-Erweiterung oder österreichische Interessen! Richtig ist nämlich vielmehr, dass die Erweiterung der Europäischen Union im ureigensten österreichischen Interesse steht. Und wer das nicht versteht, der arbeitet zum Schaden unseres Landes, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist vollkommen richtig, dass diese Herausforderung die zentrale für die europäische Politik und für Österreich ist. Es ist auch vollkommen richtig, dass wir auf dem Weg zur Erweiterung die Probleme der Österreicherinnen und Österreicher ernst nehmen und politisch beantworten müssen.

Wenn man gestern von der neuen Studie aus dem Burgenland gehört hat, die klar nachgewiesen hat, dass überall im Burgenland die Ergebnisse und die Prognosen in Bezug auf die Erweiterung positiv sind und auch von allen Teilen der Bevölkerung als positiv eingeschätzt werden, wenn es im Wesentlichen, Herr Kollege Kiss, nur ein Problem zu lösen gibt, nämlich das der Tagespendler, und wenn man sieht, wie man durch konkrete Politik, die die Ängste der Menschen beantwortet, auch die Mehrheit und die Zustimmung für die Erweiterung gewinnen kann, dann zeigt das Beispiel Burgenland, dass man, wenn es eine Landesregierung gibt, die in dieser Frage eine klare Linie hat, dieses Problem bewältigen kann.

Österreich wird die Herausforderung der Erweiterung aber nur dann bewältigen, wenn es eine zweifelsfreie Linie der österreichischen Bundesregierung in der Erweiterung gibt. Die derzeitige Spaltung der Bundesregierung macht dieses Projekt für Österreich zu einem Problem. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Egghart  – in einen Frack gekleidet – stellt eine Flasche Champagner auf das Rednerpult. – Allgemeine lebhafte Heiterkeit und Zwischenrufe. – Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abgesehen davon, dass wir diese Flasche Champagner aufbewahren für den Tag, an dem die österreichische Bevölkerung diese Bundesregierung abwählen wird ... (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dietachmayr: Ja, genau! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Flasche wird vom Präsidenten konfisziert, Herr Klubsekretär Schnizer; sie kommt hier herauf. (Neuerliche lebhafte Heiterkeit.)

Bitte setzen Sie fort, Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer!


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Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer
(fortsetzend): Abgesehen von dieser Ankündigung, meine Damen und Herren, hätte sich der Kollege nicht die große Mühe machen müssen, sich allein für diesen Akt die Garderobe des Edel-Oberkellners im Parlament anzulegen. (Allgemeine lebhafte Heiterkeit. – Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das nächste Mal wird er einen Mao-Anzug anziehen! An deinem Mao-Anzug nimmt auch niemand Anstoß! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Spaltung in der österreichischen Bundesregierung in der Frage der Europapolitik dürfte offensichtlich die zweite Phase dieser Bundesregierung einleiten. Die erste Phase, die darin bestanden hat, dass die Regierung mit Husch-Pfusch-Gesetzen im Parlament operiert hat und "speed kills" das Motto war, dürfte nun abgelöst werden durch die Phase der streitsüchtigen Hilflosigkeit, die diese Bundesregierung der österreichischen Öffentlichkeit präsentiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regierung hat aber nicht nur in sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen versagt. Es gibt auch eine gefährliche Entwicklung auf dem Sektor der Demokratie. Ich möchte daran erinnern, dass die FPÖ vor zwei Jahren mit der Aussage begonnen hat, die Opposition gehöre ins Gefängnis. Sie hat weitergemacht mit der Ansage, es müsse Ordnung in den Redaktionsstuben geschaffen werden. (Abg. Dr. Ofner: Schmähtandler! Du bist ein Schmähtandler!) Sie haben in Bezug auf die Journalisten gemeint, die Hand, die einen füttert, beiße man nicht. Danach hat man die Beamten attackiert, die in der Spitzelaffäre ermittelt haben, und gemeint, das wäre ein "rotes Komplott". (Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist die Spitzelaffäre? Wo ist das Ergebnis der Spitzelaffäre, Herr Kollege? Zusammengebrochen!) Und als Letztes ist jetzt der Verfassungsgerichtshof zum Ziel der Angriffe seitens der FPÖ geworden, indem Sie meinen, der Verfassungsgerichtshof wäre "politisch korrumpiert" und müsse daher "zurechtgestutzt" werden.

Meine Herren von der ÖVP! Meine sehr verehrten Damen von der ÖVP! Das ist eine demokratiepolitische Gesinnung, mit der kein Staat zu machen ist. Das, was an antidemokratischen Attacken von Seiten der FPÖ ausgeht, ist einer westeuropäischen Demokratie nicht würdig! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Abgeordneter Khol! Lassen Sie sich von Ihrem ehemaligen Generalsekretär Michael Graff im "Format" dieser Woche Folgendes sagen (Abg. Ing. Westenthaler: Wer? Wissen Sie, warum der gehen musste?): "Die FPÖ ist die führende, aber nicht die alleinige Partei, die um die Verfassung einen Bogen macht. Vergleichen Sie nur die ÖVP-Linie in der Neutralitätspolitik. Da bewegt sich die ÖVP auch schon lange nicht mehr im Verfassungsbogen."

Die mögliche Antwort von Andreas Khol auf diese Anklage eines seiner Parteikollegen wird wahrscheinlich sein: Auch der "Verfassungsbogen" ist eine Tochter der Zeit. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Gusenbauer zitiert Graff! Sie wissen aber schon, warum er gehen musste!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wahrheit ist, dass das schwarz-blaue Projekt einen gemeinsamen Kern gehabt hat. Der Kern des schwarz-blauen Projekts ist die brutale Machtpolitik und das Umfärben Österreichs. In dieser Frage sind sich die beiden Parteien wirklich einig.

In der neuen Ausgabe des "trend" – bei weitem kein sozialdemokratisches Agitationsorgan – steht unter dem Titel "Blaues Blut", Herr Westenthaler (Abg. Ing. Westenthaler: Ihre Lösungsvorschläge, Herr Kollege! Wo sind Ihre Lösungsvorschläge?), Folgendes geschrieben:

"Angetreten ist die ÖVP/FPÖ-Koalition mit dem Schlagwort ,Entpolitisierung‘. De facto hat sie das größte Köpferollen aller Zeiten gestartet. Anstelle von rotem ist nun blaues und schwarzes Blut gefragt. Bisweilen werden bei diesem Postenschacher neu nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, sondern auch die Spielregeln des demokratischen Rechtsstaats missachtet." – Dem ist nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Herr Bundeskanzler! Da Sie so gerne an den Taten und nicht an den Worten gemessen werden, müssen wir Ihnen sagen: Schauen Sie sich alle Statistiken, die die Österreicherinnen und Österreicher betreffen, an, und Sie müssen zur ehrlichen, unpolemischen Auffassung kommen: Die Leistung, die Sie in den letzten zwei Jahren erbracht haben, ist eine außerordentlich bescheidene! Gut waren Sie nur dort, wo es um die Machtpolitik geht. Gut waren Sie nur dort, wo es darum gegangen ist, die FPÖ nicht in die Bahnen eines korrekten Verhaltens zu bringen, wo Sie zugelassen haben, dass die Demokratie beschädigt wird, und wo Sie zugelassen haben, dass auch das internationale Ansehen Österreichs durch diese Agitation der FPÖ in Mitleidenschaft gezogen wird. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Herr Präsident, ich komme zum letzten Satz.

Meine Damen und Herren! Im Jahr 2002 ist es in Österreich sozial kälter geworden, die Wirtschaft ist rezessiver, das Leben teurer geworden, für die Demokratie ist es enger und international ist Österreich leider unberechenbarer geworden. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Du hast gar nichts gesagt, und die applaudieren! Das ist unglaublich!)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Anfrage im Sinne der Bestimmungen, die Sie alle kennen, hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.21

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal: Wir verstehen heute vielleicht das Wort von der loyalen Opposition etwas besser, denn dass wir nicht einmal beantragen müssen, eine Rede zu halten, eine Erklärung abzugeben, sondern dass Sie mir von sich aus die Chance dazu geben, eine Bilanz unserer Arbeit zu ziehen, ist schon bemerkenswert. Ich danke Ihnen ausdrücklich dafür. Sie werden die Antworten bekommen, die Sie wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten war das eine sehr bemerkenswerte Rede, Herr Abgeordneter Gusenbauer. Sie haben es nämlich fertig gebracht, und das ist gar nicht einfach, mit keine


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m einzigen Satz auch nur einen einzigen Lösungsvorschlag zu machen. Wenn die Situation wirklich so schlimm ist, wie Sie meinen, dann ist es doch bemerkenswert, dass Ihnen dazu gar nichts eingefallen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Sie müssen ja selber schmunzeln, denn Sie wissen ganz genau, dass es in Österreich Gott sei Dank nicht so ist. Dieses Jammertal, das Sie wortreich beschrieben haben, das muss woanders liegen, in einem anderen Erdteil, in einem versunkenen Atlantis. (Abg. Mag. Schweitzer: In der SPÖ-Parteikasse!) Österreich steht Gott sei Dank viel, viel besser da, als Sie wissen oder jedenfalls hier dargestellt haben, Herr Abgeordneter. Und darauf können wir gemeinsam stolz sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie reden von einer wirtschaftlichen und sozialen Schadensbilanz, Kriechspur, Isolation, Schlingerkurs, Feindbilder, Sprechblasen, Uneinigkeit, Zerstrittenheit. (Abg. Dietachmayr: So ist es! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aus dem Horrorlexikon!) Herr Abgeordneter – und jetzt ernst gesagt –, heute ist der 31. Jänner. Ich würde sehr nachdenklich sein, und lassen wir den Champagner einmal weg: Wo war denn bitte von Anfang an der Beitrag der SPÖ und Ihres Vorgängers, als es tatsächlich um die Begrenzung des Schadens für unser Land gegangen ist? Da waren Sie nicht zu sehen oder auf der falschen Seite. Wir dagegen sind gestanden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie werfen uns einen Schlingerkurs vor? Dann erklären Sie einmal in drei einfachen Sätzen, die ein normaler Mensch versteht, Ihren Kurs in der Erweiterungsfrage. Der hieß nämlich am Anfang, man könne es wegen der verschiedenen Probleme, die das soziale Gefälle mit sich bringe, jetzt nicht machen, noch nicht oder nicht so. Manche bei Ihnen, wichtige Repräsentanten, haben sogar gesagt, eine Erweiterung könne es nicht geben, bevor nicht das Lohnniveau bei den Beitrittskandidaten auf 80 Prozent des österreichischen Lohnniveaus angestiegen sei. (Die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler: Wo ist Verzetnitsch?) Und da erklären Sie mir, wir würden einen Schlingerkurs fahren? Kehren Sie vor der eigenen Stube! Fangen Sie dort an, erst dann sind Sie glaubwürdig, wenn Sie uns in diesem Punkt kritisieren, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Isolation, meinen Sie? Glauben Sie wirklich, dass Österreich isoliert ist (Abg. Heinisch-Hosek: Ja!), obwohl es ja viele von Ihnen mit klammheimlicher Freude gerne sehen würden, wenn Österreich isoliert wäre? (Ruf bei der SPÖ: Nein!) Ich komme gerade zurück aus Moskau, war davor in London, in Washington, habe fast alle europäischen Partner entweder hier in Wien zu Besuch gehabt oder war in ihren Hauptstädten. Wir haben sehr viel in der arabischen Welt getan. Wir haben uns bemüht, den Iran und viele andere Staaten als Partner einzubinden. Wir haben ein Netzwerk geknüpft mit unseren Nachbar- und Partnerländern, um das Sie uns in Wahrheit beneiden. (Ruf bei der SPÖ: Zum Beispiel Tschechien!)

Meine Damen und Herren! Die Skepsis der Sozialdemokratie in der Europafrage – auch in der Erweiterungsfrage und in der Demokratiefrage – nach 1989 ist nicht vergessen, hier in Österreich nicht, aber auch nicht in den Kandidatenländern. Seien Sie daher vorsichtig mit solchen Worten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vergleichen Sie etwa die Reise- und Besuchstätigkeit von Bundeskanzler Vranitzky oder Bundeskanzler Klima in den ersten beiden Jahren mit meinen Besuchen oder Empfängen. Dann werden Sie draufkommen, dass ich jedem Vergleich standhalte, und darauf bin ich auch ein wenig stolz, denn das zeigt: Wir nehmen unsere Rolle wahr! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie sagen, wir hätten keine Bündnispartner in Europa. – Erklären Sie mir: Warum hat denn mein Amtsvorgänger keine Verlängerung des Ökopunkte-Regimes zustande gebracht?! Aber wir, die Frau Vizekanzlerin, die Infrastrukturministerin, die Außenministerin und ich, haben nach sehr, sehr mühsamen Verhandlungen in Brüssel, nach Zustimmung des gesamten Europäischen Rats eine Verlängerung des Ökopunkte-Regimes zugestanden bekommen und dazu auch eine Unterstützung für das Weißbuch der Europäischen Kommission. Das ist ein Erfolg! Das ist eine Lösung und nicht bloß Kritik, wie Ihre Rede! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Wo liegt die Obergrenze?)

Oder denken Sie an den Arbeitsmarkt! Wer hat denn den Vorschlag gemacht, dass wir nicht 30 Jahre warten, bis das Lohnniveau angeglichen ist, sondern konkret siebenjährige Übergangsfristen vereinbaren? – Eine österreichische Idee, die sich durchgesetzt hat, die von allen 15 Partnern und mittlerweile bereits auch von allen Verhandlungspartnern der Kandidatenländer akzeptiert worden ist.

Oder denken Sie an das Thema der Kernkraftsicherheit! Wir brauchen uns nicht gegenseitig zu beweisen, dass wir alle Skeptiker der Kernkraft geworden sind. Die anderen zu überzeugen ist weit schwieriger. Wir waren die Ersten, die in einer Schlussfolgerung des Europäischen Rats die europäischen Sicherheitsstandards angesprochen haben. Vorgänger von Ihnen, auch anwesende Minister, haben dies in die Schlussfolgerungen eines Europäischen Rats bisher nicht so hineingebracht. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das war schon vor Jahren! Das stimmt nicht! – Abg. Mag. Prammer: Das ist die Unwahrheit!) Gestern hat die Europäische Kommission veröffentlicht, dass sie für die Stilllegung von Bohunice und Ignalina in den nächsten drei Jahren immerhin 305 Millionen € zur Verfügung stellen wird. Das ist eine konkrete Lösung und nicht bloß rhetorische Kritik!

Das erklärt auch, warum die Zustimmung der Österreicherinnen und Österreicher zur EU-Erweiterung langsam wächst. Vor einem Jahr noch waren 60 Prozent dagegen, heute sind 60 Prozent dafür. Das hängt damit zusammen, dass die Regierungspartner, die natürlich ein unterschiedliches Herkommen, einen unterschiedlichen Zugang haben, gemeinsam ein erfolgreiches Programm auf die Reise gebracht haben, das tatsächlich auch zu Lösungen führt.

Weil Sie Burgenland erwähnt haben, Herr Abgeordneter: Sie wissen, wer in der Burgenländischen Landesregierung für Europafragen zuständig ist – Franz Steindl, unser Landeshaupt


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mann-Stellvertreter! (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. ) Ich gratuliere ihm zu seinem guten Ergebnis. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Isoliert sind wir? – Wer hat denn die Verlängerung von Wolfgang Petritsch als Koordinator für Bosnien durchgebracht? Das war Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Wer hat Erhard Busek als Stabilitätspaktkoordinator für den gesamten Balkanraum durchgesetzt? Das war diese österreichische Bundesregierung. (Die Abgeordneten Marizzi, Dr. Gusenbauer und Dr. Cap: Westenthaler!) Im Europarat stellen wir heute den Generalsekretär, und ich gratuliere Peter Schieder zu seinem großartigen Erfolg als Präsident der Parlamentarischen Versammlung. Ein großer Erfolg für uns alle! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder denken Sie an die härtest umkämpfte Wahl in den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, in der Österreich gegen wichtigste Konkurrenz, sogar gegen die Amerikaner, gewonnen hat! Wir sind mit der zweithöchsten Stimmenzahl hineingewählt worden. Wichtige Positionen im Einsatz für die Menschenrechte, im Kampf gegen den Rassismus werden von Österreicherinnen und Österreichern eingenommen, und das erklärt, warum Kofi Annan in diesen Tagen gesagt hat: Musterland Österreich. – Es gibt also höchstes internationales Lob für uns, und das klingt ganz anders als Ihre Sätze, Alfred Gusenbauer. Ich finde, Kofi Annan hat Recht. Seien wir gemeinsam stolz auf dieses Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Gusenbauer irrt! – Abg. Auer: Das schaut nicht gut aus für Gusenbauer!)

Die regionale Partnerschaft wird bei Ihnen zu einer Sprechblase, so die Aussage. – Wiederum frage ich: Wissen Sie es nicht, müssen wir es Ihnen wirklich erklären, oder wollen Sie einfach nicht das unzweifelhaft Richtige einbekennen? (Abg. Dr. Gusenbauer: Wie sieht es aus mit Tschechien?) Das, was ich begonnen habe, was vor allem Benita Ferrero-Waldner konkret umgesetzt hat, regelmäßige Treffen mit den Ministern der Nachbarländer, lebendige Netzwerke, findet jedes Jahr auf vielen Ebenen statt; nicht nur bei den Außenministern, sondern etwa auch bei den Umweltministern, die jetzt, in diesen Wochen, wieder zusammen kommen. Die Umweltminister aller Kandidatenländer treffen sich mit unserem Willi Molterer. Die Landwirtschaftsminister, die Wirtschaftsminister, die Justizminister, die Gesundheitsverantwortlichen aus den EU-Ländern und den Kandidatenländern treffen sich in Österreich. Das ist gelebte regionale Partnerschaft! Wenn das eine Sprechblase ist, dann überprüfen Sie Ihre Redemanuskripte, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zur wirtschaftlichen und sozialen Schadensbilanz. Sie haben Recht, es gibt einige kritische Momente, die Konjunkturabschwächung trifft uns auch. Es wäre ja ganz absurd, würde man das nicht offen und ehrlich einbekennen. Aber man sollte den Österreichern auch die Hoffnungszeichen nicht verschweigen, wie Sie das perfekt getan haben. Jedes Jahr schreiben wir Unternehmensgründungsrekorde. Warum? Weil diese Bundesregierung angetreten ist, um nach dem One-Stop-Shop-Prinzip, also mit einer Stelle, die das überprüft, rasche Genehmigungsverfahren durchzusetzen, kostenfrei und ohne zusätzliche Belastung. Deswegen gibt es jetzt jedes Jahr Unternehmensgründungsrekorde. Letztes Jahr waren es 28 000 junge Unternehmer, die Arbeitsplätze geschaffen und den Familien Arbeit und Brot gegeben haben. (Abg. Mag. Gaßner: Und wie viele Konkurse? – Abg. Gradwohl: Schauen die so aus wie bei den Güterbeförderern und LKW-Frächtern?) Sind Sie darauf nicht stolz, Herr Abgeordneter? Wir schon! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie wollen etwas wissen über die Arbeitsplatz-Bilanz? Gern! Nehmen wir den Vergleich mit dem letzten sozialistischen Kanzler, den letzten Arbeitsministern aus der SPÖ, den letzten Finanzministern. (Abg. Bures: Und Wirtschaftsminister!) Selbstverständlich auch, ja, selbstverständlich! Aber die Wahrheit gebietet, dass man alles nennt, und gerade das wurde ja verschwiegen.

Nehmen Sie bitte das Jahr 1999 zum Vergleich. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit betrug damals 221 000, heute sind es 203 000. Es gibt also 18 000 Arbeitslose weniger im Jahresschnitt als 1999. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Bures: Den Anstieg der Arbeitslosigkeit müssen Sie sich anschauen, Herr Bundeskanzler!)


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Die Zahl der Beschäftigten liegt um 40 000 höher. Sie haben in einem Punkt Recht: Der Dezember war auch durch eine Veränderung des Stichtags schlecht. (Abg. Bures: Seit wann ist es schlecht?) Aber schon der Jänner zeigt ein anderes Bild, schon der Jänner zeigt, dass wir bei den Arbeitslosendaten heuer besser liegen als im Jänner 1999. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist gut! – Abg. Bures: Sagen Sie doch auch etwas zum Anstieg der Arbeitslosigkeit!) Daher wiederum: Versuchen wir doch jetzt nicht künstlich eine Krise herbeizureden, sondern krempeln wir die Ärmel auf und tun wir etwas, um Arbeit zu schaffen und die Arbeitslosen in Arbeit zu bringen! (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Worauf warten Sie denn? – Abg. Bures: Reden Sie nicht, tun Sie etwas!)

Zu dieser Erfolgsbilanz der neuen Regierung gehört, dass wir im Unterschied zu Ihnen die Arbeiter und die Angestellten gleichgestellt haben, alle Kinder und alle Eltern heute sozialrechtlich gleich behandelt werden und mit dem Kindergeld sogar zwölf Monate länger materiell vollkommen abgesichert sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu kommt, dass wir im Unterschied zu anderen, linken Regierungen Europas mit Pflegekarenz und Sterbebegleitung bewusst eine Alternative zur Sterbehilfe anbieten. Das sind konkrete Handlungen, die auch die Sozialbilanz in Österreich wesentlich verbessern werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter! Sie haben gesagt, wir sollten uns die Statistiken und die Rankings anschauen. Gut, machen wir das. Wer ist weltweit die Nummer eins in Bezug auf Lebensqualität? (Abg. Dr. Khol: Österreich!)  – Danke. Österreich! Sind Sie darauf nicht stolz? Wir schon! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn es um die Frage geht: Wo sind hoch qualifizierte Arbeitsplätze am besten verfügbar? – das ist für die Standortsicherung ungeheuer wichtig –, wer ist da auf dem ersten Platz? (Rufe bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen: Österreich!)  – Österreich! Wir sind stolz darauf, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn es um die Frage der Umweltqualität, der erneuerbaren Energien geht, wer ist Erster? (Rufe bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen: Österreich!)  – Österreich! Sind wir stolz darauf, liebe Freunde! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Bures: Glauben Sie, was Sie da sagen?)

Und wenn es um die Frage geht, wer am besten Wirtschaft und Umwelt in der Landwirtschaftspolitik, in der Agrarpolitik verbindet, wer am besten die Fonds der Europäischen Union anzapft, heißt die Antwort (Rufe bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen: Österreich!): Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter! Alles sagen, auch die Schwächen nennen! Wir müssen besser werden in der Forschung, wir müssen besser werden beim Nettozuwachs in verschiedenen Bereichen. Wir müssen mehr in die Infrastruktur investieren. Das sind aber auch genau eins zu eins jene Punkte, die sich diese Bundesregierung vorgenommen hat. (Abg. Bures: Sie tun nichts!) Sanieren, reformieren, und dann kann Österreich ernten. Wir sind auf dem besten Weg dazu. Weil Sie in diesen Fragen nichts anzubieten haben, machen wir es, und die Österreicherinnen und Österreicher machen sich dabei schon das richtige Bild. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die volle Antwort an Sie lautet daher: Wir sind bei weitem noch nicht perfekt. (Abg. Dr. Mertel: Sagen Sie das nicht!) Wir sind noch nicht so gut, wie wir es uns vorgenommen haben. Aber Österreich steht heute wesentlich besser da als vor zwei Jahren. Wir haben keinen blauen Brief aus Brüssel bekommen, weil wir das Schlusslicht in der Budgetpolitik sind, wie Ihr Amtskollege oder Ihr Parteiführerkollege Gerhard Schröder. (Abg. Dr. Fekter: So ist es!) Wir haben rechtzeitig gegengesteuert, und darauf sind wir stolz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Angesichts so vieler sozialer Verbesserungen, großartiger Exporterfolge und eines sanierten Budgets kann man nicht von einer Schadens-, sondern muss wahrhaftig von einer Erfolgsbilanz sprechen, Herr Abgeordneter Gusenbauer!


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Nun zu den konkreten Fragen, die Sie gestellt haben. Soweit ich sie nicht schon beantwortet habe, werde ich mich bemühen, sehr präzise darauf einzugehen.

Zur Frage 1:

Was die Frage eins betrifft, die Arbeitsmarktdaten, habe ich schon darauf hingewiesen, wie wir tatsächlich stehen: im Jahresdurchschnitt besser, im Dezember, da haben Sie Recht, war für uns mit 50 000 Arbeitslosen mehr der Tiefpunkt der Talsohle erreicht. Daher haben wir auch ganz bewusst ein Konjunkturpaket beschlossen, das gewaltige Ausmaße hat. Ich darf es Ihnen kurz vorlesen: 1 Milliarde € wird ab Jänner dieses Jahres über das Kindergeld für junge Familien und für die Erhöhung der Pensionen, vor allem der niedrigen, eingesetzt. (Zwischenruf der Abg. Bures. ) Der richtige Impuls zur richtigen Zeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

1 Milliarde € wird zur Einkommensentlastung für die Haushalte durch niedrigere Telefon-, Gas- und Stromtarife eingesetzt. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Sie lachen? Ein Wiener Abgeordneter lacht? Darauf habe ich gewartet! Acht Bundesländer haben diese Preisverbesserungen zu den Haushalten durchgelassen. (Abg. Dr. Khol: Nur Wien nicht!) Fragen Sie einmal Ihren Parteifreund Michael Häupl, warum das in Wien nicht funktioniert! Das ist eine Schande, meine Damen und Herren Abgeordneten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir stellen jetzt schon die Weichen und bahnen die Straßen für die Zukunft, indem wir im Unterschied zum letzten Finanzminister, Verkehrsminister und Bundeskanzler, der der SPÖ angehört hat, pro Jahr 600 Millionen € mehr in Schiene und Straße investieren. Allein mit diesen Programmen werden im nächsten Jahr und im übernächsten Jahr pro Jahr 8 000 bis 10 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. (Abg. Parnigoni: Ein Schmäh! Wo?) Das ist eine Lösung, nicht Rhetorik, wie Ihre Rede, Herr Abgeordneter Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu kommt: In den nächsten drei Jahren gibt es im Budget 1 Milliarde € mehr für Forschung und Entwicklung. Damit wird zum ersten Mal die notwendige Forschungsoffensive tatsächlich umgesetzt, von der etwa Viktor Klima nur geredet hat, wo aber nicht sehr viel herausgetröpfelt ist.

Wir werden zusätzlich – und ich hoffe, das Hohe Haus wird das sehr bald beschließen, und ich bitte sehr um Ihre Stimme – Steuerimpulse zur Konjunkturbelebung, vor allem für die Bauwirtschaft, aber auch für die Familien, für die Betriebe, für Weiterbildung und Forschung, im Ausmaß von 750 Millionen € vorschlagen. Wenn Sie mitstimmen, dann nehmen wir Ihre Kritik ernst, wenn Sie aus politischen Gründen dagegen stimmen, stellen Sie sich nie wieder hierher und kritisieren Sie, dass diese Bundesregierung nichts mache! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Das bestimmen aber nicht Sie! – Abg. Dr. Gusenbauer: Ihr Demokratieverständnis nähert sich schon sehr dem der FPÖ an! – Abg. Dr. Mertel: Diktatur!)

Zur Frage 2:

Ihre Zahlen sind unvollständig. Hinter uns liegt gemessen am Wirtschaftswachstum nicht nur Deutschland, sondern auch das von Ihnen gerade in Ihrer Rede als großartiges Beispiel gepriesene Finnland. Aber Sie haben Recht, wir müssen besser werden, und wir nehmen es uns auch im heurigen Jahr vor. Unsere Indikatoren zeigen, dass gegen Mitte des Jahres die Konjunktur deutlich besser werden wird. Die Unterschiede zwischen der Kommission und der OECD sind übrigens auch ganz interessant. Die Kommission ist in diesem Punkt skeptischer. Das erklärt auch, warum Sie ein ganz leicht – um zwei Zehntel – unter dem EU-Schnitt liegendes Wachstum gefunden haben, während wir bei der OECD wesentlich günstiger liegen. Dort sind wir an zehnter Stelle, und es wird uns auch ein höheres Wachstum prognostiziert.

Allerdings, selbst die Kommission sagt, dass der EU-Schnitt sinkt, aber jener Österreichs steigt. (Abg. Bures: Frage 2 haben Sie vergessen!)  – Wir werden uns anstrengen, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass wir wesentlich besser werden, als es Ihre kritische Prognose war.


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Zur Frage 4:

Sie beziffern die Steuerquote im Jahre 2001 mit 47 Prozent; Sie nehmen da wohl eine andere Statistik, denn die österreichische Statistik lautet auf 45,5 Prozent. Sie sagen, das sei die höchste überhaupt. – Das ist aber nicht wahr. Im Jahr 1997 betrug sie nämlich 46,5 Prozent (Rufe bei der ÖVP: Edlinger!), im Jahr 1998 47 Prozent und im Jahr 1999 46,5 Prozent; da war sie also deutlich höher.

Aber wiederum richtig ist, dass wir in den nächsten Jahren mit der Steuer- und Abgabenquote hinunterkommen müssen. Daher werden wir von der Regierung uns auch im nächsten Jahr eine Lohnnebenkostensenkung vornehmen. Dieser wurde wohl ursprünglich von Ihrer Seite zugestimmt, jetzt – wie ich höre – wird sie plötzlich wieder abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist immer so! – Abg. Dr. Trinkl  – in Richtung SPÖ –: Das wollen Sie nicht!) Ich bitte auch in dieser Frage nicht um einen Schlingerkurs, sondern um eine klare Antwort, ob die Entlastung der Arbeit nicht ein gemeinsames Anliegen sein könnte. (Abg. Edlinger: Wir sind für die Arbeitnehmer!)  – Entschuldigung, Herr Abgeordneter! Lohnnebenkosten werden ja meistens von beiden bezahlt. Natürlich wird auch der Arbeitnehmer davon profitieren, und er soll ja auch davon profitieren, Herr Abgeordneter Edlinger. Ich hätte schon gedacht, dass Sie das wissen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Zur Frage 5:

Ja, Sie haben Recht. Wir mussten in einigen Bereichen Beiträge erhöhen, aber wir reinvestieren auch. Ich sage es offen: Das Road-Pricing oder die Erhöhung des Preises der Vignette dienen natürlich dazu, dass wir die Investitionen in Schiene und Straße in der Höhe von 17 Milliarden € in der nächsten Zeit auch wirklich "verdienen" können.

Mir ist aber nicht ganz klar, warum Wien nun eine Gebührenlawine lostritt. Der Fahrschein für die Straßenbahn wird teurer, die Müllgebühren werden teurer, die Preise für die öffentlichen Bäder werden teurer. – Was wird eigentlich mit diesen Einnahmen gemacht? Wird damit die Konjunktur belebt? Oder gilt Ihre Kritik, die Sie gegenüber dieser Bundesregierung aussprechen, gegenüber den eigenen Parteifreunden nicht? (Abg. Edlinger: 4 Milliarden kostet die Stadt Wien eure Budgetpolitik!)

Ich glaube, wir haben da einen guten Weg gefunden. Mit den Belastungen ist Schluss. Wir haben saniert. Wir reformieren das Land weiter! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 8:

Die Zahlenreihen, die Sie nennen, liegen in dieser Form überhaupt nicht vor. (Heiterkeit der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Mag. Schweitzer. )

Zur Frage 9:

Wir sind die Vorreiter bei der "Lissabonner-Strategie" durch die Liberalisierung auf den Energiemärkten. Wir leben den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Gerade erst sind wir – sehr im Unterschied zu Portugal und Deutschland, die beide linke Regierungen haben – ausdrücklich gelobt worden. Wir investieren in Forschung, Infrastruktur und in bestimmte Bereiche der Ausbildung. (Abg. Edlinger: Sie reden davon!)

Zu den Fragen 10 bis 15:

Wir haben bei der Temelín-Vereinbarung – ich sage Ihnen das ganz offen – sehr mühsam in den Verhandlungen mit den Tschechen ein Sicherheitsprogramm herausverhandelt, das mittlerweile völkerrechtliche Verbindlichkeit hat und, publiziert im BGBl. III 266/2001, eine völkerrechtliche Verbindlichkeit der Tschechischen Republik beinhaltet. (Abg. Dr. Jarolim: Eine Peinlichkeit diese Rede! Eines Kanzlers unwürdig! – Abg. Dr. Trinkl: Zuhören, Jarolim!) Darin sind eine Überwachung beziehungsweise ein Monitoring, ein Fahrplan vorgesehen. Das wurde am 10. Dezember 2001 veröffentlicht. Wenn Sie das nicht haben sollten, Herr Abgeordneter, auf


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der Internetseite des Umweltbundesamtes ist das für alle Interessierten abrufbar. (Abg. Dr. Jarolim: Schön reden! – Rufe bei der ÖVP: "Eurolim"!)

Natürlich wird die Bundesregierung, wie wir das immer gesagt haben, alle Länder unterstützen, die – so wie wir – den Ausstieg aus der Atomenergie befürworten. Wir werden natürlich auch mit der tschechischen Regierung nach den Wahlen in konkrete Gespräche eintreten.

Zur Frage 16:

Ich möchte hier etwas ausführlicher werden. Hier geht es nicht nur um die Beneš-Dekrete, sondern es geht im wesentlichen darum, wie wir mit den sehr heiklen Fragen der Geschichtsaufarbeitung umgehen. Ich sage: Wer etwas erreichen will, muss hier bei sich selbst beginnen.

Wir Österreicher haben nicht den Zeigefinger erhoben, sondern wir haben zuerst für uns Gerechtigkeit hergestellt. Wir haben die Zwangsarbeiter aus Osteuropa entschädigt, wir haben zusätzlich die Restitution für enteignetes jüdisches Vermögen vorgenommen, auch für Häuser, Appartements und Mietwohnungen, und wir haben jetzt vorzeitig das Sozialpaket in Kraft gesetzt, wofür ich mich an dieser Stelle namens der gesamten Bundesregierung ausdrücklich bei allen vier Fraktionen des Hohen Hauses bedanke.

Wir haben bei uns begonnen, und nur so kann es funktionieren. Wir haben aber überdies auch die österreichischen Kriegsgefangenen, die in West und Ost interniert waren, entschädigt, denn auch sie haben Unrecht erlitten. Auch sie haben Monate oder Jahre ihres Lebens verloren. Ich halte es für eine enorme, wichtige symbolische Geste, dass diese Bundesregierung da als Erste seit Ende des Zweiten Weltkrieges wirklich etwas getan hat. Wir sind es diesen Menschen schuldig. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie hier mitgetan haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gibt eine große Gruppe von Menschen, denen in der Stalinzeit, 1930 bis 1955, bitteres Unrecht geschehen ist. Davon waren Sozialdemokraten, Kommunisten, Schutzbündler, aber auch viele andere betroffen. (Abg. Mag. Wurm: Homosexuelle ...!) Wir haben mit den Russen vor fünf Jahren einen Vertrag ausgearbeitet, der erstmals deren Rehabilitierung vorsieht. Ich habe nun bei meinem Besuch bei Herrn Präsident Putin diesen Vertrag abgeschlossen. Damit haben wir 700 Österreichern ein Gesicht gegeben, ihre Ehre und Gerechtigkeit wiederhergestellt. Ich halte das für ganz, ganz wichtig! Putin hat auch den nächsten Schritt zugesagt, nämlich die Rehabilitierung jener, die interniert waren, aber niemals ein Urteil bekommen haben, vorzunehmen. Ich glaube, dass das eine sehr großzügige Geste ist, die wir auch ausdrücklich gemeinsam vom Parlament aus in Richtung Russland würdigen sollten. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang – ich glaube, es ist wichtig, dass man hier alles sieht – sind auch die Frage der menschenrechtswidrigen Vertreibung von Altösterreichern, eine menschenwürdige Entschädigung, die bis jetzt verweigert wurde, und die Rechtlosstellung von ganzen Volksgruppen zu nennen. Das ist ein Unrecht – und das wird durch Zeitablauf nicht geringer!

Das ist nicht erst jetzt ein Thema. Ich möchte Alois Mock, auch mich selbst und Benita Ferrero-Waldner in die Reihe jener Außenminister stellen, die seit der demokratischen Öffnung, seit 1989, immer wieder versucht haben, in bilateralen vertrauensbildenden Gesprächen in dieser Sache weiterzukommen. Und so werden wir das auch in Zukunft halten.

Es ist recht und billig, bis zum EU-Beitritt Tschechiens oder Sloweniens festzuhalten, dass dies nicht totes Recht sein darf, sondern bestenfalls totes Unrecht ist. Darauf sollten wir gemeinsam insistieren, weil wir das auch gemeinsam in einer Entschließung festgelegt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu den Fragen 18 bis 21:

Meine Damen und Herren! Zum Verfassungsgerichtshof und zur Causa Ortstafeln ein sehr offenes Wort: Der Verfassungsgerichtshof hat seine Bezügeregelung, wenn ich richtig informiert


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bin, durch ein gemeinsames, einstimmig beschlossenes Bezügegesetz (Abg. Schwarzenberger: Mit Mehrheit!), jedenfalls durch ein mit Mehrheit beschlossenes Bezügegesetz bekommen. Selbstverständlich steht es dem Hohen Haus frei, eine Diskussion darüber zu führen, ob diese Bezüge angemessen sind. Ich würde es sehr begrüßen, wenn man die Diskussion versachlichte, wenn man sich hier objektive Kriterien holte, wie etwa international ein Vergleich aussieht. (Abg. Bures: Die Frage sollen Sie beantworten!)

Aber eines möchte ich ausdrücklich sagen: Zu einer voll entwickelten Demokratie gehört natürlich auch das Bekenntnis zum Rechtsstaat, zu einer unabhängigen Justiz und zu einem Höchstgericht, wie es etwa der Verfassungsgerichtshof, der Verwaltungsgerichtshof oder der Oberste Gerichtshof sind (Abg. Parnigoni  – auf die Freiheitlichen weisend –: Sprechen Sie da hinüber!), und dass man sich selbstverständlich auch nach Kräften darum bemüht. Das muss ein gemeinsames Bekenntnis aller Demokraten sein. So ist es auch in unserem gemeinsamen Regierungsprogramm festgelegt. (Abg. Dr. Kräuter zeigt auf die Reihen der Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Schauen Sie dem Krüger in die Augen und sagen Sie ihm das!) Das erspart nicht eine inhaltliche Diskussion in der einen oder anderen Frage, aber die Prinzipien, die Eckpunkte des Rechtsstaates sind selbstverständlich in Österreich außer Streit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da die Topographieverordnung angesprochen wurde – ich habe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes selbstverständlich publiziert –, möchte ich im Besonderen die SPÖ auf Folgendes aufmerksam machen: Wenn man sich die Geschichte über dieses Volksgruppen- und Ortstafelgesetz ansieht, wird man draufkommen, dass manches geschehen ist und dass viele etwas sagen können, aber gerade die SPÖ sollte ein wenig vorsichtig sein. (Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Wenn Sie sich die Zeitungsausschnitte von damals anschauen, werden Sie sehen, dass im Jahre 1972 die Ergebnisse der Volkszählung von 1971 bereits vorgelegen sind, aber bewusst nicht dem Parlament zugeleitet wurden. Wir wollen das anders machen! Ich warte sogar auf die Volkszählungsergebnisse 2001, weil erst damit objektive Grundlagen für eine Diskussion möglich sind. Der große Unterschied ist: Ich verweigere nicht die Zahlen, ich warte auf diese Zahlen und werde sie dann sofort veröffentlichen.

Zweitens: Es hat damals eine Regierungsvorlage gegeben, die zur Begutachtung ausgeschickt wurde, und zwar am 30. Mai 1972. (Abg. Parnigoni: Oberlehrer!)  – Nicht Oberlehrer, sondern erlauben Sie, dass ich das auch sagen darf, weil das nämlich das Parlament betrifft, Herr Abgeordneter Parnigoni! (Abg. Bures: Sie haben die Frage nicht beantwortet!  – Abg. Dr. Fekter: Das ist schmerzhaft! Euer Versagen!)

Am 30. Mai 1972 ist eine Regierungsvorlage eingebracht worden, aber noch vor Ablauf der Begutachtungsfrist haben sozialistische Abgeordnete einen Initiativantrag eingebracht (Abg. Dr. Khol: Ja, ja!), der mit Fristsetzung vom Plenum durchgepeitscht wurde, ohne dass der Ausschuss überhaupt die Möglichkeit hatte, darüber zu diskutieren. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Das hat ja auch dazu geführt, dass es zu einer solchen Aufschaukelung der Emotionen gekommen ist.

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Wenn wir es also besser machen wollen als 1972, dann machen wir das gemeinsam! Versuchen wir wirklich, einen parteiübergreifenden Konsens zu finden! Versuchen wir, in dieser Konsenskonferenz die Fakten auf den Tisch zu legen, alle politischen Kräfte einzubinden, natürlich auch die Volksgruppenvertreter der Slowenen und die Vertreter der Heimatverbände. Sie alle gehören an einen Tisch! Und dann versuchen wir, gemeinsam eine gute Lösung für Österreich und für Kärnten zu erarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich danke für die Geduld. (Abg. Bures: Sie haben die Fragen nicht beantwortet!) Ich glaube, dass Sie viele Themen angesprochen haben, die eine Antwort verdienen. Zeitungskommentare sind jedoch – mit Verlaub – noch keine Angelegenheit der Vollziehung. Gerade Sie haben darauf hingewiesen, dass die Politik in den Redaktionsstuben nichts


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verloren hat. Ich halte mich daran und erspare mir daher die Bewertung von Zeitungskommentaren, die Ihnen gerade gefallen haben; andere, die Ihnen nicht gefallen, erspare ich Ihnen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger: Beim Gusenbauer war der Applaus länger!)

15.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Jeder Klub hat eine Redezeit von 25 Minuten, kein Redner mehr als 10 Minuten.

Frau Abgeordnete Mag. Prammer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Die Redezeit beträgt 2 Minuten. – Bitte.

15.53

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! In Ihrer sehr oberflächlich gehaltenen Beantwortung der Dringlichen Anfrage (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen) haben Sie festgestellt beziehungsweise falsch dargestellt, dass es in Ihrer Regierung der Fall gewesen wäre ... (Abg. Schwarzenberger: Zehn zu null für Schüssel!  – Abg. Mag. Kukacka: Das ist keine Entgegnung!  – Unruhe im Saal.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Prammer! Die Stimmung fällt leicht aus dem Rahmen (Abg. Mag. Kukacka: Die Stimmung nicht, die Frau Kollegin!), daher müssen wir uns ganz genau daran halten, den zu berichtigenden Sachverhalt und den tatsächlichen Sachverhalt darzustellen. (Abg. Ing. Westenthaler: Und sonst auch nichts zu sagen!)

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (fortsetzend): Herr Bundeskanzler! Sie haben in Ihren Ausführungen fälschlicherweise dargestellt, dass während Ihrer Regierungszeit als Bundeskanzler europäische Sicherheitsstandards eingeführt (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Nein! Angesprochen!) beziehungsweise in die Schlussfolgerungen aufgenommen worden wären. (Abg. Mag. Schweitzer: Wieder nicht aufgepasst!  – Ruf bei der ÖVP: Nicht zugehört!)

Ich glaube, ich muss Ihrem Erinnerungsvermögen ein bisschen nachhelfen. (Widerspruch bei der ÖVP.) Die Wahrheit ist: Die Sicherheitsstandards sind beim Europäischen Rat in Köln in die Schlussfolgerungen aufgenommen worden, und zwar unter der Regierung Klima und nicht unter der Regierung Schüssel! (Beifall bei der SPÖ.  – Abg. Dr. Krüger: So geht’s aber wirklich nicht!)

15.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Cap –: Das kannst du ja gar nicht alles sagen!  – Abg. Dr. Khol  – in Richtung SPÖ –: Das war eine matte Eröffnung der Debatte! Matt, matt!)  – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.54

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Ich verstehe, dass Sie hier allein auf der Regierungsbank sitzen. Das ist auch die einzige Möglichkeit, wie diese Regierung mit einer Stimme vertreten werden kann! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Ich verstehe auch, dass jetzt in der Geschäftsordnung eine neue Form der Wortmeldung eingeführt werden muss: die so genannte Chormeldung, die heute hier dargeboten wurde. Das heißt, Sie brauchen gar keine einzelnen Redner mehr hinauszuschicken, sondern es geht jeweils der Dirigent hinaus, und alle anderen singen und applaudieren im Chor mit. Das ist eben das freie Mandat, das in der Verfassung festgelegt ist, wie Sie es verstehen! Auch eine Art, wie man Einheitlichkeit präsentieren kann! (Beifall bei der SPÖ.  – Abg. Mag. Schweitzer: Josef, sag den Leuten, was du besser machen willst!)

Dass Sie bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage schon nach elf oder zwölf Fragen einen Schwächeanfall bekommen und dann gar nichts mehr beantwortet haben, kann ich mir nur dadurch erklären, dass Sie vor allem die Fragen 22 und 23 einfach verdrängt haben, in denen Anneliese Rohrer zitiert wird (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen):


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"Der ständige Wechsel der Persönlichkeit von Schlitzohr zu Kraftmeier hat Konsequenzen. Schaden hat das Land." (Abg. Dr. Khol: ... nicht Teil der Vollziehung!  – Abg. Ing. Westenthaler: Noch ist die Frau Dr. Rohrer nicht Teil der Vollziehung!)  – Das schreibt Frau Dr. Rohrer.

In der Frage 23 steht ein sehr interessantes Zitat aus der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung", das den Satz enthält: "Diese Regierung schaut ganz schön alt aus." (Abg. Mag. Kukacka: Der wird immer schwächer!)

Da haben Sie sich gedacht: Das lasse ich bei der Beantwortung am besten aus. Ich sage nichts zu Temelín, ich sage nichts zur Regierungskrise, ich sage nicht, ob die Frau Vizekanzlerin mit Tschechien sprechen wird, ich sage nichts darüber, dass wir Schlusslicht sind, ich sage nicht, dass wir ein Minuswachstum haben, ich sage nichts dazu, dass wir fast 300 000 Arbeitslose haben, ich gehe auf gar nichts ein. Ich erzeuge mir ein Bild, das der Wirklichkeit entrückt ist, ein "verschüsseltes" Bild von Österreich. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist Ihr Bild, das Sie dargestellt haben! (Beifall bei der SPÖ.  – Abg. Dr. Stummvoll: Wer hat ein Minuswachstum?  – Rufe bei der ÖVP: Wir haben kein Minuswachstum!)

Wahrscheinlich sind Ihre Mitarbeiter auch beauftragt, Ihnen in der Früh nur jene Zeitungen zu zeigen, die Sie sehen wollen. Die Ausgabe des "Kurier" zum Beispiel, in der steht: "Jobs dringend gesucht. 23 Prozent mehr Arbeitslose", wurde Ihnen noch gar nicht vorgelegt, daher haben Sie sie noch nicht gesehen, daher gibt es diese 23 Prozent mehr Arbeitslose auch gar nicht. (Abg. Mag. Schweitzer: Die gibt es wirklich nicht! – Abg. Neudeck: Wer hat 23 Prozent Arbeitslose?  – Abg. Amon: In der SPÖ-Zentrale gibt es die!)

Nicht nur das selektive Gedächtnis und die selektive Erinnerung sind eine Spezialität Ihrer Person und der Regierung, sondern letztlich auch die selektive Wahrnehmung der Wirklichkeit. Das ist es! Daher habe ich einiges mit Interesse gelesen. Ich kann nur empfehlen: Werden Sie bitte bald Abonnenten der "Presse"! Unschätzbar! Bei zwei Seiten vom 25. Jänner 2002 kann man ja gar nicht mit dem Lesen aufhören!

Ich zitiere: "Gute Miene nach dem bösen Spiel: Regierungskrise wieder abgesagt. Die Koalition übt sich in Einigkeit und vermeidet klare Aussagen zu Veto-Drohungen ..."

Oder: "Wenn FPÖ Veto überlegt, paßt sie nicht in Regierung", meint Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl. – Es genügt also schon das Überlegen, nicht bloß das Einbringen des Vetos.

"Mitleid mit Riess-Passer" hat Landesrat Hirschmann aus der Steiermark. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das jetzt eine Vorlesung oder eine Parlamentsdebatte? – Abg. Wochesländer: Der Vorleser!  – Ruf bei der ÖVP: Er braucht eine Brille!) Er sagt, er erwarte sich von Bundeskanzler Schüssel, dass er "die streichelnde Hand des Vaters ausstreckt" und "mit dem Koalitionspartner einen tiefgreifenden Diskussionsprozeß über die Bedeutung der EU-Osterweiterung führt". – Das heißt, wenn die Frau Vizekanzlerin einmal gestreichelt wird, ist es die väterliche Hand, und die beiden diskutieren gerade über die EU-Osterweiterung! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.  – Abg. Dr. Khol: Josef, du brauchst eine Brille! Die Arme werden bald nicht mehr lang genug sein!  – Abg. Ing. Westenthaler  – eine Ausgabe der "Neuen Freien Zeitung" in die Höhe haltend  –: Josef, lies einmal etwas Gescheites! Lies die NFZ!)

Ich frage mich nur eines (in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler)  – ja genau, passt vom Drehbuch bestens! –: Was ist aber, wenn Klubobmann Westenthaler in der Erweiterungsfrage bockt? Tritt dann die Empfehlung von Harald Ofner ein, dass vielleicht eine "g’sunde Tachtel" weiterhilft (Heiterkeit bei der SPÖ), dass dann der Kurs in Richtung Erweiterung eingeschlagen wird? Ist es so? (Abg. Ing. Westenthaler: Ich bin froh, dass es so lustige Reden gibt!)

"Bei der ÖVP wird auch in Krisen nicht herumgeschusselt." – Fast hätte man "herumgeschüsselt" geschrieben, aber man hat es dann doch nicht gewagt. Man hat sich doch noch daran erinnert, dass das so nicht geht.

Jetzt komme ich dazu, wie Sie sich heute dargestellt haben. (Abg. Mag. Kukacka:  ... das Niveau vom Gusenbauer!) Bernhard Görg, einer Ihrer engen Parteifreunde, sagt: "Das, was der


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Schüssel wirklich ausgezeichnet kann, ist Ruhe ausstrahlen – nach innen und nach außen." (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.  – Abg. Rauch-Kallat: Gott sei Dank!)

Was meint er damit? Sämtliche Körperfunktionen einstellen, dann ist er am besten? Oder sagt er in Wirklichkeit, nur das kann er, nur darin ist er wirklich ausgezeichnet? Na gut! Es gibt also ein eigenes "Verharmlosungswording": Das eine ist der Erregungskünstler aus Kärnten, den kennen wir, das ist der morgendliche Weckruf, der Adrenalinausstoßer aus den Karawanken! Das ist okay. Das haben Sie sich so ausgesucht. Das ist Ihr Liebling (in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler), Sie würden gerne Ihren Job aufgeben, nur damit er wieder unter uns weilt – ist in Ordnung, ist akzeptiert.

Aber der Herr Bundeskanzler – auch wie er sich heute dargestellt hat – hat keine der Fragen beantwortet und außerdem alles in einer Art und Weise geschildert, dass man sagen kann: Er ist ein echter Verharmlosungskünstler! Wie eine abendliche Einschlafhilfe präsentiert er hier die Probleme. Dass vorige Woche eine dramatische Regierungskrise stattgefunden hat, dass vorige Woche diese Regierung an der Kippe gestanden ist, zerstritten war, erwähnt er mit keinem Wort.

Wir beide sind am Tag danach zu viert zusammengesessen – die vier Klubobleute. (Abg. Schwarzenberger: Wir beide waren zu viert?) Sie waren so müde, so ermattet! Der Streit die ganze Nacht lang hat Sie einmal mehr körperlich völlig ausgepowert. Mich wundert nicht, dass Sie gar nicht mehr zu ordentlichen Regierungsvorlagen kommen, weil Sie ja kaum noch zum Arbeiten kommen. (Abg. Neudeck: "Wir beide sind zu viert zusammengesessen"?!)

Daran muss ich mich gewöhnen. (Abg. Wochesländer: Das ist für einen Klubobmann zu wenig!) Für Bundeskanzler Schüssel ist dann wahrscheinlich ein Flugzeugcrash eine "unsanfte Landung in mehreren Flugzeugteilen" (Heiterkeit bei der SPÖ)  – das ist dann seine Formulierung – oder eine Massenkarambolage ein "Buserer mit Publikumsbeteiligung". (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Das ist Wolfgang Schüssel in der Darstellung der harten Facts, und daher war es auch keine Überraschung, dass er gesagt hat, die Regierungskrise war eine Irritation in einer sehr spannenden Woche. (Neuerliche Heiterkeit bei der SPÖ.) In einer "sehr spannenden Woche"! (Abg. Schwarzenberger: Heute ist aber nicht Fasching-Dienstag!)

Wenn ein 86-jähriger Lord ein Windhunderennen oder ein Pferderennen beobachtet und sagt: Das war aber spannend!, dann sehe ich das noch ein, aber nicht bei diesen katastrophalen Wirtschaftsdaten, bei diesen entsetzlichen sozialen Daten, bei der Außenpolitik, die – sagen wir es einmal ganz offen –, wie Frau Dr. Rohrer richtig sagt, unserem Land schadet, weil wir uns buchstäblich einen Nachbarn nach dem anderen vornehmen und "herrichten", damit es ja zu keiner guten regionalen Partnerschaft kommt. Da finde ich den Ausdruck "spannend" eigentlich sehr unpassend.

Im Moment kann von einer guten regionalen Partnerschaft ja wirklich nicht die Rede sein, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Oder wollen Sie behaupten, dass wir zu Tschechien momentan ein liebevolles Verhältnis haben? (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Wochesländer: Der Zeman passt eh zu euch!) Wollen Sie mir das jetzt wirklich erzählen? – Sie sagen ja selbst, dass es nicht so ist, und es ist auch klar: Das ist ja auch eine Folge dieser Politik, der wir hier ausgesetzt sind und die natürlich sehr stark mit Ihrem Koalitionspartner zusammenhängt.

Das ist nämlich die FPÖ-Politik der täglichen Beleidigung, auch gegenüber dem Verfassungsgerichtshof!

Daher möchte ich folgenden Antrag einbringen:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz des Verfassungsgerichtshofes vor unsachlichen Angriffen

Entschließung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat weist die unsachlichen Angriffe gegen den Verfassungsgerichtshof und die persönlichen Vorwürfe gegen seine Mitglieder entschieden zurück, betont sein volles Vertrauen in die Unparteilichkeit des Verfassungsgerichtshofes und die persönliche Unabhängigkeit und Integrität seiner Mitglieder und ersucht die Bundesregierung, allen derartigen Angriffen entgegenzutreten und für die vollständige Umsetzung der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zu sorgen.

*****

Also zumindest die ÖVP wäre aufgefordert, hier mitzustimmen und sich endlich einmal ordentlich gegenüber der FPÖ zu positionieren.

Frau Mikl-Leitner sagt es! Sie bringt es jetzt in einer Aussendung auf den Punkt: Freiheitliches Dasein – philosophischer Denkansatz! – besteht aus Miesmachen und Nichtstun. Sie sagt: Null Initiativen, null Arbeit, null Lösungen, null Konzepte – das ist das Dasein der Freiheitlichen in Niederösterreich zum Beispiel. – Also, Sie haben ein herzhaftes Verhältnis zueinander (Heiterkeit bei der SPÖ), muss ich sagen, zum Beispiel in Niederösterreich.

Abschließend: Herr Klubobmann Khol beweist uns ja immer wieder seine Belesenheit, indem er verschiedene Zitate bringt. Er hat das letzte Mal in der Herz-Schmerz-Pressekonferenz zum Beispiel Mark Twain zitiert: "Nachrichten von meinem Ableben sind stark übertrieben." – Na ja, aber ein bisschen tot ist auch tot. Ich glaube, darauf können wir uns schon einigen, denn die gemeinsame Grundlage dieser Regierung finde ich nicht mehr, in keinem Punkt! (Abg. Dr. Khol: Du brauchst eben Brillen, mein Lieber!) Erweiterung, Wirtschaft – eine einzige Katastrophe, ein einziges Desaster!

Aber wenn Sie schon Lust zur Selbstironie haben, hätte es auch noch andere Mark-Twain-Zitate gegeben, zum Beispiel: Wir "sind die Typen, vor denen uns unsere Eltern gewarnt haben". (Lebhafte Heiterkeit bei der SPÖ.) Das wäre eine Selbstironie gewesen, die Sie hätten einbringen können! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Cap betreffend Schutz des Verfassungsgerichtshofes vor unsachlichen Angriffen ist ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zum Wort gelangt nun Herr Klubobmann Ing. Westenthaler. 10 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Nürnberger: Ist das die Abschiedsrede?)

16.04

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dieser ausgewiesenen Büttenrede, wie sie im zu Ende gehenden Fasching anscheinend üblich ist, sollte man doch ein bisschen auch zum Ernst der Sache kommen. Wobei ich noch eine Empfehlung abgeben möchte, Herr Nationalratspräsident Fischer: Wenn sich Herr Kollege Cap das nächste Mal zu Wort meldet und Sie ihn aufrufen, würde ich Ihnen vorschlagen, ihm nicht einfach das Wort zu erteilen, sondern ihn vielleicht mit einem schönen "Wolle’ ma ihn reinlasse?" begrüßen. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Und vielleicht kann die SPÖ-Fraktion als Faschingsgilde dann nicht mit Applaus zwischendurch, sondern mit einem "Helau!" oder "Lei, lei!" antworten. Das


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würde bei den Reden ihres Klubobmannes auch passen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Ernst der Sache, Herr Kollege Cap. – Das, was Sie hier geboten haben, ist für einen Klubobmann einfach zu wenig. Das muss ich Ihnen klipp und klar sagen. Es ist zu wenig, hier einfach Witze zu reißen, eine Faschingsrede zu halten. Das ist zu wenig!

Und auch Ihr Lied, Herr Kollege Gusenbauer, ist ständig dieselbe Leier. Sie spielen immer wieder dieselbe Platte mit dem Titel "Alles ist so schlecht, und ich weiß nicht, wie es besser geht"! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Im Moment ist gerade die Bewerbungsphase für den kommenden Song-Contest, wo solche Lieder gesungen werden. Herr Cap schreibt Ihnen den Text und dirigiert. Bewerben Sie sich mit dieser Leier! Vielleicht kommen Sie dort noch in einer Rolle unter. Das könnte sein, Herr Kollege Gusenbauer. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage Ihnen ganz klipp und klar: Ihren Kurswechsel, den Kurswechsel, den Sie wollen, nämlich zurück zur Schuldenpolitik, zurück zum Privilegiensumpf, zurück zur Planwirtschaft, zu einer sozialistischen Politik – nein danke, den brauchen wir nicht! Den erleben nämlich im Moment die Wienerinnen und Wiener, die nach einer absoluten Mehrheit der SPÖ die höchste Teuerungswelle in der Geschichte erleben. (Lebhafte Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist die Politik der SPÖ, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gebührenerhöhung, Tariferhöhung, öffentliche Verkehrsmittel – alles wird erhöht, weil die SPÖ dort plötzlich regiert. Das ist Ihr Kurswechsel! Auf den können wir wirklich verzichten, Herr Kollege Gusenbauer.

Aber das, was Sie heute hier mit dieser Dringlichen Anfrage getan haben, ist nichts anderes, als dass Sie sich heute auch als außenpolitischer Wiederholungstäter gezeigt haben. Wenn man diese Dringliche Anfrage studiert und sich den Jargon und so manches Zitat und so manchen Satz genau ansieht, dann wird man fatal an die Zeit der Sanktionen gegen Österreich erinnert. In dieser Dringlichen Anfrage wird nämlich zum Beispiel das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Österreich und Tschechien angesprochen und wird kritisiert, dass mit Drohungen gegenüber Tschechien agiert wird.

Das heißt, es findet hier die nächste Umkehr statt, genau wie bei den Sanktionen: Nicht die anderen, sondern die Sozialisten sagen, dass Österreich an diesem spannungsgeladenen Verhältnis schuld ist. (Abg. Edlinger: Nein, nicht Österreich!) Österreich ist schuld, sagt Gusenbauer, und schiebt die Schuld auf unser eigenes Land, ohne zu hinterfragen, wer denn der Auslöser dieser Krise war, wer denn der Auslöser der Drohungen war, wer denn der Auslöser der Polemiken war. Das war niemand anderer als der tschechische Premier Zeman, Herr Kollege Gusenbauer. Niemand anderer war das als der tschechische Premier! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich verstehe schon: Das ist ein Genosse, und Sie verteidigen den Genossen. Das ist ja einer der Ihren. Herr Zeman ist ja ein Genosse. Nur, Herr Kollege Gusenbauer, ich hätte mir von Ihnen wirklich erwartet, dass Sie, wenn Sie dieses Thema schon in einer Dringlichen Anfrage ansprechen und auch eine Rede dazu halten, auch ein Wort finden – ein einziges Wort! – zu den Aussagen, die Sudetendeutschen seien die Fünfte Kolonie Hitlers gewesen, Landesverräter, denen eigentlich die Todesstrafe gebührt hätte und nicht nur die Vertreibung. – Das war die Aussage Ihres Genossen Zeman, und es wäre Ihre Pflicht gewesen, in der Dringlichen Anfrage ein Wort der Distanzierung, ein Wort der Zurückweisung, ein Wort gegen diese Bedrohung und für den Schutz unserer österreichischen Landsleute sudetendeutscher Herkunft zu finden! Das wäre Ihre Aufgabe gewesen, Herr Kollege Gusenbauer, und nicht, Österreich zu beschimpfen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Stattdessen machen Sie hier Herrn Zeman die Räuberleiter. Sie sagen, Österreich sei schuld an der Verhärtung der Beziehungen – und kein Wort zu Zeman! Das ist etwas, was ich einfach nicht verstehe. Das verstehe ich wirklich nicht. Aber vielleicht ist es ein später Dank. Warum ein


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später Dank? – Wissen Sie, dass es nur einen einzigen Premierminister der Erweiterungskandidaten gegeben hat, der damals für die Sanktionen eingetreten ist? Einen einzigen, und das war Tschechiens Zeman! Herr Kollege Gusenbauer! Diesen Dank hätten Sie sich ersparen können in Ihrer heutigen Rede zu dieser Dringlichen Anfrage! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sprechen auch von Demokratie. Die SPÖ spielt sich gerne als Demokratiewächter auf. Sie wissen genau, dass Demokratie und Parlamentarismus unmittelbar miteinander verknüpft sind. Man kann nicht immer nur von Demokratie sprechen, sondern man muss sie auch leben, und man muss den Parlamentarismus mit der Demokratie leben.

Und da möchte ich einen kleinen, aber sehr ernsten Nachtrag zur gestrigen Sitzung machen, weil es genau hineinpasst und Sie sich immer so gern als Demokratiewächter und Hüter des Parlamentarismus aufspielen: Wir haben gestern hier meiner Meinung nach einen der wichtigsten Beschlüsse des Nationalrates, des Hohen Hauses, überhaupt gefasst, nämlich den Beschluss der Auszahlung des Pflegegeldes für die Opfer des Nationalsozialismus, die auch im Ausland leben. Einen der wichtigsten Beschlüsse! Ich bin froh darüber, dass das Parlament mit den Stimmen aller Parteien diesen Beschluss gefasst hat. Ich bin aber ebenso befremdet darüber – und ich erwarte mir hiezu eine Erklärung von Ihnen –, dass die Spitzen der beiden Oppositionsparteien – Parteichef Gusenbauer, Klubchef Cap und der Vorsitzende der Grünen Van der Bellen – an der Abstimmung, an dieser wichtigsten Abstimmung, die wir hier vorgenommen haben, einfach nicht teilgenommen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Unerhört!)

Das ist nicht nur ein parlamentarischer Eklat, sondern das ist besonders unsensibel, und Sie sollten sich dafür in aller Form entschuldigen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Denn: In salbungsvollen Reden hier und auch außerhalb des Hauses immer von Demokratie zu sprechen, aber dann, wenn es darauf ankommt, nicht hier zu sein und bei den wichtigsten Abstimmungen zu schwänzen, das ist etwas, was man nicht akzeptieren kann, etwas, was man verurteilen muss, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition!

Sie sprechen hier immer nur von demokratiepolitischen Ausrutschern anderer Parteien, schauen sich aber selbst überhaupt nicht in den Spiegel. War es nicht ein Sozialdemokrat, der gesagt hat, die Republik werde brennen? War es nicht ein Sozialdemokrat, der die Regierung mit dem Schlächterregime der Taliban verglichen hat? War es nicht ein sozialdemokratischer Parteivorsitzender, der einer demokratisch gewählten Regierung die demokratische Legitimation abgesprochen hat? Und ist es nicht eine SPÖ-Funktionärin, eine Bundesgeschäftsführerin, die vor wenigen Wochen in erster Instanz verurteilt worden ist, weil sie einen anderen Klubobmann des Hauses diffamiert hat, und letztlich vor Gericht dafür büßen muss?

Nicht wir sind diejenigen, auf die Sie mit nacktem Finger zeigen können. Sie sollten sich hier tatsächlich selbst den Spiegel vorhalten – bis hin zu den Grünen.

Auch was die Grünen angeht, muss man die Demokratie-Frage ernsthaft stellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In welcher Partei wäre es denn möglich, ohne dass es die kritischen Medien hinterfragen – bei den Grünen wird es nicht hinterfragt –, dass bei einem Parteitag beschlossen wird, dass die stellvertretenden Parteivorsitzenden, die obersten Führungsorgane der Partei, nicht mehr von der Basis, nicht mehr von den gewählten Vertretern der Wähler und Funktionäre, sondern nur mehr von der Führung, vom Vorstand bestimmt und nicht mehr am Parteitag gewählt werden? – Das ist der Weg zur Führerpartei des Herrn Van der Bellen, und den werden Sie den Wählerinnen und Wählern erst erklären müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin gespannt, ob auch die Öffentlichkeit und die Medien das einmal aufgreifen, dass Sie keinen Wert auf die Basis mehr legen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen. (Abg. Öllinger: Helau! Lei, lei!)


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Ich kann Ihnen sagen: Die Regierungskrise, die Sie hier in der Dringlichen Anfrage ansprechen, ist längst abgesagt und findet nicht statt. In Wirklichkeit findet eine Dauerkrise der Opposition statt, aus der Sie nicht herauskommen. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! Sie haben keine Konzepte. Sie taumeln zwischen den Themen hin und her. Sie taumeln beim Thema Temelin hin und her – einmal dafür, einmal dagegen; einmal für das Volksbegehren, einmal dagegen. Bei den Beneš-Dekreten – einmal dafür, einmal dagegen; einmal Zeman verteidigen, einmal nicht. In der Budgetpolitik – einmal für, einmal gegen Schulden. In der Steuerpolitik – dafür und dagegen. Und Gleiches gilt für die Außenpolitik und die Wirtschaftspolitik.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sind als gestaltende Kraft längst abgetreten, und Sie haben überhaupt keine Alternativen außer das Wort "kein": kein Kindergeld, kein Nulldefizit, keine Verwaltungsreform, keine ORF-Reform, kein Privat-TV-Gesetz, keine Behindertenmilliarde, keine Strommarktliberalisierung, keine Gewerbeordnungsreform, keine sicherheitspolitischen Maßnahmen. – Das ist die Alternative der SPÖ: Njet! Nein zu allem, was auf dem Tisch liegt. Und das wird zu wenig sein – auch bei den nächsten Wahlen, das kann ich Ihnen versprechen. Das werden Ihnen die Menschen nicht abnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden daher in einem Entschließungsantrag unsere gemeinsame Linie definieren, indem wir uns ganz klar nicht nur zur Erweiterung der Europäischen Union, sondern natürlich auch zur österreichischen Demokratie bekennen, genau so, wie wir das in der Präambel und in der Regierungserklärung getan haben.

In diesem Entschließungsantrag, der bereits eingebracht ist, wird die Bundesregierung ersucht, nach den Parlamentswahlen in Tschechien einen Dialog mit der neuen Regierung aufzunehmen und dabei unter Zugrundelegung der parlamentarischen Beratungen des Temelin-Volksbegehrens vom Jänner 2002 Vertreter aller im Nationalrat vertretenen Parteien mit dem Ziel einer erneuten Vier-Parteien-Politik in dieser Frage einzuladen.

Wir laden Sie ein! Wir grenzen nicht aus, wie Sie von der SPÖ das in Ihrer Regierungszeit getan haben. Wir laden Sie ein, bei einem Vier-Parteien-Konsens mit einer neuen tschechischen Regierung in Zukunft auch konstruktiv mitzumachen.

Und der dritte Schwerpunkt unseres Antrages: "Die Bundesregierung wird weiters ersucht, in den Gesprächen mit der Tschechischen Republik und Slowenien weiterhin mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dass die menschenrechtswidrigen Gesetze und Dekrete aus den Jahren 1945 und 1946, die sich auf die Vertreibung einzelner Volksgruppen beziehen, nicht mehr gelten."

Das ist das gemeinsame Credo der beiden Regierungsparteien. Das ist unsere gemeinsame Linie, und das ist auch das, was wir vertreten werden: gemeinsam und nicht gegeneinander in der Republik Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Westenthaler in seinen Grundzügen dargelegt hat, liegt schriftlich vor. Er wird vervielfältigt und verteilt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend konsequentes Vorgehen der Bundesregierung in Fragen der Erweiterung der Europäischen Union, eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen in der 92. Sitzung des Nationalrates am 31. Jänner 2002

Im Regierungsprogramm vom 3. Februar 2000 sind die europapolitischen Schwerpunkte der neuen Bundesregierung festgelegt.


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In der Präambel heißt es:

"Die Bundesregierung bekennt sich zum Friedensprojekt Europa. Die Zusammenarbeit der Koalitionsparteien beruht auf einem Bekenntnis zur Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union. Die Bundesregierung ist den allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsamen Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet, wie sie im Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union festgeschrieben sind. In der Vertiefung der Integration und der Erweiterung der Union liegt auch Österreichs Zukunft. Österreichs Geschichte und geopolitische Lage sind ein besonderer Auftrag, den Integrationsprozess voranzutreiben und den europäischen Gedanken noch stärker im Alltag der Menschen zu verankern. Besonderes Gewicht zur Sicherung des Friedens und der Stabilität im 21. Jahrhundert wird der transatlantischen Partnerschaft zukommen."

Im ersten Kapitel dieses Regierungsübereinkommens zur "Außen- und Europapolitik" wurde folgendes festgeschrieben:

"1. Für ein gemeinsames Europa

Die Bundesregierung tritt für ein gemeinsames Europa ein, das auf der Solidarität der Staaten unter Achtung der Vielfalt ihrer Geschichte, Kultur und Traditionen beruht, Freiheit, Frieden und Wohlstand sichert und die endgültige Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents verwirklicht. Sie wird an diesem Vorhaben initiativ mitwirken und bekennt sich dabei ausdrücklich zu den allen Mitgliedsstaaten der EU gemeinsamen Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit.

Österreich wird im Rahmen der EU aus eigenem Interesse entschlossen, konstruktiv und solidarisch an der Weiterentwicklung der Integration zwischen den Mitgliedsstaaten mitwirken und seine Interessen auch weiterhin auf europäischer Ebene wirksam und nachhaltig vertreten.

Vertiefte Integration bietet nach Ansicht der Bundesregierung die besten Voraussetzungen zur Bewältigung der Herausforderungen des beginnenden Jahrhunderts in den verschiedensten Bereichen. Es gibt daher keine vernünftige Alternative zum Weg der EU-Integration. Gewicht und Einfluss der Mitgliedsstaaten hängen dabei wesentlich vom Ausmaß ihrer Integrationsbereitschaft in allen zentralen Bereichen der europäischen Zusammenarbeit ab.

Die Bundesregierung bekennt sich zum zügigen Aufbau einer europäischen Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft.

2. Erweiterung der EU

Die Erweiterung der EU um neue Mitgliedsstaaten wird den Friedens- und Stabilitätsraum auf dem europäischen Kontinent ausweiten und sich durch eine engere, wirksamere Zusammenarbeit in der GASP auch international für Frieden und Konfliktlösung fühlbar auswirken. Sie liegt daher vor allem wegen dieses Friedens- und Stabilitätszuwachses im Interesse Österreichs, das schon bisher wirtschaftliche Vorteile aus der Entstehung und Öffnung neuer Marktwirtschaften in seiner Nachbarschaft gezogen hat. Österreich steht mit den mittel- und osteuropäischen Kandidatenländern auch durch Geschichte und Kultur in einem besonderen Naheverhältnis.

Die Bundesregierung wird daher unter Bedachtnahme auf gesamtösterreichische Anliegen und Wettbewerbsinteressen, wie z.B. Arbeitsplatz-, Umwelt- und Kernenergiesicherheit, Landwirtschaft, Verkehrsfragen und andere offene Probleme gegenüber einzelnen Beitrittskandidaten für den Erweiterungsprozess eintreten. Zur Erleichterung wechselseitiger Anpassungs- und Umstellungsschwierigkeiten wird sie dabei auf die nötige Flexibilität durch Überprüfungsklauseln, unterschiedliche Integrationsgeschwindigkeiten und ausreichende Übergangsfristen Bedacht nehmen.

Die Erweiterung bedarf einer sorgfältigen und gründlichen Vorbereitung. Dazu zählen:


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Die vom Europäischen Rat in Kopenhagen festgelegten Beitrittskriterien sind von den Beitrittskandidaten zu erfüllen.

In Anbetracht der beträchtlichen Einkommensunterschiede zwischen Österreich und den Beitrittskandidaten sind Übergangsregelungen bei den Kapiteln "Personenfreizügigkeit" und "Dienstleistungsverkehr" zur Sicherung der Stabilität des österreichischen Arbeitsmarktes notwendig.

Dabei muss besonders auf das Erreichen der europäischen Sozial- und Umweltstandards geachtet werden.

Als unterstützende Maßnahme wird das von der Bundesregierung durchgesetzte Grenzregionenprogramm für besonders betroffene Regionen und Branchen, insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe in Gewerbe und Landwirtschaft zum Einsatz kommen.

Zur Wahrung fairer Wettbewerbsbedingungen wird der völlig freie Verkehr mit Agrarwaren zwischen der EU und den betroffenen MOEL erst dann möglich sein, wenn die hohen Standards des Gemeinschaftsrechts zur Sicherung der Gesundheit von Pflanzen und Nutztieren sowie zum Schutz der Umwelt in diesen Ländern wirksam und vollständig umgesetzt wurden.

Für die Umsetzung haben eine ausreichend lange Vorbereitungsphase und grenzwirksame Übergangsmaßnahmen Priorität, um auf diese Weise beitrittsbedingte Schwierigkeiten zu begrenzen.

Im Einklang mit den maßgeblichen EU-Beschlüssen ist gemäß den Schlussfolgerungen des Rates auf die frühzeitige Stillegung von Reaktoren zu drängen, die nicht mit vertretbarem Kostenaufwand auf international akzeptierte Sicherheitsstandards nachgerüstet werden können. Unbeschadet der Zielsetzung Österreichs, den Verzicht auf AKWs zu erreichen, sind hinsichtlich in Grenznähe befindlicher oder geplanter AKWs die höchstmöglichen Sicherheitsstandards anzuwenden.

Die Bundesregierung wird sich während der Erweiterungsverhandlungen insbesondere auch für den gleichen Zugang zum Recht für In- und Ausländer und die Nichtdiskriminierung aufgrund nationaler Herkunft und Sprachzugehörigkeit bei Vermögensrestitution und Privatisierung einsetzen.

Im Interesse der inneren Sicherheit Österreichs bilden eine effiziente (Außen)Grenzsicherung und die Fähigkeit zur Übernahme der mit dem Schengen-System verbundenen Standards und Regelungen die Voraussetzung für einen Beitritt.

Die Rahmenbedingungen der Erweiterung sind in den einzelnen Politikbereichen insbesondere auch in Bezug auf deren Finanzierbarkeit zu überprüfen.

3. Wirtschafts- und Währungsunion

Eine entscheidende Voraussetzung für den Ausbau des europäischen Integrationsprozesses im 21. Jahrhundert ist der Erfolg einer gefestigten Wirtschafts- und Währungsunion und eines wertstabilen Euro, dessen Stärke auf enger Koordinierung der makroökonomischen Politik der EU-Mitgliedsstaaten beruht. Die Bundesregierung sieht ihre Anstrengungen zu vermehrter Budgetdisziplin, die schon aus nationalwirtschaftlichen Gründen unverzichtbar ist, auch als Beitrag zum Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion, der Beschäftigungspolitik und der Weltstellung des Euro.

4. Reform der EU-Institutionen

Um einer größeren EU die notwendige Entscheidungs-, Handlungs- und Weiterentwicklungsfähigkeit zu erhalten, bedarf es substantieller Reformen im institutionellen Bereich. Die Bundesregierung begrüßt daher die zu diesem Zweck beschlossene Einberufung einer Regierungskon


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ferenz; die Bundesländer können einen Vertreter in die österreichische Delegation entsenden. In den Verhandlungen wird Österreich insbesondere

Auf dem Grundsatz der Nominierung je eines Kommissionsmitgliedes durch die Mitgliedsstaaten bestehen.

Sich einer vernünftigen Neugewichtung des Stimmenverhältnisses im Rat sowie

der Ausdehnung von Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit auf geeignete Bereiche (ausgenommen Rechtsakte mit konstitutionellem Charakter, Rechtsakte, die der nationalen Ratifizierung bedürfen, Ausnahmen zum Binnenmarkt und der Eigenmittelbeschluss sowie besonders sensible Fragen, wie z.B. Wasserressourcen, Raumordnung, Bodennutzung und Wahl des Energieträgers) nicht verschließen.

Österreich setzt sich für eine Aufwertung des Ausschusses der Regionen ein.

Österreich unterstützt Bemühungen zur Erhöhung der demokratischen Legitimität der EU, u.a. durch die Ausarbeitung einer Grundrechts-Charta, sowie Bestrebungen nach mehr Transparenz und Effizienz.

Die Regierungskonferenz soll ihre Arbeiten unter französischer EU-Präsidentschaft bis Ende 2000 abschließen.

Die Bundesregierung wird für eine effektivere Kontrolle der Vergabe und des Einsatzes von EU-Fördermitteln eintreten.

Bürgernähe, Transparenz und demokratische Legitimation sind wesentliche Voraussetzungen für eine Unterstützung des Integrationsprozesses durch die Bevölkerung. Daher soll bei der Weiterentwicklung des Rechtsbestandes der EU insbesondere auf die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips Bedacht genommen werden. Zu den weiteren Anliegen der Bundesregierung zählt dabei, dass die Union durch eine intensivierte Informationspolitik ihre Tätigkeit vermehrt den Bürgern Europas nahebringt und verständlich macht. Österreich wird auch seinerseits die Europa-Informationstätigkeit fortsetzen, um dem Interesse der österreichischen Bevölkerung an der Europapolitik Rechnung zu tragen, und dabei einen Schwerpunkt auf die bevorstehende EU-Erweiterung legen.

5. Menschen- und Minderheitenrechte

Wie die erfolgreiche EU-Präsidentschaft Österreichs gezeigt hat, bedeutet die Mitgliedschaft in der EU eine erhöhte Wirksamkeit außenpolitischer Aktivitäten im weltweiten Rahmen. Die Bundesregierung wird diese Möglichkeiten auch weiterhin nützen, um auf europäischer Ebene und weltweit für die Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte sowie gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung von Ausländern einzutreten. Sie fördert die diesbezüglichen Bemühungen der in Wien angesiedelten EU-Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Die Bundesregierung wird

den "Staatenbericht" gemäß der Europäischen Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten bis 1. Juli 2000 abgeben,

die Regierungsvorlage zur Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen bis 1. Jänner 2001 dem Nationalrat zuleiten,

die Anliegen und Interessen der altösterreichischen Minderheiten im Ausland fördern."

Am 21. November 2001 beschloss der Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und ÖVP folgende umfassende Entschließung zur Erweiterung der Europäischen Union (105/E, 322/UEA):


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"
Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Mag. Karl Schweitzer, Dr. Werner Fasslabend, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der Europäischen Union eingebracht zu TOP 4 der 83. Sitzung des Nationalrates am 21. November 2001

Europa steht zu Beginn des neuen Jahrtausends im Zeichen der Erweiterung der Europäischen Union. Dieses Projekt stellt nicht nur die Union vor die größte Herausforderung seit ihrer Gründung, sondern bietet ganz Europa die Möglichkeit zur endgültigen Überwindung einer fast sechzigjährigen Teilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Die europäische Integration hat als Wirtschaftsgemeinschaft ihren Ausgang genommen. Zweck war aber von Anfang an, nach den schrecklichen Ereignissen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, eine Region des Friedens, der Stabilität und des Wohlstandes zu schaffen. Dieses Ziel haben die Staaten der EU auf eindrucksvolle Weise erreicht. Die EU ist heute ein Anker der Stabilität für den gesamten Kontinent und ebenso auf globaler Ebene.

Mit der Erweiterung wächst die EU um fast 100 Millionen Menschen zu einer Gemeinschaft mit 470 Millionen Bürgern. Damit entsteht einer der größten einheitlichen Märkte der Welt, der für die Herausforderungen des globalen Wettbewerbs gerüstet ist. Der Beitritt unserer Nachbarstaaten entspricht daher wirtschaftlichen Interessen der jetzigen wie auch der künftigen Mitglieder der EU.

Zugleich fällt der Beitritt der künftigen Mitglieder in eine Periode, in der Fragen der Weiterentwicklung der EU zu einem gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, zu einer Union mit einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, zu einer sozialen und Beschäftigungsunion, zu einer Union des sozialen Dialogs, Fragen der Sicherung der Grundrechte und der kulturellen Vielfalt auf der Tagesordnung stehen. Die Erweiterung der Union geht mit einer Vertiefung der Europäischen Integration einher. Die Erweiterung wird den Friedens- und Stabilitätsraum ausweiten und liegt daher im Interesse der jetzigen und der künftigen Mitglieder der EU.

Mit den beim Europäischen Rat in Kopenhagen beschlossenen Beitrittskriterien konnten den Kandidaten die für die Eröffnung des Erweiterungsprozesses notwendigen Voraussetzungen objektiv, transparent und nachvollziehbar dargestellt werden. Die Europäischen Räte von Luxemburg und von Helsinki gaben die Rahmenbedingungen für die Verhandlungen vor, wobei klargestellt wurde, dass die Fortschritte jedes Beitrittskandidaten in den Verhandlungen von den Vorbereitungsarbeiten des jeweiligen Landes für den Beitritt abhängig gemacht werden.

Bei den Europäischen Räten von Berlin und von Nizza wurde sichergestellt, dass die Union selbst sowohl finanziell als auch institutionell in der Lage ist, die Beitrittskandidaten als neue Mitglieder aufzunehmen. Überdies wurde die Wegskizze für den weiteren Verhandlungsverlauf beschlossen, die einen Abschluss der Verhandlungen mit den am weitesten fortgeschrittenen Kandidaten bis Ende 2002, und, nach den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates in Göteborg, das Ziel ihrer Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 2004 als Mitglieder vorsieht.

Seit mehr als drei Jahren laufen die Beitrittsverhandlungen mit den fünf Ländern der sogenannten Luxemburger Gruppe sowie mit Zypern. Ebenso sind am 15. Februar 2000 die Beitrittsverhandlungen mit den restlichen fünf mittel- und osteuropäischen Ländern sowie mit Malta eröffnet worden. In der Zwischenzeit sind je nach Kandidatenland – außer Rumänien und Bulgarien – die Hälfte oder zwei Drittel der Verhandlungskapitel vorläufig abgeschlossen. Der Verhandlungsprozess befindet sich somit in der Zielgeraden, der Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit den am weitest fortgeschrittenen Kandidatenländern vor Ende 2002 erscheint daher möglich.

Österreich hat von Anbeginn die Beitrittsverhandlungen maßgeblich mitgestaltet und seine Interessen entschlossen aber konstruktiv vertreten. Aufgrund der engen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Beziehungen mit den Kandidatenländern gilt für Österreich, dass


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jedes einzelne der 31 Verhandlungskapitel des Acquis Communautaire von Bedeutung ist und mögliche Effekte der Erweiterung möglichst frühzeitig in den Verhandlungen zu thematisieren sind. Österreich bringt seine Interessen bei der Erstellung von gemeinsamen Standpunkten der EU zu den einzelnen Verhandlungskapiteln konstruktiv ein. Ebenso nimmt Österreich darauf Bedacht, die Kandidatenländer im Rahmen der Beitrittsverhandlungen frühzeitig auf die besonderen Herausforderungen bei der Übernahme und tatsächlichen Umsetzung des gemeinschaftlichen Rechtsbesitzstandes hinzuweisen.

Parallel zu den Verhandlungen auf europäischer Ebene laufen in Österreich auch die innerstaatlichen Vorbereitungen für die Erweiterung der Union. Es gilt, die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Österreicherinnen und Österreicher die Chancen und Vorteile der Erweiterung der Europäischen Union bestmöglich nützen können und etwaigen Risken vorgebeugt wird.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, die weiteren Beitrittsverhandlungen und die innerstaatlichen Vorbereitungen zur Erweiterung der Europäischen Union an folgenden Schwerpunkten auszurichten:

Für ein Europa im Interesse der Bürger

Trotz der eindrucksvollen Erfolge der Europäischen Union in der Erhaltung von Frieden und Sicherheit und in der wirtschaftlichen Entwicklung sind viele Bürgerinnen und Bürger skeptisch gegenüber "Europa". Die europäische Integration hat in den vergangenen Jahren große Dynamik entwickelt und für die Unionsbürger wird es immer schwieriger, diesen Prozess nachzuvollziehen. Dem muss entgegengewirkt werden – die europäische Einigung kann nur so stark sein, wie sie von den Bürgern Europas getragen ist. Wie alle staatlichen Institutionen müssen auch die Europäischen Institutionen das Vertrauen der Bürger immer wieder gewinnen. Dem Reformprozess der Europäischen Union, bei dem es um den Ausbau der demokratischen Grundlagen der Union, um die Schaffung von mehr Transparenz und Offenheit der europäischen Politik und Verwaltung und um die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips geht, kommt besondere Bedeutung zu. Gleichzeitig geht es auch darum, die Politik der Europäischen Union verstärkt auf die täglichen Sorgen und Bedürfnisse der europäischen Bürger zu lenken. Damit verbunden ist auch eine sorgfältige Vorbereitung der Erweiterung der Europäischen Union, auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene.

Für einen starken Wirtschaftsstandort Österreich in der erweiterten Union

Österreich und seine Wirtschaft haben schon in den vergangenen Jahren von der Öffnung der Märkte unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten in hohem Ausmaß profitiert. Sowohl der Außenhandel wie auch die Investitionen stiegen kontinuierlich an. Mit dem Beitritt unserer Nachbarstaaten zur Europäischen Union fallen die letzten Barrieren auf dem Weg zu einem gemeinsamen Markt. Österreich wird damit nicht nur wieder zu einem Wirtschaftstandort in Europas Mitte, sondern liegt direkt an der Schnittstelle zu den neuen Mitgliedstaaten. Um diesen Standortvorteil in vollem Umfang nützen zu können, bedarf es entsprechender Rahmenbedingungen für die österreichischen Unternehmen. Dies umfasst nicht nur einen soliden Staatshaushalt und eine mittelfristige Senkung der Steuer- und Abgabenquote, sondern auch unmittelbar mit der Erweiterung verbundene Maßnahmen für eine ausgewogene Entwicklung des Arbeitsmarktes, Rahmenbedingungen, die es Österreichs klein- und mittelgroßen Unternehmen erlauben, sich auf die neue Wettbewerbssituation umzustellen, eine nachhaltige Verkehrspolitik, sowie eine Infrastrukturoffensive und eine Offensive für die Grenzregionen, die den Interessen der regionalen Bevölkerung und Wirtschaft nützen und dem Schutz der Umwelt den gebührenden Stellenwert einräumen.


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Für eine ausgewogene Entwicklung des Arbeitsmarktes

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union gelten für die neuen Mitglieder die vier Grundfreiheiten – der freie Verkehr von Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen. Um den alten und neuen Mitgliedern ausreichend Zeit zu verschaffen, ihre Arbeitsmärkte auf die vollständige Liberalisierung vorzubereiten, haben sich die 15 Mitgliedsstaaten im Verhandlungskapitel "Freier Personenverkehr" auf ein Übergangsarrangement geeinigt, demzufolge jeder Mitgliedsstaat grundsätzlich die Möglichkeit hat, seine nationalen Regeln für die Zulassung drittstaatsangehöriger Arbeitskräfte zum Schutze seines Arbeitsmarktes während einer Übergangsfrist von maximal sieben Jahren beizubehalten und – um den Willen zur zügigen Angleichung der Arbeitsmärkte zu unterstreichen – während der Weiteranwendung des nationalen Rechts danach zu trachten, den Arbeitskräften aus den Beitrittsländern einen verbesserten Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren.

Dabei ist vorgesehen, dass zunächst nach zwei und dann nach weiteren drei Jahren nach dem Beitritt die von den Mitgliedstaaten getroffenen Übergangsregelungen überprüft werden. Eine kontrollierte und stufenweise Öffnung des Arbeitsmarktes kann durch teilweisen oder späteren Verzicht auf solche Übergangsregelungen erfolgen, es können aber auch bilaterale Regelungen individuell mit den Beitrittsländern geschlossen werden.

Dabei sollten neue Formen von bilateralen Beschäftigungsabkommen mit den Beitrittskandidaten, die die diesbezüglichen Erfahrungen anderer Länder berücksichtigen, entwickelt und abgeschlossen werden, um auf diese Weise eine stetige aber behutsame Heranführung des österreichischen Arbeitsmarktes an die Bedingungen der Personen- und Dienstleistungsfreizügigkeit unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktentwicklung zusätzlich und außerhalb der bestehenden Vertragswerke zu gewährleisten.

Nach dem EG-Vertrag besteht Dienstleistungsfreiheit: Unternehmer haben das Recht, in allen Mitgliedsstaaten Dienstleistungsaufträge zu übernehmen und zur Erfüllung dieser Dienstleistungsaufträge Arbeitskräfte ohne Beschränkung einzusetzen. Dieses Recht fällt nicht unter das individuelle Recht der EU-Bürger auf Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt, sondern ist ein Recht der Unternehmer auf dem freien Binnenmarkt. Österreich und Deutschland haben wegen des engen Konnexes zum Arbeitsmarkt und der besonderen Betroffenheit durch die Grenznähe auch für die Dienstleistungsfreiheit – allerdings beschränkt auf bestimmte sensible Sektoren wie Bau und Baunebengewerbe, Reinigung, soziale Dienste und Bewachungsdienste – die gleiche Übergangsfrist ausbedungen wie für die individuelle Freizügigkeit. Zur bilateralen Regelung vor dem Beitritt und während der Übergangsfrist sollten daher "Werkvertragsabkommen" (unter Berücksichtigung der deutschen Erfahrungen) abgeschlossen werden.

In diesem Rahmen sollten alle notwendigen Regelungen für Grenzgänger, Praktikanten, "normal" Beschäftigte und "Werkvertragsarbeitnehmer" integriert werden.

Während der Rahmen einer siebenjährigen allgemeinen Übergangsfrist für alle mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten festgelegt werden soll, wären die bilateralen Vereinbarungen zur schrittweisen Öffnung des Arbeitsmarktes mit jedem Nachbarstaat individuell zu gestalten.

Während in der Übergangsperiode laufend zu prüfen sein wird, ob und in welcher Region bzw. für welchen Sektor eine vollständige Öffnung des Arbeits- bzw. Dienstleitungsmarktes vor Ablauf der siebenjährigen Frist erfolgen kann, ist gleichzeitig sicherzustellen, dass die jeweils geltenden rechtlichen Bestimmungen am Arbeits- und Dienstleistungsmarkt auch tatsächlich eingehalten bzw. durchgesetzt werden, um einem möglichen Dumping im Bereich der Entlohnung und der sozialen Sicherheit vorzubeugen. Die Einhaltung der jeweiligen rechtlichen Bestimmungen ist von den zuständigen Behörden gerade während der Übergangsperiode besonders zu kontrollieren. In diesem Zusammenhang sollten auch grenzüberschreitende Kooperationen zur wirksamen Bekämpfung der systematischen illegalen Beschäftigung geprüft werden.

Bis zur vollständigen Liberalisierung des Arbeitsmarktes soll eine zielgerichtete Qualifikationsoffensive gestartet werden, um insbesondere jene Arbeitnehmer zu fördern, die durch die voll


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ständige Öffnung des Arbeitsmarktes unter Druck kommen könnten. In Zusammenarbeit mit den AMS-Geschäftsstellen und den Bundesländern sollen einerseits die Qualifikationspotentiale vor dem Hintergrund von regionalen Standortentwicklungsprogrammen und Bedarfserhebungen in den Betrieben ermittelt, andererseits sollten von den Unternehmen und den entsprechenden öffentlichen Stellen gemeinsam Fortbildungsmaßnahmen entwickelt und berufsbegleitend realisiert werden. Hier kommt einem praxisorientierten Erfahrungs- und Informationsaustausch zu arbeitsmarktpolitischen Programmen, Instrumenten und zur Organisation des Arbeitsmarktservices besondere Bedeutung zu (Expertenaustausch, Einführung und Bekanntmachung von best practice Modellen).

Qualifizierungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice sollten insgesamt von der Gestaltung der Instrumente her flexibel für alle Anforderungen eingesetzt werden. Betriebliche Umstrukturierungen im Zuge des Beitritts sollen etwa durch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigte unterstützt werden. Arbeitsmarktpolitische Förderungen sollen dadurch wirtschafts- und strukturpolitische Maßnahmen gezielt unterstützen. Besonderer Bedeutung kommt auch der innerbetrieblichen bzw. von den Betrieben selbst organisierten Aus- und Weiterbildung zu. Auch hier soll geprüft werden, wie die daraus resultierenden besonderen und in unmittelbar mit der EU-Erweiterung in Zusammenhang stehenden finanziellen Belastungen einzelner Betriebe abgefedert werden können.

Im Rahmen des Ziel-1-Programmes Burgenland sowie der Ziel-2-Programme Kärnten, Steiermark und Wien sollen einerseits durch auf die EFRE-Förderungen abgestimmte ESF-Maßnahmen die Betriebe – insbesondere die KMU – bei der Bewältigung des Strukturwandels unterstützt und die Wettbewerbsfähigkeit der Region erhöht werden, andererseits müssen ESF-Maßnahmen vermehrt darauf abzielen, von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen die Re-Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Der ESF soll u. a. über die Steigerung des Angebotes an hochqualifizierten Arbeitskräften zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Regionen beitragen. Über die Beratung, Weiterbildung und Höherqualifizierung von Beschäftigten soll sowohl die Einführung neuer Technologien beschleunigt, als auch die Wirtschaft im Hinblick auf die Erweiterung auf eine stärkere internationale Ausrichtung vorbereitet werden. Gleichzeitig muss auch an der Wieder-Integration insbesondere für Frauen, für Langzeitarbeitslose, benachteiligte Jugendliche, Ältere und Menschen mit Behinderungen gearbeitet werden. Die österreichische Bundesregierung wird überdies ersucht, sollten die europäischen Programme und ihre Finanzierung für die angesprochenen Maßnahmen nicht auslangen, den Einsatz eigener Budgetmittel zu prüfen.

Im Interesse einer ausgewogenen Entwicklung des Arbeitsmarktes und zur Stärkung der sozialen Dimension der Europäischen Integration wird die österreichische Bundesregierung ersucht, sich für eine Stärkung des Sozialen Dialogs in der EU, in den auch die Beitrittskandidaten eingebunden werden sollen, einzusetzen.

Für eine nachhaltige Verkehrspolitik

Mit der Erweiterung der Europäischen Union ist auch mit einem deutlichen weiteren Anstieg des Verkehrsaufkommens von den und in die neuen Mitgliedsländer zu rechnen. Österreich wird von dieser Entwicklung besonders betroffen sein. Um den zusätzlichen Anstieg des Verkehrsaufkommens umwelt- und anrainerschonend bewältigen zu können, sind die bereits geplanten und durch die Erweiterung zusätzlich notwendigen Maßnahmen, wie das Lkw-Road-Pricing und der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ohne Aufschub umzusetzen.

Die bereits fertig geplanten Projekte, die die fehlenden Verbindungen bzw. Kapazitäten mit den Erweiterungskandidaten herstellen, sollen realisiert werden und ebenso ein Generalverkehrsplan, welcher den seit dem Fall des Eisernen Vorhanges grundlegend geänderten geopolitischen Rahmenbedingungen sowie der bevorstehenden EU-Erweiterung Rechnung trägt. Der Generalverkehrsplan soll ein Infrastrukturprogramm für die nächsten 30 Jahre samt Ausbauprioritäten für die nächsten Jahre beinhalten, in dem der Ausbau der hochrangigen Verkehrs


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wege festgelegt wird. Zu diesem Zweck ist auch das Einvernehmen mit den Bundesländern herzustellen.

Die Schaffung der für die Integration der neuen Beitrittsländer notwendigen Verkehrsinfrastruktur liegt nicht nur im Interesse Österreichs sondern im Interesse der gesamten Europäischen Union. Daher ist auch eine entsprechende finanzielle Beteiligung der Europäischen Union an den großen Infrastrukturprojekten – wie sie auch im jüngsten Weißbuch der Europäischen Kommission "Die europäische Verkehrspolitik bis 2010" vorgesehen ist – gerechtfertigt. Auf der Basis dieser erkennbaren Eigenleistungen Österreichs zur Bewältigung der mit der Erweiterung verbundenen zusätzlichen Aufgaben wird Österreich auch die Solidarität der anderen Mitgliedstaaten der EU – insbesondere jener mit ähnlichen oder gleich gelagerten Interessen – einfordern, wenn Nachfolgeregelungen für den Transitvertrag und für die derzeit geltenden Kontingentierungen im Güterverkehr mit den mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten zu treffen sind. Hier wird es vor allem um Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung und der Umwelt sowie zur Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene bzw. auf die Donau gehen.

Die Hauptkorridore und Hauptknoten Österreichs und in Ergänzung dazu einige überregionale Verbindungen mit hoher verkehrsstrategischer Bedeutung, die österreichische mit ausländischen Zentren außerhalb der Hauptkorridore verbinden, wurden bereits festgelegt. Es handelt sich dabei um Korridore, welche die aktuelle EU-Außengrenze queren und sich dort (bis auf eine Ausnahme) in den gesamteuropäischen Korridoren fortsetzen. Dazu zählen der Donau-Korridor in Richtung Pressburg und Budapest, der Süd-Korridor Richtung Brünn und Kattowitz, der Tauern-Korridor Richtung Laibach und der Pyhrn-Korridor in beide Richtungen, nämlich nach Prag und nach Agram sowie die überregionalen Verbindungen Wien – Ödenburg und Graz – Steinamanger.

Nunmehr müssen in diesem Korridornetzwerk die Ausbauprioritäten für Schiene, Straße, und Donau festgelegt werden. Eine grenzüberschreitende Abstimmung ist dabei unerlässlich. Vertreter der Beitrittsländer sollten daher in geeigneter Weise in den Prozess mit einbezogen werden.

Besondere Bedeutung kommt dem Bau und gegebenenfalls dem Ausbau von intermodalen Güterverkehrsterminals an strategischen Punkten in den Kandidatenländern zu, um die möglichst frühzeitige und weitreichende Verladung von Gütern auf die Bahn zu ermöglichen. Für den Zeitpunkt des Wegfalls der Möglichkeit, den Transit durch Österreich auf der Straße mittels Kontingentpolitik zu begrenzen, sollten bereits die notwendigen Einrichtungen zur umweltfreundlichen Bewältigung des Transitverkehrs zur Verfügung stehen. Außerdem wäre zu prüfen, inwieweit österreichisches Kapital von joint ventures in derartige Terminals in den Kandidatenländern eingebracht werden kann.

Auch in diesem Zusammenhang soll der Ausbau der Donau östlich und westlich Wiens auf ganzjährig schiffbare Wassertiefe vorangetrieben werden, um einen Teil der zusätzlichen Gütertransporte auf der Wasserstraße abwickeln zu können.

Besondere Bedeutung kommt angesichts der Überlastung bestimmter großer Achsen und der damit verbundenen Umweltbelastung dem weiteren Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes zu. Die Aktualisierung der Leitlinien für das transeuropäische Verkehrsnetz sollte sich auf die Beseitigung der Engpässe im Eisenbahnsektor und den Ausbau der wichtigsten Verkehrswege konzentrieren, um den durch die EU-Erweiterung insbesondere in den Grenzregionen zu erwartenden Verkehrsstrom aufzufangen und die Zugänglichkeit von Regionen in Randlage zu verbessern.

Die Europäische Union muss eine nachhaltige Verkehrspolitik umsetzen, die die Internalisierung der sozialen und Umweltkosten fördert. Durch eine wirksame Tarifierungspolitik, die die Berücksichtigung der externen Kosten vorsieht, muss auch die Nutzung von Verkehrsmitteln mit geringerer Umweltbelastung gefördert werden und es muss zulässig sein, die entsprechenden Einnahmen verkehrsträgerübergreifend in neue Infrastruktureinrichtungen zu investieren.


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Für eine Stärkung der Grenzregionen

Ein wichtiges Ziel im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Erweiterung ist die Schaffung grenzüberschreitender Wachstumszonen. Die Regionen auf beiden Seiten der Grenze zwischen Österreich und den Beitrittskandidaten haben bisher von der politischen Öffnung und schrittweisen wirtschaftlichen Integration dieser Nachbarstaaten Österreichs – den vorliegenden Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten zufolge – wirtschaftlich profitiert.

Um weiterhin eine positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu gewährleisten, sind die österreichischen Grenzregionen durch gezielte und koordinierte Maßnahmen auf den erweiterten Binnenmarkt vorzubereiten. Eine einheitliche wirtschaftspolitische Strategie für die Grenzräume ist nicht sinnvoll, da sowohl dynamische Wirtschaftsräume als auch periphere und ländliche Regionen zu erfassen sind. Diese haben unterschiedliche Chancen und Problemlagen. Erforderlich ist eine differenzierte Regionalpolitik, die die Standortqualität der Regionen erhöht.

Die Entwicklung der Grenzregionen wurde u. a. auch durch die Regionalprogramme der EU-Strukturfonds gefördert.

In der Periode 1995 — 1999 wurden alle österreichischen Regionen an der MOEL-Grenze im Rahmen der Programme gemäß Ziel 1 oder 5b der EU-Strukturfonds sowie der Gemeinschaftsinitiative LEADER II gefördert. Insgesamt sind seit 1995 deutlich mehr als 6 Mrd. öS an Strukturfondsmitteln in die österreichischen MOEL-Grenzregionen geflossen.

Auch in der Periode 2000 bis 2006 werden die Grenzregionen im Rahmen von INTERREG-IIIA sowie (mit Ausnahme des Wiener Umlands) im Rahmen der regionalen Ziele 1 und 2 förderbar sein. Der finanzielle Rahmen wurde deutlich erhöht. Mit Ausnahme von öffentlichen Basisdienstleistungen und sonstigen Projekten, die weder der wirtschaftlichen Strukturverbesserung der Betriebe oder des Arbeitsmarktes dienen noch grenzüberschreitenden Charakter aufweisen, sowie großen grenzüberschreitenden Infrastrukturen (für welche die INTERREG-Programme trotz Mittelaufstockung immer noch zu klein sind) können in den Grenzregionen alle Projekte, die einen sinnvollen Beitrag zur Vorbereitung auf die EU-Erweiterung leisten, im Rahmen der bestehenden EU-Programme gefördert werden.

In diesem Zusammenhang werden die österreichische Bundesregierung, aber auch die österreichischen Bundesländer ersucht, nach den budgetären Möglichkeiten die notwendige Ko-Finanzierung und institutionelle Unterstützung für die EU-Programme vorzusehen.

Bei den Verhandlungen mit der EU-Kommission über die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmensbeihilfen wurde weiters von Österreich dafür Sorge getragen, dass für die wirtschaftsschwachen Regionen an der Grenze zu den Beitrittskandidaten die jeweils maximal zulässigen Fördermöglichkeiten gewährleistet bleiben. Ferner wird die Bundesregierung ersucht, in den vom Beihilfenverbot ausgenommenen Grenzregionen Maßnahmen der national finanzierten Regional- und Wirtschaftsförderung mit grenzübergreifenden Projekten mit besonderem Nachdruck zu verfolgen.

Die Grenzregionen der Beitrittskandidaten werden aus dem – mit INTERREG korrespondierenden – EU-Programm PHARE Cross-Border-Cooperation (CBC) unterstützt.

Die finanziellen Rahmenbedingungen sind somit vorhanden. Die zuständigen Stellen des Bundes und der Länder sollen nun die Programme und Einzelmaßnahmen noch besser auf die Vorbereitung der EU-Erweiterung orientieren. Dabei wären folgende Aktivitätsfelder zu unterscheiden:

verbesserte Ausrichtung der (von Bund oder Ländern zu konzipierenden und zu finanzierenden, im Rahmen der Programme ggf. aus EU-Mitteln kofinanzierbaren) Förderungsrichtlinien und Infrastrukturprojekte auf die Erfordernisse der Erweiterung;


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aktivierende Beratung von Projektträgern bzw. Interessenten, damit die angebotenen Förderungen auch tatsächlich von den Adressaten (Unternehmen, zu schulende Arbeitskräfte etc.) zielgemäß in Anspruch genommen werden;

verstärkte Information der breiten Öffentlichkeit.

Darüber hinaus soll im Rahmen der EU eine weitere Harmonisierung der Verfahren zur Genehmigung und finanziellen Abwicklung der EU-Förderungen zwischen den verschiedenen Fonds und Programmen angestrebt werden (z. B. INTERREG und PHARE). Dies gilt insbesondere für die Programme der Grenzregionen der heutigen EU-Mitgliedsstaaten und die Unterstützungsmaßnahmen für die angrenzenden Beitrittskandidaten, um eine koordinierte Durchführung grenzüberschreitender Projekte zu erleichtern.

Für eine starke Landwirtschaft

Die Erweiterung der EU bringt zusätzliche Anforderungen für die Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mit sich. Ein Landwirtschaftsmodell mit den zentralen Elementen einer multifunktionalen, nachhaltigen, wettbewerbsfähigen, flächendeckenden, bäuerlichen Landwirtschaft soll das Leitbild der europäischen Agrarpolitik auch in einer erweiterten Europäischen Union darstellen. Die Weiterentwicklung soll in Richtung einer ökosozialen Ausrichtung erfolgen.

Als Priorität muss für die Konsumenten die hohe Qualität der Lebensmittel gesichert und die Lebensmittelsicherheit auf höchstem Niveau gewährleistet sein. Die Landwirtschaft soll in der Lage sein, die Landschaft zu pflegen, die Naturräume zu erhalten, einen wesentlichen Beitrag zur Vitalität des ländlichen Raumes zu leisten, den Anforderungen von Umwelt- und Tierschutz gerecht zu werden und die Bauern an der Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilhaben zu lassen. Das Vertrauen der Konsumenten sowie faire Produktionsbedingungen sind wichtige Faktoren für den Landwirtschaftsstandort Österreich und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft.

Der Acquis Communautaire, insbesondere die Umwelt-, Qualitäts- und Hygiene-, Tierhaltungs- und Veterinärstandards der EU sind auch für die Beitrittskandidaten bindend, wobei in Schlüsselbereichen geeignete Übergangsregelungen einzurichten sind.

Die Ausgestaltung der Agrarförderungen, die Größenvorteile berücksichtigt (Modulation), kann nur europaweit einheitlich entwickelt und umgesetzt werden.

Für eine nachhaltige Umweltpolitik

Die Erweiterung wird sich auf die Verbesserung der Umweltstandards in den Nachbarstaaten positiv auswirken. Hervorzuheben ist z. B., dass die meisten der Kandidatenländer der Europäischen Umweltagentur (EEA) bereits beigetreten sind. Dies ist insofern bemerkenswert, als sich hier erstmals eine EU-Institution den Werbern geöffnet hat. Damit kann den Ländern neben finanzieller Hilfe (großteils auf Basis des PHARE Programms) auch deren legislative Anpassung an die europäische Umweltpolitik erleichtert werden.

Die Reformländer müssen sich den höheren EU-Auflagen zum Umweltschutz rasch anpassen, was jedoch einen hohen finanziellen Aufwand bedeutet. Dabei werden zusätzliche EU-Fördergelder nötig sein, um diese Anpassungen im Energie- und Sicherheitsbereich, sowie eine verstärkte Nutzung alternativer Energiequellen zu finanzieren.

Im Interesse einer nachhaltigen und umweltverträglichen Energiepolitik sollte Österreich im Rahmen der EU ein Ausstiegskonzept aus der Atomenergie und aus veralteten Kohlekraftwerken für die Beitrittskandidatenländer anregen und gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten entwickeln.

Die große Kompetenz Österreichs auf dem Gebiete der Umwelttechnik und Alternativenergiegewinnung sollte durch unterstützende Programme in konkreten Projekten Anwendung finden.


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Besondere Priorität im Umweltbereich kommt der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung zu. Es ist daher notwendig, speziell für gemeinsame Grenzflüsse Sofortprogramme für Kläranlagen zu erstellen.

Die weiter oben vorgeschlagenen Maßnahmen zugunsten grenzüberschreitender Wachstumszonen bieten für österreichische Unternehmen die Chance der Beteiligung an Umweltprojekten, weil sie nicht nur österreichischen Umweltinteressen entsprechen, sondern auch die Chance zum Export österreichischen Know hows und österreichischer Produkte erlauben.

Für die Erhaltung der Sicherheit

Die Europäische Union ist eine Union der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie. Mit der Grundrechtecharta wurde eine weitere wichtige Basis für die EU als Wertegemeinschaft geschaffen.

Die Erweiterung der Union bedeutet auch eine Ausdehnung des Raumes der politischen Stabilität. Die Europäische Union hat beim EU-Gipfel in Kopenhagen im Juni 1993 die Kriterien für die Erweiterung festgelegt. Als politisches Kriterium wurde die institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, für die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten gefordert. Auf dieser Grundlage soll die Zusammenarbeit in den Bereichen der inneren Sicherheit und der Justiz ausgeweitet werden.

Mit der Erweiterung der Union wird ein wichtiger Schritt in Richtung Stabilität und Stärkung der Region gemacht. Österreich wird dadurch vom Rand in das Zentrum der Union rücken. Österreich ist sich seiner Verpflichtung aus dieser Lage bewusst und wird sich wie bisher verstärkt in der Union einbringen, denn nur die Schaffung eines umfassenden und verbindlichen Rechtsbestandes kann die Beibehaltung der Prinzipien des Raumes der Freiheit, Sicherheit und des Rechts bei Aufnahme neuer Mitgliedstaaten gewährleisten.

Ziel Österreichs ist es, die Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu fördern und eine entsprechende Weiterentwicklung der Union zu erreichen, um Stabilität und Sicherheit für die Bevölkerung und die Wirtschaft Österreichs zu garantieren. Besonderes Augenmerk muss dabei auf die Umsetzung des auf dem Sondergipfel von Tampere im Oktober 1999 beschlossenen verbindlichen Arbeitsprogramms liegen, wo 62 Schlussfolgerungen den Bereich Innen- und Justizpolitik zu einem zentralen Politikbereich der Europäischen Union machen. Ziel ist nunmehr, wesentliche Maßnahmen betreffend Asyl, Einwanderung und Außengrenzkontrollen zu formulieren, um dadurch die Schaffung gemeinsamer Regelungen in diesem sensiblen Bereich weiter voranzutreiben und gemeinsame Standards aller Mitgliedstaaten zu erreichen.

Gleichzeitig muss die Union aber auch auf die bevorstehende Erweiterung vorbereitet werden, insbesondere durch eine Ausweitung der Kompetenzen von Europol, durch die Schaffung eines vertieften, gemeinsamen Systems zur Sicherung der EU-Außengrenzen und durch die Errichtung eines neuen Schengener Informationssystems. Letzteres bildet eine wichtige Ausgleichsmaßnahme und eine Voraussetzung für den Wegfall der Personenkontrolle an den Binnengrenzen, der allerdings erst dann erfolgen kann, wenn die jeweiligen nationalen Systeme als gleichwertig und somit auch nach österreichischer Ansicht als sicher angesehen werden.

Österreich wird die Beitrittskandidaten dabei in allen Bereichen aktiv unterstützen, dies reicht von Gesetzgebung über Strukturaufbau, Ausbildung und Ausstattung bis zur Hilfestellung bei der Umsetzung.

Um die Beitrittskandidaten vollständig an die Standards der Europäischen Union und somit an das österreichische Niveau heranzuführen, müssen besonders die mit den Nachbarstaaten bestehenden Kooperationsmechanismen verstärkt werden.

Der bilateralen Zusammenarbeit sollen Sicherheitspartnerschaften zwischen Österreich und den Beitrittskandidaten Ungarn, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Polen eine zusätzliche Dimension verleihen, die im Rahmen der "Salzburger Deklaration" vereinbart wurden. Beratun


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gen auf hoher strategischer Ebene und die Einrichtung von gemeinsamen Arbeitsgruppen, in denen Experten Österreichs und des jeweiligen Beitrittskandidaten für die Umsetzung von konkreten Projekten verantwortlich sind, sollen dabei sowohl beim Transfer der Sicherheitsstandards helfen, als auch ein gegenseitiges Klima des Vertrauens schaffen.

Schwerpunkte dieser bilateralen Zusammenarbeit sollen vor allem eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden sowie die verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Asyl, Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, der illegalen Einwanderung und Schlepperei wie auch gemeinsame Strategien zum Schutz der künftigen EU-Außengrenze und besserer Informationsaustausch sein. Übergeordnetes Ziel bleibt dabei, die Beitrittskandidaten auf ihrem Weg in die EU zu begleiten und sie zu unterstützen, das EU-Niveau zu erreichen. Durch die intensive Kooperation leisten Österreich und seine Nachbarstaaten schon vor der EU-Erweiterung einen wichtigen Beitrag für die innere Sicherheit und die Stabilität in der Region, was den Bürgern ganz Europas zu Gute kommt.""

Im Mai 1999 forderte der Nationalrat in einer Entschließung (179/E, 701/UEA) die Aufhebung der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen, die sich auf die Vertreibung einzelner Volksgruppen beziehen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Nationalrat bekräftigt Österreichs Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa, das auf der Solidarität und Gleichberechtigung der Staaten und der Achtung der Vielfalt ihrer Geschichte, Kultur und Traditionen beruht, Freiheit, Frieden und Wohlstand sichert und die endgültige Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents verwirklicht. In diesem Sinne wird die Bundesregierung ersucht, die Erweiterung der Europäischen Union im Interesse unseres Landes weiterhin konstruktiv mitzugestalten und gleichzeitig auch an der Weiterentwicklung der Integration zwischen den Mitgliedstaaten der EU mitzuwirken und dabei die österreichischen Anliegen auf europäischer Ebene wirksam und nachhaltig zu vertreten.

Die Bundesregierung wird insbesondere ersucht, die Europapolitik auf der Grundlage des Regierungsübereinkommens vom 3. Februar 2000 und der Entschließung des Nationalrates vom 21. November 2001 betreffend die Erweiterung der Europäischen Union (105/E, 322/UEA) konsequent fortzusetzen.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, im Rahmen der regionalen Partnerschaft sowie auf bilateraler Ebene die Zusammenarbeit mit Österreichs Nachbarstaaten zur Vorbereitung der Erweiterung der Europäischen Union weiter auszubauen.

Die Bundesregierung wird ferner ersucht, nach den Parlamentswahlen in der Tschechischen Republik und der darauffolgenden Bildung einer neuen Regierung auf der Grundlage der Entschließung des Nationalrates vom 21. November 2001 betreffend die Umsetzung des "Protokolls von Melk"(104/E, 318/UEA), des Abkommens von Brüssel vom 29. November 2001 (BGBl 266/2001 Teil III) betreffend "Schlussfolgerungen des Melker Prozesses und Follow up", der Stellungnahme des Hauptausschusses des Nationalrates vom 7. Dezember 2001 (S-4), des Zirkularbeschlusses des Ministerrates vom 8. Dezember 2001 betreffend "Schlussfolgerungen des Melker Prozesses und Follow up" und der Entschließung des Nationalrates vom 12. Dezember 2001 betreffend "konsequente Fortführung der österreichischen Anti-Atompolitik" (113/E, 344/UEA) Gespräche mit der neuen tschechischen Regierung aufzunehmen und dabei unter Zugrundelegung der parlamentarischen Beratungen des "Temelin-Volksbegehrens" vom Jänner 2002 Vertreter aller im Nationalrat vertretenen Parteien mit dem Ziel einer erneuerten 4 -Parteien-Politik in dieser Frage einzuladen.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, in den Gesprächen mit der Tschechischen Republik und Slowenien weiterhin mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dass die menschenrechtswidrigen


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Gesetze und Dekrete aus den Jahren 1945 und 1946, die sich auf die Vertreibung einzelner Volksgruppen beziehen, nicht mehr gelten."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. Ich bitte zunächst um den zu berichtigenden Sachverhalt und sodann um den tatsächlichen Sachverhalt. (Abg. Dr. Martin Graf: Bislang steht’s 2 : 0 für die Regierung, gleich steht’s 3 : 0!)

16.16

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Ing. Westenthaler hat behauptet (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), ich hätte kein Wort gegen (neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen)  ...

Herr Kollege Schweitzer, darf man noch etwas sagen, oder glauben Sie, Sie müssen alle beim Reden stören? Es geht nur um eine tatsächliche Berichtigung. (Abg. Mag. Schweitzer: Du hast 20 Minuten gezeigt, dass du nichts zu sagen hast!)

Herr Ing. Westenthaler hat behauptet, ich hätte kein Wort gegen die unhaltbaren Äußerungen von Premier Zeman gewendet. (Abg. Ing. Westenthaler: Im Parlament! Hier!)

Ich sage: Wahr ist, dass ich der erste österreichische Politiker war, der die Äußerungen Zemans ganz klar zurückgewiesen hat. Das ist die Wahrheit! Sie sagen die Unwahrheit, Herr Westenthaler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das darf ja nicht wahr sein! Das nimmt Ihnen ja keiner ab!)

16.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 9 Minuten. – Bitte.

16.16

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Bundeskanzler! Ich möchte als Erstes auch eine Entschließung einbringen. Herr Cap hat in dem kurzen ernsthaften Teil seiner sonst weniger ernsten Rede einen Entschließungsantrag zum Verfassungsgerichtshof eingebracht. Herr Kollege Cap! Ich hätte es sehr geschätzt – und ich möchte meine Rede sehr ernsthaft gestalten, weil das Thema ein ernstes ist –, wenn Sie den seit eineinhalb Jahren im Haus liegenden Antrag Westenthaler, Khol zur Objektivierung des Ernennungsverfahrens bei Verfassungsrichtern unterstützt hätten, sodass wir ihn schon hätten beschließen können. – Wieder nichts, wieder ein Teil Ihrer schwingenden Schilfrohr-Politik: Sie machen etwas anderes, als Sie sagen.

Ich bringe daher einen Antrag ein, der konkreter ist und dem entspricht, was der Bundeskanzler angeregt hat.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Organisation und Verfahren der Verfassungsgerichtshöfe in vergleichbaren demokratischen Staaten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat bekennt sich ausdrücklich zu den in der Bundesverfassung verankerten Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates, nämlich zur Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Gerichte sowie der Gesetzmäßigkeit von Verwaltung und Rechtsprechung und ersucht den Bundeskanzler, im Zusammenhang mit der Vorlage des nächsten Tätigkeitsberichtes des Verfassungsgerichtshofes dem Nationalrat darüber zu berichten, wie in vergleichbaren demokratischen Staaten die Organisation und das Verfahren betreffend Verfassungsgerichtshöfe beziehungsweise vergleichbare Einrichtungen geregelt ist. Dabei sollen insbesondere die Vorgangs


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weise bei der Auswahl und Bestellung der Mitglieder beziehungsweise Ersatzmitglieder dieser Gerichtshöfe, die Funktionsdauer der Richter, die bestehenden Bezügeregelungen sowie die Grundsätze des Verfahrens einschließlich der Entscheidungsquoren, der Möglichkeit der Ablehnung von Richtern und der Zulässigkeit von Minderheitsvoten dargestellt werden.

*****

Das ist ein Antrag, der die Diskussion versachlicht und auf eine objektive Grundlage stellt, und ich lade Sie ein, diesem Antrag beizutreten. Vor allem aber wäre es günstig, wenn Sie dem Antrag, der im Rahmen des Demokratiepakets im Hause liegt, endlich zustimmen würden, denn dann kann es Gesetz werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Seit dem 4. Februar 2000 versuchen Sie erfolglos, gegen diese Bundesregierung anzurennen. Sie haben sich bis heute noch nicht mit dem Machtverlust abgefunden. Ich sage Ihnen: So, wie Sie gescheitert sind, als Sie im Rahmen der Sozialistischen Internationale diese Regierung wegbringen wollten, so werden Sie auch scheitern, wenn Sie mit derartigen Dringlichen Anfragen eine Bilanz ziehen wollen, die eine Phantombilanz ist. Sie sind gescheitert bei der Sozialistischen Internationale, und alles, was von Ihnen, Herr Gusenbauer, irgendwann einmal, in 15 Jahren vielleicht, im Geschichtsbuch angedeutet sein wird, ist, dass Sie mit den Gegnern Österreichs mit Champagner auf die Kuratel Österreichs durch die Sozialistische Internationale angestoßen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gusenbauer, Sie werden wahrscheinlich Kurt Tucholsky nicht so gut kennen wie ich. Kurt Tucholsky, ein ganz Linker der Zwischenkriegszeit, hat Sie genau beschrieben, denn er hat gesagt: "Sekt ist das Getränk der Arbeiterklasse, wenn es von ihren Funktionären getrunken wird." (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Lieber Herr Kollege Gusenbauer! Er hat Sie nicht ganz gekannt, denn Sie sind ein so feiner Pinkel, dass es bei Ihnen Champagner sein muss. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch die Demonstrationen, die Sie am 19. Februar 2000 gegen diese Regierung durchgeführt haben, fruchten ebenso wenig wie die Dringlichen Anfragen. Diese Regierung hat zu arbeiten begonnen, sie hat große Reformen bereits durchgeführt, und ich sage dazu nur ganz wenig: Es ist ein absoluter Paradigmenwechsel in diesem Land, dass die Familien heute Vorrang haben. Wir haben den Familien zusätzliche Mittel geistiger, aber auch materieller Natur zur Verfügung gestellt. Ab diesem Monat wird das Kindergeld für alle Mütter in diesem Land ausgezahlt. Sie haben es nicht verhindern können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ebenso stolz bin ich darauf, dass wir die Dinge nicht so behandeln, wie Ihr Innenminister Oskar Helmer seinerzeit gesagt hat: Die Dinge muss man in die Länge ziehen. – Wir haben die in die Länge gezogenen Dinge, nämlich die Restitution, die Entschädigung von Zwangsarbeitern und die Entschädigung von armen Menschen, die durch die nationalsozialistischen Verbrecher aus ihren Wohnungen getrieben wurden, zu Ende gebracht. Ich bin stolz auf die Restitutionsgesetzgebung! Ich bin stolz darauf, dass wir auch das damals nicht beschlossene siebente Wiedergutmachungsgesetz jetzt beschlossen haben. Ich bin stolz darauf, dass wir hier das Unsere getan haben. Es war diese Regierung, und Sie haben es nicht verhindern können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein ganz wichtiger Grundsatz unserer Regierungspolitik und überhaupt der Politik ist die Nachhaltigkeit. Man muss auch für die kommenden Generationen nicht nur das Ökosystem, sondern auch das Sozialsystem sichern. Wir haben der Schuldenpolitik ein Ende bereitet – keine neue Schulden! –, denn die Schulden, das ist die verzehrte, die ausgegebene Zukunft unserer Kinder! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Schulden sind die Steuern von morgen, und das wissen die Österreicher. Wir werden die Steuerlast – so, wie es der Bundeskanzler gesagt hat – systematisch


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hinunterdrücken, indem wir den Bürger entlasten werden. Das ist Reformpolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben die Sozialpartnerschaft, ein wichtiges Element dieser Republik, aus der Sklerose, aus der Erstarrung befreit. Sie ist wieder arbeitsfähig geworden. Ich freue mich darüber. Gemeinsame Vorschläge werden gemacht, und das braucht die Republik. Meine Damen und Herren! Die Sozialpartnerschaft hat diesen Gang der SPÖ in die Opposition gebraucht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Sie phantasieren!)

Herr Gusenbauer! Kein einziges Wort haben Sie darüber gesagt, wohin Ihr Weg führen würde. Dazu möchte ich einmal Herrn Traxler vom "Standard" zitieren; der hat Sie wirklich aufgeblättert. Er hat gesagt, das neue Schlagwort von Herrn Gusenbauer sei die solidarische Hochleistungsgesellschaft – das könnte aber auch ein Andreas Khol gesagt haben! So wird Ihr Kurs beurteilt: Einmal so, und einmal so. (Abg. Dr. Gusenbauer: Hochleistung und Khol, das ist ein Widerspruch!)

Haben Sie eigentlich schon mitbekommen, dass 250 000 Unterschriften unter das Volksbegehren Ihre Unterschriften sind, weil Sie Ihre Position nicht klargestellt haben? Sie haben das Unterschreiben freigestellt. Sie haben einen doppeldeutigen, mehrdeutigen Kurs gefahren, so wie immer. Bei Gusenbauer weiß man nicht, wie man dran ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Aber man weiß sehr gut, wie man bei der SPÖ dran ist, denn dort, wo die SPÖ an der Macht ist, in Wien, gibt es die höchsten Arbeitslosenzahlen. Von den 290 000 österreichischen Arbeitslosen leben 90 000 in Wien. Wien hat die höchsten Belastungen. (Abg. Edlinger: Wien hat den höchsten Lebensstandard in Österreich!) Das ist ein Standortnachteil. Sie erhöhen die Preise für Wasser, für Strom, für die Müllabfuhr und damit den Preis für den Lebensstandard, für die Lebensqualität. Da zitiere ich Karl Kraus. Er meinte sinngemäß: Von einer Stadt erwarte ich Asphalt, Warmwasser, Müllabfuhr und Strom. "Gemütlich bin ich selbst!" – Also den Lebensstandard brauchen Sie nicht für sich in Anspruch zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wien hat jedenfalls die höchsten Belastungen. Dort, wo Sie die absolute Mehrheit haben, zeigen Sie, wohin Ihr Kurs führen würde.

Meine Damen und Herren! Wir lassen uns durch Ihre Versuche, gegen diese Regierung anzurennen, nicht aus dem Tritt bringen. Diese Regierung ist auf vier Jahre angelegt, um das Regierungsprogramm abzuarbeiten. Das werden wir tun, und dann werden wir vor die Wähler treten und um das Vertrauen für weitere vier Jahre bitten. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Das ist eine gefährliche Drohung, Herr Abgeordneter Khol!)

Meine Damen und Herren! Wir haben ein Reformprojekt. Wir treten ein für eine Sache! Wir treten ein für ein Reformprojekt für dieses Land, das nicht von Stimmungen abhängig ist, das nicht von Zeitungsartikeln abhängig ist, sondern das vom Willen der Mandatare dieses Hauses abhängig ist. Und die stehen hinter dieser Regierung in ihrer Gänze, die stehen hinter dem Reformprogramm. (Abg. Parnigoni: Immer weniger!)

Während Sie versuchen, zu mäkeln, zu nagen, machen wir Österreich zu einem Land, das nicht mehr schuldenreich ist, sondern zukunftsreich und chancenreich! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der erwähnte Entschließungsantrag der Abgeordneten Khol, Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen zum Thema Verfassungsgerichtshof wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Van der Bellen –: Wie ist das mit der innerparteilichen Demokratie? Die wird abgeschafft!)


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16.27

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! – Gut, machen wir zwei Vorbemerkungen zu Herrn Westenthaler. In einem Punkt muss ich Ihnen leider Recht geben, Herr Westenthaler: Es stimmt, gestern beim Tagesordnungspunkt 3 – ich war nur 10 Meter entfernt hier in den Couloirs – versäumte ich durch ein Versehen meinerseits doch akkurat die Abstimmung. Das tut mir Leid. Das stimmt, das ist richtig, und es tut mir Leid.

Was den zweiten Punkt betrifft: Die Grünen als "Führerpartei" – das finde ich "echt gut", Ihr Schmäh ist wirklich beeindruckend, Herr Westenthaler! Aber ich empfehle Ihnen doch: Vergleichen Sie einmal die Statuten der Freiheitlichen Partei mit den Statuten der Grünen! Ich bin sicher, der Vergleich wird auch Sie sicher machen. Den Ruf der Führerpartei können wir Ihnen nicht streitig machen, Herr Kollege Westenthaler. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Bei uns werden sie gewählt, die Stellvertreter, auf dem Parteitag werden sie gewählt! ) Ja, ja. Es ist vielleicht empfehlenswert, dass Sie sich einmal Ihr ganzes Statut vor Augen halten. Ich habe das nämlich gemacht anlässlich Ihrer Regierungsbeteiligung.

Was nun die heutige Dringliche betrifft: Es stimmt, was die SPÖ oder Kollege Cap schon moniert haben, dass Herr Bundeskanzler Schüssel mehrere Fragen nicht beantwortet hat. Aber wie hätte er auch all diese Fragen beantworten können, vor allem im außenpolitischen Bereich? – Die FPÖ wütet mit der Unbekümmertheit und Verantwortungslosigkeit eines Kleinkindes im außenpolitischen Porzellanladen, ohne Rücksicht auf Verluste. Soll der Bundeskanzler das von der Regierungsbank aus bestätigen? – Das ist nun wirklich etwas viel verlangt, lieber Kollege Cap. Das kann er ja gar nicht sagen, und was er sich insgeheim denkt – fragen wir ihn lieber nicht!

Das leistet sich eine Regierungspartei! Ein Kleinkind, das irrtümlich den Geschirrschrank aufmacht und die Teller zertrümmert, das kann nichts dafür, da kann man nichts machen. Ich meine, das unterliegt immer noch der Aufsichtspflicht der Eltern, und dem Kind ist überhaupt kein Vorwurf daraus zu machen. Aber in der Außenpolitik, möchte man meinen, hat man es mit erwachsenen Leuten zu tun. Aber wie Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, in der Frage der EU-Erweiterung vorgehen und was da an Potential zerschlagen wird, dafür kann ich wirklich keinen anderen Vergleich finden als den des verantwortungslosen Verhaltens eines Kleinkindes im Porzellanladen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Wie begründen Sie das? Begründen Sie das!)

Herrn Kollegen Schweitzer werde ich heute ohnehin nicht überzeugen, aber nur zur Erinnerung: Die EU-Erweiterung ist ein historisches Projekt. (Abg. Mag. Schweitzer: Begründen Sie das!)

Ist Kollege Schweitzer nicht Lehrer? Hört er seinen Schülern so zu wie mir, der ich mich jetzt bemühe, mir Gehör zu verschaffen? – Herr Kollege Schweitzer, lassen Sie mich auch reden, ja? – Danke. (Abg. Dr. Martin Graf: Was haben Sie gegen Lehrer?)  – Ich bin ja auch Lehrer, ich habe überhaupt nichts gegen Lehrer. Ich frage mich nur, wie Kollege Schweitzer sich in der Schule verhält. (Beifall bei den Grünen.)

Die EU-Erweiterung ist ein historisches Projekt, ein Projekt von historischer Größenordnung. Da werden Mitteleuropa, Nordeuropa, Südeuropa zwölf Jahre nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums in die EU integriert. Ein Nachholbedarf von Jahrzehnten! Das ist ein sicherheitspolitisches Projekt, ein friedenspolitisches Projekt. Auch Kollege Khol wird nicht müde, das zu betonen, und es stimmt ja auch. Die wirtschaftspolitischen Interessen, Herr Kollege Schweitzer, die wirtschaftspolitischen Interessen Österreichs sprechen eindeutig für die Erweiterung der Union. Und last, but not least sind es auch umweltpolitische Interessen, die die Erweiterung angemessen, richtig und dringend notwendig erscheinen lassen. (Abg. Mag. Schweitzer: Also!)  – Ja, also.

Und wie haben Sie sich verhalten? (Abg. Mag. Schweitzer: Wir stehen zur Erweiterung!)  – Ja, Sie sitzen vielleicht bei der Erweiterungsdebatte hier im Parlament! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)


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Hier im Parlament – ich sehe das immer wieder – tun Sie so, als wäre das ohnehin alles in Ordnung. Hier im Parlament hat es einen Khol-Westenthaler-Antrag gegeben, im vergangenen Herbst, mit namentlicher Abstimmung. Alle Freiheitlichen unterschreiben natürlich einen Khol-Westenthaler-Antrag. In der Temelin-Verhandlungsfrage musste Ihnen ja wie jedem halbwegs vernünftigen, die Diskussion verfolgenden Menschen zu jenem Zeitpunkt klar sein, dass dann, wenn der Khol-Westenthaler-Antrag eingebracht wird, Minister Molterer im Hintergrund schon ungefähr das verhandelt haben wird, was in dem Khol-Westenthaler-Antrag steht. Sonst wäre ja das Risiko dieses Antrages für Sie viel zu hoch gewesen.

Sie beschließen diesen Antrag. Schüssel-Zeman-Abkommen, Schüssel-Zeman-Vereinbarung anschließend. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie einmal was Neues! Nicht immer das Gleiche!) Ja, und gleichzeitig inszeniert ein Teil der FPÖ ein Volksbegehren mit einem Text, der diesen Verhandlungsschritten, der diesen Bemühungen im Vorfeld der Erweiterung zentral, diametral zuwiderläuft, ein Veto-Volksbegehren, das in jeder Hinsicht kontraproduktiv ist.

Draußen machen Sie die eine Sache, und hier drinnen unterschreiben Sie jedes Papier, das Ihnen Kollege Khol dann zur Unterschrift vorlegt. (Abg. Dr. Martin Graf: Das würden Sie den Grünen verbieten!) Doppelbödigkeit ist das Prinzip der Regierungspartei FPÖ! (Beifall bei den Grünen.)

Deswegen vertraue ich auch nicht auf die Papiere, auf die Entschließungsanträge, die Sie beide heute wieder vorgelegt haben. (Die Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler: Gute Anträge!) Ja, Papier! Wieder einmal etwas. Die FPÖ als Regierungspartei hat sich noch nie an das gehalten, was ... (Abg. Dr. Khol: Das stimmt nicht!)  – Okay, in außenpolitischen Fragen, in der Erweiterungsfrage, hält sie sich nicht an das (Abg. Dr. Khol: Auch das stimmt nicht!), bei dem Sie hier so tun, als ob Sie in der Sache einig wären. (Abg. Dr. Khol: Nein, das stimmt nicht!)  – Das stimmt!

Spätestens dann, wenn der Landeshauptmann von Kärnten draufkommt, was Sie hier wieder beschlossen haben, ist die Sache wieder anders. Aber das ist Ihr Problem, nicht unseres. Uns amüsiert das nur mäßig. (Beifall bei den Grünen.)

Uns amüsiert das nur mäßig, weil hier außenpolitische Interessen der Republik, wirtschaftspolitische Interessen der Republik, umweltpolitische Interessen und sicherheitspolitische Interessen der Republik auf dem Spiel stehen, die Sie mutwillig und fahrlässig, Herr Kollege Schweitzer, aufs Spiel gesetzt haben. Dabei geht es doch nicht um irgendetwas, sondern da geht es, wie ein wichtiger Politiker dieser Republik vor kurzem gesagt hat, um ein Herzstück der Regierungsvereinbarung. Nicht wahr, Herr Kollege Khol? – Ich stimme Herrn Bundeskanzler Schüssel total zu! Das ist ein Herzstück der Regierungsvereinbarung, und nicht nur der Regierungsvereinbarung, sondern auch der österreichischen Außenpolitik schlechthin.

Wir bringen in diesem Zusammenhang folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Mag. Lunacek, Dr. Lichtenberger, Dr. Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein klares Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur Erweiterung der Europäischen Union

"Der Nationalrat wolle beschließen:" – Ich bin gespannt, ob Sie da zustimmen, oder ob Sie wieder Ausreden finden, das nicht zu tun!

"Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, konsequent für die Erweiterung der Europäischen Union einzutreten, was unter anderem die folgenden Maßnahmen umfassen soll:

ein klares Bekenntnis zur Erweiterung der Europäischen Union. Österreich bekennt sich zu einem gemeinsamen Europa im Rahmen der EU und stellt sein politisches Handeln unter diese Prämisse. Österreich darf seine Glaubwürdigkeit in diesem wichtigen Friedensprojekt Europa


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keinesfalls aufs Spiel setzen. Dabei sollten auch in Österreich die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Erweiterung geschaffen werden.

ein klares Bekenntnis zum Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union. Für Österreich wird es von Vorteil sein, wenn seine Nachbarstaaten Mitglieder der Europäischen Union sind. Bilaterale Probleme sind in einem Dialog zwischen Prag und Wien zu lösen. Veto-Drohungen sind im europäischen Integrationsprozess kontraproduktiv. Die verbleibenden Differenzen zwischen Österreich und der Tschechischen Republik werden innerhalb der Europäischen Union leichter zu lösen sein.

der Umgang mit den umstrittenen Beneš-Dekreten wird nicht mit dem EU-Beitritt Tschechiens verknüpft.

bezüglich des AKW Temelin wird von Veto-Drohungen Abstand genommen und in bilateralen Verhandlungen nach den tschechischen Wahlen in Richtung Stilllegung verhandelt. Österreich soll bei diesen Verhandlungen auch die Modernisierung und Ökologisierung der Energiewirtschaft unterstützen, wodurch auch die österreichische Wirtschaft profitieren könnte."

*****

Die Äußerungen von ... (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie noch einen Satz zu Zeman! Bitte!)  – Gerne.

Die Äußerungen von Ministerpräsident Zeman waren unter dem Strich inakzeptabel, aber sie waren eine Reaktion auf das, was Haider wöchentlich liefert – und nicht wie Ministerpräsident Zeman einmal im Jahr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auf einen Wettbewerb dieser Art brauchen wir uns nicht einzulassen. Und wir sind die Letzten auf Grund eines Landeshauptmannes in Kärnten, der sich um diese Dinge nicht ... (Abg. Dr. Cap: Kümmert!) ... kümmert. Danke, Herr Kollege Cap. Fast hätte ich mich im Wort vergriffen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wir hier in Österreich sind die Letzten, die sich über einen Ministerpräsident Zeman deswegen, wegen seiner Äußerungen, die nicht akzeptabel sind, echauffieren sollten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wenigstens!)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr Abgeordneter Van der Bellen eingebracht und auch vorgelesen hat, entspricht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und steht mit zur Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Edlinger. – Bitte. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.38

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In wenigen Tagen ist diese Bundesregierung zwei Jahre lang im Amt. Für viele Menschen ist das in der Tat kein Grund zum Feiern. (Abg. Dr. Khol: Aber!)

Wir haben die Dringliche Anfrage gestellt, um Ihnen, Herr Bundeskanzler, die Möglichkeit zu geben, die abgelaufenen zwei Jahre doch Revue passieren zu lassen.

Ich bin in der Tat über Ihre Art der Diskussionsverweigerung tief enttäuscht. Ich bin tief enttäuscht, weil Sie auf wesentliche Details, auf wesentliche, konkrete Fragen dieser Dringlichen Anfrage überhaupt nicht eingegangen sind. Aber vielleicht war das auch gut so, weil Sie entweder diesem Parlament dort, wo Sie konkret werden, absichtlich nicht die wahren, konkreten Facts mitteilen oder weil Sie sie nicht kennen.


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Ich möchte einen der wenigen Punkte ansprechen, auf den Sie zwar konkret geantwortet haben, gleichzeitig die Antwort aber dazu benutzt haben, die frühere Regierung zu kritisieren, der Sie ja bekanntlicherweise auch angehört haben, wenn ich Ihrer Erinnerung nachhelfen darf.

Sie haben nämlich behauptet, dass die Abgabenquote im Jahr 1997 mit 46,5 Prozent die höchste gewesen sei. – Ich bin eigentlich immer davon ausgegangen, dass Sie die hervorragenden Unterlagen des Bundesfinanzministers lesen, die ja auch diesem Hause vorliegen. Ihnen könnten Sie entnehmen, und zwar im Arbeitsbehelf zum laufenden Budget auf Seite 279:

Die Steuer- und Abgabenquote betrug im Jahr 1997 44,8 Prozent – nicht 46,5 Prozent, wie Sie gesagt haben –, später 44,5 Prozent, dann 43,6 Prozent, und jetzt haben wir nach der EU 47,1 Prozent. (Abg. Böhacker: Das ist unfair! Sie vergleichen Äpfel mit Birnen!) – Wir haben nach der eigenen Zählung 45,1 Prozent. (Abg. Böhacker: Das ist unfair!)

Das heißt, es ist richtig, dass wir jetzt die höchste Steuerquote in der Geschichte haben. Sie hätten, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Ihrer Übung treu bleiben und auch in dieser Frage nicht konkret antworten sollen, weil Sie ganz einfach die Fakten, die dieses Land in der Tat beschäftigen, nicht kennen. Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Klubobmann Dr. Khol hat von einer "Phantombilanz" gesprochen. Die Österreicher werden sich über diese Art "Phantombilanz" freuen. Die wirtschafts- und sozialpolitische Bilanz dieser Bundesregierung ist in der Tat erschreckend: Das Wirtschaftswachstum ist gedrittelt. Die Inflation hat sich vervierfacht. Die Steuern waren noch nie so hoch wie jetzt.

Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, kritisieren die Fakten betreffend die Stadt Wien. Wissen Sie – aber ich glaube, dass Sie das auch nicht wissen, daher sage ich es Ihnen –, dass diese Budgetkonsolidierung das Budget der Stadt Wien jährlich 5 Milliarden Schilling kostet? – Da diese Stadt nach wie vor zu einer der sozialsten Städte gehört, sind Nachjustierungen notwendig, weil Sie versuchen, die soziale Dimension nicht nur in Österreich, sondern auch in einer der sozialsten Städte Europas zu zerstören. Das möchte ich Ihnen auch in aller Deutlichkeit gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben nicht nur die höchste Steuerquote, sondern betreiben auch massiven Sozialabbau. Die Arbeitslosigkeit steigt massiv. – Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Auf einen Punkt möchte ich auch aufmerksam machen: Erstmals seit 1993 geht die Zahl der Arbeitsplätze in Österreich zurück. Die Zahl der Beschäftigten sinkt nach den Prognosen, die wir für das Jahr 2002 haben. Das sind die Fakten! Das ist keine Phantombilanz, Herr Klubobmann Khol! Das ist ganz einfach eiskalte Politik, die Sie gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen in diesem Lande betreiben. Und das ist Gegenstand der Debatte, die wir hier führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist richtig – und kein Mensch macht Ihnen diesbezügliche Vorwürfe –, dass Sie im Hinblick auf die rezessiven Erscheinungen, die wir derzeit weltweit bemerken, nicht allein Schuld haben. Aber es ist interessant, dass überall, also nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten, gegengesteuert wird. Sie aber haben monatelang darüber diskutiert – ich zitiere verschiedene Aussagen von Ihnen –, ob es sich um ein "Flaute auf hohem Niveau" (Abg. Mag. Schweitzer: Zitieren Sie bitte richtig!), um eine "krisenhafte temporäre Erscheinung", was auch immer das sein möge, oder um eine "Wachstumsdelle" handelt.

Wahr ist, dass Sie zugeschaut haben. Man weiß bereits seit Mai, dass die wirtschaftliche Situation schlechter wird, und Sie haben nicht gegengesteuert. Und das werfe ich Ihnen extrem und massiv vor. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie erzählen dem Nationalrat immer, wie wir in der Europäischen Union gelobt werden. Wir werden in der Europäischen Union angeblich nichts anderes als gelobt. Es ist interessant, wie differenziert Ihr Mitteilungsbedürfnis ist. Herr Staatssekretär Finz hat gesagt, er werde für die Budgetkonsolidierung gelobt. Im jüngsten Bericht der EU-Kommission steht aber:

Die Budgetpolitik der österreichischen Regierung schränkt die private und öffentliche Nachfrage ein. Die Kaufkraft ist durch die Steuermaßnahmen und die hohe Inflation erdrückt worden.


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Durch die Budgetpolitik stürzen die Bauinvestitionen ab. Dadurch werden auch die Ausrüstungsinvestitionen und die Exporte zurückgehen.

Die Lohnabschlüsse waren moderat, daher ist auch das reale Einkommen in Österreich als einem der wenigen Länder in der Europäischen Union rückläufig. Die Beschäftigung stagniert. (Abg. Mag. Schweitzer: Ihnen glaubt man nicht mehr!) Die Arbeitslosigkeit steigt, und die Steuerquote beträgt 47,1 Prozent.

Das ist die Qualifikation der Europäischen Union, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist das Spiegelbild der unsozialen Politik, die Sie den Österreicherinnen und Österreichern verordnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun kommt in dieser Diskussion dazu, dass Sie all die Bemühungen, nämlich die Chancenwahrnehmung, die durch eine Erweiterung der Europäischen Union faktisch für unser Land möglich wäre, massiv beeinträchtigen – massiv beeinträchtigen durch irritative Bemerkungen in der Öffentlichkeit, gemacht von einem Teil dieser Regierung, die uns alles andere als Freunde in Osteuropa schafft. Die Osteuropäer werden uns diese Art und Weise des Umgangs mit ihnen nicht verzeihen, das können Sie auf Ihren Heftseiten eintragen.

Aus diesem Grunde bringe ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Rudolf Edlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die konsequente Unterstützung des Erweiterungsprozesses der Europäischen Union ein, in dem es heißt:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Erweiterungsprozess konsequent zu unterstützen und ein einheitliches Auftreten der Bundesregierung zu garantieren.

Die Bundesregierung wird ersucht, diese Frage nicht mit Vetodrohungen zu verknüpfen, sondern auf der Basis konstruktiver Verhandlungen auf einvernehmliche Lösungen hinzuarbeiten.

Ich bitte Sie um Folgendes, sehr geehrter Herr Bundeskanzler: Machen Sie Ihren Einfluss, falls Sie einen solchen haben, auf Ihren Regierungspartner geltend, damit wir Österreich als jenes Land im Herzen Europas positionieren können, das ein Herz nicht nur für die Menschen in seinem Land, sondern darüber hinaus auch für andere hat, denn letztendlich werden die Erträge dieser Erweiterung gerade unserem Land im Herzen Europas in wesentlichem Maße zugute kommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag betreffend den Erweiterungsprozess, auf den sich Herr Abgeordneter Edlinger bezogen hat, ist genügend unterstützt. Er wird verteilt werden und steht mit in Verhandlung.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Caspar Einem, Rudolf Edlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die konsequente Unterstützung des Erweiterungsprozesses der Europäischen Union, eingebracht im Zuge der Dringlichen Anfrage betreffend die Regierungskrise zum Schaden Österreichs

Die Erweiterung der Europäischen Union ist eine der größten Herausforderungen Europas am Beginn des 21. Jahrhunderts. Sie bietet die Chance der endgültigen Überwindung der Teilung Europas, der Sicherung von Frieden und Stabilität und der Entwicklung eines gemeinsamen Europas im Interesse der Menschen. Die Verhandlungen der Europäischen Union mit einigen Beitrittskandidaten treten nun – mit Beginn der spanischen EU-Präsidentschaft – in eine entscheidende Phase. Es ist daher notwendig, die inhaltlichen Voraussetzungen für das Gelingen der EU-Erweiterung zu schaffen. Um das Projekt der Erweiterung mit der vollen Zustimmung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger verwirklichen zu können, bedarf es einer Reihe von Vorbereitungen auf nationaler und auf europäischer Ebene. Die Bürgerinnen und Bürger müssen selbst sehen und spüren können, dass ein größeres geeintes Europa für sie nicht eine


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zusätzliche Unwägbarkeit, in manchem vielleicht sogar ein Risiko, sondern eine zusätzliche Chance ist. Zur Schaffung eines gemeinsamen Europas – eines Europas im Interesse der Menschen, des Friedens, der sozialen Sicherheit, der Arbeit, der nachhaltigen Wirtschaft und des sozialen Dialogs bedarf es in der Europäischen Union und seitens ihrer Mitgliedstaaten intensiver Vorbereitungen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert im Sinne der Präambel ihres Regierungsübereinkommens, den Erweiterungsprozess der Europäischen Union konsequent zu unterstützen und durch ein einheitliches Auftreten der Bundesregierung in dieser Frage die Glaubwürdigkeit Österreichs und das Engagement für ein geeintes Europa zu unterstreichen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vorbereitung Österreichs auf die Erweiterung zu einem Schwerpunkt ihrer Regierungstätigkeit zu machen, damit die Chancen, die für Österreich in der politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas liegen, bestmöglich genutzt werden können. Eine intensive und sorgfältige Vorbereitung auf die Erweiterung ist die Voraussetzung dafür, dass dieses für Europa so wichtige Projekt auch in der Bevölkerung breite Zustimmung findet. Im Mittelpunkt der innerstaatlichen Vorbereitung sollen eine Qualifizierungsoffensive für ArbeitnehmerInnen, Maßnahmen gegen das Dumping am Arbeitsmarkt, die Förderung grenzüberschreitender Wachstumszonen sowie ein Verkehrs-Infrastrukturpaket im Interesse Österreichs liegen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Interessen Österreichs in den Erweiterungsverhandlungen konstruktiv und mit Nachdruck einzubringen und im Vorfeld die Unterstützung anderer Mitgliedstaaten zu suchen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, ihre Bemühungen fortzusetzen, mit dem Erweiterungsprozess der Europäischen Union den europäischen Rechtsraum zur Sicherung von Frieden, von Stabilität, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schrittweise auszudehnen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Ausbau der Rechtsgrundlagen und die aktive Implementierung des Minderheitenschutzes in allen europäischen Staaten zu fördern.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, weiterhin im Sinne der vom Nationalrat gefassten Entschließung vom 19. Mai 1999 in Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten und den Institutionen der Europäischen Union auf die Aufhebung von fortbestehenden Gesetzen und Dekreten aus den Jahren 1945 und 1946, die sich auf die Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen Tschechoslowakei und im ehemaligen Jugoslawien beziehen, hinzuwirken.

Die Bundesregierung wird ersucht, diese Frage nicht mit Vetodrohungen zu verknüpfen, sondern auf der Basis konstruktiver Verhandlungen auf einvernehmliche Lösungen hinzuarbeiten.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Böhacker. Ich bitte, zu beachten: zu berichtigender Sachverhalt und tatsächlicher Sachverhalt. – Bitte.

16.47

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Abgeordneter Edlinger hat aus den Unterlagen des Finanzministeriums die Steuer- und Abgabenquote der Jahre 1997 und 1999 vorgelesen und gleichzeitig die vergleich


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bare Steuer- und Abgabenquote für 2001 mit 47 Prozent bezeichnet. – Das ist unrichtig! (Abg. Edlinger: Nein, das habe ich nicht!)

Wahr ist vielmehr, dass Sie einerseits die österreichische Berechnungsmethode und andererseits hinsichtlich des Jahres 2001 die europäische Berechnungsmethode angewandt haben. Nach vergleichbarer österreichischer Berechnungsmethode beträgt die Steuer- und Abgabenquote im Jahr 2001 45,5 Prozent. (Abg. Edlinger: Das habe ich gesagt!) Das ist nur ein "kleiner" Unterschied von1,5 Prozentpunkten oder 45 Milliarden Schilling. (Abg. Edlinger: Das habe ich gesagt!) So weit zu Ihrer Genauigkeit in Ihrer Budgetpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das habe ich gesagt! – Abg. Dietachmayr: Hast nicht aufgepasst! – Abg. Edlinger: Das habe ich gesagt! Es ist trotzdem die höchste Quote!)

16.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Böhacker und Kollege Edlinger werden das Stenographische Protokoll lesen, und dann werden sie die Wahrheit finden. Ich mische mich da nicht ein, was tatsächlich gesagt wurde.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.48

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Kollege Edlinger mit Zahlen nicht umgehen kann (Abg. Dr. Cap: Das kann er!), das hat er leider Gottes zum Schaden der österreichischen Bevölkerung bereits als Finanzminister bewiesen und das hat er mit seinen heutigen Ausführungen bewiesen.

Herr Kollege Edlinger! Es liegt mir ein Brief von der Österreichischen Gesellschaft für Marketing vor (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt wird es gut!), gerichtet an unseren Klubobmann Peter Westenthaler. Darin schreibt der unterzeichnete Wolfgang Bachmayer unter dem Titel "Richtigstellung von OGM-Umfrage, in heutiger Parlamentsdebatte verwendet vom Abgeordneten Edlinger": In der heutigen Parlamentsdebatte wurde von Rudolf Edlinger eine im aktuellen "Format" publizierte OGM-Umfrage in folgender Form zitiert: 72 Prozent der Österreicher halten die blau-schwarze Wirtschaftspolitik für katastrophal. Wir, so Bachmayer, möchten die so verwendeten Zahlen richtig stellen. Die OGM-Umfrage sagt aus (Abg. Edlinger: Das waren nur die opinion leader!), dass – Herr Kollege Edlinger! – 44 Prozent der Österreicher mit der Wirtschaftspolitik sehr zufrieden sind. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.) Die von Nationalrat Edlinger zitierten Zahlen beziehen sich demnach nicht auf die Meinung der Sichtweise der österreichischen Bevölkerung. (Abg. Edlinger: Sagen Sie den zweiten Absatz des Briefes!)

Herr Kollege Edlinger! Da haben wir einmal mehr den Nachweis dafür, dass Sie es mit Zahlen nicht so genau nehmen (Abg. Edlinger: Nein, nein!), und leider Gottes hat das sehr viele Probleme für die österreichische Bevölkerung gebracht. (Abg. Edlinger: Warum lesen Sie den Brief nicht ganz vor, Herr Schweitzer? Den zweiten Absatz!) Ich bin – so wie die meisten Österreicher und Österreicherinnen – sehr froh darüber, dass Sie nicht mehr der Säckelwart der Nation sind. Sie haben ein viel zu großes Loch in diesem Säckel gehabt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Edlinger! (Abg. Ing. Westenthaler: Er hat die Unwahrheit gesagt!) Diese Bundesregierung hat trotz der Ausgangsposition, die Sie hinterlassen haben – und das war eine denkbar schlechte –, eine hervorragende Halbzeitbilanz vorzuweisen. Trotz der Prügel (Abg. Edlinger: Euphorisch!), die uns Ihr seinerzeitiger Parteivorsitzender Klima vor etwa zwei Jahren gemeinsam mit Gusenbauer und Van der Bellen in der Zeit der Sanktionen zwischen die Beine geworfen hat, trotz der Terroranschläge, die es dann gegeben hat, trotz der BSE-Krise, trotz der schlechten internationalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben wir eine Halbzeitbilanz aufzuweisen, die nicht nur respektabel, sondern auch perfekt und herzeigenswert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Kollege Edlinger, wie sieht es in Österreich tatsächlich aus? (Abg. Edlinger: Grauslich für die Menschen!) – In Österreich sind die arbeitsmarktpolitischen EU-Vorgaben für das Jahr 2010 bereits heute beinahe erreicht. Die Gesamtbeschäftigung liegt bereits bei knapp unter 70 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. (Abg. Edlinger: Das war sie schon vorher!) Der Frauenanteil liegt bei fast 60 Prozent, Herr Kollege Edlinger, und zwar dank dieser Reformregierung! (Abg. Edlinger: Das war sie schon 1997! 1997 69 Prozent!)

Sie erzählen Dinge, die nicht den Tatsachen entsprechen. Der Bundeskanzler hat Sie schon in vielen Fragen korrigiert. (Abg. Edlinger: Mit falschen Zahlen!) In Österreich hat es noch nie so viel arbeitende Menschen gegeben wie heute. Jeder sagt Österreich – auch in Zeiten, in denen die internationalen Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum nicht besonders gut sind – Wachstum voraus. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Voraussagen für das Jahr 2002 liegen zwischen 1,2 und 1,5 Prozent.

Herr Kollege Edlinger! Wenn wir die Zahlen jener Zeit, in der Sie noch Verantwortung getragen haben, mit den Zahlen der Zeit, in der eine neue, eine Reformregierung Verantwortung trägt, vergleichen, können wir sagen: Die Zahlen sprechen eindeutig gegen Sie und eindeutig für diese Bundesregierung, und zwar egal, ob es sich dabei um den Vergleich des Bruttoinlandsproduktes handelt, ob es um den privaten Konsum geht, ob es um die Investitionen, um die Warenexporte, um die Masseneinkommen nach Steuern geht oder um Unternehmungsgründungen. Herr Kollege Edlinger! In jedem Bereich sprechen die Zahlen gegen Sie, in jedem Bereich sprechen die Zahlen für diese Bundesregierung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deshalb sollten wir froh darüber sein, dass es diese Reformregierung gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Reformregierung hat innerhalb kürzester Zeit Dinge erledigt, die Sie auf die lange Bank geschoben haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wir haben international herzeigbare Erfolge wie die Restitutions- und die Entschädigungszahlungen. International herzeigbar ist auch die Verwaltungsreform, die 21 Milliarden Schilling an Einsparungen bringen wird. International herzeigbar ist das seit 1. Jänner 2002 ausbezahlte Kindergeld, und international mehr als respektabel ist das sehr schnelle Erreichen des Nulldefizits auf Grund einer Finanzpolitik eines Finanzministers Grasser, der trotz der Ausgangsposition, die Sie ihm hinterlassen haben, innerhalb kürzester Zeit den Staatshaushalt in Ordnung bringen konnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat größeren Schaden, der bei Fortsetzung Ihrer Politik entstanden wäre, abgewehrt. Deshalb muss ich Kollegen Gusenbauer, der schon rechtzeitig erkannt hat, dass diese Dringliche ein Schuss ins Knie wird, und deshalb den Saal verlassen hat, noch ein Zitat nachschicken – ich hoffe, er hört es. Offensichtlich ist er mit dem Motto angetreten – es stammt vom Fußballplatz, Kollege Edlinger –: Wenn wir hier schon nichts gewinnen können, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt! – Aber nicht einmal das ist Ihnen gelungen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident!)

16.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Westenthaler zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.54

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Da von der antragstellenden Partei nur mehr vielleicht ein Achtel bis ein Zehntel der Abgeordneten im Saal sind und vor allem der Antragsteller der Dringlichen Anfrage, Herr Dr. Gusenbauer, überhaupt nicht mehr beziehungsweise erst jetzt wieder den Saal betritt, sollten wir in der nächsten Präsidialsitzung tatsächlich die Frage diskutieren, wie man den Antragsteller einer Dringlichen Anfrage dazu verpflichten kann, dass er zumindest den Ausführungen der Debatte, die er vom Zaun gebrochen hat, zuhört und nicht den Saal verlässt. Genauso wie man bei einem Minister einen Antrag auf "Herbeischaffung", wie es so schön heißt, stellen kann, sollte man, bin ich der Meinung, einen Rechtsbestand überlegen, wie man den Antrag


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steller "herbeischaffen" kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Mit Mehrheit natürlich!)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Westenthaler! Es steht jedermann frei, jedes Thema in der Präsidiale zur Sprache zu bringen. In der heutigen Sitzung wird selbstverständlich die geltende Geschäftsordnung angewendet, und nach dieser kommt jetzt Frau Dr. Rauch-Kallat zu Wort. (Ruf: Dr. Cap hat sich zu Wort gemeldet!) – Bitte entschuldigen Sie, das habe ich übersehen. Herr Klubobmann! Wollten Sie zur Geschäftsbehandlung das Wort? – Bitte, Herr Abgeordneter Cap! (Abg. Ing. Westenthaler: Kollege Cap will uns sagen, wo alle Abgeordneten sind!)

16.55

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich wollte die Wortmeldung des Klubobmannes Westenthaler kurz relativieren. Wir können in der Präsidiale natürlich über alles reden, aber wie Sie selbst gemerkt haben, sitzt der Klubobmann hier. Er war die ganze Zeit über da. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist gerade hereingekommen!) Ich verstehe das nicht. Leiden Sie an Realitätsverlust, denn ich meine, mehr als anwesend kann man nicht sein? Das war eine überflüssige Wortmeldung Ihrerseits. (Beifall bei der SPÖ.)

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Rauch-Kallat zu Wort. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Leere Bankreihen bei der SPÖ!)

16.56

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, dass Herr Abgeordneter Cap jetzt hier ist und hoffentlich auch zuhört. Ich möchte nämlich vor meinen eigentlichen Ausführungen ganz kurz etwas sagen, was mich sehr betroffen gemacht hat.

Vor knapp einem Jahr hat es einen Aufschrei in diesem Land gegeben – völlig zu Recht –, als nach der Aschermittwochrede des Kärntner Landeshauptmannes eine Verballhornung des Namens von Ariel Muzicant bekannt geworden ist. Es ist eine Diskussion darüber geführt worden, dass das eine der subtilen Methoden des Nationalsozialismus sei. Herr Kollege Cap! Aber dass Sie als Klubobmann der SPÖ hier in diesem Haus von diesem Pult aus zum Bundeskanzler "Verschüsselung" sagen, dass die SPÖ dazu noch johlt und applaudiert, dass der sonst sehr gerechte und sensible Präsident des Nationalrates dafür keinen Ordnungsruf verhängt, das hat mich als sensible Nachgeborene sehr betroffen gemacht, Herr Kollege Cap! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Pilz: Ich hoffe, es verraucht wieder!)

Herr Kollege Cap! Ich habe manchmal den Eindruck, auch bei den Medien – gut, dass Sie darauf hinweisen –, dass in diesem Land political correctness mit zweierlei Maß gemessen wird, und das haben wir nicht notwendig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte Sie genauso wie die Medien daher sehr herzlich ersuchen, diese Sensibilität auch in Zukunft an den Tag zu legen und mit der normalen, üblichen political correctness vorzugehen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Doch jetzt zu Ihrer Dringlichen Anfrage: Noch nie während meiner fast zwanzigjährigen parlamentarischen Erfahrung habe ich erlebt, dass eine Oppositionspartei einer Regierungspartei den Elfmeter so liebevoll aufgelegt und dann auch noch artig das Tor verlassen hat, wie Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, dies heute getan haben, um beim Fußball-Vergleich des Herrn Kollegen Schweitzer zu bleiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Vorsitzender Gusenbauer! (Abg. Dr. Khol: Er zeigt dir den Rücken!) – Ja. Ich möchte mich auch bei Ihnen ganz artig bedanken, Herr Gusenbauer (Abg. Ing. Westenthaler: Gusenbauer! Ellmayer!), dass Sie mir die Gelegenheit geben (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen), dem Hohen Haus, seinen Besuchern auf der Galerie und einer interessierten Öffentlichkeit – leider sind die Medienvertreter jetzt in die Redaktionen entschwunden, weil sie schrei


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ben müssen – darzulegen, wie die Alternative zu dieser Bundesregierung, wie der von der SPÖ propagierte Kurswechsel tatsächlich aussieht.

Ich will Ihnen gerne den Spiegel vor das Gesicht Ihrer eigenen Politik halten, wenn Sie schon in nahezu masochistischer Manier so dringlich danach verlangen, denn die ältere und neuere Geschichte Ihrer Politik muss Sie immer wieder – so auch heute – einholen. Herr Kollege Gusenbauer! Sie kritisieren die Wirtschaftspolitik dieser Regierung und verlangen den Kurswechsel. Wie sieht denn die Alternative der SPÖ, der Kurswechsel zurück in die Schuldenzeit, aus?

Hohes Haus! Dazu eine Frage: Hat es in den letzten 30 Jahren, also seit 1970, in Österreich Jahre mit echter Rezession gegeben, also Jahre, in denen ein Minus vor den Zahlen des BIP stand? – Sagen Sie bitte nicht, dass diese Frage unwichtig wäre, denn es geht dabei um die Beurteilung der Zuverlässigkeit der österreichischen Wirtschaftspolitik. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ja, richtig!)

Ich gebe Ihnen sicherheitshalber auch gleich die Antwort auf diese Frage (Abg. Dr. Gusenbauer: Die falsche wahrscheinlich!): Ja, meine Damen und Herren, es hat seit 1970, also in den letzten 30 Jahren, dreimal ein negatives Wachstum gegeben, und zwar in den Jahren 1974, 1978 und 1981! Das waren – nicht ganz zufällig! – die Jahre der SPÖ-Alleinregierung unter Kreisky und Androsch.

Die letzten drei Rezessionen hat Österreich immer nur dann erlebt, wenn die SPÖ allein und ohne korrigierenden Partner Verantwortung für dieses Land getragen hat. Und damit Sie nicht nachzuschauen brauchen, meine Damen und Herren von der SPÖ ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Das schmerzt! So ein Blödsinn ist noch nicht gesagt worden!) Das ist nachzulesen, Herr Gusenbauer, ich weiß, dass es Sie schmerzt. Ich verstehe ja, dass es Sie schmerzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Was Sie erzählen, ist ein Schwachsinn!)

Damit Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, nicht nachzuschauen brauchen (Abg. Dr. Gusenbauer: Unglaublicher Unsinn!), ob dies damals globale Rezessionen waren, die Österreich mitgerissen haben, gebe ich Ihnen gleich auch auf diese Frage die Antwort: Nein, in diesen Jahren gab es keine internationalen Rezessionen. Diese Rezessionen waren in Österreich von der SPÖ hausgemacht. 1978 hatten wir in Österreich ein BIP von minus 0,4 Prozent, während unser Nachbar Deutschland ein sattes Wachstum von 3 Prozent verzeichnen konnte.

Das zu den sozialistischen Kreisky-Schuldenjahren, in denen alles angeblich so super war. Es ist daher mehr als eine Drohung, wenn sich Alfred Gusenbauer Bruno Kreisky zum Vorbild nimmt. Da kann ich nur frei nach Kreisky sagen: Lernen wir Geschichte, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Halten Sie die Österreicherinnen und Österreicher nicht für einfältig, die wissen genau, dass Sie nicht wirtschaften können – weder im Großen noch im Kleinen. Denken Sie an Ihre eigene Parteiorganisation. Die größte Wirtschaftspleite dieser Republik war die "Konsum"-Pleite: 5 Milliarden Schilling Schulden, 5 000 Arbeitsplätze verloren und eine Reihe von Anschlusskrediten, und dafür waren Sie mitverantwortlich, und zwar wesentlich.

Die Finanzen der SPÖ-Parteiorganisation weisen ja auch nicht gerade Überschüsse aus. (Abg. Dr. Gusenbauer: O ja!) 350 Millionen Schilling Schulden im Jahr 2000 (Abg. Murauer: Auch nicht gerade schwach!), sehr viel weniger werden es jetzt wohl auch nicht sein.

Oder: Haben Sie vielleicht schon vergessen, meine Damen und Herren von der SPÖ (Abg. Dr. Gusenbauer: Gar nichts haben wir vergessen!), dass es 1995 darum ging, dass wir Österreicher beim Euro mit dabei sind, und dass Ihnen die ÖVP damals – unter einem Finanzminister Staribacher – Neuwahlen aufzwingen musste, damit wir diese Jahrhundertchance für Österreich nicht verspielen?!


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Aber das haben Sie mit Ihren sozialdemokratischen Freunden in Deutschland gemeinsam, denn dort hat die rot-grüne Regierung gerade einen "blauen Brief" aus Brüssel bekommen, weil Ihr Freund, SPD-Finanzminister Eichel, die Euro-Kriterien in Deutschland nicht erfüllen kann.

So schaut es aus mit der rot-grünen Wirtschaftskompetenz in Österreich und in Deutschland (Abg. Edlinger: Der macht dieselbe Politik wie ihr! – Abg. Dr. Gusenbauer: Und der Stoiber verlangt eine höhere Verschuldung!): Schulden machen, Schulden machen und noch einmal Schulden machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: So etwas Letztklassiges habe ich selten gehört!)

Es bleibt nur zu hoffen, meine Damen und Herren – damit komme ich schon zum Schluss –, dass die Österreicherinnen und Österreicher nicht auf den Ruf der SPÖ hören, die für Österreich einen großen Kurswechsel verlangt, denn der Kurswechsel der SPÖ bedeutet einen Zickzackkurs, ist ein Kurswechsel zurück zum Land der Schulden, ein Kurswechsel zu einer kalten Familienpolitik, die den Müttern und Vätern das Kindergeld nicht gönnt (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel )  – Frau Abgeordnete Mertel und Herr Gusenbauer haben es gerade überholt. Das ist soziale Kälte und ein Kurswechsel zurück zu einer Politik, die nicht den Mut hat zu reformieren, um damit den Menschen in diesem Land die notwendige Sicherheit für die Zukunft zu geben.

Meine Damen und Herren! Dazu kann ich nur sagen: Rot-Grün für Österreich – nein, danke! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Frau Kollegin Rauch-Kallat bitte ich, so lieb zu sein, ganz kurz zu mir zu kommen.

Bitte, Frau Abgeordnete Stoisits.

17.05

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schade, dass Frau Kollegin Rauch-Kallat jetzt mit Ihnen, Herr Präsident, beschäftigt ist, denn auch ich wollte meine Worte an sie richten. (Abg. Donabauer: Sie ist eben gut! – Heiterkeit.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man von "political correctness" spricht – ich nenne es nicht "political correctness", sondern ich sage, es ist menschlicher Anstand, um den es sich hier handelt – und sagt, dass, wenn jemand wie Herr Abgeordneter Gusenbauer heute das Wort "verschüsseln" verwendet – das war offenkundig hier gemeint (Abg. Dr. Gusenbauer: Cap!) – Cap, nicht Gusenbauer, Entschuldigung –, mit zweierlei Maß gemessen wird – nämlich im Vergleich zu Haiders Ariel-Muzicant-Aussage –, und dann sagt, man sei zutiefst getroffen, dann muss ich dem Folgendes entgegenhalten:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin zutiefst betroffen (Abg. Dr. Krüger: Darum hast du so gelacht ...!) vom Verständnis der Generalsekretärin einer Partei, die heute hier durch diese Stellungnahme Aussagen des Landeshauptmannes von Kärnten, die antisemitisch waren, relativiert. Das, was der Herr Landeshauptmann von Kärnten in Bezug auf den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde gesagt hat, hat überhaupt nichts mit political correctness zu tun, sondern das war purer Antisemitismus! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das relativiert nämlich alles, wenn sie es tatsächlich so versteht, denn das geht dann sogar so weit, dass ich, Frau Kollegin Rauch-Kallat, wenn mein Zorn auf die ÖVP groß ist, auch nicht mehr sagen dürfte, dass er "verraucht", weil Sie "Rauch", Rauch-Kallat, heißen!

Diese Art der Interpretation, die Sie geliefert haben, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, nennt man in der Geschichtswissenschaft "Revisionismus", wenn man sich mit der Art und Weise, wie Dinge dargestellt werden, beschäftigt. Über diese Verniedlichung und diese Vereinfachung sollten Sie nachdenken! Loyalität gegenüber einem Parteiobmann und Bundeskanzler in allen


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Ehren, aber sie kann auch zu weit gehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich komme jetzt zur Sache des heutigen Nachmittags. – Der Herr Bundeskanzler ist erfreulicherweise noch hier (Abg. Rauch-Kallat: Der ist immer da!), üblicherweise ist er ja, wenn ich in der zweiten Runde spreche, schon weg. Es freut mich, dass er hier ist und Herr Staatssekretär Morak nicht sozusagen als Träger der Botschaften fungieren muss.

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute mehrfach davon gesprochen, wie wesentlich Ihnen die Leistungen, die die Regierung in den letzten beiden Jahren erbracht hat, sind. Erlauben Sie mir, meine Einschätzung, wenn man das in Neudeutsch sagt, der Performance der Bundesregierung darzulegen, zu sagen, wie ich sie zusammenfassen möchte: Vor fast genau zwei Jahren, am 4. Feber, war ich am Ballhausplatz und habe gehofft, Sie zu sehen, wenn Sie zum Herrn Bundespräsidenten gehen. Dieser Anblick war mir nicht vergönnt, denn Sie sind unterirdisch zum Herrn Bundespräsidenten gegangen. Ihre Regierungsperiode hat also unterirdisch begonnen. (Abg. Schwemlein: Untergrund!)

Ich gebe zu: Sie sind letztes Jahr aufgetaucht. Das erste Jubiläum haben Sie wahrlich an der Oberfläche verbracht. Aber wenn ich heute, etwa um die Zeit des Zweijahresjubiläums, die Dinge betrachte, muss ich nach dem, was Sie heute in Ihrer über 30 Minuten langen Rede geboten haben, sagen: Sie haben sich wieder verkrochen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Sie haben sich wahrlich wieder verkrochen im Sinne dieses Wortes. (Abg. Mag. Kukacka: Selektive Wahrnehmung!) Das, was Sie, Herr Bundeskanzler, gesagt haben, hat alles gehabt, nur nicht Substanz.

Ich beziehe mich jetzt auf einen Teilbereich – ich kann in den paar Minuten nicht alles streifen (Abg. Dr. Khol: Gott sei Dank!)  –, nämlich darauf, wie Sie heute zum Stichwort "Verteidigung des Rechtsstaates" Stellung genommen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann doch niemand hier meinen, es wäre eine adäquate Antwort, wenn man sagt: Wir stehen zu unserem Verfassungsprinzip, wir sind für Gewaltentrennung und wir sind auch für die Verfassungsgerichtsbarkeit!, nämlich eine adäquate Antwort auf die Anwürfe, Diffamierungen, um es drastisch zu sagen, das In-Frage-Stellen und In-den-Dreck-Ziehen des Rechtsstaates der letzten Wochen, was durch namhafte Repräsentanten österreichischer Gebietskörperschaften geschehen ist. Herr Bundeskanzler! Es fehlt mir daher wahrlich das Verständnis dafür, dass Sie meinen, einen Anlass zu dieser Selbstbelobigung, wie wir sie heute gehört haben, zu haben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Es ist unterirdisch, dann zu schweigen, wenn in dieser Republik von einem vorverlegten Faschingsscherz gesprochen wird, wenn es um ein Erkenntnis des Höchstgerichtes geht, wenn wiederholt die Forderung aufgestellt wird, den Verfassungsgerichtshof "zurechtzustutzen", wenn Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes diffamiert werden, wenn sie als "politisch korrumpiert" bezeichnet werden. Anders kann ich es nicht bezeichnen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Mit den Freiheitlichen habe ich wenig gemeinsam (Ruf bei den Freiheitlichen: Gott sei Dank!), mit ihren Repräsentanten zum Teil noch weniger. Aber Sie, Herr Bundeskanzler – ich habe das schon oft gesagt –, sind auch mein Bundeskanzler, weil ich Bürgerin dieses Staates bin. (Abg. Mag. Kukacka: Sehr richtig!) Jörg Haider ist, Gott sei Dank, nicht mein Landeshauptmann, da ich nicht Kärntnerin, sondern Burgenländerin bin. Ich bedauere die Kolleginnen und Kollegen speziell von der SPÖ, die Kärntner Abgeordnete sind. (Abg. Dr. Mertel: Genau! Danke!)

Ich möchte daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Frage des Umgangs mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes meine restliche Redezeit widmen. Und in diesem Zusammenhang liegt die Verantwortung wahrlich verstreut über dieses Haus und über die Parteien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist auch Inhalt des inzwischen abgegebenen Entschließungsantrages, Herr Präsident, der, wie ich hoffe, noch verteilt werden wird – das wurde


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jedenfalls zugesagt –, in dem wir die Bundesregierung auffordern, dem Nationalrat unverzüglich die entsprechenden Novellierungsvorschläge im Geiste des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zum Volksgruppengesetz vorzulegen.

Aber das ist nicht die einzige Crux hinsichtlich der politischen Diskussion betreffend Volksgruppen in Österreich. Es bestehen Topographieverordnungen für Kärnten – sie stammen aus dem Jahre 1976 und werden seit 1976 missachtet! Also nicht nur vom jetzigen Landeshauptmann (Abg. Gaugg: Was geht Sie als Burgenländerin das an?! Was interessiert Sie das schöne Land Kärnten, wenn Sie im Burgenland zu Hause sind?!), sondern auch von allen vorhergegangenen Landeshauptmännern in Kärnten, nicht nur von dieser Bundesregierung, die keine Schritte setzt, sondern auch von den vorhergegangenen Bundesregierungen.

Auch die SPÖ hat hier offensichtlich das Problem, mit gespaltener Zunge sprechen zu müssen. Ich frage mich manchmal wirklich: Wo hört die SPÖ-Welt des Kollegen Gusenbauer auf, an der Pack oder im Lavanttal oder dort, wo das zweisprachige Gebiet ist? Es sind die SPÖ-Bürgermeister in Kärnten, in deren Gemeinden die zweisprachigen Ortstafeln fehlen – 24 an der Zahl; eine einzige davon in einer Gemeinde, in der kein sozialdemokratischer Bürgermeister ist. Diese Ortstafeln fehlen, und da wird täglich Gesetzesbruch begangen. Die Verfassungskundigen wissen, wie schwierig, ja geradezu unmöglich es ist, dagegen vorzugehen, wenn die Repräsentanten des Staates nicht handeln.

Wenn dann Volksgruppenvertreter wie im Fall des neuen Erkenntnisses agieren, dann werden sie ausgegrenzt, ausgegrenzt von den Parteien, ausgegrenzt von den Repräsentanten, und zur Seite geschoben, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Bundeskanzler! Welche Aussagen haben Sie getroffen, als bekannt wurde, dass die Freiheitliche Partei in Kärnten pauschal gegen die Volksgruppe hetzt mit ihrer Kampagne für ein Volksbegehren in Kärnten (Abg. Gaugg: Jetzt ist es aber genug!), wo es um die Frage geht: Soll die Kärntner Landesregierung einer Ausweitung der Zahl zweisprachiger Ortstafeln auf Grundlage des Erkenntnisses zustimmen? – Wissen Sie, was das im Klartext heißt? Das ist ein Aufruf zum Gesetzesbruch!

Warum schweigen Sie dazu, Herr Bundeskanzler (Abg. Dr. Stummvoll: Redezeit!), wenn es Ihnen – und jetzt nehme ich Sie wieder wörtlich – um das Miteinander und – wie Sie heute hier gesagt haben – das Gemeinsame geht? Ich vermisse es, Herr Bundeskanzler! Sie sind nämlich im Gegensatz zu den Volksgruppenangehörigen kein einfacher Bürger dieses Landes, sondern Sie sind als Bundeskanzler dieses Landes Primus inter Pares, und deshalb: Sprechen Sie, bitte! Sprechen Sie zu jenen, die darauf warten, dass sie ihre Rechte nicht immer über Höchstgerichte einfordern, einklagen müssen, sondern die erwarten, dass ihre Vertreter sie auch umsetzen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag betreffend die Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses, auf den sich Kollegin Stoisits bezogen hat, ist genügend unterstützt, wird verteilt, steht in Verhandlung und wird abgestimmt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend unverzügliche Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses zu zweisprachigen Ortstafeln nach dem Volksgruppengesetz – eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage 3345/J (XXI. GP)

Mit Erkenntnis vom 13.12.2001 (G 213/01-18; V 62, 63/01-18) hat der Verfassungsgerichtshof u.a. Bestimmungen des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396, und der Topographie-Verordnung für Kärnten vom 31. Mai 1977, BGBl. 306, als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof argumentierte in seinem Urteil, daß die Voraussetzung eines Minderheitenanteils von 25 % für die Aufstellung von zweisprachigen topographischen Aufschriften dem Art. 7


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des Staatsvertrags von Wien widerspricht und daher verfassungswidrig ist. Für die Reparatur der aufgehobenen gesetzlichen Bestimmungen wurde dem Gesetzgeber und den in Betracht kommenden Verordnungsgebern eine Frist bis 31.12.2002 gewährt.

Allerdings sind selbst derzeit geltende Rechte der zweisprachigen Minderheit in Kärnten bis heute nicht umgesetzt: in 24 der 91 Kärntner Ortschaften, die in der Topographie-Verordnung der Bundesregierung aus dem Jahre 1977 (!) als zweisprachige Orte angeführt werden, fehlen bis heute zweisprachige Ortstafeln. Die Bürgermeister dieser Ortschaften, die mehrheitlich der SPÖ angehören, verletzen seit 1977 die Verordnung der Bundesregierung, indem sie die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln verweigern.

Aufgrund der parteipolitisch und minderheitenfeindlich motivierten Neuinszenierung des Ortstafelkonflikts seit der Veröffentlichung des Erkenntnisses, die insbesondere auf dem Rücken der zweisprachigen Minderheit in Kärnten ausgetragen wird, ist es notwendig, eine rasche Klärung der gesetzlichen Lage herbeizuführen, um Minderheitenrechte außer Streit zu stellen und lückenlos umzusetzen.

Die Bundesregierung hat nun die Möglichkeit – ohne die vom VfGH festgesetzte Maximalfrist zur Umsetzung seines Erkenntnisses auszuschöpfen –, durch unverzügliche Novellierung des Volksgruppengesetzes und den Erlass von neuen Topographie-Verordnungen, die verfassungskonform sind und internationalen Minderheitenschutzstandards entsprechen, ein unmißverständliches Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenrechten abzugeben und damit weiteren Schaden abzuwenden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1. dem Nationalrat unverzüglich eine dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis vom 13.12.2001 (G 213/01-18; V 62, 63/01.18) entsprechende Regierungsvorlage zur Novellierung des Volksgruppengesetzes (VGG) vorzulegen; die die Grundlage für die Änderung der sogenannten Topographie-Verordnungen für zweisprachige Ortstafeln bilden wird

2. sicherzustellen, daß nach den derzeit gültigen Topographie-Verordnungen fehlende zweisprachige Ortstafeln unverzüglich aufgestellt werden. Diese betreffen folgende Kärntner Ortschaften:

Kreuth/Rute

Werouzach/Verovce

Bodental/Poden

Loibltal/Brodi

Sturgarjach/Strugarji

Windisch Bleiberg/Slovenji Plajberg

Bach/Potok

Edling/Kajzeze

Großkleinberg/Mala gora

Lukowitz/Kovice


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Niederdörfl/Spodnja Vesca

Oberdörfl/Zvrhnja Vesca

Pugrad/Pograd

Rupertiberg/ Na Gori

Strein/Stranje

Zedras/Sodražava

Replach/Replje

Tschepitschach/Čepice

Draugegend/Pri Dravi

Hart/Breg

Heiligenstadt/Sveto mesto

Oberdorf/Gornja ves

Schwabegg/Žvabek

Unterdorf/Dolnja ves

3. sicherzustellen, daß nach dem Erlaß neuer Topographie-Verordnungen die vorgesehenen zusätzlichen zweisprachigen Ortstafeln unverzüglich aufgestellt werden

4. alle verfassungsrechtlichen Schritte gegen eine kompetenzwidrige Volksbefragung und Minderheitenfeststellung in Kärnten zu setzen.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. – Bitte.

17.15

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Rauch-Kallat, Sie haben von drei Rezessionen, die es seit 1970 in Österreich gegeben hat, gesprochen. Sie haben sich allerdings einigermaßen in den Jahreszahlen geirrt. Das ist der erste Punkt.

Zweitens haben Sie, Frau Kollegin, vergessen, dazuzusagen, welche Auswirkungen diese drei Rezessionen seit den siebziger Jahren in Österreich hatten und welche Auswirkungen die heutige Rezession hat. (Abg. Rauch-Kallat: 1 700 Milliarden Schulden! 60 000 Arbeitsplätze vernichtet bei der verstaatlichten Industrie!)

Damals hat es keinen eklatanten Anstieg der Arbeitslosigkeit gegeben, wie wir ihn heute haben, und damals ist die Inflationsrate nicht explodiert, wie das jedoch heute der Fall ist, Frau Kollegin, weil politisch gegengesteuert wurde. Heute wird nichts getan! Es werden nicht einmal Dringliche Anfragen in diesem Haus von diesem Bundeskanzler beantwortet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rauch-Kallat: 60 000 Arbeitsplätze vernichtet bei der verstaatlichten Industrie!)

Frau Kollegin Rauch-Kallat, Ihre Vergangenheits-Verliebtheit ist unerträglich. Und wissen Sie, warum diese Vergangenheits-Verliebtheit so unerträglich ist? (Abg. Rauch-Kallat: 1 700 Milliarden Schilling Schulden!) Weil sich die Bevölkerung von einer Regierung erwartet, dass sie die Fragen der Gegenwart und die Probleme der Gegenwart und der Zukunft löst (Abg. Rauch-Kallat: Endlich tut das eine Regierung!), dass sie Problemlösungen anbietet. Was machen Sie? – Es gibt keine einzige konkrete Problemlösung, Sie bescheren durch Ihre Politik der Be


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völkerung tagtäglich nur zusätzliche Probleme. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rauch-Kallat: Sie sprechen von der SPÖ! – Abg. Neudeck: Und die Hypothek aus der Vergangenheit!)

Diese zwei Jahre der blau-schwarzen Koalition, für die Sie verantwortlich sind, haben bedeutet, dass über die Interessen der Bevölkerung, der Frauen, der Arbeitnehmer, Herr Khol, vor allem aber über die Interessen der Familien in Österreich, schlicht und einfach hinwegregiert wurde. Es ist eine Schadensbilanz mit einem verheerenden Ausmaß, die heute hier zu ziehen ist.

Sie haben – das ist schon gesagt worden – dafür gesorgt, dass wir mit 47 Prozent Steuer- und Abgabenquote die höchste der Zweiten Republik haben, uns da im europäischen Schlusslicht befinden und daher auch von der Europäischen Union kritisiert werden. Sie haben zu verantworten, dass die Pensionisten in diesem Land nicht einmal die Inflationsrate abgegolten bekommen haben. Das ist Rentenklau, den Sie hier zu verantworten haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Weil hier davon gesprochen wurde, sich für die Interessen der Familien einzusetzen: 50 689 Arbeitslose mehr in diesem Land sind 50 000 Familien, die davon betroffen sind! Das haben Sie zu verantworten, Herr Khol. Stellen Sie sich daher nicht so blauäugig hierher. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben mit dem Verschleudern der Bundeswohnungen an irgendwelche Immobilieninvestoren und nicht an die Mieter 100 000 Familien in die Situation gebracht, dass sie morgen nicht wissen, wie hoch ihre Miete in Zukunft sein wird und wie sich ihre Wohnsituation in Zukunft gestaltet. – Das ist die sozialpolitische Schadensbilanz dieser blau-schwarzen Koalition! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Aufzählung lässt sich natürlich fortsetzen: Das, was Sie kranken Menschen, damit vor allem auch Familien mit Kindern, durch den Ausbau von Selbstbehalten angetan haben, nimmt ein unerträgliches Ausmaß an. Sie haben Ambulanzgebühren eingeführt, Sie haben – das ist völlig unsozial – Unfallrentenbesteuerungen eingeführt, und das sind Elemente einer Kranken- und Behindertensteuer. Das lehnt die Sozialdemokratie ab! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Man kann es kurz zusammenfassen, Frau Rauch-Kallat – ich halte es für keinen Zufall, dass der Herr Bundeskanzler auf die Fragen nicht eingegangen ist, er hätte sie wahrscheinlich auch nicht beantworten können (Abg. Rauch-Kallat: Weil sie so dumm waren, die Fragen!), vor allem nicht wahrheitsgetreu, wie man das eigentlich von einem Regierungsmitglied erwarten könnte. Aber diese Hoffnung haben viele ohnehin bereits aufgegeben.

Die erste Anstrengung, die Sie gemacht haben, war Ihr berühmtes "speed kills", die Gefährdung des Sozialstaates – und betroffen davon ist die Bevölkerung in diesem Land, vor allem die Familien und die älteren Menschen.

Die zweite Anstrengung, die Sie unternommen haben, bestand darin, bewährte Strukturen in Österreich zu zerschlagen, sozusagen einen massiven machtpolitischen Zugriff vorzunehmen – das geht von der ÖIAG über den ORF, den Hauptverband bis zuletzt zum Verfassungsgerichtshof. Das heißt, in Sachen machtpolitischer Selbstbedienungsmentalität kennt diese Regierung keinen Genierer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine Schadensbilanz, die heute auf dem Tisch liegt. Die Gemeinsamkeiten nach den letzten Wochen dieser blau-schwarzen Koalition sind offensichtlich und für alle sichtbar auch verbraucht.

In ganz entscheidenden Bereichen und in den entscheidenden Fragen, nämlich im Bereich der Wirtschaftspolitik, des Arbeitsmarktes, aber auch der sozialen Sicherheit, haben Sie in diesem Land den Menschen nur Schaden zugefügt. Ich denke, dass diese Regierung am Ende ist, ihr Ablaufdatum ist meiner Auffassung nach bereits überschritten, und ich sage Ihnen: Österreich wünscht sich diesen Kurswechsel! (Beifall bei der SPÖ.)

17.21


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Herr Abgeordneter Bruckmann hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.21

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Meine Damen und Herren! Kollegin Bures hat behauptet, die Arbeitslosigkeit der Depressionszeit der siebziger Jahre sei niedriger gewesen als heute.

Als hauptberuflicher Statistiker halte ich fest, dass die Arbeitslosigkeit damals einen Rekordwert von 9,7 Prozent und eine absolute Zahl von 280 000 erreicht hatte, und davon sind wir heute Gott sei Dank weit entfernt. (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP.)

17.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Tancsits hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé  – in Richtung SPÖ –: Sie können sich nie erinnern, was Sie gesagt haben, Frau Abgeordnete Bures! Jetzt auch nicht!)

17.22

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Bures hat in ihrer Wortspende erklärt, durch Verschleudern der Bundeswohnungsgesellschaften wissen 100 000 Mieter nicht, wie hoch ihre Miete morgen sein wird. – Das ist nicht richtig!

Richtig ist, dass diese 100 000 Mieter sehr wohl wissen, wie hoch ihre Miete morgen sein wird, denn das ist im unveränderten Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz festgelegt, und darüber hinaus haben die Bundeswohnungsgesellschaften BUWOG und WAG mit zurückliegendem 1. Jänner die Mieten gesenkt.

Ich bitte daher Frau Kollegin Bures, von diesen geschäftsschädigenden Äußerungen gegenüber den Bundeswohnungsgesellschaften Abstand zu nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, das ist schon nicht mehr Bestandteil der tatsächlichen Berichtigung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Graf. – bitte.

17.23

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! In aller Kürze möchte ich zur "Halbzeit", wie es Kollege Gusenbauer gesagt hat, auch einmal der Opposition den Spiegel vorzuhalten und eine Bilanz zu ziehen versuchen.

Ich bin sehr froh darüber, wenn Sie davon sprechen, dass wir eine demokratiepolitische Wertschätzung gegenüber dem Hohen Haus, gegenüber dem Parlament an den Tag legen sollen. Dass wir jetzt in Zeiten des Parlamentarismus leben, in welchen bei einer Debatte über eine Dringliche Anfrage der Herr Bundeskanzler zugegen ist (Abg. Bures  – in Richtung Regierungsbank zeigend –: Er ist gar nicht da!) und nicht wie in den vier Jahren der letzten SPÖ-Regierung lediglich der Staatssekretär Wittmann, der hier den steinernen Gast gespielt hat, beweist diese Wertschätzung. Ich glaube, ich habe es hier im Hohen Haus schon des Öfteren gesagt: Staatssekretär Morak ist um Quantensprünge besser, als es Kollege Wittmann war, der von der Regierungsbank aus tatsächlich niemals den Mund aufgebracht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Halbzeit, wurde messerscharf erkannt, erfordere eine Dringliche Anfrage, sei ein dringlicher Umstand, obwohl Kollege Gusenbauer selbst sagt, er kenne die Antworten ohnehin schon. Aber es ist schon ganz gut so.

Vielleicht ein paar andere Gesichtspunkte, vielleicht etwas über die moralische Qualität der SPÖ-Führungsspitze in Bezug auf ihre Redner am heutigen Tage.


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Kollege Gusenbauer, der selbst sagt, es sei Halbzeit, und damit indirekt bestätigt, dass die Regierung bis zum Ende dieser Legislaturperiode selbstverständlich halten wird – ich sage: sie hält auch! –, war doch jener Abgeordnete, der einmal seiner eigenen Fraktion, die fast nie zugegen ist, wenn es um Themen der SPÖ geht, hat ausrichten lassen, dass ein Drittel der Mandatare seiner eigenen Fraktion nicht mehr resozialisierbar sei. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Gusenbauer hat das gesagt, nicht ich, ich habe es lediglich hier wiederholt, und es wurde ja auch bestätigt. Ein Drittel seiner eigenen Abgeordneten hält er schlichtweg für nicht resozialisierbar, sie werden wahrscheinlich kein langes Überleben in der sozialistischen Fraktion haben.

Wenn man Bilanz zieht, sollte darauf nicht vergessen werden. Ich erinnere die SPÖ an diese Aussage Ihres Parteiführers und Fraktionschefs. Ein Drittel sind 24. Jeder Dritte – egal, von wo aus Sie zu zählen beginnen – wird von Ihrem Parteichef als nicht resozialisierbar bei der Arbeit für die Bevölkerung gehalten. – Das einmal zur moralischen "Qualität" Ihres Herrn Gusenbauer.

Herrn Cap als dem Fraktionsführer der SPÖ hier im Hohen Haus sei ins Stammbuch geschrieben: Er ist derjenige, der seinerzeit schon 70 000 Wähler, die ihm ihre Vorzugsstimme gaben, verraten hat. Er ist derjenige, der sich heute hier immer stärker als Klub-Kasperl aufführt. Ich möchte nicht sagen, dass das Hohe Haus ein Kasperltheater ist. Wir werden es vor derartigen ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, bitte!

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Ich glaube, es hat hier schon wesentlich ärgere Qualifizierungen gegeben, als ich sie nun hier vorgenommen habe, aber ich nehme diese Bezeichnung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Wir alle machen uns ja ein Bild, auch das Publikum, das hier zusieht, wir wissen die Qualität des Kollegen Cap einzuschätzen, der nicht ganz so trocken ist wie sein Sitznachbar. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Noch etwas möchte ich dazu sagen: Im Wahlkampf 1999 – er wird sich vielleicht kaum mehr daran erinnern können – hat ihn die Parteibasis schon nicht mehr wirklich interessiert. Das zeigt folgende Begebenheit: Er hat am Allerheiligenplatz eine Wahlkampfveranstaltung in der Sektion gehabt, und er hat fünf Minuten, nachdem diese Veranstaltung begonnen hat, anrufen und fragen lassen, wie viele Leute denn da seien. Zwölf gezählte Leute waren da. Auf Grund dessen ist er nicht gekommen. Es ist ihm wahrscheinlich zu minder, zu wenig, mit der Parteibasis in einer kleinen Gruppe zu sprechen. Das ist die moralische Qualität oder die moralische Qualifikation des Herrn Cap.

Nun zum Herrn Kollegen Edlinger, der heute hier auch gesprochen hat. Leider ist er nicht da, aber ich habe es ohnehin schon mehrere Male gesagt: Ich warte immer noch auf die Rückzahlung der von ihm auf Grund eines verlorenen Privatprozesses entnommenen 246 000 S. Als er Finanzstadtrat in Wien war, hat er die MA 6 angewiesen, diese 246 000 S zu bezahlen. Es war für die Sozialisten immer leicht, eigene Schulden mit fremdem Geld zu bezahlen. Ich hoffe, dass sich das ändern wird. Irgendwann einmal wird auch er dieses Geld zurückzahlen. – Das nur zum "Bilanz ziehen" und "Spiegel vorhalten".

Nun zur zweiten Oppositionskraft, zu den Grünen. Zu ihrer Basisdemokratie ist von mir schon einiges gesagt worden. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Basis ist abgeschafft!) Es gibt eine Wahl der Stellvertreter durch Führungsnomenklatur. Das kennen wir von anderen Systemen her. Es erfolgte jüngst erst ein Aufblasen bei den Klubobleute-Stellvertretern, eine Erhöhung ihrer Zahl auf vier. Inklusive Klubobmann sind es jetzt fünf Führungsfunktionäre bei einer Fraktion von 15 Abgeordneten. Ein Drittel aller Abgeordneten der Grünen sind Spitzenfunktionäre. (Abg. Brosz: Wer sind diese vier?) Oder sind es gar nur 4 von 15? Das ist irrelevant, Hauptsache, sie haben den Posten, der Name ist Wurscht, sie gehen ohnehin nicht in die Geschichte ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich sage Ihnen noch etwas: Wenn ich mir als Spitze permanent meine Führungsfunktionäre selbst aussuche und diese unendlich vermehre, so ist das entweder ein Zeichen von Schwäche im demokratiepolitischen Sinn oder ein Zeichen von Kaderpartei altsozialistischen


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Zuschnitts aus DDR-Zeiten, die wir längst vergessen wissen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

17.29

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als vorletzter Redner in der Debatte über diese Dringliche Anfrage neige ich ein bisschen dazu, Bilanz zu ziehen.

Meine Damen und Herren! Was für mich beklemmend ist, ist Folgendes: Während der ganzen Debatte über diese Dringliche Anfrage, die unter dem Titel stand, dass diese Regierung dem Land Schaden zufüge (Abg. Bures: Ja!), entstand der Eindruck, dass jene Partei, die alles tut, um diesem Land Schaden zuzufügen, die große Oppositionspartei ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Geist aus der Sanktionszeit, als Sie bereit waren, mit Hilfe des Auslandes alles zu tun, um die Regierungsbildung zu verhindern, herrscht noch immer. Mein Eindruck ist folgender: Sie würden auch heute noch alles tun, um über die Mobilisation des Auslandes diese Regierung zu stürzen. Genau das war für mich beklemmend während dieser ganzen Debatte. (Zwischenruf der Abg. Bures. ) Frau Kollegin! Sie wären wieder bereit, mit Hilfe des Auslandes eine demokratisch gewählte Regierung zu stürzen. Das zog sich wie ein roter Faden durch diese ganze Debatte, und das ist beklemmend für einen, der sich zur parlamentarischen Demokratie bekennt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns ein bisschen umschauen, so werden wir feststellen können: Die Anerkennung und die Wertschätzung, die dem Herrn Bundeskanzler in Russland, wo er in den letzten Tagen war, entgegenschlugen, waren beachtlich.

Unser Verhältnis zu Russland war noch nie so optimal, wie es derzeit ist, und zwar sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Ich habe mit einigen Unternehmern gesprochen, die mit dabei waren. Die haben gesagt, sie hätten noch nie eine derart gute Wirtschaftsdelegation erlebt, wie sie jetzt in Russland war. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Kofi Annan, der Generalsekretär der UNO, war hier in Österreich zu Gast. Er hat uns die ganze Wertschätzung der internationalen Staatengemeinschaft zum Ausdruck gebracht.

Meine Damen und Herren! Angesichts dessen reden Sie davon, dass Österreich isoliert ist, dass diese Regierung zum Schaden Österreichs agiert?! Ja in welcher Welt leben Sie denn, meine Damen und Herren?

Folgendes möchte ich auch noch sagen – der Bundeskanzler hat es heute einmal kurz erwähnt –: Wenn heute ein Erhard Busek Koordinator für den Stabilitätspakt "Balkan" ist, wenn heute ein Christoph Leitl Präsident der Euro-Chambre der Europäischen Wirtschaftskammern wird, wenn ein Herr Paul Rübig Präsident des Europäischen Wirtschaftsbundes wird, wenn Ihr Abgeordneter Peter Schieder Präsident des Europarates ist, dann kann man doch sagen, meine Damen und Herren: Jetzt hat das Ansehen unseres Landes wohl einen höheren Stellenwert als zu jener Zeit, in der Kreisky Gaddafi geküsst hat und Gusenbauer den Moskauer Boden. Ich glaube, dass heute das Ansehen dieses Landes größer ist, als es damals war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Finanzminister hat bei der Budgetrede den Ausdruck geprägt: "Der Vergleich macht uns sicher." – Wenn wir nur ein bisschen einen Vergleich anstellen, wenn wir uns die internationalen Rankings ansehen – den World Competitiveness Report, das World Economic Forum –, dann können wir sehen: Österreich: Platz 1 bei der Lebensqualität, Österreich: Platz 1 bei der Qualität des Gesundheitswesens, Österreich: Platz 1, was die Motivation der Mitarbeiter betrifft, Österreich: Platz 1, was persönliche und innere Sicherheit betrifft, Österreich: Platz 2, was die Jugendbeschäftigung betrifft.


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In welcher Welt leben Sie, Herr Kollege Gusenbauer und Herr Kollege Cap? – Sehen Sie nicht solche internationalen Vergleiche?

Kollege Cap! Ich habe es schon einmal gesagt: Ich bewundere an sich Ihr kabarettistisches Talent. Nur: Sie bringen es am falschen Ort zur Entfaltung. Egal, ob beim Villacher Fasching, im "Simpl" oder auf der "Löwinger Bühne", es wäre überall besser angebracht als hier im Hohen Haus.


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Das ist halt leider so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Noch einmal: Sie sind ein großes kabarettistisches Talent, aber vom Klubobmann einer großen Partei, ja der größten Partei hier im Hohen Haus, erwarte ich mir bei einer Debatte über eine Dringliche Anfrage zum Thema "Regierungskrise" schon ein bisschen mehr als nur Kabarett.

Ein Resümee mache ich auch, Herr Kollege Gusenbauer: Es war von allen Oppositionsrednern kein einziger konstruktiver, weiter führender Vorschlag zu hören. Sie haben nur das Land schlecht gemacht, mies gemacht, krankgejammert. Gott sei Dank sind die Bürger unseres Landes viel vernünftiger als viele Ihrer Parteikollegen. Unsere Bürger, unsere Betriebe, unsere Unternehmer lassen sich davon nicht irritieren.

Wenn ich mir Ihre Ausführungen betreffend die Haltung der Regierung zur Osterweiterung anhöre, dann frage ich mich, warum unsere Wirtschaft in den Kandidatenländern so erfolgreich ist. Wir sind drittwichtigster Wirtschaftspartner in Tschechien. Wir sind wichtigster Auslandsinvestor in Slowenien. Unsere Wirtschaft hat in den letzten zehn Jahren viermal so viel in die Beitrittskandidatenländer exportiert als vor zehn Jahren.

Das heißt, die Wirtschaft, die arbeitenden Menschen in diesem Land, haben Vertrauen zu dieser Regierung und lassen sich erfreulicherweise durch Krankjammerei, durch Miesmacherei, wie sie auch heute wieder hier von der Opposition getätigt wurde, nicht irritieren.

Meine Damen und Herren! Wenn sich eines wie ein roter Faden durch alle Vorschläge, die von der Opposition in den letzten Wochen gekommen sind, durchgezogen hat, so war es die Kontinuität in der Verharmlosung des Schuldenmachens. Schulden seien doch nichts Schlimmes, heißt es von Ihrer Seite. Ich sage: Schulden sind verbrauchte Zukunft.

Wenn diese Regierung aus einem Land der Schulden wieder ein Land der Chancen macht, so ist allein das eine historische Chance. Dieses Land wird bei dieser Regierung auch in den kommenden vier Jahren in guten Händen sein, und die Bevölkerung wird das zu schätzen wissen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter! Ich ersuche Sie, mit der Wiedergabe der Behauptung zu beginnen, die Sie zu berichtigen wünschen.

17.35

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Rauch-Kallat hat in ihrer Rede behauptet, dass sich die Rezessionsphasen in Österreich auf die Jahre 1971, 1975 und 1978 beschränkt haben und dabei Österreich schlechter als die Nachbarstaaten abgeschnitten hätte. (Abg. Kiss: 1974, 1978 und 1981!)

Ich berichtige tatsächlich und zitiere aus dem letzten Monatsbericht des Wifo:

"Österreich wies in den siebziger Jahren einen erheblichen Wachstumsvorsprung gegenüber der EU auf – die jährliche Steigerung des BIP pro Kopf lag um 0,9 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der EU. ... Das reale BIP entwickelt sich vor allem in Phasen der Rezession günstiger als in den EU-Ländern (...): Trotz der intensiven Außenhandelsverflechtungen ... fielen im gesamten Beobachtungszeitraum die Täler der Abschwungphasen (1975, 1981, 1993) in Österreich jeweils weniger tief aus als in Deutschland bzw. in der EU. Ein wesentlicher Grund sind die über das Sozial- und Steuersystem wirksamen automatischen Stabilisatoren."

Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

17.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. – Ich darf Sie auch ersuchen, Frau Abgeordnete, die Geschäftsordnung zu beachten.

17.36

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich berichtige den Abgeordneten Dr. Martin Graf wie folgt: Er hat in seinem Redebeitrag davon gesprochen, die grüne Fraktion hätte vier Klubobmann-Stellvertreter. – Tatsächlich sind der Abgeordnete Karl Öllinger und die Abgeordnete Dr. Madeleine Petrovic StellvertreterInnen von Klubobmann Professor Dr. Alexander Van der Bellen.

Ich füge hinzu: Mich würde es sehr interessieren, wer seiner Meinung nach die anderen beiden sind.

Ich berichtige Herrn Abgeordneten Dr. Martin Graf noch in einem zweiten Punkt wie folgt: Er hat davon gesprochen, diese "Nomenklatura" stehe 15 Mitgliedern des Klubs vor. Diese seine Behauptung ist in doppelter Hinsicht falsch, denn wenn er sie auf die Stärke der Nationalratsfraktion gemünzt hat, dann berichtige ich ihn damit, dass diese aus 14 Mitgliedern besteht. Wenn er sie allerdings auf die gesamte Fraktion bezogen hat, dann möchte ich ihm mitteilen, dass diese aus 17 Mitgliedern besteht, nämlich zusätzlich zu den 14 Nationalratsabgeordneten aus einem Bundesrat, Herrn Stefan Schennach, und zwei Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Frau Mercedes Echerer und Herrn Johannes Voggenhuber. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Restliche Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

17.38

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, ich teile Ihre Skepsis gegenüber oder Ablehnung von Wortspielen mit Namen. Ich bin auch nicht einer von jenen, die gerne damit spielen, aber ich sage Ihnen schon eines: Zwischen dem Wortspiel rund um den Herrn Bundeskanzler und dem Wortspiel, das Herr Haider gemacht hat, ist ein großer Unterschied.

Eines noch zu den Wortspielen auf der Ebene des Bundeskanzlers: Ich vergleiche unseren Abgeordneten Dr. Pilz nicht mit dem Bundeskanzler, aber der muss sich das ganze Jahr über die Wortspiele gefallen lassen, aber er reagiert nicht gleichermaßen sensibel.

Doch das ist nicht der Punkt. Ich kann das verstehen, ich kann das akzeptieren, aber der Punkt ist doch der, Frau Abgeordnete, dass es zwischen diesem einen Wortspiel, wo man sich mit Namen spielt, und dem des Herrn Haider, wo der Antisemitismus eine Rolle spielt, noch etwas dazwischen gibt. Da geht es nicht primär um den Namen. Und damit bin ich beim Thema dieser zwei Jahre: Da geht es um "Hump", "Dump" oder "Lump", und da geht es um "Stunk" und "Trunk". Das sind die Wortspiele, die diese zwei Jahre wesentlich mitgeprägt haben.

Wenn Sie es so hören wollen, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat: Wir haben nicht die "Verhaiderung" der Republik, um wieder das Wortspiel zu machen, wir haben die Verluderung der Republik durch Ihre politischen Repräsentanten (heftige Zwischenrufe bei der ÖVP – Abg. Zweytick: Ordnungsruf!), und das ist sowohl Klubobmann Westenthaler als auch ein Klubobmann eines Salzburger Landtagsklubs.

Wenn Sie dermaßen mit politischen Repräsentanten umgehen, wenn Sie dermaßen politische Institutionen lächerlich machen, wenn Sie dermaßen Angriffe auf wichtige Institutionen – nicht auf politische Institutionen – machen, wie das Herr Klubobmann Westenthaler getan hat, der sich würdig in die Nachfolge des Herrn Kabas eingereiht hat, dann prägt das leider diese zwei Jahre wesentlich mehr als ein Wortspiel um den Herrn Bundeskanzler. (Beifall bei den Grünen.)


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Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! Ich hätte mir vorstellen können, dass der Herr Bundeskanzler – und das fällt ihm offensichtlich sehr, sehr, sehr schwer – nicht nur gegenüber dem Bundespräsidenten beziehungsweise eigentlich gegenüber demjenigen, der den Angriff gemacht hat, klar Stellung bezieht. Ich hätte mir gewünscht, dass der Herr Bundeskanzler oder zumindest Herr Klubobmann Khol, der ja einen Antrag zum Verfassungsgerichtshof eingebracht hat, klare Worte finden zu dem unglaublichen Angriff auf den Verfassungsgerichtshof, in dem der Verfassungsgerichtshof und die Verfassungsrichter der politischen Korruption geziehen worden sind. Ja wo sind wir denn in dieser Republik schon? Kann man wirklich alles machen, alles sagen, ohne Rücksicht darauf, wer es sagt und über wen er es sagt? (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass der Herr Bundeskanzler in einer Antwort auf diese zwei Jahre und auch als persönliches Bekenntnis, wenn Sie so wollen, klare Worte findet zum freien Mandat, das auch zur Disposition gestanden ist, dass er klare Worte findet zu den Angriffen auf Journalisten, auf die Meinungsfreiheit, dass er klare Worte dazu findet, dass ein Klubobmann einer Partei auch wieder dieses Hauses – und es war derselbe, der mit "Stunk" und "Trunk" gekommen ist – nicht Journalisten, die ein Wortprotokoll einer politischen Intervention veröffentlichen, entgegnen kann: Ihr werdet auf alle Fälle geklagt! Entweder deswegen, weil diese Behauptung falsch ist – das kann er nur sagen, wenn sie nicht den Beweis führen – oder, wenn sie den Beweis führen, deswegen, weil sie den Beweis führen. Geklagt wird auf alle Fälle!

Das ist eine erpresserische Haltung, die dieses Hauses unwürdig ist. Ein Klubobmann einer Partei hat andere Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, als mit Erpressung, mit öffentlicher Erpressung gegenüber Journalisten, die eingeschüchtert werden sollen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass auch ein Bundeskanzler und Parteiobmann einer Partei dann, wenn ein Klubobmann einer Partei über Journalisten sagt: Das sind ja nur ein paar Irre!, klare Worte dazu findet, weil ich mir denke, es geht auch um den Ton, in dem wir in diesem Haus verkehren. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie gehören auch dazu!) Es geht um den Ton, Herr Abgeordneter Westenthaler. Sie können gerne an uns Kritik üben, wenn Ihnen der Ton nicht gefällt, aber ich denke, zu derartigen Methoden greift in der politischen Öffentlichkeit in Österreich leider immer nur eine Partei.

Ich hätte mir gewünscht, meine Damen und Herren, dass von Seiten des Bundeskanzlers eine klare Erklärung zu den Beneš-Dekreten kommt, eine Erklärung, die auch Österreich mit einbezieht, meine Damen und Herren, und die die Verantwortung Österreichs und das Leid, das viele Menschen auf tschechischer und auch auf sudetendeutscher Seite erlitten haben, in die richtigen Relationen stellt. Österreich ist nicht frei von Schuld in dieser Auseinandersetzung mit Tschechien, weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen!

Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundeskanzler in seiner Erklärung schon von Beginn an klarstellt, dass es kein Veto gibt und dass auch kein Regierungsmitglied, weder von der ÖVP, von der ich das ja ohnehin nicht erwarte, noch von der Freiheitlichen Partei, jemals zu einem Veto greifen kann – denn entweder gibt es die Veto-Drohung, dann gibt es keine Regierung mehr, oder es gibt eine Regierung, dann gibt es keine Veto-Drohung mehr, denn diese Regierung hat sich in ihrer Präambel klar zur Erweiterung bekannt.

Das Tragische an diesen zwei Jahren, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist doch, dass wir von der Opposition Sie an Ihre eigenen Versprechen erinnern müssen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Das ist die Tragik dieser Republik.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz, Herr Abgeordneter, bitte.


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Abgeordneter Karl Öllinger
(fortsetzend): Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre ich froh, wenn Sie diese zwei weiteren Jahre nicht mehr dazu nützen könnten, uns innerhalb Europas nur mit einem Staat und mit einem Parteichef vergleichbar zu machen, nämlich mit dem Herrn Berlusconi in Italien. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Graf zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.46

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich verlange die Erteilung eines Ordnungsrufes an den vorigen Redner Öllinger, der hier mehrfach vom Rednerpult aus behauptet hat, dass der Klubobmann der Freiheitlichen Partei ein Erpresser sei, der mit dem Mittel der Erpressung arbeitet. Das ist der Vorwurf einer strafbaren Handlung. Erpressung ist im Rechtssinn eine Nötigung mit Bereicherungsabsicht. Noch dazu ist das auch falsch. (Abg. Öllinger: Politische Erpressung!) Er hat weder das Wort "politisch" davor genannt noch sonst etwas. Daher ist das ein falscher Vorwurf und auch eine Verleumdung. Ich ersuche, ihm einen Ordnungsruf zu erteilen.

17.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Ich habe Ihnen schon zugesagt, mir das Protokoll unverzüglich geben zu lassen, und werde nach Einsicht in das Protokoll handeln, wenn es notwendig ist.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Restliche Redezeit: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Nürnberger  – in Richtung Freiheitliche –: Austeilen, aber nicht einstecken können!)

17.47

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Nein, es geht nicht ums "Austeilen" oder "Einstecken", Herr Abgeordneter Nürnberger, aber es sind in diesem Haus schon wegen anderer Sachen Ordnungsrufe erteilt worden. Und wenn jemand als Erpresser bezeichnet wird, wollen Sie das beschönigen? – Nein, so kann es sicher nicht sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich will nicht in den Geruch kommen, vergangenheitsverliebt zu sein, wie Frau Bures der Frau Abgeordneten Rauch-Kallat vorgeworfen hat, aber Ihr Gejammere, dass der Herr Bundeskanzler die Dringliche Anfrage nur bruchstückhaft beantwortet hat, veranlasst mich, einen Blick zurück in die Vergangenheit, in die der sozialistisch dominierten Koalition zu machen. Ich kann mich daran erinnern, dass der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky dreimal bei Dringlichen Anfragen keine einzige Anfrage beantwortet hat, sondern auf den schriftlichen Weg verwiesen hat. (Abg. Edlinger: Das hat der Herr Bundeskanzler ja auch nicht gemacht!) Also bitte, bedenken Sie das, bevor Sie so wehleidig darüber klagen, dass der Herr Bundeskanzler heute nicht Ihre wirklich sehr polemischen Fragen beantwortet hat. (Abg. Edlinger: Ist das eine Ankündigung, dass der Herr Bundeskanzler schriftlich antwortet?)

Herr Abgeordneter Edlinger! Zu Ihnen komme ich schon noch (Abg. Edlinger: Nein, bitte nicht!) und zu Ihren falschen Daten, die Sie in der Öffentlichkeit bekannt gegeben haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat heute gesagt: Wissen Sie es nicht, oder wollen Sie das Offenbare nicht erkennen, weil Sie auf die Fakten, die positiven Fakten, die in der Regierung geleistet worden sind, überhaupt nicht eingegangen sind? – Wenn man sich die Redebeiträge angehört hat, einschließlich des Inhaltes Ihrer Dringlichen Anfrage, dann kann man nur den Schluss ziehen, dass Sie mit Absicht die Fakten nicht erkennen, die Fakten betreffend all das Positive, das diese Bundesregierung in diesen zwei Jahren geleistet hat. Es gehört offensichtlich zur Strategie Ihrer Oppositionspolitik, dass Sie nur Krisen herbeireden wollen, obwohl keine Krisen vorhanden sind.


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Ich werde Ihnen einen Beweis dafür liefern, ich habe die Zahlen vorbereitet – wir haben uns das bis zum Schluss aufgehoben, damit Sie sie sich auch merken, meine sehr geehrten Damen und Herren –:

Das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 1999 betrug 2 712 Milliarden Schilling; im Jahr 2001, also unter dieser Bundesregierung, 2 910 Milliarden Schilling, das heißt also, mehr. Der private Konsum hat im Jahr 1999 2 073 Milliarden Schilling ausgemacht, im Jahr 2001 2 241 Milliarden Schilling, also wieder gestiegen. Die privaten Investitionen sind von 661 Milliarden Schilling im Jahr 1999 auf 685 Milliarden Schilling im Jahr 2001 gestiegen. Die Warenexporte sind ebenfalls von 832 Milliarden Schilling auf 1 028 Milliarden Schilling gestiegen. Und die Gesamtbeschäftigtenzahl ist von 3,4 Millionen im Jahr 1999 auf 3,5 Millionen im Jahr 2001 gestiegen.

Ich glaube, Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass diese Regierung mit positiven Wirtschaftsdaten arbeitet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es ist keine Rede davon, dass wir auf einer Kriechspur sind. Ganz im Gegenteil: Wir sind auf der Überholspur, nach Jahrzehnten eines defizitären Staatsbudgets ist endlich das Nulldefizit herbeigeführt worden!

Herr Abgeordneter Edlinger, ich habe Ihnen angekündigt, dass ich auch auf Sie noch zu sprechen komme! Man hat wirklich den Eindruck – nicht nur von Ihnen, Herr Abgeordneter Edlinger, sondern überhaupt von den sozialdemokratischen Rednern –, Sie freuen sich, wenn Sie Negatives berichten können, wenn Sie ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Den Schlusssatz bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Der Schlusssatz: Herr Abgeordneter Edlinger hat beispielsweise bei den Daten, mit denen er verglichen hat, immer die für ihn positiveren dargestellt. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Selbstverständlich. Sie haben die Abgabenquote in Ihrer Zeit ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Ich bin dabei, Herr Präsident! Sie sehen ja, dass ich den Schlusssatz gar nicht sagen kann, weil ich unterbrochen werde.

Herr Abgeordneter Edlinger hat die Abgabenquote mit 45 Prozent in seiner Zeit angegeben ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist wirklich beendet! (Beifall bei den Freiheitlichen für die das Rednerpult verlassende Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Restliche Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

17.52

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Lassen Sie mich zunächst einmal kurz rekapitulieren. Meine Fraktion hat heute in Sorge um die soziale Lage vieler Menschen in diesem Land, in Sorge um die Einkommensentwicklung etwa der Pensionisten, in Sorge auch um die Beschäftigungsentwicklung – Sie können nicht bestreiten, dass die Anlass zur Sorge gibt – und in Sorge um die verfassungsmäßigen Organe dieses Landes Fragen an den Herrn Bundeskanzler gerichtet.

Wir haben 23 Fragen an den Herrn Bundeskanzler gerichtet, und der Herr Bundeskanzler war so freundlich, eine davon konkret zu beantworten. Ich darf noch einmal darauf eingehen, was er uns da als Antwort gegeben hat.

Hohes Haus! Wir haben den Herrn Bundeskanzler gefragt, was er dagegen zu tun gedenkt, dass wir jetzt eine sehr stark angestiegene Arbeitslosenrate haben. – Sagen Sie mir jetzt nicht,


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das wäre nicht der Fall. – Er hat gesagt, er habe mit dieser Regierung ein Konjunkturpaket geschnürt, er habe sichergestellt, dass die Investitionen in die Straße aus dem Road-Pricing finanziert werden. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Road-Pricing haben wir nicht! Hier wird nichts investiert, weil die ÖVP das über Jahre verhindert hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Er hat uns erklärt, dass die Einkommen der Menschen sich so verbessert hätten auf Grund der Leistungen dieser Regierung, und hat dann das Beispiel angeführt, dass die Preise, die kraft Wettbewerbs gesunken sind, das bewirkt hätten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit welchen Federn schmückt sich der Herr Bundeskanzler hier? Das soll eine Konjunkturmaßnahme sein?

Er hat uns erklärt, dass es Pensionserhöhungen gegeben hat. Sie alle hier im Hohen Haus wissen, dass viele der Pensionisten nicht einmal die Inflation abgegolten bekommen haben, und haben die Stirn, das als Maßnahme zur Bekämpfung einer konjunkturellen Rezession anzugeben?!

Sie haben gehört, dass der Bundeskanzler erklärt hat, es würde mehr in Forschung und Entwicklung investiert. Die Wahrheit ist: In den letzten beiden Jahren ist weniger in Forschung und Entwicklung investiert worden, wie auch die Daten des Statistischen Zentralamtes zeigen!

Hohes Haus! Wir haben uns Sorgen gemacht um bestimmte Entwicklungen in diesem Land. Sie – der Bundeskanzler und auch die Redner von den Regierungsfraktionen – haben versucht, das schönzureden.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkung zur Frau Abgeordneten Partik-Pablé machen. Frau Abgeordnete! Sie haben eine bemerkenswerte Leistung im Vortragen der Zahlen, die Sie hier verlesen haben, erbracht, Sie haben uns nämlich die Inflation als Leistung dieser Bundesregierung dargestellt. Dafür danke ich, so ist es nämlich auch! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz des Verfassungsgerichtshofes vor unsachlichen Angriffen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend konsequentes Vorgehen der Bundesregierung in Fragen der Erweiterung der Europäischen Union.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen. (E 120.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Organisation und Verfahren der Verfassungsgerichtshöfe in vergleichbaren demokratischen Staaten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen. (E 121.)

Wir gelangen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend klares Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur Erweiterung der Europäischen Union.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Einem, Kolleginnen und Kollegen betreffend konsequente Unterstützung des Erweiterungsprozesses der Europäischen Union.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend unverzügliche Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses zu zweisprachigen Ortstafeln nach dem Volksgruppengesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 3073/AB

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Finanzen mit der Ordnungszahl 3073/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen 10 Minuten nicht überschreiten.

Ich bitte die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser, die Debatte zu eröffnen. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

17.58

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zwischenbilanz – das war das Motto der letzten drei Stunden. Eine Facette hat dabei allerdings gefehlt, nämlich die Facette der Lebensmittelpolitik dieser Bundesregierung. Ich bin eigentlich sehr dankbar dafür und fast froh, dass der Herr Staatssekretär gekommen ist nicht der Herr Finanzminister, denn der Herr Staatssekretär hat durchaus eine berufliche Vergangenheit im Rechnungshof, durch die er mit dieser Materie vertraut ist. Beim Herrn Finanzminister ist das, wie ich seiner Anfragebeantwortung leider entnehmen musste, nicht der Fall.

Zwischenbilanz. – Meine Damen und Herren! Wir wissen, dass in den letzten Monaten, im letzten Jahr Österreich unter zwei Lebensmittelkrisen zu leiden hatte, eine fremdverschuldete und eine selbstverschuldete. Beide Male gab es politische Reaktionen. Ich glaube, in drei Tagen jährt sich eine parlamentarische Enquete, die Konsequenzen von Seiten der Fachleute anbot, Konsequenzen im Hinblick auf die Frage: Wie gestalte ich eine neue österreichische Lebensmittelpolitik, die krisenfest ist? forderte und Perspektiven darstellte.

Eine dieser Perspektiven ist die so genannte Gründung einer Agentur für Ernährungssicherheit; seit Mitte Jänner letzten Jahres steht das im Raum. Es machten inzwischen, wie ich glaube, mindestens vier Entwürfe die Runde zwischen den einzelnen Ministerien, es gibt seit Sommer eine Regierungsvorlage, und es soll Ende Februar hier in diesem Haus im Plenum der Beschluss gefasst werden über einen Bereich, der die österreichische Lebensmittelpolitik auf eine völlig neue Basis, auf völlig neue Füße, auf ein völlig neues Niveau stellen soll. Und – man weiß nichts!


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Darum zuerst diese Anfrage in schriftlicher Form, und darum jetzt diese Besprechung der Anfragebeantwortung, weil die Antworten mehr als dürftig waren. Sie alle können es nachlesen, sie wurde verteilt, schauen Sie sich meine erste Frage an und vergleichen Sie diese mit der Antwort des Herrn Finanzministers! Ich habe gefragt: Wie viel bekommen die einzelnen Bundesbehörden, die jetzt für Lebensmittelsicherheit und auch im landwirtschaftlichen Bereich für Saatgut, für Pflanzenschutz beziehungsweise für Düngemittel zuständig sind, aus dem Budget? Die Antwort heißt – lesen Sie nach! –: Es sind für die Neugestaltung der Ernährungsagentur ein Budgetvolumen von sage und schreibe 78,27 Millionen € und Gesamteinnahmen von zirka 20,06 Millionen € vorgesehen. Das ist die Antwort auf eine konkrete Frage, die lautet: Was ist jetzt dafür vorhanden?, nicht: Was ist für eine Agentur vorgesehen?

Schauen Sie weiter, wonach ich gefragt habe in den Fragen 2, 3, 4, 5, 6! – Null Antwort des Herrn Finanzministers, was die Perspektiven anlangt, was die verschiedenen Studien anlangt, die im Hinblick auf die Konzeption dieser Agentur erstellt worden sind, was vor allem auch die Meinungen der Ministerien anlangt. Keine Antwort, weil wir uns noch in Verhandlungen befinden! Wir befinden uns in Verhandlungen über die finanzielle Basis dieser Agentur. – Sie wissen sehr genau, dass die finanzielle Basis gerade in den vergangenen Jahren der Pferdefuß des jetzt bestehenden Systems der Bundesanstalten war. (Beifall bei den Grünen.)

Deswegen lege ich besonderen Wert auf eine Generalsanierung nicht nur institutioneller, organisatorischer Natur, sondern auch finanzieller Natur. Ihnen sind nicht bekannt, weil das sozusagen eine Geheimdiplomatie meinerseits ist, die diesbezüglichen Berichte und Aussagen. Sie wissen als Mandatare gar nicht Bescheid über den finanziellen Notstand, der jetzt schon in den betroffenen Institutionen herrscht. Ich darf Ihnen deshalb, Herr Staatssekretär, aus dem einen Jahresbericht 2000 vorlesen. Unter dem Titel "Vorwort des Dienststellenleiters" ist vermerkt – ich zitiere –:

"In Zeiten, in denen Fachargumente einfach nicht mehr gehört werden, Finanzmittel auf ein Maß gekürzt werden, die den Fortbestand gefährden, die Mitarbeiterüberforderung durch zusätzliche Aufgabenstellungen und schwindendes Personal, begleitet von Demotivation durch Entzug jeglicher positiver Perspektive, gefolgt von Krankheit und Kündigung, kurz, in Zeiten, in denen man nur mehr sprachlos ist, erlauben Sie mir in diesem (möglicherweise letzten) Jahresbericht der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Linz anstelle fortgesetzter Appelle, die ohnehin niemand hören will, ein paar Gedanken nicht in meiner Eigenschaft als Dienststellenleiter, nicht als Lebensmittelchemiker, sondern als (,Hobby-’)Paläontologe."

Dann ist die auf Grund einer existenziellen Verzweiflung nahe liegende Ausflucht jene, dass der Herr Dienststellenleiter drei Seiten über die Paläontologie schreibt, in einem Jahresbericht über die Lebensmittelsituation, weil seine durch Jahre hindurch wiederholten Appelle, personell besser gestellt zu werden, finanziell besser gestellt zu werden, antwortlos verhallen. Im Gegenteil, immer mehr wird gekürzt. Da bleibt ihm nur mehr dieser absurde Weg, diese Diskrepanz, diese Paradoxie der Situation durch eine paradoxe Darlegung klarzustellen, indem er sich in die Paläontologie flüchtet. (Beifall bei den Grünen.)

Er schließt sein Vorwort mit den Worten: "Ich stelle es dem Leser anheim, selbst Parallelen zu ziehen und zu erkennen, was auch Politik und Wirtschaft von der Paläontologie lernen könnten, ja beherzigen müssten, wenn ihnen das Wohl und die Zukunft der Menschen nicht vollkommen gleichgültig geworden ist. – Kapeller Rudolf"

Das lesen Sie in offiziellen Jahresberichten.

Was passiert jetzt auf Bundesebene in Bezug auf die so genannte Agentur für Ernährungssicherheit? Die verschiedenen Entwürfe haben noch immer nicht zu einem Endentwurf geführt. Was passiert hinsichtlich der Finanzierung? Wenn Sie sich die einschlägigen Paragraphen anschauen, meistens ist es § 12, lesen Sie im Februar-Entwurf noch, es sollen 62,5 Millionen € sein. Dieser Entwurf wird zurückgewiesen, weil das Finanzministerium diese Summe als zu hoch erachtet.


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Daraufhin gibt es einen anderen Entwurf, in dem Sie bei den finanziellen Mitteln "xxxx" lesen. Es kommt dann im Sommer die entsprechende Regierungsvorlage. Sie lesen wieder bei den finanziellen Mitteln "xxxx". Bevor der Landwirtschaftsausschuss im November tagte, hat es wieder so eine interne Konzeption gegeben. Was steht dort: "xxxx"? – Also nichts, auf gut Deutsch!

Und jetzt stehen wir einen Monat vor Beschlussfassung einer neuen Konzeption der österreichischen Lebensmittelsicherheit und überhaupt der landwirtschaftlichen Produktion, weil die davon profitiert, wenn es gute Kontrollen gibt, wenn die Lebensmittelsicherheit hoch ist, wenn es eine gute personelle Ausstattung gibt – und wissen noch immer nichts!

Das geht nicht, und das ist meines Erachtens ein Vorschubleisten für den nächsten Lebensmittelskandal, überhaupt angesichts dessen, dass zum Beispiel die BSE-Kontrollkräfte nur mehr bis Ende März beschäftigt sind. Dann wird vielleicht der Vertrag verlängert, aber die Leute sind doch ständig abhängig, beruflich, finanziell, persönlich! Und Abhängigkeitsstrukturen in Kontrolleinrichtungen sind tödlich für die Kontrolle, und deswegen plädieren wir immer wieder für eine ordentliche Finanzierung der Lebensmittelkontrolle.

Dass das notwendig ist, Herr Staatssekretär, sagt auch der Rechnungshof. Ich kann Ihnen Zitate bringen aus dem Bericht über das Verwaltungsjahr 1998, wo sich der Rechnungshof ganz deutlich gegen eine Ausgliederung ausgesprochen hat, gegen eine Privatisierung und auch gegen dieses Sparprogramm auf Personal- und Sachaufwandsebene. Der Rechnungshof stützt sich immer wieder auch auf Berichte von EU-Inspektoren. Ich kann Ihnen auch Berichte der EU-Inspektion vorlesen, ich konzentriere mich auf einen Satz: Die Empfehlung aus früheren Berichten ist noch immer nicht berücksichtigt worden, nämlich die "Gewährleistung angemessener personeller, instrumenteller und finanzieller Ausstattung der mit Rückstandskontrollen befaßten Laboratorien, um den vorgegebenen Aufgaben gerecht werden zu können". Diese Empfehlung ist noch immer offen.

Das sagt die EU! Ich habe kürzlich – es ist vielleicht eine halbe Stunde her – wieder mit EU-Stellen telefoniert, und sie sagen, eine Ausgliederung einer Lebensmittelkontrolle sozusagen in eine Agentur mit GesmbH-Form widerspricht der EU-Konzeption der Ernährungsagentur. Staatliche Kontrolle ist staatliche Kernaufgabe, und Sie verstoßen zweimal dagegen: einmal, indem Sie ausgliedern, und einmal, indem Sie sie finanziell aushungern! Und was bleibt übrig? Ein Milliardenschaden beim nächsten Lebensmittelskandal. Das ist unwirtschaftlich, Herr Staatssekretär! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Halten Sie sich doch an das, was Ihr Haus ehemals empfahl, nämlich eine unabhängige staatliche Lebensmittelkontrolle einzurichten, wie der Rechnungshof das immer wieder urgiert hat, auch in seiner Stellungnahme, und halten Sie sich an die EU-Berichte, und machen Sie endlich ordentliche Finanzierungskonzepte, denn das, was jetzt herumgeistert, das ist ja überhaupt – das habe ich mir extra für den Schluss aufgehoben – die Höhe: Jetzt sieht man ab dem Jahr 2005 sage und schreibe 54,5 Millionen € vor!

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Vorher sind es 78 Millionen €, und dann soll es hinuntergehen auf 54 Millionen €. – Entschuldigen Sie, aber da kann man zusperren. Zusperren ist die einzige Antwort auf Ihre Reformkonzepte der österreichischen Lebensmittelpolitik.

Mir wird schlecht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer Stellungnahme von der Regierungsbank aus ist nun Herr Staatssekretär Dr. Finz am Wort. – Bitte.

18.09

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich vom Finanzministerium aus


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natürlich nur zur Finanzausstattung Stellung nehmen kann. Die richtige Bezeichnung für die neue Agentur ist jetzt: Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit.

Die in Aussicht genommene Finanzausstattung, die zum Zeitpunkt der Anfrage noch in Diskussion war, sieht jetzt folgendermaßen aus: Für das Jahr 2002 – die Agentur nimmt ja mit 1. Juni 2002 ihre Arbeit auf – ist eine Ausstattung von 33,1 Millionen € vorgesehen. Die Regelausstattung ab dem Jahr 2003 sieht für das Jahr 2003 56,7 Millionen €, für das Jahr 2004 56,7 Millionen €, für das Jahr 2005 56,0 Millionen €, für das Jahr 2006 55,2 Millionen € und ab dem Jahr 2007 54,5 Millionen € vor. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Was ist das, Herr Staatssekretär? Eine eindeutige Reduktion!) – Ich komme gleich darauf zurück. Das ist die Saldoabgeltung.

Weiters erhält die Agentur die erforderlichen Mittel zur Bedienung eines bis 2004 laufenden Kredites: Bauträgerfinanzierung für das Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft, den die Agentur im Sinne der Gesamtrechtsnachfolge übernimmt. Das sind rund 5,4 Millionen € in den Jahren 2002 und 2003 beziehungsweise rund 6 Millionen € im Jahr 2004.

Wenn man jetzt vergleicht – und ich komme gleich auf die alten Daten –, ergibt sich Folgendes: Die Basiszuwendung plus Bauträgerfinanzierung entspricht in den ersten drei Jahren den im Bundesvoranschlag 2002 vorgesehenen Mitteln, und zwar wird der Saldo zwischen Einnahmen und Ausgaben abgegolten. Ich werde das gleich im Detail erläutern.

Für 2005 bis 2007 wird die Basisausstattung jährlich moderat um rund 0,73 Millionen € gekürzt, dem allerdings – und das ist ja Sinn und Zweck der Zusammenführung – ein beträchtliches Synergiepotenzial gegenübersteht, nämlich eines von mehr als 10 Millionen €, wodurch die Ernährungsagentur auf einen wirklich qualitativen, modernen Stand gebracht werden kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Warum steht das nicht in der Anfragebeantwortung? – Abg. Achatz: Weil das jetzt erst ausverhandelt worden ist ...!)

Im Jahr 2002 hatten wir einen Ausgabenrahmen – ich sage es jetzt in Schilling; im Jahr 2000 haben wir ja noch den Schilling gehabt – von 1 077 070 000 S. Die Einnahmen – die bleiben ja, kommen weiterhin herein, und zwar in der Höhe von rund 20 Millionen € – haben betragen 275 874 000 S. Das entspricht einem Saldo von 801 196 000 S. Und jetzt, mit unserer Art von Finanzierung, sehen wir eine Abdeckung des Saldos, der bisher 801 000 000 S betragen hat, in der Höhe von 853 000 000 S vor. Die 53 000 000 S plus erklären sich daraus, dass die Pensionsbeitragsbedienung jetzt durch die Ernährungsagentur erfolgen muss, deshalb diese zusätzliche Mittelausstattung.

Also die Mittelausstattung entspricht voll den bisher unter den Kapiteln 60 und 17 zur Verfügung gestellten Mitteln, wobei aber der Vorteil dieser neuen Agentur ist, dass sie Synergieeffekte hat, ein Potenzial von jährlich 10 Millionen €.

Ich möchte zur Ausgliederung noch etwas ergänzen: Es werden keine Hoheitsfunktionen ausgegliedert, es wird nur der operative Teil, die Untersuchungen, ausgegliedert. Die rein hoheitlichen Funktionen – da gebe ich Ihnen Recht, da gibt es Erkenntnisse vom Verfassungsgerichtshof, wonach er das zu den originären Aufgaben eines Staates zählt – bleiben so wie bisher in der mittelbaren Bundesverwaltung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt gemäß der Geschäftsordnung 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

18.14

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für diese offenen Worte. Sie haben nämlich bestätigt, in welcher Form die Lebensmittelsicherheit in Öster


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reich ausgehungert werden soll. – Herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Ausgebaut, nicht "ausgehungert"!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich die Situation der Lebensmittelsicherheit in Österreich ansieht, insbesondere im Kontrollbereich, im Bereich der Bundesanstalten, fällt eines auf: Junge Wissenschaftler kündigen, es werden Planstellen nicht mehr nachbesetzt. Wenn man mit den Experten redet, dann kommt folgendes Wort: Wir wissen nicht mehr, wie wir die Vorgaben der Europäischen Union erfüllen können. – Herr Staatssekretär! Dafür sind Sie mitverantwortlich, weil Sie diese Aushungerungspolitik betreiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr kam von der Bundesregierung als Antwort auf diese BSE-Krise und Lebensmittelskandale, die ja in Wirklichkeit Futtermittel skandale waren – also Skandale, die in der Landwirtschaft begründet waren –: Es gibt eine Ernährungsagentur. – Meine Vorrednerin hat bereits ausgeführt, wie viele unterschiedliche Vorschläge es gegeben hat, wie die Auseinandersetzung zwischen Molterer und Haupt gelaufen ist. Wir alle wissen es nicht genau, aber ich sage nur eines: Molterer hat sich zu Lasten des Gesundheitsressorts durchgesetzt. Molterer hat sich durchgesetzt, und er wird als Produzentenminister im Bereich der Lebensmittelsicherheit dominieren.

Das ist einzigartig in Europa, in Europa gibt es das nicht! In Europa geht man einen anderen Weg, da gibt es die Trennung: auf der einen Seite die Landwirtschaft und auf der anderen Seite die Lebensmittelsicherheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über dieses Thema werden wir im Landwirtschaftsausschuss diskutieren. Die Fragen der Lebensmittelsicherheit, der Gesundheit werden nicht im Gesundheitsausschuss, Kollege Pumberger, diskutiert, sondern im "Produzentenausschuss", nämlich im Landwirtschaftsausschuss. Wie dies international gesehen wird und wie wir darauf angeredet werden, das können Sie sich ausrechnen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Politik, wie Sie sie betreiben, ist schlichtweg abzulehnen!

Wenn man sich mit Fragen der Lebensmittelsicherheit und mit diesen verschiedenen Gesetzentwürfen auseinander setzt, dann fällt eines auf: Die mittelbare Bundesverwaltung wird in keiner Form angegriffen. Es gibt keine Proben- und Revisionspläne für den Bereich des agrarischen Betriebsmittelrechtes. Die Kompetenzverschiebung existiert nicht: weder auf Landesebene noch auf Bundesebene. Molterer wird weiter mitwirken, und allein von ihm und von den Agrarlandesräten hängt es ab, ob überhaupt und, wenn ja, in welchem Ausmaß kontrolliert wird.

Was wesentlich ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Mitglieder des Hohen Hauses: Mit dieser Ausgliederung verlieren die Abgeordneten dieses Hauses das Interpellationsrecht, nämlich wenn sie Daten darüber wissen wollen, wie oft und wo kontrolliert wird. Das allein muss ein Grund sein, diese Ausgliederung – unabhängig von den europarechtlichen Vorgaben – abzulehnen!

Stellen Sie sich vor: Ein Lebensmittelskandal wird in Belgien aufgedeckt, ein Futtermittelskandal in Deutschland, ein weiterer Futtermittelskandal in Italien – und wir Abgeordnete des Hohen Hauses wissen nicht einmal, wo kontrolliert, wie oft kontrolliert wird und wer für diese Kontrollen verantwortlich ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Überlegen Sie sich das ganz genau, ob Sie dieser Ausgliederung zustimmen! Synergieeffekte, Herr Staatssekretär, kann man auch gewinnen, wenn man eine nachgeordnete Bundesdienststelle schafft, in der Kontrollbefugnisse und -anstalten zusammengefasst werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bilanz dieser Bundesregierung in Fragen der Lebensmittelsicherheit ist ein klares Nicht- genügend. Hinsichtlich der Schadensprognose, die man ja auch aufstellen muss, kann man sagen: Nulldefizit kontra Lebensmittelsicherheit. Die nächsten Lebensmittelskandale werden nicht ausbleiben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.19


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Achatz. – Bitte.

18.19

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Kollegin Moser, Sie haben zuerst kritisiert, dass die Gesetzwerdung dieser Ernährungsagentur ein Jahr vorbereitet wird. Dann bekritteln Sie wieder, dass wir zu schnell und zu rasch Gesetze machen. – Also irgendwann müssen Sie es sich überlegen, wie Sie es denn gerne hätten. Sie können nicht einmal kritisieren, es gehe zu langsam, und dann wieder, es gehe zu schnell, nur weil Sie schlecht oder nur teilweise informiert sind, Frau Kollegin Moser.

Es stimmt ganz einfach nicht, dass da eine Ausgliederung und eine Privatisierung stattfinden. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl. ) Nein, der Eigentümer dieser GesmbH bleibt selbstverständlich in der öffentlichen Hand, Herr Kollege Gradwohl. Du weißt das, willst es aber einfach nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es stimmt auch nicht, Frau Kollegin Moser, dass die Lebensmittelkontrolle auf eine völlig neue Basis gestellt wird. – Der gesetzliche Auftrag der Lebensmittelkontrolle bleibt völlig gleich!

Auch für eine ordentliche Finanzierung wird gesorgt werden. Der gesetzliche Auftrag muss erfüllt werden; das ist doch überhaupt keine Frage! (Abg. Gradwohl: Ohne Leute!? Ohne Einrichtung!?) Was heißt "ohne Leute und ohne Einrichtung"? – 31 Anstalten werden zusammengelegt, wodurch Synergieeffekte erzielt werden. Es wird dann eben nicht mehr vier- oder fünfmal kontrolliert. Personal wird eingespart, und es wird effizienter gearbeitet. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich weiß schon, dass das der SPÖ weh tut, aber: Auch das ist Regieren neu, nämlich effizienter und sparsamer zu agieren und trotzdem den gesetzlichen Auftrag, und zwar zu 100 Prozent, zu erfüllen!

Und Sie werden sehen: Wir werden Recht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

18.21

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich hat – auch im internationalen Vergleich – dem Thema Gesundheit und Nahrungsmittelsicherheit immer hohen Stellenwert beigemessen. Beweis dafür, sehr geehrter Abgeordneter Gradwohl, ist, dass wir in Österreich zum Glück bisher nur einen einzigen BSE-Fall hatten – und das bei wirklich vielen Kontrollen! – und dass die Lebensmittelpolitik, Frau Abgeordnete Moser, in Österreich in Ordnung ist, dass nichts in Gefahr ist, aber: Wir wollen auch weiterhin Verbesserungen auf diesem Gebiet haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Können Sie uns das erklären?)

Dieser eine Fall konnte deshalb aufgedeckt werden, weil die Kontrollen in der Vergangenheit funktioniert haben und so Vorsorge geleistet werden konnte, Herr Abgeordneter Gradwohl. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn das Ihrer Meinung nach nicht funktioniert, dann sollten Sie bitte nach England, nach Frankreich oder nach Belgien schauen! Solche Beispiele gibt es ja genug in Europa. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mit der neu geschaffenen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit sind bei auftretenden Problemen in Betrieben mehr Transparenz und Durchgriffsmöglichkeiten gewährleistet.

Die Bundesminister Haupt und Molterer haben es in kurzer Zeit geschafft, diese komplexe Materie aufzuarbeiten – selbstverständlich mit Unterstützung vieler Experten und Beamten –,


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92. Sitzung / Seite 171

der Zeit anzupassen und so für die Zukunft vorzusorgen. Unsere Strategie ist es, die Bürger zu sichern – und nicht zu verunsichern! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In dieser neuen Agentur werden 31 Standorte – so etwas Komplexes müssen Sie erst einmal zustande bringen! – mit 1 200 Mitarbeitern gebündelt. Bisher erbrachte Leistungen werden hinterfragt, aufeinander abgestimmt; Doppelgleisigkeiten werden abgestellt. Daraus erwarten wir uns Synergieeffekte sowohl fachlicher, struktureller als auch personeller Natur.

Die Rechtsform einer GesmbH, welche unabhängig agiert, wird auch politische Unabhängigkeit garantieren.

Das Budget für die Jahre 2002 bis 2004 ist hiefür gleich bleibend, stellt eine gesunde finanzielle Basis und sicherlich einen guten Start dar. Mit der neuen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit erwarten wir, dass Abläufe beschleunigt werden, dass die Effizienz gesteigert wird, dass Kräfte gebündelt werden und die Sicherheit für den Konsumenten erhöht wird.

Es gibt eine durchgehende Kontrolle: von der Produktion bis zum Konsumenten. Wir werden – und das bei gleich bleibendem Budget – die Leistung steigern.

Die Bürger als Konsumenten, die Verarbeitungsbetriebe, die Produzenten erwarten von der Politik Rahmenbedingungen, mit denen Vertrauen geschaffen wird, welche leistbar sind und mit denen Verantwortung klar geregelt wird. Österreich ist damit wieder einmal Vorbild für Europa. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

18.24

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen des Kollegen Gahr kann ich überhaupt nicht beipflichten. Kollege Gahr, wir sollten uns diese Dinge wirklich in Ruhe und genau anschauen.

Sie, Frau Kollegin Achatz, meinten, wir sollten uns einigen, was wir wollen. – Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wir wollen sichere Lebensmittel, und wir wollen auch als Parlamentarier die Vorschläge und die Finanzierungskonzepte sehen. – Von Regierungsseite gab es zu diesem Thema eine Anfragebeantwortung, die mehr als dürftig ist. Das muss ich Ihnen dazu schon sagen. (Abg. Böhacker: Da war sie noch nicht bekannt!) Richten Sie dem Finanzminister einen schönen Gruß aus, aber: Dazu hätten wir uns schon mehr erwartet! (Beifall bei den Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zur Debatte über die Bilanz dieser Regierung am heutigen Tag: Gerade in diesem Bereich können wir klar aufzeigen, dass Sie keinerlei Konsequenzen aus den Skandalen der letzten eineinhalb, zwei Jahre gezogen haben. Zum Teil waren das aber auch europäische Skandale. In diesem Zusammenhang erinnere ich etwa an die BSE-Krise in Europa, an die Maul- und Klauenseuche, aber auch an den Schweineskandal in Österreich, meine Damen und Herren. Bei diesem – darüber haben wir ja schon mehrfach diskutiert – gab es Missstände nicht nur bei der Anwendung von Medikamenten, sondern auch bei der Kontrolle und Aufdeckung dieser Missstände. Das alles wissen wir aus einem EU-Kontrollbericht. (Abg. Böhacker: Das steht nicht in der Anfragebeantwortung!)

Und dafür soll diese Gesundheits- und Ernährungsagentur die Lösung sein?! – Nein, aus unserer Sicht keineswegs, und zwar aus mehreren Gründen nicht. (Abg. Böhacker: Da werden Sie in der Minderheit bleiben!) Herr Staatssekretär Finz, zwei Dinge, die nicht auf dem Tisch liegen: Es ist nicht klar, wie diese Agentur lebensfähig sein soll. Warum? – Deren Einnahmen werden nicht bei 20 Millionen Schilling bleiben, sondern werden sinken, weil die bakteriologisch-serologischen Bundesanstalten die Aufträge an Krankenhäuser verlieren werden. – Das ist der eine Punkt.


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Der zweite Punkt: Ich habe noch kein offizielles Papier gesehen, das erläutert hätte, welche Synergieeffekte wirklich erzielt werden und worin diese Einsparung von 10 Millionen Schilling bestehen soll. – Das kurz dazu.

Meine Damen und Herren! Eines ist, wie ich glaube, ganz wesentlich, nämlich zu erkennen, dass Konsequenzen aus den Agrarskandalen der letzten Jahre nicht gezogen werden. Ein Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes zeigt ganz klar, dass es enormen Missbrauch bei der Zuteilung von Exportförderungen in der Europäischen Union gibt. Dieser Bericht vom 8. November 2001 zeigt auch auf, dass da ein enormer Subventionssumpf herrscht, ein Subventionssumpf, in den auch österreichische Unternehmen verwickelt sind.

Erinnern wir uns an den ersten BSE-Skandal. Was ist da aufgeflogen, meine Damen und Herren? – Ein Exportförderungsskandal mit Umdeklarationen von Rinderhälften, mit falsch deklariertem Fleisch. – Das hat doch System! Und dazu kann ich Ihnen einiges aus diesem Bericht des Europäischen Rechnungshofes zu Gemüte führen.

Dazu in Stichworten. Im Rahmen dieser Exporte werden so genannte Ankunftsbestätigungen von Kontroll- und Überwachungsgesellschaften ausgestellt. Und diese Ankunftsbescheinigungen sind – aber nicht nur in Österreich – gefälscht worden. Das ist ein Ergebnis dieser Untersuchung des Europäischen Rechnungshofes. Konkret heißt es in diesem Bericht zum Beispiel: Russland, gefälschte Einfuhranmeldungen: 76 Prozent der überprüften Bestätigungen waren mangelhaft. 76 Prozent der Ankunftsbestätigungen bei Exporten nach Russland!

Weiters, meine Damen und Herren: Umleitung von Käse nach Kanada. – Auch das ist eine Möglichkeit einer Erschleichung von Exportsubventionen! Weiters: unterschiedliche Sätze für Lebend- und Zuchtrinder. – Auch wieder eine Möglichkeit, erhöhte Subventionen zu erschleichen! Ebenso: die Gefahr von "Karussellverfahren"; das heißt, es werden Produkte exportiert, die danach gleich wieder importiert werden, um so zweimal zu kassieren.

Auch das, meine Damen und Herren, ist nachzulesen in diesem Kontrollbericht des Europäischen Rechnungshofes. – Herr Staatssekretär Finz, Ihr Bereich ist zuständig für die Abwicklung von Zollkontrollen und Exporterstattungen. Das Zollamt Salzburg ist die österreichische Zahlstelle und hat auch die Überwachung dieses Sektors vorzunehmen.

Zitieren möchte ich aus diesem Kontrollbericht die österreichische Vorgangsweise betreffend:

"In Österreich wies die Zahlstelle Ankunftsnachweise aus der Ukraine und Kroatien zurück, die auf aktiven Veredelungsverkehr lauteten, und schickte sie an die Empfänger zurück. Diese änderten die Papiere prompt auf Abfertigung zum freien Verkehr und reichten sie erneut bei der Zahlstelle ein." – Zitatende.

Das ist doch unglaublich, meine Damen und Herren! Unglaublich, was diesbezüglich alles in Österreich geschah! Da wäre endlich etwas zu tun! Da müsste man endlich Maßnahmen setzen, Kontrolle implementieren – und nicht diese wackelige und halbherzige "Lebensmittelagentur"! (Beifall bei den Grünen.)

18.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

8. Punkt

Erste Lesung: Bildungsoffensive- und Studiengebühren-Volksbegehren (966 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.


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92. Sitzung / Seite 173

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

18.30

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es um Fragen der Bildungspolitik geht, dann handelt es sich nicht um trockene Zahlen, sondern – und das müssen wir uns immer vor Augen halten, wenn wir das hier im Hohen Haus diskutieren – dann geht es um die Zukunftschancen von jungen Menschen, für die wir hier die Weichen stellen, dann geht es um den Sockel für die Startchancen, für die Lebenschancen, die jemand zukünftig haben wird. Die Bildung, die Chancen, der Zugang zur Bildung sind doch ein maßgeblicher Faktor dafür, welche Berufschancen man einmal haben wird, welchen Beruf man ausüben kann und welches Einkommen man haben wird. Das heißt, Fragen der Bildungspolitik sind ein wesentlicher Schlüssel zur Frage der sozialen Gerechtigkeit, und vor diesem Hintergrund müssen wir diese Fragen auch im Hohen Haus diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben gestern im Zuge der Debatte über die Ergebnisse des PISA-Berichtes bereits darüber diskutieren können, in welche Richtung die Weichen derzeit leider gestellt werden. Wir haben über das Kaputtsparen des Bildungssystems durch die derzeitige Bundesregierung und durch den Chancenabbau, der im Moment zunehmend vor sich geht, diskutiert. Diese Schritte haben dazu geführt, dass bei den Betroffenen große Sorge besteht, auch schon in den vergangenen Monaten bestanden hat, bei den Schülern und Schülerinnen, bei den Lehrern und Lehrerinnen und auch bei den Eltern. Aus dieser berechtigten tiefen Sorge heraus ist die Initiative zu diesem Bildungs-Volksbegehren entstanden, das uns jetzt zur Behandlung vorliegt.

Ich möchte Ihnen gerne einen Brief vorlesen, einen der vielen, die wir in letzter Zeit bekommen haben, wo es darum geht, wie der Schulalltag jetzt ausschaut, weil Sie das immer gerne leicht wegwischen und sagen, das seien Erfindungen der Opposition. Es ist übrigens eine Schule aus der Steiermark. Es wird hier berichtet von der Reduktion der Stunden für den sonderpädagogischen Förderbedarf, der dazu führt, dass schwierige SchülerInnen teilweise nicht mehr betreut werden können und vom Unterricht freigestellt werden. Es wird berichtet, dass die Integration ausgehöhlt wird, dass für die Integration keine Mittel vorhanden sind und die Integration in der Schule nicht mehr stattfinden kann, dass die Stunden für die BeratungslehrerInnen nicht vorhanden sind und daher Beratungslehrer abgebaut werden, nicht mehr vorhanden sind. Sie lassen sich dafür als Ersatz Strafen einfallen, die nichts helfen.

Beim interkulturellen Lernen findet eine starke Reduktion statt. Eine sprachliche Integration kann nicht mehr stattfinden. Unverbindliche Übungen, Freigegenstände, die das Profil einer Schule ausmachen, können nicht mehr ausgeschöpft werden, weil die Stunden nicht da sind. Informatik muss gekürzt werden, obwohl sich der Schulerhalter bemüht, die modernsten Geräte anzuschaffen. – Ich glaube, das war schon ein ziemlich umfassendes Bild. Hinzuzufügen wären die immer größeren Klassen oder auch die Situation an den Universitäten, wo die Studentenzahlen bereits sinken.

Ich begrüße, dass wir uns darauf geeinigt haben, einen Unterausschuss einzusetzen, in dem wir dieses Volksbegehren behandeln und im Zuge dessen wir auch öffentliche Expertenhearings haben werden. Es gibt ja den schönen Satz, dass Bildungspolitik bedeutet, gegen den Strom zu rudern. Und wer zu rudern aufhört, der fällt zurück.

Ich möchte Sie einladen, im Zuge der Behandlung dieses Volksbegehrens mit uns dafür zu sorgen, dass kein Stillstand erreicht wird, dass wir nicht zurückfallen und dass wir im Sinne einer positiven Zukunft für unsere Kinder und Jugendlichen das Ruder wieder herumreißen und die Bildungspolitik in die richtige Richtung weiterentwickeln. (Beifall bei der SPÖ.)

18.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

18.35

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das Ergebnis dieses Volksbegehrens ist ernst zu nehmen, das ist gar keine Frage.


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92. Sitzung / Seite 174

Knapp 174 000 Menschen haben es unterschrieben, und diese 174 000 Menschen haben damit im Wege der direkten Demokratie ihr Anliegen an die Politik herangetragen, und das ist selbstverständlich von uns zu respektieren. Wir werden daher dieses Volksbegehren eingehend in einem Unterausschuss beraten, und die Koalitionsparteien werden in dieser Auseinandersetzung nachweisen, dass diese Bundesregierung eine ausgezeichnete und hervorragende Bildungspolitik betreibt (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), eine Bildungspolitik, meine Damen und Herren, die den hohen Ausbildungsgrad unserer Jugend aufrechterhält und sicherstellen wird, eine Bildungspolitik, die die Zukunft sichert.

Wir haben gestern in diesem Hohen Haus die Ergebnisse der PISA-Studie beraten und diskutiert. Und wir haben durch diese PISA-Studie bestätigt bekommen, dass wir in Österreich ein gutes Bildungssystem haben, dass unsere Schüler im guten oberen Drittel liegen, dass aber – und auch das wurde gestern mehrfach von allen Parteien zum Ausdurck gebracht – in einigen Punkten durchaus auch Reformbedarf besteht.

Meine Damen und Herren! Das Budget dieser Bundesregierung für Bildungspolitik sieht für das Jahr 2002, Frau Kollegin Kuntzl, 8 Milliarden € vor. Das sind umgerechnet 110 Milliarden Schilling, und das ist großartig. Es ist damit innerhalb von nur drei Jahren blau-schwarzer Regierungsarbeit gelungen, um fast 500 Millionen € oder knapp 7 Milliarden Schilling mehr (Zwischenruf des Abg. Gradwohl ) – das dritte Budget, mit 2002 – für die Bildung zur Verfügung zu stellen. Meine Damen und Herren! Das ist großartig! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Keine Spur von Kaputtsparen des Bildungssystems, wie Sie uns immer wieder vorwerfen! Keine Spur von Abschneiden der Mittel, wie Sie nicht müde werden, unser Bildungssystem kaputtzureden!

Mehr Mittel denn je stehen zur Verfügung, und das ist gut so. 8 Milliarden € für Bildung sind ein tolles Ergebnis. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Das bedeutet ein Mehr von 1,2 Milliarden €, 16,5 Milliarden Schilling gemessen an den Ausgaben der rot-schwarzen Bundesregierung unter einem roten Bildungsminister im Jahre 1997! Das ist ein Erfolg konservativer Regierungspolitik, weil uns Bildung und Ausbildung unserer jungen Menschen viel wert sind.

Ein Dank an Frau Minister Gehrer, aber auch ein Dank an Finanzminister Grasser, der es trotz Sanierungskurses geschafft hat, die Ausgaben für die Bildung zu steigern. Diese Investition wird sich rechnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Deshalb haben auch – gemessen an den eigentlichen Erwartungen der Initiatoren dieses Volksbegehrens – nur sehr wenige Menschen das vorliegende Volksbegehren unterschrieben, auch das muss man sagen. Trotz groß angelegter Unterstützung durch die Sozialisten und die Grünen, trotz massiver Panikmache der Oppositionsparteien, trotz vielfachen Aufrufs zur Leistung der Unterschrift durch die Österreichische Hochschülerschaft und durch die Gewerkschaft ist das Volksbegehren gefloppt, es lag auf dem 21. Platz von insgesamt 26 Volksbegehren. Heute wissen wir, dass es nur mehr auf dem 22. Platz liegt.

Das ist eine Absage der Bevölkerung an die rot-grüne Panikmache im Bereich der Bildung. Das ist eine Zustimmung zum ausgezeichneten Kurs dieser Bundesregierung. Die Menschen, die Österreicherinnen und Österreicher erkennen und honorieren die Anstrengungen und Erfolge dieser Koalition im Bereich der Bildungspolitik.

Lassen Sie mich zum Abschluss eine Zeitung zitieren, den "Standard", der bekanntermaßen kein Organ dieser Bundesregierung ist, der da schreibt:

"Das Bildungsvolksbegehren ist gefloppt. Das ist die für die Initiatoren bittere Wahrheit, auch wenn sie das Ergebnis ganz im Stil klassischer Wahlverlierer schönzureden versuchen. Von wegen ,ein schöner Erfolg’: ... – Zitatende.


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92. Sitzung / Seite 175

Dabei hat es an Unterstützung nicht gemangelt: Die SPÖ-Spitze trat gemeinsam zur medienwirksamen Unterschriftenleistung an, der ÖGB ließ ausgerechnet die Bauarbeiter gegen die Studiengebühren auftreten.

"Zu plump", schreibt dann der Kommentator weiter, "war das Volksbegehren von der Opposition gegen die Regierung in Stellung gebracht worden".

Das bringt die Sache auf den Punkt, das trifft den Kern, den es in diesem Volksbegehren zu analysieren gilt. Wir werden im Ausschuss nachweisen, dass diese Regierung eine ausgezeichnete Bildungspolitik betreibt, dass sie die Ausbildung unserer Jugend in Zukunft sicherstellen und garantieren wird. Ein Dank schon jetzt an Frau Minister Gehrer, die diese gute Bildungspolitik betreibt, ein Dank an alle Bildungspolitiker!

Frau Kollegin Kuntzl, lassen Sie mich zum Abschluss noch eines Ihrer Worte aufgreifen: Diskutieren wir wirklich gemeinsam über Reformen im Bildungsbereich! – Ich hoffe, dass diese Ihre Aussage ernst gemeint war. Ich hoffe, dass Sie wegkommen von Panikmache, ich hoffe, dass die Opposition zurückkommt zur konstruktiven Bildungspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

18.41

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten ja gestern im Rahmen der Aktuellen Stunde, die wir von der Volkspartei beantragt haben, schon Gelegenheit, uns mit Fragen der Bildungspolitik zu beschäftigen. Es ist abermals die Bundesregierung beziehungsweise es sind abermals die Koalitionsparteien, die hier dieses Bildungs-Volksbegehren in eine erste Lesung nehmen, weil wir damit auch dokumentieren wollen, dass uns Bildungspolitik wichtig ist, dass uns Bildungspolitik ein Anliegen ist – durchaus in dem Sinne ... (Abg. Gradwohl: Wir sind aber bei der ersten Lesung schon auch dafür gewesen? Das war schon gemeinsam?)

Das macht ja nichts! Deswegen haben trotzdem wir diesen Antrag gestellt, um zu dokumentieren, dass uns das wichtig ist. Es ist immer schön, wenn einem die Opposition dabei folgt, und wir begrüßen das auch (Abg. Gradwohl: Ich wollte das nur festhalten!), dass die Opposition mit uns der Meinung war, dass es sinnvoll ist, dieses Bildungs-Volksbegehren in eine erste Lesung zu nehmen – das ist überhaupt keine Frage. (Abg. Gradwohl: Mit Freuden!)

Was ich aber kritisieren möchte, ist Folgendes: Frau Kollegin Kuntzl hat gesagt, wir haben gestern über "Bildungsabbau", über "Kaputtsparen" diskutiert. – Da möchte ich Sie korrigieren: Sie haben darüber diskutiert, dass es einen Bildungsabbau gibt, dass kaputtgespart wird. (Abg. Schasching: Sie leider nie! Das ist ja das Problem!) Ich habe Ihnen gestern nachgewiesen, und ich werde nicht müde werden, Ihnen das weiter nachzuweisen – und die im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte internationale PISA-Studie der OECD hat es Ihnen auch nachgewiesen –, dass es kein Land auf der Welt gibt, das pro Kopf so viel für Bildung ausgibt wie die Republik Österreich! Und das ist das Verdienst dieser Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mein Kollege Schender hat schon darauf verwiesen: Wir wollen – und das ist gerade auch mein Anliegen als Vorsitzender des Unterrichtsausschusses –, dass wir uns intensiv mit den Fragen des Bildungs-Volksbegehrens auseinander setzen und dass wir uns in einem extra dafür eingerichteten Unterausschuss auch Zeit dafür nehmen. Ich möchte das hier ausdrücklich betonen.

Ich bin auch dankbar für den Vorschlag, den Kollege Antoni mir heute überreicht hat. Wir werden diesen Vorschlag koalitionsintern besprechen und dann noch einmal in Gespräche darüber eintreten. Ich denke, dass wir da sicher kein Problem haben werden, eine einvernehmliche Vorgangsweise zu finden.


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Mir ist aber auch wichtig, dass wir in den Diskurs – das ist in diesem Vorschlag nicht enthalten – etwa auch die Schulpartner einbinden, dass wir etwa Schülerorganisationen, Elternorganisationen und Lehrerorganisationen bei der Behandlung dieses Bildungs-Volksbegehrens auch als Gesprächspartner mit aufnehmen.

Ich denke, dass wir aber auch sehen müssen, dass die Unterstützung für dieses Volksbegehren nur eine relative war, wenn man die Themenpalette, die hier angesprochen war, bedenkt: Es waren damit Menschen angesprochen, die sich sozusagen über eine Lehre ausgebildet haben, Menschen, die mit der Schule im weitesten Sinne verbunden sind – Lehrer, Schüler allenfalls, vor allem aber auch die Eltern –, und natürlich auch der ganze universitäre Bereich.

So gesehen kann man eigentlich sagen, dass ein sehr breites Wählerspektrum angesprochen war. Den Überlegungen, die in diesem Bildungs-Volksbegehren vorgeschlagen worden sind, sind allerdings nur etwa 2,9 Prozent der Wahlberechtigten gefolgt, eben jene besagten 173 596 Menschen, die – und da stimme ich mit Ihnen überein, Frau Mag. Kuntzl – aus Sorge unterschrieben haben.

Die Frage ist immer: Ist eine Sorge berechtigt, oder entsteht diese Sorge aus einer Diskussion heraus, die – von der Argumentation her berechtigt oder unberechtigt – geführt wird? Aber weil es hier Sorgen gibt, soll man das auch ernst nehmen, und man soll sich damit eingehend beschäftigen.

Ich rufe aber in Erinnerung, dass es eine alljährliche IFES-Studie gibt, die sich mit der Frage der Zufriedenheit mit dem österreichischen Bildungssystem auseinander setzt, und dass laut der letzten IFES-Studie, die im vergangenen Jahr durchgeführt wurde, 75 Prozent der österreichischen Bevölkerung sagen, dass sie mit dem österreichischen Bildungssystem "sehr zufrieden" oder "zufrieden" sind. Ich denke, dass auch das mit ein Grund dafür ist, dass dieses Volksbegehren eine nicht allzu breite Unterstützung gefunden hat.

Lassen Sie mich noch ganz kurz – ich habe noch etwa zwei Minuten Redezeit – auf die einzelnen Punkte dieses Volksbegehrens eingehen und den einen oder anderen Gedanken entwickeln.

Der erste Punkt war: "Gegen Studiengebühren und für einen unentgeltlichen Zugang zu Bildung und Schule!" – Sie wissen ja, ich habe, als wir die Studienbeiträge eingeführt haben, selbst eine durchaus kritische Haltung eingenommen. Ich denke aber, dass mittlerweile bewiesen ist, dass der Beitrag, den wir eingeführt haben, so sehr mit Augenmaß eingeführt worden ist, dass er auch leistbar ist. (Abg. Schasching: 20 Prozent weniger Studierende!)

Ich bedauere, dass die ÖH-Vertreter seinerzeit an den Verhandlungen um das Universitätsbeihilfengesetz nicht teilgenommen haben, denn möglicherweise hätten sie dann besser informieren können. Wenn man bedenkt, dass wir für 25 Prozent aller Studierenden Beihilfen vorbereitet haben, dass aber nur etwa 19 Prozent der Studierenden um solche Beihilfen angesucht haben, so beweist das entweder, dass es diese Bedürftigkeit, die Sie sehen, und die Probleme bei der Finanzierbarkeit nicht gibt, oder aber, dass es nicht ausreichend Information gibt. Ein Beitrag zu mehr Information wäre, aus meiner Sicht jedenfalls, dass die ÖH auch verstärkt in die Beratung geht, denn das ist zweifelsohne auch eine der ureigensten Aufgaben der Österreichischen Hochschülerschaft. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) – Ich danke für den Applaus, der hier jedenfalls gerechtfertigt ist.

Der zweite Punkt: "Für ein sozial gerechtes Schüler- und Studienbeihilfensystem!" – Ich denke, da kommen wir zu spät, denn aus unserer Sicht gibt es das. Wenn Sie konkrete Fälle haben, wo Beihilfen nicht gewährt werden – kein Gesetzestext ist vollkommen, möglicherweise gibt es da Lücken –, dann schauen wir uns das an. Aber liefern Sie uns bitte auch konkrete Beispiele.

Dritter Punkt: "leistungsorientiertes universitäres Dienstrecht". – Wir haben ein neues universitäres Dienstrecht beschlossen, das eine durchgehende Laufbahn garantiert. Ich denke auch, dass die Leistungskomponenten ausreichend berücksichtigt sind.


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92. Sitzung / Seite 177

Sie wenden sich "gegen Kürzungen im Bildungsbereich". – Hier haben wir nachgewiesen: Diese gibt es nicht! Das stimmt ganz einfach nicht! Wir haben das höchste Budget seit 1945.

Sie sprechen sich weiters "für Reformen im Bildungsbereich" aus. – Da ist vor allem die SPÖ aufgerufen, sich an diesen Reformen doch bitte zu beteiligen, und zwar stärker zu beteiligen als bisher, denn bisher war Ihr Programm zur Bildungspolitik ein klares Nein zu allen Vorlagen, die wir geliefert haben. Die Gegenvorschläge sind ausgeblieben. Ich lade Sie aber ein, bei künftigen Reformen, etwa im Bereich der AHS-Oberstufen-Reform, die wir in nächster Zeit zu diskutieren haben werden, konstruktive Beiträge zu leisten, damit wir hier in einer Gemeinsamkeit auch die AHS-Oberstufe, gerade im Vergleich zu den berufsbildenden höheren Schulen, konkurrenzfähig machen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich komme zu den letzten drei Punkten des Volksbegehrens: "Schaffung einer bundesgesetzlichen Regelung für neue Formen der Kooperation zwischen den verschiedenen Schularten". – Dazu muss ich Ihnen sagen: Da werden wir natürlich eine heftige Auseinandersetzung führen, weil wir ein ganz klares Nein zu einer undifferenzierten Gesamtschule, wie Sie das in manchen Schulversuchen in Wien betreiben, sagen. Gerade die PISA-Studie zeigt auch, dass undifferenzierte Gesamtschulen am schlechtesten abschneiden. Eine horizontale Kooperation aus Hauptschule, die undifferenziert ist – Sie wissen, in vielen Wiener Bezirken haben wir in den Hauptschulen keine Leistungsgruppen mehr, also eine undifferenzierte Gesamtschule –, und der AHS-Unterstufe wird es also aus unserer Sicht mit Sicherheit nicht geben. (Abg. Schasching: Wissen Sie überhaupt, womit gearbeitet wird?)

Weiters verlangen Sie ein "Recht auf schulische Berufsausbildung". – Sie wollen damit in Wirklichkeit das Ende der dualen Lehrlingsausbildung herbeiführen. Auch das wird es mit uns nicht geben. Wir werden international um die duale Berufsausbildung beneidet. Daher ist eine Vollzeit-Berufsausbildung im Sinne einer Vollzeit-Berufsschule mit uns von der Volkspartei nicht denkbar.

Der letzte Punkt: die Frage der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen. – Da muss man natürlich auch sehen, dass wir insgesamt rückläufige Schülerzahlen haben. (Zwischenruf des Abg. Brosz. ) Ich habe Ihnen das schon einmal vorgerechnet: In Österreich gibt es 41 500 Klassen. In 33 700 Klassen gibt es weniger als 25 Schüler, das heißt, in 7 800 Klassen gibt es mehr als 25 Schüler. Das muss man sich sicherlich im Detail anschauen, wie viele mehr wir denn dort haben, denn würden wir bei all diesen Klassen eine Vorgangsweise wählen, die darin besteht, dass wir neue Klassen eröffnen, dann würde das das Bildungsbudget mit 25 Milliarden Schilling belasten. (Widerspruch des Abg. Öllinger. )

Sie können das gerne nachrechnen, ich habe es dem Kollegen Brosz auch im Ausschuss schon einmal vorgerechnet. (Abg. Brosz: Eine Milchmädchenrechnung von Ihnen war das! Die Amon’sche Milchmädchenrechnung!) Die Eröffnungskosten etwa für eine AHS-Klasse bewegen sich in dieser Größenordnung, und dann kommt man auf diese Summe.

Aber ich bekenne mich dazu: Schauen wir uns das im Detail an! Vielleicht können wir in der Frage, wie wir das Problem der Klassenschülerhöchstzahlen in Zukunft handhaben, in Form eines Stufenplans zusammenfinden. (Abg. Schwemlein: Da hättest du eine Matura machen müssen, dann könntest du das ausrechnen!)

Ich lade aber dazu ein, dass wir in Bezug auf diese Fragen in einen konstruktiven Dialog eintreten, damit wir im Sinne einer sehr guten Ausbildung eine bestmögliche Bildungspolitik gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP.)

18.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, erteile ich Ordnungsrufe wie folgt:

Herr Abgeordneter Großruck hat während eines Debattenbeitrags der Frau Abgeordneten Glawischnig diese in einem Zuruf mit dem Ausdruck "Eine Wahnsinnige!" bedacht. – Dafür erteile ich ihm einen Ordnungsruf.


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92. Sitzung / Seite 178

Weiters hat Herr Abgeordneter Öllinger während seiner Ausführungen an die Adresse der Frau Abgeordneten Rauch-Kallat wörtlich gesagt: "Wir haben eine Verluderung der Republik durch Ihre politischen Repräsentanten." – Dafür erteile ich ihm einen Ordnungsruf.

Darüber hinaus haben Sie Herrn Klubobmann Westenthaler wörtlich gesagt, dass er mit Erpressung irgendwelcher Journalisten arbeitet. – Dafür erteile ich Ihnen einen weiteren Ordnungsruf. (Abg. Brosz: Zwei in einer Rede? – Alle Achtung!) – Sie können sich das Protokoll ruhig hier abholen.

Als nächstem Debattenredner erteile ich nun Herrn Abgeordnetem Brosz das Wort. (Abg. Öllinger: Und die Repräsentanten, die verludern, die bekommen keinen Ordnungsruf!)

18.52

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kommen wir zunächst zum formalen Aspekt, den Herr Kollege Schender wieder ausgebreitet hat, der davon gesprochen hat, wenn ich es richtig im Kopf oder im Ohr habe, dass dieses Bildungs-Volksbegehren "gefloppt" hat. (Abg. Mag. Schender: Nicht ich, der "Standard" hat das gesagt!)  – Der "Standard", okay.

In der Dringlichen Anfrage, die Sie, glaube ich, im November gemeinsam mit dem Kollegen Amon gestellt haben, ist es sehr ähnlich drinnen gestanden. Ich wollte Sie damals schon darauf aufmerksam machen, dass ein Volksbegehren unlängst eine sehr ähnliche Anzahl an Unterstützern gehabt hat, nämlich 183 000 – um 10 000 mehr, also nicht wirklich ein großer Unterschied in der Anzahl von Unterstützern. Es war dies das Familien-Volksbegehren, wie Sie sicherlich wissen, und dieses Familien-Volksbegehren haben Sie letztlich dazu benutzt, um umfangreiche politische Maßnahmen in diesem Bereich zu setzen. Seien wir also ehrlich und sagen wir ganz offen, dass es nicht darum geht, ob da 10 000 Menschen mehr oder weniger unterschreiben, sondern darum, ob etwas politisch gewünscht wird oder nicht. Das steht einer Regierungspartei letztlich auch zu, jene Maßnahmen zu setzen, die sie für sinnvoll erachtet; deshalb gibt es auch Mehrheiten hier im Haus. Aber die Anzahl der Unterstützer kann es da nicht ganz gewesen sein.

Wir haben beantragt – und wir haben diesen Antrag auch jetzt in der Debatte eingebracht –, dass wir zum Bildungs-Volksbegehren einen besonderen Ausschuss einrichten, weil wir der Meinung sind, dass es nicht wirklich zutreffend ist, Fragen der Wissenschaft in einem Unterausschuss des Unterrichtsausschusses zu behandeln, was jetzt vorgesehen ist. Es gab vor gar nicht allzu langer Zeit beim Gentechnik-Volksbegehren einen eigenen Ausschuss. Ich glaube, wenn es den Anlass gibt, einen eigenen, besonderen Ausschuss zu benennen, dann ist das bei diesem Volksbegehren der Fall, bei dem eindeutig zwei Materien aus zwei unterschiedlichen Ausschüssen betroffen sind. Ich verstehe nicht ganz, worin da das Problem liegt! Die Zusammensetzung würde wahrscheinlich gleich aussehen. Ich denke, dass es wesentlich sinnvoller ist, Fragen der Wissenschaft auch dort zu behandeln, wo sie hingehören – und nicht beim Unterrichtsausschuss anzuhängen. Aber vielleicht werden Sie sich auch noch dazu entschließen, diesem Antrag zuzustimmen.

Dazu wäre es uns noch wesentlich – denn das wird ja, nehme ich einmal an, jetzt nicht mehr passieren –, dass Sie Ihrer Zustimmung, dass wir mitgestalten und mitreden sollen, auch dahin gehend Ausdruck verleihen, dass zumindest den Grünen auch zugestanden wird, zwei Vertreter in diesen Ausschuss zu entsenden, denn sonst werden wir Probleme haben, Wissenschafts- und Unterrichtsagenden in diesem Ausschuss gemeinsam zu vertreten. Und das war ja offenbar auch Ihr Interesse, dass das erfolgen soll.

Vielleicht ist es legitim, dass der Wissenschaftssprecher und der Bildungssprecher an der Behandlung dieses Volksbegehrens im Ausschuss teilnehmen. Wenn Sie das verhindern, was ja durchaus anzunehmen ist, dann mag das so sein, aber dann reden Sie nicht davon, dass wir uns einbringen sollen oder dass Sie das wünschen! Das ist dann ein eindeutiger Widerspruch.

Zum Kollegen Amon. Jetzt diskutieren wir, glaube ich, zum siebenten Mal die Frage des Bildungsbudgets. Es ist eine semantische Diskussion. Richtig ist: Es gab keine Kürzung der Bil


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dungsausgaben (Abg. Dr. Brinek: Nein, es gab eine Erhöhung!) in absoluten Zahlen. Korrekt, ja. Das ist keine Frage: 110 Milliarden Schilling sind immerhin um 3 Milliarden Schilling mehr als vor drei Jahren. Das ist eine Erhöhung um 3 Prozent innerhalb von drei Jahren. – Ich zitiere dazu Ministerin Gehrer. Sie hat gesagt: Der Struktureffekt beträgt 3 Prozent. Bei etwa 100 Milliarden Schilling sind das allein 3 Milliarden, um die jährlich erhöht werden müsste, um den Status quo zu halten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist eine einfache Rechnung (Abg. Dr. Brinek: ... Lehrerbudget!): Wenn Sie nicht um 3 Milliarden Schilling jährlich erhöhen, dann müssen Sie irgendetwas einsparen, sonst funktioniert das System nicht mehr – ganz einfach! Da kommen noch die 1,5 Prozent, je nachdem, Lohnerhöhung dazu – eigentlich sind es also 4 bis 5 Prozent.

Faktum ist, nach dieser Rechnung ... (Abg. Amon: ... das bei den Lehrern einsparen?) Schauen Sie die Zahlen des BIP an! Das ist ja relativ einfach: Der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt ging in den letzten Jahren eklatant zurück, und insbesondere seit diese Regierung regiert, wie immer man das nennt ... (Abg. Amon: Wie ist das im internationalen Vergleich?) Das ist relativ einfach, die Rechnung lautet: Es fehlen in etwa 10 Milliarden Schilling allein in dieser Legislaturperiode im Vergleich zu den Ausgaben am Beginn, und das ist ganz klar begründbar. Man braucht es sich ja nur anzuschauen: Einsparungen im Bereich des Förderunterrichts, Einsparungen im Bereich von Freigegenständen an den Schulen, höhere Klassenschülerzahlen, die Teilungsziffern an den Schulen gehen hinauf. Das ist ja alles evident! – Ich verstehe nicht, dass Sie nicht sagen: Okay, wir stehen dazu, wir wollen einsparen, uns ist es egal, ob wir höhere Klassenschülerzahlen haben, ob da in großen Gruppen Sprachen unterrichtet werden oder nicht – wir glauben, es bringt die gleichen Ergebnisse! – Das wäre wenigstens fair und offen!

Aber zu sagen: Wir sparen nicht ein, das findet nicht statt!, das ist einfach eine Verkennung jeglicher Realität, und das ist massiv abzulehnen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Öllinger: Das ist typisch!)

Ich möchte noch ein bisschen näher auf die die Schule betreffenden Bereiche dieses Bildungs-Volksbegehrens eingehen; die Wissenschaftsbereiche wird Kollege Grünewald dann noch ansprechen.

Beim Begriff "Gesamtschule", wie Sie ihn immer interpretieren, wird von Ihnen ein Bild gemalt, als gehe es uns darum, dass alle genau das Gleiche bekommen sollen, dass es keinerlei Differenzierung, am besten keine Auswahl geben soll. – Das ist Ihr Bild von "Gesamtschule", das Sie uns unterstellen.

Unseres ist das nicht – ich glaube auch nicht, dass es jenes der SPÖ ist, aber die können das wahrscheinlich selbst darlegen. Im Bereich der Gesamtschule oder der gemeinsamen Schule geht es darum, von Gleichwertig keit zu sprechen, aber nicht von Gleichartig keit. Das ist der Punkt. Es geht darum, in einem System zu unterrichten, wo sehr viel mehr möglich sein sollte an Individualität, an verschiedenen Förderungen, an Wahlmöglichkeiten. All das fordern wir seit langem ein! Sie sagen, das ist nur dadurch zu erreichen, indem man differenziert, indem man möglichst früh die Guten von den Schlechten trennt. Die Guten können sich dann besser entwickeln, und die Schlechten – was mit denen passiert, weiß man nicht wirklich. Das ist Ihnen egal. Offenbar ist Ihr Bild: Es funktioniert nur dann, wenn man möglichst früh trennt.

Schauen Sie zum Beispiel nach Finnland – wir haben das gestern diskutiert –: In Finnland gibt es ein System, wo ganz explizit darauf hingearbeitet wird, dass Kinder, die es brauchen, die lernschwach sind, spezielle Förderungen erhalten. Das ist das Spezifische am finnischen System. Dort wird erstens in Gruppen unterrichtet, wo gute Schüler mit schlechteren Schülern – wenn man das so sagen will – zusammen unterrichtet werden, wo auch die Gruppen benotet werden, wo sie gemeinsam benotet werden und nicht jeder individuell benotet wird. Und das hat natürlich auf die Arbeitsweise ganz logische Auswirkungen: Für die Besseren in diesen Gruppen ist es in ihrem Interesse, dass alle gute Leistungen erbringen, weil das auf ihre eigene


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Beurteilung zurückschlägt. Das sind Modelle, über die man, glaube ich, sehr intensiv nachdenken sollte. – Wir werden ja sehen, ob Sie dazu bereit sind.

Kooperation bedeutet auch, dass es um die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur geht. Ich halte es für absurd, dass man, bevor man in Gemeinden, in denen es ein Gymnasium und eine Hauptschule gibt, für Sportangebote einen Turnsaal gemeinsam nutzt – das geht offenbar irgendwie nicht, denn die eine ist eine Landesschule und die andere ist eine Bundesschule –, für die jeweilige Schule all das neu bauen muss.

Der Versuch, besser zu kooperieren, betrifft also nicht nur die Inhalte, sondern auch die Infrastruktur und selbstverständlich auch die Lehrer. Das ist ja das nächste Problem: In unserem System, das zugegebenermaßen demographische Verschiebungen mit sich bringen wird, stelle ich mir das sehr skurril vor, dass man auf der einen Seite Lehrer, die da sind, dann entlassen muss, weil eben in diesen Bereichen der Schule weniger Kinder nachkommen, und auf der anderen Seite dort, wo sie hin wechseln, wahrscheinlich andere Lehrer neu einstellen muss. Wenn hier keine Flexibilität in der Lehrerausbildung geschaffen wird, wird das Ganze sowieso nicht funktionieren.

Das ist es, was hier mit "Formen der Kooperation" gemeint ist, und das hat mit den großen inhaltlichen Dingen, die Sie da ansprechen, noch wenig zu tun. Da gibt es auch noch viele andere Aspekte.

Zu Ihrer Rechnung betreffend Klassenschülerhöchstzahlen, Kollege Amon: 24 Milliarden Schilling haben Sie heute genannt. Ich kann mich erinnern: Die Zahl "50 Milliarden", die das kosten würde, wenn alle Klassen umgestellt würden, ist auch schon einmal gefallen. Dazu muss man sagen, dass niemand von einem Tag auf den anderen sagt: 25 Schüler in der Klasse! Sofort umstellen! Alles muss sofort neu gebaut werden! – Das wäre ja auch skurril. Dass das Ganze natürlich ein Prozess sein muss, ist relativ klar.

Der Punkt ist nur: Heuer sitzen zum Beispiel rund 100 000 Schüler in Österreich in Klassen, die über der gesetzlichen Klassenschülerhöchstzahl liegen, und zwar deshalb, weil es diesbezüglich eine "Pufferzone" von 20 Prozent gibt. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Speziell in den berufsbildenden mittleren Schulen und in den höheren Schulen, in den Gymnasien, gibt es sehr viele Klassen, welche die Schülerzahl von 30 überschreiten, die Höchstzahl von 36 ausschöpfen beziehungsweise teilweise sogar darüber hinausgehen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Allein diesbezüglich steht im Gesetz etwas ganz anderes! Die Klassenschülerhöchstzahl kann, um Abweisungen zu vermeiden, überschritten werden. Es steht aber nicht im Gesetz, dass das ein Dauerzustand sein soll. Und wenn das zum Dauerzustand geworden ist, dann wären gesetzliche Maßnahme zur Veränderung dieser Situation notwendig, und das ist in der Vergangenheit ganz sicher verabsäumt worden!

Wenn wir nur die im Gesetz genannten Klassenschülerzahlen einhalten könnten, dann wäre schon viel erreicht! (Abg. Mag. Schweitzer: Wann ist das Gesetz verabschiedet worden?)  – Das brauchen Sie mich nicht zu fragen. Sie wissen genau, dass wir auch damals nicht Regierungsverantwortung hatten, wenn Sie darauf hinaus wollen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.) 

Übrigens war aber die ÖVP sehr wohl seit langem in der Regierung und hat auch die Ministerin gestellt. Dass in der Vergangenheit alles optimal gelaufen ist, wird ja niemand behaupten, wird wahrscheinlich auch die SPÖ nicht behaupten. (Abg. Mag. Schweitzer: Jetzt wird es besser!) Faktum ist: Jetzt wird es schlechter. Und darauf kommt es an! Jetzt gibt es wesentlich massivere Einsparungen, als es das in der Vergangenheit je gegeben hat. Das ist der Punkt. Sie reduzieren noch um wesentlich mehr, als das bis jetzt schon der Fall war. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Wo denn?)  – Wenn Sie vorhin hier gewesen wären, dann hätten Sie es gehört. Ich werde es jetzt nicht wiederholen, nur weil Sie gerade erst hereingekommen sind. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)


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Letzter Punkt – Kontakte zur Opposition: Kollege Amon, ich meine das jetzt wirklich offen und ehrlich. Sie haben seit dem Sommer mehrmals angekündigt, dass es eine parlamentarische Enquete geben wird. (Zwischenruf des Abg. Amon. ) Bislang waren die Gespräche allerdings – sage ich einmal – sehr dezent. Ich hoffe, dass da einiges weitergeht! Es gibt jetzt die Einladung, über die Form des Bildungs-Volksbegehrens gemeinsam zu reden. Ich hoffe, es wird auch dazu kommen. Ich bin wirklich sehr bereit, diesbezüglich eine Lösung zu finden und auch über die Experten und die Aufteilung zu reden.

Die Ankündigung allein ist allerdings etwas zu wenig. Ich hoffe wirklich, dass in diesem Fall auch Sie als diejenigen, welche die Mehrheiten setzen können, den Schritt ... (Abg. Amon: Wir haben ja schon einen Ausschusstermin!)  – Ja, wir haben einen Ausschusstermin. Aber das ist ein bisschen wenig, um zu gestalten und ein Volksbegehren entsprechend zu behandeln. Sie sollten Ihre Mehrheit so wahrnehmen, dass Sie einen Schritt auf die Opposition zugehen und mit uns versuchen, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Sie haben die Mehrheit. Beschließen werden letztendlich Sie. Aber der Schritt in unsere Richtung sollte doch von Ihnen kommen. Bei der Enquete haben Sie das ja angekündigt, diesbezüglich ist jedoch bislang viel unterblieben. Daher hoffe ich, dass es in Zukunft besser wird! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Antoni –: Dieter! Könntest du am Anfang beurteilen, ob das Volksbegehren erfolgreich war oder nicht?)

19.03

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich kann in zwei Punkten an die Ausführungen des Kollegen Brosz anschließen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien! Zum einen können Sie hier noch so oft behaupten, dass für Bildung mehr ausgegeben wird als vorher und als andere Regierungen ausgegeben haben: Das wird einfach nicht wahr! Ich kann mir das ausschließlich so erklären, dass Sie die permanent steigenden Bezüge der Lehrer da mit hinein rechnen, aber das hat doch keinen Einfluss auf die Arbeit in der Klasse oder vieles andere mehr! (Zwischenruf des Abg. Amon. )

Es gelingt Ihnen allerdings, permanent die Budgets für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu vermengen, und auf diese Weise verschleiern Sie, und es gibt wenige, die Ihnen tatsächlich konkret nachweisen können, dass Sie weniger ausgeben.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist aber, dass an allen Schulen erhebliche Einsparungen an der Tagesordnung sind und dass es unter Umständen auch so weitergehen wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokraten stehen als gesamte Partei dazu, dass Bildung in einer modernen, hoch entwickelten Industriegesellschaft einen enorm hohen Stellenwert hat, und das ist auch der Grund, warum wir wirklich bereit sind, für mehr Bildung in diesem Staat zu kämpfen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass wissensintensive Produkte und Dienstleistungen im internationalen Wettbewerb immer wichtiger werden! Die Qualifikation der Bevölkerung – und das sagen ja auch viele in der Volkspartei – entscheidet mehr und mehr darüber, ob ein Wirtschaftsstandort Zukunft hat oder nicht. Man sollte meinen, dass man über diese grundsätzlichen bildungspolitischen Herausforderungen im Hohen Haus eigentlich einer Meinung sein müsste. Wir sind es aber leider nicht, sonst hätte es all das, was in den letzten beiden Jahren in Österreich passiert ist, nicht gegeben.

Ich möchte Ihnen das schon vor Augen führen: Sie treiben auf der einen Seite die Steuer- und Abgabenquote auf einen historischen Höchststand von 47 Prozent. (Abg. Mag. Schender: Das war der Edlinger! Bei Edlinger war sie viel höher! Dafür war das Bildungsbudget viel geringer!) Auf der anderen Seite reduzieren Sie permanent die staatlichen Angebote für die Bürgerinnen und Bürger – das geht ja weit über die Bildung hinaus, Kollege Schender! –, das heißt: weniger


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Postämter, weniger Gendarmeriestellen, weniger Polizeidienststellen, weniger Bürgerservice, sei es von der BH, sei es von den Gerichten, sei es von den Sozialversicherungen.

Es gibt auch Reduzierungen im Bereich des AMS, und das hat mit Bildung sehr wohl etwas zu tun, Kollege Amon. Es gibt weniger Ausbildung und weniger Weiterbildung, und dieser konsequente und bewusste Rückbau der staatlichen infrastrukturellen Angebote ist ein brutaler Schlag in das Gesicht der Chancengleichheit!

Im Bereich der Bildung sieht es leider genauso aus: Leider wird in Österreich seit dem Antritt dieser schwarz-blauen Regierung in die Bildung nicht im erforderlichen Ausmaß investiert, sondern es wird gekürzt, und es wird tatsächlich – da stimme ich mit meiner Vorrednerin Kuntzl absolut überein – Bildungsabbau betrieben! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können doch nicht behaupten, dass die Einführung von Studiengebühren oder die geplante Einführung von Prognoseverfahren den Zugang zur höheren Bildung nicht erschweren?! Sie können nicht behaupten, dass das der Chancengleichheit zuträglich ist! Die Schülerzahlen sinken, insbesondere sinken die Zahlen der Studierenden, und besonders betroffen sind Berufstätige sowie Frauen mit Kindern. Ist das Ihr besonderes Engagement für lebensbegleitendes Lernen, das Sie im Regierungseinkommen versprochen haben?

Es gibt einfach zu wenig Ausbildungsplätze im berufsbildenden höheren Schulwesen. All das ist bewiesen, das sind keine Horrorzahlen, die wir hier in die Diskussion werfen, sondern das stimmt! (Abg. Mag. Schweitzer: Habt ihr die Geburtenjahrgänge nicht vorausgesehen? Habt ihr nicht vorausgesehen, dass sich da etwas ändern wird?)

In vielen Bundesländern ist bereits heute klar, dass Kleinschulen und Volksschulen von der Schließung betroffen sind. Was bedeutet denn das? – Das bedeutet einmal mehr eine Benachteiligung für die Schülerinnen und Schüler, weil sie weite Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen. Das bedeutet einmal mehr weniger Chancengleichheit! Und Ihre Bildungsministerin hat im Ausschuss nicht nur einmal, sondern in letzter Zeit mehrfach festgestellt, dass es in allen Schulen Einsparungen geben muss, und zwar sowohl beim Sachaufwand als auch beim Personalaufwand.

Meine Damen und Herren! Wir sind froh, dass wir uns wenigstens dazu gefunden haben, einen gemeinsamen Unterausschuss einzurichten. Wir Sozialdemokraten werden massiv und intensiv daran mitarbeiten. Wir halten es für wichtig, das zu tun. Wir hoffen, dass wir ... (Abg. Mag. Schweitzer: War das Volksbegehren nun ein Erfolg?)  – Ja! Es war ein Erfolg, und zwar insbesondere deshalb, weil es im Nationalrat – egal, ob es ein paar Unterschriften mehr oder weniger gegeben hat – diskutiert werden muss. Und wenn Sie wollen, dass es ein Erfolg wird, dann werden Sie es intensiv und ehrlich mit uns diskutieren. Allerdings sind wir über Ankündigungen wie: Darüber brauchen wir nicht zu reden, und darüber brauchen wir nicht zu reden, und das ist mit uns nicht zu machen!, nicht sehr froh.

Nach wie vor bin ich allerdings froh über die Aussage des Herrn Kollegen Schender, die er gestern bei Debatte gemacht hat, als er gesagt hat, dass, wenn es in Schweden wirklich etwas gibt, was besser ist ... (Abg. Mag. Schender: In Finnland!) Richtig! Wenn es in Finnland wirklich etwas Besseres gibt, dann sollte man sich das anschauen und darüber diskutieren. Darauf hoffe ich! Ich möchte Sie auch einladen, im Rahmen des Unterrichtsausschusses einmal dort hinzufahren und sich das vor Ort anzuschauen. Da kann man gleich Schweden und ein paar nordische Staaten "mitnehmen". All diese Staaten haben interessante Schulsysteme, und Sie brauchen keine Angst davor zu haben, dass wir nach der Gesamtschule schreien! (Beifall bei der SPÖ.)

19.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

19.09

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine erste Lesung am Ende von zwei Sitzungstagen ist natürlich nicht sehr


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zahlreich besucht. Herr Kollege Antoni, möglicherweise hat das auch mit dem Vorschlag der SPÖ, den Sie verbreitet haben, zu tun, wonach eine 20-stündige Besprechung mit Experten im Rahmen eines Unterausschusses zu diesem Bildungs-Volksbegehren stattfinden soll. Das mag ein Grund dafür sein, dass man annimmt, dass ohnedies noch genügend Zeit bleibt, um hier über dieses Thema zu sprechen.

Ich frage Sie gleichzeitig aber auch, ob Sie ähnliche Vorschläge auch bei weitaus erfolgreicheren Volksbegehren gemacht haben, etwa beim Volksbegehren "Österreich zuerst" mit mehr als doppelt so vielen Stimmen: Haben Sie damals auch vorgeschlagen, dass man einen Unterausschuss mit 20 Stunden Beratungszeit und Experten einrichtet? (Abg. Mag. Muttonen: Wir haben ja nicht mit der Angst gearbeitet wie Sie!)

Frau Kollegin! Das Tierschutz-Volksbegehren hatte 459 000 Unterschriften, also mehr als doppelt so viele! Ich habe es vermisst, dass wir mit einem ähnlichen Konzept und mit dieser Ernsthaftigkeit über dieses Anliegen der Österreicher gesprochen hätten!

Aber sei’s drum! Faktum ist, dass für neutrale Beobachter – und ich bin ein Skeptiker der Studiengebühren, ich habe das bereits zweimal hier von mir gegeben – die Beteiligung an diesem so genannten Bildungs-Volksbegehren eine Enttäuschung war. Die Österreichische Hochschülerschaft – deren Zeitung ich heute zufällig in die Hände bekommen habe – listet auf, welche Werbemaßnahmen sie etwa in Graz getroffen hat, um die Leute zur Unterschrift zu bewegen: Banner auf allen Homepages, Transparente am Schloßberg, Infostände, Laufschrift in Straßenbahnen und Bussen, Radio-Interviews, Schaltungen in Zeitungen und so weiter und so fort.

Ich möchte sagen: Im Verhältnis zum Aufwand war das Ergebnis nicht gerade überwältigend. Darüber sind wir uns vielleicht einig. Das soll uns aber nicht daran hindern, ernsthaft über Alternativen zu reden. Das bestätige ich in einem Satz.

Grundsätzlich zur Studiengebühr: Aus meiner Sicht war der Zeitpunkt der Einführung nicht glücklich. Meines Erachtens hätte eher jener Moment genützt werden sollen, in dem die Universitäten in die volle Autonomie gehen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, diese Studiengebühren – selbstverständlich der Höhe nach begrenzt – selbst zu bestimmen und auch zu vereinnahmen. Das hätte ich für den sinnvolleren Weg gehalten.

Nun gibt es die Studiengebühr aber schon, und ich darf die EU-Kommissarin für Bildung und Kunst, Frau Reding, aus der "Presse" vor wenigen Tagen zitieren: Sie lobt nicht nur Österreichs Bildungssystem und auch die Pläne zur Reform der Universitäten, sondern stellt die Existenz von Studiengebühren grundsätzlich außer Streit, auch wenn die einzelnen Länder unterschiedlich darauf zugehen sollen. Und das haben wir auch getan.

Ich bitte also, die Blockade gegen diese nunmehr existierende Studiengebühr abzulegen! Es wäre mir viel lieber, wenn man in dieser erwähnten Zeitschrift der Österreichischen Hochschülerschaft an der Technischen Universität Graz nicht seitenweise dazu aufrufen würde, im Gefolge dieses Bildungs-Volksbegehrens weiter Unterschriften zu leisten, weiter Stellungnahmen abzugeben, et cetera.

Es wäre klüger und die Österreichische Hochschülerschaft hätte ihre Pflicht sicherlich besser erfüllt, wenn sie die Studierenden darüber informieren würde, dass nur ein Teil derjenigen, die die Berechtigung hätten, die Studiengebühr zurückzubekommen, bisher darum angesucht hat, und dass auch die Stipendien bei weitem nicht in vollem Maße ausgeschöpft werden!

Diesbezüglich gäbe es, wie ich meine, einen Arbeitsbereich für die Österreichische Hochschülerschaft in Form von Informationen an ihre Studierenden betreffend die Möglichkeit der Rückerstattung, die übrigens sehr großzügig für Studierende aus anderen Staaten geregelt wurde: Weit über 100 Staaten werden diesbezüglich begünstigt, und die geleisteten Gebühren können zurückgeholt werden. Für die Österreicher geschieht das jedoch nicht!


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Machen Sie doch Ihren Einfluss auch in diese Richtung geltend! Bisher haben Sie ihn ja in eine andere Richtung geltend gemacht. Sorgen Sie dafür, dass von der ÖH – derzeit ist sie ja in Ihren "Händen"! – konstruktiv gearbeitet wird und dass man die Studierenden besser über ihre Möglichkeiten informiert! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornek. – Bitte.

19.15

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Obwohl das Bildungs-Volksbegehren inhaltlich – von der Klassenschülerhöchstzahl bis zum Dienstrecht an den Unis – sehr breit angelegt war, konnten nur 173 596 Unterschriften erreicht werden, und es rangiert somit unter insgesamt 27 Volksbegehren an 22. Stelle, also im letzten Viertel. (Abg. Brosz: Gleich hinter dem Familien-Volksbegehren!)

Mit dem Bildungs-Volksbegehren wurde seitens der SPÖ versucht, das gute und international anerkannte österreichische Bildungssystem krank zu jammern. Parteivorsitzender Gusenbauer selbst und die gesamte Werbemaschinerie der SPÖ, unterstützt von der Arbeiterkammer bis zum Gewerkschaftsbund, unternahmen den Versuch, den Leuten vorzugaukeln, es gäbe Einsparungen im Schulbereich, welche zu einer Verknappung des Bildungsangebotes und zu einer Senkung des Niveaus an den Schulen führen würden. (Abg. Brosz: Haben Sie das selbst geschrieben?)

Dazu ist festzuhalten, dass genau das Gegenteil der Fall ist, nämlich: Noch nie wurde so viel Geld für Bildung ausgegeben, und noch nie ist in so kurzer Zeit ein so vielfältiges neues Bildungsangebot geschaffen worden! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Antoni: Es gibt um 20 Prozent weniger Studenten!)

Das Bildungsbudget erreichte im Jahr 2002 den höchsten Anteil aller Ressorts, den es je gegeben hat, und zwar 13,7 Prozent. Jeder siebente Euro oder jeder siebente Schilling wurde für Bildung ausgegeben. (Abg. Dr. Antoni: Das ist ein Missbrauch der Statistik!) Im Budget 2001 standen dem Bildungsressort 109 Milliarden Schilling zur Verfügung. Das sind immerhin um 7 Milliarden Schilling mehr als im Jahr 1999.

Den Schulen stehen für den schulischen Aufwand nicht nur die gleichen Ressourcen – sprich: Schulbudgets – zur Verfügung, sondern es können durch die Mittel der "Computermilliarde" zusätzliche neue Schwerpunkte gesetzt werden. Weiters sind im Schulbereich zurzeit Baumaßnahmen mit einem Gesamtrahmen von 1,1 Milliarden Schilling beauftragt, die ebenso für die Setzung neuer Schwerpunkte im Ausbildungsangebot Verwendung finden. (Abg. Brosz: Wo?)

Von den 3 Millionen Österreichern, die als Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen, Schüler und Studierende mittelbar und unmittelbar am Bildungssystem mitwirken, haben lediglich 2,98 Prozent der Stimmberechtigten dieses Volksbegehren unterschrieben. Das ist ein Prozentsatz, den man nicht einmal mit Kraftanstrengung schön reden kann! Das zeigt aber auch in hohem Maße das Vertrauen in unsere Bundesministerin. Diese geringe Beteiligung hat ihre Ursache auch darin, dass die meisten Forderungen schon längst erfüllt sind.

Zur ewigen Diskussion, dass in Österreich zu wenig finanzielle Mittel aufgewendet werden, darf ich auf einen Vergleich aus dem "Spiegel", einer bekanntlich links-liberalen deutschen Zeitung, hinweisen, wonach Österreich für die Schüler von der ersten Klasse bis zum 15. Lebensjahr einen Betrag von 71 387 US $ aufwendet, an vierter Stelle die Schweiz mit 64 266 US $ rangiert und die grün-rote Regierung in Deutschland lediglich 41 798 US $ dafür ausgibt. – Das ist ein dramatischer Vergleich!

Es wird aber auch aufgezeigt, dass das wichtigste Element im Zuge der Bildung unsere Lehrer sind, und ich möchte von dieser Stelle aus allen engagierten Lehrerinnen und Lehrern ein herzliches Dankeschön sagen! (Beifall bei der ÖVP.)


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Summarisch bewertet ergibt sich die Note Eins bis Zwei für die Frau Bundesministerin – und ein glatter "Fleck" für Gusenbauers Volksbegehren. (Beifall bei der ÖVP.)

19.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

19.19

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf ebenfalls die Vertretung der Österreichischen Hochschülerschaft hier begrüßen. (Beifall bei den Grünen.) Ihre Anwesenheit freut mich sehr, denn Sie verstärken das Interesse!

Herr Abgeordneter Schender! Sie haben dauernd erzählt, welch riesengroßer Flop dieses Volksbegehren gewesen sein soll, gleichzeitig haben Sie aber gesagt, dass Sie es ernst nehmen wollen. Diesen Widerspruch würde ich gerne aufgeklärt bekommen. Ich bin, ehrlich gesagt, auch nicht dafür, dass man hier mit Zahlen herumspielt.

Es hat auch kein Volksbegehren für den Glauben an das Gute im Menschen gegeben, und trotzdem könnte es so etwas geben, und es hat auch kein Volksbegehren über das Vorhandensein des Äquators gegeben, und trotzdem werden wir uns darüber einigen, dass es so etwas wie den Äquator gibt. – Und dass es Bildung gibt und geben muss, das sollte uns ein Anliegen sein, und ich hoffe wirklich, dass man das ernst nimmt! Dazu ist aber einiges notwendig, und es ist auch notwendig, dieses Volksbegehren der ÖH zu erklären.

Ich halte die Leistung der Studentinnen und Studenten aus folgenden Gründen für beachtlich: Dieses Volksbegehren hat so etwas wie eine Zusammenschau von Schule und Universität gebracht. Es hat nicht vordergründige, ganz primitive und simpel erkennbare Eigeninteressen, also isoliert Studiengebühren und vieles andere, zutage gebracht, sondern es wurde zur Bildung auch eine Zieldiskussion gewünscht, die mir auch hier häufig abgeht. Sie haben nicht die "Krone" gebraucht! Sie haben keine Atommeiler gebraucht! Sie haben keine Beneš-Dekrete und Fremdenangst und Erweiterungsängste benutzt, um dieses Ergebnis zu erreichen!

Ich muss auch sagen: Die Unterstützung war so phänomenal nicht, wie Sie dauernd hier bekannt geben wollen! Es gab eine ideelle Unterstützung. Aber Studentinnen und Studenten haben einen Vorteil, wenn auch Parteien gelegentlich meinen könnten, es sei ein Nachteil: Sie wollen frei und im Wesentlichen unabhängig und nicht als "Blinddarm" oder – sagen wir es freundlicher – als "Appendix" einer Partei gesehen werden. Und sie haben es im Wesentlichen daher auch ohne diese geschafft! Das ist gut. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was hat die ÖH besser gemacht als die Vertreter der jetzigen Bildungspolitik, die immer wieder das Wort "Dialog" in den Mund nehmen und dieses Wort in seiner Bedeutung letztlich schon ganz schön verzerrt haben? – Die ÖH hat eben mit Schülern und Lehrern gesprochen, und nicht nur mit Universitätsangehörigen. Die ÖH hat mit der Rektorenkonferenz, mit der Professorenkonferenz, mit der Konferenz Wissenschaftliches Personal, mit dem Zentralausschuss und den Gewerkschaften gesprochen, und zwar in einer anderen Art, als mit den Genannten jetzt von der Regierungsseite gesprochen wird! Und das halte ich für beachtlich! Daran könnten Sie sich ruhig ein Beispiel nehmen.

Bei diesem Ausschuss, der nun ins Leben gerufen werden soll, fehlt mir irgendetwas an der Optik, und das ist nicht ganz unentscheidend. Da in diesem Volksbegehren der sekundäre und der tertiäre Bereich der Bildung wirklich fifty-fifty gleich gewichtet sind, wäre es durchaus sinnvoll gewesen, einen gemischten Ausschuss zwischen dem Wissenschafts- und dem Unterrichtsausschuss zu machen. (Abg. Dr. Brinek: Das ist jederzeit möglich! Ich werde es Ihnen erklären!)  – Fein, wenn Sie mir etwas erklären wollen! Aber nicht alles, was Sie mir bis jetzt erklären wollten, habe ich verstanden, und daran ist, glaube ich, nicht meine Intelligenz schuld! (Beifall bei den Grünen.)


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Noch etwas – bleiben wir einmal ganz nüchtern und sachlich; es genügen ja die harten Fakten –: Die Regierung beschönigt am laufenden Band. Denken wir nur an Schüssels provokative Rufe von heute, als er die Antwort hören wollte: Immer wieder Österreich! Dazu möchte ich sagen: Das mag am Fußballplatz gut sein, aber nicht dort, wo die Lorbeeren etwas voreilig verteilt werden!

Die Zahl der Studierenden ist um fast 20 Prozent zurückgegangen. Das ist Faktum! Wenn dies als "Begradigung von Karteileichen" bezeichnet wird, dann wiederhole ich, was ich schon einmal gesagt habe: Universitäten sind keine Bestattungsinstitute! So etwas ist einer Diskussion unwürdig!

Es gibt einen Rückgang der ErstinskribentInnen von 14 Prozent und einen Rückgang weiblicher Studierender um fast 20 Prozent. (Abg. Mag. Muttonen: Wahnsinn!) Wenn man in Anbetracht dessen sagt: Das macht nichts, das ist nichts, das ist nur eine Begradigung, die Eliminierung von faulen, desinteressierten Freikartensammlern!, so ist das eine Argumentation, die, wie ich meine, auch sehr, sehr schwer zu beweisen ist.

Ich möchte jetzt ganz kurz zu dem kommen, was die ÖH auch nicht schlecht gemacht hat: Sie hat nämlich erkannt, dass Arbeitsklima und Arbeitsbedingungen etwas sind, was für den wissenschaftlichen Nachwuchs essentiell sein kann. Sie hat daher im Zusammenhang mit der Unireform durchaus auch über ein Dienstrecht, das modernisierbar ist, diskutiert.

Wenn ich dann aber heute Sprüche wie diejenigen des Bundeskanzlers höre, der hier wirklich gesagt hat: Kommen Sie hier nicht mehr wieder heraus und kritisieren uns!, ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )  – Ja! So ist das gesagt worden! Er hat zwar vorher gesagt: Kritisieren Sie uns nicht, wenn Sie nicht das und das erfüllen. – Das bedeutet, er stellt die Bedingungen, unter denen er bereit ist, sich vielleicht kritisieren zu lassen! Und das geht nicht. (Abg. Dr. Brinek: Nein, nein nein! So war das nicht!)  – Ja, so war das! Lesen Sie es im Protokoll nach! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt wird es noch spannend: Wenn er auch die Nachhaltigkeit als eines der Schlüsselwörter der Bundesregierung zitiert und gleichzeitig vom – unter Gänsefüßchen – "Dialog" betreffend die Universitäten spricht, wobei kein Stein auf dem anderen bleiben dürfe, dann hat das zwar auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun, allerdings im Sinne von Zerstörung – und nicht von Aufbau.

Noch etwas: Khol hat heute behauptet, die Regierung hätte die Sozialpartnerschaft und manches andere aus der "Sklerose" befreit. – Wenn er meint, dass wir ein Geriatrieunternehmen sind und er ein Geriater ist, dann hat er offenbar auch vergessen, was Bildung bedeuten könnte.

Wenn jetzt das Lämpchen leuchtet, dann muss ich sagen: In dieser Zeit ist Bildung nicht erschöpfend zu behandeln!

Mir geht in dieser Debatte vieles ab, weil die Regierung wirklich ein sehr mechanistisches Denken pflegt. (Zwischenruf der  Abg. Dr. Brinek. )  – Frau Abgeordnete Brinek, Sie als Erziehungswissenschaftlerin sollten Interesse daran haben, über den Bildungsbegriff zu diskutieren! Da aber die Regierung ein sehr mechanistisches Denken hat, indem sie meint, man müsste nur die Struktur und die Organisation etwas ändern, und dann würden sich Inhalte, Motivation und alles von selbst ergeben, muss ich sagen: Das ist doch ein sehr simples, kurzsichtiges, nicht optimistisches, sondern äußert naives Denken! – Über Inhalte wurde wirklich nie gesprochen.

Schade, dass Gehrer nicht da ist, mit der ich sonst durchaus normal reden kann! – Wenn ich höre, dass sie sich nicht geniert, öffentlich zu behaupten, sie habe in ihrem Ministerium das Wort "Problem" verboten und wolle das Wort "Problem" nicht mehr hören, auch wenn 100 000 davon existieren, man möge das vielmehr als "Herausforderung" bezeichnen, so muss ich sagen: Diese Beschönigungen sind ungut!


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92. Sitzung / Seite 187

Wenn Mitbestimmung und Demokratie reduziert werden und dafür das wirklich falsche, ungute Wörtchen "doppelte Legitimation" gebraucht wird, wobei jeder sich vorstellt, dass diese Gremien jetzt plötzlich doppelt, also viel mehr legitimiert sind, während das eigentlich bedeutet, dass sie nichts mehr tun und beschließen dürfen, weil ein Rat, der über ihnen steht, einfach "njet" sagen kann – wobei ich jetzt ganz bewusst das Wort in russischer Manier wähle –, dann hört sich der Dialog doch irgendwo auf!

Auch wenn mir hohe Beamte des Ministeriums, Beamte aus den Arbeitskreisen, die auch der Partei Gehrers angehören, sagen, dass es ihnen verboten worden sei, innerhalb des Ministeriums zu jenen, die nicht diesen Arbeitskreisen angehören, auch nur ein Wörtchen zu sagen, so finde ich das befremdlich! (Abg. Dr. Brinek: Mein Gott!)  – Sehr richtig, Frau Brinek! Auch ich sage: Mein Gott!, wenn ich so etwas höre! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Kollegin Brinek! Auch Sie werden in Wien eine ausgesprochen gute Professorin für Wissenschaftstheorie, eine gelernte und promovierte Physikerin, kennen. Diese hat mir bestätigt, dass eine solche Diskussion im Ausland Stirnrunzeln hervorruft, etwa auch über die Homepage des Ministeriums, auf der vollmundig steht: "Weltklasse" – und das ohne ein Wort der Erklärung. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )  – Ich entschuldige jetzt gar nichts. Ich entschuldige überhaupt nichts! Wir müssten uns bei den Betroffenen  (Abg. Dr. Brinek: Diese Menschen können sich jetzt alle nicht verteidigen!)

Sie hat auch gesagt: Demokratie ist kein Qualitätsmerkmal! Sie hat auch klar gesagt, dass es nicht angeht, dass, wenn sich jemand bewirbt und eine Qualifikation beurteilt werden muss, darüber demokratisch abgestimmt wird. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Frau Brinek, Sie wissen genau, dass nicht Raumpflegerinnen über Qualifikationen an der Universität abstimmen. An der Universität herrscht akademische Vielfalt – und keine Einfalt! – Solche Diskussionen sind einfältig und einer Wissenschaft- und Bildungsdebatte schlichtweg unwürdig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kommen wir nun wieder zu den konkreten Punkten. Wir haben heute gehört, dass alles so wunderbar ist, und dabei ist eines doch auffallend: Gibt es einen Dringlichkeitsantrag, dann heißt es, dass das Gesundheitssystem und das Bildungssystem "Spitze" und die Schüler "hervorragend" sind. Früher hingegen war das Gesundheitssystem angeblich marod, waren die Krankenkassen intrigant, und es gab kein Management. – Kaum aber ändert sich irgendetwas in der Debatte, dann wird das hochgejubelt, was vorher noch am Boden herumgezerrt wurde!

Jetzt sage ich Ihnen etwas, was ich in wenigen halben Stunden recherchieren konnte: Laut Aussendung der TU Graz vom 25. Jänner 2002 herrscht akuter Personalmangel an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Daher sei kein Studienbetrieb für Neuzugänge zu garantieren. Laut Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Klagenfurt ist mit Mehrkosten allein für die Aufrechterhaltung der Pflichtlehre von über 1 Millionen Schilling zu rechnen. Und die Veterinärmedizinische Universität, die ich vor zehn Tagen besucht habe, sagt, dass mit den vorhandenen Personalressourcen in der Pflichtlehre 600 Stunden fehlen und nicht abzudecken sind. – Aber es ist ja alles "so wunderbar" und sozusagen in Butter!

Die Technisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Linz hat keine Bewerbungen mehr für Planposten, weil die Nachwuchsförderung so "großartig" ist, dass diese Stellen niemand mehr will! – Sagen Sie mir, was daran so toll ist!

Der Rektor der TU Wien – bestimmt kein Mitglied der Sozialdemokratie, und auch keines der Grünen; das bedauere ich vielleicht – sagt, dass der wissenschaftliche Nachwuchs mittelfristig ausbleiben wird. Aber all das ist Ihnen egal. Man muss "reformieren" auf Teufel komm raus, und die Qualitätsmerkmale der Diskussion lauten nur, wie viele Studenten wir in möglichst kurzer Zeit als Absolventen verzeichnen können, um vielleicht unsere Akademikerquote, die beschämend niedrig ist, zu kaschieren.


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92. Sitzung / Seite 188

Daher sage ich nochmals: Ich hoffe, dass Sie zu einem Dialog bereit sind. Belehrungen und Verordnungen von oben, sodass die Rektorenkonferenz sogar schon Inserate gegen diese Reform schaltet, halte ich für bedenklich. Ich schließe mich hier mit Vergnügen einmal auch der Rektorenkonferenz an. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.30

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

19.30

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich im Zusammenhang mit dieser ersten Lesung vor allen Dingen mit zwei Problemen beschäftigen. Das erste bezieht sich darauf, wie man wegen 4 j den Zugang zur universitären Bildung verwehrt bekommt. Zum Zweiten geht es darum, wie ein urlaubender Finanzminister Lehre und Patientenbetreuung an den Kliniken an den Rand des Chaos führt. Das könnte vielleicht Herrn Kollegen Schweitzer interessieren, weil es sich immerhin um "seinen" Finanzminister oder jenen seiner Partei handelt. (Abg. Mag. Schweitzer: Was hat er denn gemacht? Noch einmal, bitte! Ich habe gerade nicht aufgepasst!)  – Ich rede ungefähr fünf Minuten lang, so lange musst du eben zuhören. (Abg. Gaugg: Wiederholen, noch einmal!)

Die erste Lesung zum Bildungs-Volksbegehren könnte gar nicht aktueller stattfinden. Wenn wir dazu die gestrigen und heutigen Zeitungsmeldungen durchsehen, dann finden wir Nachrichten wie "Chaos in der Krankenversorgung" und "Stillstand droht". In einer Aussendung lese ich:

"Ein Wissenschafts- oder gar studentischer Lehrbetrieb ist aus Rücksicht auf die Patientenversorgung natürlich nicht mehr möglich."

Ist das das hoch gelobte Bildungssystem, von dem wir hier von den Kollegen Amon, Schender oder Hornek gehört haben, wenn nicht einmal an den wissenschaftlichen Universitäten die Lehre aufrechterhalten werden kann? (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Grünewald. )

Man liest auch, es ist schon seit Monaten bekannt, dass der vertragslose Zustand im Dienstrecht – und das ist ein Teil des Dienstrechtes, worüber wir heute reden – droht. Sie können doch nicht hier sitzen und so tun, als ob es Ihnen gleichgültig wäre, wenn ab morgen ein vertragsloser Zustand herrscht! Ich verstehe vor allen Dingen die ÖVP nicht, weil Ministerin Gehrer nach unserer Information alles Mögliche versucht hat, um hier zu einer Einigung zu kommen. Aber sie ist immer am Nein – und auch ich nenne es das "Njet" – des Finanzministeriums gescheitert.

Zwar gönne ich und gönnen wir alle einem Finanzminister den Urlaub. Das braucht man, und es ist seine Sache, wo immer er das tut. Aber es ist unzulässig, dass man in den Urlaub fährt, ein solch riesiges Problem unerledigt lässt und auch keinerlei Vorsorge dafür trifft, dass es in der Abwesenheit gelöst werden kann. Das ist eine Verantwortungslosigkeit, die wir hier wirklich anprangern müssen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.  – Abg. Mag. Schweitzer: Welches Problem?)

Kollege Schweitzer, dass Sie dieses Problem bisher nicht einmal registriert haben, spricht wirklich nicht für Sie.

Die Situation an den Universitätskliniken droht ab morgen wirklich drastisch und dramatisch zu werden. Sie hat schon durch das neue Dienstrecht erheblich gelitten, weil wir mit dem neuen Dienstrecht, das Sie beschlossen haben, drauf und dran sind, eine neue Gruppe akademischer "Söldner" aufzustellen, eine Gruppe von Leuten, die kurzfristig angestellt werden und die nach einigen Jahren – gleichgültig, ob sie gut oder schlecht sind – wieder gefeuert werden. – Das zum Dienstrecht; da besteht aktueller und nicht nur langfristiger Handlungsbedarf für den Unterausschuss.

Zum Zweiten geht es um den offenen Hochschulzugang. Der offene Hochschulzugang sieht so aus, dass wir im Wintersemester des heurigen Jahres 19,7 Prozent weniger Studierende haben.


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In dieser Hinsicht kann man teilweise, bis zu einem bestimmten Prozentsatz der Argumentation folgen, dass es sich dabei auch um Studierende handelt, die nicht ständig an den Universitäten waren. Aber es ist unerklärbar, dass es jetzt auch 13,8 Prozent weniger Erstinskribierende gibt, weil ja die Erstinskribierenden noch gar nie an den Universitäten waren.

Es ist ein geringer Trost – ich finde das beinahe eine Provokation –, wenn dann von Regierungsseite gesagt wird: Was wollt ihr denn? Ihr habt 30 Prozent Rückgang befürchtet; es sind ja nur 20 Prozent geworden, das ist eine ganz tolle Sache! – Zynismus ist das, Zynismus, den wir in dieser Form nachdrücklich zurückweisen, weil er sich auf dem Rücken der Studierenden abspielt! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Kollege Amon hat konkrete Beispiele gefordert. Dass wir die Studiengebühren ablehnen, ist schon ausgiebig diskutiert worden. (Abg. Mag. Schweitzer: Du hast das gefordert!) Aber es sind bis jetzt auch sämtliche zugesagten Verbesserungen ausgeblieben!

Kollegin Brinek, du hast gesagt, dass wir uns für die berufstätigen Studierenden etwas einfallen lassen müssen, weil klar ist, dass Leute, die berufstätig sind und daher auch länger studieren müssen, keine Stipendien bekommen. – Bitte, das ist völliger Unsinn! Berufstätige, die studieren, bekommen von ihren ... (Abg. Dr. Brinek: Abschlussstipendium! Studienabschlussstipendium!) Das Abschlussstipendium hat damit auch nichts zu tun. Sie studieren länger, sie studieren teilweise doppelt so lang und zahlen für die geringere Leistung nach wie vor 5 000 S in jedem Semester. Da besteht dringender Handlungsbedarf. Aber Sie haben bisher nichts getan!

Sehen Sie sich einmal dieses Schmankerl an, das heute erschienen ist und das ich eingangs erwähnt habe: "Vier Euro fehlten: Von der Uni geflogen". (Der Redner hält die entsprechende Zeitungsseite in die Höhe.) Es sind nicht sehr viele davon betroffen, aber auch das kommt vor. Da hat eine Bank aus dem Ausland überwiesen und – obwohl angegeben war, dass die Bankspesen vom Überweiser, vom Studierenden, getragen wurden – 4 j abgezogen, sodass 4 j weniger an Studiengebühren in Österreich eingetroffen sind. Das ist Grund genug dafür, jemanden für ein Semester vom Studium auszuschließen! Und da sagen Sie noch, diese Studiengebühr ist eine tolle Lösung?!

Das kann keine tolle Lösung sein! Es war nicht nur einer, dem es so ergangen ist, sondern es waren mehrere. Es waren ungefähr 100 in ganz Österreich, die an dieser übergroßen Härte der Regelung gescheitert sind und ein halbes Jahr ihres Studiums verloren haben. Da besteht dringender Handlungsbedarf, auch im Detail dieser Regelungen! Lassen Sie sich das gesagt sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abschließend darf ich noch auf einen Punkt hinweisen, der zwar nicht Gegenstand des Bildungs-Volksbegehrens ist, der uns aber auch wichtig ist. Es ist dies die Erwachsenenbildung. In diesem Bereich besteht ebenfalls Handlungsbedarf. Dafür sind die Budgets nämlich nachweislich nicht nur nicht erhöht, sondern ungefähr halbiert worden.

Sie fragen immer nach Konzepten unsererseits. Die SPÖ hat ein sehr tolles Konzept vorgelegt, das unter dem Titel "Bildungsprämie" steht. Auch über dieses Konzept würden wir in den nächsten Monaten sehr gerne in Verhandlungen mit Ihnen treten, um für die Erwachsenenbildung ausreichende Mittel zu sichern und damit den Weg in die Wissensgesellschaft positiv bewältigen zu können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

19.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

19.38

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Kollege Niederwieser! "Vier Euro fehlten: Von der Uni geflogen" – die Schuld liegt bei Brinek, Amon, Schender, Schweitzer! Auslandsüberweisung, Bankgebühr – schuld ist Amon, weil eine ausländische Bank für eine Überweisung Bankgebühr verlangt! (Abg. Dr. Niederwieser: ... die Regelung, die so etwas vorsieht!)


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92. Sitzung / Seite 190

Wenn Sie auf diese Weise Schlüsse ziehen, dann ist es gut, dass Sie jetzt auf der Oppositionsbank sitzen. Sie ziehen die falschen Schlüsse! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Niederwieser! 2. Oktober 1997: Niederwieser fordert im "Standard" Studiengebühren, und zwar mit der Begründung, dass damit ein Qualitätsdruck auf die Unis ausgeübt werden kann. Herr Kollege Niederwieser, damit sind Sie in bester Gesellschaft mit anderen Sozialdemokraten, die da waren: der ehemalige Finanzminister Lacina, der ehemalige Finanzminister Staribacher, der langjährige Finanzsprecher der SPÖ, Nowotny, und andere mehr.

Warum haben Sie es damals gefordert, und warum sind Sie heute dagegen? – Ich hätte mir jetzt erwartet, dass Sie hier erklären, welche Überlegungen zu diesem Meinungsschwenk bei Ihnen geführt haben. Tatsache ist: Am 2. Oktober 1997 sind Sie noch dafür eingetreten, und heute sind Sie dagegen. Wahrscheinlich hat das etwas mit dem Wechsel von einer Regierungspartei in eine Oppositionsrolle zu tun. (Abg. Dr. Antoni: Schwacher Beitrag!)

Herr Kollege Niederwieser! Tatsache ist auch, dass das von den Sozialdemokraten und Grünen massiv unterstützte Volksbegehren ein mäßiges Ergebnis erzielt hat, weil das, was Sie der Öffentlichkeit einzureden versuchen, in der Realität nicht stattfindet.

Die Bildungssituation in Österreich ist im internationalen Vergleich keine schlechte. Wenn etwas an den Universitäten noch nicht so ist, wie es sein sollte, so können Sie die Verantwortung dafür nicht an einer Bundesregierung festmachen, die es genau seit dem 4. Feber 2000 gibt. So schnell können Maßnahmen, die erst in der Folge entwickelt werden konnten, dann beschlossen wurden und jetzt schön langsam zur Umsetzung gelangen, nicht greifen. Daher kritisieren Sie in Wirklichkeit einen Umstand, der auf Minister zurückzuführen ist, die aus Ihrer Partei gekommen sind: Das waren Einem und Scholten – und wie sie alle geheißen haben! Sie sind für den Zustand der Universitäten, wie sich diese jetzt darbieten, verantwortlich. Da muss ich Ihrem Kurzzeitgedächtnis auf die Sprünge helfen.

Zuletzt noch kurz zu ein paar Zahlen. – Dieter (in Richtung des Abg. Dr. Antoni), , ihr habt euch herausgestellt und gesagt, Lehrer werden en masse entlassen werden, weil das neue Lehrer-Dienstrecht dazu führen wird. Ich habe es gestern schon gefragt, und ich frage es heute wieder: Lieber Dieter Antoni, wo sind denn die vielen Lehrer entlassen worden? In welchen Bundesländern haben diese Maßnahmen, die notwendig waren und sinnvoll sind, zu Entlassungen von Lehrern geführt, in einer Größenordnung von über 3 000, wie von euch hier immer wieder geunkt wurde? – Nirgendwo! In dem Bundesland, von dem ich die Zahlen etwas besser kenne, nämlich im Burgenland, wo deine sozialdemokratischen Freunde ebenfalls die Katastrophe an die Wand gemalt haben, wurde kein einziger Lehrer entlassen! Das möchte ich dir nur sagen, Kollege Antoni. (Abg. Dr. Brinek: Neue wurden eingestellt!)

Die Vergleichszahlen brauche ich dir nicht vorzulesen, du kennst die österreichische Bildungssituation im internationalen Vergleich. Österreich liegt überall im Spitzenfeld, wenn es darum geht, was wir an finanziellen Aufwendungen für Schüler leisten.

Österreich liegt auch beim Lehrer-Schüler-Verhältnis überall im Spitzenfeld. Österreich liegt bei der Stundenanzahl, die Schüler an Unterricht bekommen, im Spitzenfeld. Und Österreich liegt bei der Stundenanzahl, die Lehrer unterrichten müssen, am unteren Ende. Es bestehen daher beste Voraussetzungen für die Bildung unserer Jugend! – Hört auf zu jammern! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.43

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Schweitzer hat hier, obwohl ich es ihm schon mehrfach erklärt habe, behauptet, ich hätte im Jahr 1997 Studiengebühren gefordert. – Diese Behauptung ist unrichtig!


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92. Sitzung / Seite 191

Richtig ist, dass ich Studiengebühren immer als etwas bezeichnet habe, worüber man ernsthaft diskutieren kann. Und richtig ist, dass 1998 die SPÖ unter meiner Beteiligung einen klaren Beschluss gefasst hat, nicht für Studiengebühren einzutreten, dass ich mich an diesen Beschluss selbstverständlich gebunden fühle und dass die 20 Prozent weniger an Studierenden diesen Beschluss nachträglich als vollkommen zu Recht gefasst und richtig erweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.44

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte.

19.44

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Das Bildungs-Volksbegehren, das uns alle heute beschäftigt, ist ein wichtiges Thema, sicherlich, in Zahlen gefasst, genauso wichtig wie das Familien-Volksbegehren, das ja immerhin das Kindergeld zur Folge hatte. Ich nehme an, mit der gleichen Ernsthaftigkeit und hoffentlich mit entsprechend intensiven Auswirkungen für die österreichische Jugend werden wir dieses Bildungs-Volksbegehren diskutieren und auch umsetzen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Amon: Das Kindergeld ist auch ohne Volksbegehren ...!)

Das Bildungs-Volksbegehren hat zudem jetzt ganz aktuell wieder die besondere Bestätigung erhalten, dass im Bildungssystem seitens der Bundesregierung gespart werden muss und musste, obwohl immer wieder betont wird, dass mehr Geld für Bildung ausgegeben wird. Herr Amon, ich muss Sie leider berichtigen – Sie sind offensichtlich ebenso wie Ihr Bundeskanzler ein Realitätsverweigerer –, es ist im Bereich der Bildung selbstverständlich gespart worden. Ich sage es nur noch einmal, vielleicht kann das dann in irgendeiner Form auch in Ihre Realität eindringen. (Abg. Amon: Haben Sie die PISA-Studie gelesen?)

Ich bin allerdings sehr bestürzt darüber, dass jetzt auch 3 Prozent der Ermessensausgaben eingespart werden, was vor allem das österreichische Schulsystem massiv trifft und den Proponenten des Bildungs-Volksbegehrens leider dahin gehend Recht gibt, dass es keine Einsparungen, sondern Reformen geben soll. Dafür stehen wir! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Ich möchte Sie nur ganz kurz auf die leider bereits jetzt wirksam gewordenen Maßnahmen der Einsparpolitik dieser Bundesregierung hinweisen. Wir haben zum Beispiel im Raum St. Pölten gegenüber insgesamt drei Beratungslehrerinnen im Vorjahr heuer nur noch eine; an Heilstättenklassen im Vorjahr vier, heuer zwei; an Logopädinnen im Vorjahr sechs, jetzt drei. Heute gibt es keine einzige heilpädagogische Klasse mehr, im Vorjahr waren es drei. Das alles sind Zahlen, die jetzt auf dem Tisch liegen. Das alles kostet Schulqualität. Daher heißt es, dagegen anzukämpfen und sich dagegenzustellen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Ein weiterer Punkt ist für mich insofern bedenklich, als auch im Bereich der unverbindlichen Übungen – da trifft es ganz besonders wieder die sportlichen Betätigungen und all das, was Schule unter anderem auch lebenswert und für die Schüler besonders erfreulich macht – ganz brutal gekürzt werden musste.

In diesem Zusammenhang möchte ich wieder den Konnex zur Streichung der Ermessensausgaben herstellen. Es hat mich sehr bestürzt, aus einer Presseaussendung erfahren zu müssen, dass die Ermessensausgaben, die die Bundesministerin für Bildung einsparen will – immerhin 13,6 Millionen j , und das ist im Bildungssystem keine Kleinigkeit, wenn dort wieder Infrastruktur verloren geht –, insbesondere etwa im Bereich der Bundesschullandheime und der Bundesanstalten für Leibeserziehung eingespart werden.

Die Bundesanstalten für Leibeserziehung sind jene Anstalten, an denen besonders diejenigen Personen ausgebildet werden, die im organisierten Sport ihre Qualifikationen erreichen, also die Lehrwartinnen und Lehrwarte. Da einzusparen, ist zusätzlich fatal, wenn man bedenkt, dass im Schulsystem gerade der Sport zu einem Stiefkind geworden ist.


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92. Sitzung / Seite 192

In diesem Sinne kann ich nur Folgendes feststellen: Wenn Sie, Herr Kollege Hornek, uns vorwerfen, wir jammern das System krank, dann kann ich der Frau Bildungsministerin nur versichern: Mit Gesundbeten wird sie es auch nicht retten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

19.48

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Kollege Niederwieser – Sie sind jetzt nicht da! Nach einer Begrüßung des Herrn Präsidenten und der sehr geehrten Damen und Herren darf ich Ihnen von der SPÖ ins Gedächtnis zurückrufen, dass Ihnen Studiengebühren sehr wohl denkbar erschienen sind, als Sie noch auf eine Neuauflage der früheren Koalition gehofft haben. (Abg. Schasching: Das ist alt! – Abg. Schwemlein: Alter Hut!)

Gesprächsverweigerung ist jetzt Ihre neue Devise, ist die neue Devise der Opposition. Gesprächsverweigerung in der Wissenschaft ist ein verzweifelter und auch untauglicher Versuch der Opposition, die hervorragende Arbeit der Regierungskoalition zu konterkarieren. Gesprächsverweigerung ist ein untauglicher und auch kindischer Versuch von Ihnen, Herr Dr. Grünewald, und von Herrn Dr. Niederwieser, die dringend notwendige Uni-Reform zu blockieren. Mit diesen kindischen, schlechten Sitten, etwa den Einladungen der Frau Bundesministerin Gehrer nicht zu folgen, hat ja die ÖH begonnen. (Abg. Dr. Grünewald: ... gemacht wie Sie!)

Ich freue mich sehr, dass auch Sie heute zuhören, und darf Ihnen ein Zitat von Romain Rolland bringen:

"Eine Diskussion ist unmöglich mit jemandem, der vorgibt, die Wahrheit nicht zu suchen, sondern sie schon zu besitzen". – Zitatende. (Abg. Silhavy: Das sei dieser Bundesregierung ...!)

Die Bundes-ÖH hat sich von der studentischen Vertretung in skandalöser Weise verabschiedet. Herr Dr. Grünewald, Sie haben ja Homepages hier angesprochen. Ich darf daher an die frühere Homepage der ÖH erinnern, auf der stand: Wir – also die ÖH – verstehen die ÖH nicht als Servicebetrieb, sondern als politisches Sprachrohr der Studierenden. (Abg. Dr. Grünewald: Das finde ich auch gut!)

So sieht es auch aus! Es ist aber zu wenig, dass sich die ÖH an Podiumsdiskussionen über den Verfassungsgerichtshof beteiligt oder anlässlich der 100. Demo versprengter Regierungskritiker Gratulationsschreiben schickt (Abg. Dr. Grünewald: Sollen sie ... verkaufen?) und umgekehrt nur mit Aktionswochen und Fäkalbädern auf sich aufmerksam macht.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass in der ersten Oktoberwoche empörte Studierende bei mir angerufen und gesagt haben: Das ist doch unerhört, die Studienrichtungsvertretung leistet keine Inskriptionsberatung, hat ihre Büros teilweise überhaupt geschlossen, dafür gibt es ominöse Fäkalbäder vor der Uni Wien! (Abg. Dr. Antoni: Aber das Thema ist schon das Bildungs-Volksbegehren?)

Diese Gesprächsverweigerung hat auch die endgültige Nutzlosigkeit der Bundes-ÖH für die Studierenden bestätigt und ist ein Beweis mehr dafür, dass die Zwangsmitgliedschaft der ÖH – ich nenne es bewusst immer Zwangsmitgliedschaft und nicht Pflichtmitgliedschaft – einfach ausgedient hat. (Abg. Silhavy: Da wären wir wieder einmal beim Thema! Das ist immer wieder das Thema!) Es ist unseriös, dass die ÖH gegen Studiengebühren und für ein gerechtes Studienbeihilfensystem eintritt und umgekehrt nicht auf die ausgeweiteten Fördermöglichkeiten für Studierende aufmerksam macht.

Die FPÖ hat immer ein Plus an direkter Demokratie in Österreich gefordert und nimmt jede einzelne Unterschrift ernst. Daher verwahre ich mich dagegen, dass unser Bildungssprecher Rüdiger Schender offenbar bewusst missinterpretiert wird.


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92. Sitzung / Seite 193

Ich bedauere auch, dass dieses Bildungs-Volksbegehren auf Grund der Inhomogenität und der Komplexität der Forderungen an Aussagekraft zu wünschen übrig lässt. Es ist bezeichnend, dass das Bildungs-Volksbegehren auch von unterstützenden Organisationen nur zum Teil mitgetragen wurde. Das ist kein Wunder, denn es war einfach das Ziel des Bildungs-Volksbegehrens, von der positiven Regierungsarbeit im Bereich Bildung abzulenken.

Obwohl sich die ÖH gerne als Vertretung der Fachhochschulen und Privat-Unis verstehen möchte, vertritt sie in diesem Bildungs-Volksbegehren weder die Interessen von Fachhochschulen noch die von Privat-Unis. Deren Interessen sind darin nicht einmal enthalten.

Die Uni-Reform ist für mich auch aus dem Grund notwendig, um die ÖH-Mitgliedschaft auf eine freiwillige Basis zu stellen. Die Studierenden brauchen eine starke Vertretung vor Ort. Was die Studierenden derzeit haben, ist eine starke Regierungskoalition, die ihre Interessen wahrnimmt, und eine Wissenschaftsministerin, die – im Gegensatz zur ÖH – die Interessen der Studierenden vertritt.

Die ÖH-Zwangsmitgliedschaft ist auch nicht mehr mit der Uni-Autonomie vereinbar, weil autonome Unis, Privat-Unis und Fachhochschulen eine starke studentische Vertretung auf freiwilliger Basis brauchen.

Die Debattenbeiträge haben es eindeutig gezeigt: Die Regierungskoalition ist für die Interessen der Schüler und Studierenden da, sie vertritt die Interessen der Schüler und Studierenden. Das Gesamtergebnis des Bildungs-Volksbegehrens ist auch nur als Zustimmung zur Bildungspolitik der Regierung zu sehen.

Mit der Einrichtung eines parlamentarischen Unterausschusses wird jedenfalls auch die eingehende parlamentarische Behandlung dieses Bildungs-Volksbegehrens sichergestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

19.53

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Papházy, dass Sie von "Gesprächsverweigerung" sprechen, sehe ich als typische Projektion Ihrerseits. Die Gespräche wurden ja immer von Ihrer Seite verweigert, oder es wurde einfach sehr autoritär drübergefahren. Dass die Zerstörungswut der FPÖ vor der Demokratie ... (Abg. Dr. Brinek: Von wem ist da jetzt die Rede?) Dass die Zerstörungswut der FPÖ in Richtung Demokratie auch vor der ÖH nicht Halt macht, ist leider ein Faktum. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. ) Demokratie ist leider offensichtlich nicht Ihre Stärke.

Da Sie immer wieder sagen, dass Kinder unsere Zukunft sind und Bildung der Rohstoff des 21. Jahrhunderts ist, frage ich mich, warum Sie diesen "Rohstoff" so brachliegen lassen und der Jugend die Chancen nehmen. Aber es stimmt ja nicht ganz: Allen nehmen Sie nicht die Chancen: Für jene Familien, die gut situiert sind, die sich Nachhilfe leisten können und für die es keine Rolle spielt, dass es Studiengebühren gibt, sehen Sie sich offenbar zuständig.

Die heutige Durchschnitts-Kleinstfamilie kommt dabei aber gehörig ins Schwanken. Ich möchte Ihnen vorschlagen: Werfen Sie doch einmal einen Blick auf die Realität, meine Damen und Herren von den derzeitigen Regierungsparteien!

Faktum ist – das beweisen Studien immer wieder, und auch die PISA-Studie zeigt es –, dass es eine deutliche Abhängigkeit der Leistung der SchülerInnen von ihrer Herkunft gibt. Die Chancen eines Arbeiterkindes oder eines Kindes aus einer finanziell schlechter gestellten Familie sind geringer als die Chancen der Kinder aus der so genannten Oberschicht – es sei denn, es gibt gezielte und flexible Förderung im schulischen Bereich.


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92. Sitzung / Seite 194

Sie sprechen immer von der Elite. Diese wollen auch wir, aber die Elite braucht ein starkes Fundament, sonst kommt es nicht zur Bildung einer Elite. Dieses Fundament kann nur aufgebaut werden, wenn die Kinder nicht zu früh durch irgendwelche abstrusen Auswahlverfahren oder Berufswegsentscheidungen – oder wie immer Sie das genannt haben – selektiert werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Die PISA-Studie ist wirklich aufschlussreich. Österreich liegt im guten Mittelfeld, aber die Frage ist: Wie lange noch? – Die Freude hier in Österreich war groß, hauptsächlich weil wir einen Punkt vor Deutschland waren. Aber dann frage ich mich: Warum sind wir nicht an der Spitze? Wie können wir an die Spitze kommen? Und vor allem: Was tun Sie dazu, damit wir nicht dorthin gelangen? – Das finde ich sehr bedenklich.

Wenn man sich anschaut, warum zum Beispiel Finnland und Korea weiter vorne als Österreich liegen, dann zeigt sich etwas, was Sie seit Jahren zu verhindern versuchen. Die Antwort ist einfach, dass diese Länder konsequent an der Chancengleichheit weiterarbeiten. (Abg. Dr. Brinek: Ja, Korea ganz besonders!) Das ist ein Punkt, den die Sozialdemokratie immer für einen der wichtigsten gehalten hat: gleicher und freier Zugang zur Bildung für alle! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Amon: ... 50 Schüler in einer Klasse!)

Was wir fordern, sind Reformen, freier Bildungszugang und flexible Kooperationen in den Schulen, in den Schulen der Jugendlichen – also in den Schulen der 10- bis 14-, 16-Jährigen – und auch in den Ganztagsschulen. Dabei geht es um Ganztagsschulen mit Konzepten, nicht um eine bloße Nachmittags-Aufbewahrung mit einer kalten Jause zwischendurch. Das sollen nicht Paukanstalten sein, sondern das soll Lebensraum sein. Raum wird da geboten für methodisch neue, lerndidaktische und erzieherische Chancen. In solchen Ganztagsschulen gibt es, wenn mit guten Konzepten gearbeitet wird, auch die Möglichkeit, soziale Kompetenzen aufzubauen. Das ist übrigens ein Bereich, den die Wirtschaft massiv fordert.

Es gibt deshalb Länder, die besser und innovativer sind als Österreich, weil dort nicht gesiebt und weil dort nicht zu früh selektiert wird: weder nach sozialer Herkunft noch nach momentaner Lernschwäche. Dann kann man auch die Eliten herausbilden, die jedes Land braucht. Die Studien belegen übrigens, dass es dabei einen angenehmen Nebeneffekt gibt: weniger Gewalt, selbstbewusstere Kinder, weniger Abbrecher und mehr Neugierde im Bereich des Lernens.

Zwei Punkte möchte ich noch erwähnen; das Land Kärnten, das derzeit unter Landeshauptmann Haider ver blüht – und nicht blüht, wie er glaubt –, ist davon besonders betroffen. (Ruf bei den Freiheitlichen: ... keine Ahnung!) Schulen, aber auch Universitäten, sind massiv von Kürzungen betroffen. Es gibt eine Reihe von Schulschließungen, Degradierungen zu Exposituren und Zusammenlegungen. Es sind davon auch zweisprachige Schulen betroffen, was eigentlich wiederum ein verfassungswidriger Eingriff ist. Und an der Universität Klagenfurt gibt es minus 25,9 Prozent Studierende und minus 29,7 Prozent Erstinskribierende.

Was besonders traurig ist, ist der Rückgang bei Studierenden von über 40 Jahren: Da gibt es ein Minus von 80 Prozent. Ich habe das der Frau Ministerin schon gesagt: Sie zerstört die Lebensplanung von Frauen, die die Chance gehabt hätten, sich im zweiten Bildungsweg Wissen anzueignen.

Ich habe das Gefühl, dass Bildung für Sie nicht wirklich wichtig ist, sondern dass sich die Worte "lebensbegleitendes Lernen" und "Chancengleichheit" in Rauch und Nebel auflösen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

20.00

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn man den Schulsprechern der FPÖ so zugehört hat und den Perspektiven, die sie entwickelt und die sich eigentlich immer nur um die Zahlen des Bildungs-


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Volksbegehrens gerankt haben, dann fragt man sich wirklich, mit wem man diskutieren soll, wenn man wirklich über Schulentwicklung reden möchte.

Ich habe auch Kollegen Amon, vor allem aber auch der Frau Ministerin gestern zugehört und darf wirklich sagen, dass die Frau Ministerin es sich sehr leicht gemacht hat. Sie kommentiert genauso wie Sie, Kollege Amon, das Ergebnis des Bildungs-Volksbegehrens als Ausdruck für hohe Akzeptanz und Zufriedenheit mit unserem Bildungssystem in der österreichischen Gesellschaft.

Ich meine, dass es ein falscher und verkehrter Weg des Zugangs zu Bildung und Kultur in Österreich ist, wenn Sie und die Frau Ministerin die Stimmung, die momentan von den Medien in Österreich ausgeht, für sich zu nutzen versuchen. Es kann doch auch für eine Bildungsministerin nicht erfreulich sein, sondern muss ihr zu denken geben, wenn die Medien in Österreich so überhaupt keinen Zugang zur Bildung finden, aber dort, wo es tagespolitisch opportun ist, zum Beispiel im Falle Temelín, schlagzeilenkräftig um sich schlagen.

Ich meine, es ist der falsche Weg, wenn den Medien in Österreich die durch Bildung und Kultur getragene Gesellschaft einfach nicht mehr wichtig ist. Der Frau Ministerin war es doch in erster Linie wichtig – das habe ich herausgehört –, besser als die "ewig oberg’scheiten" Deutschen zu sein, die "Piefkes", mit all ihren Themen, die für Sie von der ÖVP Reizthemen sind, wie zum Beispiel die Gesamtschule. Niemand, Herr Kollege Amon – auch Sie nicht! – hat die eigentlichen Zusammenhänge dieser Studie kommentiert. Keiner hat über die Zusammenhänge gesprochen, darüber, wie sie wissenschaftlich zu betrachten wären, sodass auch die Ergebnisse ernst genommen werden müssten. Und niemand hat wirklich über die Inhalte von Schulreformen geredet, die ein Ergebnis dieser Studie sein könnten: Sie nicht, die Ministerin nicht und die Medien in Österreich leider auch nicht.

Sie haben ebenso wie ich Ihren Blick nach Deutschland und in die Schweiz geworfen, wo die Ergebnisse dieser PISA-Studie in der Fachwelt nahezu einen Aufruhr hervorgerufen und in den Medien einen nachhaltigen Niederschlag gefunden haben, letztlich auch bei den Lehrerinnen und Lehrern. Da Kollegin Muttonen zuvor auch von Finnland gesprochen hat, möchte ich sagen: Es ließe sich schon vieles von unseren Nachbarn abschauen, beispielsweise die ganztägigen Schulformen, über die wir geredet haben, die auf der einen Seite der schulischen Entwicklung sehr entgegenkommen, aber auch der Veränderung in unserer Gesellschaft, vor allem den ... (Abg. Jung: Genau! Das ist es, was Ihr wollt!) Es gibt eben mehr allein erziehende Menschen in Österreich, die sich ganz allein um ihre Kinder kümmern müssen. Sie sehen das aus einem ganz anderen Blickwinkel, Herr Kollege Jung. Wir kennen Ihren Blickwinkel; der ist ja nicht neu! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Amon, es muss einem auch zu denken geben, dass die Finnen – trotz tausend Stunden weniger Unterricht als bei uns in Österreich – wesentlich bessere Ergebnisse als wir erzielen. (Abg. Dr. Brinek: Weil sie weniger Schüler in den Klassen haben! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich glaube, liebe Kollegen von der ÖVP, Kollege Amon, der Zeitpunkt ist jetzt wirklich günstig. Nehmen wir doch das Bildungs-Volksbegehren zum Anlass, um wirklich ernsthaft über Veränderungen im Schulwesen zu reden! Kollege Amon, reden wir nicht über die "Rohrstaberl"! Reden wir auch nicht über die sinnlosen Prognoseverfahren und die Schülerevidenzen, die doch niemand aushält! Reden wir doch über die Reform der Kindergärten und der Grundschule! Herr Amon! Reden wir wirklich über ganztägige Schulformen und eine gemeinsame – ich sage bewusst: eine gemeinsame – Schule aller Schülerinnen und Schüler im Pflichtschulbereich. Reden Sie mit uns über eine schulische Orientierung und schulische Werte anstatt nur über reine Wissensvermittlung! (Abg. Jung: Über die Direktorenposten in Wien sollten wir reden!) Reden wir auch noch über viele andere Dinge, und zeigen Sie auch, dass Sie ernsthaft mit uns reden wollen, wenn wir uns nächste Woche im Unterausschuss zusammensetzen!

Liebe Kollegen von der ÖVP! Eine Diskussion mit uns über diese inhaltlichen Verbesserungen müsste Ihnen als Verantwortliche für das Bildungssystem ja ein gewisser Auftrag sein. Sie


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würden sich dadurch zumindest gedanklich aus der "Geiselhaft" des Finanzministers reißen, der die Bildungsaufgaben nur als einzusparende Ausgaben sieht – und ganz vergisst, dass nur eines auf Dauer teurer für die Gesellschaft ist als Bildung, nämlich keine Bildung. (Beifall bei der SPÖ.)

20.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

20.05

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten uns noch die paar Minuten Zeit nehmen, auch wenn es nur eine erste Lesung ist, über ein zumindest uns so wichtiges Thema zu reden, wiewohl ich zu Beginn doch auch festhalten möchte, dass sich auffallend wenige Rednerinnen und Redner von ÖVP und FPÖ zu diesem Thema zu Wort gemeldet haben. Im Gegensatz dazu ist es uns sehr wichtig, dazu zu reden, besonders auch auf Grund der Tatsache, dass heute VertreterInnen und Vertreter der Österreichischen Hochschülerschaft hier anwesend sind. (Abg. Dr. Pumberger: Bei "Vertreterinnen" sind die Vertreter auch dabei!)  – Vertreterinnen sitzen auch oben, Sie sehen vielleicht schon schlecht, Herr Dr. Pumberger. Ich habe mir auch die Rede der Abgeordneten Papházy angehört, der wahrscheinlich irgendwelche Burschenschafter und schlagende Verbindungen in der ÖH lieber wären als die derzeitige rot-grüne ÖH, was mir wirklich sehr Leid tut. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie dokumentieren mit Ihren Zwischenrufen ohnehin Desinteresse am Bildungs-Volksbegehren; das höre ich jetzt heraus. Sie dokumentieren Desinteresse an 173 596 Bürgerinnen und Bürgern. (Ruf bei der ÖVP: Und wie viel Bürger hat Österreich?) Ich sage Ihnen: Es gab ja nicht nur das Bildungs-Volksbegehren mit diesen vielen Unterschriften, sondern es wurden, seit Sie an der Regierung sind, auch unzählige Bürgerinitiativen und Petitionen zum Bildungsbereich eingebracht, wie das zuvor noch nie der Fall war. Und das spricht auch für sich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Und wenn Sie es noch genauer hören wollen ... (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Sie, Herr Kollege Jung, ignorieren die Wünsche und Anliegen der Jugend. Das behaupte ich hier – und jetzt beweisen Sie mir bitte einmal das Gegenteil! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Wenn man die Ankündigungen von damals – meine Kollegin Muttonen hat das schon ausgeführt –, diesen blumigen Ausspruch des Herrn Bundeskanzlers bei seinem Regierungsantritt im Ohr hat: "Bildung als Rohstoff im Mittelpunkt des 21. Jahrhunderts", dann, muss ich sagen, orte ich zurzeit nur, dass Ihre Fraktionen im Kreis gehen, sich dem Mittelpunkt aber schon gar nicht nähern. Das war also eine Seifenblase, die zerplatzt ist. Ich orte überhaupt keine Verbesserungen; die Jugend sieht nichts, die Jugend spürt nichts davon. Die Jugend spürt nur Verschlechterungen im Bildungsbereich. Wir haben das heute ausreichend mit Zahlen, Daten und Fakten dokumentiert. Von den Menschen, um die es geht, von den jungen Menschen, reden Sie zum Beispiel überhaupt nicht, weil Sie mit modernen pädagogischen Inhalten offensichtlich überhaupt nichts am Hut haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Welche zum Beispiel?)

Meinem Gefühl nach stürzen Sie heute inhaltlich genauso ab wie bei Ihrem Dringlichen Antrag betreffend "linke Bildungspolitik". (Abg. Mag. Schweitzer: Wir sind überhaupt nicht abgestürzt!) – In Ihrer Bildungspolitik – das sei Ihnen noch einmal vor Augen geführt – steht an Stelle der sozialen Integration, für die wir stehen, Herr Kollege Schweitzer, an Stelle der Förderung, für die wir stehen, an Stelle der Durchlässigkeit und Persönlichkeitsentwicklung, wobei wir von den jungen Menschen ausgehen, die Sie überhaupt vergessen, nichts Vergleichbares. (Abg. Ing. Westenthaler: Dreifacheinkommensbezieherin!) Ihre Intention? Wissen Sie was Ihre Intention ist? – Verschärfen, individuelle Selektion, ausschließlich Leistungskriterien. Das ist nicht unsere Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Drei Einkommen beziehen Sie aber schon!)


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Weil dieser neoliberale Umbau, Herr Kollege Wespenballer, Westenthaler – Entschuldigung! –, zu Modernisierungsverlierern und zu Modernisierungsgewinnern führt und zur Spaltung, zur Entsolidarisierung der Gesellschaft, stehen wir dafür nicht zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Was heißt das denn?)

Ein kurzer Satz noch zur EU-Kommission, denn es wurde von Ihren Fraktionen tunlichst vermieden, das anzusprechen. In Lissabon, und zwar im März 2000, legte die EU-Kommission den europäischen Bildungsministerinnen und -ministern – ich gehe davon aus, dass Ministerin Gehrer dort anwesend war – einen Bericht für die Schaffung eines europäischen Bildungsraums vor. Mich wundert nicht, dass Sie noch keinen der 39 Punkte, die darin im Zusammenhang eines Zehnjahresprogramms erörtert wurden, jemals erwähnt haben, denn das führt genau nicht in Ihre bildungspolitische Richtung, was die EU-Kommission uns vorschlägt. Es wird allerdings auch überprüft werden, ob wir das einhalten. Das würde wirklich zu Chancengleichheit führen. "Chancengleichheit": für uns ein wichtiges Wort – für Sie nicht einmal eine Randbemerkung.

Ich bin also sehr gespannt auf den Dialog – ich möchte konstruktiv enden –, aber zu einem Dialog gehören nun einmal mindestens zwei oder auch mehrere Gruppen, und bisher habe ich nicht viel davon bemerkt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist konstruktiv?)

20.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

20.10

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Sozusagen im Stakkato einige Richtigstellungen. Ich bin sehr verwundert darüber gewesen, dass sogar Nicht-Unterrichtsausschuss-Mitglieder – war das richtig, Frau Muttonen? – Korea ein Musterland für Schulentwicklung nennen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Wir haben das wirklich gehört. Ich finde das "toll"! Japan, Korea – hohe Schülerzahl, Drillschule sagt mein Kollege Karl Heinz Gruber, Vergleichende Erziehungswissenschaft, also eigentlich genau das, was wir alles nicht wollen. Wahrscheinlich hängt das mit einer falschen Diagnose zusammen, die auch andere Dimensionen betrifft. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Nordkorea nehme ich an! Oder?) Ja, so ganz genau wissen wir es nicht. Wahrscheinlich. (Abg. Mag. Schweitzer: Also Nordkorea! – Abg. Gaugg  – in Richtung SPÖ –: Mao-Bibel!)

Zum Thema Studiengebühren: Grazer Uni sieht kaum Nachteile. Andere Zitate: Ich merke in den Hörsälen nicht, dass weniger Studierende anwesend sind.

Noch einmal der Appell an die Opposition, den ich schon einmal vorgebracht habe: Reden Sie nicht von weniger Studierenden, denn sonst heißt es möglicherweise gleich: weniger Ressourcenbedarf, sonst kommt man in der Öffentlichkeit noch auf die Idee, die hätten ohnehin zu viel! Bitte keine falschen Signale in diese Richtung! Wir brauchen das Geld für die Anwesenden. Das Geld ist mehr geworden, und das ist auch bereits oft nachgewiesen worden.

Mich wundert, dass die Österreichische Hochschülerschaft offenbar bei der Bewerbung um Stipendien nicht gar so eifrig gewesen ist, denn noch immer haben etwa 5 Prozent der vorgesehenen Mittel keine Abnehmer gefunden – oder es war eine Überdotierung. Ich meine das aber nicht, sondern ich meine, dass alle Österreicherinnen und Österreicher, alle Eltern, alle Väter und Mütter, alle Studierenden – egal, ob weiblich oder männlich –, mit Hilfe von Stipendien in der Lage sein sollten, zu studieren. Wir haben diese Mittel gesteigert, sie sollten aber auch abgeholt werden!

Der Studierenden-Anwalt – das ist unser großes Bemühen – möge sich auch um die von dir, Kollege Niederwieser, genannten Fälle kümmern, die durch Bankspesenabzug aus der Uni rausfallen. Ich denke, wir können uns auf kurzem Wege verständigen, ansonsten kann man sofort den Weg zum Studierenden-Anwalt anraten. Ich weiß aus der Arbeit des Studierenden-Anwaltes, dass die meisten Probleme mit der Uni gelöst werden können und dass kein Erledi


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gungsstau besteht. Das erfreut uns auch. Wir stehen aber dazu, dass wir dieses Instrument eingerichtet haben.

Noch etwas zur Schulqualität. Ich zitiere einen unverdächtigen Zeugen zur PISA-Studie:

"Entscheidend für die Schülerleistung ist nicht die Organisationsform des Schulwesens – hie Gesamtschule, dort Elitegymnasium –, nicht die Menge der Unterrichtsstunden oder die Dauer des Unterrichtstages, nicht einmal die Klassenschülerzahl."

Das sagt ein unverdächtiger Zeuge und Pädagoge, Kurt Scholz, ehemaliger Präsident des Stadtschulrates für Wien. – Über die Motive seiner Absetzung hülle ich mich in Schweigen.

Ich weise auch noch darauf hin, dass die Elternzufriedenheit mit der Schule und die Schülerzufriedenheit gestiegen sind und dass 85 Prozent der 14-jährigen mit den Optionen der Schulwahl nach dem 14. Lebensjahr höchst zufrieden sind und uns ein gutes Zeugnis ausstellen.

Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Kollegen Brosz, der sagt: Schülerzahl senken. – Die Klassenschülerzahl zu senken, das ist ein langfristiges Programm. Das ist okay, denn das fällt dann mit der sinkenden Gesamtschülerzahl genau zusammen. Wir werden also mittel- und langfristig nicht wirklich investieren müssen.

Kollege Grünewald, zu allerletzt: Ich bin einverstanden – ich sehe, er bewegt sich zwischen den Reihen –, dass wir hier nicht in drei Minuten eine Bildungsdiskussion führen. Ich kann nachdenken, vielleicht habe ich einen niedergelegten Gedanken, ein Gedankenexperiment oder eine Gedankenarbeit. Die stelle ich Ihnen dann gerne zur Verfügung. Im Rahmen der Behandlung des Bildungs-Volksbegehrens werden wir sicherlich in einem gemischten Ausschuss über grundsätzliche Definitionen von Bildung reden können. Das wollte ich Ihnen als alte Parlamentarierin noch sagen. Beschicken Sie ihren Ausschuss so, wie Sie das gerne möchten. – Ich sehe einer guten Diskussion entgegen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

20.14

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Entgegen den euphemistischen Beteuerungen der Frau Abgeordneten Brinek möchte ich festhalten, dass die zentralen Forderungen des Bildungs-Volksbegehrens vor allem auf dreierlei Versagen der Regierung fokussieren.

Der eine Punkt sind die Studiengebühren. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Studiengebühren in Wirklichkeit greifen. Im Wintersemester 2000/2001 gab es 241 000 Inskribierte, im Wintersemester 2001/2002, ein Jahr später also, 194 000 Inskribierte. Das bedeutet einen Rückgang von über 45 000 Studierenden, von fast 20 Prozent. Dass es sich hiebei nicht um eine Umverteilung handelt, dass es sich hiebei nicht um eine bessere Verteilung der Mittel handelt, zeigt sich auch allein an der Tatsache, dass es bei Erstsemestrigen einen Rückgang von 14 Prozent gegeben hat. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Es handelt sich also nicht nur um eine "Bereinigung von Karteileichen", wie diese Regierung immer wieder behauptet, sondern es gibt einen echten Rückgang, was die Zahl der Studierenden anlangt. Daher sind diese Studiengebühren in Wirklichkeit ein sozialer Numerus clausus. Sie wirken studienzeitverlängernd für jene, die dafür arbeiten müssen und die es sich daher nicht so leicht leisten können. Die Studiengebühren treffen vor allem Frauen und Berufstätige. (Abg. Dr. Brinek: Das ist überhaupt nicht so! Der Frauenanteil ist angestiegen!) In Wirklichkeit geht es nicht um eine bessere Universität, sondern um das Stopfen von Budgetlöchern. Das ist die ganze Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP.)


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Der zweite Punkt, mit dem Sie argumentieren, sind die Beihilfen. Von Ihrer Seite wurde argumentiert, dass niemandem aus sozialen Gründen das Studium verwehrt werden solle. – Das stimmt aber nicht! Die ohnehin nur geringe Erhöhung beziehungsweise Ausweitung des Bezieherkreises der Beihilfen reicht bei weitem nicht aus, um die Härten abzufedern, was sich ja an der Zahl der Studierenden deutlich ablesen lässt.

Der dritte Punkt ist das Uni-Dienstrecht. Dieses Uni-Dienstrecht wurde ohne die Einbindung der Betroffenen durchgesetzt. (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt überhaupt nicht! Die Gewerkschaft war eingebunden!) Es ist unattraktiv, weil eine durchgehende Karriere erschwert wird.

Dazu sagen wir: Wir halten es für keinen Fortschritt, wenn Unsicherheit in Arbeitsverhältnissen zum Prinzip erklärt wird. Gute Leistungen erwachsen nämlich nicht aus Existenzängsten und Konkurrenz- und Karrieredruck, sondern aus einer positiven Motivation und der Verbundenheit mit dem Betrieb, in dem man arbeitet. Daher kamen auch aus den Universitäten Stellungnahmen, von denen bis zu 90 Prozent negativ waren.

Von den anderen Untaten Ihrer Regierung, dem unseligen "Rohrstaberl-Erlass", dem Aufnahmetest, dem Prognoseverfahren, der Kürzung des Bildungsbudgets, den Abbau von Planstellen, der Kürzung der Mittel für die Erwachsenenbildung einmal ganz zu schweigen! Sie haben in Wirklichkeit den Bildungsbereich ausgehungert! Sie wollen eine gute Bildung nur für soziale Eliten, für Privilegierte. Ihnen geht es nicht um Offenheit, um Liberalität, um freien Zugang und um Chancengleichheit, sondern Sie von den Koalitionsparteien haben die Bildung in diesen zwei Jahren kaputtgespart. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pilz. )

20.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt mir ein Antrag des Abgeordneten Brosz vor, zur Vorberatung dieses Volksbegehrens einen besonderen Ausschuss zu wählen, der 25 Mitglieder umfassen soll.

Ich lasse jetzt darüber abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich weise daher das Bildungsoffensive- und Studiengebühren-Volksbegehren, 966 der Beilagen, dem Unterrichtsausschuss zu.

9. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz-KFG geändert wird (550/A)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung und gehen sogleich in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte. (Unruhe in Saal.) – Darf ich um etwas mehr Ruhe ersuchen. Auch wenn wir uns im Finale dieser Sitzung befinden, ist es angebracht, dem Redner eine Chance zu geben, gehört zu werden.

20.19

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorliegende Initiative beschäftigt sich mit einem Problem, das nur eine kleine Berufsgruppe betrifft, nämlich die Hebammen. Hebammen dürfen derzeit kein Blaulicht führen, wenn sie im Einsatz sind, weil dies derzeit nach der Definition des Gesetzes nicht im öffentlichen Interesse liegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zahl der Hausgeburten nimmt zu, und daher meinen wir, dass eine Gesetzesänderung im KFG und in der StVO notwendig wäre, um diesen Missstand zu beseitigen. Damit würden wir einer kleinen Berufsgruppe helfen – und auch den Müttern, die kurz vor einer Geburt stehen.


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Wir dürfen Sie einladen, unsere Gesetzesinitiative mitzutragen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Blaulicht für Hebammen!)

20.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Restredezeit für Ihre Fraktion nur mehr 2 Minuten beträgt.

20.20

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Danke, Herr Präsident; das ist vollkommen ausreichend. – Meine Damen und Herren! Der Wunsch, die Hebammen sozusagen als blaulichtfähiges Einsatzfahrzeug zu deklarieren, ist meines Erachtens ... (Abg. Edlinger: Die Hebammen nicht!) Deren Autos natürlich! Ich denke, meine Damen und Herren, dass das ein berechtigtes Anliegen ist. Wir werden im Zuge der nächsten Novelle des Kraftfahrzeuggesetzes dieses Ansinnen positiv erledigen. Hiezu gibt es viele Argumente pro; ich kenne keine kontra. Wir werden uns aber auch überlegen müssen, welche anderen Organisationen oder anderen Dienste da noch mit einbezogen werden müssen. In diesem Sinne werden wir sicherlich zu einer sehr guten Einigung kommen.

Kollege Maier, ich habe auch einen Antrag von dir gefunden: "Verordnung", mit der die Straßenverkehrsordnung geändert wird. Das soll der Nationalrat beschließen. – Das kann es wohl nicht sein, das wäre doch verfassungswidrig. Der Nationalrat kann keine Verordnung beschließen, sondern nur ein Gesetz. Das möchte ich nur zur Ergänzung beziehungsweise Richtigstellung anbringen. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Schweitzer: Blaulicht für Hebammen!)

20.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fink. – Bitte.

20.22

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wie bereits erwähnt: Das betrifft nur eine kleine Gruppe in Österreich, die Hebammen, und zwar die niedergelassenen beziehungsweise frei praktizierenden Hebammen. Ich habe mir das in meinem Bezirk angeschaut. Wir haben ein ausgezeichnetes Spital mit einer guten gynäkologische Abteilung. Im Bezirk Feldbach gibt es keine einzige niedergelassene Hebamme mehr, im Nachbarbezirk auch nicht. Das heißt, es ist das wirklich eine sehr kleine Gruppe. Das hat aber nichts zu besagen und soll nicht heißen, dass wir nicht auch unter Umständen dafür sind. (Abg. Mag. Schweitzer: Einen Hubschrauber vielleicht!)

Deswegen aber jetzt gleich ein neues Gesetz zu basteln, ist noch nicht notwendig. Wir werden natürlich in späterer Folge beraten, ob das notwendig ist. ÖAMTC und ARBÖ sagen, dass man damit vorsichtig umgehen muss. Und bei einem "vorsichtigen Umgehen" mit diesem Blaulicht ist es für Hebammen wahrscheinlich nicht so notwendig.

In der gynäkologischen Abteilung im Krankenhaus Feldbach – das möchte ich noch dazu sagen, damit das auch das Hohe Haus weiß – wurde heuer das "Neujahrsbaby" geboren. Ich bin zwar nicht mit Blaulicht dorthin gefahren, habe aber gratuliert, und zwar deswegen gratuliert, weil es die erste Mutter in Österreich war, die Anspruch auf das Kindergeld hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden bezüglich dieses Blaulichtes noch reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

20.24

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt wäre die Versuchung sehr, sehr groß, über die Situation der freien Hebammen zu sprechen, ebenso darüber, warum ihre Situation so schlecht ist, dass es sich dabei nur mehr um eine ganz kleine


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Gruppe handelt. Das ist nämlich kein Zufall, sondern das ist eine systematische Politik. Vergleichen Sie die Situation in Österreich mit Holland, und dann werden Sie sehen, dort haben die Hebammen eine klaren Stellenwert in der Gesundheitspolitik. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Gerade weil diese Gruppe klein ist, wundert es mich denn doch, dass die Autofahrerklubs so besondere Bedenken gegen eine solche Regelung geäußert haben. Andererseits wundert es mich aber nicht, weil das eben typisch ist. Das fällt Ihnen natürlich wieder ein, wenn es um Frauen geht. Eine "klassische" Geschichte! Hebammen sollen an den Rand gedrängt werden, sofern sie sich nicht im Spital aufhalten.

Ich dagegen hielte das für eine sinnvolle und interessante Regelung. Das sollten wir auch so betreiben. Ich habe natürlich auch mit unserem Gesundheitssprecher über dieses Thema geredet, und eines seiner Argumente hat mich ganz besonders überzeugt. Er hat mir nämlich gesagt: Wenn Herr Kollege Pumberger das Recht hat, Blaulicht zu führen, ja warum sollen das dann Hebammen nicht dürfen? (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 550/A dem Verkehrsausschuss zu.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 598/A bis 608/A (E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 3345/J bis 3373/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für heute, 20.26 Uhr, ein; das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.26 Uhr