Stenographisches Protokoll

35. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 23. Oktober 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


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35. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode       Donnerstag, 23. Oktober 2003

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 23. Oktober 2003: 10.00 – 22.03 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasyl­senat und das Meldegesetz geändert werden

2. Punkt: Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenz­überschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden

3. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekreta­riat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz

4. Punkt: Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung

5. Punkt: Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsüber­einkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbe­stände – Erklärungen (Gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

6. Punkt: Bericht über den Fünfundzwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2001)

7. Punkt: Bericht über den Sechsundzwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2002)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechts-Über­leitungsgesetz und das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 geändert, ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 erlassen, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze, Bundesgesetze und in Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen aufge­hoben werden (Kundmachungsreformgesetz 2004)

9. Punkt: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüber­schreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle samt Erklärungen

10. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 209/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klima-Konjunkturpaket 200 Mio. Euro für Umweltschutz und Beschäftigung


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11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz geändert wird (154/A)

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Versicherungssteuergesetz geändert wird (169/A)

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (202/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Ordnungsruf ................................................................................................................... 76

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 766/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung .................................................................................................... 32

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         139

Redner:

Mag. Ulrike Lunacek .........................................................................................  139, 147

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ...................................................... 142

Dr. Michael Spindelegger .......................................................................................... 143

Heidrun Silhavy .......................................................................................................... 144

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 146

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 32

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (120 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bun­desasylsenat und das Meldegesetz geändert werden (253 und Zu 253 d.B.), gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten rückzuverweisen – Ablehnung (namentliche Abstimmung) .................................................................................................................. 90

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .................................... 91

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 91

Fragestunde (2.)

Auswärtige Angelegenheiten ..................................................................................... 12

Dr. Caspar Einem (18/M); Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Ulrike Lunacek


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Dr. Michael Spindelegger (11/M); Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Evelin Lichtenberger, Mag. Ulrike Sima

Mag. Ulrike Lunacek (14/M); Petra Bayr, Peter Haubner, Anton Wattaul

Herbert Scheibner (16/M); Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Christine Muttonen, Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer

Dr. Josef Cap (19/M); Ing. Josef Winkler, Herbert Scheibner, Dr. Evelin Lichten­berger

Dr. Werner Fasslabend (12/M); Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Mag. Ulrike Lunacek, Marianne Hagenhofer

Mag. Ulrike Lunacek (15/M); Mag. Walter Posch, Mag. Hans Langreiter, Maxi­milian Walch

Klaus Wittauer (17/M); Mag. Ulrike Lunacek, Ing. Kurt Gartlehner, Karl Dona­bauer

Petra Bayr (20/M); Franz Xaver Böhm, Mag. Eduard Mainoni, Mag. Ulrike Lunacek

Carina Felzmann (13/M); Detlev Neudeck, Mag. Ulrike Lunacek, Anton Heinzl

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................  30, 202, 205, 212

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betref­fend Arbeit und Wirtschaft – Österreich im internationalen Vergleich (963/J) ............................................................................................................. 97

Begründung: Dr. Reinhold Mitterlehner ...................................................................... 99

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 105

Debatte:

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 111

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................................. 113

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................... 115

Michaela Sburny ......................................................................................................... 118

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 120

Friedrich Verzetnitsch ............................................................................................... 122

Christoph Kainz .......................................................................................................... 124

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 126

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 129

Mag. Hans Moser ....................................................................................................... 130

Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer ..................................................................................... 132

Karl Öllinger ................................................................................................................ 133

Josef Bucher ............................................................................................................... 135

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 137

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 138

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (120 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-


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Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unab­hängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden (253 und Zu 253 d.B.) ......................................................................................................................... 33

Berichterstatter: Alfred Schöls ..................................................................................... 33

Redner:

Mag. Walter Posch ....................................................................................................... 33

Dr. Michael Spindelegger ............................................................................................ 36

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................... 39

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................... 41

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ........................................................  44, 57, 71, 87

Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 47

Günter Kößl .................................................................................................................. 49

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 51

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................... 55

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 59

Matthias Ellmauer ........................................................................................................ 61

Dieter Brosz .................................................................................................................. 62

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 65

Mag. Gisela Wurm ........................................................................................................ 67

Ing. Norbert Kapeller (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 68

Karl Freund ................................................................................................................... 69

Otto Pendl ..................................................................................................................... 70

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 72

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 74

Katharina Pfeffer .......................................................................................................... 74

Mag. Dietmar Hoscher (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 76

Astrid Stadler ................................................................................................................ 76

Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 78

Mares Rossmann ......................................................................................................... 79

Marianne Hagenhofer .................................................................................................. 81

Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................... 82

Anton Gaál .................................................................................................................... 83

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 84

Sabine Mandak ............................................................................................................. 86

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 88

Jochen Pack .................................................................................................................. 88

Karl Öllinger .................................................................................................................. 89

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kriterienkatalog für die Anerkennung geschlechtsspezifi­scher Verfolgungsgründe im Asylrecht und Umsetzung von Gender Mainstrea­ming im Bereich Asylverfahren und Bundesbetreuung von AsylwerberInnen – Ab­lehnung .................................................................................  54, 93

Annahme des Gesetzentwurfes ..................................................................................... 92

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (129 d.B.): Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden (226 d.B.) ......................................................... 93

3. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (177 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständi-


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gen Sekretariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amts­sitz (227 d.B.) ......................................................................... 93

4. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvor­lage (199 d.B.): Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten des Inter­nationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung (228 d.B.) ........................................................................................................................ 93

Redner:

Mag. Karin Hakl ............................................................................................................ 93

Dkfm. Dr. Hannes Bauer ............................................................................................. 95

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 96

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 148

Wolfgang Großruck ................................................................................................... 149

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ...................................................... 151

Anton Heinzl ............................................................................................................... 152

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................................... 153

Carina Felzmann ........................................................................................................ 155

Johann Ledolter ......................................................................................................... 156

Walter Murauer ........................................................................................................... 157

Genehmigung der drei Staatsverträge in 226, 227 und 228 d.B. ................................. 158

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG hinsichtlich 228 d.B. ......... 158

5. Punkt: Regierungsvorlage: Übereinkommen zur Durchführung der Bestim­mungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. De­zember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände – Erklärungen (223 d.B.) (Gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung) ................................... 158

Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................. 159

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Fünfundzwanzigsten Bericht (III-4 d.B.) der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2001) (241 d.B.) .............................. 159

7. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Sechsundzwanzigsten Bericht (III-39 d.B.) der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2002) (242 d.B.) .............................. 159

Redner:

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................ 159

Peter Marizzi ............................................................................................................... 161

Josef Bucher ............................................................................................................... 162

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 162

Mag. Hans Langreiter ................................................................................................ 165

Stefan Prähauser ........................................................................................................ 166

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 167

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 169

Karl Donabauer .......................................................................................................... 171

Volksanwältin Rosemarie Bauer .............................................................................. 173

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 174

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflegegeldanspruch – Ablehnung ........................................................................  170, 176

Kenntnisnahme der Berichte III-4 und III-39 d.B. .......................................................... 175


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35. Sitzung / Seite 6

8. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (93 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechts-Überleitungsgesetz und das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 geändert, ein Bun­desgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 erlassen, das Verlautbarungsge­setz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bun­desverfassungsgesetze, Bundesgesetze und in Bundesgesetzen enthaltene Ver­fassungsbestimmungen aufgehoben werden (Kundmachungsreformgesetz 2004) (243 d.B.) ......................... 176

Redner:

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer ............................................................................. 176

Mag. Walter Posch ..................................................................................................... 177

Josef Bucher ............................................................................................................... 179

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 180

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 181

Mag. Cordula Frieser ................................................................................................. 182

Otto Pendl ................................................................................................................... 182

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 183

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines erleichterten Zuganges zum gelten­den Recht auch für Menschen ohne Internetanschluss – Ablehnung ............................................................................................................  180, 184

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 184

9. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (134 d.B.): Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenz­überschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle samt Erklärungen (239 d.B.) ............................................................... 184

Redner:

Erwin Hornek .............................................................................................................. 185

Katharina Pfeffer ........................................................................................................ 186

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 187

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 187

Gerhard Steier ............................................................................................................ 188

Genehmigung des Staatsvertrages ............................................................................. 189

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG ........................................... 189

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG ........................................... 189

10. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsan­trag 209/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klima-Konjunkturpaket 200 Mio. Euro für Umweltschutz und Beschäf­tigung (240 d.B.) .............................................................. 189

Redner:

Mag. Ulrike Sima ........................................................................................................ 189

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 191

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................. 192

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 193

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ...................................................................... 194

Walter Schopf ............................................................................................................. 196

Georg Oberhaidinger ................................................................................................. 197

Petra Bayr ................................................................................................................... 198

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes ................................................................... 199


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35. Sitzung / Seite 7

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 240 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Klima-Schutz – Erreichung des Kyoto-Ziels (E 25) ................................................................ 199

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz geändert wird (154/A) .............. 199

Redner:

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 200

Dr. Ferdinand Maier ................................................................................................... 201

Josef Bucher ............................................................................................................... 201

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 202

Zuweisung des Antrages 154/A an den Finanzausschuss .......................................... 202

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensions­kassengesetz und das Versicherungssteuergesetz geändert wird (169/A) ................................................................................................... 202

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 202

Mag. Peter Michael Ikrath .......................................................................................... 203

Karl Öllinger ................................................................................................................ 205

Zuweisung des Antrages 169/A an den Finanzausschuss .......................................... 205

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz geändert wird (202/A)                     206

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 206

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 207

Maximilian Walch ....................................................................................................... 208

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 209

Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 211

Zuweisung des Antrages 202/A an den Finanzausschuss .......................................... 212

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 30

238: Abgabenänderungsgesetz 2003 – AbgÄG 2003

248: Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird

249: Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz – WohnAußStrBeglG

250: Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung und die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert werden

251: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Sicherheiten auf den Finanzmärkten (Finanzsicherheiten-Gesetz – FinSG) erlassen wird und das Bun­desgesetz über das internationale Privatrecht geändert wird

254: Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an der Tiro­ler Flughafenbetriebsgesellschaft mbH und von unbeweglichem Bundesver­mögen


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35. Sitzung / Seite 8

Bericht ........................................................................................................................... 32

III-63: Vierter Bericht zur Lage der Jugend in Österreich; BM f. soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

Anträge der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lebensmittel: Kürzere Halt­barkeitsfristen und effektivere Kontrollen“ (246/A) (E)

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für Verkehr (Bundesamt für Verkehr-Gesetz – BAVG) erlassen und das Bundesgesetz vom 23. Juni 1967 über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967), das Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrs­ordnung 1960 – StVO 1960), das Bundesgesetz über die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen (Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG), das Bun­desgesetz über die Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutbeförderungsgesetz – GGBG 1998), das Bundesgesetz über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirt­schaftsgesetz 2002 – AWG 2002), das Bundesgesetz zur Durchführung des Überein­kommens über die internationale Beförderung leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderung zu verwenden sind (ATP-Durchführungsgesetz 1970), das Bundesgesetz über sichere Container (Contai­nersicherheitsgesetz – CSG), das Kraftfahrzeugsteuergesetz – KfzStG, das Bundesge­setz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG), das Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG), das Bundesgesetz über die nichtlinienmäßige gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 – GelverkG), das Umsatzsteuergesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Außenhandelsgesetz, das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße – TGSt), das Zollrecht-Durchführungs-Gesetz, das Bundesgesetz über die All­gemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) und das Bun­desgesetz über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz) geändert werden (Bundesamt für Verkehr-Errichtungsgesetz) (247/A)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetz geändert wird (248/A)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend die dringend nötige Ver­besserung der Rahmenbedingungen für die Photovoltaiknutzung in Österreich durch Novellierung des Ökostromgesetzes (249/A) (E)

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert und ein Bun­desgesetz über die Europawahl 2004 erlassen wird (250/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Arbeit und Wirtschaft – Österreich im internationalen Vergleich (963/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Situation der österreichischen Popmusik (964/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Situation der österreichischen Popmusik (965/J)


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35. Sitzung / Seite 9

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Situation der österreichischen Popmusik (966/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend die Situation der österreichischen Popmusik (967/J)

Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend den bereits zugesagten Erhalt der Mariazellerbahn (968/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Aufweichung des LKW-Wochenend- und Feiertagsfahrverbots (969/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Beteiligung des Dr.-Karl-Renner-Instituts an der Firma „Merkur-Unternehmensbeteili­gung, Vermögensverwaltung und Finanzierungsvermittlung Gesellschaft mbH“ (970/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aspekte des Ausschreibungsverfahrens und der Verwertungsentscheidung über die bundeseigenen Wohnbaugesellschaften (971/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend konsumentenpolitische Handlungsmöglichkeiten (972/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend konsumentenpolitische Handlungsmöglichkeiten (973/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend konsumentenpolitische Handlungsmöglichkeiten (974/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend konsumentenpolitische Handlungsmöglichkeiten (975/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend konsumentenpolitische Handlungsmöglichkei­ten (976/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend konsumentenpolitische Hand­lungsmöglichkeiten (977/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Betriebs- und Bodendaten (978/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Betriebs- und Bodendaten (979/J)


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35. Sitzung / Seite 10

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Berufsschulbesuch von Lehrlingen in Teilqualifikation und mit verlängerter Lehrzeit nach dem neuen Berufsausbildungsgesetz (980/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend teure Microsoft Lizenzen statt Linux und Freeware an österreichischen Schulen (981/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Urheberrecht (982/J)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Frühpensionierungen und möglichen Lehrkräftemangel (983/J)

Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Tierversuche an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (984/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend überplanmäßige Ausgaben im 3. Quartal 2003 (985/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Arbeitsleihverträge (986/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Arbeitsleihverträge (987/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Arbeitsleihverträge (988/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Arbeitsleihverträge (989/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Arbeitsleihverträge (990/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Arbeitsleihverträge (991/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Arbeitsleihverträge (992/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Arbeitsleihverträge (993/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Arbeitsleihverträge (994/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Si­cherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Arbeitsleihverträge (995/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Arbeitsleihverträge (996/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Arbeitsleihverträge (997/J)

Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend sportliche Betätigung der RekrutInnen beim Bundesheer (998/J)

Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend HTL-Saalfelden – Mechatronik-Kolleg St. Johann/Pg. (999/J)


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Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Bundesanstalt für alpenlän­dische Landwirtschaft Gumpenstein (1000/J)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Flüchtlingslager Traiskirchen (1001/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend zunehmende Unpünktlichkeit von Schülern (1002/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Situation der Frauen im länd­lichen Raum (1003/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Situation der Frauen im ländlichen Raum (1004/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicher­heit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Situation der Frauen im länd­lichen Raum (1005/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Situation der Frauen im ländlichen Raum (1006/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Frauen in der öffentlichen Verwaltung (1007/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Ange­legenheiten betreffend die österreichische Entwicklungshilfe (1008/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Rückforderungen der Telekom Austria an den Bund (1009/J)

*****

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Blockierung eines Behindertenparkplatzes (11/JPR)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Beteiligung der Firma „Merkur-Unternehmensbeteiligung, Vermögensverwaltung und Finanzierungsvermittlung Gesellschaft mbH“ (926/J) (Zu 926/J)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Anton Heinzl, Kolleginnen und Kollegen (786/AB zu 842/J)



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Beginn der Sitzung: 10 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße alle Damen und Herren des Hohen Hauses.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Broukal, Lackner, Mag. Prammer und Dr. Pilz.

Fragestunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur Fragestunde, die ich um 10.01 Uhr be­ginne.

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen zur 1. Anfrage des Abgeordneten Dr. Einem an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten. – Bitte, Herr Abge­ordneter.

 


Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Bereits zu Beginn der Initiative hat sich der damalige polnische Außenminister Bartoszewski sehr kritisch zum Ansatz einer von Österreich initiierten und geführten Strategischen Partnerschaft geäußert.

18/M

„Weshalb halten Sie nach wie vor am Konzept der Strategischen – nunmehr Regiona­len Partnerschaft mit EU-Beitrittskandidaten aus Mittel- und Osteuropa fest?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich halte deshalb daran fest, weil sich die Regio­nale Partnerschaft schon jetzt bewährt hat.

Bismarck hat einmal gesagt: Man kann vieles ändern in der Diplomatie, aber man kann die Geographie nicht ändern. – Die wirtschaftlichen, kulturellen und geographischen Voraussetzungen sind dazu angetan, dass wir eine Kooperation haben können. Und ich muss Ihnen sagen: Gott sei Dank habe ich vorausgedacht – sie ist in bester Fahrt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Bundesministerin! Im Gegensatz zu dem, was Sie sagen, hat der tschechische Premierminister Špidla erst jüngst in den „Salzburger Nachrichten“ diesem Ihrem Konzept einer engen regionalen Partnerschaft eine Absage erteilt und gemeint, er wolle die EU nicht durch mehrere kleine Allianzen desintegrieren.


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Meinen Sie nicht auch, dass der Versuch, den Sie unternommen haben, eine Bewe­gung der Kleinen gegen die Großen in der EU zustande zu bringen, objektiv kontra­produktiv ist?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Das glaube ich nicht, denn es ist ja nicht eine Initiative der Kleinen gegen die Großen, sondern eine Initiative, in der wir unsere Interessen, und zwar die Interessen der Nach­barstaaten, vertreten. Hier ist ja unter anderen ein großes Land, nämlich Polen, dabei.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Abgeordnete Mag. Scheucher-Pichler gemeldet. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Bundesministerin! Welche Rolle spielt die Regionale Partnerschaft bei der Regierungskonferenz?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Die Regionale Partnerschaft spielt hier eine ganz wesentliche Rolle. Schon im Vorfeld, im Konvent, hat es eine Gruppierung gegeben, die zwar nicht nur die Regionale Part­nerschaft, aber diese als Kern, Interessen gemeinsam gefördert hat. Und Sie sehen: Bei der Frage der Zusammensetzung der Europäischen Kommission sind wir auf gutem Wege, das zu haben, was uns alle interessiert, nämlich einen Kommissar pro Mitgliedstaat mit Stimmrecht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé.

 


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Frau Minister! Wie stehen Sie vor dem Hintergrund der Regionalen Partnerschaft zu einem allfälligen EU-Beitritt der Türkei?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Frau Abgeordnete! Der Europäische Rat von Kopenhagen wird erst Ende des nächsten Jahres über diese Frage, und zwar über die politischen Kriterien, entscheiden, und da­mit stellt sich diese Frage derzeit noch nicht, erst dann ist sie zu beurteilen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Luna­cek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Im Rahmen der Regio­nalen Partnerschaft ist natürlich auch die Arbeit in den Grenzregionen sehr wichtig. Wie kann es geschehen, dass das Grenzgänger- und Praktikantenabkommen mit Tschechien, das vor über zwei Jahren vom Wirtschaftsminister unterzeichnet wurde, immer noch nicht im Ministerrat war? Warum sind Sie daran gescheitert, dieses für die Grenzregionen, gerade für das Mühlviertel und Waldviertel so wichtige Abkommen in den Ministerrat zu bringen und dem Nationalrat zur Ratifizierung vorzulegen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Grundsätzlich sind wir natürlich daran interessiert, diese Abkommen einzubringen, aber wir müssen auch auf die österreichische Arbeitsmarktlage Bedacht nehmen, und diese ist derzeit nicht sehr gut. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Ich glaube, wir haben Zeit genug, das in der Zukunft noch zu tun.

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir den ersten Fragenkomplex abgearbei­tet.

Wir kommen zur 2. Anfrage, die Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger stellt. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesministe­rin! Meine Frage lautet:

11/M

„Welche Erfolge für die österreichische Position zur Regierungskonferenz über einen Verfassungsvertrag für Europa konnten seit der letzten Hauptausschusssitzung er­reicht werden?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Das Erste und Wichtigste war, dass überhaupt alle den einzelnen Staaten wesent­lichen Fragen angesprochen werden und diskutiert werden können. Das war nämlich nicht von vornherein klar.

Das Zweite ist, dass der Legislativrat praktisch schon im Konsens als nicht zweck­mäßig angesehen wird. Und weitere Fragen ergeben sich vor allem hinsichtlich der Kommission, aber auch bezüglich der Regelung des Vorsitzes in den Ministerratsfor­mationen, wo wir in die Konzepte von Teampräsidentschaften einsteigen werden. Auch da gibt es Überlegungen, die von österreichischer Seite da waren, die nun von vielen anderen nachvollzogen werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Frau Bundesministerin! Sie waren schon sehr erfolgreich bei der Regierungskonferenz, und Sie werden es auch noch sein. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.) Wir freuen uns besonders darüber, auch wenn die Kollegen von der SPÖ diese Freude nicht teilen.

Ich möchte Sie noch fragen: Wie sehen Sie denn die Rotation bei der Präsidentschaft, die jetzt sehr unterschiedlich im Vorschlag steht?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Die politische Bedeutung der Rotation bei den Ratsformationen wurde ja im Konvent­entwurf nicht wirklich ausreichend beachtet. Es ist sehr, sehr wesentlich, dass dadurch die förmliche und die tatsächliche Gleichheit zwischen den Mitgliedstaaten garantiert ist; man soll den symbolischen Wert dessen nicht unterschätzen. Garant für die Bürger ist diese Rotation, dass ein Projekt nicht nur in Brüssel geschieht, sondern dass es eigentlich in jedem Mitgliedstaat gemacht wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Eine weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Bösch, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Frau Minister! Wie ent­wickelt sich in der Regierungschef-Konferenz die Frage der engeren und strukturierten Zusammenarbeit in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann dazu sagen, dass sie sich eigentlich sehr gut entwickelt. Wir haben dabei angesprochen, dass es für uns eine offene Zusammenarbeit sein muss, das heißt, eine


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Zusammenarbeit, an der grundsätzlich alle teilnehmen können. Dazu sollen die Krite­rien von allen jetzt festgelegt werden. Und in diese Richtung geht die Entwicklung.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Frau Ministerin! Sie haben sich sehr intensiv um einen Kommissar pro Land bemüht; EURATOM stand auch auf der Pflich­tenliste. Wenn es nun am Schluss um die Entscheidung geht, ob der Einsatz für Euratom oder für einen Kommissar pro Land sein soll, wofür werden Sie sich dann entscheiden?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Diese Entscheidung wird so sicherlich nicht notwendig sein. Es wird für einen Kommis­sar pro Land eine gute Entwicklung geben, aber wir haben selbstverständlich bereits jetzt schriftlich eingebracht, dass wir für Euratom sind, und zwar für eine Revisions­konferenz, die ein Jahr nach Beendigung der Regierungskonferenz stattfinden soll. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Sima, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Frau Bundesminister! In Sachen Euratom und der einseitigen Förderung der Nuklearindustrie konnten wir ja bisher im Rahmen der Verfassungskonferenz überhaupt keine Erfolge verzeichnen.

Meine konkrete Frage an Sie: Welche Schritte und Initiativen werden Sie setzen oder haben Sie schon gesetzt, damit es noch innerhalb des nächsten Jahres zu einer Revi­sionskonferenz in Sachen Euratom kommt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zum Ersten ist selbstverständlich diese Frage im Konvent immer wieder angesprochen worden, aber leider hat der Konvent diesbezüglich keinen Erfolg eingefahren. Es ist eine schwierige Frage, deshalb sprechen wir sie mit allen Staaten, auch mit den großen Staaten, an, die selbst Nuklearmächte sind, wie zum Beispiel vor zwei Tagen im Rahmen eines Treffens einer Beamtendelegation in Großbritannien. Und wir haben bereits einen schriftlichen Vorschlag dazu bei der Präsidentschaft deponiert.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit haben wir diesen Fragenkomplex abgearbeitet.

Wir kommen zur 3. Anfrage, formuliert von Frau Abgeordneter Mag. Lunacek. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Herr Finanzminister Grasser hat Aktien von Firmen wie Black Hawk und Newmont, die bekannt sind für Ausbeutung von Arbeitern in Nicaragua und für Umweltverseuchung in Peru, unter anderem.

14/M

„Wie beurteilen Sie aus entwicklungspolitischer Sicht Investitionen in Aktien der im Goldbergbau tätigen Firmen Black Hawk und Newmont?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 



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Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf dazu sagen, dass mir in der Entwicklungspolitik die Kohärenz ein wichtiges An­liegen ist. Ich habe beim neuen Entwicklungszusammenarbeitsgesetz im Jahr 2002 großen Wert auf die Kohärenzklausel gelegt, die besagt: Der Bund berücksichtigt die Ziele und Prinzipien der Entwicklungspolitik bei den von ihm verfolgten Politikberei­chen, die die Entwicklungsländer berühren können. – Hiebei handelt es sich also um eine Bindung für die Bundesverwaltung. Der Privatbesitz von Aktien unterliegt nicht dieser Gesetzesbestimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Natürlich unterliegt der Privatbesitz nicht diesen gesetzlichen Bestimmungen, aber Sie und diese Bundes­regierung stehen für eine gewisse Glaubwürdigkeit und Verantwortung gegenüber den Ländern der Dritten Welt. Halten Sie es nicht für kontraproduktiv für die Glaubwürdig­keit Ihres Anliegens, wenn Minister Grasser solche Aktien hält?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich sage es noch einmal: Jeder Staatsbürger ist grundsätzlich berechtigt, selbst Aktien zu haben. Er unterliegt einfach all den Gesetzen, die da sind. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bayr, bitte.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Frau Bundesministerin! Das Halten von Aktien wie etwa von Konzernen, die in Nicaragua, einem Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, Gold schürfen und dabei Arbeiter ausbeuten (Abg. Großruck: Das ist ja hanebüchen!), gerechte Löhne vorenthalten und damit zu sozia­len Unruhen beitragen, ist ganz sicher nicht – das haben Sie auch bestätigt – im Sinne einer kohärenten Entwicklungszusammenarbeit. (Abg. Großruck: Dann geben Sie sofort den Goldring zurück, den Sie haben!) Jetzt gibt es schon seit längerem auch ethische Aktienfonds, ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frage, bitte!

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): ..., die soziale, ökologische und menschenrechtliche Kriterien berücksichtigen.

Ich würde Sie gerne fragen, wie Sie Ihrer moralischen und politischen Verpflichtung nachkommen wollen, Mitglieder der Bundesregierung davon zu überzeugen: wenn schon Spekulationskapital, dann Investitionen in diese ethischen Fonds.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich habe die Frage schon beantwortet. Ich habe gesagt: im Rahmen der Bundesver­pflichtungen selbstverständlich durch die Kohärenz. Ich kann aber niemandem vor­schreiben, welche Aktien er persönlich zu kaufen hat, ich kann nur empfehlen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Haubner, bitte.

 


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben bereits die Kohärenz angesprochen. Meine Frage dazu: Welche Initiativen haben Sie für eine kohärente Entwicklungspolitik gesetzt?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich habe in den letzten Jahren bei den Studiengebühren für Studenten aus Entwick-


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lungsländern eine angemessene Lösung durch Kohärenz durchgesetzt, sodass ein Exodus von Studenten aus Entwicklungsländern ausgeschlossen werden konnte.

Bei der Initiative „Everything but Arms“ ist es uns gelungen, eine Liberalisierung beim Handel mit den ärmsten Ländern zu erreichen.

Das dritte Beispiel ist sehr jung, dabei geht es um das neue Umweltförderungsgesetz, wo die Prinzipien der Entwicklungszusammenarbeit vor allem bei den Umweltprojekten berücksichtigt werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wattaul, bitte.

 


Abgeordneter Anton Wattaul (Freiheitliche): Frau Minister! Wie soll sich der Gesamt­betrag der österreichischen Hilfe für Entwicklungsländer auf Investitionen und direkte Förderungen verteilen?

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann nur sagen: Es ist im Rahmen unseres Gesamtprogramms wichtig, dass selbstverständlich auch Investitionen da sind, aber ich kann Ihnen jetzt keinen Detail­betrag nennen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nunmehr zum 4. Anfragekomplex, den Herr Abgeordneter Scheibner formuliert. – Bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

16/M

„Inwiefern kann Österreich zu einer friedlichen Beilegung des Nahostkonflikts beitra­gen?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Österreich kann in drei Bereichen einen solchen Beitrag leisten: zum Ersten im Rah­men der Europäischen Union. Hier geht es vor allem um die Umsetzung der Road Map, wobei es wichtig wäre, dass endlich ein Zeitplan dafür geschaffen würde und auch die echten Umsetzungsmaßnahmen begonnen würden. Es wäre auch wichtig, einen Monitoring-Mechanismus dafür zu haben.

Zum Zweiten im bilateralen Bereich, wo natürlich die Normalisierung der Beziehungen mit Israel die Situation wesentlich verbessert hat.

Zum Dritten auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, denn es ist natürlich wichtig, den Nährboden für Konflikte wegzunehmen. Hier arbeiten wir sehr stark mit Gesundheitsdienstleistungen und Leistungen für die Flüchtlingsbevölkerung, mit der UNWRA in Palästina. Ein anderes wichtiges Beispiel ist die Wasserentsalzungsanlage im Gazastreifen in Zusammenarbeit mit der palästinensischen Wasserbehörde.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Außenministerin! Ich glaube, wir alle sind besorgt über die Spirale von Gewalt und Gegengewalt in dieser Region, und es ist keine Frage, dass wir alle die Terroranschläge verurteilen. Wie sind die Re­aktionen auf diese Terroranschläge aus Ihrer Sicht zu beurteilen, vor allem die jüngst stattgefundene Militäraktion gegen Syrien?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Wenn Sie insbesondere den israelischen Angriff auf das Lager Ain Saheb meinen, kann ich nur sagen, dass er natürlich eine weitere Eskalation des Nahostkonfliktes be­deutet hat und dass derartige Militäraktionen entschieden abzulehnen sind.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Heute Abend präsentie­ren in Wien der frühere israelische Justizminister Yossi Beilin und der frühere palästi­nensische Informationsminister Yasser Abed Rabbo eine neue Friedensinitiative, die von ihnen in Genf vorbereitet wurde. Ich denke, es ist notwendig, solche Schritte zu setzen.

Warum gibt es von der österreichischen Bundesregierung keine Initiative, so wie es das vor ein paar Jahrzehnten gab, auf österreichischem, auf neutralem Boden so etwas wie eine Begegnungskonferenz abzuhalten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann nur sagen: Heute spielt sich die Nahostpolitik zum Ersten innerhalb der Euro­päischen Union ab – Sie wissen das –, zum Zweiten aber nicht nur innerhalb der Euro­päischen Union, sondern auch gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika, Russland und den Vereinten Nationen. Aber trotzdem halte ich die jetzige NGO-Initia­tive oder Initiative von politischen Parteien, die derzeit nicht Regierungsverantwortung tragen, für eine sehr, sehr gute und hoffe, dass sie in Zukunft irgendwann zu diesem Friedensprozess mit beitragen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Mutto­nen, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Ministerin! Herr Staatssekretär Morak hat anlässlich eines gemeinsamen Pressegesprächs mit Israels Vizepräsidenten Olmert geschwiegen, als dieser in diesem gemeinsamen Pressegespräch Palästinen­serpräsident Arafat als Stolperstein bezeichnete, der entfernt werden müsse, um dem politischen Prozess zwischen Israel und Palästina eine Chance zu geben. Entspricht diese scheinbar zustimmende Haltung der offiziellen österreichischen Außenpolitik?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Ministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann Ihnen nur sagen: Soviel ich weiß – und ich habe das nachprüfen lassen –, sind die Äußerungen von Ehud Olmert zum israelischen Kabinettsbeschluss über die Ausweisung Arafats in keiner Phase Gegenstand des Gesprächs zwischen Olmert und Staatssekretär Morak gewesen. – Die Meldung war nicht korrekt!

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Auer, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Frau Bundesminister! Sie haben schon die Normalisierung der Beziehungen zwischen Österreich und Israel angespro­chen. Meine Frage ist: Was hat dazu geführt, und wie beurteilen Sie diese Normalisie­rung?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Die Qualität der bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Israel ist ein zentra-


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les Anliegen der österreichischen Außenpolitik, und ich habe mich schon lange selbst­verständlich dafür eingesetzt. Ich glaube, ganz besonders die Entschädigungsleistun­gen, die von Österreich, und zwar von dieser Regierung gemacht wurden, haben dazu beigetragen, aber auch meine sehr ausgewogene Nahostpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zum 5. Fragenkomplex, der vom Abgeordneten Dr. Cap mit einer Frage eingeleitet wird. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Außenministerin! Meine Frage lautet:

19/M

„Hat sich die von Ihnen im Irakkonflikt verfolgte Politik der Mitte angesichts der Tat­sache, dass bislang keine Massenvernichtungswaffen im Irak gefunden wurden, als Fehler erwiesen?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Keinesfalls, Herr Abgeordneter, ganz im Gegenteil: Gerade die letzten Entwicklungen zeigen, dass die österreichische Haltung absolut richtig war, und die zentralen Ele­mente unserer Position wurden überall bestätigt. Wir hatten ja von Anfang an auch eine Position und Empfehlungen, die im Nationalen Sicherheitsrat von allen Parteien abgesichert wurden, wobei es um Folgendes ging: eine Überprüfung der Massenver­nichtungswaffen durch unabhängige Inspektoren, eine zentrale Rolle der Vereinten Nationen im gesamten Prozess und vor allem die Einigkeit der EU beim Vorgehen in der Irakfrage.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Aber hat diese Politik, sich zwischen die Stühle zu setzen, letztlich Österreich genutzt, und für welche ÖVP-Wahlkampfaktion lassen Sie sich mit den Fähnchen (auf der Regierungsbank sowie auf den Bänken der ÖVP-Abgeordneten stehen Ständer mit je einem österreichischen und einem EU-Fähnchen) gerade einspannen, Frau Bundesministerin?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zum Ersten darf ich Ihnen sagen, es ist keineswegs eine Politik des Zwischen-den-Stühlen-Sitzens, sondern es ist eine Politik, in der europäischen Mitte voranzugehen. Wir haben in dieser Frage dem UNO-Generalsekretär, der weltweit anerkannt ist – und Gott sei Dank auch in Österreich –, und vor allem der griechischen Präsidentschaft Folge geleistet, und ich glaube, wir haben gut daran getan. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Cap, das waren natürlich zwei Fra­gen, die Sie gestellt haben, statt einer, aber: allegria! (Abg. Schieder: Die zweite wäre an Sie zu richten wegen der Regierungsbank!)

Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Winkler, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Geschätzte Frau Bundesminister! Ich hätte gerne gewusst, inwieweit auch andere europäische Regierungen eine Politik der Mitte im Irak verfolgen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich habe zum Teil schon darauf geantwortet: Vor allem die griechische Präsidentschaft,


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aber viele mittlere und kleine Länder haben dieselbe Politik verfolgt. Aber ich darf Ihnen sagen, dass in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 25. September auch eine sehr interessante Meldung zur Haltung der deutschen Bundesregierung in der Irakfrage jetzt festgeschrieben war. Dort hieß es: Gleichwohl sieht sich die Bundes­regierung jetzt offenbar in einer Position der Mitte, möglicherweise auch des Mittlers zwischen Washington und Paris. – Wir waren schon dort! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Außenministerin! Wir sehen ja leider im Irak, dass die USA zwar ein militärisches Konzept für diese Aktion hatten, aber kein politisches Konzept für die Zukunft dieses Landes. Sehen Sie eine Gefahr, dass man mit einer ähnlichen Strategie auch gegen andere Länder in dieser Region, vor allem gegen den Iran und gegen Syrien, vorgehen könnte?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann nur sagen, eine gewisse Gefährdung und vor allem der Stabilisierung der Situation ist derzeit tatsächlich gegeben. Ich hoffe aber, dass vor allem durch den Besuch der drei Außenminister, des französischen, des deutschen und des britischen Außenministers, wirklich eine Entspannung der Situation herbeigeführt werden konnte, wenn der Iran nun all diese Maßnahmen umsetzt, zu denen er sich verpflichtet hat. Das ist ganz, ganz wesentlich für alle von uns, und es wäre auch ein schöner Erfolg der Europäischen Union, denn sonst könnte es zu einer Eskalierung kommen und zu einer Überführung dieser Frage von der Internationalen Atomenergieorganisation hin zum UN-Sicherheitsrat, und das wäre sehr gefährlich.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Lichten­berger, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Frau Ministerin! Sie haben von die­ser Politik mitten zwischen allen Stühlen gesprochen und eine Bestätigung aus einem Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ abgeleitet. (Abg. Großruck: Das war nicht die Frau Minister, das war der Herr Cap!) Ich frage Sie: Woraus leiten Sie eine Bestätigung der österreichischen Haltung der so genannten Mitte ab?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Frau Abgeordnete Lichtenberger! Sie haben nicht ganz genau zugehört. Ich habe nicht die „Süddeutsche“, sondern die „Frankfurter Allgemeine“ zitiert, und ich habe auch ge­sagt, dass ich keine Politik des „Zwischen-den-Stühlen-Sitzens“ für richtig halte, son­dern eine Politik der europäischen Mitte als etwas Positives ansehe. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nunmehr zum 6. Fragenkomplex, der durch eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Fasslabend eingeleitet wird. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Frau Bundesministerin! Sie haben neben einer bemerkenswerten und wichtigen Initiative zur Organisation Mitteleuropas und neben der sehr erfolgreichen Vertretung der Interessen der kleineren und mittleren Staaten im Rahmen der Europäischen Union auch einen wichtigen Vorsitz im Rahmen der Vereinten Nationen ausgeübt, und zwar waren Sie Vorsitzende des Human Security Network.

Meine Frage in diesem Zusammenhang:


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35. Sitzung / Seite 21

12/M

„Was sind die für die österreichische Außenpolitik wichtigsten Ergebnisse Ihrer Vorsitz­führung im Human Security Network?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich hatte diesen Vorsitz zwischen Juli 2002 und Mai dieses Jahres inne. Ich darf sa­gen, das ist ein Netzwerk von 13 Staaten, die sozusagen interregional über die ganze Welt gespannt arbeiten, und zwar für die individuelle Sicherheit. Es heißt „Freedom from Want and Freedom from Fear“, und es ist ganz wesentlich, vor allem den Einzelnen in seiner Sicherheit zu stärken.

Ich habe mich auf zwei Themenkreise konzentriert: Der eine betraf Kinder in bewaffne­ten Konflikten. Wir wissen, wie Kinder missbraucht werden. Ich habe hier eine Initiative für ein Curriculum of Monitoring herausgebracht. Zweitens habe ich die Frage der Men­schenrechtserziehung angesprochen und dabei ein Handbuch zur Menschenrechtser­ziehung, das für die ganze Welt geeignet ist, auf den Tisch gelegt. Ich freue mich, dass dieses bereits in 1 500 Exemplaren in der ganzen Welt aufliegt und sehr positiv ange­nommen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Fasslabend, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Ihre Vorsitzführung hat international durchaus Beachtung gefunden. Können Sie uns Ihre Initiative für die Kinder im Rah­men dieses Vorsitzes noch etwas näher darlegen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Abgesehen von der theoretischen Grundlage und den Grundlagen, die wir geliefert haben, die bereits auch in die Europäische Union Eingang gefunden haben, habe ich persönlich ein Zentrum für kriegstraumatisierte Kinder zusammen mit Slowenien und Jordanien aufgebaut. Ich habe selber mit einem Flug Kinder herausgeholt, und zwar über Kuwait, die zum Teil in Österreich beste medizinische Versorgung erhalten haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner, bitte.

 


Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Was haben Sie während Ihrer Vorsitzführung noch alles im Bereich der Menschenrechte getan?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Die Frage der Menschenrechte zieht sich durch das ganze System des Human Security Network. Wie gesagt, meine Hauptinitiative war das Erstellen dieses Hand­buchs für Menschenrechtserziehung, das im Original in Englisch erstellt wurde, aber jetzt ins Französische, ins Chinesische, ins Arabische, ins Spanische und in viele andere Sprachen übersetzt wird. Ich denke, dass wir damit einen wirklich dauerhaften Beitrag für die Menschenrechte geleistet haben. Ich hoffe, dass das auch in den Ver­einten Nationen eingesetzt werden wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Auch die Landminenkon­vention, also die Abschaffung der Landminen, das so genannte Ottawa-Protokoll, ist


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35. Sitzung / Seite 22

ein wichtiger Teil Ihrer Bemühungen im Rahmen des Human Security Network. Nun fand im April in Santiago de Chile die Konferenz der Interparlamentarischen Union statt. Die kanadische Delegation hatte dort schon vorher die Delegationsleiter einge­laden, an einem Treffen all jener Staaten teilzunehmen, die schon ratifiziert haben, um Strategien zu überlegen, wie man vor Ort mit den anwesenden Parlamentariern auch jene überzeugen kann, zu ratifizieren, die noch nicht ratifiziert haben.

Der Leiter der österreichischen Delegation, Fragesteller Fasslabend, hat es vorgezo­gen, dort touristische Aktivitäten zu unternehmen, und ist nicht zu diesem Treffen ge­gangen. (Abg. Dr. Fekter: Noch ein bisschen tiefer!) Frau Ministerin! Warum haben Sie ihn nicht beauftragt, in Ihrem Sinne – mehr Sicherheit gerade für Kinder in Kriegs­regionen und für die Zivilbevölkerung – gegen Landminen vorzugehen? Warum haben Sie ihn nicht beauftragt, an diesem Treffen teilzunehmen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich kann nur sagen: Es liegt wohl in der Freiheit jedes Parlamentariers, seine Tätigkeit so auszuführen, wie er es für gut hält. Ich bin sicher, dass er an diesem Treffen in der einen oder anderen Form teilgenommen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP und Gegenrufe bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Geht es noch ein bisschen tiefer?)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Hagenhofer, bitte.

 


Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Frau Bundesministerin! Wie sehen Sie angesichts Ihrer Bemühungen für menschliche Sicherheit im Hinblick auf Österreichs Ansehen im Ausland die vehemente Kritik des UNHCR am österreichischen Asylge­setz? – Wie Sie wissen, warnt UNHCR vor einer Verletzung der Genfer Flüchtlingskon­vention.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich kann nur sagen: Erstens fällt das in die Zuständig­keit meines Kollegen, des Innenministers, und es wird im Anschluss diskutiert werden.

Zweitens: Die Genfer Flüchtlingskonvention wird in keiner Weise vom Asylgesetz be­troffen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nunmehr zum 7. Fragenkomplex, der durch eine Fragestellung der Frau Abgeordneten Mag. Lunacek eingeleitet wird. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Sie haben vorhin schon erwähnt, dass ein Beitrag war, Kinder aus dem Irak nach Österreich und in ärztliche Behandlung zu bringen.

Meine Frage lautet:

15/M

„Konnten die 11 verletzten irakischen Kinder, die am 15. Mai 2003 in österreichische ärztliche Behandlung übergeben wurden, wieder in ihre Heimat zurückkehren?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zum Ersten: Der Evakuierungstransport für elf schwer verletzte und schwer kranke Kin­der und Jugendliche aus dem Irak über Kuwait nach Wien erfolgte am 15. Mai. Ich


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35. Sitzung / Seite 23

denke, das war eine Luftbrücke der Barmherzigkeit, und wir waren das einzige nicht-moslemische Land, das so etwas tun konnte. Ich glaube, wir haben dadurch sowohl im Irak als auch für die Bevölkerung etwas Großes getan. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die medizinische Spezialbehandlung – ich habe die Kinder und Jugendlichen gesehen; sie waren zum Teil schwerst verbrannt, sie hatten Verletzungen, die natürlich sehr lange Behandlungen brauchen – erfolgte in vier österreichischen Spitälern und war zum Teil sehr kompliziert, aber sehr erfolgreich. Von den ursprünglich elf Patienten befinden sich noch zwei mit Begleitpersonen in der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz, ein Patient wird voraussichtlich in zwei Monaten austhera­piert, beim zweiten Patienten ist ein Ende der komplexen Behandlung noch nicht absehbar. Eine dritte Patientin befindet sich noch in Österreich und erfährt derzeit psychologische Betreuung durch den Islamischen Besuchs- und Sozialdienst.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! In einem Rat Auswärtige Angelegenheiten der EU vor einigen Monaten wurden solche Aktionen von einer Mehr­heit als nicht sinnvoll und auch nicht nachhaltig abgelehnt. Man trat dafür ein, auch die Gelder – Sie haben selbst einmal gesagt, 50 000 € wurden dafür aus Entwicklungszu­sammenarbeit-Geldern ausgegeben – viel sinnvoller auszugeben, nämlich im Irak selbst, für eine Grund-, eine Basisversorgung vor Ort.

Frau Ministerin! Hätten Sie es nicht auch für sinnvoller gehalten, dieses Geld im Irak selbst für eine Basisgesundheitsversorgung auszugeben und damit viel mehr Kindern helfen zu können? (Ruf bei der ÖVP: Schrecklich!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Ministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich habe kein Verständnis für diese Fragestellung. Ich sage Ihnen eines: Man konnte nicht in den Irak hinein, es gab keine Möglichkeit, Hilfe zu leisten. Diese Kinder und Jugendlichen wären zum Teil gestorben, und ich glaube nicht, dass Sie das hätten verantworten können. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir sie hierher bringen konnten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Posch, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Frau Bundesminister! Halten Sie das Abbilden von kranken Kindern mit Politikerinnen oder Politikern für einen Eingriff in die Unverletzlichkeit und Integrität von kranken Menschen? (Abg. Dr. Fekter: Ziemlich daneben!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Abgeordneter! Ich kann nur sagen, die Kinder sind so abgebildet worden, dass man nur wenig von den schweren Verletzungen gesehen hat. Ich glaube, in einer solchen Form ist es wohl möglich, der österreichischen Bevölkerung zu zeigen, was die österreichische Bundesregierung – vertreten durch mich – gemacht hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Langreiter, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Frau Bundesminister! Nach Ende der gestrigen Sitzung konnten wir im ORF eine Dokumentation, „Wem gehört der Irak?“, verfolgen, die zeigte, welche Zu- und Missstände in diesem Land herrschen.


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Daher meine Frage: Welche Bedeutung messen Sie der Wiederaufbaukonferenz für den Irak in Madrid bei?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich messe ihr natürlich eine große Bedeutung bei, denn ähnlich wie im Fall Afghanis­tans ist die ganze internationale Staatengemeinschaft jetzt dazu aufgerufen, zu helfen, den Irak wieder aufzubauen, und zwar in einer unabhängigen, in einer demokratischen Form, in einer Form, wo möglichst schnell die Souveränität an das irakische Volk zu­rückgegeben wird.

Selbstverständlich werden wir uns auch daran beteiligen. Allerdings ist eine wichtige Voraussetzung die Sicherheit, denn nur dann, wenn die Sicherheit gewährleistet ist, können wir natürlich auch NGOs und andere dorthin schicken.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Walch, bitte.

 


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Inwieweit wird sich Österreich an den Bemühungen zum Wiederaufbau des Irak, ins­besondere hinsichtlich des humanitären Engagements, beteiligen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Wir haben ja schon damit begonnen. Wie gesagt, dieser Transport der Kinder war ein erster Punkt. Ein zweiter Punkt ist das so genannte Adopt-a-Hospital Program, wo wir zwei Spitäler in der Gegend von Nasaria wieder ausstatten werden. – Das entspricht übrigens auch einem Wunsch der Koalitionskräfte dort, und ich glaube, das entspricht auch der österreichischen humanitären Tradition.

Darüber hinaus werden wir dieses Zentrum für kriegstraumatisierte Kinder zusammen mit Slowenien und Jordanien, das ich schon erwähnt habe, wieder aufbauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor wir zum 8. Fragenkomplex kommen, bitte ich die Abgeordneten der ÖVP – sie hatten lange genug Zeit für ihre visuelle Demonstration –, das jetzt abzuräumen. Wir haben eine entsprechende Praxis in diesem Haus, dass man sich manifestieren kann, aber dann muss man wieder aufhören. (Die ÖVP-Abge­ordneten entfernen die kleinen rot-weiß-roten Fahnen und die Europa-Fahnen von ihren Pulten.)

Wir gelangen nunmehr zum 8. Fragenkomplex, den Herr Abgeordneter Wittauer ein­leitet. – Bitte.

 


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Guten Morgen, Frau Außenminister! Meine Frage lautet:

17/M

„Was sind die für die internationale Position Österreichs wichtigsten Schwerpunkte der diesjährigen UN-Generalversammlung?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Ministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Der Hauptschwerpunkt der diesjährigen Generalversammlung war ganz klar eine Reform der Vereinten Nationen, wobei die Hauptreform natürlich beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ansetzen muss. Ich habe das auch bei meiner Rede bei den Vereinten Nationen erwähnt. Ich bin ja auch in früheren Jahren für eine Erweiterung


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35. Sitzung / Seite 25

des Sicherheitsrates eingetreten, wobei ich aber denke, dass vor allem die Frage der Regionen eine große Rolle spielt und die Regionen selber darüber entscheiden müssen, welche zusätzlichen Mitglieder aufgenommen werden. Ich glaube, es wird gut sein, dass über diese Fragen im nächsten Jahr beraten wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wittauer, bitte.

 


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Frau Außenminister! Wie steht Öster­reich zu den Überlegungen zur Reform des UN-Sicherheitsrates, insbesondere was die künftige Rolle der UN in Krisenfällen betrifft?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich habe den letzten Teil der Frage akustisch nicht verstanden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, bitte wiederholen Sie die Frage!

 


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Ich habe normalerweise eine kräftige Stimme, aber ich muss wohl näher zum Mikrophon.

Wie steht Österreich zu den Überlegungen zur Reform des UN-Sicherheitsrates, insbe­sondere was die künftige Rolle der UN in Krisenfällen betrifft?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Danke. – Ich kann nur sagen, dass die Frage der Konfliktprävention weiterhin eine ganz wesentliche sein wird. Die UNO hat hier auch eine Führerschaft in der Terroris­musbekämpfung, in der Terrorismusprävention zu setzen. Ich denke, die Verfolgung der Millennium-Ziele ist etwas, was im Bereich der so genannten soft threats, der weichen Bedrohungen, eine ganz wesentliche Herausforderung darstellen wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Sie haben gerade gesagt, dass Sie in Ihrer Rede vor der UNO-Generalversammlung auch die eventuelle Erweiterung, insgesamt die Reform des Sicherheitsrates, erwähnt haben. Ich finde es positiv, dass Sie auch in die Richtung gedacht beziehungsweise es auch angespro­chen haben, dass die EU einen gemeinsamen Sitz und eine gemeinsame Stimme haben sollte.

Warum haben Sie jedoch nicht tatsächliche Vorschläge unterbreitet, österreichische Initiativen gesetzt, zum Beispiel den österreichischen Botschafter in New York damit beauftragt, selbst eine Initiative zu setzen, um eine Arbeitsgruppe einzurichten und die Reform des Sicherheitsrates von österreichischer Seite her weiter zu beraten?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zum Ersten möchte ich noch einmal wiederholen: Ich habe als einzige EU-Außen­ministerin erwähnt, dass ich glaube, dass in der Zukunft, und zwar vielleicht in Etap­pen, die Europäische Union mit einer Stimme auch im Sicherheitsrat sprechen soll, wobei ich mir vorstellen kann, die erste Etappe wäre ein zusätzlicher Sitz der Europäi­schen Union, und vielleicht ist es in einer späteren Etappe so, dass es nur mehr einen Sitz für EU-Mitglieder gibt.

Das Zweite ist: Woher kommt Ihre Annahme, dass ich den österreichischen Botschaf­ter nicht beauftragt habe? Es ist ja eine Gruppe der Eminent Personalities des UNO-Generalsekretärs dafür vorgesehen, aber wir wissen noch nicht, wer in dieser Gruppe sitzen wird. Ich habe selbstverständlich den Botschafter dazu aufgerufen und darum


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35. Sitzung / Seite 26

gebeten, hier wieder so aktiv mitzuarbeiten, wie das Österreich auch in der Vergangen­heit gemacht hat. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gartlehner, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Gibt es konkrete österreichische Initiativen zu dieser bevorstehenden Reform der Vereinten Nationen? – Ich denke dabei konkret an Überlegungen zur Einengung des Vetorechtes im Sicherheitsrat für die Großmächte oder dergleichen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Tatsächlich hat sich, wie ich gerade sagte, Österreich in den letzten zehn Jahren – man hat ja fast zehn Jahre lang über diese Reform diskutiert – immer wieder sehr klar eingebracht. Ich habe den Botschafter beauftragt, sobald die Diskussion wirklich be­ginnt, sich hier ganz intensiv und aktiv einzusetzen. Ich glaube aber, der wesentliche und springende Punkt ist der, dass man in den einzelnen Regionen Entscheidungen treffen wird müssen, welches Land einmal in den Sicherheitsrat kommen sollte.

Ich persönlich könnte mir ein Rotationsmodell vorstellen, denn nur so, glaube ich, kann die schwierige Frage gelöst werden, ob zum Beispiel Brasilien oder Argentinien oder Indien oder Pakistan oder – in Afrika – Nigeria oder Südafrika einmal im Sicherheitsrat vertreten sein sollten.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Donabauer, bitte.

 


Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Frau Bundesminister! Die weltpolitische Situa­tion macht eine Neuausrichtung in der Außen- und Sicherheitspolitik notwendig und sichtlich auch eine Reform der UNO. Gibt es Ihres Wissens seitens des UNO-Gene­ralsekretärs dazu bereits konkrete Vorstellungen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich weiß – und das hat der Generalsekretär in seiner Rede in New York selber ange­kündigt –, dass er ein Hohes Komitee einsetzen will. Dadurch erhofft er sich eine andere Art der Diskussion, als sie in den letzten zehn Jahren leider vergeblich stattge­funden hat. Er hat auch einen Schlusspunkt für diese Diskussion gesetzt: Bei der nächsten Generalversammlung möchte er, dass diese Gruppe der Eminent Personali­ties, die noch nicht bekannt ist, einen Vorschlag vorlegt, von dem er hofft, dass dann eine entsprechende Zustimmung möglich ist. Es wird ein schwieriges Unterfangen sein – das sage ich auch dazu –, aber ich glaube, es ist ein notwendiges Unterfangen, und wir werden wie immer konstruktivst in New York dazu beitragen.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nunmehr zur 9. Anfrage, die Frau Abgeord­nete Bayr stellt. – Bitte.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

20/M

„Wie wichtig sind Ihnen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit insbesondere im Hinblick auf die Tätigkeit der neuen EZA-Agentur ein breiter parlamentarischer Kon­sens und Transparenz?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 



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35. Sitzung / Seite 27

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich bin im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit immer an einer guten Zusammen­arbeit mit dem Parlament interessiert. Ich glaube, das können Sie daran sehen, dass ich als Regierungsvorlage zum Entwicklungszusammenarbeitsgesetz 2002 ausdrück­lich auch das Drei-Jahres-Programm der Entwicklungszusammenarbeit dem Parlament übermittelt habe. Das wurde fast 30 Jahre nicht gemacht, ich habe es ganz bewusst gemacht.

Ich bin selbstverständlich zur möglichsten Transparenz hier bereit und muss Ihnen sagen, ich bedauere sehr, dass die Novelle zum Entwicklungszusammenarbeitsge­setz 2002 nicht von allen Parteien des Parlaments beschlossen wurde, denn ich denke, es wäre eine schöne Chance für einen parlamentarischen Konsens gewesen, trotz sehr positiven Echos von vielen NGOs. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Bayr, bitte.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Frau Bundesministerin! Ich nehme an, Sie meinen die Novelle 2003, 2002 gab es keine Novelle, aber nichtsdestotrotz: Weshalb sind Sie dann nach dem, was Sie geantwortet haben, nicht bereit, noch im heurigen Jahr an einer Sitzung des Unterausschusses Entwicklungszusammenarbeit teilzunehmen, um über die Organisation und die Schwerpunkte der Tätigkeit der EZA-Agentur zu diskutie­ren, noch bevor die Agentur ihre Arbeit aufnimmt?

 



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35. Sitzung / Seite 28

Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesminister, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Frau Abgeordnete, ich habe einen Termin im November genannt – dieser wurde vom Parlament nicht akzeptiert. Es werden weitere Termine mit den Klubs auszumachen versucht, aber Sie kennen auch meinen Terminplan. Vor allem bin ich in der Regie­rungskonferenz, ich habe sehr, sehr viele zusätzliche Termine einzuschieben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Böhm, bitte.

 


Abgeordneter Franz Xaver Böhm (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Einen herzlichen Gruß aus Salzburg, aus unserer gemeinsamen Heimatstadt! Ich erlaube mir, folgende Zusatzfrage zu stellen: Worin sehen Sie die Vorteile der neuen EZA-Agentur ADA?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Die ADA wird konkret eine verstärkte und um 30 Millionen für das nächste Jahr schon angehobene Entwicklungszusammenarbeit umsetzen. Sie wird erstens bilaterale Ent­wicklungszusammenarbeitsprojekte abwickeln, sie wird darüber hinaus natürlich auch wirtschaftsnahe Entwicklungszusammenarbeit machen. Außerdem wird sie vor allem die Möglichkeit schaffen, noch mehr mit der Europäischen Union zusammenzuarbei­ten, und damit auch österreichischen NGOs die Möglichkeit geben, noch mehr als bis­her Projekte aus der Union zu machen. Ich denke, damit wird ein zusätzlicher Vorteil für die NGOs geschaffen werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Mainoni, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesminis­ter! Wir haben soeben gehört, was die Vorteile dieser Austrian Development Agency sind, die im Rahmen der Novelle des EZA-Gesetzes, das wir hier beschlossen haben, instituiert werden sollte.

Meine Frage: Wer wird die Kosten dieser Austrian Development Agency tragen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf Ihnen dazu sagen, dass die Austrian Development Agency im Großen und Ganzen primär aus den Budgetmitteln finanziert wird, die natürlich im Außenministe­rium veranschlagt sind. Es wird dies sowohl die Overhead-Kosten als auch die nor­malen Projektkosten betreffen. Es wird natürlich am Anfang Start-up-costs geben, die 670 000 € betragen werden, aber die laufenden Kosten der ADA werden ungefähr bei 11,7 Millionen € liegen. Diese Kosten fallen weder neu an, noch werden sie voll aus den bisherigen EZA-Budgets bedeckt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Sie haben gerade ge­sagt, dass Sie es sehr bedauert haben, dass diese Novelle betreffend die Einrichtung der ADA nicht von allen Parteien beschlossen wurde. Frau Ministerin, wir hätten uns schon vorstellen können, zuzustimmen, wenn es Ihnen gelungen wäre, tatsächlich alle Entwicklungspolitik-Agenden hier zusammenzufassen: die Nahrungsmittelhilfe aus dem Landwirtschaftsministerium, die Katastrophenhilfe aus dem Bundeskanzleramt, die Finanzinstitutionen aus dem Finanzministerium. Das ist Ihnen nicht gelungen.

Frau Ministerin! Warum ist es Ihnen nicht gelungen, warum sind Sie daran gescheitert, diese Forderung, die von der OECD schon seit fast Jahrzehnten erhoben wird, um­zusetzen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Frau Abgeordnete Lunacek! Sie wissen, dass die ADA nur eine Umsetzungs- und Implementierungsorganisation ist. Wir haben nicht das Gesetz über die Entwicklungs­zusammenarbeit hier noch einmal neu zu diskutieren, das erst 2002 beschlossen wurde, nachdem es zehn Jahre hindurch besprochen und verhandelt wurde. Ich denke, wir haben hier einen sehr schönen Kohärenzparagraphen, den ich übrigens vorher zitiert habe, drinnen. Es sind ja auch schon sehr viele Dinge im Kohärenzbereich tat­sächlich zustande gebracht worden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir kommen nunmehr zum 10. und letzten Fragenkom­plex. – Bitte, Frau Abgeordnete Felzmann.

 


Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Außenministerin! Meine Frage lautet:

13/M

„Welche Bedeutung für Österreich messen Sie als Außenministerin dem UN-Sitz Wien zu?“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Wie ich immer wieder betone, messe ich diesem Wiener UN-Sitz und überhaupt den internationalen Organisationen in Wien einen ganz besonderen Stellenwert zu. Wir sind heute der dritte Hauptsitz des Sekretariates der Vereinten Nationen. Wir beherber­gen sehr renommierte und wichtige Organisationen wie zum Beispiel die Internationale Atomenergieorganisation, wie die Atomteststopp-Behörde, wie die UNIDO, aber dar­über hinaus auch andere wie die OSZE und die OPEC. Ich freue mich, dass ein ganz wichtiger Teil auch von neuen Organisationen immer wieder nach Wien kommt, wie


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35. Sitzung / Seite 29

zum Beispiel gerade die Interne Revision der Vereinten Nationen oder auch das Euro­päische Institut für Weltraumpolitik.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Wie hoch sind die Steuereinnahmen für Öster­reich durch die von Ihnen genannten internationalen Organisationen in unserem Land?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Obwohl die internationalen Organisationen und die Botschaften und die dort beschäf­tigten Personen Steuerprivilegien genießen, sind es immer noch 52 Millionen €, die, wie eine Studie feststellt, hier an Steuern eingenommen werden.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Neudeck, bitte.

 


Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Welche wirt­schaftlich messbaren Vorteile ergeben sich durch die in Österreich ansässigen UN-Organisationen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Es ergibt sich eine ganze Reihe ökonomischer Vorteile. Ich habe das durch eine Studie von Price Waterhouse einmal feststellen lassen: Rund 10 200 direkt und indirekt ge­schaffene Arbeitsplätze gehen von den internationalen Organisationen sowie von den multilateralen und bilateralen Botschaften in Wien aus. Das sind also einmal erhebliche Beschäftigungseffekte. Darüber hinaus haben wir laut Studie von einer Wertschöpfung im Ausmaß von zirka 529 Millionen € für den Großraum Wien auszugehen, das ent­spricht 1 Prozent der Wertschöpfung dieser Region.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Lunacek, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Ministerin! Ich stimme ja mit Ihnen darin überein, dass der UNO-Sitz in Wien eine ganz wichtige und bedeutende Sache für Österreich ist. Sie haben jetzt selbst die beeindruckenden Zahlen genannt, die zeigen, was dieser Sitz Österreich auch wirtschaftlich bringt. Warum zahlt Österreich dennoch so wenig im internationalen Vergleich – auch Sie sagen das öfter, es ist zu wenig – für die UNO-Organisationen?

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Frau Abgeordnete! Gerade Sie wissen, dass man bei einem konsolidierten Budget, in dem ich vor allem der Entwicklungszusammenarbeit – auch in den schwierigsten Jah­ren der Konsolidierung – immer Vorrang gegeben habe, nicht alle Organisationen der Vereinten Nationen in gleicher Weise betrauen konnte. Aber im Jahre 2004 wird auch für diese Organisationen mehr Geld vorgesehen sein, so wie es im Budget schon vor­gegeben ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Zusatzfragesteller ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

 


Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Frau Bundesminister! Es ist aber trotzdem eine Tatsache, dass in den letzten Jahren beim Budgetansatz Außenpolitik betreffend die internationalen Organisationen empfindlich gespart und gekürzt worden ist. Ich möchte Sie deshalb fragen, ob Sie sich persönlich dafür einsetzen werden, dass das in Zukunft wieder geändert wird.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Bundesministerin, bitte.

 



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35. Sitzung / Seite 30

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Selbstverständlich habe ich mich schon dafür eingesetzt. Wie ich sagte: Ab dem Jahr 2004 gibt es bereits höhere Zuwendungen, und es hat auch immer wieder Multi-Bi-Projekte gegeben, wo wir spezifischen Projekten zusätzliches Geld zugeführt haben, vor allem den Wiener Einheiten, zum Beispiel bei Anti-Drogenprojekten mit dem Iran oder anderen Projekten, die ich jetzt im Detail nicht nennen möchte.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Die Fragestunde ist beendet, und zwar 8 Minuten vor der Zeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Das ist in meiner 23-jährigen parlamentarischen Tätigkeit das erste Mal. Ich muss auch sagen, dass wir uns im Stil an die englische Praxis des Pingpong angleichen. Das heißt, es wird viel flotter und ist, wie ich glaube, auch für die Zuseherinnen und Zuseher wesentlich interessanter zu verfolgen.

Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: Zurückziehung: 926/J.

2. Anfragebeantwortung: 786/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Abgabenänderungsgesetz 2003 – AbgÄG 2003 (238 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (248 der Beila­gen),

Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz – WohnAußStrBeglG (249 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung und die Reise­gebührenvorschrift 1955 geändert werden (250 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Sicherheiten auf den Finanzmärkten (Finanzsicherheiten-Gesetz – FinSG) erlassen wird und das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht geändert wird (251 der Beilagen),

Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an der Tiroler Flug­hafenbetriebsgesellschaft mbH und von unbeweglichem Bundesvermögen (254 der Beilagen).

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001 geändert wird (237 der Bei­lagen),


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Antrag 236/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Aufnahme der Musik CD in den Anhang H der Richtlinie 92/77/CEE des Rates vom 19. Oktober 1992,

Antrag 241/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Programm zur Konjunkturbelebung,

Antrag 245/A der Abgeordneten Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird;

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (236 der Beilagen),

Antrag 237/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Verbesserung der medizinischen Datenlage,

Antrag 238/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Einsetzung einer unabhängigen internationalen ExpertInnenkommission zur Klärung von Versorgungsdefiziten im Bereich der Kinderheilkunde in Österreich;

Justizausschuss:

Außerstreitgesetz – AußStrG (224 der Beilagen),

Außerstreit-Begleitgesetz – AußStr-BegleitG (225 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gericht­lich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) und das Bundesgesetz über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz – GGG) geändert werden (234 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Verlegung des Bezirksgerichts Linz-Land nach Traun und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (235 der Beilagen);

Unterrichtsausschuss:

Antrag 239/A (E) der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Schaffung von 100.000 Ganztagsplätzen in Schulen;

Verfassungsausschuss:

Gesetzesantrag des Bundesrates vom 9. Oktober 2003 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (232 der Beilagen);

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße-TGSt) geändert wird (233 der Beilagen),

Antrag 242/A (E) der Abgeordneten Dkfm. Dr. Hannes Bauer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend vierspurigen Ausbau der B 303 bzw. E 59,

Antrag 243/A der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Straßenverkehrsordnung (StVO 1960) geändert wird;

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fach­hochschul-Studiengesetz) geändert wird (217 der Beilagen);


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b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Familienausschuss:

Vierter Bericht des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­mentenschutz zur Lage der Jugend in Österreich (III-63 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tages­ordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 963/J der Abgeordneten Dr. Mitterlehner, Dipl.-Ing. Hofmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Arbeit und Wirtschaft – Österreich im internationalen Vergleich dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 766/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Gleichfalls vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 766/AB der Anfrage 774/J der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Säumigkeit der Bundes­regierung für Ratifizierung des Grenzgänger- und des Praktikantenabkommens mit der Tschechischen Republik durch die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegen­heiten abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 bis 4 sowie 6 und 7 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen daher in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dau­er der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 140 Minuten, Freiheitliche 96 sowie Grüne 104 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatte in der Zeit von nach der Fragestunde bis 13 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen: je eine Wortmeldung pro Fraktion à 10 Minuten, danach der Herr Bundesminister für Inneres mit 10 Minuten


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Redezeit, weiters je eine Wortmeldung pro Fraktion zu 7 Minuten und anschließend noch einmal der Herr Bundesminister für Inneres mit einer Redezeit von 7 Minuten.

Die restliche Redezeit bis 13 Uhr wird vom Vorsitz führenden Präsidenten auf die vier Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen gleichmäßig zu Wort kommen. Tatsächliche Berichtigungen werden nach 13 Uhr aufgerufen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung, denn das Hohe Haus hat über diese Redezeit zu entscheiden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Wir werden daher so vorgehen.

1. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvor­lage (120 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden (253 und Zu 253 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schöls. Zum Vorbringen einer Berichtigung erteile ich ihm das Wort.

 


Berichterstatter Alfred Schöls: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe folgende Druckfehlerberichtigung betreffend den Ausschussbericht 253 der Beilagen vor: Im Artikel I § 32 Abs. 2 wird nach der Zahl „§ 5“ das fehlende Wort „im“ eingefügt. – Danke.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Herr Berichterstatter.

Wir gelangen nun zur Debatte.

Als erster Debattenredner hat sich Herr Abgeordneter Mag. Posch zu Wort gemeldet. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Mag. Posch platziert auf dem Rednerpult einen Pappaufsteller, auf dem ein verkleinertes Plakat der „Volkshilfe“ mit dem Konterfei Bruno Kreiskys angebracht ist, unter dem zu lesen steht: „Flüchtling, 1938: überlebt, 2003: ?“)

 


10.57

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das vorliegende Plakat von Bruno Kreisky soll verdeutlichen, dass Kreisky 1938 ein Flüchtling war, der vor den Nationalsozialisten geflüchtet ist, in Kopenhagen um politisches Asyl angesucht und zu den Leuten dort gesagt hat: Wenn Sie mich jetzt zurückschicken, liefern Sie mich den Leuten aus, denen ich gerade ent­kommen bin. – Das möchte ich vorausschicken, weil niemand, wie es in dieser Aktion der Volkshilfe heißt, leichtfertig seine Heimat verlässt, niemand sich gerne von seiner Familie trennt und niemand gerne freiwillig Flüchtling ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dieser Vorlage setzt die Regierungskoalition be­wusst – ich sage „bewusst“ – ihre Praxis fort, Gesetze ungeachtet der Verfassung und der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs zu beschließen. So werden Asylge­setz und Bundesbetreuungsgesetz wie jene anderen 43 von insgesamt 62 bisher beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen Gesetze dieser Regierung als verfassungs­widrig aufgehoben werden. 43 von insgesamt 62 bisher beschlossenen Gesetzen wurden vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben!


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Ich möchte eingangs sagen, dass es gut ist, dass diese Novelle zum Asylgesetz nach massiven Interventionen von Opposition und NGOs nicht vor dem Sommer beschlos­sen wurde, sodass doch noch einige Zeit zum Nachdenken geblieben ist, auch Zeit für ein ordentliches parlamentarisches Verfahren inklusive zweier Expertenhearings, wo­durch doch noch die eine oder andere Verbesserung in den Text Eingang gefunden hat.

Bedauerlicherweise hat diese Verzögerung des Beschlusses des Asylgesetzes jedoch auch dazu geführt, dass mittlerweile die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Bundesbetreuung ergangen ist, die nun in sehr negativer Art und Weise Eingang in dieses Gesetz gefunden und zu einer ungeheuren Verschlechterung der Position all jener geführt hat, die bisher die Obdachlosigkeit von Asylwerbern in großem Ausmaß verhindert haben, nämlich der Länder und der NGOs.

Diesen wird nun in der Weise dafür gedankt, dass man ihnen rückwirkend jeglichen Regressanspruch für die von ihnen erbrachte Betreuungsleistung zur Gänze abspricht, was eine klare Verfassungswidrigkeit darstellt.

Außerdem sei an dieser Stelle auch festgehalten, dass 700 positive Asylbescheide jährlich – ich betone: 700 positive Asylbescheide jährlich! – nicht unbedingt jenen Akt von Großzügigkeit darstellen, den man sich von einem Land mit Asyltradition wie Österreich erwarten würde. Im Gegensatz zu jenem Bild, das öffentlich vermittelt wird, wonach wir von Flüchtlingen überschwemmt werden, erhalten nur 4,26 Prozent der Fälle Asyl, ein Großteil der Verfahren, nämlich 83 Prozent, wurde eingestellt.

Das Gesetz ist in seinen Tendenzen so restriktiv, dass es Österreich als Asylland zum Schlusslicht in der Europäischen Union machen wird. Insgesamt zeichnet es sich aus durch mehr Zugangsbeschränkungen, weniger Eingehen auf den Einzelfall und weni­ger Rechtsschutz.

Nach übereinstimmender Ansicht von UNHCR sowie allen NGOs wäre nämlich das bisher geltende Asylgesetz durchaus eine taugliche Rechtsgrundlage für die Abwick­lung von fairen Asylverfahren gewesen. Dass es jedoch in der letzten Zeit, in den letz­ten Jahren auf Grund der steigenden Zahl von Asylanträgen Defizite gegeben hat, die in überwiegender Weise auf Ressourcenmängel der Asylbehörden, und zwar sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht, zurückzuführen gewesen sind, das hat auch der Leiter des Bundesasylamtes im Hearing bestätigt. Er hat gesagt, dass 36 zu­sätzlich eingestellte Beamte beim Bundesasylamt eine wesentliche Verfahrensbe­schleunigung und einen Abbau der vorhandenen Fälle bewirkt haben.

Daher sind wir gemeinsam mit den NGOs der Meinung, dass die Beschleunigung und Straffung der Verfahren nur mit einer Aufstockung des Personals zu bewerkstelligen ist, und daher wird sich schon in wenigen Jahren zeigen, dass mit diesem Gesetz kei­neswegs eine Beschleunigung eingetreten ist, sondern dass – ganz im Gegenteil! – die Bundesverfassung und die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs auf diese Art und Weise verletzt wurden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zu einigen Details: Die Zugangsbeschränkungen zum österreichischen Hoheitsgebiet sind inzwischen dermaßen gestaltet, dass de facto Flüchtlinge auf dem Landweg nicht mehr nach Österreich kommen können, es sei denn mit Hilfe von organisierten Schlep­pern oder Menschenhändlern.

Berufungen gegen die erstinstanzlichen Bescheide haben in Österreich aufschiebende Wirkung. Das ist der Standard, den uns unsere Rechtsstaatlichkeit vorgibt und der überall in unserer Rechtsordnung gilt. Mit Ihrer Vorlage, Herr Minister, soll die Berufung keine aufschiebende Wirkung mehr haben, der UBAS soll vielmehr nur im Einzelfall die aufschiebende Wirkung zuerkennen können. Damit verlassen Sie den rechtsstaatlich


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vorgezeichneten Weg und belasten die Berufungsbehörde mit zusätzlicher Arbeit – jene Behörde, deren Aufgabe es eigentlich ist, sich in gerichtsförmiger Weise von der Glaubwürdigkeit eines Asylwerbers zu überzeugen. Diese Behörde muss nun in einem Aktenverfahren, ohne die Möglichkeit eines persönlichen Kontaktes mit dem Asylwer­ber, darüber entscheiden, ob die Berufung aussichtslos ist oder nicht. Das bedeutet: schnelle Entscheidung oder Anwachsen der Aktenrückstände.

Dasselbe gilt für das Novationsverbot. Dadurch werden die Möglichkeiten der Asylwer­berInnen reduziert, im Berufungsverfahren bisher noch nicht genannte Gründe vorzu­bringen. Dabei handelt es sich um einen Alleingang Österreichs innerhalb der Mitglied­staaten der Europäischen Union auf Kosten verfolgter Menschen.

Sie werden im Ergebnis die Zahl der Berufungen nicht reduzieren, und als Konsequenz dieses Gesetzes werden die Asylverfahren in erster und zweiter Instanz nicht verkürzt werden, weil sich diese Regierungsvorlage eines zweifelhaften Instrumentariums be­dient, von dem von vornherein klar ist, dass es der verfassungsrechtlichen Prüfung des VfGH nicht standhalten wird.

Dafür wurde der Rechtsstaat dem Diktat der Effizienz und Sparsamkeit geopfert, statt dass die Regierung, wie zum Beispiel in Deutschland, bei erhöhtem Flüchtlingszustrom den Personalstand des Bundesamtes für Flüchtlingswesen einfach erhöht hätte. In Deutschland arbeiten 2 300 Beamte rund 60 000 Fälle ab, in Österreich 200 bis 300 MitarbeiterInnen im Bundesasylamt und im Unabhängigen Bundesasylsenat 30 000 Fälle – also die Hälfte mit einem Zehntel des Personalstandes!

Die Betreuung von Asylwerbern hat in der Vergangenheit auch nur deshalb halbwegs reibungslos funktioniert, weil die Länder und die Zivilgesellschaft Geld und Unterkünfte zur Verfügung gestellt haben. Volkshilfe, Rotes Kreuz, Evangelische Diakonie, Caritas: Sie alle verdienen in Wahrheit öffentliches Lob und Anerkennung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) – Sie danken diesen Organisationen auf Ihre Weise, nämlich indem Sie deren Ansprüche mit dem Bundesbetreuungsgesetz rückwirkend enteignen.

Sie geben das in den Erläuternden Bemerkungen auch zu, wenn Sie sagen, dass mit einer derartigen Rückwirkung der von diesem Bundesgesetz bewirkten Klarstellungen bestimmte Vertrauensenttäuschungen – wie Sie es ausdrücken – verbunden sein können. Gleichzeitig werden die Ersatzansprüche dieser Organisationen zur Gänze vernichtet, und daher ist diese Regelung verfassungswidrig. Das hat auch der Verfas­sungsrechtler Heinz Mayer im Expertenhearing eindrucksvoll vor Augen geführt, wie auch alle übrigen Experten, die sich im Laufe des Begutachtungsverfahrens zu Wort gemeldet haben:

Professor Heinz Mayer: Die Aufhebung der Rückwirkung der Gesetze mittels authen­tischer Interpretation stellt einen massiven Eingriff ins Eigentum dar. Die gänzliche Ver­nichtung als Ergebnis ist sicher nicht verhältnismäßig und daher verfassungswidrig.

Dr. Köfner, UNHCR: Das Neuerungsverbot in der EU ist einzigartig.

Christian Neumayer, Stadt Wien: Es ist kurios, dass gerade zu jenem Zeitpunkt, wo es Verhandlungen mit den Ländern gibt, diese Vorlage präsentiert wird.

Andreas Lepschi, Caritas: Es gibt einen lockeren Umgang mit der persönlichen Frei­heit, der Missbrauchsgedanke und die Angst dominieren den Gesetzentwurf.

Heinz Patzelt: Es gibt zahlreiche Verfassungs- und Konventionsbrüche. – Weiters kriti­siert er, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für Asylwerber zwar positiv sei, dass es aber keinerlei arbeitsrechtliche Mindestsicherung gibt.

Christoph Riedl kritisiert die Begrifflichkeit von Missbrauch und Wirtschaftsflüchtlingen. Er sagt: Die Tatsache, dass mit dem Bundesbetreuungsgesetz die Ansprüche enteig-


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net werden, ist in Wahrheit ein „Griff in die Taschen der Spender“. So habe die Evan­gelische Diakonie 900 000 € in die Unterbringung von Asylwerbern im letzten Jahr gesteckt.

Professor Theo Öhlinger: Während eines Berufungsverfahrens abgeschoben zu wer­den ist verfassungswidrig. Man muss Österreich die Eigenschaft als sicherer Drittstaat absprechen.

Caritas: Vor allem eine seriöse und realistische Beschleunigung der erstinstanzlichen Verfahren auf sechs bis acht Wochen würde eine wesentlich bessere Qualität bringen.

Die von Experten festgestellten Verfassungswidrigkeiten in diesem Entwurf sind Legende! Die Regierungskoalition wird heute ein Gesetz beschließen, das zu Lasten der Ärmsten der Armen geht, weil sich durch diesen ganzen Gesetzentwurf eine Gesinnung zieht, die von der Annahme ausgeht, dass Asylsuchende in der Regel keine Flüchtlinge sind, die Schutz vor Verfolgung suchen, sondern Menschen, die sich ein bequemes Leben erschleichen wollen, dass sie eher Wirtschaftsflüchtlinge sind und dass daher Asylverfahren in erster Linie zum Zwecke der Sicherung der Ausweisung durchzuführen sind und nicht zum Zwecke der Durchführung eines Asylverfahrens.

Professor Heinz Mayer hat das vor dem Sommer in einem „Standard“-Interview sehr, sehr treffend formuliert. Er hat erklärt, dass wieder einmal die Effektivität und die Effizienz von Asylverfahren gesteigert werden sollen, dass allerdings die Sparsamkeit des Staates nicht Selbstzweck sein soll, sondern der Staat in erster Linie dafür zu sor­gen hat, dass die Menschen ihre Interessengegensätze nicht hemmungslos, sondern geordnet austragen, wie es die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die Verfassung und die übrigen Rechtsregeln gebieten. – So ist es. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindel­egger. Wunschredezeit: 10 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort. (Die Ab­geordneten der Grünen stellen große Schaubilder auf ihre Pulte, auf denen die Porträts verschiedener ehemaliger Migrantinnen und Migranten zu sehen sind.)

 


11.09

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben heute eine sensible Materie zu behandeln – durchaus richtig –, und wir als Volkspartei bekennen uns auch dazu, dass Österreich seiner Tradition als Asylland auch in Zukunft gerecht werden muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir wollen aber gleichzeitig, dass wir im Asylland Öster­reich wieder darauf zurückkommen, was Asyl eigentlich bedeutet. Ich darf in diesem Zusammenhang allen in Erinnerung rufen – das ist gemeinsamer Konsens von uns allen –: Wer aus politischen Gründen, aus rassischen Gründen und wegen seiner religiösen Einstellung in seinem Heimatland verfolgt wird, der soll bei uns für jenen Zeitraum Aufenthalt finden, in dem dies in seinem Heimatland als Tatsache zu werten ist. – Das ist Asyl, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

Asyl bedeutet nicht, unter einem neuen Titel eine Einwanderungsmöglichkeit nach Österreich zu finden. – Das ist aber die Tatsache, mit der wir heute konfrontiert sind!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Vielleicht unterscheiden wir uns in unse­rem Realitätssinn ein wenig von der grünen Fraktion, die ein bisschen blauäugig an die Situation herangeht, aber wir unterscheiden uns in keiner Weise von den Sozialdemo­kraten, denn das, was Karl Schlögl als letzter SPÖ-Innenminister – ich habe hier eine


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umfangreiche Dokumentation mit – in dieser Frage an Gesetzesnovellen eingebracht hat, das, was er an öffentlichen Stellungnahmen für die Sozialdemokratische Partei ab­gegeben hat, das, meine Damen und Herren von der SPÖ, ist die Politik von heute. Ich halte es daher für einen Etikettenschwindel, wenn Sie uns heute hier vorgeben, ganz anderer Meinung zu sein. – Nein, meine Damen und Herren, da unterscheiden wir uns nicht von den Sozialdemokraten! Sie versuchen nur, es anders darzustellen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich möchte mich aber schon von den Sozialdemokraten unterschei­den!)

Ich darf Herrn Kollegem Posch empfehlen, einmal mit seinem Genossen Verzetnitsch zu reden, ihn zu fragen, ob er es sich getraut hätte, das, was Sie heute gesagt haben, auf seinem Gewerkschaftskongress als Position der SPÖ darzustellen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass Kollegem Verzetnitsch die Trillerpfeifen der Genossen entgegengeschallt wären und nicht unse­rem Fritz Neugebauer, dem hier für sein Engagement ungerechtfertigterweise in schädlicher und schändlicher Weise so etwas widerfahren ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Warum müssen wir in diesem Asylgesetz und im Bundesbetreuungsgesetz etwas ändern? – Wir brauchen deshalb eine Novelle, weil sich Verschiedenstes grundlegend geändert hat.

Zum Ersten sind unsere Nachbarn in wenigen Monaten Mitglied der Europäischen Union. Es ist daher nicht mehr gängige Praxis, durchzuwinken, zu sagen: Fährt nach Österreich, stellt dort einen Asylantrag! Nein. Alle Drittstaaten, alle unsere Nachbarn sind sichere Drittstaaten, und dort muss ebenso ein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt werden wie bei uns. – Diese Änderung finden Sie in der Novelle, dazu stehen wir auch, und ich glaube, dass unsere Nachbarn sich in dieser Form auch bewähren werden.

Zum Zweiten: Wir haben eine Zahl von Asylanträgen in Österreich, die im Jahre 2002 in exorbitanter Weise angestiegen ist. Fast 40 000 Personen haben in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt. Das ist nicht irgendeine Zahl von Personen, meine Damen und Herren, sondern das ist eine Zahl in der Größenordnung von beinahe der gesamten Einwohnerschaft von St. Pölten.

Diese Zahl können wir auch zum Vergleich mit unseren Nachbarstaaten heranziehen. Wenn wir vergleichen, wie viele Asylanträge auf 1 000 Einwohner gestellt werden – bei uns fast fünf auf 1 000 Einwohner –, dann sehen wir, dass da ein großes Ungleich­gewicht zu unseren Nachbarländern herrscht. In Deutschland sind es 0,9 Anträge auf tausend Einwohner, in Italien sind es 0,1, meine Damen und Herren! Insgesamt wurden im Jahre 2002 in Italien von 7 000 Personen Asylanträge gestellt, bei uns von 40 000 Personen! (Abg. Jakob Auer: Wie viele sind es in Deutschland?)

Das zeigt, dass Österreich als Fokusland für Schlepperbanden ausgewählt wurde. Über Internet laufen Informationen, dass man nach Österreich kommen muss, wenn man einen Asylantrag stellen will. – Das, meine Damen und Herren, erfordert, dass wir reagieren. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Wenn Deutschland, ein Land mit einer ebenso nach Osten befindlichen Grenze wie wir, 0,9 Asylanträge pro tausend Ein­wohner zu verzeichnen hat, dann zeigt das, dass da nicht mit gleichem Maß gemessen wird. Daher müssen wir reagieren, sehr geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir tun das in der Form, dass nach einer ausgiebigen Diskussion und einer Berück­sichtigung vieler Hinweise im Begutachtungsverfahren und einem Änderungsantrag im Ausschuss gewährleistet ist, dass es Rechtsstaatlichkeit gibt, dass aber die Fokussie­rung auf Asyl sehr wohl das Zentrum unserer Bemühungen darstellt. – Ich werde noch darauf eingehen.


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Wenn Herr Kollege Posch gleich von vornherein meint, diese Gesetzesnovelle sei ver­fassungswidrig, so kann ich ihm nur antworten: Es gibt nur einen, der das feststellen kann, nämlich den Verfassungsgerichtshof, und nicht irgendjemand anderen! – Eine Diskussion so begonnen, kann nicht gut enden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ja, wir haben ein neues Verfahren vorgesehen, das viel rascher wirkt als früher. Wir haben ein Verfahren vorgesehen, wonach diejenigen, die auf dem Landweg nach Österreich kommen, an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat kommen. Ich halte das für gerechtfertigt. Wir haben auch vorge­sehen, dass jemand, der in erster Instanz einen Asylgrund angibt, in der nächsten Instanz, weil er damit nicht erfolgreich war, nicht einen ganz anderen Asylgrund nennen kann.

Meine Damen und Herren! Weshalb sollte denn jemand, der seine Heimat verlassen muss, weil er verfolgt wird, der Behörde nicht erklären, wieso das der Fall ist? Können Sie mir erklären, was das wirklich für Gründe sein sollen? Oder steht dahinter vielleicht die Vermutung, man probiert es halt in einer Instanz so und in einer anderen Instanz so. – Das kann nicht Gegenstand von Asylverfahren sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Weil Sie so viel von Experten reden, meine Damen und Herren: Diese gibt es natürlich auch sonder Zahl für die Verfassungsmäßigkeit dieser Novelle. Wir haben in der gestrigen Ausgabe der Tageszeitung „Die Presse“ lesen können, dass Herr Professor Matscher, ehemaliger Richter am Gerichtshof für Menschenrechte, also jemand, der durchaus Kompetenz auf diesem Gebiet hat, davon spricht, dass das eigentlich kein Neuerungsverbot im generellen Sinn ist, sondern dass eine Fülle von Ausnahmen besteht, meine Damen und Herren! Wir haben von Herrn Dozenten Dr. Vonkilch ein Gutachten, das die Verfassungsmäßigkeit auch dieser Neuerungsbestimmungen durchaus anerkennt.

Meine Damen und Herren! Letztlich entscheidet ein Höchstgericht darüber, ob etwas verfassungswidrig ist oder nicht, aber nicht Sie im Vorfeld und auch nicht NGO-Organisationen. Das bedarf einer Prüfung, aber die Gesetzesvorlage ist in einer Weise vorbereitet, dass man guten Gewissens sagen kann, dass darin rechtsstaatliche Grundsätze sehr wohl berücksichtigt sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir haben auch eine Fülle von positiven Neuerungen in diesem Asylverfahren. Wir haben das Anerkenntnis, dass traumatisierte Personen, dass Opfer von Folter natürlich nicht dem Neuerungsverbot unterliegen. Wir haben ein Familienverfahren vorgesehen. Wenn ein Familienmitglied Asyl anerkannt bekommt, dann gilt das für die gesamte Familie. – Das sind Fortschritte in Bezug auf das, was in der Vergangenheit zu Recht kritisiert wurde.

Aber die politische Dimension ist sicher eine andere. Österreich kann nicht das Land sein, in dem man versucht, über den Weg Asyl eine neue Heimat zu finden. Wir müssen uns konzentrieren auf jene, die unsere Hilfe brauchen, wir müssen jene Asyl­gründe in die Diskussion werfen, die auch gerechtfertigt sind, und dazu brauchen wir ein rasches Entscheidungsverfahren, und dazu brauchen wir auch die Sicherheit, dass nicht alle nach Österreich kommen und hier Jahre verbringen, bevor dieses Verfahren abgeschlossen ist.

Ich meine daher, dass wir mit Fug und Recht sagen können: Wir haben uns dieser Dis­kussion sehr ausgiebig gestellt, es wurde viele Monate lang darüber diskutiert, und wir haben ein Ergebnis, zu dem man auch stehen kann.


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40 000 Asylanträge in Österreich mit einer Anerkennungsquote, die sehr gering ist, zeigen, dass da Handlungsbedarf besteht. Wir reagieren auf diesem Handlungsbedarf und bekennen uns dazu, dass Österreich für jene, die Hilfe brauchen, ein Asylland bleiben wird. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.19

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

 


11.19

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich darf zunächst einmal eine Präzisierung und gleichzeitig eine Korrektur zu den Ausführungen von Kol­legen Spindelegger anbringen. Er hat davon gesprochen, dass es in unseren Nachbar­ländern – und da spreche ich insbesondere von der Slowakei und von Tschechien –, die ja ab 1. Mai 2004 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sein werden – und mit genau diesem Tag wird dieses heute von Ihnen mit größter Wahrscheinlichkeit mit Mehrheit beschlossene Asylgesetz in Kraft treten –, so wunderbare Asylverfahren gäbe.

Wissen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie viele Asylverfahren im Jahr 2002 in der Slowakei positiv abgeschlossen wurden? (Abg. Dr. Fasslabend: Das ist ein sicheres Drittland!) – 19! 19 Menschen haben im Jahr 2002 in der Slowakei Asyl bekommen. Zehntausende haben einen Antrag gestellt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Frage ist, ob – und das ist einer meiner Hauptkritikpunkte an dieser Asylgesetz-Novelle – das Festschreiben von so genannten sicheren Drittstaaten überhaupt mög­lich ist. Um Ihnen, geschätzte KollegInnen, zu erklären, was das ist: Sicherer Drittstaat ist ein Ausdruck aus der Juristensprache und bedeutet, dass jemand, der in einem bestimmten Land einen Asylantrag stellt, über die Grenze in jenen Staat, aus dem er gerade gekommen ist, wieder zurückgeschoben wird, weil das ja ein sicherer Drittstaat für ihn sei. Es gibt ein Prinzip des Asylrechtes in der Genfer Flüchtlingskonvention, wo­nach niemand, der Schutz vor Verfolgung sucht, dorthin zurückgeschoben werden darf, woher er geflohen ist, weil er eben Schutz vor Verfolgung braucht. (Abg. Scheibner: Heimatland, nicht die Durchgangsstaaten!) Wenn man nun die Menschen ohne lange Prüfung einfach in so genannte sichere Drittstaaten zurückschiebt, so laufen sie Ge­fahr, durch eine weitere Kettenabschiebung wieder dort zu landen, woher sie gekom­men sind. (Abg. Scheibner: Wenn ein Mitgliedsland der Europäischen Union kein sicheres Drittland ist, dann ist etwas falsch gelaufen!)

Die unabhängige zweite Instanz in österreichischen Asylverfahren, der so genannte Unabhängige Bundesasylsenat, kurz: UBAS, hat in mehreren Entscheidungen festge­stellt, dass die Slowakei kein sicherer Drittstaat für Asylwerber ist, weil diese, werden sie in die Slowakei abgeschoben, Gefahr laufen (Abg. Scheibner: ... Das ist ja unge­heuerlich! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), wieder dorthin zurückgeschickt zu werden, woher sie gekommen sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Dann stellen wir gleich die Ratifizierung der EU-Erweiterung zurück!)

Deshalb hat das UNHCR, das Flüchtlingshochkommissariat der UNO mit Sitz in Genf, einen derart massiven Protest gegen diese geplante Asylgesetz-Novelle in Österreich eingelegt: eben weil durch das österreichische Gesetz nicht mehr garantiert ist, dass man in Österreich Schutz vor Verfolgung bekommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wesentlichste und wichtigste Prinzip im Flüchtlingswesen und im Flüchtlingsrecht ist, dass es das Recht auf individuelle


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Prüfung des einzelnen Schicksals gibt, denn kein Schicksal ist wie das andere! Es kann sein, dass – um aktuelle Beispiele aus dem österreichischen Flüchtlingswesen anzuführen – jemand, der aus Tschetschenien nach Österreich geflüchtet ist, hier trotz­dem kein Asyl zuerkannt bekommt, weil sich in diesem Verfahren zeigt, dass die Fluchtgründe nicht vorliegen; gleiches kann jemandem aus Afghanistan oder auch ver­folgten Kurden, die in Österreich oft noch Schutz vor Verfolgung bekommen, ge­schehen.

Das UNHCR – der Vertreter des UNHCR Dr. Köfner hat hier in Wien im parlamen­tarischen Hearing im Innenausschuss, bei dem von der Opposition veranstalteten Ex­pertenhearing zum Bundesbetreuungsgesetz und in zahlreichen weiteren Veranstaltun­gen öffentlich dazu Stellung genommen –, die Weltzentrale des Flüchtlingshochkom­missariats, hat Österreich dringend gebeten, hat einen wirklich eindringlichen Appell insbesondere an Innenminister Strasser gerichtet, von diesen geplanten Regelungen Abstand zu nehmen! Wir als Opposition, die Grünen, aber auch die Sozialdemokraten, wir haben diese Argumente, die vorgebracht wurden, ernst genommen und sie auch in der parlamentarischen Behandlung immer wieder wiederholt.

Es ist daher nicht möglich, einfach zu sagen: Jetzt beschließen wir ein neues Asylge­setz! – Österreich hatte in den letzten Jahrzehnten den Ruf eines Land, das Flüchtlinge aufnimmt, das ist Tradition Österreichs in der Zweiten Republik! Eckpunkte wie Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968, Polen Anfang der achtziger Jahre, und vor allem die Dekade der neunziger Jahre mit den vier Balkankriegen haben Österreich, also die österreichische Bevölkerung und die österreichischen Behörden, vor die wirklich große Herausforderung gestellt, mit dem Problem der Asylgewährung und der vielen Flücht­linge zurechtzukommen. Jetzt, da es in unserer unmittelbaren Umgebung – und die soeben genannten Länder sind alle Nachbarländer Österreichs! – Gott sei Dank keine kriegerischen Auseinandersetzungen gibt, keine Krisen, die derart heftig sind, genau in diesem Moment schränkt Österreich das Asylrecht massiv ein.

Wir laufen – und damit wiederhole ich auch die Kritik der nationalen und internationalen Experten – dadurch Gefahr, wieder einmal in einer Materie europäisches Schlusslicht zu werden (Abg. Scheibner: Bei der Aufnahme sind wir aber immer noch Spitze!), in diesem Fall was den Schutz von Flüchtlingen, was die Aufnahme von Flüchtlingen und was die Betreuung von Flüchtlingen angeht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ. – Abg. Scheibner: ... Missbrauch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der nun schon seit Monaten laufenden Diskussion gab es in einem Punkt eine Übereinstimmung aller vier Parlamentsfraktio­nen untereinander sowie mit dem Herrn Innenminister, nämlich über die Tatsache, dass die Dauer der österreichischen Asylverfahren so lang ist, dass es an Rechtsver­weigerung stößt, was Flüchtlingen in ihrem Begehr, Asyl in Österreich zu erhalten, widerfährt. Es ist fast Asylverweigerung, wenn jemand über Jahre darauf warten muss, dass sein Verfahren endlich definitiv abgeschlossen ist. (Abg. Mag. Mainoni: Dafür wird das Gesetz ja geschaffen!) Daher gab es Übereinstimmung darüber, dass etwas zu geschehen habe, dass die Asylverfahren in Österreich beschleunigt werden müssten.

Herr Minister! Sie haben wie wir alle die Vorschläge, die das UNHCR im Jänner oder Februar dieses Jahres zumindest unserer Fraktion – und wie ich weiß auch Ihnen – übermittelt hat, erhalten. Dieses Konzept für Reformen im österreichischen Asylsystem enthält vor allem zwei Punkte: deutlich mehr Personal und Ressourcen im Verfahren zur Verfügung zu stellen und als zweiten Punkt auch Nachjustierungen im Asylgesetz.

Sie haben es erhalten, wir haben es erhalten. Sie haben es eiskalt ignoriert! (Abg. Kößl: Das stimmt ja nicht!) Sie haben das gemacht, was Ihre Zeit als Innenminister


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und damit auch als Verantwortlicher für das Asylwesen kennzeichnet: Sie verweigern den Dialog! Sie verweigern nicht nur den Dialog mit der Opposition, durch den man zu einem konstruktiven Abschluss der Verfahrensbeschleunigung kommen könnte, son­dern Sie verweigern vor allem den Dialog mit jenen Organisationen (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), die sich in Österreich seit Jahren für jene Flüchtlinge und Asylwerber einsetzen, die vom Staat auf die Straße gestellt, obdachlos gemacht werden, denen keine Unterstützung zuteil wird, obwohl der Staat die Ver­pflichtung dazu hätte, und zwar kirchliche Organisationen wie die Caritas und die Diakonie, aber auch die NGOs im Flüchtlingsbereich wie die „Volkshilfe“ und zahlreiche kleine Organisationen.

Sie hören nicht auf jene, die über Jahre Kompetenz dafür entwickelt haben, die Ihnen Vorschläge machen. Nein! Sie gehen Ihren Weg, stur geradeaus, weder rechts noch links schauend – und das im wahrsten Sinne des Wortes; wenn Sie schauen, dann, in­haltlich betrachtet, nach rechts –, und setzen hier diese Dinge durch. (Abg. Scheibner: ... keinen einzigen Vorschlag von Ihnen, wie man das verbessern und den Missbrauch verhindern kann!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! Ich muss sagen, ich habe harte Zeiten als Menschenrechtssprecherin der Grünen erlebt. Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten unter Löschnak, ich erinnere mich auch an die schon erwähnten Zeiten und harten Auseinandersetzungen mit Schlögl, aber diese Art des sich Nicht-Auseinandersetzens, des Ignorierens, des sich Darüber-Hinwegsetzens (Abg. Kößl: Das stimmt doch nicht! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) endet damit, dass be­wusst und willentlich die österreichische Verfassung gebrochen wird, indem man sich per Gesetz von der Verpflichtung befreien will, jenen Organisationen die Mittel zu erstatten, die sie für den Staat quasi im Voraus eingesetzt haben. (Ruf bei der ÖVP: Ungeheuerlich!) Das ist Ihr Stil, den haben Sie geprägt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann daher nur festhalten – zu Ihrer Infor­mation: das ist mein letzter Satz –: In einem Staat, der in den ersten neun Monaten dieses Jahres gemäß seinem Flüchtlingsgesetz 700 Menschen Asyl gewährt hat, be­steht Handlungsbedarf, aber in die andere Richtung, als Sie es tun! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.30

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

 


11.30

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu Ihnen, Frau Abgeordnete Stoisits: Wenn Sie so am Rechtssystem der zukünftigen EU-Mitgliedsländer zweifeln, dann müssten Sie konse­quenterweise gegen deren Beitritt sein! (Die Abgeordneten der Grünen stellen neuer­lich große Schaubilder auf ihre Pulte, auf denen die Porträts verschiedener ehemaliger Migrantinnen und Migranten zu sehen sind.) Ich erwarte mir also insbesondere auch von Ihren Vertretern in der EU eine entsprechende Haltung. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Jahre 1951 wurde eine internationale Vereinbarung abgeschlossen, die später auch in das österreichische Recht übernommen worden ist (Abg. Öllinger – auf das vor ihm stehende Bild von Anna Freud weisend –: Kommt Ihnen dazu eine Erinnerung? Fällt Ihnen dazu etwas ein?), nämlich die so genannte Genfer Flüchtlingskonvention, die noch heute gilt. (Abg. Mag. Stoisits – auf das vor ihm stehende Bild von Margarete Schütte-Lihotzky weisend –: Wissen Sie, wer das war?) Die Genfer Flüchtlingskonven-


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tion besagt, dass jedem, der wegen seiner Rasse, wegen seiner Religionsausübung, wegen seiner Nationalität, wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung in seinem Heimatland verfolgt wird, der Flüchtlingsstatus zuerkannt werden muss beziehungsweise Schutz zu gewäh­ren ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion, ich selbst und unsere ge­samte Partei, wir stehen auf dem Boden der Genfer Flüchtlingskonvention! Jeder, der wirklich verfolgt wird, muss Hilfe bekommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Na ja-Rufe bei den Grünen.)

Österreich zeigt mit seiner Politik – es tat dies auch immer in der Vergangenheit –, dass es die Grundsätze der Genfer Konvention ernst nimmt und jene Menschen, die wirklich, und zwar aus den genannten Gründen, verfolgt werden, großzügig aufnimmt. Allerdings tritt meine Fraktion allen Missbräuchen des Asylrechts entschieden ent­gegen, und das im Interesse aller Österreicher! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Missbräuche zu leugnen, hieße, einen falschen Realitätssinn an den Tag zu legen. Im vergangenen Jahr, also 2002, sind über 39 000 Asylsuchende nach Öster­reich gekommen, es sind also fast 40 000 Asylansuchen gestellt worden, aber nur 10 Prozent von ihnen haben wirklich Asylgründe namhaft machen können. Der Rest hat seine Heimat verlassen, um hier eine bessere Lebensgrundlage zu finden. Ich gebe zu, der Großteil kommt aus Ländern, in denen es wirklich katastrophale Zustände gibt. Nur, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir Österreicher können nicht die Armutsproblematik der ganzen Welt mit unserem Asylgesetz regeln, das muss uns einmal klar sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn UNHCR, Caritas und alle anderen NGOs im Ausschuss und auch in der Öffent­lichkeit dramatisch gegen dieses Gesetz agitieren und behaupten, derjenige, der in Österreich abgewiesen wird, werde der Folter ausgeliefert, der Verfolgung, dem ge­waltsamen Tod in seinem Land zugeführt, so stellen sie damit die Situation einfach – und ich behaupte absichtlich – falsch dar! (Abg. Gaál: Das stimmt ja nicht!) – Na zu­mindest gefärbt; wenn schon nicht absichtlich falsch dargestellt, dann gefärbt.

Meine Fraktion war mit dem FPÖ-Klubobmann in Traiskirchen. (Abg. Mag. Stoisits: Wir auch!) Im ersten Zimmer, das wir betreten haben, war ein Armenier, den wir ge­fragt haben, warum er hier in Österreich ist. Er hat gesagt, die Gesundheit sei nicht gut in seinem Land, er müsse sich hier operieren lassen. Im zweiten Zimmer war eine Frau, die aus dem ehemaligen Russland gekommen ist. (Abg. Dr. Einem: „Ehemaliges Russland“ gibt es nicht!) Frage: Warum sind Sie hier? – Die Antwort lautete: Keine Arbeit in Russland! Im dritten Zimmer kam die Antwort: Österreich ist ein schönes Land, deshalb sind wir hier!

Es ist zwar nett, dass man uns das bestätigt, aber das sind doch alles keine Asyl­gründe! Das muss uns einmal klar sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nahezu die Hälfte aller Asylwerber, nämlich, wie der Rechnungshof festgestellt hat, 42 Prozent, hat gar kein Interesse daran, dass ihr Asylverfahren beendet beziehungsweise ihr Asylgesuch hier überhaupt behandelt wird, denn sie tauchen ganz einfach unter, um hier entweder schwarz zu arbeiten, um sich kriminell zu betätigen, um durchzureisen oder zu irgendeinem anderen Zweck ein­mal nach Österreich gekommen zu sein, um einfach das Asylansuchen gestellt zu haben und dann nicht mehr greifbar zu sein. Diese Leute suchen gar nicht den Schutz unseres Landes, sondern wollen ihre Lebensverhältnisse verbessern. Aus individueller Sicht ist das einzusehen, aber als österreichischer Staat müssen wir diesem Asylmiss-


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brauch einen Riegel vorschieben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedauere wirklich, dass weder UNHCR noch Caritas und all die anderen NGOs die Realität zugeben und – auch im Interesse derjenigen, die wirklich verfolgt werden und die wirklich Asyl brauchen – mit uns ge­meinsam an einer Lösung der Frage arbeiten, wie dem Asylmissbrauch entgegengetre­ten werden kann. Nein, ganz im Gegenteil: Manche der Vertreter der NGOs oder auch des UNHCR beschmutzen Österreich! (Rufe bei der SPÖ: Was? Was?) So hat bei­spielsweise der Vertreter von amnesty international, Herr Dr. Patzelt, gesagt, er werde an die internationale Öffentlichkeit gehen und sagen, dass Österreich kein sicherer Drittstaat mehr sei! (Abg. Scheibner: Das ist ungeheuerlich!) Das ist wirklich ein Skandal!

Frau Abgeordnete Stoisits hat gemeint, dass Parlament oder der Innenminister hätte die Diskussion verweigert. Bitte, das stimmt doch überhaupt nicht! – Frau Abgeordnete Stoisits! Waren Sie bei dem ganztägigen Expertenhearing nicht dabei? (Abg. Mag. Wurm: Das war bis 13 Uhr! Von 9 bis 13 Uhr!) Sie wissen doch ganz genau, dass die Vertreter der NGOs überall eingebunden waren. Es hat auch Vorgespräche gegeben. (Abg. Mag. Stoisits: Sie hören nicht auf sie!) Sie beschmutzen ebenfalls die österreichische Innenpolitik, wenn Sie behaupten, dass es keine Diskussion darüber gegeben hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sehe ein, dass die NGOs und auch der UNHCR das ganze Problem von ihrer Warte aus sehen, also völlig einseitig, nämlich nur im Interesse jener Leute, mit denen sie es tagtäglich zu tun haben, aber wir als österreichische Politiker müssen Lösungen finden, die auch für die Österreicher verträglich sind, wir können nicht nur einseitig han­deln, sondern müssen auch einen Interessenausgleich vornehmen. (Abg. Öllinger: Auf die Straße schicken, das ist Ihr Rezept! – Abg. Hagenhofer: Aber Saisonniers holen!)

Im Ausschuss hat ein SPÖ-Abgeordneter gesagt, er sehe ein, dass es Asylanten gibt, die keine Asylgründe nach der Genfer Konvention haben, dies hätten aber die Gerichte zu entscheiden und wir müssten ein faires Rechtsverfahren zur Verfügung stellen. Ich bin durchaus dieser Meinung. Natürlich müssen wir ein Rechtsverfahren zur Verfügung stellen, aber wir wissen auch sehr genau, wie dieses Rechtsverfahren von allen miss­braucht wird. Wenn beispielsweise ein Asylantrag abgelehnt wird, werden in der nächs­ten Instanz neue Gründe vorgebracht, und so geht das weiter, und zwar bis zum Ver­waltungsgerichtshof. Ist endlich einmal in der letzten Instanz entschieden, ist der Schubbescheid da, wird wieder ein neuer Asylgrund geltend gemacht.

Deshalb, damit die Verfahren nicht endlos verzögert werden können, haben wir das Neuerungsverbot eingeführt. Bitte verschließen wir uns doch nicht den Tatsachen! (Abg. Öllinger: Sie wollen den Rechtsstaat ... aus den Angeln heben!) Sehen wir doch ein, dass dringender Handlungsbedarf gegeben ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Menschen suchen in Österreich oft gar nicht Schutz, sondern wollen möglichst lange hier bleiben, um hier illegal zu arbeiten, um unterzutauchen oder um irgendetwas anderes zu tun.

Eine SPÖ-Abgeordnete hat im Ausschuss gemeint, es sei schon möglich, dass es Missbräuche gebe, aber diese ein, zwei Missbräuche könnten wir uns schon leisten, wenn dadurch verhindert werde, dass einer zu Unrecht abgelehnt wird. – Ja, wenn es nur ein, zwei Missbräuche sind, dann okay, Frau Abgeordnete Wurm, aber das stimmt ja nicht, wir haben tausende Missbräuche! Darum geht es! (Abg. Öllinger: Woher wissen Sie das?) Das habe ich schon anhand der Zahlen dargestellt.


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Gerade Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, möchte ich sagen: Die hohen Kosten, die dem österreichischen Staat durch diese Missbräuche entstehen, müssen auch aus den Steuerleistungen jener Menschen in Österreich getragen werden, die ein niedriges Einkommen haben, von denen Sie immer sagen, dass sie an die Armuts­grenze abrutschen. Das muss man auch einmal in Betracht ziehen! Wie kommen diese Menschen dazu, Leuten, die in Wirklichkeit gar keine Asylgründe haben, über ihre Steuern die Verpflegung zu bezahlen, den Aufenthalt zu bezahlen, das Verfahren zu bezahlen? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Noch eine Schlussbemerkung zur Kritik, dass wir das schärfste Asylgesetz hätten: Erstens einmal stimmt das überhaupt nicht. Die Niederlande haben ein sehr scharfes Asylgesetz, Dänemark und Großbritannien ebenfalls; Frankreich verschärft jetzt sein Asylgesetz. Aber sei es: Ich bekenne mich dazu, das schärfste Asylgesetz zu haben (Abg. Öllinger: Das glauben wir! Das glauben wir!), angesichts der Asylwerber, mit denen Österreich zu tun hat! Kein anderes Land in Europa hat einen solchen Zustrom von Asylwerbern wie Österreich. Ich habe schon gesagt, die Zahl explodiert – im Jahre 2002 waren es fast 40 000, vor zehn Jahren waren es noch 4 700 –, weil die organisierte Kriminalität sich auch dieses Problems bemächtigt hat und Schlepper dafür sorgen, dass der Zustrom nicht abreißt.

Ich bitte Sie – das ist mein Schlusssatz –, ich fordere Sie auf, nicht politische Polemik aus diesem ganzen Problem zu machen (Abg. Gradwohl: Hören Sie auf damit! – weitere Rufe bei der SPÖ: Hören Sie auf!), sondern gemeinsam für Österreich eine Lösung zu finden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt als Nächster der Herr Bundesminister für Inneres. Die Redezeit ist auch für die Wortmeldung von der Regierungsbank mit 10 Minuten vorgesehen. – Bitte, Herr Minister. (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung SPÖ –: ... Polemik einstellen! Das ist doch der größte Blödsinn, was Sie da sagen!)

 


11.41

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 1. Jänner 1998 ist das Asylgesetz 1997 in Kraft. Seither haben wir rasant steigende Zahlen an Asylanträgen, seither haben wir zunehmend Anträge aus asylfremden Motiven, von so genannten Wirtschaftsflüchtlingen, die sich gerne in Österreich niederlassen wollen oder hier bei uns leben wollen. Die abgeschlossenen Verfahren zeigen das, was der Hochkommis­sar des UNHCR, Ruud Lubbers, bestätigt: Über 80 Prozent der Antragsteller kommen aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich, was nach der Genfer Flüchtlingskon­vention keinen Asylgrund darstellt.

Noch eine Zahl: Es sind nicht 700, Frau Abgeordnete Stoisits, sondern vom 1. Jänner bis zum 1. Oktober 2003 waren es genau 1 093 Menschen, die in Österreich Asyl be­kommen haben. (Die Abgeordneten der Grünen halten jeweils ein Plakat in die Höhe, auf dem der Name jeweils einer Persönlichkeit wie „M. Schütte-Lihotzky“ und „Anna Freud“ zu lesen ist.)

All diese Zahlen, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigen sehr klar: Wir müssen das österreichische Asylgesetz diesen Herausforderungen anpassen, und wir brauchen eine im europäischen Bereich gemeinsame Vorgangsweise, um harmo­nische Asylsysteme zu verwirklichen. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie die heutigen Nachrichtenagenturen durchsehen, dann sehen Sie, dass Österreich diesbezüglich nicht alleine ist. Der französische Außenminister hat gestern


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im Senat ein neues Asylgesetz vorgestellt, und er hat ganz klar festgestellt – in Frank­reich –, „das gegenwärtige System sei ,untragbar‘. ,Die Verfahren sind ausschweifend, die Fristen zu lang, die Empfangszentren überfüllt, ...‘“

„Der Außenminister erinnerte daran, dass Frankreich 90 Prozent der Asylgesuche nicht stattgeben könne.“ Zitat des französischen Außenministers:

„,Tatsache ist, dass viele Ausländer unser Asylsystem nicht deshalb benützen, weil sie den Schutz unseres Landes erhalten wollen, sondern weil sie versuchen, so lange wie möglich in diesem Land zu bleiben, zumal ihre Motivation ökonomischer Natur ist‘.“

Das ist die Situation in Frankreich – und das ist leider, und noch stärker, derzeit auch die Situation in Österreich, und deshalb müssen wir reagieren, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben uns bei der Arbeit an diesem neuen österreichischen Asylsystem vorgenom­men, dass jeder Mensch, der nach dem derzeitigen Gesetz und nach dem derzeitigen Asylsystem Asyl bekommt, dieses auch in Zukunft bekommen soll und wird – und wir wollen das –, allerdings wesentlich schneller, als es bisher bei diesen Verfahren der Fall gewesen ist. – Das ist der Unterschied zum jetzigen Asylsystem! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Darf ich auch Folgendes in aller Deutlichkeit ansprechen: Nach dem derzeit gültigen Asylsystem hätten große österreichische oder internationale Persönlichkeiten – sei es Anna Freud, sei es Sigmund Freud, sei es Madeleine Albright, sei es Bruno Kreisky – länger warten müssen, bis sie Asyl in ihrem Land bekommen hätten, als das nach dem neuen Asylsystem der Fall sein wird. Das ist der Unterschied, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben daher dieses neue System genau und detailliert vorbereitet. Wir haben im letzten August unsere Vorstellungen präsentiert, und wir haben diese im Frühjahr mit vielen Interessierten besprochen. Wir haben Argumente ausgetauscht, abgewogen und vieles in die Vorarbeiten einfließen lassen.

Wir haben eine Regierungsvorlage erarbeitet, die wir in einem Hearing des Parlaments noch einmal ausführlich zur Diskussion gestellt haben. Wir waren bereit, in jedem Schritt dieses Verfahrens Vorschläge zu berücksichtigen, die den zentralen Zielen dieses neuen Systems entsprechen, nämlich erstens: beschleunigen, zweitens: im europäischen Kontext vorgehen, und drittens: Rechtsklarheit für alle. Genau diese Punkte haben wir aufgenommen und vervollständigt, und ich freue mich, dass wir das heute hier im Parlament diskutieren können. (Besucher auf der Galerie halten ein Transparent in Richtung Plenum, auf dem die Aufschrift „Abschiebezentrum Parla­ment“ zu lesen ist.)

So ist zum Beispiel die Liste sicherer Drittstaaten ein ganz wichtiger Punkt. Liebe Frau Abgeordnete Stoisits, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass die Slowakei nicht auf der Liste sicherer Drittstaaten steht, die hier im Parlament zur Diskussion und zur Beschlussfassung steht. Es stehen zwei Länder auf der Liste sicherer Drittstaaten, und das sind Liechtenstein und die Schweiz. – Das ist unsere Liste der sicheren Dritt­staaten, und ich glaube, dass jeder Staatsbürger und auch jeder Rechtsprofessor unterschreiben kann, dass es sich bei diesen Staaten um sichere Drittstaaten im Namen des Gesetzes handelt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir wollen die Aufnahme von Asylwerbern in Erstaufnahmestellen und eine dort erfol­gende Betreuung, wir wollen eine Ersteinvernahme in 48 bis 72 Stunden sicherstellen, und wir wollen die Beschleunigung des Verfahrens durch neue Zulassungsverfahren. Erstmals gibt es in einem österreichischen Asylsystem einen besonderen Schutz für traumatisierte Opfer und Folteropfer, und erstmals gibt es in einem österreichischen


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Asylsystem Verbesserungen für Familienangehörige. – Das sind die Fortschritte, die wir für Asylsuchende, die es brauchen, auch im Gesetz verankert haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gibt zwei zentrale Diskussionspunkte, und diese möchte ich auch sehr offen anspre­chen: Zum einen geht es um die Frage, ob jemand bei einer Berufung nachträglich neue zusätzliche Asylgründe nennen können soll, die er oder sie im ersten Verfahren nicht genannt hat.

Wir haben hier eine klar Antwort: Das soll grundsätzlich nicht möglich sein. Wir glau­ben, wer in Österreich oder in einem anderen Land der Europäischen Union Asyl bean­tragt, der kennt normalerweise die Gründe, warum er sein Heimatland verlassen muss.

Aber natürlich gibt es Gründe, die hier Ausnahmen bedingen und Ausnahmen erforder­lich machen: Ich denke da an die Opfer von Folter und Vergewaltigungen. Ich denke auch, dass es Zulässigkeiten selbstverständlich dann geben muss, wenn es im ersten Verfahren zu Fehlern kommt. Über die Zulässigkeit bei Neuerungen entscheidet nicht irgendeine Behörde, nicht ein weisungsgebundener Beamter, sondern ausschließlich der Richter des Unabhängigen Bundesasylsenats. Das ist der entscheidende Unter­schied, der auch gewährleisten soll, dass nur dann keine Zulassung erfolgt, wenn das auch wirklich im Sinne des Gesetzes und der Konvention statthaft ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin einigen Abgeordneten sehr, sehr dankbar für ihre Mitarbeit und möchte in die­sem Zusammenhang insbesondere Herrn Abgeordneten Huainigg nennen, der uns in der Präzisierung der Frage, wie wir bezüglich Neuerungsgebot und -verbot in Zukunft vorgehen sollten, sehr viel weitergeholfen hat.

Wir dürfen zum Ersten feststellen, dass das kein neues Instrument ist, denn im Asylge­setz 1991 hat es dieses Neuerungsverbot bereits gegeben, und – ich darf das auch sehr offen sagen – der Verfassungsgerichtshof hat darüber schon ein Urteil gespro­chen, und zwar hat er das grundsätzlich zugelassen. Auch das holländische Modell und die Ermöglichung der Wiederaufnahme für besondere Situationen sind Punkte, die wir gesehen haben.

Auch das Thema Bundesbetreuung ist heftig diskutiert worden, und ich möchte in ge­botener Kürze sagen, dass wir darauf eingegangen sind, dass wir – und ich bedanke mich herzlich dafür – ein sehr, sehr konstruktives Gespräch mit den Präsidenten der Non-profit-Organisationen, mit der Caritas, mit der Diakonie, mit dem Roten Kreuz und mit der „Volkshilfe“ geführt haben und dass wir gemeinsam übereingekommen sind, dass das Bundesministerium für Inneres alle Kosten für Asylwerber und Flüchtlinge, die nach diesem Gesetz als solche gesehen werden sollen, übernehmen wird und dass wir anstreben, dass alle Menschen, die nicht asylfremde Gründe angeben, so rasch wie möglich eine Betreuung erhalten sollen. „So rasch wie möglich“ heißt für mich: möglichst vor diesem Winter, damit niemand, der Schutz und Hilfe sucht und Schutz und Hilfe braucht, im Winter draußen sein muss. Das ist unsere Absicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Möglich wird das werden, wenn wir – und das ist unser tiefes Bestreben – gemeinsam mit den Ländern zu einer Vereinbarung kommen, die wir vorziehen wollen, damit wir möglichst vor dem Winter dafür sorgen können, dass all jene, die Schutz brauchen, diesen Schutz in Österreich auch bekommen können.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei den Non-profit-Organisationen für ihre Arbeit bedanken. Sie leisten einen wichtigen, unverzichtbaren Beitrag dazu, dass Men­schen, die in Not gekommen sind, seien sie aus dem Ausland oder aus dem Inland, bei uns in Österreich gut aufgenommen werden. Ich möchte mich als Innenminister und für


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die Republik Österreich für diese Arbeit herzlich bedanken! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte um den Schlusssatz! Ich mache darauf aufmerksam, dass wir den Ablauf bis 13 Uhr geregelt haben. Nach 13 Uhr besteht selbstverständlich die Möglichkeit für weitere – dritte – Wortmeldungen. Bitte setzen Sie mit dem Schlusssatz fort!

 


Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser (fortsetzend): Ich kann mich jetzt nicht mehr bei jenen Beamten bedanken, die gestern in Gmünd einen tschechischen Schlepperring aufgedeckt haben. Wir haben gestern insgesamt 28 Personen festge­nommen.

Ich möchte aber Folgendes klar sagen – und das ist mein Schlusssatz –: Österreich ist und bleibt ein offenes Haus für Menschen, die Asyl suchen, aber kein Scheunentor für schäbige Geschäfte der Schleppermafia, und wir dürfen auch nicht zu einer europäi­schen Hintertür für jene Menschen werden, die „Asyl“ sagen, aber in Wirklichkeit etwas anderes wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.53

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Es waren etwas mehr als 11 Minuten. Herr Bundes­minister, Sie haben daher vor 13 Uhr noch 6 Minuten Redezeit, und nach 13 Uhr ist die weitere Redezeit offen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


11.53

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich sind auch wir dagegen, dass Schlepperbanden (Rufe bei der ÖVP: Dann stimmt zu! – Abg. Dr. Stummvoll: Stimmt zu!) Menschen nach Österreich brin­gen. Gegen diese Schlepper muss man auch vorgehen! (Abg. Großruck: Dann müsst ihr zustimmen! – Abg. Scheibner: Es gibt aber kaum einen Flüchtling, hinter dem nicht ein Schlepper steht!) Aber, meine Damen und Herren, mit dem in Diskussion stehen­den Asyl- und Bundesbetreuungsgesetz legt der Bundesminister den restriktivsten Ent­wurf in Europa vor, was ja auch der UNHCR bestätigt hat. (Ruf: Stimmt ja nicht! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht einmal das stimmt!)

Damit haben Sie, Herr Bundesminister, einen Paradigmenwechsel im Umgang mit den Menschen, die Asyl suchen, eingeleitet. Es ist, Hohes Haus, eine Schande, wie Sie hier vorgehen, es ist eine Schande für das einstmals beispielgebende Zufluchtsland Österreich! (Abg. Großruck: Meinen Sie auch den Schlögl damals? Meinen Sie auch Ihren Genossen Schlögl?)

1956, 1968 und auch danach, als Österreich ein armes Land war, haben wir in Tausen­den Fällen den Menschen, die aus religiösen und aus politischen Gründen flüchten mussten, geholfen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja eh heute auch noch! – Aber Sie führen sich ja selbst ad absurdum! – Abg. Murauer: Was waren denn das für Leute? Parnigoni, sag uns: Was waren denn das für Menschen, die damals zu uns gekommen sind?) Heute, wo wir ein reiches Land sind, wollen Sie, Herr Bundesminister, diese Menschen in Länder abschieben, die noch ärmer sind, als wir es damals waren – und das ist wirklich skandalös, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist nicht nur verfassungswidrig, das ist auch beschämend! (Abg. Murauer: Parni­goni, erzähl uns das, aus welchen Gründen die zu uns gekommen sind!) Herr Bundes­minister, ich frage Sie: Wo ist Ihre christliche Gesinnung geblieben? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Lassen Sie die „christliche Gesinnung“ weg!) Wieso, Herr Bundesminister, haben Sie Ihre christlichen Werte über Bord geworfen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sonst wollen Sie von der christlichen Gesinnung nie was hören!)


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Hohes Haus! Die Entstehung des Asylgesetzes ist nicht so, wie sie der Herr Bundes­minister dargestellt hat, sondern sie war von eklatanten Säumigkeiten und Nachlässig­keiten begleitet, denn schließlich war es doch so, dass Sie zuerst versucht haben, diesen Entwurf vor dem Sommer durch das Parlament zu peitschen (Abg. Dr. Partik-Pablé: „Peitschen“? – Mit Experten geredet!), ohne dass der Innenausschuss die Gele­genheit gehabt hätte, mit NGOs oder mit Verfassungsexperten und den Betroffenen darüber zu reden.

Sie haben, Herr Bundesminister, die Novelle zu spät ins Parlament gebracht (ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP), und wir mussten Sie erst dazu zwingen (Abg. Wattaul: Der Märchenonkel!), dass die Parlamentarier die Gelegenheit bekamen, mit Verfassungsexperten und mit den betroffenen NGOs über dieses Gesetz zu reden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind ja überhaupt nicht mehr in der Lage, den Vorsitz im Ausschuss zu führen! Sie werden ja immer lächerlicher!) Dabei hat sich herausgestellt, dass es in diesem Asylgesetzentwurf zu eklatanten Mängeln gekommen ist. Statt dass Sie, Herr Minister, die massive Kritik des UNHCR, der NGOs und der Verfassungsex­perten aufgenommen hätten, sich diese zu Herzen genommen hätten, versuchten Sie im Innenausschuss am 14. Oktober, ohne ein Begutachtungsverfahren, ohne dass Sie wiederum die Experten gehört hätten, eine Änderung des Bundesbetreuungsgesetzes hineinzuschmuggeln, und zwar eine Änderung, die schlussendlich die Entscheidungen des OGH ausgehebelt hätte und die zu einer kalten, rückwirkenden Enteignung der NGOs und der Länder geführt hat. Das ist in Wirklichkeit eine ungeheuerliche Vor­gangsweise dieses Ministers! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni, ironisch lachend: Künstliche Aufregung! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Legen Sie den Ausschussvor­sitz zurück! Sie sind ja nicht in der Lage, diese Funktion auszuüben!)

Es ist empörend, wie Sie mit den besorgten NGOs, etwa der „Volkshilfe“, der Caritas und der Diakonie, und mit anderen engagierten Menschen, die Ihre Säumigkeiten, Herr Bundesminister, durch unermüdlichen Einsatz für die Ärmsten der Armen abgefedert haben, umgehen.

Herr Bundesminister! Ich möchte mich – und ich meine das ganz ehrlich (ironische Heiterkeit des Abg. Wattaul) – an dieser Stelle bei den engagierten Menschen der Zivilgesellschaft herzlich für ihre Tätigkeit bedanken, aber auch bei den Ländern und Gemeinden, die Ihre Versäumnisse abgefedert haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mandak.)

Frau Partik-Pablé! Auch die Sozialdemokraten sind dafür, dass Asylverfahren in erster oder in zweiter Instanz beschleunigt werden – es ist ja schon davon gesprochen worden –, aber eines steht fest: So wie mit dieser Regierungsvorlage – das kann ich Ihnen versichern – wird das nicht funktionieren!

Diese Regierungsvorlage ist nicht nur menschenrechtswidrig (Abg. Großruck: „...ver­achtend“ – das wissen wir alles!), verstößt gegen die Genfer Konvention und ist verfas­sungswidrig, sondern sie wird auch zu einem massiv erhöhten Verwaltungsaufwand führen, und es wird nicht zu einer Verkürzung des Verfahrens, sondern zu einer Ver­längerung der Verfahren kommen, und das steht im Gegensatz zu dem, was wir eigentlich anstreben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die einzige zielführende Maßnahme wäre, dass man die Zahl der Mitarbeiter beim Bundesasylamt und beim Bundesasylsenat, aber auch bei der Fremdenpolizei entsprechend erhöht (Abg. Großruck: Ach so!), denn so wie im Bereich der Sicherheit gilt auch da eines: Man kann nicht mit weniger Personal, mit weniger Mitarbeitern mehr Sicherheit erzeugen, und man kann nicht mit weniger Personal, mit weniger Mitarbeitern Verfahren beschleunigen! Das ist eindeutig!


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Die Deutschen haben es begriffen: Sie haben 1992, als sie diesen Druck hatten, ihre Mitarbeiterzahl von 1 100 vervierfacht. Die Engländer haben es begriffen: Sie haben die Zahl der Mitarbeiter in diesem Bereich von 5 000 auf 13 000 erhöht. Da war Flexi­bilität gegeben! Diese lassen Sie aber, Herr Minister, massiv vermissen!

Dieser Entwurf ist in mehreren Punkten eklatant verfassungswidrig, und diese Akzep­tanz der Verfassungswidrigkeit ist eine unerträgliche Arbeitsauffassung dieser Bundes­regierung und ein trauriges Markenzeichen dieser Bundesregierung!

Hohes Haus! Der Bundesminister schlittert sehenden Auges in ein neues Rechtsfiasko, und wir wollen Sie davon bewahren, Herr Bundesminister. (Abg. Großruck: „Davor“ heißt es, nicht „davon“!) Wir wollen Sie davor bewahren – danke herzlich! –, und wir werden daher einen Antrag gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG stellen, nämlich dass diese in Diskussion stehende Novelle des Bundesbetreuungsgesetzes und des Asylgesetzes an den Ausschuss rückverwiesen wird. Wir werden vor allem den Kollegen von der ÖVP die Gelegenheit geben, ihre christliche Gesinnung zu beweisen, und werden daher eine namentliche Abstimmung verlangen.

Die SPÖ fühlt sich in dieser Vorgangsweise durch ein Schreiben des Caritas-Präsiden­ten Küberl voll bestärkt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Glauben Sie, dass Sie uns schrecken können damit, dass Sie eine namentliche Abstimmung machen? Wir bekennen uns dazu!) Ich lese Ihnen nur einige Sätze daraus vor:

Dieser Entwurf zum Bundesbetreuungsgesetz ist ein Affront gegen Länder und Hilfs­organisationen, die jahrelang versucht haben, den Bund bei der Erfüllung seiner Pflich­ten zu unterstützen. Zudem wird durch eine derart rüde Vorgangsweise der Abschluss eines Artikel-15a-Vertrages zur Grundversorgung, über den jahrelang verhandelt wurde und der in den wesentlichen Eckpunkten ausverhandelt ist, in Frage gestellt. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme schon zum Schluss­satz, Herr Präsident.

Es heißt darin weiters:

Die Caritas glaubt, dass ein Zurückstellen der Beschlussfassung eines Bundesbetreu­ungsgesetzes bis zum Abschluss der Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Hilfsorganisationen über eine 15a-Vereinbarung zur Grundversorgung eine gute Lösung für Österreich ermöglichen würde, die auch im Einklang mit der EU-Richtlinie steht. – Zitatende.

Handeln Sie danach! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.01

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. Die Rede­zeit ist die gleiche. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.01

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zurück zur Sachpolitik, weg von Polemik und Tatsachenverdrehung. Ich möchte klarstellen: Österreich ist ein Asylland mit einem ordentlichen und einem rechtsstaatlichen Asylverfahren – und das wird es auch mit dem neuen Asylgesetz bleiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich ist kein Zuwanderungsland und wird es auch künftig nicht sein. Aber alle Asylwerber, die mit einem tatsächlichen Asylgrund nach Österreich kommen – egal, ob das aus rassischen, politischen, religiösen Gründen ist oder wegen ihrer ethnischen Herkunft –, sollen rasche und umfassende Hilfe bekommen. Das wird mit dem neuen Asylgesetz auch gewährleistet.


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Was ist Faktum? – Faktum ist, dass wir ein Asylgesetz haben, das auf rund 14 000 Asylanträge im Jahr ausgerichtet ist. Es ist heute schon angeführt worden, es gibt eine rasante Entwicklung bei den Asylanträgen (Abg. Krainer: Personal aufsto­cken!): vom Jahre 1998 bis zum Jahre 2002 von 13 800 auf rund 39 000 Asylanträge. (Abg. Krainer: Wieso haben Sie das Personal nicht aufgestockt?) Faktum ist, dass von diesen 39 000 Asylanträgen rund 80 Prozent der Asylwerber nicht aus tatsächlichen Asylgründen nach Österreich kommen, sondern aus wirtschaftlichen Überlegungen. Faktum ist aber auch, dass auf Grund des bestehenden Gesetzes dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet ist. Es ermöglicht Kettenanträge mit Berufungen in Folge und somit eine Verschleppung des Verfahrens über Jahre.

Faktum ist weiters, dass auf Grund verschiedener Rechtsunsicherheiten die Asylver­fahren zu lange dauern. (Abg. Krainer: Zu wenig Personal!) Das bedeutet, dass sich Menschen, die berechtigt um Asyl ansuchen und rasche Hilfe bräuchten, langen Verfahren gegenübersehen und oft erst nach Monaten eine Entscheidung in Händen haben.

Faktum ist außerdem – das ist ebenfalls schon erwähnt worden –, dass Österreich auf 1 000 Einwohner 4,6 Asylwerber hat, Deutschland 0,9, England 0,8, Italien 0,1 und Schweden 3,7. Die höchste Zahl an Asylanträgen gibt es also in Österreich und darum gilt es zu handeln.

Ich glaube, dass es auf Grund dieser Fakten erforderlich und notwendig ist, dass wir ein neues Asylgesetz beschließen, das Verfahrensbeschleunigung und Verfahrensklar­heit schafft, den Asylmissbrauch eindämmt und eine schnelle Unterscheidung zwi­schen Asyl und Migration bringt, damit den wirklich Schutzbedürftigen und Schutz­suchenden rasch und umfassend Hilfe und Schutz gewährt werden kann.

Da es immer wieder Andeutungen gibt, das wäre verfassungswidrig, weil es keine Berufungsmöglichkeit gibt, stelle ich fest: Das stimmt nicht. Es wird auch künftig eine Berufungsmöglichkeit geben, und zwar dann, wenn sich der Sachverhalt gegenüber der ersten Instanz wesentlich geändert hat, wenn das Verfahren in erster Instanz man­gelhaft war (Abg. Krainer: Das ist das Neuerungsverbot! Sie haben sich selbst geirrt!), wenn dem Asylwerber Beweismittel im Verfahren erster Instanz noch nicht zugänglich waren sowie wegen Traumatisierung und Folterung. (Abg. Krainer: Sie haben sich in der Zeile geirrt!) Die Anwendung und Auslegung dieser Bestimmung wird den unab­hängigen Mitgliedern des Bundesasylamtes obliegen.

Jetzt zur Bundesbetreuung. Unter Innenminister Dr. Ernst Strasser wurde die Zahl der Bundesbetreuungsplätze vom Jahr 1999 von unter 3 000, nämlich von 2 800 auf rund 8 800 erhöht, das heißt, mehr als verdreifacht. Wenn hier jemand sagt, dass es von Seiten der Bundesregierung und des Bundesministeriums für Inneres eine Politik der Kälte gibt, dann glaube ich, dass hier die Tatsachen ganz massiv verdreht werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich gibt es Ausschließungsgründe. Ich denke, es würde niemand verstehen – und die Bevölkerung draußen schon gar nicht –, wenn jemand, der in Bundesbetreu­ung ist, eine gerichtlich strafbare Handlung begeht, Einbrüche tätigt, einen Raub be­geht oder Einschleichdiebstähle macht, auch weiterhin vom Staat betreut und obsorgt wird. Es wird doch niemand hier in diesem Haus glauben, dass es da nicht notwendig ist, dass es auch Ausschließungsgründe geben muss.

Eines möchte ich auch klar zum Ausdruck bringen: Im Parlament wurde im Jahre 1991 beschlossen, dass es keinen Rechtsanspruch auf Bundesbetreuung gibt. Im Jah­re 1997 wurde das bestätigt. Und jetzt wird das auf einmal auch von Seiten der SPÖ, die das im Jahre 1991 mitbestimmt hat, gefordert. Das ist keine ehrliche und offene Politik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich möchte noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kößl, Dr. Partik-Pablé und Kollegen zur Regierungsvorlage (120 d.B.) eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasyl­senat und das Meldegesetz geändert werden, in der Fassung des Ausschussberichtes (253 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (120 d.B.) eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylge­setz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldegesetz geändert werden, in der Fassung des Ausschussberichtes (253 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. In Artikel I Z 37 lautet der erste Satz des § 44 Abs. 5:

„Am 1. Mai 2004 beim unabhängigen Bundesasylsenat aufgrund einer Berufung an­hängige Verfahren gemäß § 4, BGBl. I Nr. 126/2002, und die der Sache nach damit verbundenen Asylerstreckungsverfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundes­gesetzes zu Ende zu führen.“

2. In Artikel I Z 37 lautet der erste Satz des § 44 Abs. 7:

„Am 1. Mai beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren betreffend Bescheide gemäß § 4, BGBl. I Nr. 126/2002, und diesen zugehö­rige, bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anhängige Verfahren betreffend Asylerstreckungsbescheide, die nicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG oder § 19 Abs. 3 Z 2 lit. a, b, d oder e VfGG durch Zurückweisung zu entscheiden sind, treten mit Inkraft­treten dieses Bundesgesetzes in das Stadium nach Zulassung des Verfahrens zurück.“

3. In Artikel II Z 7 lautet § 13a wie folgt:

„§13a. Mit Ausnahme von Verfahren, die am 14. Oktober 2003 gegen die Republik Ös­terreich gerichtsanhängig sind, bestimmt sich der zeitliche Anwendungsbereich der Än­derungen von § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 2 Abs. 1 und Abs. 2 und § 2a des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 nach den Regelungen des § 8 ABGB.“

*****

Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.09

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich stelle fest, dass dieser Antrag ordnungsgemäß unterfertigt ist und daher mit zur Verhandlung steht.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


12.09

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Hohes Haus! Ich habe das Bedürfnis, bevor ich zu meinen Ausführungen komme, zwei Bemerkungen zu machen, weil heute in diesem Hohen Haus Äußerungen getätigt wurden, die ich so nicht stehen lassen möchte. Ich möchte erstens aufs Schärfste und entschieden eine pauschale Diffamierung und Vor­verurteilung von Asylsuchenden als potentiell „kriminell“ zurückweisen. (Beifall bei den


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Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Wer hat das gesagt?) – Ihre Abgeordnete. (Abg. Scheibner: Wir weisen solche Unterstellungen zurück!)

Ich möchte zweitens eine persönliche Entschuldigung gegenüber amnesty internatio­nal anbringen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Wattaul.) Ich glaube nicht, dass sich diese Organisation, die renommiert ist und international anerkannt arbeitet, für eine sachlich begründete und mit großem Bedauern vorgebrachte Kritik den Vorwurf der Beschmutzung Österreichs gefallen lassen muss. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Entschuldigen Sie sich bei amnesty, ich nicht! Entschul­digen Sie sich dafür, dass er Österreich beschmutzt! Das hat er gesagt, der Herr Patzelt!)

Ich würde – im Gegenteil! – amnesty sowie den anderen Organisationen ganz herzlich für die geleistete Arbeit in Österreich danken, nämlich der Caritas, der Diakonie, dem Roten Kreuz und den vielen anderen, die die Versäumnisse der österreichischen Asyl­politik durch Menschlichkeit wettzumachen versuchen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Ich glaube, das, was in den Äußerungen meiner Vorredner und Vorrednerinnen relativ deutlich sichtbar wurde, ist, dass es einen grundlegenden Unterschied gibt, wie man Asylrecht und Asylpolitik betrachten kann. Man kann wie Herr Abgeordneter Spindel­egger oder Herr Minister Strasser von 0,9 oder 4,6 Personen sprechen. Meine sehr geehrten Herren! Es gibt nicht 0,9 Menschen. Es gibt einen Menschen, der vor einer Behörde steht und Schutz vor Verfolgung sucht. Mit diesen Menschen haben wir uns in einem fairen, durchaus strengen, aber fairen und seriösen Verfahren im Einzelfall aus­einander zu setzen und nicht zu sagen: 4,6 ist uns zu viel. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube auch, dass es ein völlig verkehrtes Ziel ist – der Herr Minister betreibt es auch offen – zu sagen, das Asylrecht hat das Ziel, die Zahl der Asylsuchenden in Österreich von vornherein zu reduzieren und mit Zahlen zu argumentieren, wie viele Asylwerber gekommen sind. Ausschlaggebend war auch bei der Ungarnkrise nicht, wie viele Menschen es statistisch gesehen im Vergleich zum Vorjahr waren, sondern aus­schlaggebend war, dass Menschen Schutz brauchen und die Frage: Können wir ihnen diesen in einem rechtsstaatlich abgesicherten Verfahren gewähren?, statt bereits im Vorfeld darüber zu entscheiden – wie Sie das in der Bundesbetreuungsrichtlinie ver­suchen –, ihnen asylfremde Motive zu unterstellen, bevor es ein ordentliches Verfahren gegeben hat. Das ist eindeutig und aufs Schärfste zurückzuweisen!

Genauso widersprechen zwei Elemente, die Sie in dieser Asylgesetz-Novelle beschlie­ßen wollen – eine angeblich christlich-soziale Partei will das ebenfalls –, jedenfalls in­ternationalen Standards, nämlich der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschen­rechtserklärung. Das eine ist das Neuerungsverbot und das andere ist ein Abschieben bei laufendem Verfahren. Das klingt jetzt ein wenig technisch, aber das ist genau diese durchaus kühle bis eiskalte Technokratensprache, wie sie vom Minister gepflogen wird und die sein Zugang ist. (Abg. Murauer: Wie schreiben Sie ein Gesetz? Erklären Sie uns das!)

Halten Sie sich vor Augen, was ein Neuerungsverbot konkret bedeutet! Sie haben einen Menschen, der nach schwierigsten Umständen – vielleicht sogar von einem Schlepper geschleppt, weil das die einzige Chance war, politischer Verfolgung zu ent­gehen – in einer Ersteinvernahme sitzt, womöglich zehn, 14 Tage sehr schlimme Er­fahrungen hinter sich hat, vollkommen geschockt und der Sprache nicht mächtig ist, die Rechtssituation nicht kennt, und für den heißt es: Hopp oder tropp, wenn du jetzt nicht das Richtige sagst, kannst du hundert Mal triftige Asylgründe haben – es ist zu spät! (Abg. Dr. Spindelegger: Stimmt nicht! Falsch!)


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Lassen Sie mich fertig reden, bevor die Emotionen gar zu hoch gehen! Offensichtlich haben Sie diesbezüglich ein ziemlich schlechtes Gewissen, würde ich einmal anmer­ken. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Nein!)

Zur gegenwärtigen Situation eine einzige Zahl: Schon heute gibt es eine Vielzahl an Berufungen. Von diesen Berufungen ist ein Fünftel legitim, das heißt, von fünf Men­schen, die in einem Asylverfahren eine Beschwerde, eine Berufung einlegen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen, bekommt einer Recht. Und genau das werden Sie in Zukunft verhindern, und das ist auch das implizite Ziel dieser Novelle: möglichst rasch weg! „Speed kills“ könnte bitterer Ernst für Einzelschicksale werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Das ist nicht wahr!)

Lassen Sie mich ganz kurz auf Ihre „tollen“ Neuerungen eingehen! Traumatische Gründe (Abg. Murauer: Sind ausgeschlossen! Das dürfen Sie schon noch sagen!), bei diesen gibt es kein Neuerungsverbot, allerdings nur dann, wenn der Betroffene am besten gleich mit einem medizinischen Attest kommt.

Ich möchte daher für eine Gruppe von Menschen eine gesonderte Behandlung vor­schlagen, nämlich die Frauen, die derzeit der „blinde Fleck“ dieser Asylgesetz-Novelle sind. Ich darf dazu einen Entschließungsantrag einbringen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: ...! Sie sagen, die Frauen sind genauso betroffen davon – im positiven Sinn!) Wir wollen erreichen, dass Frauen auf Grund geschlechtsspezifischer Verfolgung Asyl bekommen können. Das ist in der heutigen Praxis in den seltensten Fällen der Fall und durch das Gesetz überhaupt nicht geregelt.

Wir schlagen daher vor, dass eigens ein Kriterienkatalog erarbeitet wird, was in Öster­reich als geschlechtsspezifische Verfolgung zu gelten hat. Ich gehe davon aus, dass erstens jedenfalls Genitalverstümmelung, Zwangsehe, Witwenverbrennung oder Ver­gewaltigung dazu gehören müssen und dass zweitens das Verfahren dahin gehend überprüft wird, wie geschlechtsspezifisch agiert wird, ob es Frauen ermöglicht, eine rechtzeitige Geltendmachung von sexueller Verfolgung anerkannt zu bekommen. Die Frage ist, ob im Vollzug des Asylgesetzes, des Bundesbetreuungsgesetzes tatsächlich Frauen und Männer gleiche Chancen und gleiche Möglichkeiten haben. (Abg. Dr. Par­tik-Pablé: Sorgen Sie in diesen Ländern dafür, dass es keine Genitalverstümmelung und Witwenverbrennung gibt! Das ist wichtig!)

Ich würde Sie im Interesse der Frauen, die ja ebenfalls legitime Fluchtgründe auf Grund ihrer spezifischen Situation haben können, ersuchen, diesem Antrag zuzustim­men. In Summe würde ich Sie ersuchen – wenn auch vergeblich, das ist mir vorab schon klar –, der Novelle nicht zuzustimmen, weil sie von vornherein einen geplanten und offenen Verfassungs- und Menschenrechtsbruch darstellt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich halte es für zynisch, wenn ein Minister hier sagt: Mir ist es egal, wenn international anerkannte Organisationen, wenn Verfassungsrechtler Kritik üben und sagen, das sei verfassungswidrig, das sei menschenrechtswidrig, das solle der VfGH prüfen, in zwei, drei Jahren reden wir weiter. Wer weiß, ob ich dann noch Minister bin, ist vielleicht der stille Hintergedanke. – Letzteres wäre vielleicht ein Hoffnungsschimmer, aber nicht für die Menschen in diesen zwei, drei Jahren, die kein Asyl bekommen haben, obwohl sie es verdient hätten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Mein Schlusssatz lautet: Ein Präsident dieses Hauses hat einmal vom „Verfassungs­bogen“ gesprochen. – Ich würde in Anlehnung an dieses Wort vielleicht das Wort „Menschlichkeitsbogen“ verwenden, den Sie, Herr Minister, und auch Sie, meine


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Damen und Herren Abgeordneten, wenn Sie dieser Novelle zustimmen, heute auf jeden Fall verlassen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.17

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, auf den sich Frau Abgeord­nete Mag. Weinzinger bezogen hat, ist ein Antrag der Abgeordneten Mag. Weinzinger, Mag. Stoisits und Fraktion betreffend Kriterienkatalog für die Anerkennung ge­schlechtsspezifischer Verfolgungsgründe, der in seinen Grundzügen erläutert wurde, vervielfältigt und zur Abstimmung stehen wird.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Magª. Weinzinger, Magª. Stoisits und KollegInnen betreffend Krite­rienkatalog für die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe im Asyl­recht und Umsetzung von Gender Mainstreaming im Bereich Asylverfahren und Bun­desbetreuung von AsylwerberInnen

eingebracht im Zuge der Debatte über die Regierungsvorlage betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 (AsylG-Novelle 2003), das Bundesbetreuungsge­setz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat und das Meldege­setz geändert werden (120 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (253 d.B.)

Die Asylgesetzgebung in Österreich ignoriert bis heute die unterschiedlichen Lebens­situationen und Notlagen von Männern und Frauen, aus der sich eigenständige ge­schlechtsspezifische Fluchtgründe ergeben und die eine geschlechtssensible Hand­habung im Zuge der Umsetzung der Asylgesetzgebung und damit verwandter Bereiche wie der Bundesbetreuung erforderlich machen.

So gibt es eine Anzahl von Verfolgungsgründen, die rein geschlechtsspezifisch sind und von denen in einer überwältigenden Mehrheit der Fälle Frauen betroffen sind. Die Tatbestände geschlechtsspezifischer Verfolgung in ihren unterschiedlichen Ausprägun­gen und die nötigen Anforderungen, die sich daraus für den Umgang mit von diesen geschlechtsspezifischen Verfolgungen betroffenen Menschen ergibt, sind weder hinrei­chend bekannt noch finden sie die erforderliche Berücksichtigung. Dieses Unverständ­nis der österreichischen Asylbehörden, insbesondere jener der ersten Instanz, kann zu einer (weiteren) Diskriminierung aufgrund des Geschlechts von Asylsuchenden führen, da legitime Asylgründe nicht erkannt, nicht anerkannt und berücksichtigt werden.

Neben der spezifischen Situationen von Menschen, die geschlechtsspezifische Flucht­gründe haben, erfordert auch die Frage des geschlechtssensiblen Umgangs mit Asyl­suchenden insgesamt mehr Beachtung. Das Gender Mainstreaming, zu dem sich die Bundesregierung nicht zuletzt im Rahmen ihrer EU-Verpflichtungen bekennt, ist gerade für Menschen in prekären Lebenslagen besonders relevant.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, unter Beiziehung von ExpertInnen und NGOs einen Kriterienkatalog betreffend die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund auszuarbeiten und als Richtlinie für die Asylbehörden und


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ihren Umgang mit AsylwerberInnen, die sexuelle/geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgründe anführen, auszuarbeiten und im Verordnungswege zu erlassen.

Dieser Kriterienkatalog soll den Asylbehörden eine Orientierung geben, welche Formen von geschlechtsspezifischer Verfolgung in Österreich als Asylgründe anerkannt wer­den. Dabei sind insbesondere drohende (weitere) Genitalverstümmelung, Zwangs­heirat, Vergewaltigung oder drohende Witwenverbrennung als Asylgründe aufzuneh­men. Des weiteren soll darin explizit eine Handhabe gegeben werden, wie ge­schlechtsspezifische Verfolgungsgründe erkannt und den davon betroffenen Personen ihre rechtzeitige Geltendmachung erleichtert werden kann – etwa durch geeignete Rahmenbedingungen in der Ersteinvernahme. Oberstes Ziel muss ein rücksichtsvoller und humaner Umgang der Behörden mit diesen Personen, die häufig schwer trauma­tisiert sind, sein.

Weiters wird der Bundesminister für Inneres aufgefordert, eine Gender Mainstreaming-Analyse des gesamten Vollzugs des Asylgesetzes sowie verwandter Bereiche wie der Bundesbetreuung vorzunehmen. Dabei ist beispielsweise zu untersuchen, ob und ggfs. wie sich die Situation und Behandlung männlicher und weiblicher AsylwerberInnen unterscheidet, wie die Geschlechterquote bei der Antragstellung und bei den Entschei­dungen über Asylanträge sowie bei der Aufnahme in Bundesbetreuung aussieht, wie sich die Situation von Männern und Frauen in der Bundesbetreuung darstellt, sowie weitere geschlechtsspezifisch relevante Fragen in diesem Bereich.

Die unterfertigten Abgeordneten schlagen für die Erstellung des Kriterienkataloges so­wie die Durchführung des Gender Mainstreaming im Asylbereich die Einrichtung einer Arbeitsgruppe bestehend aus ExpertInnen, NGOs, ParteienvertreterInnen und Behör­denvertreterInnen vor, diese Arbeitsgruppe ist zu mindestens 50% mit Frauen zu besetzen.

Der Kriterienkatalog sowie ein Bericht über die Ergebnisse des Gender Mainstreaming sind bis Mitte 2004 zu erstellen und dem Parlament zur Information zuzuleiten.

*****

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. 7 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


12.17

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Österreich hat eine lange, aber vor allem auch vorbildliche Tradition in der Flüchtlingshilfe. Wir erinnern uns alle noch an den Ungarnaufstand, wir erinnern uns an die Tschechenkrise, wir erinnern uns an die Situa­tion, als der Eiserne Vorhang direkt an Österreichs Grenzen war, daran, dass Öster­reich immer vorbildlich gehandelt hat, wenn Flüchtlinge gemäß der Genfer Konven­tion – das sind Personen, die entweder rassisch, religiös oder politisch verfolgt sind – zu uns nach Österreich gekommen sind und mit offenen Armen aufgenommen wurden.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Situation hat sich dramatisch verändert. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen! Im Jahr 2002 wurden 37 000 Asylanträge in Österreich gestellt. Das ist nicht mehr vergleichbar mit der Zeit, als tatsächlich „Konventionsflüchtlinge“ nach Österreich gekommen sind. Das hat jetzt eine andere Qualität. Man muss die Dinge eben auch offen ansprechen.

Wenn insgesamt nur, wie der Herr Bundesminister sagt, in 1 000 Fällen tatsächlich Asylstatus gewährt wurde, dann muss man dazu sagen, dass 25 Prozent dieser Antragsteller einfach nur Scheinasylanten sind, Menschen sind, die nach Österreich


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kommen und nicht „Konventionsflüchtlinge“ sind, sondern andere Gründe haben. Es mögen soziale Gründe sein, es sind vor allem aber wirtschaftliche Gründe. Vor dem dürfen wir uns hier nicht verschließen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Wort zu den so genannten Flüchtlings­hilfsorganisationen. Manche von ihnen haben eine sehr fragwürdige Rolle – ich spreche das bewusst an. Man sollte hier im Hohen Haus diese Dinge offen ansprechen können und dürfen, man muss sie auch offen ansprechen. Verschließen Sie denn alle die Augen, oder wissen Sie nicht, was Sie tun, meine Damen und Herren? – So manche dieser Organisationen sollte man eher als „Einwanderungsverein“ bezeichnen. (Abg. Öllinger: Welche?)

Ich frage Sie, ich frage die Caritas, ich frage amnesty international: Lesen Sie diesen Scheinasylanten auch Artikel 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor, der nämlich heißt – ich zitiere –: „Jeder Flüchtling hat gegenüber dem Land, in dem er sich befin­det, Pflichten, zu denen insbesondere die Verpflichtung gehört, die Gesetze und sons­tigen Rechtsvorschriften sowie die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen zu beachten.“ – Ich hoffe, dass das geschieht, dass Artikel 2 auch vorgelesen wird, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Was wollen Sie damit sagen?)

Die Experten haben uns im Rahmen dieses so genannten Hearings im Parlament mit­geteilt haben, dass die Situation in Österreich dramatisch ist, da gibt es nichts zu be­schönigen, sie ist dramatisch. Pro Stunde kommen drei Illegale nach Österreich! Tat­sache ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Hälfte der so genannten Asylwerber sofort verschwindet, in die Illegalität abtaucht. Tatsache ist, dass viele dieser Personen absichtlich ihre Identität verschleiern, ihre Identität nicht mehr ange­ben. Tatsache ist, dass allein aus dem Lager Traiskirchen – das sagt bitte der Bürger­meister von Traiskirchen – wöchentlich 350 Menschen spurlos verschwinden, in die Illegalität abtauchen. Tatsache ist auch, dass im Lager Traiskirchen täglich 300 bis 400 Essen vernichtet werden, weil nämlich 1 100 Personen gemeldet sind und unter Nichteinhaltung der Hausordnung 300 bis 400 Leute einfach nicht anwesend sind.

Das ist die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und angesichts dessen frage ich Sie schon, insbesondere Sie von der Opposition: Wie ehrlich kann es denn ein so genannter Asylwerber meinen, der zuerst illegal über die Grenze kommt und dann sofort abtaucht? Ist er wirklich schutzbedürftig? Zeigt er, dass er schutzbedürftig ist, wenn er sofort abtaucht? Wie ehrlich ist es, wenn er in Österreich einen Asylantrag stellt und dann sofort in ein anderes Land weiterreist? Wie schutzbedürftig ist er wirklich? – Er kommt doch nicht nach Österreich, um Schutz zu suchen, sondern er reist sofort in ein anderes Land weiter. (Abg. Gaál: Das sind Ausnahmen!)

Wie ehrlich ist es gemeint, wenn jemand immer wieder neue Gründe dafür erfindet, warum er glaubt, Flüchtling zu sein, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Wir meinen, von Asylsuchenden kann Ehrlichkeit verlangt werden.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, den so genannte Gutmenschen hier in diesem Haus natürlich nicht sehr gerne hören, nämlich zum Zusammenhang zwischen Kriminalität und Scheinasylant. Darauf sollte man auch zu sprechen kommen. Die Experten bestätigen das, das ist nicht unsere Meinung, es sind Experten, die Zahlen nennen.

Die Zahlen bestätigen uns Folgendes, meine sehr verehrten Damen und Herren: Von 1 229 – vorwiegend wegen Suchtgift- und Gewaltdelikten – angezeigten Nigerianern sind 790 Asylwerber. Von 1 700 angezeigten Armeniern sind 680 Asylwerber. Das sind Zahlen, vor denen wir nicht die Augen verschließen dürfen! Sie weisen daraufhin, dass


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ein Teil der hier illegal Aufhältigen und derer, die glauben, hier um Asyl ansuchen zu können, in die Kriminalität verfällt. (Abg. Öllinger: Warum verfallen sie in die Kriminali­tät?)

Wissen Sie, was die Experten sagen? – In manchen Bereichen sind bis zu 50 Prozent der Angezeigten Asylantragspersonen. Um sich einer Abschiebung zu entziehen, werden dann Kettenanträge gestellt. Es werden immer neue Gründe gefunden, warum man glaubt, doch noch Asyl in Österreich zu bekommen. Die Aussagen der Experten sind wohl eindeutig, da heißt es etwa wortwörtlich: Es ist immer weniger möglich, einen ausländischen Rechtsbrecher außer Landes zu bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ist wirklich Handlungsbedarf gegeben. Es ist Handlungsbedarf gegeben, wenn die Kriminalitätsrate in Österreich explodiert. Bei der KSÖ-Tagung vergangene Woche in Leogang wurde von Experten mitgeteilt, dass sich die Situation in Ostösterreich dramatisch zuspitzt, dass in Wien allein an einem Tag mehr Überfälle passieren als in Salzburg in einem ganzen Jahr! Experten sagen: Eine Wolke von Illegalen zieht sich durch ganz Europa. Das ist nicht unsere Aussage, sondern Experten sagen dies. Da ist zu handeln, und das ist Aufgabe des Hohen Hauses!

Ein Beitrag dazu ist natürlich dieses neue Asylgesetz, das ein Gesetz für echte Asyl­fälle ist. Wir wollen unserer Rolle als Asylland auch weiterhin vorbildlich gerecht wer­den. Personen gemäß Genfer Flüchtlingskonvention, also Flüchtlinge, werden von uns Österreicherinnen und Österreichern mit offenen Armen und fürsorglich aufgenommen.

Aber das Gesetz soll auch ein Signal dahin gehend sein, dass Österreich kein Ein­wanderungsland ist, schon gar nicht für Personen, die falsche Angaben machen, die einfach untertauchen oder die gar in Österreich Verbrechen begehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Strasser. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte, Herr Minister.

 


12.25

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider muss ich die Zahlen des Herrn Abgeordneten Mainoni bestätigen. Ein Teil der Menschen, die – sehr oft leider auch illegal – zu uns kommen, bewirbt sich um Asyl und begeht dann strafbare Handlungen. Es muss daher Aufgabe der österreichischen Sicherheits­exekutive und auch der österreichischen Bundesregierung sein, alles dazu beizutra­gen, dass wir auf der einen Seite sehr genau und redlich darauf schauen, dass jene, die Asyl brauchen, es rascher bekommen als bisher, dass wir aber auch sehr konse­quent gegen jene vorgehen, die ein wichtiges Recht, ein wichtiges Menschenrecht für andere als Asylzwecke missbrauchen. Das muss in aller Klarheit festgestellt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Deshalb freut es mich, dass ich Ihnen von einer gemeinsam sehr gut und genau vorbe­reiteten Zugriffsaktion berichten darf, die unsere österreichischen Mitarbeiter – im Bun­deskriminaldienst, im Landesgendarmeriekommando Niederösterreich mit den Verant­wortlichen im Bezirkskommando Gmünd und anderen – mit tschechischen Kollegen durchgeführt haben. Wir haben nach einer monatelang vorbereiteten Aktion gestern Nacht insgesamt 28 Personen im Raum Gmünd auf Grund richterlicher Haftbefehle festnehmen können. 16 Personen wurden von der tschechischen Zentralstelle fest­genommen. Diese Festnahmen betrafen Schlepperverdächtige aus Moldawien, der Russischen Föderation, Rumänien, Armenien und aus Polen; diese Personen stehen


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in Verdacht, dass seit Anfang des Jahres 2003 bis zu 4 000 Personen, vorwiegend Tschetschenen, vor allem über den Raum Gmünd nach Österreich hereingeschleppt zu haben. Pro Schleppung nach Österreich sollen bis zu 1 000 € verlangt worden sein, was einen Gesamtumsatz von 2,5 Millionen € bedeuten würde. (Abg. Murauer: Das ist doch das falsche Signal! Das ist unchristlich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind die Zahlen! Und deshalb verstehe ich nicht, dass Herr Abgeordneter Parnigoni, der die Situation im Waldviertel kennen müsste (Abg. Dr. Trinkl: Er war schon lange nicht daheim!), der die Situation in seinem Wahlkreis kennt und weiß, wie die Menschen an der Grenze mit diesem Problem leben müssen (Abg. Scheibner: Dort redet er anders!), die Exekutive und auch diese Geset­zesinitiative nicht unterstützt, mit der dafür gesorgt wird, dass jene Asyl bekommen, die es tatsächlich brauchen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Trinkl: Wider besseres Wissen!)

Dieses Beispiel zeigt auch klar, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es leider keine Möglichkeit gibt, dieses Problem allein in Österreich zu lösen, denn dieses Problem entsteht dadurch, dass in den Herkunftsländern, also in jenen Ländern, aus denen Menschen zu uns strömen, Terror, Gewalt, politische Willkür, Verfolgung wegen religiöser Einstellung, Hautfarbe und Geschlecht herrschen. Daher muss es eine öster­reichische europäische Aufgabe sein, mitzuhelfen, dass in diesen Ländern bessere Lebensbedingungen für die Menschen entstehen. Dann könnten sie sich nämlich zuhause, in ihrer Heimat, etwas aufbauen, was sie lieber machen würden, als fortzu­gehen. Daher ist das auch ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir, unsere Beamten im Innenministerium und auch sehr viele karitative Organisationen, tun alles, um für den Winter vorzu­sorgen. Unsere Beamten haben in den letzten drei Wochen zusätzlich zu den jetzt bestehenden 8 500 Betreuungsplätzen – und das allein ist fast eine Verdreifachung gegenüber dem Jahr 2000 – fast 1 000 weitere Betreuungsplätze in ganz Österreich organisiert.

Aber ich möchte vor dem Hohen Haus auch noch Folgendes sagen: Wir können diese Quartiere nicht ausstatten, weil wir große Sorgen, Ängste und da und dort auch Wider­stände in der Bevölkerung gegen diese Bestrebungen erleben. Ich möchte hier auch sehr offen sagen: Ich habe unsere Beamten angewiesen, dass gegen den Willen des Bürgermeisters nirgendwo in Österreich ein Quartier errichtet wird, weil ich keine zu­sätzlichen Spannungen in kleinen Gemeinden haben will, weil ich nicht will, dass durch das Zusammenleben von bestimmten Gruppen, durch das es zu Störungen kommen kann, vielleicht sogar eine falsche Tendenz in Richtung Fremdenfeindlichkeit entstehen könnte. Wir brauchen in dieser Frage ein Miteinander und kein Gegeneinander, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich bei einer Gemeinde in Österreich ganz besonders bedanken, in der das hervorragend funktioniert, in der vorbildhaft gearbeitet wird, in der Bevölkerung, Bürgermeister, Schule und Fremde gut zusammenarbeiten. Es ist dies die Gemeinde Sankt Johann im Pongau. Ich möchte mich hier vor dem Hohen Haus für die Arbeit bedanken, die diese Gemeinde leistet, insbesondere bei Herrn Bürgermeister Mitterer und seinem Gemeinderat, bei Hauptschuldirektor Andreas Egger und bei der Familie Egger, die in vorbildhafter Art und Weise eine Betreuungseinrichtung neben einem Viersternhotel führt – und das in großer Übereinstimmung mit der Bevölkerung. Das sollten wir uns zum Vorbild nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Bedanken Sie sich bei der Be­völkerung von Traiskirchen!)

 


12.31


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Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist vereinbart, die Zeit bis 13 Uhr, das sind 30 Minu­ten, auf die Fraktionen aufzuteilen. Ich denke, das sind 7 Minuten pro Fraktion – unter der Voraussetzung, dass der Rednerwechsel rasch funktioniert.

Herr Abgeordneter Krainer hat 7 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.31

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Strasser! Es ist schade, dass Sie sich nicht auch bei Bürgermeister Knotzer und der Gemeinde Traiskirchen bedanken, die nämlich die größte Belastung hat. Im Moment sind fast 2 000 Flüchtlinge in Traiskirchen. Daher könnten Sie sich auch ein­mal bei diesen Menschen bedanken. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Sie sollten einmal mit dem Bürgermeister reden, dann würden Sie anders argumentieren! Er sagt nämlich etwas ganz anderes!)

Wenn Sie die Zahlen, die Kollege Mainoni hier genannt hat, bestätigen, dann ist das in Wirklichkeit auch ein Eingeständnis des Versagens in der Sicherheitspolitik. Sie wollen ja den Sicherheitsbericht hier im Haus gar nicht diskutieren. Der Grund, warum die Kriminalität im Osten explodiert, liegt bei Gott nicht bei den Asylwerbern, sondern das hängt damit zusammen, dass Sie alleine in Wien 1 000 Polizisten weggenommen haben. Das ist einer der vielen Gründe! Deswegen explodiert die Unsicherheit im Osten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Glauben Sie, dass die Polizisten stehlen?)

Kollegin Pablé! Unterhalten Sie sich einmal mit Ihrem Kollegen Strache! Aus seinen Presseaussendungen können Sie das zitieren, was ich jetzt hier gesagt habe. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist paradox, was Sie sagen!)

Meine Damen und Herren! 1968 wurde in diesem Haus die Todesstrafe endgültig ab­geschafft. Aber es gibt noch immer ein Gesetz, das über Leben und Tod entscheidet, und das ist das Asylgesetz. Es gibt, so glaube ich, keine schwierigere Frage als die über Leben und Tod. (Abg. Mag. Mainoni: Die sichere Drittstaatenregelung!)

Diese Entscheidung ist vor allem auch deswegen so schwierig, weil sie endgültig ist, weil man diese Entscheidung nicht wieder gutmachen kann. (Abg. Großruck: In Liechtenstein und in der Schweiz gibt es keine Todesstrafe! Das sind sichere Dritt­staaten!) Wir sollten uns deswegen auch überlegen, ob wir mit diesem Asylgesetz einen möglichst hohen Schutz, eine möglichst hohe Rechtsstaatlichkeit und eine mög­lichst hohe Qualität erreichen wollen oder ob wir das machen wollen, was die kleine Koalition hier vorschlägt, nämlich bewusst in Kauf zu nehmen, dass Menschen abge­schoben werden – in Länder, in denen der Tod auf sie wartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn dieses Gesetz hier heute beschlossen wird, hat in Österreich jeder Falschparker mehr Möglichkeit, sich gegen eine ungerechte Geldstrafe zu wehren, als eine Asyl­werberin vor der Abschiebung. Das ist das Ergebnis dieses Gesetzes. Bei diesem Gedanken wird mir angst und bang. Ich denke nur daran, dass durch dieses Gesetz Menschen wie Bruno Kreisky vor ihrer sicheren Auslieferung in den Tod, vor der sie gestanden sind, nicht ausreichend geschützt wären. (Abg. Scheibner: Solche Ver­gleiche sind wirklich ungeheuerlich!) Kollege Guido Zernatto von Ihrer Fraktion zum Beispiel wäre genau so betroffen gewesen, oder Sigmund Freud et cetera. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Es ist eine Schande, dass Sie dieses Leiberl tragen, auf dem Kreisky ist! Sie schaden der Sache mit Ihrer Argumentation! Das ist lächerlich!)

Mit dem neuen Asylgesetz soll in zwei, maximal drei Tagen die Frage nach Leben und Tod entschieden werden. Wir haben im Moment bereits ein Schnellverfahren, das sieben Tage Zeit einräumt, diese Frage zu entscheiden. Schauen wir uns doch in der Praxis an, was bei diesen Verfahren passiert! Welche Fehler passieren bei diesen Ver-


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fahren? Schauen wir uns aber auch an, welche Netze das jetzige Verfahren hat, um solche Fehler zu erkennen und zu bereinigen!

Ich habe hier ein ganz konkretes Beispiel, das sich jeder aus dem Internet herunter­laden kann, dort werden diese Verfahren, diese Entscheidungen veröffentlicht.

Ein Mann aus Indien, aus Kaschmir, kommt nach Österreich und stellt einen Asyl­antrag. (Ruf bei den Freiheitlichen: Teppichhändler?) Zwei Tage später wird er einver­nommen, dabei aber nicht so sehr nach seinen Fluchtgründen befragt – diese interes­sieren die Behörde nicht –, sondern nach Städtenamen, nach Bezirksnamen und nach Distriktnamen geprüft. Die Behörde überprüft diese Angaben anhand einer Karte, die mehr als 50 Jahre alt ist. (Abg. Scheibner: Hat er Papiere gehabt?) Diese Karte stammt aus der Zeit vor dem Krieg um Kaschmir zwischen Indien und Pakistan, bevor ein Teil von Kaschmir von Pakistan annektiert wurde, bevor der Bundesstaat Kaschmir, aber auch viele Bezirke in zwei Teile gerissen wurden. (Abg. Mag. Mainoni: Wo waren seine Papiere?) Diese Bezirke, diese Distrikte tragen nunmehr seit mehr als 50 Jahren einen anderen Namen. Doch die Behörde glaubt dem Mann aus Indien nicht. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum hat er seine Papiere weggeworfen?) Sie glaubt ihrer eigenen Karte, die mehr als 50 Jahre alt ist, und lehnt den Asylantrag mit dem Hinweis, er müsse lügen, ab. Es sei offensichtlich ein unbegründeter Asylantrag, denn er könne keinen einzigen Distriktnamen richtig nennen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum hat er seine Papiere weggeworfen?)

Der Asylwerber beruft dagegen. Der UBAS, die zweite Instanz, hebt dieses Urteil selbstverständlich auf – allerdings nach vier Wochen, weil sich der UBAS die Zeit nimmt und aktuelle Karten organisieren kann. Und siehe da: Alle Angaben, die der Asylwerber gemacht hat, jeder Städtename, jeder Distriktname, jeder Bezirksname – alle Namen waren richtig. (Abg. Schöls: Warum hat ein Innenminister Löschnak, warum hat ein Innenminister Einem, warum hat ein Innenminister Schlögl keine neue Karte gegeben?) Alle Sprachen, die er genannt hat, waren richtig. Er bekommt dann natürlich ein ordentliches Verfahren, beginnend wieder in der ersten Instanz. Erstmals nach vielen Wochen kümmert sich die erste Instanz um die wichtige Frage, ob dieser Mensch ein Flüchtling nach der Genfer Konvention ist oder nicht!

Ist der Inder ein Flüchtling? – Ich weiß es nicht. Aber ich will nicht, dass Menschen aus meinem Heimatland abgeschoben werden, bevor diese Frage ernsthaft geprüft wurde. Und so etwas passiert jedoch nach Ihrem Verfahren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit dem neuen Gesetz passiert Folgendes: Nicht mehr sieben Tage, sondern zwei bis maximal drei Tage ist Zeit. Das bedeutet: weniger Zeit für Recherchen, weniger Zeit, sich mit den Menschen auseinander zu setzen, und mehr Fehler! Selbst wenn niemand beim UBAS in Krankenstand ist, wenn niemand auf Urlaub ist und alle Doppelschichten machen, hat man angesichts dieser Masse nicht einmal die theoretische Chance, innerhalb von sechs Tagen zu prüfen, ob die Entscheidung der ersten Instanz in Ord­nung ist oder nicht. Was würde passieren? – Er würde abgeschoben werden, weil unsere Behörde Karten verwendet, die älter als 50 Jahre sind.

Herr Minister! Diesen Fall kann ich Ihnen gerne übergeben. Sie können ihn sich aber auch selbst heraussuchen.

Deswegen sage ich Folgendes: Wir sollten heute dieses Gesetz nicht beschließen, sondern es an den Innenausschuss rückverweisen, damit wir den Einsprüchen und Bedenken des Roten Kreuzes, der Caritas, der „Volkshilfe“, der Verfassungsexperten Mayer, Öhlinger, Funk, auch von Ihrem ehemaligen Klubobmann Neisser – das ist Ihr Parteifreund, der sagt ebenfalls, dass das verfassungswidrig ist, das sagen nicht nur wir! – Rechnung tragen können. (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.)


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Nehmen wir diese Bedenken ernst! Ich ersuche Sie nicht nur, ich bitte Sie geradezu, diese Rückverweisung und nicht dieses Gesetz heute zu beschließen. Schauen wir uns das gemeinsam an! Wir sind auch für die Beschleunigung von Asylverfahren, natürlich wollen wir das (Abg. Dr. Trinkl: Aber!), aber nicht auf Kosten der Rechtsstaat­lichkeit und nicht auf Kosten der Verfassung. Das, was der Minister bereits seit Jahren machen könnte, ist, mehr Beamte einzustellen, die besser geschult und dann auch in der Lage sind, diese vielen Asylanträge in einem ordentlichen, rechtsstaatlichen Ver­fahren abzuhandeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.38

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.39

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Österreich blickt als Asylland auf eine lange Tradition zurück und kann stolz darauf sein. Unser Land hat seine Grenzen für Flücht­linge immer wieder großzügig geöffnet. (Abg. Mag. Wurm: So lange, bis Sie gekom­men sind!) Wir haben zum Beispiel Hunderttausende Ungarn und Tschechen aufge­nommen, als diese ihr Heimatland verlassen mussten. Ebenso haben wir während des Bosnienkrieges mehr als 90 000 Bosniern Asyl gewährt und 60 000 davon in unsere Gesellschaft integriert. Kein anderes europäisches Land kann auf eine solche Groß­zügigkeit in der Asylpolitik verweisen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies wurde auch beim 53. Weltkongress des AWR, der Forschungsgesellschaft für das Weltflüchtlingsproblem, gewürdigt, Öster­reich wurde als sehr gutes Asylland bezeichnet. Bei diesem Kongress hat auch der Vertreter des UNHCR Deutschland darauf hingewiesen, dass eine Harmonisierung der Asylgesetze in der Europäischen Union deshalb so schwierig sei, weil es Länder wie Deutschland und Österreich gibt, die sehr hohe Standards haben, und viele andere Länder mit wesentlich niedrigeren Standards.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Kritik des UNHCR, der Weltzentrale aus Genf, muss man sagen, dass diese zu einem Zeitpunkt kam, da der Abänderungs­antrag zu diesem Gesetz, das wir heute diskutieren, noch nicht einmal konzipiert war! (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser.) – Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, hören Sie bitte auf, unser Land, unser Heimatland Österreich, laufend schlecht zu reden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir wollen – trotz vieler gegenteiliger Bedenken – den hohen Standard Österreichs als gutes, ja als sehr gutes Asylland beibehalten und weiterhin sehr gute Bedingungen für Asylsuchende, die tatsächlich Asyl brauchen, bieten. Asylmissbrauch jedoch wollen wir zurückdrängen.

Mit dem neuen Asylgesetz bemühen wir uns, in ausgewogener Art und Weise sowohl die Interessen unserer Bürger als auch die der Asylwerber, die tatsächlich Asyl brauchen, zu berücksichtigen. Es kann doch weder im Sinne unserer österreichischen Mitbürgerinnen und Mitbürger noch im Interesse der Hilfesuchenden und Verfolgten sein, dass Österreich verstärkt Zielland Nummer eins der internationalen Schlepper­banden wird, die Menschen nach Österreich schleppen, die sich hier wirtschaftliche Besserung erwarten.

Die Zahlen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sprechen ja für sich: 85 Prozent der Asylwerber in Österreich können keinen ausreichenden Asylgrund angeben. Im EU-Bereich können laut UN-Flüchtlingshochkommissar Lubbers nicht einmal 90 Pro-


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zent der Asylwerber einen stichhaltigen Asylgrund angeben. – Weiters ist dringend eine Beschleunigung der Verfahren notwendig.

Den negativen Stimmen, die wir heute wieder rund um das Neuerungsverbot gehört haben, kann entgegengehalten werden: Rasche Verfahren sind im Sinne derer, die Hilfe brauchen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Außerdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, weise ich noch einmal darauf hin – und die Kritiker übersehen das immer wieder –, dass das neue Gesetz in beson­deren Fällen Ausnahmen gewährt und vorsieht, Neuerungen in zweiter Instanz vorzu­bringen. Kein Neuerungsverbot besteht also, wenn zum Beispiel Verfahren in erster Instanz mangelhaft waren. Und weitere Ausnahmen werden gemacht, wenn dem An­tragsteller Tatsachen oder Beweismittel erst später zugänglich werden. Ebenso sind Folteropfer oder Traumatisierte von dieser Regelung ausgenommen.

Zur Verbesserung der Familienverfahren: Wenn einem Familienmitglied Asyl gewährt wird, gilt das für die gesamte Familie.

Der Rechtsschutz von Asylsuchenden durch die Beiziehung eines Rechtsbeistandes ist eine weitere Errungenschaft dieser Novelle.

Zuletzt kann man sagen, dass das vorliegende Gesetz der Harmonisierung auf euro­päischer Ebene Rechnung trägt sowie internationalen Standards entspricht. Anforde­rungen der Genfer Flüchtlingskonvention so wie der Europäischen Menschenrechts­konvention wird dieses Gesetz gerecht. Ein Blick über unsere Grenzen zeigt, dass diese Vorlage in Einklang mit Asylgesetzen anderer EU-Staaten, so zum Beispiel Deutschlands oder Hollands, steht.

Im EU-Vergleich steht Österreich bei Asylanträgen an der Spitze: In Österreich kommen 4,6 Asylwerber – das waren im vergangenen Jahr 39 345 Anträge – auf 1 000 Einwohner; in Deutschland sind es 0,87, in Großbritannien 0,18, in Italien 0,1 – oder in absoluten Zahlen: 7 700, und das bei einem Land, das sechsmal so groß wie Österreich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundesminister Strasser hat bei der Novellie­rung des Gesetzes wichtige und längst überfällige Maßnahmen vorgeschlagen. Das neue Gesetz ermöglicht rasche Hilfe jenen, die sie brauchen. Den Vorwürfen, es sei nicht verfassungskonform, kann mit den Argumenten des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes sowie denen renommierter Juristen, wie zum Beispiel Professor Gruber oder Professor Matscher, entgegengetreten werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das neue Asylgesetz wird also ein weiterer Bestandteil der Geschichte unseres Landes als erfolgreiches, sehr gutes und sicheres Asylland sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.44

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.45

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich glaube, anlässlich solch einer Debatte sollte man doch zurückblicken und sich einmal an­schauen, wie sich eigentlich die Debatte um Asyl, um Zuwanderung in Österreich in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich würde einmal zurückblicken bis Mitte der achtzi­ger Jahre, als in Österreich eine Partei einen Aufstieg genommen hat, die Wahlkämpfe, und zwar gesamte Wahlkämpfe, vorwiegend mit einem Thema geführt hat, das lautete: Ausländerfeindlichkeit, das lautete: Asylmissbrauch seit 20 Jahren! (Abg. Scheibner:


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Hallo, hallo! Was heißt denn das? Nehmen Sie das zurück! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das heißt genau das, was ich sage, Kollege Scheibner! Die Plakate der Freiheitlichen in Wien sehe ich noch ganz genau vor mir, als es darum ging, Stimmung zu machen gegen Ausländer, gegen Menschen, die nach Österreich gekommen sind, um hier um Asyl anzusuchen. Das war Ihre Politik, und zwar über Jahre hinweg! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Nehmen Sie das zurück! Das sind doch alles Unterstellun­gen!)

Sagen muss man in diesem Zusammenhang aber auch, dass es damals eine Bundes­regierung von SPÖ und ÖVP gegeben hat, die dem Druck, den die FPÖ relativ stark gemacht hat, nachgegeben hat, zumindest in Teilen. Wir von den Grünen haben damals schwere Auseinandersetzungen mit den Innenministern Löschnak und Schlögl geführt. Es waren also immer SPÖ/ÖVP-Regierungen, die da nachgegeben haben – und das haben wir massiv kritisiert. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass es bei den Kol­legInnen von den Sozialdemokraten jetzt auch klar ist, dass es da eine Neuorientierung gibt und dass, insbesondere was das Asylrecht betrifft, von ihnen auch klar Kritik kommt. (Abg. Scheibner: Es ist Zeit, dass euch das langsam klar wird! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die Politik der ÖVP ist genau das Gegenteil: Sie segelt weiter mit in dem Wind, den die FPÖ gemacht hat – und für Österreich halte ich das für extrem bedauerlich. (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir zu Traiskirchen. Ich habe wahrscheinlich mehr Bezug zu Traiskirchen als die meisten hier in diesem Saal: Ich komme nicht nur aus dieser Gegend – ich wohne fünf Kilometer von Traiskirchen entfernt –, sondern habe immerhin auch elf Monate lang Zivildienst in der Flüchtlingsbetreuungsstelle Vorderbrühl, einer Außenstelle von Traiskirchen, geleistet. (Abg. Mag. Mainoni: Haben Sie den Rauschgifthandel auch gesehen?)

Wenn Bundesminister Strasser sagt, er werde nirgendwo eine Flüchtlingsbetreuungs­stelle errichten, wo die Bürgermeister dagegen sind, dann muss ich Sie schon fragen: Warum setzen Sie denn Maßnahmen dort, wo es Betreuungsstellen gibt, die massiv gegen den Willen der Bürgermeister und die Interessen der Bevölkerung gerichtet sind? (Bundesminister Dr. Strasser: Weil es einen Vertrag gibt?) – Ja, den Vertrag gibt es schon, aber den Vertrag, den Sie mit European Homecare geschlossen haben, hat Ihnen niemand „aufs Auge gedrückt“, sondern das war eine Entscheidung, die die Bun­desregierung getroffen hat. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.)

Zu den Auswirkungen dieses Wechsels. Wir waren ja auch in Traiskirchen, und da gibt es durchaus Dinge, die uns missfallen, insbesondere die Situation im Flüchtlingslager, in der Flüchtlingsbetreuungsstelle, und wir haben auch schon lange argumentiert und gefordert, dass man da neue Wege gehen sollte, dass ein Flüchtlingslager in der Größe jenes von Traiskirchen einfach nicht tragbar ist, dass die Zustände dort nicht tragbar sind und dass es wesentlich kleinere Einheiten geben sollte. (Abg. Scheibner: Deshalb schauen wir, dass eben wirklich Asylanten Unterstützung bekommen! – Wei­terer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Kollege Scheibner, ich war elf Monate lang in der Vorderbrühl. Ich weiß nicht, ob Sie schon irgendwann einmal öffentlich gehört haben, dass es ein Problem mit der Flüchtlingsbetreuungsstelle Vorderbrühl/Mödling gegeben hätte? – Ich habe in all den Jahren seither nie gehört, dass das auch nur ansatzweise thematisiert worden wäre. Diese Stelle wurde nie zum Problem gemacht – und wird auch nicht als Problem erlebt. Dort gibt es eben kein Problem! Eine Stelle mit etwa 130 Flüchtlingen, die dort unter-


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gebracht sind, in menschengerechter Umgebung, mit Sprachkursen, das ist der Weg, den wir gehen wollen.

Nur: Auf der einen Seite kleinere Einheiten zu verhindern – und an anderer Stelle dann zu schreien, welche Probleme wir in Traiskirchen haben und die Schuld daran den Flüchtlingen zu geben, das kann ich nur als Politik bezeichnen, die ich einfach nicht für fair halte, um das hier einmal sehr milde auszudrücken. (Beifall bei den Grünen.)

Zu European Homecare: Wir waren in Traiskirchen – und es war schon ein etwas merkwürdiger „Empfang“, als wir dort vom Geschäftsführer von European Homecare begrüßt wurden, der sich dann als ehemaliger Stabschef der DDR-Volksarmee „ge­outet“ hat. – Da denkt man sich schon irgendwie: Ganz wohl fühlt man sich dabei nicht, aber soll einmal so sein.

Schauen wir, was weiter passiert. Wie kann man denn versuchen, eine solche Flücht­lingsbetreuungsstelle als in der Bevölkerung akzeptiert zu machen? – Indem man beispielsweise Arbeitsmöglichkeiten schafft. Das gab es früher: Es haben immerhin etliche Dutzend Menschen aus Traiskirchen gearbeitet – in der Küche, in der Zuliefe­rung. Ein Großteil davon wird jedoch, seitdem es European Homecare gibt, nicht mehr angeboten.

Wir haben dann gefragt, wie das ist, und da wurde uns seitens European Homecare erklärt: Ja, das Fleisch muss aus Deutschland gebracht werden, und zwar mit der Be­gründung, dass es ja strenge Hygienevorschriften gibt, so nach dem Motto: Offenbar bringen es wir in Österreich nicht zusammen, hygienisch einwandfreies Fleisch nach Traiskirchen zu liefern. Das Fleisch für 1 000 Menschen pro Tag kommt jetzt in Lastwa­gen aus Deutschland, wird angeliefert in Tiefkühlern ... (Bundesminister Dr. Strasser: Das stimmt nicht! – Abg. Öllinger: Das stimmt!)

Was heißt, das stimmt nicht?! Das ist doch unglaublich! Das sagte der Geschäftsleiter von European Homecare – und Sie, Herr Minister, sagen, das stimmt nicht!

Die Situation ist die: In den Schulen gibt es für Dutzende Kinder keine Unterstützung, die in Traiskirchen in die Pflichtschulen gehen: keine StützlehrerInnen, keine zusätz­lichen Lehrkräfte. Und das ist auch ein Problem, über das man dann einmal reden sollte, wenn man davon ausgeht, dass man Traiskirchen helfen will – und dort nicht darauf setzt, Stimmung zu machen und AsylwerberInnen in den Mittelpunkt des Pro­blems zu rücken. Das ist das, was wir kritisieren! (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt jetzt Resolutionen in Traiskirchen. Wir Grünen haben ja mit der SPÖ dort vor Ort nach wie vor unsere Probleme. Ich kann mich gut erinnern an den Gemeinderats­wahlkampf von vor drei Jahren – blaue Plakate von der FPÖ, und zwar des Inhalts: 44 Jahre Flüchtlingslager sind genug! Dementsprechend wurde auch Politik gemacht: Aufheizung der Situation et cetera. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Situation in Trais­kirchen spricht für sich selbst!) Und jetzt haben wir halt Resolutionen, die gemeinsam von allen Parteien – außer den Grünen – getragen werden, in denen steht: 47 Jahre Flüchtlingslager sind genug!

Bei aller Problematik, die es sicherlich gibt: Wozu das in Traiskirchen führen wird, kann man sich ausrechnen; wohin das gerückt wird und welche Probleme damit aufgemacht werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni.)

Kollege Mainoni, wenn Sie sagen, Sie empfangen Flüchtlinge mit offenen Armen, dann würde ich diesen empfehlen, einen großen Bogen um Sie zu machen. Ihre „offenen Arme“ würde ich keinem Flüchtling in Österreich wahrzunehmen empfehlen! (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Nichts als Unterstellungen! – Abg. Scheib­ner: Bringen Sie Ihren Schlusssatz! Ihre Redezeit ist zu Ende! – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. – Präsident Dr. Khol übernimmt den Vorsitz.)


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Aber das Gleiche gilt auch für die ÖVP. Nach der Rede der Kollegin Partik-Pablé, die ja hier wirklich einige Ungeheuerlichkeiten von sich gegeben hat, habe ich mir das ganz genau angeschaut: geradezu donnernder Applaus in den Reihen der ÖVP. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie damals Kritik seitens der ÖVP gekommen ist; damals war auch die ÖVP noch ein Gegner dieser Ausländer- und Asylpolitik, die die FPÖ gefordert hat. – Jetzt sind Sie von der ÖVP sozusagen „mitten im Boot“. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gott sei Dank!)

Als Kollegin Stoisits gesagt hat, 19 Asylanträge, genehmigt in der Slowakei, ich glaube, das war im letzten Jahr ... (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen. – Ruf: Es ist gescheiter, Sie hören auf!) Das ist schon mein Schlusssatz, Herr Präsident: Kollegin Stoisits meinte also, man solle einmal nachdenken, um welche Situation es sich da handelt. Und da ist in den hinteren Reihen der ÖVP hier die Bemerkung gefallen: Endlich! Da sieht man, wie es in anderen Ländern gemacht wird!, quasi als Vorbild für Österreich. – Das, meine Damen und Herren, sollte kein Vorbild für Österreich sein! (Beifall bei den Grünen.)

12.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. 7 Mi­nuten Redezeit. – Bitte.

 


12.53

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brosz, wir Freiheitlichen haben in den letzten Jahren zum Thema Asylrecht und Fremdenrecht die Dinge beim Namen genannt. Das war keine Hetze, sondern ein notwendiges Aufzeigen der Realitäten in diesen Bereichen! Und dazu werden wir auch weiterhin stehen! (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich kann deshalb auch sagen, dass wir Freiheitlichen Ihren Antrag auf Rückverweisung dieser Gesetzesvorlage heute hier ablehnen werden, weil wir davon überzeugt sind, dass dieses Gesetz ein guter und richtiger Schritt in die Zu­kunft ist.

Meine Damen und Herren! Gerade die historischen Beispiele, die Sie hier heute im Rahmen der Debatte erwähnt haben – Bruno Kreisky, Sigmund Freud, auch der Ungarnaufstand im Jahre 1956 beziehungsweise der in der Tschechoslowakei im Jah­re 1968 –, sind doch Beweise dafür (Abg. Öllinger: Und was ist mit Tschetschenien?), dass dieses neue Asylgesetz, das wir heute beschließen, besser ist als das alte, weil all diese Menschen jetzt schneller Asyl bekämen, als das mit dem alten Gesetz der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie betreiben Realitätsverweigerung! Gerade Sie von der SPÖ sollten sich an die Zahlen der Realität halten und sich im Klaren darüber sein, dass vor vier oder fünf Jahren noch etwa 10 000 bis 15 000 Asylwerber hier in Österreich waren, ab dem Jahre 2002 schon zirka 40 000 Personen. (Abg. Krainer: Fragen Sie den Minister, warum es nicht mehr Personal gibt! – Weitere Zwischenrufe des Abg. Krainer.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Krainer, beruhigen Sie sich!

 


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (fortsetzend): Herr Kollege Krainer – wenn ich ihn selber zur Beruhigung ansprechen darf –, Sie sollten Ihren Vorschlag, die Beamtenzahl im Asylwesen zu erhöhen, dem Bürgermeister Ihrer Partei in Traiskirchen machen und ihm sagen, er soll das Flüchtlingslager erweitern, er soll die Zahl der Be­amten dort aufstocken, um diesem Problem Herr zu werden! Das ist aber der falsche Weg! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, er war ohnehin


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gerade dort! – Abg. Mag. Stoisits: Ja, schauen wir, dass wir das berücksichtigen dort: mehr Personal! – Abg. Scheibner: Reden Sie einmal mit den Leuten in Traiskirchen! Die sagen etwas ganz anderes! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordne­ten von SPÖ und Grünen sowie Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ, Sie hätten Ihre Vorschläge, die Sie heute in dieser Debatte gemacht haben, Ihren SPÖ-Innenministern Löschnak und Schlögl machen sollen! Diese hätten Sie vom Tisch gewischt! Warum? – Weil das Männer waren, die auch die Realität erkannt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Lesen Sie sich die Reden von Löschnak und Schlögl durch! Die Leute in Traiskirchen wollen nicht mehr Personal, sondern dass dort zugesperrt wird! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Da Sie hier behauptet haben, Österreich werde mit diesem neuen Asylgesetz das dies­bezügliche Schlusslicht in Europa: Das Gegenteil ist der Fall! Österreich wird mit diesem neuen Asylgesetz wiederum Vorreiter in einer wichtigen Frage. (Ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.)

Herr Minister Strasser hat bereits angeführt, dass der Außenminister der Republik Frankreich Dominique de Villepin jetzt auch beantragt, dass in seinem Land eine Reform des Asylwesens zustande kommt, weil eben die meisten Flüchtlinge aus öko­nomischen Gründen nach Frankreich kommen. Und das ist die Problematik, meine Damen und Herren von der Opposition!

Es geht also nicht darum, die Genfer Flüchtlingskonvention zu untergraben, sondern darum, sicherzustellen, dass diese auch weiterhin handhabbar ist. Und das ist ein europaweites Problem, nicht nur eines, das wir Österreicher haben. EU-weit muss dieses Problem angepackt und gelöst werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das kann aber nur insoweit geschehen, als Asylgesetze beschlossen werden, die sicherstellen, dass wirklich nur Asyl bekommen kann, wer einen Asylgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention vorbringen kann. Und dem, meine Damen und Herren, dient dieses neue Gesetz, das wir heute beschließen – und nichts anderem!

Die Menschenrechte sind ein wichtiges Gut; wir Freiheitlichen bekennen uns dazu! Aber es gibt auch Bürgerrechte. Und der Spruch „Hütet euch vor den Philanthropen, denn sie umarmen die Welt, aber sie verachten den Nachbarn!“, der trifft hier zu. Wir haben uns auch um unsere Bürger zu kümmern! Wir haben Traiskirchen als ein Bei­spiel zu nehmen; wir haben die gesamte Problematik, die mit dem Asylmissbrauch in Zusammenhang steht, anzusprechen – und dazu zählt auch die Schlepperei, meine Damen und Herren! Das versuchen jedoch Sie von der Opposition zu ignorieren. (Abg. Krainer: Da steht kein Wort davon da drin! Das ist doch lächerlich!)

Durch die bisherige Asylrechtssituation, Herr Kollege, ist Österreich sozusagen erst ein Markt für das Schlepperverbrechen geworden. Und wir wollen diesen „Markt“ mit dem neuen Asylgesetz austrocknen; Sie hingegen offensichtlich nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Meine Damen und Herren! Die Schlepperei ist ein Wirtschaftszweig der organisierten Kriminalität, ein willkommener Markt sozusagen für diese internationalen Schlepper­banden. Und dazu zählt Österreich leider Gottes auch. Mit Preisen bis zu 40 000 € – bei dem einen Beispiel, das der Herr Minister hier gebracht hat, ist es um 1 000 € gegangen – werden Menschen aus aller Herren Länder zu uns geführt, an der Grenze ausgesetzt. Diese Schlepper nutzen jede Möglichkeit und stellen innerhalb weniger Stunden ihre Routen um. Bis zur österreichischen Staatsgrenze werden die Opfer gebracht, dort zeigen die Schlepper in Richtung Österreich – und schicken die Ge-


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schleppten zu Fuß weiter. Und dafür setzen diese Menschen in ihren Heimatländern ihre Existenz aufs Spiel, verkaufen all ihr Hab und Gut, um sich von diesen Ver­brechern hierher schleppen zu lassen. Und warum werden sie hierher geschleppt? – Weil jeder hier bei uns Asyl bekommen kann! Und das darf nicht mehr sein! Hinkünftig kann nur mehr Asyl bekommen, wer wirklich einen Grund dafür vorgeben kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dieses neue Gesetz, das wir heute beschließen – wir Frei­heitlichen tun das gerne – stellt die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention auch in Zukunft in Österreich sicher und stellt einen weiteren wirksamen Schritt gegen die Kriminalität der Schlepperei dar. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Redezeit wunschgemäß 5 Minuten. – Bitte.

 


12.59

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Heute ist ein trauriger Tag für die Menschlichkeit in Österreich – und Sie, Herr Bundesminister Strasser, haben sich „ausgezeichnet“: Sie sind der Minister mit dem kalten Herzen! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Das ist doch ungeheuerlich! Unerhört! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und Freiheitlichen sowie SPÖ.)

300 Wissenschafter haben sich in einem Appell an Sie gewandt, Herr Bundesminister (Bundesminister Dr. Strasser: Kein Einziger!), haben gesagt, dass Sie dieses Gesetz in dieser Form zurücknehmen sollen. (Bundesminister Dr. Strasser: Ich habe keinen einzigen Brief bekommen!)

Es wurde heute schon erwähnt: Der ehemalige Minister und ÖVP-Klubobmann Neisser ist da dabei; das Völkerrechtsbüro, Manfred Nowak, Ulrich Körtner, Max Friedrich, Anton Pelinka, Erika Weinzierl – und, und, und. – Sie jedoch, Herr Minister Strasser, zeigen sich uneinsichtig! (Abg. Krainer: ÖVP-Mitglieder! – Gegenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Gesetz, das in vielen Bereichen verfas­sungswidrig und nicht menschenrechtskonform ist – und teilweise völkerrechtswidrig, so sagen uns die Experten –, haben Sie uns wirklich eine Hypothek auferlegt! (Wider­spruch bei der ÖVP.)

Herr Minister, ich verstehe Sie nicht! Sie haben Begutachtungen machen lassen, und die Begutachtungsverfahren sind in vielen Bereichen negativ ausgefallen. Ich spreche vom Neuerungsverbot, von der Abschiebung während eines laufenden Verfahrens, davon, dass dann die Flüchtlinge ausgewiesen werden können. Ich spreche davon, dass in jedem Stadium des Verfahrens Rechtsbeistand geleistet werden sollte. All das sind Angriffspunkte, all das wäre notwendig – und Sie negieren diese Einwände! Sie negieren die Einwände des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes. Sie negie­ren zum Beispiel auch die Begutachtung des Landes Tirol – ich habe sie hier: Das Land Tirol sagt in seiner Begutachtung: grob verfassungswidrig; aber Sie negieren das, es ist Ihnen egal.

Ich verstehe Sie nicht, Herr Bundesminister Strasser. Sie, der Sie einmal angetreten sind mit dem Slogan: Ich bin der Innenminister für alle Österreicher, ich mache Politik in Rot-Weiß-Rot!, haben sich von Ihren Werten verabschiedet. Es ist an dieser Vor­gangsweise nichts mehr christlich, es ist daran nichts mehr sozial, und es ist auch nicht menschlich, wie Sie hier vorgehen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Zuerst haben Sie, Herr Minister Strasser, das Innenministerium sozusagen einge­schwärzt, jetzt machen Sie eine unmenschliche Asylpolitik – und ganz nebenbei ist Ihre Politik auch noch dafür verantwortlich, dass die Kriminalität in diesem Land steigt und die Aufklärungsquote sinkt. Auch das ist Ihr „Verdienst“, Herr Innenminister! (Abg. Kößl: Sie haben zuerst nicht richtig zugehört!)

Ich habe genau zugehört, Herr Abgeordneter Kollege Kößl. (Abg. Kößl: Eine wesent­liche Rolle spielt die Kriminalitätsentwicklung durch die Asylantenkriminalität! – Zwi­schenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé sowie Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.) Ich sage Ihnen: Hören Sie bitte zu! Sie haben die Möglichkeit gehabt, zu reden, und auch ich möchte gerne diese Möglichkeit ergreifen.

Sicher ist: Was Sie geschafft haben, ist eigentlich nur, der Zivilgesellschaft den Kampf anzusagen. Sie bewegen sich mit vielen Bestimmungen, so sagen Experten und Expertinnen, am Rande der Rechtsstaatlichkeit – Artikel 18, Artikel 11. Sie machen hier Politik auf Kosten der Flüchtlinge. Und ganz nebenbei enteignen Sie außerdem nicht nur die NGOs, sondern auch die Länder und Gemeinden. Sie sprechen immer von Artikel-15a-Verträgen darüber, wie man das mit den Ländern dann regeln sollte, aber es ist davon weit und breit nichts in Sicht. (Abg. Kößl: Das stimmt doch nicht! Diese Verträge kommen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Folgen Sie, die diesen Abänderungsantrag auch eingebracht haben, jenen Organisationen, die uns geschrieben haben. Sie haben auch zum Beispiel den Brief von Herrn Dr. Küberl bekommen, auch den Appell, dass dieses Gesetz noch zurückgestellt werden soll bis zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Verträge und Vereinbarungen mit den Ländern endlich abgeschlossen sind! Dann können wir darüber reden. Aber es reicht nicht, nur Versprechungen zu machen – und nichts kommt dabei heraus! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister Strasser, ein letzter Appell noch einmal an Sie: Überlegen Sie es sich und besinnen Sie sich darauf, wie Sie einmal angetreten sind: als christlich-sozia­ler Minister (Bundesminister Dr. Strasser: Ja, christdemokratisch!), der versprochen hat, eine Politik für Rot-Weiß-Rot zu machen und für die Menschen in diesem Lande! (Beifall bei der SPÖ.)

13.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Ing. Kapeller zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. Die zu berichtigende Wortstelle und dann den richtigen Sachverhalt – und keine politischen Wertungen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.04

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Ich möchte eine tatsächliche Berichti­gung zu den Ausführungen des Abgeordneten Krainer durchführen.

Herr Abgeordneter Krainer führte aus, dass die Kriminalitätsrate speziell im Osten Österreichs darauf zurückzuführen wäre, dass allein in Wien über 1 000 Beamte weni­ger Dienst verrichten würden. – Das ist unrichtig!

Vielmehr stimmt: Im Innenressort wird, seit Ernst Strasser dort arbeitet, hausgehalten und gespart, vor allem im Innendienstbereich und in der Verwaltung. Aber mit den Vergleichsdaten 1. Jänner 2000 und 11. Juli 2003 – vorher Schlögl, jetzt Strasser – verrichten im Bereich der BPD Wien allein in der Sicherheitswache und im Kriminal­dienst 140 Exekutivdienstbeamte mehr als vorher ihren Dienst. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Also mehr – und nicht weniger!)

 


13.05


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Präsident Dr. Andreas Khol: Das war für einmal eine korrekte tatsächliche Berichti­gung. (Abg. Dr. Einem: Aber lediglich der Form und nicht dem Inhalt nach! – Gegen­rufe bei der ÖVP.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


13.05

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! In der Nachkriegsgeschichte hat sich Österreich gegenüber Flüchtlingen immer als hilfsbereites Land ausgezeichnet. Ich wehre mich dagegen, dass wir jetzt auf Grund der bevorstehenden Asylgesetz-Novelle als fremdenfeindlich und unsozial dargestellt werden, wie das heute von Rot und Grün gekommen ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Einem.)

Ich bin natürlich für eine menschliche Asylpolitik, ich bin dafür, dass wir Menschen, die in schwere Not geraten sind und in ihrem Heimatland verfolgt werden, aufnehmen und ihnen Hilfestellung bieten. Wir können aber nicht jeden aufnehmen, es gibt auch irgendwo Grenzen! Uns geht es darum, dass Asylverfahren schneller abgewickelt wer­den und mehr Rechtssicherheit gegeben ist. (Abg. Dr. Einem: Das ist wieder un­richtig ...!)

Im Jahre 2002 sind die Asylanträge mit 36 900 Fremden um 22,7 Prozent angestiegen. Die Anerkennungsquote betrug lediglich 3,4 Prozent, das heißt, dass ein Großteil der Flüchtlinge so genannte Wirtschaftsflüchtlinge sind. Tatsache ist, dass in anderen EU-Ländern wie Deutschland und Großbritannien Aufnahmeverfahren weitaus restriktiver als bei uns in Österreich gehandhabt werden. Es muss eine Harmonisierung dieser Gesetze in ganz Europa geben!

In der Vollziehung der Asylverfahren nach geltendem Gesetz gibt es einige Schwierig­keiten, wie uns die Verwaltungsbehörden mitteilen. Die Asylwerber wiederholen ihre Asylanträge immer wieder. Das bedeutet, so genannte Ketten-Asylanträge werden bis zu sechs oder sieben Mal gestellt, und die Verfahren ziehen sich zum Teil bis über acht Jahre hin. Die Asylverfahren dauern extrem lang, weil die Behörde stark überlastet ist. Es kommt sogar vor, dass Asylwerber nach zehn Jahren Aufenthalt die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen, obwohl sie noch keinen Entscheid über ein Asylverfah­ren haben. Identitätsverweigerung der Asylbewerber stellt ein weiteres Problem dar.

Auf noch ein Problem möchte ich an dieser Stelle hinweisen. Es gibt Asylwerber, die in Österreich straffällig werden, sei es durch ein Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz, sei es durch eine Gewalttat oder durch Diebstahl. Menschen, die nach dem Sucht­mittelgesetz verurteilt wurden, können nach dem Gesetz abgeschoben werden, ein Asylantrag verhindert das aber. Bei der Gesetzesnovelle geht es nun darum, einen Missbrauch des Gesetzes zu verhindern und den richtigen Mittelweg zu finden (Beifall bei der ÖVP): diejenigen herauszufinden, welche wirklich einen Grund für die Gewäh­rung von Asyl vorweisen können, und diejenigen herauszufinden, die tatsächlich Wirt­schaftsflüchtlinge sind.

Die Regierungsparteien nehmen diese Gesetzesnovelle nicht auf die leichte Schulter, und sie sind auch nicht darüber hinweggefahren. In Ausschüssen, Enqueten und Experten-Hearings hat man sich stundenlang mit dieser Materie auseinander gesetzt. Man kann hier also nicht von einer Husch-Pfusch-Gesetzesnovelle reden. Wir brauchen diese Gesetzesnovelle, damit die Behörden vernünftig arbeiten können, denn für die Zukunft wird es wichtig sein, dass diese Ketten-Asylanträge vermieden werden, und das heißt eben, dass es ein so genanntes Neuerungsverbot gibt. Der Missbrauch des Asylverfahrens muss so weit wie möglich verhindert werden. (Beifall bei Abge-


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ordneten der ÖVP.) Der Sicherheitsaspekt für die heimische Bevölkerung muss in den Vordergrund gestellt werden.

Früher war Deutschland das Zielland Nummer eins für Asylwerber, heute kommen die Asylwerber weitgehend nach Österreich, weil, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, bei uns die gesetzlichen Voraussetzungen eben so sind. Von meinen Vorrednern wurde bereits darauf hingewiesen, wie viele Asylanten in Deutschland pro tausend Ein­wohner ins Land kommen und wie viele es bei uns in Österreich sind.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Für Asylwerber in Österreich werden im Moment 8 600 Plätze in Bundeseinrichtungen zur Verfügung gestellt, vor drei Jahren waren es noch rund 2 500. Um das alles leistbar zu machen, brauchen wir ein ver­nünftiges Modell für die Aufteilung dieser Kosten. Es muss mit Ländern und Gemein­den ein Konsens über die Aufteilung gefunden werden.

In Oberösterreich werden derzeit 388 Asylwerber von Caritas, „Volkshilfe“ und „SOS Mitmensch“ betreut. Dies geschieht entweder in Vollversorgung oder Unterkunft plus 110 € pro Person monatlich. Das Land Oberösterreich stellt dadurch jährlich Fi­nanzmittel in der Höhe von mehr als 2 Millionen € zur Verfügung. In Bundesbetreuung befinden sich in Oberösterreich derzeit 1 356 Personen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wie ich zu Beginn gesagt habe, bin ich für ein humanes und schnelles Asylverfahren. Die Menschenrechte dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. (Ruf bei der SPÖ: Bravo!) Aber alles muss sich in Gren­zen halten, um die heimische Bevölkerung nicht zu überfordern. – Danke schön. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Pendl mit einer Wunschredezeit von 5 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


13.11

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Freund ist ja teilweise wirklich ein Freund, zu dem man nur sagen kann: Bravo! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Gestatten Sie mir jedoch vorher noch einige Feststellungen. Ich möchte hier klar zum Ausdruck bringen: Nicht nur die sozialdemokratische Fraktion, sondern alle Fraktionen waren im Innenausschuss einheitlich für eine, sage ich jetzt einmal, sehr rasche erst­instanzliche Entscheidung – unisono, einheitliche Meinung!

Meine Damen und Herren! Es ist auch klar, dass von den Experten zum Ausdruck gebracht wurde, dass das alte Asylgesetz – wie ich es jetzt schon nennen muss – gut wäre und nur in einigen Bereichen zu adaptieren wäre. Es ist ja nur eine Frage des Wie! Was jetzt hier vorgelegt wird, eignet sich eigentlich nicht. (Abg. Mag. Molterer: Pendl möchte doch zustimmen!)

Herr Minister, Sie haben heute Kollegen Parnigoni zitiert. – Nicht nur Parnigoni steht zur Exekutive, sondern die gesamte sozialdemokratische Fraktion! Da könnt ihr uns noch so oft erzählen, dass der Innendienst hinausgeht – ihr habt den Personalstand herunter „systemisiert“, und nicht die Opposition, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Und die SPÖ hat uns die Schulden hinterlassen! Eure Finanzminister haben uns nur Schulden hinterlassen! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Gestatten Sie mir, dass ich mich bei allen Bundesländern, aber auch bei den NGOs und vor allem bei den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Traiskirchen sehr herzlich


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bedanke! Ich bedanke mich dafür, dass die Bundesländer eingesprungen sind und die NGOs eingesprungen sind und dafür namhafte Beträge in Millionenhöhe ausgegeben haben, die künftig leider nicht mehr im Regressweg einzufordern sein werden.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich auch bei allen Abgeordneten, die in Traiskirchen waren. Ich bin froh, dass zumindest einer kurz und ein zweiter am Rande dieses Thema angeschnitten hat. Wo ist denn die Solidarität, meine sehr geehrten Damen und Herren? Wo sind denn die christlich-sozialen Werte?

Ich unterstreiche die Ausführungen des Abgeordneten Freund. Niederösterreich, Ober­österreich, das Burgenland und Wien erfüllen die Quoten, alle anderen sind in De­ckung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Niederösterreich erfüllt sie aus­schließlich mit Traiskirchen, und das ist unsolidarisch, im Interesse der Flüchtlinge, aber auch im Interesse der örtlichen Bevölkerung. Das muss einmal in aller Klarheit festgestellt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Partik-Pablé, ich bin Ihnen wirklich dankbar dafür – und sage das in aller Offenheit –, dass Sie sogar dem Herrn Minister geschrieben und ihn auf diese Zustände hingewiesen haben. Abgeordneter Brosz hat es eingangs be­reits erwähnt. Wenn wir jene „Sensibilität“ an den Tag legen, dass wir einen der hei­kelsten Bereiche der Politik privatisieren, obwohl er zum Privatisieren ungeeignet ist, und wenn wir dann dort ein deutsches Unternehmen haben, das selbst eine Lebens­mittelfabrik hat, alle örtlichen Unternehmungen kündigt und die Lebensmittel aus Deutschland einführt – Herr Minister, wie wollen Sie dann in dieser Region noch irgendein Verständnis für diese Maßnahme bekommen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern hatten wir dort einen Stand von 1 393 Personen. Ich glaube, dass wir im 21. Jahrhundert bei Großeinrichtungen weder das Wort „Lager“ verwenden sollten und schon gar nicht ein Lagerdenken an den Tag legen sollten! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich denke, ich kann der österreichischen Exekutive nur dazu gratulieren, dass diese Festnahmen durchgeführt wurden. Aber wir alle wissen, Herr Minister, dass an der tschechisch-österreichischen Grenze bei Gmünd 500 Damen und Herren auf den Transport nach Traiskirchen warten. Auch hier wird Traiskirchen wieder allein gelas­sen. Ich glaube, dass die Traiskirchnerinnen und Traiskirchner genauso wie jene aus­ländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Hilfe brauchen, unserer gemeinsamen Solidarität bedürfen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte.

 


13.15

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke herzlich für diesen Hinweis auf Traiskirchen und möchte das gerne in einigen Punkten ergänzen.

Erstens: Es gibt einen Vertrag zwischen Herrn Minister Löschnak und dem Bürger­meister von Traiskirchen über die Zahl der Betreuungsplätze. Dieser Vertrag gilt.

Zweitens: Der Vertrag besagt, dass wir dort im Großen und Ganzen 1 000 Plätze wahr­nehmen können. Wir haben im Jahr 2000 insgesamt 2 300 Betreuungsplätze gehabt, davon 1 000 Plätze in Traiskirchen. Heute haben wir 8 600, 8 700 Betreuungsplätze, davon 1 000 in Traiskirchen. Wir haben daher das Verhältnis von Traiskirchen zu den übrigen Gemeinden Österreichs von eins zu eins auf jetzt eins zu acht verbessert. Ich stehe dazu, dass es nicht gut ist, dass eine zu große Anzahl von zu Betreuenden auf


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einem Platz ist, und dass es große Sorgen für die Bevölkerung gibt, wenn man hier nicht in hohem Ausmaß gemeinsam vorgeht.

Deshalb haben wir seit dem Jahr 2000 auch 4,3 Millionen € an Investitionen in Trais­kirchen in die Betreuungsstelle getätigt, damit alles das, was richtigerweise zu einer Flüchtlingsbetreuung gehört, dort auch passiert. Nur einen Teil können und dürfen wir nicht sanieren – obwohl wir das Geld haben, obwohl die Anträge vorliegen, obwohl das Baumaterial vorhanden ist, obwohl wir morgen beginnen könnten –, weil uns der Bür­germeister von Traiskirchen die Baugenehmigung nicht gibt!

Daher appelliere ich im Sinne einer funktionierenden Betreuungsstelle Traiskirchen an den Bürgermeister von Traiskirchen: Geben Sie die Baugenehmigung, damit wir auch in diesem einen Teil der Betreuungsstelle menschenwürdige Unterkünfte schaffen können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


13.18

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Eines ist schon interessant: Kaum schaltet der Österrei­chische Rundfunk seine Direktübertragung aus, ist das Interesse der Opposition plötz­lich auf fast null geschwunden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren, sich vorher hier aufzuregen und so zu tun, als ob es kein wichtigeres Thema gäbe, als hier für die Flüchtlinge das Wort zu ergreifen – und kaum sind die Medien weg, ist die­ses Interesse bei Ihnen auf null gesunken! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Schauen Sie sich einmal meine Fraktion an: Uns geht es wirklich um die Sache. Daran können Sie sich ein Beispiel nehmen, meine Damen und Herren von der SPÖ und vor allem von den Grünen, die hier überhaupt nur noch rudimentär vorhanden sind. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie auch, einmal zu bedenken, ob es richtig ist, was Sie bei solchen Themen tun (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald) – ja, auch Sie in der letzten Reihe, die Sie hier herausschreien –: hier in mit Spendengeldern einer kari­tativen Organisation finanzierten Leiberln zu sitzen und politische Agitation zu betrei­ben. (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.) Es fragt sich auch, meine Damen und Herren, ob es wirklich in Ordnung ist, dass Sie dauernd die Opfer einer auch hier in Österreich wirklich dunklen Zeit heranziehen, um in diesem Land Parteipolitik zu machen. Das sollten Sie sich einmal überlegen, wenn es hier darum geht, sachliche Diskussionen abzuführen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir lassen es auch nicht zu, dass Sie Österreich permanent schlecht machen – auch in der Flüchtlingspolitik! Wir stehen dazu, dass wir in der Vergangenheit vorbildhaft waren, es in der Gegenwart sind und es auch in Zukunft sein werden, wenn es darum geht, Kriegsflüchtlinge und wirklich politisch oder religiös verfolgte Menschen zu unter­stützen und ihnen jede Anerkennung und Förderung zu geben, die sie verdienen. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Gerade deshalb ist es notwendig, den Missbrauch in die­sem Bereich zu verhindern. Sie können doch nicht so tun, als gäbe es den nicht, wenn die Anerkennungsquote bei 20 Prozent liegt. – Die Anerkennungsquote ist ja jetzt wesentlich höher – Herr ehemaliger Innenminister Einem, Sie wissen es! – als in den vergangenen Jahren. Ich will jetzt nicht sagen, dass 80 Prozent das Asylrecht miss­brauchen, aber bei einer 20-prozentigen Anerkennungsquote kann man nicht sagen,


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dass alle, die hier in Österreich um Asyl ansuchen, die Asylgründe auch wirklich be­rechtigterweise anwenden.

Meine Damen und Herren! Es wird ja sogar offen zugegeben, dass man keinen Asyl­grund hat. Das ist ja in der Diskussion schon erwähnt worden: Die Leute sagen im Ver­fahren ganz offen, dass sie wirtschaftliche, gesundheitliche oder andere Gründe dafür haben, hier um Asyl anzusuchen. (Abg. Dr. Einem: Das wird eh abgelehnt!) Trotzdem gibt es wochen-, ja sogar monatelange Verfahren! (Abg. Krainer: Jahrelange!) – Ja, und jahrelange! Genau! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Auf Kosten der Österreicher! Weil sie immer neue Gründe bringen! Nicht wegen der Beamten! – Zwischenruf des Abg. Krainer.) Na endlich sind wir uns einmal darüber einig, dass man sofort zwischen jenen, die eine Chance auf einen positiven Abschluss haben, und jenen, die augen­scheinlich keine Chance haben, weil sie ganz einfach wirtschaftliche oder andere Gründe vorbringen, unterscheiden muss.

Herr Kollege Krainer! Nur darum geht es uns: dass wir schon zu Beginn des Verfah­rens genau unterscheiden zwischen jenen, die eine Chance auf ein positives Verfahren haben – diese sollen alle Unterstützung, einschließlich der Bundesbetreuung, bekom­men –, und jenen, die das Asylrecht in Österreich missbrauchen. Dafür brauchen wir aber nicht Wochen und Monate, sondern da reichen wenige Stunden oder Tage. Des­halb ist es notwendig, auch diese Regelung des sicheren Drittlandes mit einzube­ziehen.

Meine Damen und Herren! Das ist ja wirklich eine Widersprüchlichkeit: Auf der einen Seite sagen Sie, die EU-Erweiterung ist so wichtig und diese Europäische Union ist eine demokratische Wertegemeinschaft. – Für die Mitgliedschaft von Ländern in der Europäischen Union gibt es klare Kriterien, das wissen Sie so gut wie ich, und wenn Länder diese Kriterien nicht erfüllen, dann können sie auch nicht Mitglied werden.

Wenn sie aber andererseits Mitglied sind, dann müssen wir davon ausgehen, dass es dort auch im Asylrecht rechtsstaatliche Verfahren gibt. Deshalb ist diese Sichere-Dritt­staaten-Klausel für uns von ganz besonderer Bedeutung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir waren lange genug EU-Außengrenze, und wir werden durch diese EU-Erweiterung sehr viele Nachteile zur Kenntnis nehmen müssen. Daher verlangen wir aber auch von all jenen Ländern, die hier mit dabei sind, dass sie uns auch ein wenig von jener Last abnehmen, die in diesem Bereich der Zuwanderung auf uns zugekommen ist und in weiterer Folge auch noch zukommen wird.

Ich möchte nicht von Einzelfällen reden – weder beim Missbrauch noch dort, wo das möglicherweise berechtigte Ansuchen nicht anerkannt worden ist –, sondern es geht um den Durchschnitt, meine Damen und Herren!

Sie wissen, dass in Traiskirchen pro Woche bis zu einem Viertel der Asylwerber in die Illegalität verschwinden – bis zu einem Viertel pro Woche! Der Rechnungshof sagt, 42 Prozent der Verfahren können nicht abgeschlossen werden, weil die Asylwerber in die Illegalität abtauchen, da sie wissen, dass sie keine Chance auf einen positiven Ab­schluss haben. Da ist es selbstverständlich klar, dass diese Leute kein Interesse an einem raschen Verfahren haben, denn solange das Verfahren anhält, haben sie die Möglichkeit, hier aufhältig zu sein. Das ist ja keine Frage.

Deshalb ist es auch eine sinnvolle Forderung, das Neuerungsverbot zu statuieren, denn wenn jemand berechtigte Gründe hat, dann soll er sie zu Beginn des Verfahrens einbringen, aber nicht schon praktisch abgeschlossene Verfahren wieder eröffnen können, indem er neue Gründe mit einbringt.


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Dass es – Frau Kollegin Stoisits hat es einmal bestritten, aber es ist Tatsache! – über­haupt möglich ist, dass Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, Kanadas oder der Schweiz Asylanträge in Österreich stellen und in das Verfahren zugelassen werden (Abg. Krainer: 0,01 Prozent!) – das ist egal, Herr Kollege, aber dass das möglich ist, zeigt doch, dass dieses System falsch und reparaturbedürftig ist! (Abg. Dr. Einem: Nein! Das zeigt es nicht!) Das werden Sie doch wirklich zugeben müssen.

Es ist sehr viel über Traiskirchen gesprochen worden, daher noch ein Punkt – das ist eine Sache, in der die freiheitliche Fraktion mit dem Herrn Innenminister nicht ganz einig ist (Abg. Hagenhofer: Geh!) –: Wir sind dafür, dass es diese Erstaufnahmestellen gibt, aber wir glauben nicht, dass ein Ort wie etwa Traiskirchen in einer ohnehin schon leidgeprüften Gemeinde die richtige Lokation ist. Wir wollen diese Erstaufnahmestellen in Grenznähe organisieren, damit diese Verfahren wirklich auch gleich an der Grenze – selbstverständlich mit ausreichend vielen Beamten – durchgeführt werden können. Dadurch können wir auch die Bevölkerung, die jetzt unter den Zuständen leidet, ent­lasten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei diesem Asylgesetz haben wir eine gute Lösung gefunden; vielleicht können wir dann auch bei der Durchführung und auch bei der Frage, wo diese Erstaufnahme­zentren eingerichtet werden, gemeinsam eine gute Lösung finden. Ich kann Ihnen nur sagen: Österreich wird auch weiterhin ein sicheres Land für wirkliche Asylwerber sein. Wir werden selbstverständlich auch weiterhin unsere Verantwortung für Kriegsflücht­linge wahrnehmen. Aber genau um das zu können, ist es notwendig, in Zukunft den Missbrauch dieses wichtigen Asylrechts zu verhindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.25

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Krainer zu Wort gemeldet.

Sie stellen bitte den richtigen Sachverhalt dem zu berichtigenden gegenüber und ent­halten sich der politischen Wertung. – Bitte. (Abg. Mag. Mainoni: Die „Leiberl-Berichti­gung“!)

 


13.26

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Danke für die Belehrung, Herr Präsident! – Bundesminister Strasser hat soeben gemeint, der Bürgermeister von Traiskirchen, Knotzer, würde die Sanierungsmaßnahmen im Lager in Traiskirchen blockieren. (Rufe bei der ÖVP: Das ist auch so! Stimmt!) – Das ist nicht wahr!

Wahr ist vielmehr, dass er das vom Gesetz her gar nicht kann. Der Bürgermeister hat überhaupt kein Mitspracherecht. Es geht nur um einen weiteren Ausbau, und diesen blockiert er aus den bekannten Gründen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lentsch: Genau das hat er gesagt! – Abg. Dr. Fekter: Eine tatsächliche Bejahung! – Abg. Mag. Mainoni: Eine tatsächliche Bestätigung!)

13.26

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


13.26

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann Scheibner! Ich habe für mein T-Shirt 15 € bezahlt, und ich unterstütze die Aktion der Volkshilfe gerne. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Und glauben Sie, dass das ein Gewinn ist für die Volkshilfe? Aus Spendengeldern! Ist das eine richtige Investition?)


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Meine Damen und Herren! Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Ver­folgungen Asyl zu suchen und zu genießen. – Das steht im Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte vom 10. Dezember 1948. (Abg. Dr. Partik-Pablé: 15 € ist nicht kostendeckend! Da wird der Rest aus Spendengeldern bezahlt!) – Regen Sie sich bitte nicht so auf, Frau Partik-Pablé! (Abg. Dr. Bleckmann: Da muss man sich aber aufregen!)

Mit dieser heutigen Regierungsvorlage wird es künftig für Flüchtlinge und Mitarbeiter der Asylbehörden noch schwieriger werden, Schutz zu erhalten beziehungsweise Schutz zu gewähren. Diese Gesetzesvorlage entfernt sich weiter vom EU-Standard, obwohl Sie, Herr Bundesminister, immer wieder betonten, nach den EU-Richtlinien zu handeln. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da geht sie Spenden sammeln, die „Volkshilfe“! Bei den ärmsten Leuten!)

Experten kritisieren diese Vorlage als menschenrechtswidrig, da Österreich nach dieser Vorlage kein sicherer Drittstaat mehr sein wird. Dieser Antrag ist auch legistisch eine „Meisterleistung“ und strotzt vor Verfassungsbrüchen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Laut selbst ernannter Verfassungsrechtlerin Pfeffer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem vorliegenden Paket werden künftig mehr Flüchtlinge auf der Straße stehen und weder ein noch aus wissen. Das ist auch deshalb tragisch, weil der Winter vor der Tür steht.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz wird uns auf den Kopf fallen, und vor allem auch jenen Institutionen und Menschen, die ein Herz für Flüchtlinge haben, helfen wollen und es nicht dürfen.

Interessant ist dabei die Rolle der ÖVP. Sie hat sich in dieser Frage gänzlich von ihren christlich-sozialen Werten verabschiedet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Lassen Sie doch das „christlich-sozial“!) Meine Damen und Herren! „Christlich-sozial“ bedeutet für mich auch Nächstenliebe. Wissen Sie eigentlich, wie viele erschüt­ternde Begebenheiten sich Jahr für Jahr abspielen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie wissen ja nicht einmal, was das ist, „christlich-sozial“!)

Ich lebe an der Grenze zu Ungarn und der Slowakei. (Abg. Neudeck: Bei dem, was Sie sagen, greift sich der Kreisky auf den Kopf!) Bei einer Begutachtung – bitte hören Sie mir jetzt zu, ich spreche von Tatsachen! –, wie und wo die Flüchtlinge von ihren Schleppern ausgesetzt wurden, fanden wir Babywäsche, kleine Schuhe und so weiter, die auf der Flucht verloren wurden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie wissen nur, was sozialistisch“ ist!)

Meine Damen und Herren! Mir ist die Gänsehaut über den Rücken gelaufen, und ich musste daran denken, wie ich selbst als fünfjähriges Kind den Ungarnaufstand 1956 miterlebt habe. (Abg. Scheibner: Aber um das geht es gar nicht!) – Hören Sie mir zu! (Abg. Neudeck: Der Kreisky greift sich auf den Kopf bei Ihren Aussagen!) – Unga­rische Flüchtlinge haben damals beim Einmarsch der russischen Soldaten den Eisernen Vorhang gestürmt und sind mit dem, was sie am Leib hatten, nach Österreich in die Grenzorte geflüchtet.

Meine Damen und Herren! Unsere Familien hatten damals selbst sehr wenig zum Leben und haben diese Menschen unbürokratisch aufgenommen, weil man gespürt hat, dass hier Hilfe gebraucht wird. (Abg. Scheibner: So ist es!) Wer nicht in den Familien Aufnahme fand, hat in den umliegenden Gasthäusern auf Stroh geschlafen. Ich werde das nicht vergessen. Wir haben einen kleinen Buben in meinem Alter beherbergt. Ich habe ihm meine ersten Winterstieferl gegeben, und meine Mutter musste mir erklären, warum es ärmere Kinder als mich gab.


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Meine Damen und Herren! Damals waren wir arm, aber wir haben trotzdem unser Letztes gegeben. Wie es der Zufall so will, jährt sich heute dieser Tag. Der 23. Okto­ber – 1956! – ist der ungarische Nationalfeiertag, und dieser Tag wird heute gefeiert, weil 180 000 Menschen damals in zwei Nächten das Land verlassen mussten.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz werden auch die karitativen Organisa­tionen enteignet. Eine zusätzliche tragische Auswirkung ist, dass die Vertrauensbasis zwischen den NGOs und dem Staat total zerstört wird. (Abg. Neudeck: Non-profit-Organisationen sollen auch kein Eigentum haben!)

Herr Bundesminister! Wo ist die christlich-soziale ÖVP? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie wissen doch nicht einmal, was „christlich-sozial“ ist! – Abg. Gaál: Das ist ja unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich weiß es, Frau Partik-Pablé! Ich weiß es! Wenn Sie von Ihren eigenen Institutionen wie Caritas und Diakonie kritisiert werden, gibt Ihnen das nicht zu denken? Gilt für Sie die Erklärung der Menschenrechte nicht?

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Herr Bundesminister! Ich möchte nicht glauben, dass bei Ihnen dort, wo wir ein Herz haben, ein Stein sitzt! (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Hoscher zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die gesetzlichen Regelungen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Krainer: Zuhören!)

 


13.32

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Präsident! Herr Klubob­mann Scheibner (Abg. Scheibner: Dass ihr die Opfer da missbraucht für eure Partei­politik!) – dessen Zwischenruf ich noch abwarten darf – hat vorher behauptet, ich würde ein von einer karitativen Organisation subventioniertes Leibchen tragen.

Ich berichtige tatsächlich: Selbstverständlich ist dieses Leibchen bezahlt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: 15 €!) Der Kaufpreis liegt – wie Sie wissen dürften – erheblich über den Produktionskosten. Daher ist die Subvention umgekehrt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Von wem? Wer hat es vorfinanziert? Wer hat es drucken lassen? – Abg. Scheibner: Ist es die Aufgabe der „Volkshilfe“, für euch Leiberl zu pro­duzieren? – Zwischenruf des Abg. Krainer.)

13.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Stadler zu Wort. Redezeit: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Neudeck: Die neuen Leiberl macht mit Kapuzen, das passt euch besser! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Ich bitte um Aufmerk­samkeit für die Rednerin!

 


13.33

Abgeordnete Astrid Stadler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Krainer und Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Krainer! Sie sitzen auf einem Platz, der nicht der Ihrige ist, und Sie stören die Rednerin. – Ich erteile Ihnen einen Ord­nungsruf. (Rufe der Empörung bei der SPÖ.)

 


Abgeordnete Astrid Stadler (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! – Ich darf kurz zum Entschließungsantrag der Grünen Stellung nehmen. Es ist keine der Damen im Raum, also scheint es, dass sie die Asyldebatte vielleicht doch nicht so sehr interessiert. (Abg.


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Dr. Gusenbauer: ... wenn die Zwischenrufe nicht einmal ein intellektuelles Mindest­niveau haben!)

Frau Kollegin Weinzinger hat einen Entschließungsantrag eingebracht. Ich darf kurz dazu sagen, dass Genitalverstümmelung sehr wohl ein Asylgrund sein kann, wenn es in der Familie oder in der Sippe üblich ist und vom jeweiligen Staat toleriert wird. In Österreich gibt es von den Höchstgerichten keine einschlägige Judikatur, es entschei­det schlussendlich der UBAS darüber.

Vielleicht darf ich noch daran erinnern, dass im Abänderungsantrag gerade für diese Frauen eine Änderung dahin gehend vorgenommen wurde, dass sie von Beamtinnen einvernommen werden, damit hier mit größter Sorgfalt und Sensibilität vorgegangen werden kann. – Wir werden diesem Entschließungsantrag aus diesen Gründen nicht zustimmen.

Es waren sich alle Parteien in Österreich und auch viele Hilfsorganisationen über die Grundlagen und die Zielformulierung der Änderung zum Asylgesetz eigentlich einig. Tatsache ist auch, dass 80 Prozent aller Asylanträge in der Vergangenheit abgelehnt wurden, weil keine Asylgründe eingebracht wurden oder vorgelegen sind.

Frau Pfeffer! Asyl geben heißt – wenn ich das so sagen darf – auch für uns, Schutz ge­währen, wenn das Leben von Flüchtlingen bedroht ist. Das wird sich nach dem neuen Asylgesetz nicht ändern (Abg. Krainer: Das wird sich ändern!), ganz im Gegenteil: Wir werden dafür sorgen, dass jene Menschen, die Schutz brauchen, schnellen und wirk­lichen Schutz bekommen. (Abg. Öllinger: Das glauben Sie!)

Sie erzählen hier, dass Menschen aufgenommen werden, und es ist richtig so. Warum sagen Sie, wir haben Steine statt Herzen? (Abg. Pfeffer: Ja, das denke ich mir!) – Warum? Sie müssen mir bitte erklären, warum! Was soll ich jenen Menschen sagen? Ich kann Ihnen auch über Fälle von gewalttätigen Flüchtlingen erzählen. Ich glaube aber nicht, dass es richtig ist, mit Menschen Parteipolitik zu betreiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, es ist unsere Verantwortung, auch für diese Problematik Sorge zu tragen. Sie wissen, dass Österreich als kleines Land in Europa die größte Außengrenze zum Osten hin hat. Sie wissen auch, dass viele Schlepperbanden Menschen unsagbar aus­nützen, ihnen alles abnehmen und ihnen Dinge versprechen, die nicht eintreten.

Wir hier in Österreich sind ein Asylland, aber wir sind kein Einwanderungsland. (Bei­fall des Abg. Scheibner.) Mit dieser Asylgesetz-Novelle senden wir die Botschaft auch jenen Männern, die von den Schlepperbanden ausgebeutet werden. Es ist nicht christ­lich-sozial, wenn man solchen Schlepperbanden ein Fundament gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Gaál.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Redezeit geht zu Ende. Ich darf zum Schluss vielleicht noch Folgendes sagen: Ich glaube und bin davon überzeugt, dass unsere Beamten, unsere politischen Vertreter auf Bundesebene und unsere politischen Vertreter in den Bundesländern gemeinsam mit den Hilfsorganisationen große Verant­wortung tragen und diese sehr ernst nehmen und dass wir dafür zu sorgen haben, dass Schutz und Betreuung all jenen Menschen zugute kommt, die es wirklich notwen­dig haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.36

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. Sie wünscht, 5 Minuten zu sprechen. – Bitte.

 



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13.37

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen des Nationalrates! Auch ich habe mein Leibchen gekauft; es ist mir nicht geschenkt worden. (Abg. Scheibner: Das ist trotzdem nicht Aufgabe einer karitativen Organisation, für euch die Werbemittel zu finanzieren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen. – Das steht in der europäischen Grundrechts-Charta, die zwar noch nicht geltendes Recht ist, aber als politisches Dokument für die Mitgliedstaaten und Organe der EU gilt. Sie soll auch für die Festlegung von Mindest­standards bezüglich der Aufnahme von AsylwerberInnen in den Mitgliedstaaten der EU als Orientierungsmaßstab und Leitfaden für die innerstaatliche Umsetzung dienen.

Als wir in den letzten Wochen in Österreich über das Asylgesetz beraten haben – Gott sei Dank haben wir auf Initiative der SPÖ das Gesetz nicht vor dem Sommer be­schlossen, sonst hätte es nicht einmal ein Expertenhearing gegeben –, hatte man aller­dings nicht den Eindruck, dass die Damen und Herren der Regierungsparteien diesen Satz gelesen haben. Wenn sie ihn aber gelesen haben, dann habe ich nicht den Ein­druck, dass sie ihn verstanden haben, denn ansonsten könnten sie das Gesetz heute nicht so beschließen, wie es jetzt vorliegt.

Ich höre immer nur von Asylmissbrauch, von Schlepperbanden, ich höre von kriminel­len Fremden, aber ich habe in sehr wenigen Redebeiträgen etwas über die Schicksale der Menschen gehört, die in Österreich Schutz suchen. Ich denke, diese Diskussion müsste auch einmal geführt werden, sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Lentsch: Die kriegen sie auch! – Abg. Schöls: Die bekommen sie ja!)

Sie setzen sich über alle Expertenmeinungen hinweg, die eindeutig aussagen, dass das Asylgesetz gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, gegen die Europäische Men­schenrechtskonvention und in einigen Punkten auch gegen die österreichische Verfas­sung verstößt.

Experten sagen auch, dass mit dem Abänderungsantrag, in dem die Bundesbetreu­ungsrichtlinie geändert wurde, mit dem Verfahren über die Unterbringung ein asyl­ähnliches Verfahren geschaffen wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht richtig, denn die Asylgründe müssen im Asylverfahren festgestellt werden. – Auch das sagen die Experten, aber Ihnen ist das auch egal. Sie wischen es einfach mit einer Handbewegung weg.

Ich habe mich weiters im Rahmen der Expertenhearings und auch in den Ausschuss­sitzungen sehr darüber gewundert, wie unglaublich über die Experten gesprochen wurde und mit welcher Überheblichkeit geurteilt wurde. Es wurde ihnen die Kompetenz abgesprochen, es wurde ihnen nachgesagt, dass sie nur eine einseitige Sichtweise hätten, und das wird ihnen auch noch schlecht ausgelegt. Das ist ungeheuerlich! Gelten Experten nur dann als Experten, wenn sie Ihre Meinung vertreten, sehr geehrte Damen und Herren von ÖVP und FPÖ?

Die Organisationen sind meiner Meinung nach dazu verpflichtet, aufzuzeigen, was mit den Menschenrechten in Österreich zurzeit passiert und wie es zurzeit um das Rechts­verständnis der Regierungsparteien bestellt ist.

Das Gesetz wird aller Wahrscheinlichkeit nach – wir haben das heute schon gehört – vor dem Verfassungsgericht nicht halten, aber auch das ist Ihnen egal. Bei diesem Ge­setz kommt aber erschwerend hinzu, dass, wenn es dann vielleicht vom Verfassungs­gerichtshof aufgehoben wird, schon Menschen abgeschoben worden sind und diese großen Schaden erleiden. Ich frage mich, ob Sie das wirklich wollen, und ich frage mich, ob Sie das auch verantworten können. (Beifall bei der SPÖ.)


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Auch ich möchte an die christlich-sozialen Wurzeln der Damen und Herren von der ÖVP appellieren, und ich ersuche Sie: Überdenken Sie diesen heutigen Beschluss! Bei der FPÖ sind wir fremdenfeindliche Aussagen ja schon gewöhnt. (Abg. Scheibner: Halten Sie sich ein bisschen zurück!) Sie haben ja Ihre Haltung schon des Öfteren in den Wahlkämpfen bewiesen. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Trotzdem appelliere ich auch an Sie: Überdenken Sie diesen Beschluss! Es gibt auch noch einige Tatsachen, die Sie ebenfalls ignorieren ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Scheibner! Ich bitte auch Sie, dass Sie die Rednerin nicht stören! (Abg. Scheibner: Wir werden der Fremdenfeindlichkeit bezichtigt! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir werden doch dauernd als fremdenfeindlich beschimpft!) Sie können sich dann zu Wort melden!

 


Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (fortsetzend): Sie ignorieren ganz einfach ein OGH-Urteil und enteignen somit Organisationen und Länder. Sie können den Ver­stoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gegen die Genfer Flücht­lingskonvention nicht wegreden, sehr geehrte Damen und Herren. Sie können ihn auch nicht schönreden, nicht mit der Vorverurteilung von Flüchtlingen und nicht mit Angriffen auf Persönlichkeiten der diversen Hilfsorganisationen. Dieses Gesetz wird so, wie es heute beschlossen werden wird, nicht zur Beschleunigung der Asylverfahren beitra­gen.

Wir seitens der SPÖ stehen für Beschleunigung der Asylverfahren, und wir stehen auch dafür, dass man die Schlepperbanden bekämpfen muss. Wir stehen aber nicht dafür, dass man die Menschen, die zu uns kommen, bekämpft – die Schlepperbanden dagegen sehr wohl. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage mich allen Ernstes, was die wirklichen Be­weggründe für Sie sind, ein derartig restriktives Asylgesetz zu beschließen, das keines­wegs die Zustimmung der EU findet und das von so vielen im Vorfeld angezweifelt wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sollten Sie das seit der Terrorismusdiskussion nicht wissen, sind Sie wirklich am falschen Platz!) Ich frage mich: Warum können Sie Argu­mente von Experten nicht gelten lassen? Warum können Sie keine Diskussion führen, in der Sie auch einmal unsere Argumente hören? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie müssten einmal unsere Argumente anhören!) – Ich finde das bedauerlich. Sie laden immer ein zur Diskussion, zum Mitreden, aber Sie hören unsere Argumente nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin aber wie Kollegin Stoisits eine Optimistin bis zum Schluss, und ich appelliere deshalb an Sie: Geben wir heute der Menschlichkeit eine Chance, und stimmen Sie unserem Rückverweisungsantrag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rossmann, die 5 Minuten zu uns sprechen wird. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.43

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Mein Kollege hat mich gerade gefragt: Warum hast du kein Kreisky-Leiberl an? Ich muss sagen, als Erstwählerin war ich Wählerin des damaligen Bundeskanzlers Kreisky, und er würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen könnte, was aus seiner Partei gewor­den ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Reheis: Wenn er hören könnte, was Sie so sagen!) Er war nämlich noch Patriot, er war mit Leib und Seele Österreicher, und Sie sind heute so weit, dass Sie Österreich verleugnen, dass Sie die Schwierigkeiten


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und die Probleme in Österreich verleugnen. (Abg. Gaál: Bitte ein bisschen mehr intel­lektuelles Niveau!)

Meine Vorrednerin hat es ja klargelegt, als sie sagte, wir befassten uns nicht mit den Schicksalen der Menschen. – Sie befassen sich nicht mit den Schicksalen der Men­schen, auch der Arbeitslosen in Österreich, die durch einen beinharten Verdrängungs­wettbewerb mittlerweile ihren Arbeitsplatz verlieren, nämlich durch einen beinharten Verdrängungswettbewerb seitens Illegaler und Asylsuchender, die einfach unterge­taucht sind und am Schwarzmarkt verfügbar sind. (Abg. Reheis: Das stimmt nicht!) – Das nehmen Sie zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Symptomatisch ist – ich habe mir die Rednerliste angesehen –: Es befindet sich kein Gewerkschafter auf der Rednerliste. Das ist doch auch symptomatisch! Wo ist denn die Gewerkschaft, die hier auch massiv genau diese Anliegen vertreten müsste? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Beim Mittagessen!) Vielleicht beim Mittagessen, wobei ich das bei dieser wichtigen Debatte nicht unterstellen würde. Tatsache ist aber: Die Gewerkschaft befindet sich nicht auf der Rednerliste, und das ist schon symptomatisch!

Um zur Gesamtdiskussion zurückzukehren: Ich habe einen unverdächtigen Zeugen, nämlich den Drogenrichter Dr. Wlasak aus Graz, der in einem Interview gesagt hat – ich zitiere –: Graz wird weiterhin von Drogen überschwemmt.

Weiters sagt er – ich zitiere wiederum –: 14-jährige Drogenkonsumenten vor Gericht sind mittlerweile nichts Außergewöhnliches mehr. – Zitatende.

Es ist auch unglaublich, wie viel Geld Dealer in Graz umsetzen. Rechnet man das zu­sammen, sind es alleine 2002 55 Millionen € gewesen. Er zollt der Suchtgiftgruppe und der SoKo in Graz, die hervorragende Arbeit leisten, Dank. Er fügt aber auch hinzu – ich zitiere –:

Die in Graz Verhafteten haben meistens ein strafrechtliches Vorleben in Deutschland, der Schweiz oder in Frankreich. Dort ist ihnen der Boden zu heiß geworden, und sie sind nach Graz gekommen. Und viele von ihnen sind Asylwerber, die um Asyl in Öster­reich angesucht haben. – Zitatende. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wollen wir verhin­dern!) – Und genau das wollen wir mit diesem Gesetz verhindern! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aus einer Studie wissen wir auch ganz genau – Kollege Mainoni hat das heute auch zitiert –, dass 80 Prozent der Drogendelikte in Österreich von Asylanten begangen wer­den. (Abg. Gaál: Das sind doch Behauptungen!) Ein Großteil davon wird von Asylanten verübt, die mittlerweile untergetaucht sind und sich dem Verfahren gar nicht mehr stellen. Sie kennen auch die Problematik, dass an den Grenzen oft die Identität im wahrsten Sinne des Wortes weggeworfen wird. Es gibt keine Ausweispapiere mehr, oft wird nicht einmal mehr das Alter festgestellt. Man kann diese Menschen nicht mehr in ein Heimatland zurückschicken, weil man gar nicht weiß, woher sie gekommen sind.

Ein weiterer Punkt – und einmal mehr eine Kritik an der Verzögerung –: Natürlich werden immer neue Einwände vorgebracht. Mit dem Neuerungsverbot haben wir jetzt endlich die Möglichkeit, die Verfahren rasch abzuwickeln und nicht mehr unendlich verzögern zu lassen.

Durch einen Rechnungshofbericht wissen wir auch, dass 42 Prozent der Asylwerber untergetaucht sind. Allein im Jahr 2001 konnten 42 Prozent der Verfahren nicht einmal abgeschlossen werden. Wenn Sie unter diesem Aspekt immer noch sagen, was wir hier machen, sei menschenverachtend – Fremdenfeindlichkeit haben Sie uns vorge­worfen –, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es auch in Österreich Menschen gibt, die Angst haben.


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Da Traiskirchen angesprochen wurde: In Traiskirchen hat man mittlerweile einen Zaun um die Schule gebaut, damit die Kinder nicht auf Drogenspritzen steigen! – Auch das sollten Sie sehen. Sie sollten das nicht einseitig sehen. Auch in Österreich haben Men­schen das Recht auf Schutz, und wir sind österreichische Politiker, und wir haben hier den Schutz der Österreicher zu garantieren.

Und ich sage einmal mehr, auch wir Freiheitlichen stehen dazu: Österreich ist kein Ein­wanderungsland! Asylwerber haben die Möglichkeit, nach der Genfer Konvention Asyl zu bekommen. Und die Genfer Konvention besagt auch ganz klar: Jeder Flüchtling hat gegenüber dem Land, in dem er sich befindet, Pflichten, zu denen insbesondere die Verpflichtung gehört, die Gesetze und sonstige Rechtsvorschriften zu beachten.

Alle jene, die aus wirklich berechtigten Gründen um Asyl ansuchen, werden ihr Asyl auch erhalten – und dies jetzt rascher als bisher! – Danke. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Hagenhofer zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.49

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Kolle­gin, wir von der SPÖ verleugnen die Realität nicht, auch wir wissen, dass nicht jeder, der kommt, automatisch einen Anspruch auf Asyl hat. Aber – und das ist der feine Unterschied –: Jeder, der kommt – und dafür stehen wir – hat Anspruch auf ein schnel­les, faires und vor allen Dingen rechtsstaatliches Verfahren. Das sind wir dem Rechts­staat und auch den Menschen schuldig. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister, Sie haben mir mit Ihrem Dank an eine Gemeinde eigentlich ein Stichwort gegeben. Ich meine, Ihr ÖVP-Kollege Bürgermeister Franz Manglberger aus Franking wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie bereits in dieser Bundesbetreuungsge­setz-Novelle – und nicht erst in einer Artikel-15a-Vereinbarung, die es ja noch nicht gibt – die Gastschulbeiträge, die für in Bundesbetreuung Befindliche – und in Franking sind Flüchtlinge in Bundesbetreuung – zu entrichten sind, dieser Gemeinde abnehmen würden. (Bundesminister Dr. Strasser: Das darf ich nicht!) Ich könnte mir schon den­ken, dass Sie das dürfen, wenn Sie das wollen, Herr Minister! Es ist eine Verhand­lungsfrage.

Wenn schon Asylrecht und Bundesbetreuungsgesetz auf neue Beine gestellt werden, dann hätten solche Dinge Priorität, würde ich meinen. Das reicht auch bis dorthin, Herr Bundesminister, dass endlich die Quotenerfüllung durch jene Länder wie Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Kärnten und Steiermark erreicht wird, die auch Asylwerber oder Flüchtlinge aufnehmen sollten, aber ihre Quoten offensichtlich nicht erfüllen. Das würde sehr viel zur Entspannung in einzelnen Gemeinden beitragen, wenn eine weitere Verteilung möglich wäre. Und genau darum würde ich Sie bitten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser.)

Ja, ich verstehe Sie schon, Herr Bundesminister, aber das Asylgesetz ändern Sie jetzt, und bei den Änderungen könnten Sie das auch gleich mit hineinnehmen.

Herr Bundesminister! Es gibt noch etwas, das mit dieser Bundesbetreuungsgesetz-Novelle passiert und das große Angst auslöst. Es werden nämlich den Ländern und NGOs, die in der Vergangenheit Asylwerbern Unterkunft, Verpflegung und medizi­nische Betreuung gesichert haben, rückwirkend die Ansprüche vernichtet, und bei den Ländern geht es dabei offensichtlich um 1 Milliarde Schilling. Herr Bundesminister, das kann es wohl nicht sein! Im Hearing ist die damit eintretende Situation an folgen­dem Beispiel verdeutlicht worden: Ein Fußballspiel zwischen Schülern und Lehrern;


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das Fußballspiel steht in der Halbzeit 2 : 0 für die Schüler. Die Lehrer wollen sich das natürlich nicht gefallen lassen, daher kommt der Schiedsrichter nach der Halbzeit heraus und sagt: Das 2 : 0 für die Schüler anerkennen wir nicht, denn wir haben in der Zwischenzeit die Spielregeln geändert. (Abg. Dr. Mitterlehner: Wie schauen denn die Spielregeln aus?) – Dieses im Hearing gebrachte Beispiel zeigt die Situation in dieser Sache sehr plastisch auf. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundesminister! Ich denke nicht, dass in erster Linie die ÖVP Vorreiter im Hinblick auf solche Maßnahmen ist; ich meine vielmehr, dass Sie hier der Koalitionspartner sehr stark treibt und Sie sozusagen in derartige Situationen zwingt. Ich würde daher Sie von der ÖVP bitten, unserem Rückverweisungsantrag beizutreten und diese No­velle nicht zu beschließen, denn das, Herr Bundesminister, hat ein Land wie Österreich nicht nötig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr wird Herr Abgeordneter Ing. Kapeller zu uns sprechen. Wunschredezeit: 4 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


13.53

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Als ehemaliger Entscheider in Erstinstanz des Bundesasylamtes in Linz getraue ich mir zu sagen, dass das derzeit gültige Asylgesetz nicht mehr praktikabel und auch nicht mehr exekutierbar ist. Das bestätigen mir auch ehemalige Kollegen, mit denen ich heute darüber spreche.

Die Flut an Asylanträgen kann bei auch noch so zahlreicher Zuführung von Personal in erster wie auch in zweiter Instanz derzeit nicht mehr bewältigt werden. Die Gesetzes­lage ist einfach schief und hat ein weit geöffnetes Tor für den Eintritt in die Europäische Union über die Asylschiene geschaffen. Dieser Umstand lässt sich in der Praxis genau nachvollziehen, und so besteht für uns in der Legislative Handlungsbedarf.

Diese Novelle orientiert sich an Faktischem. Flüchtlingen, die tatsächlich verfolgt werden, wird hinkünftig rascher und effizienter geholfen und vor allem ein faires und schnelles Verfahren garantiert. Wir schließen aber auch Lücken, und darum geht es auch. Verfolgte, Verjagte, Gefolterte sollen zu uns kommen und auf unsere Hilfe ver­trauen dürfen. Als reiche und humanistisch geprägte Gesellschaft sind wir dazu ver­pflichtet; das ist human. Aber inhuman, unmenschlich wäre, Hoffnungen zu wecken, die nicht erfüllbar sind, die nicht erfüllt werden können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir dürfen eben nicht auf Grund anderer, persönlich durchaus dramatischer Umstände, wie etwa wirtschaftlicher Notlage, Tür und Tor ins vereinte Europa, in unser Land öffnen. Migranten aus wirtschaftlichen Gründen dürfen sich ganz einfach nicht der Asylschiene bedienen. Und so ist das so sehr kritisierte Neuerungsverbot mit seinen vier Ausnahmegruppen eine, so denke ich, doch rechtsstaatliche, aber durchaus auch gerechte Art, dem Asylmissbrauch zu begegnen.

Mir hat die Praxis gezeigt, dass viele Asylwerber oft neue Umstände einer vermeint­lichen Verfolgung einbringen, ausschließlich um damit im Asylverfahren zu bleiben. Diesem Missbrauch kann nun eventuell Einhalt geboten werden. Auch ein Innen­minister Schlögl ging in seiner Rede vom 11. Juni 1997 auf Missbräuche im Asylwesen ein und sagte – und ich gebe das auszugsweise wieder –: Missbrauch gibt es im Asylwesen sehr oft, Kriminalität gibt es in hohem Maß, und nicht alle, die an unseren Landesgrenzen stehen, können herein, um hier auf die Erledigung ihres Asylantrags zu warten.


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So ist dieses erstinstanzliche Verfahren, das nun geschaffen wird, so gut organisiert, dass akzeptable Entscheidungen sehr wohl möglich sind und getroffen werden können. So ist diese Gesetzesnovelle Garant für ein schnelles, effizientes und vor allem exe­kutierbares Verfahren. Sie kann somit der Praxis gerecht werden. Sie bringt für Asyl­werber ebenso wie für Entscheider Rechtssicherheit – und damit schlussendlich auch für uns alle: Wir haben die Sicherheit, dass tatsächlich Verfolgten in unserem Land Österreich weiterhin Asyl gewährt wird, aber gleichzeitig der so notwendige Schutz vor Missbrauch besteht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Redezeit: 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


13.57

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Bis auf die letzten zwei, drei Sätze kann ich meinem Vorredner schon in vielem Recht geben, aber was Frau Kollegin Rossmann in ihrer Rede von sich gegeben hat, das hat schon etwas mit Menschenverachtung zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Ihre Zwi­schenrufe haben damit zu tun! – Abg. Scheibner: Zurückhalten!)

Bei allem Verständnis für das, was uns trennt, Frau Rossmann, aber Asylwerber so generell als Drogendealer, als kriminelle Ausländer hinzustellen, das ist wirklich nicht in Ordnung. (Abg. Dr. Fekter: Das hat sie nicht gesagt!) – Ich habe sehr genau zugehört und konnte ihrem intellektuellen Niveau sehr wohl folgen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man muss dieses Thema differenziert darstellen, und ich meine, dass dieses Gesetz kein geeignetes Instrument ist, um das Drogenproblem zu bekämpfen. Wenn Sie etwas damit bekämpfen können, dann sind es die Asylwerber. Die schrecken wir nämlich ab und treiben sie in die Hände von Schlepperbanden. Diese haben Zulauf, und denen sichern wir damit in erster Linie den Job, liebe Frau Kollegin. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird immer wieder betont, dass wir ein neues Gesetz brauchen, weil die Verfahren zu lange dauern und beschleunigt werden müssen, der Missbrauch hintangehalten werden muss und nur jene Schutz und Hilfe erfahren und Asyl bekommen sollen, die es tatsächlich brauchen. Herr Bundesminister, da sind wir bei Ihnen! Aber dazu bedarf es doch nicht dieser Radikalreform des Gesetzes, denn all jene, die sich mit der Materie beschäftigen, wissen doch, dass die Probleme nicht im Fremden- und Asyl­gesetz liegen, sondern im Vollzug, Herr Bundesminister. Und da würde schon helfen, wenn wir mehr Geld und mehr Personal zur Verfügung gestellt bekommen würden. Mit einer Verschärfung des Asylgesetzes werden Sie es nicht schaffen, diese Probleme zu lösen.

Wir alle wissen, meine Damen und Herren, dass diese Radikalreform unser Asylverfah­ren in Zukunft in vielen Punkten in Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention und natürlich auch zur Europäischen Menschenrechtskonvention bringt. Darauf ist ja schon mehrfach hingewiesen worden.

Man darf den Experten, den NGOs das ehrliche Bemühen nicht absprechen und ihnen auch nicht eine gewisse Einseitigkeit vorwerfen. Eine solche ist höchstens im positiven Sinne des Wortes gegeben, weil sie sich für den Menschen als solchen einsetzen und rund um die Uhr im Dienste des Nächsten ehrenamtlich tätig sind. Und deshalb verun­glimpft, beleidigt und diskriminiert man sie? – Man muss Ihnen Dank dafür sagen, dass sie diesen Job tun, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es sind ja nicht nur die Experten der NGOs, sondern auch andere, und ich darf Ihnen berichten, dass der Vorsitzende des Menschenrechtsbeirates, einst ein sehr ehrenwer-


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ter Höchstrichter, der im Hearing hinter mir gesessen ist, sehr deutlich und mit großer Sorge, Herr Bundesminister, darauf hingewiesen hat, dass das Gesetz Verfassungs­widrigkeiten enthält. Ich habe es mir sogar wörtlich aufgeschrieben. Er sagte, er befürchtet eine Verletzung der Grundrechte und der völkerrechtlichen Verpflichtungen. Natürlich hat er gebeten, dass man das bei der Gesetzwerdung auch dementspre­chend beachtet. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister, uns geht es um eine gute Rechtsgrundlage für faire Asylverfah­ren, aber das, was wir heute hier zur Beschlussfassung vorgelegt bekommen haben, ist aus politischer, aber auch aus juristischer Sicht höchst problematisch. Ich habe ja bereits darauf hingewiesen: Es gab vernichtende Kritik, viel Sorge, viel konstruktive Kritik. Das hat aber nichts geändert. Es wurde von Ihnen nicht ernst genommen. Es haben unsere Einwände, unsere Anregungen und Vorschläge überhaupt keine Berück­sichtigung gefunden. Wir sind enttäuscht und bedauern es, Herr Bundesminister, dass wir keine echte Chance zur aktiven Mitarbeit gehabt haben.

Für uns bedeutet Mitarbeit Mitverantwortung und Mitbestimmung. Sie haben Diskus­sion erlaubt, Herr Bundesminister, aber Sie waren nicht bereit zu Ergänzungen und zu Abänderungen. Sie haben uns praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt. Ohne Wenn und Aber wird nun dieses Gesetz hier durchgezogen, doch wir wissen, dass die Viel­zahl von Einschränkungen Hunderte Verfahren bei den Höchstgerichten erwarten lässt, und man spricht nicht zu Unrecht von einem rechtspolitischen Desaster.

Ich würde meinen, Herr Bundesminister: Lassen Sie nicht zu, dass der Rechtsstaat Österreich so behandelt wird! Schutzbedürftigen Fremden müssen wir Hilfe leisten – das haben Sie selbst gesagt –, diesen Menschen müssen wir Menschlichkeit schen­ken. Dafür müssen wir die richtigen Antworten finden, aber mit Ihrer Novelle werden Sie nicht das Auslangen finden. Sie gehen hier den falschen Weg. Sie wissen, die EU-Innenminister, wahrlich keine zimperlichen Persönlichkeiten, finden die österreichi­schen Asylrechtspläne sehr restriktiv.

Kollege Scheibner, mein lieber Freund, du hast heute hier die Drittstaatregelung ange­sprochen. Du wirst wissen, dass die Drittstaatregelung, die ihr heute hier beschließt, europaweit nicht konsensfähig ist (Abg. Scheibner: Aber das sind ja EU-Staaten, Kollege!) und vom EU-Parlament abgelehnt worden ist. Das neue verschärfte Asylge­setz, lieber Freund, taugt nicht für ein europäisches Asylsystem. (Abg. Scheibner: Deine Favoritner wollen das!) Es geht allen zu weit, es geht zu Lasten der Asylwerber, und daher ein entschiedenes Nein zu diesem Gesetz. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Frag deine Favoritner!)

14.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

 


14.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Sage und schreibe 24 Redner und Rednerin­nen haben sich jetzt mit diesem Gesetz beschäftigt. Es waren nach meiner Einschät­zung zwölf sachlich-kritische Redner dabei (Abg. Dr. Niederwieser: Es spricht der Herr Oberlehrer!), die sich sehr wohl der Tragweite dieses Gesetzes bewusst waren, die sich sehr wohl der Bedeutung dieses Gesetzes bewusst waren, die vielleicht manch­mal ein bisschen hart in der Argumentation waren, aber immer im Interesse der Repub­lik gesprochen haben. Auf der anderen Seite gab es zwölf polemische Redner und Rednerinnen, die über weite Strecken, so glaube ich, auch unsachlich argumentiert haben, deren Reden von Aktionismus geprägt waren, denn wenn man beobachtet hat, dass der Zwischenruf des Kollegen Scheibner über die Finanzierung der T-Shirts für


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mehr Aufruhr gesorgt hat als das ganze Gesetz, dann kann man sich ja ausmalen, wie bedeutungsvoll es für Sie ist. Wenn Sie dann noch, meine geschätzten Damen und Herren, schauen, was auf Ihr Leiberl gedruckt ist, dann wird sogar Kreisky sich die Haare raufen über diesen ... (Abg. Reheis: Halt! Da ist Vorsicht geboten!) Ich möchte nicht sagen, was Sie hier von sich geben. Aber das ist Ihre Sachpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Bleib sachlich!)

Es ist für mich eigentlich interessant, dass gerade die Opposition, die bei sehr vielen Thematiken immer wieder davon spricht, Missbrauch einzuschränken, immer wieder davon spricht, klare Linien vorzugeben, gegen diese Gesetzesnovelle so kritisch auf­tritt, denn eigentlich geht es ja dabei darum, den Missbrauch einzuschränken. Wenn man sich die Entwicklung der Zahlen von Asylanträgen ansieht – vor zehn Jahren: 4 740 Anträge, 2001: 30 000 Anträge, 2002: 39 000 Anträge –, dann müssen bei einem die Alarmglocken schrillen, dann muss man beginnen, darüber nachzudenken, wie man da etwas verändern kann.

Noch dramatischer stellt sich das bei genauer Betrachtung der Beweggründe dar: Da geben 12,7 Prozent als Beweggrund politische Verfolgung an, da sprechen beinahe 30 Prozent davon, aus wirtschaftlichen Überlegungen nach Österreich zu kommen, 24 Prozent geben persönliche Gründe an, über 8 Prozent nennen die Schwarzarbeit als Begründung, 0,1 Prozent sprechen davon, dass sie strafverfolgt werden, und ganze 1,7 Prozent sprechen davon, dass sie aus einem Kriegsgebiet kommen.

Ich glaube, die Motive für diese Migrationsströme liegen klar auf der Hand: Es ist eben so, dass Deutschland und Österreich es Asylanten wirklich sehr leicht machen, ins Land zu kommen. Es sind Motivationen, die natürlich daraus resultieren, dass es da ein sehr freundliches Fremdengesetz gibt, dass es da eine sehr gute Wirtschaftslage gibt und dass es da auch sehr dichte soziale Netze gibt. Deshalb glaube ich und bin auch davon überzeugt, dass man da etwas verändern sollte.

Meine Damen und Herren! Man konnte im August in der „Presse“ in diesem Zusam­menhang ein Zitat eines Fremdenpolizisten lesen, das die Lage klar beschreibt. Dieser sagte nämlich, es sei völlig egal, was bei einem Asylverfahren herauskommt, die einen bleiben offiziell da, die anderen tauchen unter. Es ist irrsinnig schwierig, die unterge­tauchten zu bekommen, maximal 10 bis 15 Prozent werden gefasst. Weiters konnte man lesen, dass über 210 Schwarzafrikaner Aufenthaltsverbote verhängt wurden und dass nur 14 gefasst wurden. Das zeigt, wie ich meine, eindeutig die Problematik und die Tragweite, die da gegeben ist.

Daher, meine geschätzten Damen und Herren, gibt es von meiner Fraktion – das kann ich hier als letzter Redner ganz klar sagen – ein klares Bekenntnis zum Asylrecht, ein klares Bekenntnis für Verfolgte nach der Genfer Konvention. Es gibt ein klares Be­kenntnis zum Schutz und zur Hilfe für Leute, die es brauchen. Es gibt, aber auch – und ich glaube, man sollte auch den Mut haben, das auszusprechen – ein klares Bekennt­nis zu Österreich, ein klares Bekenntnis zu unserer Bevölkerung, die es auch verdient, geordnete Verhältnisse vorzufinden, weshalb sie ganz klar von der Republik, vom Hohen Haus und von der Regierung ein Gesetz fordern kann, durch das all diese Dinge, die heute angesprochen wurden – Schwarzarbeit, steigende Kriminalität, Unter­tauchen in den Untergrund –, gering gehalten werden.

Deshalb ganz klar: Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Wir werden mit diesem Gesetz erreichen, mittelfristig die Schwarzarbeit und die Kriminalität in den Griff zu bekommen, und wir werden damit auch einen Schritt in die Richtung setzen, dass Ös­terreich sicherer wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


14.07


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte.

 


14.08

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Kollege Scheibner hat sich vorhin beschwert, dass wir nur rudimentär vorhanden seien. Also ich war die ganze Zeit über ganzheitlich da uns nicht rudimentär (Abg. Scheibner: Der Klub!), und ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Debatte am Vormittag zu verfolgen, war unheimlich anstrengend (Abg. Dr. Partik-Pablé: Für uns auch!), kör­perlich anstrengend, weil Sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einmal so ganz alte Gräben aufgerissen und gezeigt hat, wo Ihre Wurzeln wirklich sind (Abg. Mag. Mainoni: Moment! Wir reißen keine Gräben auf! Wir sprechen die Dinge an!), wo wirklich wieder diese alte Fremdenfeindlichkeit der Freiheitlichen aufgetaucht ist. (Abg. Scheibner: Das ist ja ungeheuerlich!) Leider! Leider! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ungeheuerlich!)

Ja, es war sehr viel von Missbrauch die Rede, von Drogenkriminalität, von Drogen­handel, von Untertauchen. (Abg. Scheibner: Warum verleugnen Sie die Realität?) Es war sehr wenig die Rede von Menschenrechten, von Grundrechten, davon, dass es wesentlich auch darum geht, Menschen, die bei uns Asyl suchen, jenen Schutz zu ge­währen, den sie brauchen. Darum geht es hier vorrangig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das haben wir immer gesagt! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben wieder einmal nicht zugehört! – Abg. Scheibner: Sie hören sehr selektiv zu! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wahrscheinlich ist vor allem das Zuhören so anstrengend für Sie!)

Es gibt in diesem Asylgesetz einen Aspekt, der durchaus einen positiven Ansatz auf­zeigt, und das ist die Einführung des Familienverfahrens, wodurch ermöglicht wird, dass die Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang bekommen. Das ist positiv, sehr positiv und hat seine Ursache sicherlich auch darin, dass Sie die Bedeutung der Familie anerkennen. Ich würde mir jetzt wünschen, dass Sie diese Bedeutung der Familie nicht nur im Bereich der Asylsuchenden anerkennen, sondern auch bei all jenen, die bereits hier in Österreich sind. Ich spreche hier die Fragen der Familien­zusammenführung an. Es hat im Vorjahr 11 000 Kinder, Frauen und vereinzelt auch Männer gegeben, die darauf gewartet haben, endlich mit ihrem Mann, mit ihrem Part­ner, mit ihrem Vater zusammenleben zu können.

Sie erklären immer wieder, wie wichtig Ihnen die Familie ist, aber all diesen Tausenden Menschen verwehren Sie dieses Recht. Sie haben auch in diesem Bereich vom Ver­fassungsgerichtshof eine ganz klare Rüge erteilt bekommen. Er hat Ihre derzeitige Handhabung bei der Familienzusammenführung als verfassungswidrig erkannt. Also auch da liegt ein krasser Missbrauch der Menschenrechte vor, und das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Sie in Wirklichkeit mit all jenen umgehen, bei welchen Sie nach außen hin so tun, als seien Ihnen die Familien so viel wert in diesem Land. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass wir derzeit in Österreich die Situation haben, dass 7 000 Kinder illegal bei uns leben, die sozusagen U-Boote sind, die keine Rechte haben, die Gott sei Dank derzeit noch in die Schule gehen können, weil es dafür keinen Meldezettel braucht. Bitte denken Sie daran, auch da gibt es Menschen in unserem Land, die dringend eine rechtliche Klarstellung brauchen, die eine rechtliche Anerkennung brauchen, sonst haben Sie in Kürze Menschen, die keinen Arbeitsplatz finden können, weil sie keine Arbeitsgenehmigung bekommen können, weil es sie hier offenbar überhaupt nicht gibt und nicht geben darf. Das ist ebenfalls ein untragbarer Zustand, für den dringender Änderungsbedarf besteht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)


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Herr Minister Strasser, Sie haben werbewirksam während der Fernsehzeit dann doch noch den NGOs für ihre Arbeit gedankt. Interessanterweise war, als Kollege Posch das getan hat, hier völlige Ruhe, da hat niemand geklatscht. Das war offenbar nicht so gut. Als der Minister das getan hat, haben Sie ganz eifrig mitgeklatscht (Abg. Großruck: Weil das, was der Minister sagt, von uns ernst genommen wird!) und dabei vergessen, dass das Ganze ein recht zynischer Akt war. Der Minister hat zwar den NGOs für ihre Arbeit gedankt, gleichzeitig verwehrt er ihnen aber das Geld für die Arbeit, die sie leisten, wiewohl er als Innenminister den gesetzlichen Auftrag hätte, dafür zu sorgen, dass die Betreuung der Asylsuchenden gewährleistet ist. Das verweigert er. Nur in der Fernsehzeit herzlich zu danken, Herr Minister, darauf kann man dann auch verzich­ten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.13

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte.

 


14.13

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Ich möchte da nicht unmäßig verlängern, nur darauf hinweisen: Ja, Familienzusammenführung ist ein wichtiges Thema für diese Regierung, deshalb hat sie auch erstmals ihren Platz in einer Regierungserklärung der schwarz-blauen Regierung im Jahre 2000 und auch jetzt im Jahre 2003 gefunden.

Ausfluss dieser Absicht dieser Bundesregierung ist es, dass wir den Rucksack, den wir übernommen haben, als wir in die Regierung eingetreten sind, inzwischen massiv abgebaut, ja halbiert haben. Wir haben darüber hinaus die höchste Quote an Familien­zusammenführungen, seit es die Quote überhaupt gibt. Das ist die Arbeit dieser Bun­desregierung und des Innenministeriums! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum Zweiten, Frau Abgeordnete: Der Verfassungsgerichtshof hat die Arbeit des Innen­ministeriums und die gesetzlichen Grundlagen in diesem Bereich bestätigt. Er hat einige Hinweise zur Verwaltungspraxis gegeben, und zwar zur Verwaltungspraxis der Länder, und daraufhin habe ich allen Landeshauptleuten geschrieben, habe sie einge­laden, diese ihre Verwaltungspraxis, die ja in den Ländern unterschiedlich ist, mit den Hinweisen aus dem Gerichtserkenntnis – um ein solches handelt es sich, glaube ich – zu vergleichen und entsprechende Anpassungen oder auch entsprechende Vorschläge zu machen. Das ist der Sachverhalt, um den es hier geht!

Noch ein Letztes zur Fernsehzeit oder Nichtfernsehzeit: Egal, ob Fernsehzeit oder Nichtfernsehzeit, die Arbeit der Non-profit-Organisationen ist uns wichtig und teuer, und wir bedanken uns in aller Form für diese Arbeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Des Weiteren: Dieser hier diskutierte Gesetzentwurf, der in einigen Minuten zur Ab­stimmung gelangt, gibt zum ersten Mal in der Geschichte des Bundesbetreuungsge­setzes einen Rechtsanspruch für NGOs bei gewissen Leistungen, die sie erbringen. Das ist der qualitative Unterschied gegenüber der früheren Rechtssituation, liebe Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP.)

Damit darf ich auch noch einmal wiederholen, was ich – egal ob Fernsehzeit oder Nichtfernsehzeit – in meiner ersten Wortspende gesagt habe: Ich habe in der Früh in einem ausführlichen Gespräch gemeinsam mit den Präsidenten der Non-profit-Organi­sationen klargestellt, dass wir über diesen Gesetzentwurf hier hinausgehen wollen, dass wir gemeinsam mit den Ländern alles tun wollen, damit in diesem Winter keiner, der Hilfe braucht und in Not ist, auf der Straße sein muss. Das ist unsere Absicht, die


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wir heute gemeinschaftlich festgelegt haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

14.16

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Ellmauer: Er kann das nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

 


14.16

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister Strasser hat soeben bei seiner vierten Wortmeldung gesagt, dass die Familienzusammenführungsquote, die er jetzt ermöglicht habe, besonders hoch wäre und dass damit der Versuch unternommen würde, den Rucksack, den er von der vor­hergehenden Regierung übernommen habe, abzubauen.

Herr Bundesminister! Diese Behauptung ist falsch!

Richtig ist, dass die Familienzusammenführungsquote in den Jahre 1995 und 1996 doppelt so hoch war wie jetzt. Das sollten Sie wissen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Stoisits: So ist es! Ja!)

14.17

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pack. – Bitte.

 


14.17

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Geschätzter Herr Bundesminister! Mittlerweile sind fast alle wieder da, daher fasse ich einmal kurz zusammen, was Asyl eigentlich bedeutet.

Asyl bedeutet, jemandem Schutz vor Verfolgung zu geben, jemanden vor Folter zu schützen, jemanden vor Beleidigung zu schützen und jemanden vor menschenver­achtender Behandlung zu schützen. (Abg. Parnigoni: Bei dieser Regierung!) Asyl ist bei uns das Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich den Fremden nach den Bestimmungen unseres Asylgesetzes gewährt. Die Betonung liegt auf „gewährt“.

Diese Rahmenbedingungen wollen wir nun noch einmal präzisieren – zum Wohle der Betroffenen, aber auch zum Schutz von Österreicherinnen und Österreichern vor miss­bräuchlicher Verwendung des Begriffes Asyl. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Die Grundidee des Asylgesetzes lautet, dass alle hilfsbedürftigen Asylwerber, wenn sie zum Beispiel aus rassistischen, religiösen oder politischen Gründen verfolgt werden, Schutz bekommen sollen. Diese Aufgabe wird auch weiterhin erfüllt werden. Wir haben jedoch im Moment ein Gesetz, das auf höchstens 15 000 Asylanträge ausgerichtet ist. In den letzten Jahren haben wir allerdings eine dramatische Steigerung der Zahl der Asylanträge feststellen müssen, die im Vorjahr mit fast 40 000 sicherlich einen histo­rischen Höhepunkt erreicht hat. (Abg. Gaál: Sie müssen nur mehr Beamte einsetzen!) Wir alle wissen aber, dass viele dieser Anträge eigentlich keine echten Anträge sind, sondern Anträge von so genannten Wirtschaftsflüchtlingen. Wenn wir jetzt noch beden­ken, dass die Anerkennungsquote bei diesen Anträgen bei gerade einmal 20 Prozent liegt, dann sehen wir, wie dringend es notwendig ist, hier eine Novellierung durchzu­führen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dass die vorliegende Novelle sicherlich kein Schnellschuss ist, haben viele meiner Vor­redner bereits erwähnt, deshalb werde ich darauf nicht näher eingehen.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem jene von der SPÖ und von den Grünen! Wenn Sie heute gegen die hier vorliegende Novelle des Asylgesetzes stimmen, stim­men Sie letztlich gegen eine rasche und umfassende Hilfe für hilfsbedürftige Men­schen, denen wir ja eigentlich Hilfe geben wollen. Also, meine lieben Kollegen, sagen Sie „ja“ zu dieser Novelle und bekennen Sie sich zu einem offenen, hilfsbereiten und barmherzigen Österreich, das sich aber auf gar keinen Fall ausnützen lassen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.20

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


14.20

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn Herr Universitätsprofessor Matscher den Entwurf des Herrn Innenminis­ters lobt, verteidigt, dann betreibt er nicht Parteipolitik. Wenn Universitätsprofessor Funk den Entwurf kritisiert, dann betreibt er Parteipolitik. Wenn Universitätsprofessor Neisser den Entwurf kritisiert, dann betreibt er Parteipolitik. Wenn Universitätsprofes­sor Öhlinger den Entwurf kritisiert, dann betreibt er Parteipolitik. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn Universitätsprofessor Mayer den Entwurf kritisiert, dann betreibt er auch Parteipolitik. Wenn die karitativen Organisationen den Entwurf kritisieren, dann betrei­ben sie Parteipolitik, werden andererseits natürlich vom Herrn Innenminister gelobt – er sagt; Ja, sie machen gute Arbeit! –; gleichzeitig werden sie ihrer Ansprüche enteig­net und in ihrer Kritik nicht ernst genommen. – So schaut es aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich glaube nicht einmal, dass Sie selbst das ernst nehmen. Ich habe während der Debatte sehr wohl aufgepasst, auch die differenzierten Positionen, die in Nuancen durchgekommen sind, wahrgenommen. Frau Kollegin Stadler, natürlich habe ich auch bei Ihren Ausführungen aufgepasst, und mir ist aufgefallen, dass Ihr Gefühl durchaus von einer bestimmten Sympathie, einer Verantwortung, einem Mitgefühl für jene, die ins Land kommen, getragen ist. Aber, Frau Kollegin Stadler, wissen Sie, was Sie gemacht haben? – In Ihrer Argumentation haben Sie all das aufgezählt, was die Freiheitlichen vorgemacht haben: „nicht Parteipolitik betreiben“, „bei den Ausländern gibt es so viele Kriminelle“. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – O ja! Es gibt auch kriminelle AusländerInnen, haben Sie gesagt.

Ich kenne den Unterschied – ich habe ja versucht, das herauszuhören – zwischen Ihrer Argumentation oder dem, wie Sie sich präsentiert haben, und dem, wie sich freiheit­liche Abgeordnete präsentiert haben. Aber passen Sie, Frau Kollegin Stadler, bitte auf mit dieser Argumentation! (Abg. Ellmauer: Belehren Sie nicht vom Rednerpult aus die Abgeordneten! Seien Sie nicht so überheblich!)

Das, was wir hier kritisieren – und schon seit Jahren kritisieren; das war auch bei dieser Debatte zu beobachten, das hat auch meine Kollegin Mandak sehr deutlich ausgeführt –, ist, dass der Ton, der in der Vergangenheit von den Freiheitlichen ge­kommen ist, der sich inzwischen – das gebe ich schon zu – etwas abgeschliffen hat, in der Argumentation von der ÖVP 1 : 1 übernommen wird. Ich betone: in der Argumen­tation! Nicht in allem, wie Sie denken, wie Sie sich geben und wie Sie sich präsen­tieren, aber in der Argumentation!

Ich bringe Ihnen ein Beispiel, aber zunächst noch eine Frage: Warum wird in einer De­batte über Asyl sofort und immer wieder von „kriminellen AusländerInnen“ gesprochen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Weil es so viele sind!) Gibt es denn nicht – wenn wir über Kriminalität sprächen, würden wir das zugeben – kriminelle InländerInnen genauso wie kriminelle AusländerInnen? (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Ja eh!) Was ist


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das Besondere, meine sehr geehrten Damen und Herren, von kriminellen Auslände­rInnen? (Abg. Mag. Mainoni: Dass die illegal da sind!) – Ganz sicher nicht, Herr Kollege! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)

Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Frau Kollegin Rossmann bringt hier das Beispiel, das Sie von irgendeinem Grazer Drogenexperten hat (Zwischenruf der Abg. Rossmann) – dass er ein Experte ist, muss man ja dazusagen, damit das dann etwas gilt –, sie sagt glatt, ohne sich das zu überlegen: 80 Prozent der Drogendelikte werden von „Asylan­ten“ – unter Anführungszeichen – begangen. (Die Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Rossmann: Da gibt es eine Statistik dazu!) – Ich würde Sie ersuchen, den Begriff „Asylant“ durch „Asylsuchenden“ zu ersetzen und über das Beispiel nachzudenken, denn wenn tatsächlich 80 Prozent aller Drogendelikte von Asylsuchenden begangen würden, dann hätten wir kein Drogenproblem bei den Österreicherinnen und Österrei­chern, denn dann blieben nämlich nur 20 Prozent übrig. Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht? – Schon vom rein logischen Denken her kann das, wenn man es umrechnet, nicht stimmen. (Zwischenruf des Abg. Kößl.)

Die Realität, Frau Kollegin Rossmann, schaut so aus – und da merkt man, wie billig und demagogisch Sie Politik machen wollen!; ich lese Ihnen jetzt aus dem Kriminali­tätsbericht 2002 vor, und da hätte ich mir gewünscht, dass der Herr Innenminister, der sonst immer seinen Computer betätigt, sofort die Zahlen entdeckt, die es zu berichti­gen gilt; da hat er es nicht gemacht, da hat er geschwiegen (Abg. Scheibner: Rede­zeit!) –: Nach dem Suchtmittelgesetz – Frau Kollegin Rossmann, passen Sie bitte auf, Sie könnten die Zahlen mitschreiben! – hat es im Jahre 2002 21 649 Drogendelikte ge­geben. Davon wurden von Fremden – zwischen Klammern: Ausländerinnen, Ausländer inklusive Asylsuchende – 4 293 verübt. (Abg. Scheibner: Und wie viele von den schweren Drogendelikten? Nehmen Sie einmal die schweren Drogendelikte her! Neh­men Sie einmal den Rauschgifthandel her!) – Es ist exakt umgekehrt: 20 Prozent aller Drogendelikte im Jahre 2002 wurden von Ausländerinnen und Ausländern verübt!

Das ist die Realität, Frau Rossmann, die Sie zur Kenntnis nehmen sollten. Sie sollten hier nicht mit falschen Zahlen billige Politik, demagogische Politik auf Kosten von Asyl­suchenden machen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Innenminister! Gestatten Sie mir, abschließend Folgendes zu sagen, weil es mir, seit diese Bemerkung vom Innenminister dieser Republik gekommen ist, immer wieder aufstößt, wenn ich mich daran erinnere: Man kann viel diskutieren, auch über die Ängste und Sorgen, aber man sollte nicht Bilder erzeugen, die nicht stimmen! Doch das hat, soweit ich mich erinnern kann, nur der Innenminister dieser Republik vor den letzten Wahlen gemacht. Er hat damals davon gesprochen, dass Österreich Gefahr laufe, von 20 Millionen Pakistani, 30 Millionen Indern und 50 Millionen Chinesen über­flutet zu werden.

Sie alle wissen um die Absurdität dieser Behauptung. Wenn ein Innenminister derartige Beispiele verwendet, bei denen selbst der damalige FPÖ-Spitzenkandidat Reichhold gesagt hat: Dieser Innenminister überholt uns in der Ausländerpolitik rechts!, sollten Sie etwas darüber nachdenken. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.27

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Hinsichtlich des Gesetzentwurfes betreffend Asylgesetz-Novelle 2003 in 253 der Bei­lagen liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen vor, über den ich sogleich abstimmen lasse.


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Hiezu ist namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in den Laden der Abgeordneten­pulte und tragen den Namen des Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese amtlichen Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, die Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich ersuche jene Abgeordneten, die dafür eintreten, den Gegenstand an den Aus­schuss für innere Angelegenheiten rückzuverweisen, „Ja“-Stimmzettel, jene, die da­gegen sind, „Nein“-Stimmzettel in die Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr den Schriftführer Abgeordneten Dr. Trinkl mit dem Namensaufruf zu beginnen, Herr Abgeordneter Jakob Auer wird ihn später ablösen.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführer Dr. Trinkl und Jakob Auer werfen die Ab­geordneten die Stimmzettel in die Urne.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Stimmabgabe ist beendet.

Die damit beauftragten Bediensteten des Hauses werden nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenauszählung vornehmen. Die Sitzung wird zu diesem Zweck für einige Minuten unterbrochen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenauszählung vor. – Die Sitzung wird um 14.34 Uhr unterbrochen und um 14.42 Uhr wieder aufgenommen.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wie­der auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Abgegebene Stimmen: 177, davon Ja-Stimmen: 81, Nein-Stimmen: 96.

Damit ist der Antrag abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

Mit Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Bauer, Bayr, Becher, Binder, Brosz, Bures;

Cap, Csörgits;

Dobnigg;

Eder, Einem;

Faul, Fischer, Fleckl;

Gaál Anton, Gartlehner, Gaßner, Glawischnig, Gradwohl, Grossmann, Grünewald, Gusenbauer;

Hagenhofer, Haidlmayr, Heinisch-Hosek, Heinzl, Hoscher;

Jarolim;

Kaipel, Keck, Kogler, Königsberger-Ludwig, Krainer, Kräuter, Krist, Kummerer, Kuntzl;


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Stenographisches Protokoll
35. Sitzung / Seite 92

Lapp, Lichtenberger, Lunacek;

Maier Johann, Mandak, Marizzi, Matznetter, Moser Hans, Muttonen;

Niederwieser, Nürnberger;

Oberhaidinger, Öllinger;

Parnigoni, Pendl, Pfeffer, Pirklhuber, Posch, Prähauser, Puswald;

Rada Robert, Reheis, Rest-Hinterseer, Riepl;

Sburny, Scharer, Schasching, Schieder, Schönpass, Schopf, Silhavy, Sima, Spindel­berger Erwin, Stadlbauer, Steier, Stoisits;

Trunk;

Van der Bellen, Verzetnitsch;

Walther, Weinzinger, Wimmer, Wittmann, Wurm.

Mit Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Achleitner, Amon, Auer Jakob, Auer Klaus Hubert;

Baumgartner-Gabitzer, Bleckmann, Böhm, Bösch, Brader Alfred, Brinek, Bucher;

Dolinschek, Donabauer Karl, Donnerbauer Heribert;

Ellmauer, Eßl;

Fasslabend, Fekter, Felzmann, Franz, Freund, Frieser, Fuhrmann;

Glaser, Grander, Grillitsch, Großruck;

Hakl, Haubner, Hofmann, Höllerer, Hornek, Huainigg, Hütl;

Ikrath;

Kainz, Kapeller, Keuschnigg, Khol, Kopf, Kößl, Kurzbauer;

Langreiter, Ledolter, Lentsch, Lichtenegger, Lopatka;

Machne, Maier Ferdinand, Mainoni, Marek, Miedl, Mikesch, Missethon, Mitterlehner, Molterer, Murauer;

Neudeck, Neugebauer;

Pack, Partik-Pablé, Praßl, Preineder, Prinz, Prinzhorn;

Rädler Johann, Rasinger, Regler Roderich, Riener, Rosenkranz, Rossmann;

Scheibner, Scheuch, Scheucher-Pichler, Schiefermair, Schöls, Schultes, Schweisgut, Sieber, Spindelegger Michael, Stadler, Steibl Ridi, Steindl Konrad, Stummvoll;

Tamandl, Tancsits, Trinkl, Turković-Wendl;

Walch, Wattaul, Wegscheider, Winkler, Wittauer, Wöginger, Wolfmayr;

Zweytick.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 253 der Beilagen unter Berücksichti­gung der vom Berichterstatter vorgebrachten Berichtigung.


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Stenographisches Protokoll
35. Sitzung / Seite 93

Hiezu haben die Abgeordneten Kößl, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Da nur dieser eine Antrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 253 der Beilagen unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter vorgebrachten Berichtigung sowie des Abänderungsantrages der Abgeordneten Kößl, Dr. Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Der Gesetzentwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kriterienkatalog für die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe im Asylrecht und Umset­zung von Gender Mainstreaming im Bereich Asylverfahren und Bundesbetreuung von Asylwerberinnen und -werbern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

2. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (129 d.B.): Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden (226 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (177 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekretariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz (227 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (199 d.B.): Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten des Internatio­nalen Strafgerichtshofs samt Erklärung (228 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 2 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl mit einer freiwilligen Rede­zeitbeschränkung von 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.45

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute das Amts-


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sitzabkommen über das Sekretariat der Alpenkonvention, und das ist insofern ein wichtiges Signal, als wir den Sitz dieses Sekretariates in Innsbruck, im Herz der Alpen, haben werden. Dadurch wird es uns auch leichter möglich sein, die Umweltschutz­interessen, wie sie in der Alpenkonvention festgelegt werden, noch besser in Brüssel und ab und zu auch noch besser in Wien ebenso wie in unseren Nachbarländern ver­treten zu können. Ich muss nämlich immer wieder feststellen, dass die Besonderheiten des Alpenraumes nach wie vor nicht immer und überall so verstanden und begriffen werden.

Die Alpen sind ein besonderes Gebiet zum Leben, zum Wirtschaften und eine beson­ders schöne Landschaft, was dazu führt, dass eigentlich jeder, der in den Alpen aufge­wachsen ist, eine besondere Beziehung zu den Bergen aufgebaut hat und die Berge ganz besonders liebt. Deswegen ist unsere Bevölkerung ganz selbstverständlich dazu bereit, Einschnitte der persönlichen Lebensumstände in Kauf zu nehmen, um unseren Lebensraum zu schützen und nachhaltig dafür zu sorgen, ihn für folgende Generatio­nen zu erhalten.

Dazu braucht es aber Rahmenbedingungen, die nicht immer in ausreichendem Aus­maß geschaffen werden. Ich möchte an dieser Stelle zum Beispiel unserem Herrn Staatssekretär Morak dafür danken, dass er sich dafür einsetzt, dass wir, wie in der Alpenkonvention festgelegt, auch das kulturelle Angebot in den dezentralen Regio­nen – und soweit es Österreich betrifft, handelt es sich dabei um die Alpengebiete – zu diversifizieren und auszubauen, um auch touristisch vielfältigere Angebote umwelt­schonend anbieten zu können.

Ich möchte gleich darauf hinweisen, dass ich nicht verstehe, dass diese Festlegung, die wir alle einvernehmlich mit der Alpenkonvention getroffen und hier einstimmig ratifiziert haben, in der letzten Zeit immer wieder von der SPÖ und von den Grünen angegriffen wurde. Es soll auch bei der Alpenkonvention nicht so sein, sich immer nur einzelne Punkte herauspicken und nur das umsetzen zu wollen, was einem gerade passt, sondern es ist die gesamte Konvention ernst zu nehmen.

Ich danke unserer Frau Außenministerin ganz besonders dafür, dass sie sich in der Frage des Transits so intensiv für die Interessen der Alpenbewohner – nicht nur der Tiroler, der Salzburger, sondern auch der betroffenen Bevölkerung in der Schweiz und in Frankreich – einsetzt, und ich glaube, dass es mit diesem Sekretariat gelingen wird, hier eine noch stärkere Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen den betroffenen Regionen innerhalb dieser Länder zustande zu bringen. Daran werden wir alle arbeiten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mir scheint es aber auch wichtig zu sein, neben dem Wortlaut der Alpenkonvention auch in Österreich einige Dinge stärker zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang appelliere ich einerseits an die Oppositionsparteien, aber auch an die eigenen Minister und meine Fraktionskollegen, darauf zu achten, dass auch in den dezentralen Regio­nen, insbesondere in den Berggebieten, eine nachhaltige Wirtschaftspolitik ermöglicht wird.

Wir haben nicht den Platz und nicht den Raum für große, raumgreifende Industrien. Es ist schwierig, weit weg, dezentral von den Entscheidungsfindungsgremien, von den Ministerien zu arbeiten und zu leben und dabei auch die hohen Kosten des Umwelt­schutzes zu tragen. Deswegen verstehe ich sehr oft nicht, dass wir in der Vergangen­heit so viele auch der ausgelagerten Institutionen und Organisationen des Bundes aus­schließlich nach Wien verlegt haben, und ich ersuche dringend darum, dass in Hinkunft auch mehr Töchter, mehr ausgelagerte Unternehmen von Bundesseite in Salzburg, in Innsbruck, auch in Graz, in den Regionen, wo wir unseren Menschen auch in Zukunft


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Aufstiegsmöglichkeiten anbieten müssen, wo wir Menschen, die in Wien gute Arbeit leisten, eine Heimkehr ermöglichen müssen, angesiedelt werden.

Ich bitte alle hier im Hohen Haus, auch dieses Anliegen zu unterstützen, weil das die Grundlage dafür ist, dass wir Umweltschutz in den Berggebieten weiterhin nachhaltig vertreten können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bauer. – Bitte.

 


14.50

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Da wir uns jetzt in einem Themenblock befin­den, der allseits Zustimmung finden wird, möchte ich eine kurze Anmerkung zum Euro­päischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaft und Behörden machen, weil dadurch von den Mitglied­staaten des Europarates auch die Bedeutung dieser Zusammenarbeit unterstrichen wird: Wenn wir heute den Rahmenvertrag ratifizieren werden, wird damit auch der Weg freigegeben, im Sinne der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung diese Möglichkeiten auszubauen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, dass es daran gemangelt hat, dass die bis­herige Praxis keine rechtlich ausreichende Lösung war. Die Anwendung im inner­staatlichen Recht wird durch dieses Rahmenübereinkommen verbessert werden. Die Erleichterung der Zusammenarbeit ist im Hinblick auf das größere Europa notwendig, und ich bin auch überzeugt davon, dass es stimulierend auf viele Bereiche wirken wird, wie zum Beispiel auf die Wirtschaftstätigkeit in den Grenzregionen.

Da die österreichischen Bundesländer keine Einwände gegen das Zusatzprotokoll er­hoben haben, erfolgt die Ratifizierung im großen Konsens aller Österreicher und Öster­reicherinnen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, dass wir durch diese Neuordnung der Zuständigkeiten auch die Möglichkeit schaffen, dass, unabhängig davon, ob öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtspersönlichkeit daraus entsteht, diese auch in gleicher Weise wie Behörden verbindlich handeln kann. Ich glaube, dass neben der Schaffung rechtlicher Grundlagen auch die Wichtigkeit der Infrastruktur hier erwähnt werden muss, die an den Grenzen bald mit fünf Millionen unmittelbaren Nachbarn konfrontiert sein wird.

Zum Zweiten müssen wir endlich den Nachholbedarf der Ostregion, der praktisch 50 Jahre Stillstand im Ausbau der Infrastruktur bedeutet hat, aufarbeiten. Wenn man grenzüberschreitend zusammenarbeiten will, dann braucht man auch Verbindungen, die das ermöglichen, und das heißt, in diesen Regionen Straßen, Schienen und Brücken zu bauen. Wenn ich etwa nur die Slowakei betrachte, dann muss ich sagen: Es ist schon eigenartig, dass de facto ein Übergang besteht, und das zu einem Volk von 5,5 Millionen Menschen! Alle anderen Grenzübergang-Projekte sind in Diskussion, und ich weiß nicht, wann sie endgültig realisiert werden.

Es ist auch die regionale Vernetzung der Gemeinden notwendig. Es soll in Zukunft ja noch durch ein Zusatzprotokoll ergänzt werden, dass nicht nur die angrenzenden Regionen verstärkt zusammenarbeiten können, sondern auch Regionen, die sozu­sagen zusammenpassen oder sich in diesem Europa finden. Ich halte das auch für eine sehr wichtige Weiterentwicklung.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist richtig, dass der technische Hintergrund einer Erweiterung zwar immer am stärksten diskutiert wird, aber bei weitem nicht der wich-


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tigste ist, wenngleich dieses Übereinkommen wieder einiges erleichtert. Ich glaube, viel wichtiger ist, das Zusammenwachsen der Regionen zu forcieren, und dieses basiert auf der künftigen Qualität der vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen, Kulturen und Gesellschaft. Es geht sozusagen um ein Verstehen im Alltag über die Grenze hinweg. Es geht um grenzüberschreitende Bewältigung wichtiger Themen. Ich habe bereits gesagt, es geht um eine moderne Infrastruktur, um Kommunikationstechnik, eine Verstärkung im Wirtschaftsbereich, aber vor allem auch um ein gemeinsames Erleben einer Europa-Region. Das ist das Entscheidende, und in diesen Prozess soll ganz besonders die Jugend eingebunden sein.

Ich möchte hier als Vorsitzender der EUREGIO-Südmähren, Westslowakei und Wein­viertel erwähnen, dass wir die einzige EUREGIO sind – abgesehen davon, dass wir auch die älteste sind; wir sind schon seit 1995 im Sinne der nachbarschaftlichen Ent­wicklung tätig –, die auch die Jugend sehr stark einbezogen hat, nämlich durch das erste Jugendparlament in einer EUREGIO. Wir haben heuer das dritte Jugendparla­ment abgewickelt. Beim ersten Jugendparlament in Břeclav  kamen die Jugendlichen noch etwas zögerlich. Beim zweiten war es schon viel besser, und heuer kamen mehr, als wir eingeladen haben. Das ist ein gutes Zeichen! (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen.)

Geschätzte Damen und Herren! Eines möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch erwähnen: Dieses Jugendparlament wählt Jugendvertreter, und diese Jugendver­treter sind zum ersten Mal in den Vorstand gewählt – nicht kooptiert, sondern als Voll­mitglieder im Vorstand, und zwar sowohl aus der Westslowakei, aus Südmähren als auch aus dem Weinviertel.

Ich glaube, dass das Beiträge zu einem besseren Verstehen, zu einem Zusammen­wachsen und damit zur Ausgestaltung von Lebensräumen sind. Dieses Zusatzprotokoll gibt eine gute Gelegenheit, über Institutionen und Behörden diese Beziehungen noch zu verbessern. – Ich danke. (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen.)

14.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


14.57

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Außenminister! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für Österreich, ein guter Tag für Tirol und ein guter Tag für Innsbruck. Gerade ich als Tiroler Abgeordneter freue ich mich sehr darüber, dass wir heute das vorliegende Abkommen ratifizieren können. Dass der Amtssitz des Sekretariats der Alpenkonvention ausgerechnet in Innsbruck sein wird, wird für Tirol und seine Bevölkerung positive Auswirkungen haben.

Mit diesem Abkommen wird Innsbruck als Hauptstadt der Alpen einen zentralen Platz in Europa einnehmen. Dafür möchte ich unserer Außenministerin Benita Ferrero-Wald­ner meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Alpenkonvention als internationales Abkommen zum Schutz der ökosensiblen Zonen wird gerade für uns Österreicher ein wichtiges Argument in den Verhandlungen über die Transitproblematik sein, denn mit der Alpenkonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, eine umweltverträgliche Nutzung des gesamten Alpenraums zu gewährleisten. Es wird notwendig sein, die richtige Balance zwischen Ökologie, Öko­nomie und Sozialem zu gewährleisten.

Mit einer derart übergreifenden Zielsetzung betreten wir in Europa Neuland. Über die Konvention ist die Antwort auf die ständig wachsenden Probleme im Alpenraum – ge-


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rade in der Transitproblematik sehen wir es tagtäglich – gegeben. All jene, die glauben, das wäre wieder ein europäisches Abkommen, bei dem unsere hohen österreichischen Standards nach unten nivelliert werden, kann ich beruhigen, denn es ist im Abkommen explizit festgehalten, dass es jedem Staat freisteht, höhere nationale Standards zu verwirklichen und beizubehalten.

Unser Ziel muss es sein, die Länder, die dieses Abkommen noch nicht ratifiziert haben, wie zum Beispiel die Schweiz, von seiner Wichtigkeit zu überzeigen. Bei der letzten Sit­zung des Ständigen Ausschusses im März 2003 wurde auch ein 10-Punkte-Programm beschlossen, damit die alpenweite Umsetzung der Alpenkonvention vorangetrieben wird. Ich möchte nur die für Österreich wichtigsten Punkte nennen:

Vorantreiben der Unterzeichnung und Ratifikation des Verkehrsprotokolls durch alle Vertragsparteien, einschließlich der Europäischen Gemeinschaft; Inangriffnahme kon­kreter Maßnahmen für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene; Forcierung einer Diskussion über die nachhaltige Gestaltung des inneralpinen Verkehrs – wobei man dazu, und das nicht ohne Stolz, sagen kann, dass wir in Öster­reich im Gegensatz zu manch anderen Vertragsstaaten bereits mit der Umsetzung begonnen haben.

Unter der Federführung von Bundesminister Pröll wird ein akkordiertes Papier über die Umsetzungserfordernisse in Österreich erarbeitet. Dafür möchte ich auch ihm herzlich danken. Unter der Federführung von Bundesminister Pröll sind – und das haben wir in der letzten Zeit auch in Tirol gesehen – gerade auch jene Dinge, die in der Alpenkon­vention festgeschrieben sind, auf die Schiene gebracht worden.

Die Grundsteine für die Implementierung sind durch Inkrafttreten der Durchführungs­protokolle am 18. Dezember 2002 in Österreich, Deutschland und in Liechtenstein gelegt. Unser heutiger Beschluss wird ein weiterer Grundstein dafür sein. Die nächsten notwendigen Schritte sind das Abschließen der noch ausstehenden Ratifizierungspro­zesse in den anderen Vertragsstaaten, der Wiedereinstieg der EU als aktiver Vertrags­partner sowie die Inangriffnahme einer gemeinsamen nachweislich spürbaren Politik für den Alpenraum. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.00

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche nunmehr die Verhandlung über die Punkte 2 bis 4 der Tagesordnung, damit die ver­langte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Reinhold Mitterlehner, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Kol­leginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betref­fend Arbeit und Wirtschaft – Österreich im internationalen Vergleich (963/J)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 963/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Die Entwicklung der österreichischen Wirtschaft ist im internationalen Vergleich positiv zu beurteilen. Dies zeigt vor allem ein Vergleich mit dem desaströsen Ergebnis der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Koalition in Deutschland. Das BIP


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ist in Österreich im Jahre 2001 real um 0,8 % gewachsen, in Deutschland hingegen nur um 0,6 %. Für das Jahr 2002 lauten die diesbezüglichen Zahlen 1,4 % für Österreich und 0,2 für Deutschland. Unsere Wirtschaft wies somit gegenüber der deutschen Wirtschaft im vergangenen Jahr die siebenfache Wachstumsrate auf. Österreich konnte im letzten Jahr darüber hinaus aufgrund einer beachtlichen Exportsteigerung erstmals seit vielen Jahren wieder einen Zahlungsbilanzüberschuss verzeichnen.

Auch bei der Beschäftigungspolitik war Österreich wesentlich erfolgreicher als Deutschland: Während Österreich im Jahre 2002 eine Arbeitslosenrate von 4,1 % auf­wies, verzeichnete Deutschland mit einer Arbeitslosenrate von 8,6 % mehr als das Doppelte.

Bemerkenswert ist auch die Budgetpolitik Österreichs, die dazu führte, das im Jahr 2001 ein Budgetüberschuss in der Höhe von 0,3 % des BIP und im Jahre 2002 ein geringfügiger Abgang von bloß 0,1 % zu verzeichnen waren. Trotz dieser Budget­disziplin, die auch im laufenden Jahr fortgesetzt wurde, konnten die Investitionen im Verkehrsinfrastrukturbereich deutlich gesteigert und dadurch ein überproportionales Wachstum der Bauindustrie im Tiefbaubereich ausgelöst werden.

Bedenkt man, dass eine Mrd. Euro an Bauinvestitionen 16.000 bis 18.000 Arbeits­plätze sichert, so wird erkennbar, welche wichtigen Auswirkungen auf die Arbeitsmarkt­lage die durch den Generalverkehrsplan ausgelösten Investitionen haben.

Die Budgetdaten für den wichtigsten Handelspartner Österreichs, nämlich Deutsch­land, der von einer rot-grünen Koalition regiert wird, lauten wie folgt:

Das Staatsbudget wies im Jahr 2001 ein Defizit in der Höhe von 2,8 % des BIP auf, dieses wurde im Jahre 2002 mit 3,5 % noch weit übertroffen. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass das deutsche Budgetdefizit wegen der oben erwähnten verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung weiter explodieren wird und bei mehr als 4 % des BIP liegen wird. Deshalb droht Deutschland, der einstmals erfolgreichsten Wirtschaftsnation Europas, die immer die Funktion einer Konjunktur­lokomotive ausübte und die bei der Einführung des Euro besonders auf strenge Stabili­tätskriterien bestanden hatte, ein EU-Defizit-Strafverfahren.

Gerade wegen der dargestellten im internationalen Vergleich beachtlichen Bilanz der österreichischen Wirtschaftsdaten ist es umso mehr angebracht, die sich jetzt abzeich­nenden Anzeichen eines weltweiten konjunkturellen Aufschwungs innerstaatlich zu unterstützen. Hiezu bietet sich nach Meinung von Wirtschaftsforschern z.B. das von der Bundesregierung angekündigte Konjunkturpaket inklusive rascher Umsetzung ent­lastender Maßnahmen an.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit nachstehende

Anfrage:

1. Was unternehmen Sie als Wirtschaftsminister, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich im internatonalen Vergleich zu sichern?

2. Welche Auswirkungen haben die Konjunkturpakete I und II der Bundesregierung auf die österreichische Wirtschaft?

3. Wie beurteilen Sie als Wirtschaftsminister den wichtigen Wirtschafts- und Standort­faktor „Forschung und Entwicklung“ in Österreich?


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4. Welche Maßnahmen haben Sie und die Bundesregierung zur Forcierung der Unter­nehmensgründungen getroffen?

5. Wie fördern Sie als Wirtschaftsminister im Zeitalter der Globalisierung die Internatio­nalisierung der österreichischen Wirtschaft?

6. Welche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen werden Sie treffen, um die Wettbe­werbsfähigkeit des Standortes Österreich zu sichern?

7. Wie kann Österreich seine im internationalen Vergleich hervorragende Stellung im Bereich der Jugendbeschäftigung erhalten?

8. Welchen Beitrag kann die Budgetpolitik zur Sicherung des Wirtschafts- und Arbeits­standortes Österreich leisten?

9. Welchen Einfluss hat der Faktor „Bildung“ für die Beschäftigungssituation in Öster­reich?

10. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der in den letzten Jahren gesteigerten Infra­strukturinvestitionen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Konjunkturverlauf sowie die Beschäftigungssituation in Österreich?

11. Welche Beschäftigungseffekte sind durch die Realisierung der Verkehrsinfrastruk­turmaßnahmen laut Generalverkehrsplan insgesamt zu erwarten bzw. bereits einge­treten?

12. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der mit ersten Jänner 2004 in Kraft tretenden Steuerreform mit einer massiven Entlastung der unteren und mittleren Einkommen sowie Entlastung der Unternehmen durch Begünstigung der nicht entnommenen Ge­winne auf das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsmarktsituation?

In formeller Hinsicht wird beantragt, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 1 GOG als dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

*****

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Mitter­lehner als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort.

 


15.01

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der gestrigen Debatte hat Herr Dr. Gusenbauer, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei, darauf hingewie­sen, dass die eigentlich wirklich spannenden Fragen nicht die Fragen der Regierungs­umbildung wären, sondern die wirklich spannenden Fragen, die den Bürger interes­sieren, wären die Fragen Wirtschaftswachstum, wären die Fragen Arbeitsmarkt, wären die Fragen Lehrlinge, wären die Fragen Steuerreform.

Genau aus diesem Grund, meine Damen und Herren, haben wir uns entschlossen, uns mit diesen Themen, die uns auch wichtig erscheinen, heute auseinander zu setzen, um zu sehen, welche Alternativen die Opposition zu bieten hat, aber auch um zu sehen, welches Interesse Herr Dr. Gusenbauer und seine Kolleginnen und Kollegen an die­sem spannenden Thema haben. Ich sehe, es ist ausgesprochen beschränkt, es ist ausgesprochen reduziert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Faul: Auch bei der ÖVP!) – Herr Kollege, verweisen Sie nicht auf die andere Seite, sondern


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schauen Sie einmal in die eigenen Reihen! (Abg. Faul: Schauen Sie einmal in die ÖVP-Reihen!)

Meines Erachtens hat Herr Dr. Gusenbauer durchaus Recht gehabt, denn, wie eine IFES-Studie aus dem Oktober 2003 zeigt, wird den Themen Gesundheitswesen, Schulwesen, Pensionswesen, Pflegesicherung große Bedeutung seitens der Bevölke­rung beigemessen. Daher besteht durchaus die Notwendigkeit der Auseinanderset­zung, auch die Auseinandersetzung mit dem internationalen Vergleich.

Sie haben diesen internationalen Vergleich gestern bemüht. Sie haben gesagt, Öster­reich sei im Bereich des Wirtschaftswachstums in Gefahr, an die letzte Stelle zu gera­ten. Daher sollten wir uns dem internationalen Vergleich stellen und uns anhand dieser Indikatoren vor Augen führen, wo wir stehen. Ich würde das Ganze nicht überbewerten, meine Damen und Herren, ... (Der Redner bemerkt, dass Abg. Dr. Gusenbauer den Sitzungssaal betreten hat.) – Ich begrüße Sie, Herr Dr. Gusenbauer! Wir nehmen jetzt genau die Themen auf, hinsichtlich deren Sie gestern eine Auseinandersetzung ange­regt haben, und stellen uns diesen Themen.

Ich glaube nicht, dass wir das überbewerten sollen, ich bewerte derartige Vergleiche nicht so, dass sie absolute Priorität haben. Insbesondere die Auseinandersetzung mit Deutschland sollten wir nicht so führen, dass wir mit dem Finger auf Deutschland und die dortige Situation zeigen, aber wir sind zu zirka 35 Prozent mit Deutschland verbun­den, und daher gibt es eine gewisse Notwendigkeit, uns mit der dortigen Situation auseinander zu setzen.

Weil Sie gerade hier sind, Herr Dr. Gusenbauer: Sie haben gestern gesagt: Setzen wir uns doch sachlich und kompetent mit all den Fragen auseinander! Sie sind es leid – haben Sie sinngemäß gesagt –, dass gerade im Vergleich mit der Pensionsreform in Deutschland immer nur unvollständig zitiert wird, nämlich immer nur ein paar Teile und das andere nicht. Dann haben Sie als Beispiel genannt, in Deutschland wären die Durchschnittspensionen höher als in Österreich, während die Beiträge in Deutschland niedriger als in Österreich wären.

Dazu muss ich Ihnen sagen, Sie haben erstens nicht ganz vollständig und außerdem auch unrichtig, zumindest politisch unrichtig, zitiert. Es ist zwar richtig, dass die Durch­schnittspensionen ... (Abg. Dr. Gusenbauer: „Politisch unrichtig“!? Das heißt sach­lich!) – Ja, politisch unrichtig in der Bewertung. – Es ist zwar formal richtig, dass in Deutschland die Durchschnittspensionen höher sind. Es sind aber auch die Lebens­haltungskosten in Deutschland wesentlich höher. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Daher ist das nicht der richtige Vergleich, sondern Sie sollten auf etwas anderes schauen, nämlich auf die Nettoersatzrate, und die Nettoersatzrate beträgt in Deutsch­land 72 Prozent. Sie sollten zum Zweiten schauen: Um wie viel mehr zahlt denn der Bund in Deutschland prozentmäßig mehr dazu als in Österreich? Er zahlt wesentlich mehr dazu, als das in Österreich der Fall ist. Außerdem sollten Sie sich anschauen, was wir im Rahmen der Pensionsreform umgesetzt haben und was die Deutschen jetzt beschlossen haben beziehungsweise vorhaben:

Die Renten in Deutschland werden für das Jahr 2000 nicht erhöht. Alle Rentner müssen ab 1. April 2004 den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen. Das ist eine Rentenkürzung um 0,85 Prozent. Jetzt kommt der Punkt, den ich angesprochen habe: 2 Milliarden € Kürzung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung. Weiters: höhere Zuzahlungen der versicherten Patienten in der Krankenversicherung. Der Aus­zahlungstermin der Renten wird vom Monatsanfang an das Monatsende verlegt, und es gibt eine 50-prozentige Verringerung des Weihnachtsgeldes für Pensionisten.


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Für all das, Herr Dr. Gusenbauer, haben Sie nichts gefunden in Ihren Vergleichen. Daher, wenn Sie einen Vergleich bemühen: Der Vergleich macht sicher – aber nur der vollständige Vergleich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An dieser Stelle möchte ich zu einem besonderen Proponenten von Ihnen kommen, der bestimmte Dinge, die einfach gegeben sind und die auch wir als Problem sehen, als ganz besonderes Problem sieht, nämlich Dr. Matznetter. Wenn wir, meine Damen und Herren, in den letzten Jahren Wachstumsraten hatten, die einfach nicht dem entsprechen, was eigentlich notwendig wäre zur Finanzierung der Pensionen, des Ge­sundheitssystems, und die auch bestimmte Probleme auf dem Arbeitsmarkt bringen, dann sind wir doch alle daran interessiert, dass diese Wachstumsraten so bald wie möglich ansteigen. Aber wir können doch kein Interesse und keine kindische Vorfreude haben, wenn wir irgendwelche Statistiken in der Öffentlichkeit berichten können, wo­nach Österreich möglicherweise im Jahr 2004 an letzter Stelle des Wirtschaftswachs­tums stehen soll. Das verstehe ich zu einem geringen Teil noch aus der Sichtweise der Opposition. Das verstehe ich aber überhaupt nicht, Herr Dr. Gusenbauer – Herr Dr. Matznetter ist ja nicht hier –, aus der Sicht der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes.

Sie wissen, Wirtschaft beruht zum Großteil auf Vorwegnahme von Stimmungen, auf Erwartungshaltungen, und wenn Sie den Investoren international ausrichten, Öster­reich liegt nächstes Jahr ganz hinten, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn sich diese jede Investitionsentscheidung dreimal überlegen. Sie schaden dem Standort Österreich mit Ihrer Vorgangsweise! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich muss Ihnen sagen, in Abwesenheit von Dr. Matznetter, auch die Vorgangsweise ist nicht seriös. Sie haben eine Statistik zitiert, die von der Statistik Austria kommt. (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Gusenbauer.) – Ich merke, Sie werden jetzt irgendwie nervös, ich weiß, es ist nicht einfach. – Sie haben also eine Statistik der Statistik Austria zitiert. Und es gibt eine Parteiaussendung dazu, ich glaube, vom 26. September beziehungs­weise vom 10. Oktober, Sie haben das ja fortgesetzt gemacht.

Diese Statistik wurde eigentlich falsch zitiert, denn in dieser Statistik das Jahr 2003 betreffend liegen beispielsweise Länder wie Deutschland, die Niederlande, Portugal, was das Wachstum anbelangt, hinter uns. Zugegeben, das ist nicht unbedingt ganz erfreulich, aber sie liegen hinter uns. Sie zitieren also in der Presseaussendung das europäische Wachstum falsch. Es ist niedriger, als Sie es in Ihrer Parteiaussendung drinnen haben.

Was aber jetzt kommt, ist etwas, was ich mir von einem Experten eigentlich nicht vor­stellen kann: Es wird die Wifo-Statistik mit der OECD-Statistik vermischt. Das ist unsauber, das ist statistisch und fachlich unsauber! (Abg. Scheibner: So etwas gibt es doch gar nicht! – Abg. Dr. Stummvoll: Amateur!)

Wissen Sie, wie das passiert ist? – Das Wifo hat eine statistische Prognose vorgestellt, in der für Österreich ein Wachstum von 1,4 Prozent angenommen wurde, und zwar mit der Begründung, dass Österreich deswegen negativ betroffen sein könnte, weil in Deutschland die Auftragslage so schlecht ist. Daher hat man das genommen und gesagt: Österreich nur 1,4 Prozent Wachstum – besonders vorsichtige Einschätzung des Wifo. Dem gegenübergestellt hat man eine besonders positive OECD-Statistik von Deutschland, die ein Wachstum von 2 Prozent ausweist, und hat gesagt: Ein Wahn­sinn, Österreich liegt hinter Deutschland!

Jetzt sage ich Ihnen: Lesen Sie die Aussendungen dieser Woche, sie sind im Internet verfügbar! Sechs deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute sagen: Wachstum 1,7 Pro­zent, das deutsche IFO sagt sogar: Wachstum vermutlich nur 1,1 Prozent. Wenn man die vier Arbeitstage, die es nächstes Jahr mehr gibt, dazurechnet, wird sich an Kon-


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junkturaufschwung nicht mehr ergeben. (Abg. Dr. Wittmann: Jetzt weiß ich, warum der Haupt gesagt hat, dass die Koalition in der Wirtschaftspolitik gescheitert ist!)

Es wird daher auch nächstes Jahr bedauerlicherweise in Deutschland ein niedriges Wachstum geben. Wir bedauern das, weil wir abhängig sind, aber wir sehen das nicht als Ebene, auf der man billige Vergleiche in der Öffentlichkeit ziehen kann. Diese Ebene sollten Sie in Zukunft nicht betreten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Abg. Dr. Wittmann: Jetzt weiß ich, warum Haupt sagt, Sie sind in der Wirt­schaftspolitik gescheitert!)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir auch in der Situation angesichts dieser inter­national nicht erfreulichen Konstellation ... (Abg. Dr. Wittmann: Jetzt weiß ich, warum der Haupt sagt, dass Sie gescheitert sind in der Wirtschaftspolitik!) – Herr Dr. Witt­mann, ein bisschen leiser, ich höre sonst nicht ganz genau, was ich selber sage, wenn Sie so schreien! (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist eh nicht so wichtig!)

Für Sie, Herr Dr. Gusenbauer, und für Dr. Wittmann wäre es schön langsam schon wichtig, einmal aufzupassen und sich mit den Fakten auseinander zu setzen. Es ist Ihnen unangenehm, gut. (Abg. Dr. Wittmann: Jetzt weiß ich, warum der Haupt sagt, dass Sie in der Wirtschaftspolitik gescheitert sind!) Sagen Sie es einmal, und erklären Sie, auch die nächsten Wortmeldungen sind dieselben, dann ist es erledigt!

Damit, meine Damen und Herren, möchte ich wieder zur Sache zurückkehren. (Abg. Dr. Wittmann: Ihr Koalitionspartner war das, der gesagt hat, dass Sie gescheitert sind!) – Geh, bitte! Ich sage Ihnen ehrlich, dass das von der Akustik her störend ist. Setzen Sie sich nach hinten, wo Sie normalerweise sitzen, dann hört man Ihr Schreien wahrscheinlich etwas leiser! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Daher ist eigentlich genau jetzt der Zeitpunkt richtig, dass wir uns mit der Frage auseinander setzen: Waren die Maßnahmen, die wir im Konjunk­turprogramm zweimal gesetzt haben, und zwar in Stufen, richtig oder falsch? (Abg. Dr. Wittmann: Sie sind mit Ihrer Wirtschaftspolitik gescheitert! Der Haupt hat das ge­sagt!) Ich sage Ihnen, schauen Sie sich eine Wifo-Expertise aus den ... (Abg. Dr. Witt­mann: Sie sind gescheitert!) – Herr Präsident, könnten Sie einmal den Herrn etwas weiter nach hinten bemühen!

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Sie sind so wortgewaltig, Herr Abgeordneter, Sie packen das leicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Allgemeine Heiter­keit.)

 


Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (fortsetzend): Den einen reißt es mit, den anderen weniger! Das ist so. – Meine Damen und Herren! Ich war dabei, Ihnen darzu­stellen ... (Abg. Dr. Wittmann: Sie sind gescheitert!) Ich weiß, Sie sind jedenfalls nicht daran interessiert, zu hören, wie erfolgreich das Konjunkturprogramm war, dass wir im Jahr 2002 einen Rückgang bei den Ausrüstungsinvestitionen von minus 9 Prozent, bei den Bauinvestitionen von minus 0,5 Prozent hatten. Schauen Sie sich die Zahlen vom Jahr 2003 an: Wir haben bei den Ausrüstungsinvestitionen eine Steigerung um 2 Pro­zent und bei den Bauinvestitionen um 1,4 Prozent zu verzeichnen. (Abg. Dr. Witt­mann: Haupt hat Ihnen gesagt, dass Sie gescheitert sind!)

In diesem Zusammenhang gibt es eine Wifo-Studie, aber auch eine IHS-Darstellung, die bestätigt, dass das Konjunkturprogramm richtig war, dass es konjunkturstimulie­rend gewirkt hat – und, was noch wichtiger ist, es war auch in Bezug auf die Wirt­schaftsstrukturen die richtige Maßnahme. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Ihr eigener Koalitionspartner glaubt Ihnen das nicht mehr!)

Meine Damen und Herren! Wir sichern mit dem Konjunkturprogramm die Arbeitsplätze, wir sichern darüber hinaus die richtige Wirtschaftsstruktur, die es uns ermöglicht, dann,


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wenn der Aufschwung kommt, am Aufschwung zu partizipieren, und laufen nicht Gefahr, das tun zu müssen, was Sie, Herr Dr. Wittmann, in solchen Fällen immer vor­schlagen: Da müssten wir eigentlich ein Verschuldungspaket und ein Infrastrukturpaket schnüren – mit viel ausgeliehenem Geld! – Das wollen wir nicht, keinen Rückfall in die alte Verschuldungspolitik! Da unterscheiden wir uns ganz, ganz gravierend von Ihnen. (Abg. Dr. Matznetter: Investieren heißt Werte schaffen, Herr Kollege!) – Zum „Werte schaffen“ kommen wir noch! Schauen Sie sich einmal Ihre Vorgangsweise in Sachen Statistik an, und dann reden Sie bitte weiter! Sie kommen sicherlich noch zu Wort.

Zweiter Aspekt: Wir haben im Rahmen der Konjunkturprogramme auch ein For­schungs- und Technologiepaket geschnürt. Diese Pakete waren aus zweierlei Gründen so positiv: Erstens wurde mit der Prämie auch der Investor, der Unternehmer belohnt, der keine Gewinne gemacht hat, weil er die Prämie nutzen konnte. Das Zweite ist aber die wirklich wichtige Komponente im Zuge der EU-Erweiterung: Wir können auf Dauer im Wettbewerb nicht bestehen, wenn wir in niedrig qualifizierten Bereichen auf Lohn­basis konkurrenzieren, sondern wir müssen in die Märkte hineingehen, wo höher quali­fiziert, wo höherwertig gearbeitet wird: in Forschung und Entwicklung, in Technologie und Marketing.

In diesem Zusammenhang wirken diese Maßnahmen, die gesetzt worden sind, genau in die richtige Richtung. Es ist jetzt die Frage, auch an die Bundesregierung, zu stellen, ob man hier nicht fortsetzen könnte: Verlängerung und auch Steigerung beispielsweise im Prämienbereich, frisches Geld – und hier ist einiges schon in Vorbereitung – im Rahmen einer Stiftung, um genau diese Vorgangsweise positiv zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Frisches Geld für Investitio­nen – ein positiver Anreiz, sichert in dem Zusammenhang Arbeitsplätze.

Sie haben immer verlangt – und es kommt auch von anderen; durchaus verständlich –: Wir müssen die Steuerreform vorziehen und jetzt machen! Ein Aspekt wurde schon be­schlossen und wirkt konsumsteigernd und damit arbeitsplatzsichernd. Die zweite Frage ist eine, würde ich sagen, standortpolitische Frage. Es gibt in den Erweiterungsländern KöSt-Steuersätze von 19 bis 24 Prozent bis 2006. Und es besteht natürlich die Gefahr, dass die Unternehmer, wenn wir nichts tun, nicht mehr über den Standort reden, sondern möglicherweise sagen: Mein Unternehmen stand dort, nämlich in Österreich. – Das wollen wir nicht. Daher ist es wichtig, dass eine entsprechende Steuerreform be­schlossen wird, um eine Orientierung für den Investor zu geben. (Abg. Dr. Wittmann: Welches Unternehmen haben Sie, Herr Kollege?)

Die Frage ist aber nicht, ob das schon nächstes Jahr gelten muss oder übernächstes Jahr, sondern der Rahmen geht bis 2006. Investoren agieren langfristig, und wenn sie den richtigen Rahmen vorfinden, wenn sie die richtigen Leitlinien haben, werden sie nach Österreich kommen oder in Österreich bleiben. Deswegen finde ich auch unsere Vorgangsweise mit der Steuerreform vom Zeitpunkt her ausgesprochen richtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Damit sind wir auch bei der entscheidenden Frage: Was hat uns diese sorgsame Vorgangsweise gebracht? Schauen Sie auf das Budget, schauen Sie nach Deutschland, lesen Sie das, was heute in einer APA-Aussendung veröffent­licht worden ist: über 4 Prozent Nettodefizit, schauen Sie auf unser Budget! (Abg. Dr. Matznetter: Schauen Sie auch auf die Steuerquote! 6,8 Prozent weniger Steuer­quote!) Ich höre keine Statistik, Herr Dr. Matznetter, die Sie verbreiten und die belegt, wie erfolgreich in den letzten drei Jahren gewirtschaftet wurde.

Schauen Sie auch auf den Arbeitsmarkt, Herr Dr. Matznetter! Die EU hat in den nächsten Jahren, was den Arbeitsmarkt anbelangt, eine Größenordnung von rund


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8,7 Prozent zu erwarten. Wir sind, auch nicht erfreulich für die negativ Betroffenen, um die Hälfte besser und liegen bei 4,3 Prozent.

Deswegen kann ich sehr positiv vermelden: Wir haben auf der einen Seite sparsam, effizient gewirtschaftet, auf der anderen Seite haben wir strukturelle Vorteile beim Budget und was den Arbeitsmarkt anbelangt.

Meine Damen und Herren! Natürlich kann man, was den Arbeitsmarkt angeht, auch eine Vorgangsweise wählen wie in Deutschland. Schauen Sie sich in Deutschland an, was man dort gemacht hat: Man hat geglaubt, eher mit Zwangsmaßnahmen, mit Zwangsrestriktionen zum Erfolg zu kommen – ob er sich einstellt, wird sich erst zeigen. Schauen Sie sich die Maßnahmen an: Die bisherige Arbeitslosenhilfe und die Sozial­hilfe für Erwerbsfähige werden gebündelt.

Herr Öllinger! Wir haben Auseinandersetzungen darüber geführt, ob das richtig oder falsch ist. (Abg. Öllinger: Falsch!) Sie haben vehement Aussendungen dagegen ge­macht. Schauen Sie sich Deutschland an, so falsch wird es nicht sein! (Abg. Dr. Witt­mann: Das ist noch immer falsch!)

Zweiter Punkt, und das ist interessant: Langzeitarbeitslose sollen ab Juli 2004 ver­pflichtet werden, fast jeden Job anzunehmen. Prinzipiell gilt dann jede Arbeit als zu­mutbar. Dabei soll künftig das ortsübliche Lohnniveau oder das vergleichbare tarifliche Lohnniveau Maßstab sein. Wer ein Jobangebot ablehnt oder sich nicht um Arbeit bemüht, dem soll das Arbeitslosengeld um 30 Prozent gekürzt werden, und so weiter.

Meines Erachtens sind das Vorschläge, die einigermaßen Zwangscharakter haben. Deswegen finde ich, dass es wesentlich besser ist, den Weg zu gehen, den wir auf Sozialpartnerebene und in Verhandlungen mit dem Ministerium derzeit prüfen und verdichten wollen, nämlich Anreize zu schaffen, um die Effizienz zu steigern und den Langzeitarbeitslosen dazu zu bewegen, eine Vermittlung schneller anzunehmen. (Abg. Dr. Wittmann: Das war keine gute Rede!) – Herr Wittmann, da müssen Sie einmal Ihre Reden lesen! Da sind Sie dann schneller beim Schluss. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Wir wollen diese Problematik mit den richtigen Maßnahmen in den Griff be­kommen.

Damit bin auch bei dem Punkt, den Sie gestern angesprochen haben: Was ist mit den Lehrlingen, Herr Dr. Gusenbauer? Da würde ich auch sagen: Bitte gehen Sie einmal differenziert vor und sehen Sie: Wir haben letztes Jahr die Lehrlingsprämie beschlos­sen – wozu hat die Lehrlingsprämie geführt? Wir haben heuer zum 30. September 43 186 neue Lehrverträge. Das ist um 1,4 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sie haben nur mehr 3 Mi­nuten, um zu erklären, was dringlich ist!)

Ich wäre interessiert an einer sachlichen Diskussion, vielleicht folgen Sie meinem nächsten Argument.

Auf der anderen Seite hat sich auch die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ver­größert, verursacht vor allem durch die demographische Entwicklung. Darüber sollten wir doch eigentlich diskutieren. Wenn es in Salzburg offene Plätze gibt, wenn es die Situation gibt, dass jeder in seinem Lieblingsberuf arbeiten will – von den Mädchen gehen fast 50 Prozent in nur drei Berufe –, dann muss man einmal über die Zumutbar­keit in regionaler Hinsicht diskutieren, das heißt, ob nicht eine Ausbildung beispiels­weise in Salzburg, wenn es dort Angebote gibt, in Frage kommt oder ob nicht eines von fünf Angeboten anzunehmen ist. Wer im System ist, der wird leichter weiterkom­men. Nur mit einer Zwangsprämie, mit einem Fonds werden Sie dieses Problem wahrscheinlich nicht lösen.


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Meine Damen und Herren! Wir haben noch ein paar andere Aspekte zu betonen, aber das wird der Herr Minister ansprechen, nämlich was Infrastruktur und dergleichen mehr anlangt.

Ich sage Ihnen abschließend: Der Vergleich mit anderen löst nicht unsere Probleme, der Vergleich mit anderen befreit uns nicht von eigenen Aktivitäten, aber der Vergleich mit anderen, Herr Dr. Gusenbauer, macht uns sicher, in einer schwierigen Situation das Maximum für unsere Bürger gemacht zu haben. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.20

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Gusenbauer: Selten war eine Dringliche so schwach! Jetzt haben Sie es leichter, Herr Minister!)

 


15.21

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter Mitterlehner hat schon Recht: Der Vergleich macht uns sicher, was die Qualität des Standortes Österreich anlangt. Da geht es jetzt nicht so sehr darum, was Herr Kollege Matznetter da oder dort sagt, sondern wer am letzten Sonntag ZDF geschaut hat ... (Abg. Dr. Wittmann: Der Haupt hat das gesagt!) – Sie können mit Ihren Zwischenrufen ruhig weitermachen, mich beflügeln Zwischenrufe, mir tun nur die Parlamentssteno­graphen Leid, die das ja alles mitprotokollieren müssen, sehr geehrter Kollege Witt­mann! (Abg. Mag. Molterer: Was der Wittmann sagt?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzter Sonntag, ZDF, „Berlin direkt“: eine halbe Stunde lang – oder knapp darunter – Werbung für den Standort Österreich, im Vergleich mit dem Standort Deutschland. Diese Werbung ist unter anderem darauf ein­gegangen, dass BMW Hunderte Millionen in Österreich investiert. Zwei von drei BMW-Motoren kommen aus Österreich, das Rundherum wird in Bayern hinzugefügt. – Da lasse ich mich dann schon auf so manchen Disput hinsichtlich der Standortqualität und der Attraktivität der Standorte mit meinem bayerischen Wirtschaftsminister-Kollegen ein.

Infineon verlagert die Headquarters-Funktionen ausgerechnet für die Automotive-Sparte aus München nach Villach. Die Kennzahlen sprechen für sich.

Ganz abgesehen davon sind wir in Österreich mit dem LKW-Maut-System, das ab 1. Jänner nächsten Jahres effektiv werden wird, den richtigen Weg gegangen. Deutschland geht jetzt davon aus, dass es nicht mit März oder April, sondern erst ein Jahr später, nämlich mit September des Jahres 2004 operativ tätig wird. Ein Jahr Ver­spätung – wir in Österreich haben das pünktlich geschafft.

Einige wirtschaftliche Kennzahlen, die, so meine ich, angebracht sind; die Anfrage stellt ja die Relation zwischen Deutschland und Österreich geradezu her. Deutschland ist auch die größte und wichtigste Volkswirtschaft in unserer Nachbarschaft. Keine andere Volkswirtschaft ist so sehr mit der deutschen verschränkt wie die österreichische.

Wachstum. – Sehr geehrter Dr. Gusenbauer! Halten wir uns doch an die Zahlen, die schon aufliegen! ÖSTAT hat uns 1,4 Prozent für das Jahr 2002 bestätigt, das steht außer Streit. Deutschland: 0,2 Prozent. Das bedeutet, siebenmal mehr Wachstum in Österreich.

Heute sagt – nicht irgendjemand, nicht die APA, lieber Reinhold Mitterlehner, sondern die deutsche Bundesregierung, von der die APA abgeschrieben hat – die deutsche Bundesregierung: Das Wachstum im heurigen Jahr wird 0,0 Prozent betragen. Öster-


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reich hat laut Wifo-Prognose immerhin 0,7 Prozent zu erwarten. – Diesen Vergleich lasse ich mir schmecken, dieser Vergleich, meine sehr geehrten Damen und Herren, macht mich sicher! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Herr Matznetter, Budgetsprecher der SPÖ, schauen wir uns doch die Budgetzahlen an! Die deutsche Bundesregierung hat heute konzediert, dass das Defizit in diesem Jahr bei über 4 Prozent liegen wird. (Abg. Dr. Matznetter: Was ist der europäische Durch­schnitt, Herr Minister? Was ist Durchschnitt in Europa? – Abg. Großruck: Matznetter, gib endlich Ruh!) Bei 1,3 Prozent liegen die Prognosen für Österreich; über 4 Prozent durch Rot-Grün in Deutschland!

Was das Jahr 2002 anlangt, kann ich nur sagen: Wir wurden bestätigt, und Minister Grasser wurde bestätigt mit einem de facto ausgeglichenen Haushalt im Jahre 2002. Deutschland: 3,5 Prozent Budgetdefizit! – Herr Matznetter, da helfen noch so viele Zwischenrufe nichts, rot-grüne Budgetpolitik bedeutet: massive Defizite, massive Ver­schuldung! Das lassen wir nicht zu. Unsere nächsten Generationen schützen wir vor einer Budgetpolitik wie der Ihren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu kommt, dass wir in Sachen Lohnstückkosten, in Sachen jährlicher Arbeitszeit, in Sachen Feiertage und Urlaub deutlich standortgünstiger liegen als die Deutschen, sodass es kein Wunder ist, dass immer mehr deutsche Unternehmungen nach Öster­reich kommen, hier investieren. (Abg. Dr. Wittmann: Warum sagt Haupt dann, dass Sie gescheitert sind?) Obwohl ich eines sagen muss: Niemand ist in größerer Sorge um die Entwicklung in Deutschland als ich (Abg. Dr. Gusenbauer: Jetzt kommen gleich die Krokodilstränen!), denn – noch einmal – uns schadet unter dem Strich die miserable Performance des Standortes Deutschland mehr, als sie uns nützt.

Deshalb kann ich der deutschen Bundesregierung nur wünschen, dass sie mit Hilfe der CDU/CSU und vielleicht auch anderer endlich beginnt, jene Reformen zu verwirklichen, die, meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere bürgerliche Regierung unter Kanzler Schüssel, die seit dem Jahre 2000 in Österreich Verantwortung trägt, mit dem Jahr 2000 begonnen hat zu verwirklichen. Wir sind noch nicht am Ende (Abg. Dr. Matz­netter: Oja! Sehr nahe!), aber wir haben jedenfalls damit angefangen, und das mit Erfolg, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Was ist denn das, wenn man die Beiträge der Rentner um knapp 1 Prozent erhöht? Was ist denn das, wenn man eine Erhöhung aussetzt? Ist das eine strukturelle Reform, Herr Abgeordneter Matznetter, oder ist das Abcashen bei den Älteren? (Abg. Dr. Matz­netter: Das machen Sie gerade in Ihrem Budgetbegleitgesetz für 2004!) Also nicht einmal strukturell sind sie eingestiegen in die Rentenreform, sondern erste, reine Ein­sparungsschritte sind gesetzt. Deutschland liegt somit drei Jahre hinter uns, und wir wollen diesen Vorsprung halten.

Um den Adrenalinspiegel des Herrn Matznetter etwas zu reduzieren, um den Adrena­linspiegel ein wenig in den Griff zu bekommen, verlassen wir Deutschland und betrach­ten wir Gesamteuropa, denn auch dieser Vergleich macht uns sicher, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Noch einmal: Österreich hat im Jahr 2002 (Abg. Dr. Matznetter: Heuer!) ein Wachstum von 1,4 Prozent verzeichnen können, in der Euro-Zone sind es 0,9 Prozent. Wir liegen somit um ein halbes Prozent über dem EU-Schnitt. (Abg. Dr. Matznetter: Das ist Ver­gangenheit! Das ist SPÖ-Leistung, das können Sie vergessen!)


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Die österreichische Arbeitslosenquote – Herr Abgeordneter Mitterlehner hat, Herr Matznetter, schon darauf Bezug genommen – macht gerade die Hälfte der EU-Arbeits­losenquote im Euro-Raum aus.

Auch was das Budgetdefizit anlangt, sehr geehrter Herr Budgetsprecher, liegt Öster­reich in den Jahren 2002 und 2003 deutlich, nämlich um ungefähr einen Prozentpunkt unter dem Euro-Schnitt.

Diesen Vergleich lasse ich mir schmecken, dieser Vergleich macht uns sicher, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden – und jeder Zwischenruf von Ihnen, Herr Abgeordneter Matznetter, macht mich noch sicherer – diesen Reformweg auf den Pfaden der sozialen Marktwirtschaft weitergehen. Es gibt dazu keine Alternative. (Abg. Dr. Matznetter: Oja!) Schauen Sie einmal deutsche Fernsehsendungen an, lesen Sie deutsche Zeitungen, lesen Sie französische Zeitungen! (Abg. Großruck: Er kann nur die „Prawda“ lesen!) Diese müssen all das machen, was wir seit dem Jahr 2000 sozialverträglich gemacht haben – unter Ihrer massiven Kritik! Wir wissen das, Sie haben es damals nicht eingesehen, Sie sehen es aber auch heute noch nicht ein, und das ist schlimm genug, sehr geehrter Herr Abgeordneter Matznetter! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Eine Wachstumspolitik, die strukturell richtig ist, die nicht auf Nachfrage, sondern auf Angebot abstellt, die kein Deficit spending und damit keine neuen Schulden bringt, eine Abgabenquote, die wir kontinuierlich reduzieren – ich bin positiv überrascht, dass wir jetzt schon bei unter 44 Prozent sind (Abg. Dr. Wittmann: Jetzt weiß ich, warum Haupt gesagt hat, dass Sie gescheitert sind!) –, das macht mich noch sicherer, dass wir das Zwischenziel von 43 Prozent (Abg. Dr. Matznetter: Wo ist Deutschland? Das traut er sich nicht zu sagen!) – im Norden von uns – erreichen und dass wir im Jahre 2010 bei 40 Prozent liegen werden.

Ein ausgeglichener Haushalt ... (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Dr. Matznetter.) – Herr Präsident, ich bin sehr dafür, dass wir die Reden von der Regierungsbank aus in Zukunft in Dialoge umfunktionieren. Man müsste eine Art Wechselrede erfinden, dem Herrn Matznetter ein Mikrophon geben, denn so ist das ein Duell mit ungleichen Waffen: Ich habe das Mikro – er hat keines, ich habe die Argumente für mich – er hat keine! (Heiterkeit und Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Herr Präsident! Er wollte die Werte von Deutschland ...!) – Ich wollte Ihnen sagen, Herr Ab­geordneter Matznetter, dass die Anzahl Ihrer Zwischenrufe umgekehrt proportional zur Qualität Ihrer Argumente ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sie haben noch immer nicht die Fragen beantwortet!)

Die Bundesregierung hat durch die Wifo-Studie, die Sie kennen, eine bemerkenswerte Bestätigung hinsichtlich der Qualität ihrer Konjunkturpakete 1 und 2 erfahren. Ich hätte nicht erwartet, dass das Wifo uns bestätigt, dass bis zu 0,75 Prozent an zusätzlichem Wachstum aus diesem Titel entstehen, aber gerade das bestätigt uns. Wir werden diesen Weg weitergehen!

Herr Abgeordneter Mitterlehner, Sie haben die Investitionszuwachsprämie angespro­chen – sie hat sich offensichtlich bewährt. Billig ist sie nicht, über 200 Millionen € wur­den bei Karl-Heinz Grasser in der Himmelpfortgasse schon abgeholt. (Abg. Dr. Gusen­bauer: Beantworten Sie auch einmal irgendeine Frage? Es sind zwölf!) Aber gut investiertes Geld sollte man jetzt nicht unbedingt aussetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Wittmann: Haupt hat die richtige Beurteilung dieser Wirtschaftspolitik abgegeben: Sie sind gescheitert!)


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Wir werden den Weg weitergehen, strukturell das Richtige zu tun und in Bildung und Forschung zu investieren. Es war richtig, den Freibetrag in Sachen Forschung auszu­bauen. Es war richtig, eine Prämie zu installieren. Es war richtig, erstmals einen Bil­dungsfreibetrag zu etablieren, auch eine Prämie zu stellen und auch innerbetriebliche Bildung zu fördern. (Abg. Dr. Matznetter: Zu spät! Zu langsam!) Das bestätigen uns die Wirtschaftsforscher, Sie nicht, Herr Matznetter, aber beides beruhigt mich ausge­sprochen, denn eine Bestätigung Ihrerseits würde mich irritieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben auch für die jungen Menschen das getan, was möglich war. Im Konsens mit den Sozialpartnern und der Sozialdemokratie haben wir vor einem Jahr ein Jugendbeschäftigungs-Paket beschlossen, das es mir ermöglicht, eine Garantie abzugeben und diese zu wiederholen, dass jeder junge Mensch in Österreich, der einen Lehrplatz sucht, bei allen Schwierigkeiten, die es gibt, zumindest einen Lehrgangsplatz erhält.

Ich habe das erst dieser Tage wieder mit den Spitzen des AMS abgeklärt, das ist etabliert, 5 500 Plätze stehen zur Verfügung. Diese Lehrgangsplätze sind unter Um­ständen auch dazu geeignet, bis hin zu einer Lehrabschlussprüfung zu führen.

Wir kümmern uns um unsere Jugend, wir modularisieren die Lehrberufe, wir stecken Geld in Qualifizierung. Da die Sozialdemokratie massiv mitverantwortlich für das AMS ist, wissen Sie, dass zwei Drittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Richtung Qualifizie­rung aufgewandt werden, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist gut so!

Hohes Haus! Wir werden den Weg der Entlastung weitergehen. Mit 1. Jänner 2004 gibt es einen signifikanten Schritt zur Lohnnebenkostensenkung für Ältere: minus 200 Mil­lionen € – das ist nicht wenig Geld zur Entlastung einer Zielgruppe, die es auf dem Arbeitsmarkt etwas schwieriger hat. Aber freuen wir uns doch darüber, dass bei allen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt – mir ist jeder Arbeitslose einer zu viel –, dass bei allen Problemen die über 50-Jährigen jetzt keine steigenden Arbeitslosenraten mehr aufweisen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir werden den Weg der steuerlichen Entlastung gehen, die Maßnahmen zum 1. Jän­ner 2004 stehen im Bundesgesetzblatt. Wir werden bis etwa Ende Jänner/Mitte Feb­ruar politische Klarheit darüber haben, welchen Weg der Entlastung wir gehen wollen – mit der größten steuerlichen Reform seit dem Zweiten Weltkrieg, seit dem Bestehen der Zweiten Republik, nämlich mit 2,5 Milliarden €, um die wir Österreichs Wirtschaft und Bürger entlasten wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit in gebotener Kürze zur konkreten Be­antwortung der Fragen:

Zur Frage 1:

Die realen Lohnstückkosten sind in Österreich im Zeitraum von 1995 bis 2002 – und das ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor – um nicht weniger als 0,8 Prozent im Jahresdurchschnitt gesunken. Das ist im EU-Vergleich die zweitstärkste Senkung nach den Iren, deren Performance ja bekanntlich sehr gut ist.

Weiters verweise ich auf den Wachstumsmotor EU-Erweiterung – ein ganz wichtiger Motor für uns seit 1989, ein ganz wichtiger Wachstumsmotor für uns in der Zukunft. Dort gibt es höhere Wachstumsraten als bei uns.

Ich erlaube mir zu sagen, dass auch die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten einen gewissen Beitrag zum Wachstum leisten wird.


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Zur Frage 2:

Ich habe das zum Teil schon erwähnt: Infrastrukturprojekte der SCHIG und der ASFINAG sowie der Bundesimmobiliengesellschaft gehören da dazu. Wir haben ver­schiedene Steuererleichterungen eingeführt: die von mir schon erwähnten Erleichte­rungen im Bereich von Forschung und Bildungssteuer, Erleichterungen im Bereich von Betriebsübertragungen. Zu welchem Ergebnis das Wifo hier kommt, habe ich Ihnen schon gesagt.

Zur Frage 3 – Forschung und Entwicklung:

Hier darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass der Rat für Forschung und Technologieentwicklung das Jahr 2002 zum bisher besten Jahr für Forschung und Entwicklung in Österreich erklärt hat. – Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! Das waren nicht wir, das war der Rat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Der Koalitionspartner bezeich­net diese Politik als gescheitert!)

Im Jahr 2002 haben wir mit 1,4 Milliarden € nicht weniger als 19 Prozent mehr als im Jahr 2000 für Forschung und Entwicklung ausgegeben. (Abg. Dr. Wittmann: Der Koalitionspartner bezeichnet diese Politik als gescheitert!) Und Sie wissen, dass wir zurzeit daran arbeiten, eine Nationalstiftung für Forschung und Technologie zu etablie­ren und zu errichten, Mittel aus dem ERP-Fonds, Mittel aus der OeNB sollen dafür herangezogen werden.

Wir wollen eine noch stärkere Stellung für den Rat für Forschung und Technologie­entwicklung. Es soll aufwärts gehen mit der Forschung. Bis jetzt hatten wir das Ziel 2,5 Prozent im Jahr 2006, jetzt beschreiben wir den Weg zur Erreichung dieses Ziels. Der Reformdialog am 5. November wird Sie davon überzeugen, kommen Sie hin, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 4:

In Sachen Unternehmensgründung freuen wir uns, dass es weiter aufwärts geht, eine Rekordmarke von 29 000 neuen Unternehmungen ist heuer möglich. Das ist enorm in diesem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. Eine novellierte Gewerbeordnung hat ebenfalls ihren Beitrag dazu geleistet, dass mehr Unternehmungen gegründet werden, ebenso eine unbefristete Verlängerung des Neugründungs-Förderungsgesetzes und die Einbeziehung der Betriebsnachfolger dortselbst.

Zur Frage 5:

In Sachen Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft wissen Sie, dass jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export abhängt, daher: 100 Millionen € für die Internationalisierung der österreichischen Wirtschaft, davon 50 Millionen € vom Bund, in zwei Jahren zusätzliches Geld. Das ist der Samen, aus dem dann die Frucht Exportzuwachs gedeihen kann, wie im Jahre 2002 in der Höhe von 4,3 Prozent. (Abg. Öllinger: Das war jetzt Wirtschaftslyrik!)

Herr Abgeordneter Matznetter, Sie wissen: Wir waren damit Europameister innerhalb der Europäischen Union. Kein zweites EU-Land hatte im letzten Jahr einen derartigen Exportzuwachs. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Matznetter: Trotz dieser Regierung! Nicht mit fremden Federn schmücken!)

Zur Frage 6:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich weist im europäischen Vergleich eine relativ niedrige Arbeitslosenquote von 4,5 Prozent aus; die drittniedrigste – wir wissen das. (Abg. Dr. Matznetter: Ja, aber seit 20 Jahren!) Ich wiederhole: Jeder


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Arbeitslose ist einer zu viel, und die steigende Arbeitslosigkeit bereitet uns allen Sorge. (Abg. Dr. Matznetter: Warum tun Sie dann nichts dagegen?)

Ich gehe davon aus, dass die Sozialpartner auf gutem Wege sind, in den nächsten Tagen und Wochen einige Arbeitsmarkt-Reformpunkte vorzulegen. Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin eine kontrollierte Ausländerbeschäftigung haben wollen, auch im Lichte der Erweiterung. Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin gemeinsam den Zielgruppen Jungen, Älteren und den Langzeitarbeitslosen unser besonderes Augen­merk widmen werden, um die schwierige Situation gut zu meistern.

Zur Frage 7:

Jugendbeschäftigung: Die Jugendarbeitslosenquote ist mit 7,4 Prozent zu hoch, aber sie ist europaweit die niedrigste. Die Lehrlingsausbildungsprämie hat Herr Abgeordne­ter Mitterlehner bereits erwähnt. Die Konjunkturpakete, die Schwerpunktsetzung für junge Menschen unter 25 Jahren und die Garantie für junge Menschen, zumindest einen Lehrgangsplatz auf der Suche nach einem Lehrplatz zu bekommen, seien hier wiederholt.

Zur Frage 8:

Budgetpolitik: Die Budgetkennzahlen habe ich Ihnen referiert, sie sind bekannt, sie sind exzellent. – Dank und Gratulation an unseren hervorragenden Finanzminister. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen: Wir werden diesen Weg der maßvollen Budgetkonsolidierung unbeirrt weitergehen, das bedeutet: ausgeglichener Haushalt über einen Konjunkturzyklus hin­weg. Wir wollen hier berechenbar werden. Defizitquoten von 3 oder 4 Prozent muten wir den jungen Menschen in diesem Lande sicher nicht zu. Das ist indirekt natürlich auch Standortpolitik, weil die Menschen wissen, dass hier nicht auf Sand, sondern auf solide Finanzen gebaut wird, auch was den Staatshaushalt anlangt.

Zur Frage 9:

Die Bildung nimmt in der Arbeit dieser Bundesregierung einen besonders wichtigen Rang ein, und zwar ganz vorne und unter anderem auch deswegen, weil nach wie vor gilt: Je weniger qualifiziert Menschen sind, desto größer ist ihr Risiko, aus dem Arbeits­markt herauszufallen; auch deshalb AMS-Mittel, aktive Arbeitsmarktpolitik zu zwei Dritteln für Qualifizierungsmaßnahmen. (Abg. Dr. Wittmann: Der Haupt ist ein geschei­ter Mensch! Er hat ihn als gescheitert bezeichnet!)

Zur Frage 10:

Ganz wichtig ist die Verkehrsinfrastruktur. Ich freue mich, Ihnen über einen Anstieg der Bauleistungen für den Infrastrukturbereich Verkehr im Jahr 2002 um real 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr berichten zu können, über eine Erhöhung des Bauvolumens im Tiefbau im Jahr 2002 von 6,3 Prozent. Auch dazu sagt das Wifo, dass diese Investi­tionen Auswirkungen auf das Wachstum haben, und das nehmen wir gerne und dank­bar zur Kenntnis.

Zur Frage 11, sehr geehrter Herr Abgeordneter Matznetter (Abg. Dr. Matznetter: Die ist nicht von mir!), zur Frage der Verkehrsinfrastruktur laut Generalverkehrsplan:

Dieser Generalverkehrsplan stellt ein umfassendes Programm für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Donau dar. Das ist natürlich mit einer Stärkung des Standortes verbunden. Es wird Sie interessieren, Herr Abgeordneter Matznetter, dass dieser Generalverkehrsplan bis zum Jahre 2012 Investitionen in der Höhe von nicht weniger als 17,3 Milliarden € vorsieht. (Abg. Dr. Matznetter: Noch immer zu wenig!) – Ihnen zu wenig? (Abg. Dr. Stummvoll: Immer zu wenig, alles zu wenig!) Ihnen kann man es


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nicht recht machen – weder die Bilanzen von YLine noch die Verkehrsinfrastruktur­politik dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die Bilan­zen von YLine waren den Aktionären ja auch nicht recht, das habe ich vergessen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit zur Frage 12, Auswirkungen der Steuerreform:

Die erste Etappe, die mit Jänner 2004 in Kraft treten wird, trägt zur Eigenkapitalbildung bei, der halbierte Steuersatz für die kleinen Unternehmer ist wichtig. Es ist wichtig, dass wir etwa 200 000 Österreicher neu von Steuerleistungen befreien. Insgesamt mehr als 2,5 Millionen Österreicher, steuerpflichtige Österreicher, zahlen heute schon keine Steuer mehr. – Das ist bemerkenswert.

Die Abschaffung des 13. Umsatzsteuertermins ist gut, weil damit auch in Österreich in Zukunft der Umsatzsteuerkalender nur mehr zwölf Monate haben wird.

Die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt – die große Reform kommt mit 1. Jänner 2005. (Abg. Dr. Matznetter: Wieder einmal zu spät!) – Ich danke. (Anhalten­der Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.39

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. (Abg. Dr. Wittmann: Haupt hat doch Recht, Sie sind gescheitert mit dieser Wirtschaftspoli­tik! – Abg. Mag. Kogler: Sagen Sie gleich, dass ...!)

 


15.40

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Herrn Bundesminister darf ich sehr herzlich zu dieser von ihm in seiner Rede oftmals geäußerten Sicherheit gratulie­ren: Der Vergleich war es offensichtlich, der ihn sicher gemacht hat, und das aus gutem Grund.

Geschätzte Damen und Herren! Die Zahlen wurden genannt, und dabei wurde, wie ich meine, schon Gleiches mit Gleichem verglichen. Ich werde diese Zahlen sicherlich nicht wiederholen, aber ich glaube, es ist wesentlich, diese Entwicklung zu verfolgen und derartige Vergleiche anzustellen, um die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Wir können einerseits stolz darauf sein, dass wir diese Kennzahlen in einer schwierigen Situation, in einer schwierigen konjunkturellen Lage, in einer schwierigen internationalen Entwicklung geschafft haben, müssen aber andererseits darauf Be­dacht nehmen, den Wirtschafts- und Industriestandort Österreich auch in der Zukunft zu sichern.

Wenn ich einen Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland anstelle, so nicht des­wegen, weil dort die Zahlen, wie ich meine, vergleichsweise erschreckend für uns sind und negative Auswirkungen auf uns haben, sondern weil Deutschland als unser wich­tigster Wirtschafts-, unser wichtigster Handelspartner eine für uns bedeutende Volks­wirtschaft ist. Ich möchte versuchen, dies nicht in einem Vergleich der Zahlen, sondern im direkten Vergleich verschiedener Maßnahmen darzustellen, und weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass wir es in Österreich geschafft haben, Reformen, die notwendig, die sinnvoll sind, bereits zu einem Zeitpunkt in die Wege zu leiten bezie­hungsweise einzuleiten, zu dem diese zwar nicht immer auf Gegenliebe gestoßen sind und stoßen, ihre Notwendigkeit jedoch zu erkennen war und von uns erkannt wurde. Viel schwieriger ist es in Deutschland, wenn ich etwa an die Pensionsreform mit viel


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einschneidenderen Maßnahmen, an die Gesundheitsreform oder an die Verwaltungs­reform denke.

Geschätzte Damen und Herren! Wesentlich ist für uns die künftige Entwicklung, und dieser sollten wir uns widmen. Da geht es mir nicht nur darum, Prognosen zu stellen, sondern diese Maßnahmen, die für eine weitere positive Entwicklung des Wirtschafts­standortes Österreich erforderlich sind, auch tatsächlich darzustellen und auch Maß­nahmen zu setzen, die diese Wirkung verstärken. Es geht um die Sicherung des Wirtschafts- und Industriestandortes, es geht um den Arbeitsmarkt, um die Arbeits­plätze in Österreich, es geht um den Ausbau des Wohlstandes, und es geht auch darum, soziale Verantwortung künftig in ausreichendem Maße wahrnehmen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es sind Maßnahmen, es sind Impulse erforderlich. Eine Voraussetzung dafür, Maßnah­men ergreifen zu können, ist jedoch auch, dass wir ein Budget, einen Haushalt vorfin­den, der solche Maßnahmen erlaubt, der uns das leichter macht, als es in Deutschland der Fall ist. Es sind Maßnahmen, die einen Freiraum erforderlich machen, und ein über einen Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichener Haushalt ist dafür eine wesentliche Voraussetzung.

Geschätzte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich weiß, dass Sie es nicht gerne hören, aber die desaströse Budgetpolitik der letzten Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts unter der Regie sozialistischer Finanzminister hat für diese Bundesregie­rung keine ideale Voraussetzung geschaffen, diese schwierige Aufgabe zu meistern. Aber diese engagierte und reformwillige Bundesregierung ist es, die es möglich macht, die den budgetären Freiraum geschaffen hat, und die auch den Vergleichen standhält und dabei die Sicherheit gibt, dass wir nicht Gefahr laufen, Stabilitätskriterien zu verletzen.

Uns Österreichern ist also der Freiraum gegeben, der internationalen Wirtschaftsent­wicklung, der konjunkturellen Entwicklung gegenzusteuern. Ich erinnere an die Maß­nahmenpakete, an die Konjunkturpakete I und II. Und wie Sie wissen, ist auch der erste Schritt einer Steuerreform mit Beginn 1. Jänner. 2004 ebenfalls bereits beschlos­sen. Dadurch werden die Bezieher der unteren und mittleren Einkommen entlastet und die Eigenkapitalsituation der Betriebe verbessert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wirtschaftswissenschafter empfehlen, dann, wenn die Konjunktur in der letzten Phase des Abschwungs beziehungsweise in der ersten Phase des Aufschwungs ist, Maßnahmen zu setzen, um etwa diesen zarten Auf­schwung, wie wir ihn für 2004 erwarten können, zu verstärken. Dem gerecht wird der Umstand, dass ein Konjunkturpaket III mit entsprechenden Maßnahmen ins Leben gerufen wird.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es wird wohl wesentlich sein, gerade die Maßnah­men, die dieses Konjunkturpaket III enthalten soll, entsprechend darzustellen, also jene Maßnahmen, die Sie schon genannt haben, aber auch, wie ich meine, sinnvolle Maß­nahmen im steuerlichen Bereich, unabhängig davon, ob diese Teil der ursprünglich für 2005 vorgesehenen Steuerreform sind und einfach, weil sie sinnvoll sind, vorgezogen werden.

Wir stehen vor der EU-Erweiterung. Es gibt das Problem der sehr unterschiedlichen Besteuerung und des immer stärker werdenden Wettbewerbs. Ich nenne hier beispiels­weise die Körperschaftsteuer, bei der wir im Spitzenbereich liegen. Ich denke, dass es wichtig ist, möglichst rasch darzustellen, auf welche Weise und auf welcher Zeitachse an eine Absenkung der KöSt, der Körperschaftsteuer, gedacht ist. Dies gibt Vertrauen, und es ermöglicht den Betrieben eine langfristige Planung, es wird die Investitionsbe-


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reitschaft steigern, es bietet betriebswirtschaftliche Planbarkeit, es sichert Arbeitsplätze und schafft auch, wie ich meine, neue Arbeitsplätze.

Weiters ist es eine Entscheidungshilfe für ausländische Unternehmen, sich Österreich als Betriebsstandort auszusuchen, in Österreich zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Und es ist zudem eine Maßnahme dafür, dass österreichische Betriebe, die hier ihren Standort haben, diesen österreichischen Standort auch behalten und mög­lichst weiter ausbauen.

Eine zweite wesentliche Voraussetzung – und diese will ich nicht verhehlen, denn ich bin glücklich, sagen zu können, dass wir sie hier in Österreich vorfinden – ist das vor­handene Humankapital, das in Österreich meiner Meinung nach hervorragend ist und ebenfalls einen Anreiz dafür bietet, dass sich internationale und ausländische Unter­nehmungen in Österreich ansiedeln.

Man muss auch daran denken, unsinnige Bagatellsteuern abzuschaffen – hoher Ver­waltungsaufwand, eine Belastung für die betroffenen Steuerzahler, eine Budgetwirk­samkeit, die annähernd gegen null geht oder vernachlässigbar ist. Und wesentlich erscheint mir auch, dass es zu einer Vereinfachung unseres komplizierten, unseres, wie ich meine, nicht leistungsgerechten Steuersystems kommt, und zwar in Richtung Flat-Tax, also einer Vereinfachung des Tarifsystems mit einer Zurücknahme der Ab­stufungen. Es soll selbstverständlich auch fair und transparent sein, andere Länder machen uns dies vor. Auch ist es meiner Ansicht nach sinnvoll, an eine Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages zu denken; dies ist unbürokratisch, rasch umsetzbar und wird sicherlich konjunkturbelebend wirken.

Ich weiß jedenfalls die zu treffenden Maßnahmen durch diese schwarz-blaue Regie­rungskoalition von politischer Seite in den besten Händen. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

15.50

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim – in Richtung des an seinen Platz zurückkehrenden Abg. Dipl.-Ing. Hofmann –: War das nicht eine Spur zu „emotional“? – Heiterkeit.)

 


15.50

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Anfrage durch Kollegen Mitter­lehner und der Beantwortung durch Herrn Bundesminister Bartenstein weiß jetzt wirk­lich jeder hier im Hohen Haus (Abg. Mag. Molterer: Wir haben eine gute Wirtschafts­politik!), was Herbert Haupt gemeint hat, als er sagte: Die Wirtschaftspolitik dieser Regierung ist gescheitert! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Offen gestanden habe ich mich die ganze Zeit gefragt: Was kommt jetzt? Wann wird es endlich dringlich in der Anfragestellung des Kollegen Mitterlehner? Wann wird es wirk­lich dringlich, damit diese Anfrage gerechtfertigt ist? – Er hat uns das 20 Minuten lang nicht erklären können, sondern hat im Wesentlichen nur einige Interpretationen von Statistiken gebracht und gemeint ... (Abg. Grillitsch: Wer ist „er“?) – Kollege Mitter­lehner, von dem ich gerade spreche. (Rufe bei der ÖVP: Ah so!) Sie brauchen nur auf­zupassen, dann bekommen Sie das schon mit – falls Sie da Probleme haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Er hat aber eine bemerkenswerte Aussage gemacht, als er meinte, aber der Minister setze dann ohnedies fort, wo er selber aufhöre. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grü­nen.) Es ist ein ganz neues Stilmittel, dass ein Minister die Dringliche Anfrage, die an ihn gerichtet ist, in der Fragestellung an sich selbst fortsetzt. Ich gratuliere, das ist


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Ihnen wirklich gelungen! (Neuerliche Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Die neue Form von Dringlichen Anfragen besteht darin, dass der Minister sich selbst weiter befragt.

Aber nicht nur der Minister fragt sich, es fragen sich auch die Österreicherinnen und Österreicher, wann endlich dieser Minister, der für die höchste Arbeitslosigkeit seit 1945 verantwortlich ist (Abg. Großruck: Die geringste in Europa!), Maßnahmen ergreift und nicht nur hier von der Regierungsbank aus Stehsätze von sich gibt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Mol­terer: Was wird denn der Michael Häupl dazu sagen?)

Es wäre nämlich in der Tat dringlich gewesen, Herr Kollege Molterer, endlich Maßnah­men zu ergreifen und nicht dieselbe Wirtschaftslyrik hier abzuhandeln, wie dies bereits seit Monaten geschieht. (Abg. Mag. Molterer: Der Michael Häupl hat in Wien etwas zu tun! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Seit Monaten hören wir, dass Sie in der Lehrlingsfrage etwas tun. (Abg. Mag. Molterer: In Wien haben wir ein Problem!) – Ihre flachen Argumente werden durch die Lautstärke nicht besser. Merken Sie sich das, Herr Klubobmann Molterer! (Beifall bei der SPÖ.)

Seit Monaten hören wir von der angeblichen Aktivität in der Lehrlingsfrage. Was ist geschehen? – Absolut nichts! Dann stellt sich Herr Mitterlehner her und sagt: Eine Abgabe, ein Lehrlingsfonds bringt nichts! – Herr Kollege Mitterlehner! Ich würde Sie ersuchen: Sie als Oberösterreicher, unternehmen Sie doch einmal ... (Anhaltende Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) – Geben Sie Frieden!

Unternehmen Sie einmal eine Reise nach Vorarlberg! Schauen Sie sich an, wie dort nicht die Wirtschaftsbürokraten, sondern die Industriellen einen Lehrlingsfonds reali­siert haben, der dazu führt, dass es in Vorarlberg kein Lehrlingsproblem gibt. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nehmen Sie sich an Vorarlberg ein Beispiel, Herr Kollege Mitterlehner! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Donner­bauer und Zweytick.) – Für Sie wäre es auch nicht schlecht, eine Bildungsreise nach Vorarlberg zu machen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Es ist auch von der Steiermark aus nicht so weit, Herr Kollege Zweytick. Auch für Sie wäre das ganz in Ordnung! (Neuer­licher Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, ich weiß. In Anbetracht dessen, dass vorhin hier von der Regierungsbank und von diesem Rednerpult aus die schlechtesten Propagandareden dieser Regierung in den letzten drei Jahren gehalten worden sind, müssen Sie besonders nervös sein. Und Sie, Herr Klubobmann Molterer, sind offenbar verantwortlich dafür, dass die schwächste Dringliche Anfrage der gesamten letzten Jahre heute hier debattiert wird. Da nützt auch Ihre volle Lautstärke nichts mehr! (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: ... Vorarlberg ...!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer wieder wird hier der Vergleich Deutschland auf der einen Seite, Österreich auf der anderen Seite gezogen. – Herr Minister Bartenstein! Wenn Sie schon dauernd Deutschland zum Vergleich heran­ziehen, dann sagen Sie doch dazu, dass bei all den von Ihnen referierten „Grau­samkeiten“ der rot-grünen Regierung in Deutschland Ihre Parteifreunde von der CDU der Meinung sind, all das sei noch viel zu wenig! Noch viel grausamer müsste es sein! Das ist nämlich der Diskurs, der in Deutschland geführt wird. (Abg. Ellmauer: Falsch, völlig falsch! Anders müsste es sein!) Wenn Sie hier Ihre Parteikollegin Merkel zitieren, dann kann ich Ihnen dazu nur sagen (Zwischenbemerkung von Bundesminis­ter Dr. Bartenstein):

Dieser CDU/CSU-Kurs sollte uns in Österreich erspart bleiben (Rufe bei der ÖVP: Fragen Sie die Wähler!), denn der bedeutet noch viel dramatischere Eingriffe als das,


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was in Deutschland ohnehin schon stattfindet, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: 25 Prozent!)

Da Sie schon über Vergleichszahlen reden – ich weiß, Sie kennen sich mit Zahlen nicht aus, das brauchen Sie nicht erneut zu belegen –: Hätten wir in Österreich dieselbe Steuer- und Abgabenrate wie in Deutschland, dann würde ein Budgetdefizit der Sonderklasse klaffen. Oder, umgekehrt formuliert: Müssten die Deutschen so viele Steuer zahlen wie nach dem Grasser-Steuerregime, hätten sie schon lange kein Bud­getdefizit mehr, sondern einen Überschuss! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein) – Auch das gehört zur Wahrheit dazu, Herr Minister! Aber es ist eine Wahrheit, die Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, eben nicht gerne hören wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Die „Gusenbauer-Prawda“ ist das!)

Faktum ist: Sie haben heute wieder keinen Vorschlag gemacht, wie Sie die Lehr­lingsproblematik lösen wollen. Sie haben erneut keine Vorschläge gebracht, wie das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden soll. (Die Abgeordneten Dr. Trinkl und Dr. Mitterlehner: Was sind Ihre Vorschläge?) Und Sie bleiben nach wie vor der erfolg­loseste Arbeitsminister, den es in der Geschichte unseres Landes gegeben hat! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Vorschläge!)

Aber vielleicht wäre es besser gewesen, Ihre Parteikollegen hätten die Anfrage an Sie anders formuliert. Wenn ich das morgige „Format“ lese, so dürften Ihre Fähigkeiten ja in einem ganz anderen Bereich liegen. (Rufe bei der SPÖ: Humanic!) Ihre Kollegen hätten Sie zum Beispiel fragen können: Herr Minister Bartenstein! Wann haben Sie die Aktien der Brau AG gekauft? Und von wem haben Sie gehört, dass die Brau AG unter Umständen verkauft wird und daher im Zuge dieses Verkaufes ein großer Kursgewinn möglich ist? Vielleicht hätten Ihnen die Kollegen diese Anfrage stellen sollen, dann hätte das Hohe Haus von Ihrem möglichen Insider-Wissen profitieren können. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Das wäre in der Tat eine Dringliche Anfrage gewesen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Bundes­minister Dr. Bartenstein: Werfen Sie mir Insiderhandel vor? Bitte!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Bartenstein hat auf die Regie­rung gemünzt in seiner Rede resümierend gemeint (Zwischenrufe bei der ÖVP – Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein): Wir sind noch nicht am Ende. – Ich sage dazu: aber bald! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.57

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. – Bitte.

 


15.58

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So eine Dringliche Anfrage bietet natürlich die Mög­lichkeit, die Wirtschaftspolitik zu diskutieren, sonstige Hinweise zu machen, wie soeben Kollege Gusenbauer. Er hätte ja gleich von Insiderhandel reden können, wenn er dem Minister schon diesen Aktienbesitz vorwirft. Das hat er sich aber nicht getraut, weil er genau weiß, dass es nicht stimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das wird sich noch herausstellen, ob es Insiderhandel ist!)

Diese Dringliche Anfrage bietet natürlich die Möglichkeit, die Budgetpolitik der Regie­rung zu diskutieren. Und Sie müssten da eigentlich sagen: Danke, dass Sie so einen vernünftigen Budgetkurs fahren! Sie müssten auch ein Dankeschön sagen für die zwei


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Konjunkturpakete, die insbesondere in jenem Bereich, wo voriges Jahr das Hochwas­ser war, enorm geholfen haben. Aber da hören Sie weg, weil das wahlstrategisch eine Rolle spielen könnte! (Abg. Dr. Bauer: Wir haben da genauso mitgestimmt wie ihr!)

Wissen Sie, meine Damen und Herren, so eine Dringliche Anfrage lässt ja auch ein wenig nachdenken, und sie hat mich zum Schluss kommen lassen, dass es offenbar ein bisschen ein schlechtes Gewissen gibt. Und das muss auch der Grund dafür sein, dass das eine oder andere Mal sehr komische Ideen entwickelt werden. Ich meine ganz konkret die Werbekampagne der Wiener Sozialdemokratie, die seit einigen Wochen versucht, mit irgendwelchen Erinnerungszettelchen Themen wie Lehrstellen oder auch die Sicherheit zu kampagnisieren. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich habe gelernt, dass man in der politischen Kommunikation eines unterlassen sollte, nämlich den Namen des politischen Gegners zu transportieren. Aber wahrscheinlich ist dieses Produkt, Ihre Werbekampagne, insbesondere die der Wiener Sozialdemo­kraten, ein Produkt aus dem Container.

Manche haben schon vergessen, dass der gesamte Wahlkampf ein Wahlkampf aus dem Container war. Und die Ideen und Strategien, die Sie hier dann und wann prä­sentieren, sind offensichtlich auch Produkte aus diesem Container. Der Wähler hat Ihnen allerdings an diesem 24. November gezeigt, was er von Produkten aus so einem Container hält. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwi­schenruf der Abg. Mag. Wurm.) Im Hinblick darauf glaube ich, dass das natürlich auch ein gewisses Ablenkungsmanöver von der gescheiterten Politik der sozialdemokra­tischen Stadtverwaltung in Wien ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist ein Faktum, dass Wien leider Gottes die höchste Arbeitslosenquote hat, und es ist leider ein Faktum, dass wir hier die längste Verweildauer in der Arbeitslosigkeit haben, nämlich 135 Tage. In Österreich insgesamt sind es 102 Tage. Hätten wir diese hohe Quote in Wien nicht, dann wären wir im österreichischen Durchschnitt deutlich unter 100 Tagen. Wir haben die geringsten Zuwächse bei den Beschäftigten, meine sehr geehrten Damen und Herren, und wir haben die miserabelste Situation bei den Lehrstellen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.)

Schau mir in die Augen! – Gusenbauer ist nicht da. Er hat vorhin gerade die Lehrlings­problematik beklagt: Ich empfehle, ein wenig in der heutigen „Presse“ zu lesen! In der „Presse“ lesen wir, dass der für „Euroteam“ – das war einmal Ihr Rezept gegen die Lehrlingsproblematik! – zuständige „SP-Günstling“, wie er in dem Artikel genannt wird, auf der Flucht ist. (Abg. Mag. Molterer: Wo ist er denn?) Was mich als Wiener dabei natürlich auch betroffen macht – und das sollte Sie noch viel mehr betroffen machen –, ist, dass die sozialdemokratische Bezirksvorsteherin aus dem 14. Bezirk, Frau Andrea Kalchbrenner, wegen falscher Zeugenaussage vor Gericht landen wird. Außerdem steht heute auch in der Zeitung, dass auch Jan Klima – der Arme, für seinen Vater kann er nichts! – noch einmal vor Gericht muss. (Abg. Großruck: Ach so?)

Wenn man sich einzelne Kennziffern für die Stadt Wien ansieht, dann sollte man sich auch einmal das Bruttoregionalprodukt anschauen – also jene Kennziffern, welche die Wertschöpfung vor Ort darstellen. Auch in diesem Bereich ist Wien das Schlusslicht. Als einziges Bundesland – Hand aufs Herz – hatte Wien im Jahr 2001 eine Rezession, und momentan haben wir hier einen Beschäftigtenstand wie im Jahr 1965. Während in Österreich – und vor allem in Niederösterreich, Herr Kollege Bauer! – ein Zuwachs bis zu 32 Prozent zu verzeichnen war, gab es in Wien die ganze Zeit über eine Stagnation. (Abg. Dr. Bauer: Das kommt auch daher, dass viele Niederösterreicher in Wien arbeiten!)


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Jetzt lade ich Sie ein: Erinnern Sie sich einmal kurz zurück! Wir hatten betreffend die Forschungs- und Entwicklungsausgaben intensive Diskussionen mit der Stadt Wien. Kein Geringerer als der damalige Finanzstadtrat und Vizebürgermeister Mayr ist aller­dings einen anderen Weg gegangen: Er hat die „Wienerwald“-Kette gekauft. Manche von Ihnen werden sich noch erinnern können: Hans Mayr hat die Hendlbraterei „Wienerwald“ in ganz Österreich gekauft. Er hat einen dreistelligen Millionenbetrag dafür aufgewendet, anstatt diesen Betrag in einen Forschungs- und Entwicklungsfonds dieser Stadt einzubringen. Und entsprechend schaut es jetzt aus! Schauen wir uns doch an, was aus dieser Investition geworden ist! – Wo ist „Wienerwald“ denn heute? Wir haben zwar Gott sei Dank noch den Wiener Wald rund um Wien, aber die Hendl­kette gibt es nicht mehr! In diese aber hatte die Wiener Sozialdemokratie Geld inves­tiert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Schauen Sie sich die Wirtschaftspolitik dieser Stadt heute an, nehmen Sie punktuell nur einige Bereiche heraus! Schauen Sie sich den Zustand der Märkte an! Ihr Herr Klubobmann ist ja gleichzeitig Bezirksparteiobmann von Hernals. Er könnte sich den Dornermarkt anschauen! (Abg. Eder: Schauen wir uns doch den „Mausi-Markt“ an!) Dort ist eine halbe Million € „vergraben“ worden. André Heller durfte um viel Geld – Steuergeld natürlich! – noch ein kleines Spielchen hinstellen. Nun ist das Ganze eine Betonwüste, die Lieblosigkeit schlechthin! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eder.) – Kollege Eder kommt aus Floridsdorf: Er soll sich den Floridsdorfer Markt anschauen!

Meine Damen und Herren! Manche von Ihnen kennen die Dame nicht, die dafür zuständig ist: Zuständig für Märkte ist Stadträtin Brauner, die wahrscheinlich noch ihren jugendlichen Juso-Ideen nachhängt. So schaut die Nahversorgung in dieser Stadt aus, dabei könnte es Wirtschaftsimpulse geben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Außerdem lade ich Sie ein: Gehen Sie doch durch die einzelnen Geschäftsstraßen Wiens! Da werden Sie leider Gottes viele zuplakatierte Auslagen und geschlossene Geschäfte sehen! Und auch dafür sind der Herr Bürgermeister und natürlich Frau Stadträtin Brauner zuständig!

Sie zeichnen für die Lieblosigkeit, Phantasielosigkeit und mangelnde Kreativität in dieser Stadt verantwortlich! Entsprechend schauen auch die Wirtschaftsdaten aus. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bauer.) – Herr Kollege Bauer! Ich lade Sie ein: Gehen Sie über den Schwarzenbergplatz! Er ist nicht weit von da entfernt. Gehen Sie über den Schwarzenbergplatz! Es ist dies ein zubetonierter neuer Platz, eine Schande für die Stadt! Ich verlange in Wirklichkeit schon heute einen Rückbau dieses Platzes! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie sagen immer, dass die Bundespolitik dafür verantwortlich ist, dass die Wirtschafts­daten in Wien so schlecht sind. (Abg. Verzetnitsch: Reden Sie bitte zum Thema!) – Dieses Argument kommt aber doch immer wieder! – Schauen Sie sich die Zahl der fertig gestellten Wohnungen in Wien an. Die fertig gestellten Wohnungen ... (Abg. Mag. Kogler: Wir sind doch kein Kabarett!) – Das ist kein Kabarett, sondern das ist höchst notwendig angesichts der Wohnsituation in Wien, Herr Kogler! Aber Sie wissen ja nicht, wovon Sie reden!

Im Jahr 2000 betrug die Zahl der fertig gestellten Wohnungen in Wien 11 700, im Jahr 2001 waren es 6 300, also nur rund die Hälfte, und im Jahr 2002 waren es 5 600. In diesem Zusammenhang könnte es Impulse für die Bauwirtschaft in dieser Stadt geben! Was ist die Situation aber wirklich? – Es ist eine hausgemachte Rücknahme in diesem Bereich festzustellen, wie überhaupt die Investitionen ins Baugewerbe von der Stadt Wien in den letzten Jahren zurückgenommen wurden. Wo sind denn da die wirt-


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schaftspolitischen Impulse der sozialdemokratischen Stadtverwaltung? Das hätten Sie in der Hand!

Ich lade Sie im Hinblick darauf zu einem Krisengipfel ein! Gehen wir doch gemeinsam ins Rathaus hinüber und fragen wir einmal, was los ist! (Zwischenruf des Abg. Eder.) Das läge an sich in Ihrer Verantwortung als zuständiger Abgeordneter für die Stadt Wien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen, weil ich jetzt auch Präsident Verzetnitsch hier sehe: Die Wiener Stadtverwaltung – und auch da wiederum Frau Stadträtin Brauner – hat sich natürlich bei den Streiks hervorgetan. Die Wiener Linien haben gestreikt, Wienstrom und Wiengas haben gestreikt, die Freiwillige Feuerwehr, die Berufsfeuer­wehr und überhaupt alle haben gestreikt! Vor der Bundesparteizentrale der ÖVP wur­den Schaumteppiche aufgelegt und was weiß ich noch alles! – Herr Präsident Verzet­nitsch! Das Ganze hatte aber in Wirklichkeit folgenden Effekt: Wenn Sie bei Betriebs­ansiedlungsgesprächen heute mit internationalen Investoren reden, kommt die Frage: Gibt es in Wien auch schon italienische Verhältnisse? – Dafür sind Sie zuständig! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Deshalb ist es eben notwendig, dass eine Wirtschaftspolitik à la Bartenstein und à la Grasser diesen Dilettantismus in Wien überlagert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

16.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Sburny. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


16.08

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Sie haben offenbar die falsche Türe erwischt, Herr Abgeordneter Maier! Ich kann eventuell auch „Kollege“ sagen. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie jetzt im Parla­ment und nicht im Wiener Rathaus sind. Ich meine, wir sollten jetzt wieder zu dem zurückkehren, was die Bundespolitik betrifft. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Wien ist ein Bundesland!) – Richtig! Wien ist ein Bundesland. Es gibt auch etliche Bun­desländer, die schwarz regiert sind, und trotzdem sieht die Wirtschaftspolitik bundes­weit so aus! (Abg. Neudeck: Insgesamt schaut es besser aus!)

Ich möchte gerne, bevor ich auf die Anfragebeantwortung im engeren Sinn eingehe, zu der Diskussion am Vormittag zurückkommen, die zwar nicht direkt eine Wirtschaftsdis­kussion war, bei welcher aber gerade Sie von den Regierungsfraktionen – und ganz speziell auch Frau Abgeordnete Partik-Pablé – einen starken wirtschaftlichen Zusam­menhang hergestellt haben. Sie haben in der Asyldiskussion nämlich gemeint, dass man nicht die armen SteuerzahlerInnen in Österreich unter diesen Asylwerbern leiden lassen soll. – Sie haben also einen Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik herge­stellt, und das tun Sie immer wieder, indem Sie feststellen, dass wir uns ein faires Abkommen für die Asylwerber und Asylwerberinnen wirtschaftlich nicht leisten können, weil uns das zu teuer komme.

Meine Kollegin Brigid Weinzinger hat in diesem Zusammenhang auf eine besondere Gruppe der AsylwerberInnen hingewiesen, die unter Ihrem heute beschlossenen Asyl­gesetz besonders leiden beziehungsweise auf der Strecke bleiben wird, nämlich auf die Gruppe jener Frauen, die vergewaltigt wurden, Genitalverstümmelungen zum Opfer gefallen sind oder Witwenverbrennungen zu befürchten haben. Und auch im Hinblick auf diese Gruppe von Frauen meinen Sie, dass wir es uns wirtschaftlich nicht leisten können, ein ehrliches, faires Asylverfahren durchzuführen! (Abg. Neudeck: Wir sind jetzt bei der Dringlichen!)


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Ich möchte das jetzt einmal thematisieren, weil das immer wieder zwischen den Reihen der Regierungsfraktionen und der Grünen hin und her geht: Ich finde es absolut unerträglich, dass es jedes Mal, wenn es um die Ungleichbehandlung von Frauen oder – wie in dem Fall des Asyls – um Gewalt gegen Frauen geht, sexistische Äuße­rungen von Ihrer Seite gibt. (Abg. Neudeck: Zum Thema bitte!) Es ist mir jetzt egal, welches Thema! Sie nehmen jedes Thema zum Anlass für sexistische Äußerungen in Richtung weiblicher Abgeordneter! (Abg. Neudeck: Sagen Sie bitte einen Satz zur Wirtschaft!)

Damit Sie es einmal hören, zitiere ich die diesbezügliche öffentliche Äußerung des Kollegen Wattaul bei einer Rede der Kollegin Weinzinger: „Ich möchte wissen, was die Weinzinger für einen Frust hat, dass sie sich immer so aufführt!“ (Abg. Rädler: Das ist doch nicht sexistisch!) – Das ist Sexismus! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Sagen Sie doch endlich etwas zum Thema!) – Ja, ich werde auch etwas zum Thema sagen! (Abg. Mag. Mainoni: Sie haben aber wirklich ein Problem! Sie sind wirklich arm!) – Ich hoffe, das steht im Protokoll! Kollege Mainoni sagt, dass ich wirklich ein Problem habe. (Abg. Neudeck: Mehrere!) – Kollege Neudeck sagt, dass ich mehrere Probleme habe. Das mag auch sein! (Abg. Neudeck: Wissen Sie nichts zur De­batte?) – Ich weiß schon etwas zur Debatte. Aber es muss einmal thematisiert werden, wie Sie mit den Abgeordneten der Oppositionsparteien und speziell mit den Frauen umgehen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni.) Sie können das, wie ich hoffe, auch im Protokoll nachlesen. Ich möchte jetzt, dass das einmal öffentlich abgehandelt wird! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. – Zwischenruf des Abg. Scheibner. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen in der ersten und zweiten Bank! Bitte melden Sie sich zu Wort! – Herr Klubobmann, ich appelliere an Sie! Wir haben in der Präsidialkonferenz gesagt, dass wir Rednerinnen am Rednerpult nicht ständig stören. Sie können sich zu Wort melden! Es gibt noch freiheitliche Redner. Ich werde wieder Ordnungsrufe erteilen!

Am Wort ist die Rednerin.

 


Abgeordnete Michaela Sburny (fortsetzend): Danke. – Ich möchte nun zur Dring­lichen Anfrage kommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir können uns doch von den Grünen nicht ununterbrochen beschmutzen lassen! Die Grünen dürfen sagen, was sie wollen, wir aber nicht!) – Sie dürfen es eh sagen! Ich habe es nur hier laut wiederholt! Wenn Sie das so stört, dann sagen Sie es halt nächstes Mal nicht mehr! (Beifall bei den Grünen.)

Österreich ist laut einer neuen OECD-Studie Schlusslicht, was das Wachstum betrifft. Wir können jetzt lange – und das ist für die Regierungsfraktionen offenbar eine beson­dere Freude – über Statistiken diskutieren. – Diese neue Statistik besagt, dass das Wachstum in Österreich 1,4 Prozent betragen wird. Damit sind wir Schlusslicht im Be­reich der OECD. Sie zitieren manchmal eine IHS-Studie, nach welcher wir bei 2,1 Pro­zent liegen. Danach wären wir dann halt an drittletzter Stelle. Ich glaube aber, dass das nicht das Thema ist. Es geht nicht darum, Statistiken gegeneinander aufzurechnen, sondern es geht darum, einmal herauszufinden, was in Österreich denn wirklich im Laufen ist.

Ich möchte mich jetzt auf einen Punkt, nämlich auf die Arbeitslosenquote, konzentrie­ren. Auch in diesem Bereich werden immer wieder Statistiken genannt. – Natürlich ist die Arbeitslosenquote in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern noch immer – ich betone: noch immer – relativ niedrig. Was Sie allerdings nie dazu sagen, ist, dass die Steigerung der Arbeitslosenquote in Österreich extrem hoch ist. Auch das Wifo stellt fest, dass die jetzige Quote und die für das nächste Jahr in Österreich zu erwartende


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Quote noch nie so hoch war. Sie müssen also bei Ihren Statistiken auch dazusagen, dass unsere Arbeitslosenquote im EU-Bereich oder auch im OECD-Bereich zwar immer noch relativ niedrig ist, vergleichsweise aber schneller steigt als in anderen Bereichen. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind auch immer wieder ein Thema. Ich möchte jetzt nicht dasselbe sagen, was ich gestern schon gesagt habe. Sie kennen die Daten. Herr Minister! Wenn Sie sagen, dass 2002 das beste aller Jahre für Forschung und Entwicklung war, dann kann ich nur sagen: 1,94 Prozent Forschungs­quote liegen unter jenem Zielergebnis, das Sie sich selber gesteckt haben. Wenn das das Beste ist, was Sie erreichen können, dann können wir uns unschwer vorstellen, wie das bis zum Ende der Regierungsperiode ausschauen wird! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Binder.)

Was allerdings einen Impuls geben könnte, wären weitere Investitionen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie. Auch das ist wirtschaftlich mehrfach belegt. Und auch in diesem Bereich liegt Österreich auf einem der letzten Plätze im Bereich der OECD mit 3,8 Prozent gegenüber zum Beispiel Schweden mit 6,9 Prozent, oder Dänemark mit 5,4 Prozent. Auch dazu gibt es eine ganz neue Studie, die besagt, dass man die Zahl der Beschäftigten auf diesem Sektor kurzfristig um bis zu 27 000 Personen erhöhen und somit auch das BIP um 1 bis 1,1 Prozent erhöhen könnte.

Das heißt, es gibt da konkrete Ansatzpunkte. Sie müssen aber etwas Konkretes um­setzen und nicht immer nur so tun, also ob eh alles bestens wäre und Sie im Übrigen gar keine anderen Möglichkeiten hätten, weil wir uns sowieso im Sog von Deutschland und der EU befinden.

Ein dritter Punkt noch zum Schluss: Sie sagen, dass die Steuererleichterungen, die ab 2005 in Form eines Steuerentlastungspakets in Kraft treten werden, in erster Linie die mittleren und hohen Einkommen beziehungsweise auch die großen Unternehmen ent­lasten werden, und Sie sprechen vor allem von einer Senkung der KöSt von 34 Pro­zent auf 31 Prozent. – Die Wirtschaftskammer hat eine Umfrage unter ihren Mitgliedern gemacht, was den Unternehmen nach ihrer eigenen Meinung am meisten nützen würde. Gemäß dieser Umfrage ist die KöSt weit abgeschlagen. 5 Prozent der Mitglie­der der Wirtschaftskammer meinen, dass es wichtig wäre, die KöSt von 34 Prozent auf 31 Prozent zu senken.

Was die Unternehmen allerdings sehr dringend brauchen würden, ist eine Senkung der Einkommensteuer und eine steuerliche Entlastung der untersten Einkommen. (Zwi­schenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Das heißt: Sie sollten sich auch einmal die diesbezüglichen Zahlen der Wirtschaftskammer und der Unternehmen anschauen und nicht immer nur in die Luft bauen! – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.17

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich diese Debatte zur Dringlichen Anfrage betreffend „Arbeit und Wirt­schaft – Österreich im internationalen Vergleich“ anhört, dann fällt auf, dass jeder die Statistik verwendet, die ihm gerade passt. Herr Kollege Gusenbauer steht hier und sagt: Wir haben die höchste Arbeitslosenrate in der Zweiten Republik. – Ja! Den inter­nationalen Vergleich hat er aber noch nicht angestellt! (Zwischenruf der Abg.


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Heinisch-Hosek.) Er hat noch nicht verglichen, wie es in Wien in Relation zu anderen Bundesländern ausschaut. Er hat sich noch nicht angesehen, wie es dem Bürger­meister von Wien geht, wo die höchste Arbeitslosenrate immer noch hinaufschnellt. – Das besagt nämlich die Statistik des Arbeitsmarktservice. Wenn er dort nachgeblättert hätte, dann könnte er sich eines anderen besinnen und für diesen Bereich gute Rat­schläge geben.

Auf jeden Fall steigen wir bei der Betrachtung der Entwicklung der österreichischen Wirtschaft im internationalen Vergleich, wenn man nur etwas über die Grenze be­ziehungsweise wenn man – von Grenze kann man ja nicht mehr sprechen – nach Deutschland blickt, hervorragend aus. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Im Vergleich zu Deutschland agiert in Österreich nämlich eine schwarz-blaue Regie­rung. Und die Ergebnisse, die in Deutschland unter Rot-Grün erzielt werden, sprechen Bände: Das BIP ist in Österreich im Jahr 2001 real um 0,8 Prozent gewachsen, in Deutschland nur um 0,6 Prozent.

Frau Kollegin Sburny, Sie haben beklagt, dass das Wirtschaftswachstum in Österreich mit 1,4 Prozent recht minimal ist. – Diese Zahl stimmt, sie ist aber um das Siebenfache höher als in Deutschland. Das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen! Solche Ver­gleiche sollten Sie anstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch in der Beschäftigungspolitik war Österreich wesentlich erfolgreicher als das be­nachbarte Deutschland. Während Österreich im Jahr 2002 eine Arbeitslosenrate von knapp 4,1 Prozent hatte, war diese in Deutschland mit 8,6 Prozent mehr als doppelt so hoch.

Geschätzte Damen und Herren! Der wichtigste Handelspartner ist für uns nach wie vor Deutschland, aber dort regiert halt nun einmal Rot-Grün.

Um noch einmal auf die Beschäftigungszahlen zurückzukommen. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Herr Kollege Brosz! In Österreich haben wir zurzeit den höchsten Be­schäftigtenstand: Im Vergleich zum Vorjahr sind es um 27 820 Beschäftigte mehr. Jetzt werden einige sagen, dass es sich hiebei um Teilzeitbeschäftigte oder geringfügig Beschäftigte handelt, aber auch das brauchen wir in Österreich! Ein solches Einkom­men allein reicht zwar nicht aus zum Leben, aber um Familie und Beruf vereinbaren zu können, ist diese Möglichkeit für viele enorm wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da beklagt wird, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich gegenüber dem Vorjahr um 4,4 Prozent angestiegen ist: Es gibt Bundesländer, die wesentlich besser abschneiden, wie zum Beispiel Kärnten mit 2,2 Prozent weniger Arbeitslosen, Oberösterreich mit 2,8 Prozent und auch die Steiermark mit 0,5 Prozent weniger. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hingegen ist in Wien die Arbeitslosigkeit enorm angestiegen, nämlich um 11,2 Pro­zent. – Herr Kollege Gusenbauer, fragen Sie bei Bürgermeister Häupl nach, was er dagegen unternehmen wird! Es wäre für Sie wahrscheinlich ratsam, öfter mit dem Kärntner Landeshauptmann zu einem Spargelessen zusammenzutreffen, denn dort könnten Sie gewisse Anleihen nehmen, wenn es darum geht, wie man die Beschäftig­tenzahl in die Höhe treibt, wie man der Jugendarbeitslosigkeit entgegentritt, wie man bei den Beschäftigtenzahlen positive Zahlen schreibt, die Jugendarbeitslosigkeit ab­baut und mehr für die Jugendbeschäftigung tut. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Die SPÖ-Propaganda sagt immer wieder, Kärnten sei Schlusslicht (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das stimmt überhaupt nicht!) und Wien ist Spitze. – Wien ist Spitze bei den Arbeitslosenzahlen! Kärnten ist auf jeden Fall Vorbild bei der Jugendbeschäfti­gung! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Bravoruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Wir haben in Kärnten Beschäftigtenzahlen, die besser sind als je zuvor. Im Au­gust 2003 erreichte mein Bundesland hinter Oberösterreich das zweitbeste Ergebnis, bei der Arbeitslosigkeit und vor allem bei der Jugendausbildung waren wir vorbildhaft. Man hat Maßnahmen gesetzt, damit es mehr Lehrbetriebe, mehr offene Stellen und weniger Lehrstellensuchende gibt. Man hat in Abstimmung zwischen dem Land und den Sozialpartnern Maßnahmen dahin gehend gesetzt, dass man im ersten Lehrjahr den Betrieben die Berufsschulzeit ersetzt. Das sind eben positive Aspekte, wodurch man dann positive Zahlen schreibt. Das wird sich dann auch in den Wahlen entspre­chend niederschlagen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Reheis.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Abschluss noch ein Wort zur Steuerreform: Eine Steuerreform ist notwendig! Wir werden sie auch durchziehen, um eine massive Entlastung der unteren und mittleren Einkommen zu gewährleisten. (Rufe und Gegen­rufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.) 14 500 € steuerfrei mit einer Einschleifregelung auf 21 800 € – das wird kommen. Ich habe in den letzten Tagen von einem Manager der Kaufhauskette „Quelle“ gelesen, dort kaufen sicherlich sehr viele Leute mit kleinen und mittleren Einkommen ein. Er sagt, wir müssen die Kaufkraft in Österreich stärken! – Schreiben Sie sich das hinter die Ohren! Das ist wichtig, damit in Österreich alles gut weitergeht. Diese Bundesregierung tut ihr Möglichstes dafür! (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.22

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Es wird eine Redezeit von 7 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.22

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Dolinschek, „Kaufkraft stärken“? – Warum machen wir nicht sofort eine Steuerreform? Warum warten wir denn und machen es nur in Etappen? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Haben wir ja schon gemacht! – Abg. Rossmann: Da habt ihr nicht zugestimmt!) Hätten wir die Regierung Schüssel I noch (Abg. Rossmann: Da habt ihr nicht zugestimmt!) – nicht aufregen! –, dann hätten wir doch heuer nach Ihren Versprechungen die „größte Steuerreform aller Zeiten“!

Wo ist sie denn? – Verschoben auf 2004, zizerlweise auf 2005. – Das ist keine Stär­kung der Kaufkraft, sondern das ist ein Hintanhalten der Kaufkraft in Österreich, was Sie betreiben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Herr Abgeordneter Maier den Wienern vorwirft, dass sie nichts tun, dann muss ich sagen: Herr Abgeordneter Maier, Sie müssten es doch in Wirklichkeit besser wissen! Sie könnten hier am Rednerpult zum Beispiel auch darüber berichten, dass Wien die Wirtschaftsförderung gegenüber dem vergangenen Jahr verdoppelt hat (Abg. Dr. Fasslabend: Sehr spät! Zu spät! Viel zu spät!), dass Ihr Handelskammer­präsident Nettig die Stadt Wien öffentlich dafür lobt, dass sie die Unternehmen so sehr unterstützt. Sie können festhalten, dass Wien die Nummer 1 ist, was Betriebsansiede­lungen betrifft. (Ruf bei der SPÖ: Bravo!) Sie könnten, was die internationalen Ansiede­lungen in Österreich betrifft, festhalten, dass mehr als die Hälfte dieser Ansiedelungen in Wien erfolgt. (Ruf bei der ÖVP: Könnte noch viel besser sein!) Das könnten Sie fest­halten, dann würden Sie mehr Zustimmung finden als mit Ihrer Polemik, vor allem auch dann, wenn es um den Arbeitsmarkt geht.


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Warum kommen Sie nicht heraus und sagen, dass die Stadt Wien 35 Millionen € zu­sätzlich in die Arbeitsmarktförderung hineinpumpt, weil der Bund zu wenig tut? (Abg. Dr. Brinek: Und wo sind die Ergebnisse? – Abg. Dr. Fasslabend: Und die Lehrlings­zahlen?) Wie ist es denn mit dem Ansinnen des Wiener Landtages, vertreten durch den Vizebürgermeister, der sagt: Schaffen wir doch Lehrlingsstiftungen, damit wir das Jugendbeschäftigungsproblem in den Griff bekommen!? – Was ist die Antwort des Bundes? – Schweigen! Oder eine andere Antwort, die ich Ihnen jetzt gerne vorlese. Auf die Frage an die Bundesregierung, wie viele Lehrlinge sie einstellt – denn sie wirbt ja immer für Lehrstellen –, antwortet der Finanzminister:

Diese Bundesregierung ist sich sehr wohl ihrer Verantwortung für die Beschäftigung der Jugend bewusst. Dieses Verantwortungsbewusstsein äußert sich aber darin, dass die laufenden Strukturmaßnahmen in der Verwaltung gerade jetzt nicht aufgeweicht werden dürfen, um die Zukunft unserer Jugend durch eine hohe Staatsverschuldung nicht zu gefährden. Viel zielführender erachtet es der Finanzminister daher, nicht selbst Lehrlinge zu beschäftigen, sondern die Wirtschaft soll das tun.

Das ist die Antwort des Bundes – der gleichzeitig dafür wirbt, dass die Jugendlichen Lehrstellen bekommen. (Abg. Dr. Fasslabend: Und was tut Wien? Was tut Wien?) Wer hindert denn den Bund daran, dass er so wie in der Vergangenheit Verwaltungs­lehrlinge aufnimmt? – Es ist der Stellenplan, der dazu führt, dass die entsprechenden Dienststellen sagen (Abg. Dr. Fasslabend: Was tut Wien aber?): Wir müssen den Stellenplan erfüllen, wir nehmen keine Lehrlinge!, und es ist vor allem das Vollzeit­äquivalent, das hier eingeführt wird. Wenn Sie das lockern, haben wir sofort Lehrstellen auch im Bund, so wie die Stadt Wien tausend Lehrlinge beschäftigt und jetzt seit ver­gangener Woche zusätzlich noch 50 beschäftigt. (Abg. Dr. Fasslabend: Nur die Hälfte von dem, was wir haben könnten!) – Das sind meiner Meinung nach die richtigen Antworten! (Beifall bei der SPÖ.)

Was denkt sich denn die Bevölkerung Österreichs, wenn sie dieser Debatte mit Ver­gleichen mit Deutschland folgt? (Abg. Dr. Fasslabend: Da sind sie froh! – Abg. Grillitsch: Die sind froh, dass es diese Regierung gibt!) Was denken sich 208 000 Arbeitslose im gesamten Bundesgebiet? (Ruf bei der ÖVP: Gott sei Dank leben wir in Österreich!) Ist das die Antwort, die ihnen zusteht, oder wäre es nicht viel wichtiger, dass wir im Hinblick auf Investitionen wesentlich mehr Druck ausüben, dass wir verstärkt Investitionen durchführen?

Herr Abgeordneter Maier, wenn Sie monieren, es werde zu wenig neu gebaut, dann muss ich Ihnen hier wohl eine alte Binsenweisheit in Erinnerung rufen: Renovieren und erneuern schafft wesentlich mehr Arbeitsplätze als neu bauen! – Und das findet in Wien und in den Bundesländern meiner Meinung nach statt. Daher: Noch viel stärker in energiesparende Maßnahmen im Wohnbau investieren, noch viel stärkere Anreize da­für schaffen, dass in der Renovierung des alten Wohnhausbestandes mehr geschieht – das würde Arbeitsplätze schaffen! –, und nicht dauernd Hinweise geben, die in die falsche Richtung zielen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was denkt sich denn die Bevölkerung, wenn sie in den Tageszeitungen liest: 30 000 Beamte beim Bund weniger, 12 000 bei der Eisenbahn; eine kleine Niederlassung – 50 Mitarbeiter – am vergangenen Freitag von einem amerikanischen Konzern aus Wien abgezogen, weil die Löhne in Prag billiger sind? – Was ist die Antwort darauf? (Abg. Dr. Fasslabend: Mehr Geld für Investi­tionen!)

Die Antwort darauf kann doch nicht sein, dass wir für Europa werben und gleichzeitig sagen: Ihr müsst mit den Löhnen runterfahren! – Wenn die Gewerkschaft gemeinsam mit der Wirtschaft auf Grund ihrer Produktivität von 1999 bis 2003 knapp 200 € im


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Durchschnitt mehr an Einkommen ermöglicht hat (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitter­lehner) und gleichzeitig durch Maßnahmen des Bundes von den knapp 200 € nur mehr 100 € übrig bleiben, weil die Passgebühr erhöht wird, weil wir rundum verschiedene Tariferhöhungen erlebt haben, dann nützt es überhaupt nichts, wenn sich der Finanz­minister hinstellt und sagt, wir haben das Nulldefizit geschafft. – Bezahlt haben es die Menschen mit einer geringeren Kaufkraft, und das müsste Ihnen zu denken geben!

Daher: Wenn Sie wirklich etwas für die Wirtschaft tun wollen, dann hören Sie auf mit dem Nennen von Zahlen und schaffen Sie tatsächlich Arbeitsplätze für Jugendliche, so wie das bis 1999 möglich war, durchgängig bis zur Lehrlingsausbildung! – Herr Bundesminister, ich habe Ihnen das gestern erst gesagt. – Schaffen Sie die Möglich­keit dazu, und geben Sie nicht solche Antworten wie der Bundesminister für Finanzen und auch andere Bundesminister! – Sie können das nachlesen, Sie haben das alles.

Schauen wir, dass wir ein Europa-Abkommen II bekommen, damit die Angst vor der Erweiterung zurückgeht! Wir haben das beim ersten Europa-Abkommen, so glaube ich, trefflich geschafft. Hören wir auf, über die KIAB zu reden, machen wir endlich das Schwarzunternehmerbekämpfungsgesetz! Es liegt seit 1999 hier im Haus – keine Handlung! Wir schicken Leute zum Ausforschen aus, geben ihnen aber nicht die Mittel in die Hand, die es ihnen ermöglichen, echte Schwarzunternehmer zu bekämpfen. – Das wären Maßnahmen, die Erträge in den Sozialversicherungen und bei den Steuern bringen ebenso wie ordentliche Arbeitsplätze! Das sollten Sie sich zu Herzen nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

16.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kainz. Wunsch­redezeit: 6 Minuten. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

 


16.29

Abgeordneter Christoph Kainz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die heutige Dringliche Anfrage beschäftigt sich mit dem Thema Arbeit und Wirt­schaft in Österreich im internationalen Vergleich. Diesen Vergleich kann Österreich auf Grund der hervorragenden und zielstrebigen Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung, aber auch unseres Bundesministers Dr. Martin Bartenstein als zuständigem Wirt­schafts- und Arbeitsminister in einer durchaus schwierigen Zeit mit Stolz antreten! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

Ich zitiere im Folgenden, damit man sich auch ein Bild machen kann, aus den makro-ökonomischen Kennziffern im EU-Vergleich. Österreich kann stolz auf seine Wirt­schaftsdaten sein und auf seine Rahmenbedingungen, die zu diesen Kennzahlen geführt haben.

Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2003: Frankreich plus 0,5 Prozent, Italien plus 0,5 Pro­zent, Europadurchschnitt plus 0,5 Prozent, Deutschland – unser Nachbarland, mit dem wir sehr intensive Wirtschaftsbeziehungen unterhalten – 0,0 – stagnierend. Österreich im Jahr 2003: plus 0,7 Prozent.

Im Budget: Deutschland: minus 3,8 Prozent, Frankreich: minus 4,0; EU-Durchschnitt: minus 2,9, Österreich: minus 1,3.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, diese Zahlen sprechen für sich. Ich glaube zwar nicht, dass wir in Jubel ausbrechen können, aber wir können stolz darauf sein, dass wir mit dieser Wirtschaftspolitik und mit diesen Maßnahmen weiter auf dem richtigen Kurs unterwegs sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, eine wesentliche Voraussetzung ist auch die positive Darstellung – und nicht das Krankjammern – des Wirtschaftsstandortes Österreich. (Abg. Dr. Matznetter: Das Krankmachen ...!) Das Krankjammern, das tun Sie – und da blicke ich in die


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Reihen der SPÖ und der Grünen – durchaus sehr bewusst. Und mir fehlen eigentlich auch die Konzepte der Sozialdemokraten. Ich glaube nicht, dass das richtige Konzept für eine engagierte Wirtschaftspolitik jenes ist, das der Parteivorsitzende Gusenbauer vor einigen Wochen präsentiert hat, nämlich die Wohnbauförderung abzuschaffen. Ich glaube, dass gerade im Bereich der Wohnbauförderung in den Bundesländern bundes­weit wesentliche Impulse und Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort Österreich gesetzt wurden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neudeck.)

Eine wichtige Voraussetzung für eine engagierte und gute Wirtschaftspolitik ist auch eine richtige und solide Finanzpolitik. Hier sind wir ebenfalls auf dem richtigen Weg und in die richtige Richtung unterwegs. Wir haben einen hohen Schuldenberg abgearbeitet und das Budget saniert. (Beifall bei der ÖVP.)

Deutschland hatte 2001 ein Budgetdefizit von 2,8 Prozent und 2003 ein Minus von 3,8 Prozent. Erst heute hat Bundesminister Eichel den höchsten Schuldenstand mit 43 Milliarden € bekannt gegeben. Österreich ist um 1,6 Prozent besser als der EU-Durchschnitt. – Das sind Zahlen, auf die man aufbauen kann und die eine gute und solide Wirtschaftspolitik auch in Zukunft sicherstellen und gestalten lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Ich glaube, diese Bundesregierung und diese Koalition hat auch jene Veränderungen, auf die es zu reagieren galt, erkannt und entsprechend darauf reagiert. Wir brauchen, um den Wirtschaftsstand Österreich auch in Zukunft attraktiv zu gestalten, engagierte und attraktive Arbeitnehmer, aber auch Arbeitgeber. (Abg. Öllin­ger: „Attraktive Arbeitnehmer“? – Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung des Abg. Öllin­ger –: ... oder ist das auch sexistisch?) Ich glaube, dass hier in der Vergangenheit einige Maßnahmen gesetzt wurden, die auf die Fragen dieser Zeit auch die richtigen Antworten gegeben haben. Ich nenne hier nur die Abfertigung neu. Das Rucksack­modell, das es ermöglicht, seine Ansprüche mitnehmen zu können, ist ein Beispiel, mit dem in einer partnerschaftlichen Atmosphäre zwischen Arbeitgebern und Arbeitneh­mern ein neuer Schritt gesetzt wurde. Auch die Pensionssicherungsreform ebenso wie die Forschungsinitiative sind Schritte, die in Zukunft noch einiges an Veränderungen bewirken werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Investitionen werden langfristig getätigt, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen und wenn auch die Berechen­barkeit des Standortes gegeben ist – und nicht durch Streikdrohungen eine Unbe­rechenbarkeit ins Land zieht. Ich glaube, dass gerade diese Bundesregierung jener berechenbare Faktor in diesem Land ist, der gewährleistet, dass hier auch in Zukunft Investitionen in die Wirtschaft und eine engagierte Wirtschaftspolitik möglich sind. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Noch keine Koalition hat so viel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan wie die Bundesregierung unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel: Karenz­geld für alle, Familienhospizkarenz, Pflegegeld ab der Geburt – viele Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich machen. Und auch jetzt bin ich sehr froh, dass die Bundesregierung mit der neuen Elternteilzeit wiederum einen Schritt in die richtige Richtung gesetzt hat. Ich bin froh und stolz, dass der Ministerrat jene Punktuation beschlossen hat, auf Grund deren wieder Maßnahmen dahin gehend gesetzt werden, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Zukunft noch besser möglich sein wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, Österreich ist auch mit den Konjunkturbelebungspaketen I und II auf dem richtigen Weg und hat zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen gesetzt. Arbeiten wir weiter an Maßnahmen und


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Initiativen, um den Standort Österreich zu stärken und so auch unseren Menschen zukunftsorientierte Arbeit in diesem Land zu geben! (Beifall bei der ÖVP.)

16.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Wunschgemäß wird eine Redezeit von 8 Minuten eingestellt. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

 


16.35

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! (Bundesminister Dr. Bartenstein: Kein Kabarett!) Kein Kabarett!, wurde soeben eingemahnt. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das war Ihr Zwischen­ruf!) – Ja, das war mein Zwischenruf, und ich bin wirklich immer noch irritiert – ich gebe das gerne zu (Abg. Wittauer – in der ersten Reihe Platz nehmend –: Wenn der Herr Abgeordnete Kogler spricht, muss ich ein bisschen näher kommen!) –, denn wenn solch eine Dringliche Anfrage von einer Regierungsfraktion ansteht, dann hat man zunächst ein paar ernste Verdachtsmomente, nämlich dahin gehend, dass – wie dies in der Regel der Fall ist – eine wirklich wichtige Dringliche Anfrage der Opposition ver­eitelt werden soll. Offensichtlich haben Sie heute alles Mögliche befürchtet, denn der Ernst dieser Dringlichen kann, trotz des ernsten Themas, von Ihnen offensichtlich nicht wirklich bestätigt werden, sonst würde Herr Kollege Maier nicht ans Rednerpult treten und hier kleingeographische Orientierungsprobleme outen (Heiterkeit bei den Grünen), wenn er das Rathaus mit dem Parlament verwechselt. (Abg. Wittauer: Da ist ja ein wichtiger Zusammenhang!) Dann rennt er am Ring eine Runde weiter und ist am Schwarzenbergplatz. – Ich finde das ganz interessant. (Zwischenruf des Abg. Neu­deck. – Abg. Wittauer: Natürlich hat er ein Recht, darüber zu reden, weil es einen Zusammenhang hat!)

Regen Sie sich nicht auf, das wird noch ein Kompliment für Herrn Kollegen Maier! Herr Kollege Maier hat sich heute in der Früh die grüne Krawatte umgeschnallt, hat beob­achtet, dass am Schwarzenbergplatz viel zu wenig Grün ist, und macht sich Sorgen, dass die Industriellenvereinigung, wenn die Funktionäre dort hinausschauen, zu wenige Bäume sieht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Solch ein Zugang ist eigentlich aus grüner Sicht nicht unsympathisch! Das ist nicht unsympathisch. Ich finde es nur bemerkenswert, dass die ÖVP eine Dringliche an den ÖVP-Wirtschaftsminister stellt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittauer) und dann ein solcher Beitrag relativ rasch in eine derartige Hauptaussage mündet. Dann ist es nicht mehr nur mein Problem, wenn ich hier Kabarett diagnostiziere, sondern das ist Ihr Problem! (Beifall bei den Grünen.)

Mir geht es ja in Wirklichkeit viel schlechter: Meine Fraktion hat erhöhten Aspirinbedarf und entsprechende Ausgaben – gerade war es wieder so –, weil ich jedes Mal bei solch einer Performance ein Aspirin zu mir nehme – und auch das ist überprüfbar. (Abg. Brosz: Das freut wieder den Bartenstein!)

Kommen wir aber trotzdem zur Dringlichen Anfrage – und ich bleibe noch bei den un­ernsten Teilen. (Abg. Wittauer: Drei Minuten für den Abgeordneten Maier waren das!)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Wittauer! Ich habe heute einem Abgeordneten, der einen Redner ständig gestört hat und am falschen Platz gesessen ist, einen Ordnungsruf erteilt. Sie rütteln an diesem Baum, Herr Kollege! (Heiterkeit. – Abg. Wittauer kehrt zu seinem Platz zurück. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Obwohl ich den Krainer nicht sehr schätze, habe ich das als ungerecht empfunden, Herr Präsident!)

 


Am Wort ist der Redner!


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Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Es hätte mich nicht gestört, wenn Kollege Wittauer weiter hier gesessen wäre.

Zur Frage 9: „Welchen Einfluss hat der Faktor ,Bildung für die Beschäftigungssitua­tion ...? – Pah! Herr Minister: Welchen Einfluss hat die Bildung auf die Beschäftigungs­situation? – Das ist ungefähr so, wie wenn man am Schuljahresende abfragt, ob man sich noch daran erinnert, ob zwei und zwei vier ist. – Jawohl und im Chor: Zwei und zwei ist vier!

Das ist aber möglicherweise deshalb nicht ganz trivial, denn hätte sich (Abg. Öllinger: Beim Grasser ist es ...!) diese Anfrage an den Herrn Finanzminister gerichtet, dann hätten wir die Erfahrung gemacht, dass zwei und zwei zunächst einmal mit Sicherheit nicht vier ist, sondern möglicherweise drei, möglicherweise 4,5 – und vielleicht beim zehnten Anlauf, nachdem man endlich richtig beraten wird (Bundesminister Dr. Barten­stein: Das ist aber ein Kabarett!), nachdem endlich das Formular richtig vorliegt, zwei und zwei wirklich vier ist, weil zwischen Formalfehler und Formelfehler möglicherweise auch nicht so große Unterschiede sind.

Ja, es war nicht sehr ernst, ich gebe es zu, Herr Minister. Sie haben mich förmlich dazu eingeladen. (Ironische Heiterkeit des Bundesministers Dr. Bartenstein.) Aber ich muss Ihnen ehrlich sagen: So, wie die Dringliche hier von Ihrer Fraktion – wenn ich so sagen darf, obwohl Sie Minister sind – angegangen wird, ist das vielleicht auch entschuldbar, und ich möchte mich jetzt tatsächlich den ernsteren Dingen zuwenden.

Sie haben sich ja tatsächlich in Ihrer Beantwortung relativ stark engagiert und haben das KHG-NLP mitstrapaziert, habe ich bemerkt, also die Karl-Heinz-Grasser-Sprach­schule: „Der Vergleich macht uns sicher!“

Auch an anderer Stelle habe ich gewisse Parallelen zu Redensarten des Herrn Finanz­ministers festgestellt. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass Sie gut daran tun würden – auch wenn Sie Ambitionen hätten auf dieses Amt, das ja bald frei werden wird –, sich von diesen Sprüchen fern zu halten, denn die haben schon demjenigen, der dann später Ihr Vorgänger sein wird, nicht gut getan. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit des Bundesministers Dr. Bartenstein.)

Der Herr Minister mit seinen „raunigen“ und launigen Zurufen hinter mir animiert mich immer wieder dazu, abzuschweifen. Jetzt aber wirklich zum Ernst der Sache.

Die internationale Vergleichbarkeit (Abg. Neudeck: Der dritte Versuch!) – der dritte Versuch – ist tatsächlich ein würdigenswertes Thema. Wir könnten uns darauf verstän­digen, dass wir nicht immer nur auf das BIP-Wachstum im aktuellen und im nächsten Jahr schauen. Das ist gerade der Ideologie und Philosophie der Grünen nicht so fremd, wie Sie wissen werden. Nur: Was Sie sich eben deshalb, so glaube ich, zu Recht von Kollegen Matznetter vorhalten lassen müssen, ist der Umstand, dass Sie selber immer so stark auf diese Kennzahlen rekurrieren und wenn es dann nicht passt, das Ganze doch noch zu retten versuchen und quasi woanders hinzudrehen.

Ich selber bin nicht der Meinung, dass es für die langfristige Entwicklung so entschei­dend ist, ob kurzfristig das eine oder andere Zehntelprozent mehr an Wachstum ge­geben ist oder nicht. Allerdings: Die internationalen Rankings sind nicht ganz unbe­deutend, wenn es darum geht, eine Art Maßstab, einen Indikator für die Erfolgsmaß­nahmen einer Bundesregierung festzustellen, denn die internationale Konjunkturlage ist definitorisch überall ähnlich. Dann ist natürlich im Vergleich interessant, wie die Dinge liegen.

Wenn wir nun Indikatoren bemühen, die eher auf die Innovationsfähigkeit einer Wirt­schaft hindeuten, dann ist die Lage nicht überall so gut. Minister Grasser sagt ja immer, Österreich ist in Sachen Wettbewerbsfähigkeit vom 18. auf den 13. Platz vorgerückt. Er


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sagt aber selten dazu, welche Indikatoren dabei gemessen wurden. Die Studien, die wir wiederum genauer analysieren, besagen, dass genau in jenen Bereichen, die die Innovationsfähigkeit einer Wirtschaft enger fassen, Österreich tatsächlich sehr weit zurückliegt. Das ist schon bedenklich.

Sie erkennen aber den gemeinsamen Zugang – wahrscheinlich über alle Fraktionen hinweg –, den ich herausstreichen will, dass es nämlich schon wichtig ist, auf die Faktoren Forschung, Entwicklung und Bildung entsprechend abzustellen und in diesen Bereichen etwas zu tun, auch wenn wir uns dann gerne über die Zahlen streiten. Dieser Disput würde ja bleiben.

Das führt mich dazu, dass man auch über die künftigen Maßnahmen in Österreich viel­leicht sogar mehr Verständigung erreichen würde, als es hier im Moment alle erwarten, etwa wenn wir darüber reden, was in das so genannte dritte Konjunkturpaket hinein­kommen soll. Ich darf die Wifo-Studie, die jetzt zur Evaluierung des ersten und zweiten Konjunkturpakets herangezogen wurde, noch einmal zitieren, weil hier gerne der Ein­druck erweckt wird, die Opposition hätte gegen diese Konjunkturpakete gestimmt.

Ich sage Ihnen Folgendes: Beim zweiten Konjunkturpaket waren wir überhaupt dafür, beim ersten Konjunkturpaket war es so – wenn Sie die Argumentation jedenfalls meiner Fraktion nachlesen, werden Sie es erkennen –, dass wir gerade den fiska­lischen Maßnahmen, also den wirklich konjunkturpolitischen Maßnahmen, die dort schon vorhanden waren, das Wort geredet haben. In dieser jetzigen Evaluierung stellt sich heraus – no na net! –, dass genau diese Maßnahmen gegriffen haben.

Herr Minister, Sie haben ehrlicherweise selber zugegeben, dass Sie eine Auswirkung auf das Wachstum von bis zu 0,75 Prozent des BIP gar nicht erwartet hätten. Das ist insofern sehr ehrlich, weil Sie vor zwei Jahren noch hier gestanden sind und gesagt haben, dass die fiskalischen Maßnahmen – und das ist ja unbestritten eine – kaum wirken und im Übrigen nur die Schulden erhöhen und sonst gar nichts.

Vielleicht können wir uns auch da annähern. Es kann sich ja jeder im Sinne der Kon­senssuche ein bisschen bewegen.

Das führt mich noch einmal zum internationalen Vergleich. Sie weisen immer auf Deutschland hin; dabei darf man aber nicht ganz außer Acht lassen, dass Deutschland noch immer in einer spezifischen Situation ist, und zwar deshalb, weil die Wiederver­einigung finanziert werden musste.

Ich frage Sie: Wie würden wir dastehen, wenn wir etwa die Slowakei oder Ungarn unter ähnlichen Voraussetzungen in einen Wirtschaftsraum mit Österreich zu bringen gehabt hätten, wie es in Deutschland der Fall war? Das haben wir schon bei der deutschen Regierung unter Kohl attestiert und das sollte auch jetzt noch gelten dürfen. Da kann man wirklich die Polemik ein bisschen herausnehmen.

Aber das würde insbesondere für Sie gelten, denn dieses „der Vergleich macht uns sicher“ passt nicht. Vergleichen Sie die Lage einmal mit Frankreich oder Italien! Gestern Abend ist Berlusconi aufgetreten und hat das verlangt, was die Regierung in Paris schon längst verlangt, dass man den Stabilitätspakt uminterpretiert, nämlich in den Bereichen ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) – Ich halte das nicht für so wenig sinnvoll, gleichwohl es bekanntlich konservative Regierungen sind. Nicht dass man dem undifferenzierten Schuldenmachen, wie Sie sagen würden, Tür und Tor öffnet, sondern dass man zumindest den Budgetsaldo in schlechteren Wirtschafts­zeiten anders oszillieren lässt als in besseren.

Wenn sich schon die EU sehr schwer tut, ein strukturelles Defizit von einem ganz nor­malen Defizit zu unterscheiden, dann wäre es zumindest immerhin hilfreich zu sagen, okay, in besseren Zeiten 2 bis 2,5 Prozent und in schlechteren 4 bis 4,5 Prozent. Damit


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wäre wirklich etwas gewonnen. Auf nichts anderem fußt die Erkenntnis, dass die Konjunkturpakete I und II gegriffen haben.

Ich würde Sie wirklich zu mehr Seriosität einladen; bei der nächsten Steuerreform­debatte darf ich diese dann schon erwarten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

16.46

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. Rede­zeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.46

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Debattenbeiträge der Grünen zu dieser Dringlichen An­frage waren zum Teil, wenn man den humoristischen Teil weglässt, sehr sachlich oder haben das Thema gar nicht getroffen. Die Debattenbeiträge der SPÖ zeigen mir aber, dass die SPÖ auch bei diesem Thema nichts anderes versucht, als Österreich krank­zureden, die Menschen zu verängstigen und zu verunsichern. Die Zahlen, Daten und Fakten zeigen eine andere Realität.

Meine Damen und Herren! Wir hatten in Österreich von 1999 bis 2002 eine Realein­kommensteigerung von 14,1 Prozent und liegen damit im EU-Vergleich im Mittelfeld. Das SPD-regierte Deutschland liegt bei 10 Prozent und damit im Schlussbereich. Gestern hat ein SPÖ-Abgeordneter gesagt, man solle sich nicht immer vergleichen und sagen, andere seien schlechter als wir. Man solle nach dem Besseren schauen. Wenn ich mir die Zahlen von 1996 anschaue, dann weiß ich, warum die SPÖ damals nur nach dem Besseren schauen konnte, weil nämlich Österreich bei den Realeinkommen mit minus 0,9 Prozent das Schlusslicht in der EU war. Wir konnten gar nicht schauen, ob es hinter uns noch jemanden gab, denn es gab nur Bessere.

Im Jahr 1998 waren die Arbeitslosenzahlen bei einem BIP-Wachstum von 3,5 Prozent wesentlich höher als in den Jahren der schwarz-blauen Regierung, als wir fallende Steigerungen hatten. (Abg. Eder: „Fallende Steigerungen“? Steigende „Fallungen“!) Wir hatten dann Steigerungen von 3 Prozent. (Abg. Krainer: Was ist eine „fallende Steigerung“?) – Die Steigerung ist weniger geworden, das ist eine fallende Steigerung. Aber ich erkläre es gerne. Vielleicht ziehen Sie wieder das Leiberl an, dann können Sie schneller mitdenken. – Die Steigerung ist also zurückgegangen, es sind aber die Arbeitslosenzahlen wesentlich gefallen. Da kann man durchaus sagen, dass der Ver­gleich sicher macht.

Wenn ich jetzt Wien – Wien ist immerhin jenes Bundesland, in dem ein Viertel der österreichischen Bevölkerung lebt – hernehme und sage, ich setze das in einen Zah­lenvergleich, dann sage ich dazu, die bundesweite Steigerung der Arbeitslosenzahlen von September 2002 zu September 2003 von 4,4 Prozent ist nicht erfreulich. Aber in Wien trifft uns das mit 11,2 Prozent.

Bei der Jungendarbeitslosigkeit gibt es ein Plus von 9,3 Prozent bundesweit – auch nicht wirklich erfreulich –, aber in Wien plus 18,7 Prozent. Wenn ich Wien vom Bund wegnehme, schaut das Ganze statistisch schon wieder wesentlich besser aus.

Die Zahl der Lehrstellensuchenden ist bundesweit halb so hoch wie in Wien. (Abg. Eder: Ist das die Maier-Rede?) – Ich hätte von Maier noch ein paar Beispiele mitge­habt, diese habe ich schon gestrichen, damit es ein bisschen kürzer wird. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Herr Kommerzialrat. Alles bestens!

Jetzt kann man natürlich sagen, bundesweit, das sind alles Bundesthemen. Aber: Es kann ja nicht nur am Bund liegen, denn in anderen Bundesländern ist die Arbeitslosig­keit zurückgegangen, in Oberösterreich um 2,8 Prozent, in Kärnten um 2,2 Prozent, in


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der Steiermark um 0,5 Prozent. Im Burgenland, wo Rot regiert, gibt es ein kleines Problem. Dort ist sie wieder um 1 Prozent gestiegen. (Abg. Verzetnitsch: Schauen Sie sich die Beschäftigungsstruktur an! Was ist mit der Aufnahmesperre des Bundes?)

Herr Kollege, Sie können nicht alles auf den Bund abwälzen. Nein! Das rechnen Sie mir einmal durch, dann schauen wir uns das an. Sie haben einen größeren Apparat – Sie haben die Gewerkschaft –, den haben wir nicht. (Abg. Mag. Stoisits: Er hat es schon längst gemacht!) – Er hat es gesagt, er hat es aber nicht untermauert. (Abg. Mag. Stoisits: Alle Bundesministerien sind in Wien! Wenn es einen Aufnahmestopp gibt ...!) – Das stimmt nicht.

Ich muss Ihnen dazu Folgendes sagen: Es gibt im Wirtschaftsbereich natürlich noch viel zu tun und zu verbessern, aber wir haben die Folgen der SPÖ-geführten Regie­rungen zu verdauen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, was haben Sie uns hinterlassen? – Sie haben 1997 die Lehrlingsinitiative der Bundesregierung so gelöst, dass Sie „Euroteam“ ins Leben gerufen haben, das einige Millionen gekostet hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dessen Geschäftsführer – ich plaudere jetzt nicht aus dem „Euroteam“-Ausschuss, aber es gibt eine APA-Meldung von gestern – wird gesucht. Er war schon während des Ausschusses nicht sehr erfreut, als Auskunftsperson kommen zu müssen. Das war Ihr Lösungsansatz für die Lehrlingsproblematik. (Abg. Eder: Wo ist der Rosenstingl?)

Und das ist immer wieder so. Sie haben Jarolim bei „Euroteam“, Sie haben Matznetter bei der YLine. Sie brauchen sich nicht zu verstecken. Damals bei „Euroteam“ ist, wie ich dieser APA-Meldung entnehme, ohne Ausschreibung vergeben worden, weil man das in solche Tranchen gegliedert hat, dass die Grenzen jeweils so waren, dass man nicht öffentlich ausschreiben musste.

Daher kann man sehr wohl sagen: Der Vergleich macht uns sicher! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.51

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Mag. Moser für 5 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


16.52

Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Hohes Haus! Herr Präsident! Ich möchte hier schon noch einmal feststellen, insbesondere an die Adresse der Regierung, dass Sie sich bei Rankings – oder wenn Sie sich vergleichen wollen, bei Benchmarks – immer an den Besten orientieren sollten.

Schauen Sie einmal in die Schweiz! Sind das nicht die Besten? Oder ist das Schwe­den? Oder ist das Kanada? Nehmen Sie sich an jenen ein Beispiel, die das Problem gut gelöst haben, die auch vergleichbare Strukturen haben und daher eine Empfehlung für die eigene Politik ableiten lassen! Ich glaube, dass das wichtig ist. Dann kann man auch ganz andere Vorschläge erarbeiten.

Österreich hat eine eklatante Wachstumsschwäche. Das müssen wir feststellen. Da muss man sich auch fragen: Warum haben wir eine Wachstumsschwäche? – Darauf gibt es eine ganz klare Antwort; da können wir herumreden, wie wir wollen: Es ist die fehlende Inlandsnachfrage. Der Export funktioniert sehr gut, daher ist die zweite große Komponente die fehlende Inlandsnachfrage. Uns interessieren daher alle Benchmarks, alle Rankings überhaupt nicht, sondern man muss fragen: Warum ist die Inlandsnach­frage so gering?

An Ihrer Stelle hätte ich in der Dringlichen etwas anderes gefragt, nämlich etwas, was sehr interessant ist.


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Erste Frage: Warum gibt es einen Stillstand bei den Betriebsansiedlungen? – Die Betriebsansiedlungen haben sich laut Statistik der Austrian Business Agency vom Jahr 2000 auf 2002 halbiert und für heuer gibt es überhaupt keine Auskunft. Wenn man dort anruft und fragt, was an einem Ort angesiedelt ist, bekommt man keine Auskunft.

Herr Minister! Das ist eine Gesellschaft von Ihnen. Rufen Sie dort an und fragen Sie, warum die Unternehmen nicht mehr nach Österreich kommen! (Abg. Mag. Stoisits: Teilen Sie es uns dann mit!)

Eine zweite Frage, die ich stellen möchte: Was sind die Gründe für den blockierten Förderungsapparat in Österreich? – Die Wirtschaftsförderung ist blockiert. Da gibt es das Austria Wirtschaftsservice. Das eine Hauptthema, mit dem es sich auseinander setzt, ist das Umsiedeln. Das zweite Hauptthema, mit dem es sich auseinander setzt, ist, wie es einen zweiten Geschäftsführer finden kann. Wie kann man sich politisch einig werden, dass man einen zweiten Geschäftsführer findet. Es werden ohnehin schon drei bezahlt, nur einer arbeitet momentan; jetzt kommt der Zweite dazu. (Abg. Großruck: Das sind sozialistische Verhältnisse! Das war früher!)

Das führt so weit, dass dort Anträge monatelang nicht bearbeitet werden. Ich verstehe auch, dass mittlerweile qualifizierte Industrielle längst das Aufsichtsratsgremium verlas­sen. Herr Zimmermann hat sich bereits verabschiedet, weil dort Zustände herrschen, die nicht günstig für die Wirtschaft sind. Es herrscht Kundenfeindlichkeit. Es interessiert dort nur, wer Geschäftsführer wird und wo angesiedelt wird. – Das ist ein wichtiger Punkt.

Ich möchte hier noch eine Zahl nennen: Bei den Ziel 2-Gebieten, bei den EU-Mitteln ist es so, dass von 100 Prozent zurzeit nur 60 Prozent quasi abgeholt wurden. Es fehlen die Kofinanzierungsmöglichkeiten, es fehlen die Länderunterstützungen und es fehlt auch von der Bundesseite Unterstützung.

Ich glaube, das muss man hier festhalten, denn das sind die wirklichen Gründe, warum das Wirtschaftswachstum eigentlich so schwach ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)

Ich möchte noch eine dritte Frage stellen: Warum sind die Investitionen in Österreich – seien es private; bei den privaten haben wir jetzt gehört, gibt es wenig Unterstützung – so gering? Und was ist bei den öffentlichen Investitionen der Fall?

Auch da gibt es vergleichbare Länder. In Österreich war, als es noch sehr große Wachstumsraten hatte, eine Investitionsquote von 4 Prozent, gemessen am Bruttoin­landsprodukt, eine Größe, angesichts derer man eine hochwertige Infrastruktur hatte.

In den letzten drei Jahren ist dieser Wert zwischen 1 und 1,5 Prozent herumgekrebst. Wenn man noch die ASFINAG und die SCHIG dazu nimmt, sind wir bei 2 Prozent. Aber die Schweden haben zurzeit 3,5 Prozent – und das ist das Doppelte. Diese öffentliche Nachfrage sind wichtig, weil unmittelbar damit Güter für die Zukunft ge­schaffen werden. Das halte ich für ganz wichtig.

Daher muss ich hier feststellen: Dieser Regierung fehlt ganz einfach das Handwerks­zeug. Die kann das nicht, die kann die Analysen nicht richtig machen. Sie setzen wirt­schaftspolitisch die falschen Signale. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner. – Abg. Dr. Stummvoll: Da muss der Moser selbst schmunzeln!)

Sie zertrümmern, anstatt auszubauen! Sie machen parteipolitische Geschäftsführerbe­stellungen, anstatt auf Qualifikation zu schauen. Es fehlt hier ganz offensichtlich an einer Wachstumsoffensive.

Wir könnten – das haben wir uns ausgerechnet – sehr rasch Investitionen in einer Höhe von 2 Milliarden € in die Infrastruktur, in die Schiene, in die Straße, in die Wärme-


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dämmung, in den Energiebereich, in den Informations- und Technologiebereich vorziehen.

Wir wissen, dass der Investitionsmultiplikator 1,5 ist, das heißt, wir würden sofort 1,5 Prozent Wachstum erreichen und könnten damit die Arbeitslosigkeit um einen Prozentpunkt, das sind 30 000 Arbeitslose, reduzieren!

Wenn man rechnet, dass ein Arbeitsloser 20 000 € kostet, würden wir uns allein da­durch schon 600 Millionen € ersparen. Das ist ein ganz einfach Rezept, nur: Sie wollen das nicht machen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Mitterlehner: Das ist eine Milch­mädchenrechnung! Wie der Androsch!)

16.57

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Auer zu Wort gemeldet. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.57

Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich glaube, in einem verfehlt diese Dringliche Anfrage auf keinen Fall ihre Wirkung, und zwar als Lehrstunde für die Opposition, denn nur durch ständige Nachschulung wird das Wichtigste hängen bleiben, damit Sie endlich die CD wechseln und die richtigen Fakten wiedergeben können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit der Abg. Mag. Stoisits.)

Auch ich fasse noch einmal kurz zusammen: Österreichs Wirtschaft steht international gesehen hervorragend da. Im Vergleich mit anderen EU-Staaten ist diese wirtschafts­politische Bilanz der Bundesregierung sogar noch beeindruckender. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Die endgültigen Zahlen für das Budgetdefizit und das Wirtschafts­wachstum des Jahres 2002, Herr Kogler, liegen seit Oktober offiziell vor – Sie können das nachlesen – und verwundern sogar unsere kritischen Wirtschaftsforscher.

Mit einem geringen Budgetdefizit von nur 0,1 Prozent und einem realen Wirtschafts­wachstum von 1,4 Prozent hat Österreich den schwierigen Spagat zwischen Haus­halten und Konjunkturbelebung als einer der wenigen EU-Staaten meistern können.

In Wirklichkeit werden wir international um unseren tüchtigen Wirtschaftsminister und auch um unseren Finanzminister beneidet. Ihre Kollegen (in Richtung SPÖ) in Frank­reich oder Deutschland sehen da wesentlich schlechter aus. Also auch bei den Minis­tern scheuen wir den Vergleich nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Da sollten Sie Haupt in die Nachschulung schicken!)

Was den Außenhandel betrifft, so hatte Österreich im Jahre 2002 zum ersten Mal seit der Monarchie einen Handelsbilanzüberschuss und war Europameister im Exportzu­wachs mit einem Plus von über 4,1 Prozent gegenüber dem Jahr 2001. Dies war für Österreich bis dahin ein sicher ungewohntes Ergebnis, und das war auch der Haupt­grund für das unerwartet gute Wirtschaftswachstum.

Die positive Handelsbilanz bedeutet aber, dass Österreichs Produkte die Weltmärkte erobern und unsere Wirtschaft immer wettbewerbsfähiger wird. Das Handelsbilanzdefi­zit betrug unter einem sozialistischen Kanzler noch 5 Milliarden € pro Jahr, heute ist es bereits verschwunden. (Abg. Dr. Matznetter: Weil die Leute Geld hatten, um sich etwas zu kaufen!) Wir haben einen Überschuss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Die Richtigkeit der von der ÖVP/FPÖ-Koalition gesetzten Konjunkturpakete I und II wird jetzt durch die Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigt. Das habe ich bereits ge­sagt. Wir haben damit strukturelle Impulse gesetzt. Es gibt keinen Rückfall in die Schul-


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denpolitik der SPÖ, die Koalition hat in allen Bereichen wichtige Akzente für ein moder­nes Österreich im 21. Jahrhundert gesetzt. Wir entwickeln uns damit vom Wohlfahrts­staat zum Nachhaltigkeitsstaat Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur-Projekte – diese gibt es, Herr Kollege Moser – wurden trotzdem deutlich gesteigert, und dadurch wurden vor allem der Bau­industrie zusätzliche Impulse gegeben. Durch die Infrastrukturoffensive ist 1 Milliarde € mehr für Infrastruktur, Schiene und Straße vorhanden als in jenen drei Jahren in den neunziger Jahren, die ein sozialistischer Kanzler zu verantworten hat.

Ganz wichtig ist die mit 1. Jänner 2004 in Kraft tretende Steuerreform mit einer massi­ven Entlastung der unteren und mittleren Einkommen und der Unternehmen auf Grund der Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne.

Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Erfolge in der Wirtschaftspolitik zeigen sich auch klar bei den Unternehmensgründungen. Wir laufen nicht den multinationalen Großkonzernen hinterher, wir sind für die Klein- und Mittelbetriebe da, denn sie sind der Motor unserer Wirtschaft. Rund 99,5 Prozent aller Unternehmen in Österreich sind KMUs, und zwei Drittel aller Beschäftigten arbeiten in solchen Unternehmen. Der Mittelstand sagt ja zu unternehmerischer Freiheit, er sagt ja zu persönlicher Leistung, er sagt aber auch ja zu gesellschaftlicher Verantwortung. Wir, die ÖVP, stehen für eine Wirtschaft, die in jeder Hinsicht mitten im Leben steht, und diesem Unternehmen dient auch unsere Politik.

Wir haben eine neue und moderne Gewerbeordnung, die uns immerhin einen Gründer­rekord beschert hat. 20 000 Unternehmensgründungen gab es im letzten Jahr unter einem sozialistischen Kanzler, heute gibt es unter ÖVP-Führung 30 000 Unterneh­mensgründungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Vertreter des ländlichen Raumes und des Südens Österreichs weiß ich, wie wichtig KMUs für die Absicherung der Arbeitsplätze im ländlichen Raum sind und wie wichtig die Verkehrsinfrastruktur ist. Wir werden ganz sicherlich auch die Nord-Südachse verbessern. Koralm und Semmering werden kein Hindernis sein, damit wir näher zum österreichischen Zentralraum kommen und uns international besser vernetzen.

Auch im Regierungsübereinkommen ist die Überprüfung der Höhe der Sondermaut für LKW hinsichtlich der Nachteile des Standorts im Zusammenhang mit dem Road-Pricing festgehalten. Auch da gibt es jetzt schon Lösungsansätze, um diese Proble­matik zu entschärfen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend stelle ich daher fest, dass nicht Krank­jammern der Wirtschaft hilft, sondern nur eine strategische ÖVP/FPÖ-Politik, die stän­dig motiviert. Wir werden die nächsten wichtigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, wie die nächste Stufe der Konjunkturbelebung – das wurde schon erwähnt –, die Öko­logisierung des Steuersystems oder die Forcierung der erneuerbaren Energie, ebenso beherzt angehen wie die bisherigen Maßnahmen. Am Ende der Legislaturperiode werden wir damit international noch besser dastehen als heute, und andere Länder werden wahrscheinlich noch immer neidvoll auf den Nachhaltigkeitsstaat Österreich mit seiner erfolgreichen ÖVP/FPÖ-Wirtschaftspolitik blicken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


17.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege! Sie hätten mich jetzt mit dem Spruch: Die Wirtschaftspolitik muss ständig


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durch die ÖVP und FPÖ neu motiviert werden!, richtig motiviert. (Beifall bei Abgeordne­ten der ÖVP.) Wenn ich aber so in die Runden von ÖVP und FPÖ schaue, dann muss ich sagen, das ist kein gutes Vorzeichen, Herr Kollege Mitterlehner.

Fast wäre es mir gelungen, den Klubobmann der ÖVP kurzzeitig zu begrüßen, aber er ist nicht da, auch der Klubobmann der FPÖ ist nicht da. (Abg. Prinz: Wo ist der Klub­obmann der Grünen?) Daher würde ich meinen, dass das Interesse an dieser Dring­lichen oder an diesem Thema beziehungsweise die Leidenschaft bei diesem Thema nicht besonders ausgeprägt ist. (Abg. Wittauer: Wo ist Ihr Klubobmann?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Ihre Dringliche! (Abg. Wattaul: Was du redest, ist nicht dringlich!) Sie betrachten dieses Thema als dringlich! (Abg. Wittauer: Du wirst doch nicht als Wirtschaftsexperte auftreten wollen! Das nimmt doch niemand ernst!) Wenn Sie von den Freiheitlichen jetzt mit den Fingern auf jemand anderen zeigen, dann kann ich nur sagen: eins, zwei, drei, vier sitzen von den Freiheitlichen herinnen. Das schaut nicht günstig aus. (Ruf: Fünf!) – Fünf! Danke! Fünf Freiheitliche sitzen hier!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Normalerweise bewertet man in sportlicher Art die Dringliche, doch da kann man nur sagen, die ÖVP und FPÖ haben sich ihre eigene Dringliche selbst versenkt. Das ist das Resultat dieser Dringlichen. Einige Beiträge haben bewiesen, dass Sie es durchaus mit diesem Vorhaben, Ihre Dringliche selbst zu versenken, ernst meinen. Kollege Maier war hier mit seinem durchaus be­lustigenden Beitrag beispielgebend. – Ist Herr Kollege Maier da? Auch er ist nicht da, ist egal, ich adressiere es trotzdem an ihn.

Herr Kollege Maier! Wenn wir über Wirtschaftspolitik und über Lehrlingspolitik reden, dann hilft es relativ wenig, wenn man bei den Defiziten, die es in diesem Bereich nach wie vor gibt, mit spitzen Fingern auf das Jahr 1997 und „Euroteam“ verweist. Herr Kol­lege Mitterlehner! An der Ergründung der „Euroteam“-Affäre war die ÖVP nicht vorbild­lich beteiligt. Kollegen Kukacka ist es gelungen, einen ganzen Untersuchungsaus­schuss zu diesem Thema im Nirwana zu versenken. Der Untersuchungsausschuss, der eigentlich eine sinnvolle Aufgabe hätte haben können, hat viel Geld gekostet, ver­mutlich genauso viel Geld, wie „Euroteam“ vorher versenkt hat. Aber Kollegen Kukacka war es wichtiger, anstatt eine sinnvolle Debatte im Untersuchungsausschuss zu führen, lieber nachzuspüren, ob irgendwelche Frauenberatungsstellen nicht doch irgendetwas Unrechtes gemacht haben, indem sie illegale Prostituierte beraten. Das war leider die Arbeit der ÖVP zu diesem Thema, leider! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner.)

Nein, das war es noch nicht, Herr Kollege Mitterlehner, das war es noch nicht, es geht erst richtig los! (Bundesminister Dr. Bartenstein: Was hat das mit dem Standort Öster­reich zu tun?) – Wenn Sie mich fragen, was das mit dem Standort Österreich zu tun hat, dann gebe ich diese Frage gerne an Kollegen Maier und etliche andere ÖVP-Red­ner volley weiter, die sich wirklich wacker abgemüht haben, das Thema zu verfehlen. (Abg. Wattaul: Ich glaube, er ist nicht vorbereitet! Er hat keine Rede!)

Herr Bundesminister! Ich bin gleich bei Ihnen. (Abg. Wittauer: Ist das jetzt ein Dialog mit dem Herrn Minister?) Mein Kollege Kogler hat schon darauf hingewiesen, dass Sie selbst den fast schon verdächtigen Satz geprägt haben: Ich habe selbst nicht daran geglaubt, dass die Millionen Euro, die wir mit dem Konjunkturpaket ausgeben, 0,75 Prozent Wachstumsimpuls erzielen. Das Beispiel lohnt sich, noch mehr betrachtet zu werden. Da kommen wir nämlich auf eine andere Ebene, die Sie angezogen haben und die einige andere ÖVP- und FPÖ-Redner immer wieder anzuziehen versuchen, indem mit spitzen Fingern auf andere gezeigt wird: die Deutschen mit ihrem Defizit! (Abg. Wattaul: Jetzt hast du es gleich geschafft!)


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Herr Bundesminister! Soweit ich informiert bin – das ist ein mageres oder schütteres Resultat dieser Debatte –, erzielen wir derzeit unsere Erfolge hauptsächlich im Export. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.) – Das mögen der Euro und die Relation Euro zu Dollar mitbewirken, aber ein Punkt war oder ist doch, dass innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums gerade das Defizit der Bundesrepublik Deutschland ähnliche Wirkungen entfaltet wie das Defizit der USA, nämlich Wachs­tumsimpulse, egal in welchem Sektor. Ich will mich nicht über die Gründe des amerika­nischen Defizits, Irak-Krieg und Ankurbelung der Rüstungsindustrie, verbreitern, aber wir können nicht auf der einen Seite sagen, schauen wir still zu, wie die einen Wachs­tumsimpulse setzen, und profitieren wir davon, und auf der anderen Seite mit dem Finger auf die Länder zeigen, die diese Wachstumsimpulse setzen. Es ist so, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zweiter Punkt: die Debatte über Lohnkosten beziehungsweise Lohnnebenkosten, die Sie wieder angesprochen haben. Die Senkung der Lohnnebenkosten um diesen be­scheidenen Betrag wird kein geeigneter Beitrag sein, Herr Bundesminister, um den Standortwettbewerb mit jenen Ländern, mit denen wir jetzt in einer erweiterten Union konkurrieren müssen, tatsächlich beeinflussen zu können, worauf Sie so Wert legen. Ich frage mich angesichts der Tatsache, dass Tschechien ein durchschnittliches Lohn­niveau von 500 € hat: Wo soll der Wettbewerb hingehen? – Sicher nicht in eine Intensi­vierung – das kann es nicht sein, das wissen Sie genauso gut wie ich – des Billiglohn­sektors in Österreich. Unsere Chance liegt in der Bildung, unsere Chance liegt in der Erhöhung der Forschungsquote. Dorthin sollten die Impulse gehen.

Wir hatten gerade gestern eine Debatte darüber, dass leider genau die österreichische Bildungspolitik in jenem Bereich, in dem es darum geht, die Defizite im österreichi­schen Schulsystem für sozial schwache Gruppen, die meistens in den Hauptschulen landen, zu beseitigen, ein Problem hat.

Diese Debatte haben wir heute nicht geführt. Wir haben auch keine Debatte darüber geführt, wie wir im Bereich der Arbeitslosigkeit von jungen Menschen mehr tun könnten, außer für ein weiteres Jahr Ausbildungslehrgänge vorzuschreiben. Sie wissen genauso gut wie ich, Herr Bundesminister, dass die Ausbildungslehrgänge ein Not­nagel sind, dass die Jugendlichen, welche in den Ausbildungslehrgängen „geparkt“ werden – anders kann man es nicht bezeichnen –, sogar gegenüber den Absolventen eines effektiv dualen Bildungssystems benachteiligt sind.

Wir alle sollten unsere Anstrengungen intensivieren, um im Bereich der Beschäfti­gung und nicht nur der Ausbildung von Jugendlichen tatsächlich einen Schritt vorwärts zu kommen. Und dazu ist diese Debatte leider nicht geeignet gewesen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bucher. 5 Minuten Redezeit, das ist zugleich die Restredezeit seiner Fraktion. – Bitte.

 


17.11

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte die Diskussion wie­der etwas versachlichen, nachdem mein Vorredner versucht hat, doch das eine oder andere ins Lächerliche zu ziehen, vor allem was die Anwesenheit der Abgeordneten betrifft, aber ich möchte mich bewusst dazu nicht äußern. (Abg. Öllinger: Das glaube ich!)

Herr Professor Moser hat richtigerweise gesagt, dass die Inlandsnachfrage den Erwar­tungen nachhinkt und dass die Wirtschaft an einer Investitionsmüdigkeit leidet. All das


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ist richtig, aber es ist nicht unbedingt neu, denn in einer Hochkonjunktur kennen wir natürlich andere Facetten und andere Faktoren, aber wir befinden uns derzeit gesamt­europäisch und global gesehen wirtschaftspolitisch eben auf der Kriechspur. Ich glaube aber, dass Österreich doch insgesamt sehr gut abschneidet.

Wenn ich mir von Seiten der SPÖ die steuerpolitischen Vorstellungen ansehe, dann ist es einigermaßen schwierig zu verstehen, wenn Sie die Steuern um 4,5 Milliarden € senken wollen, sich aber gleichzeitig verweigern, Reformen durchzusetzen. Irgend­wann werden auch Sie die Frage gestellt bekommen, auch wenn Sie sie in Opposition nicht beantworten müssen, wie Sie diese 4,5 Milliarden € finanzieren wollen, außer na­türlich über eine Schuldenpolitik, die wir von Ihnen in den letzten Jahrzehnten gewohnt sind, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Nein, Herr Kollege Matznetter, ich verkünde jetzt das, was Sie heute als letzten Tagesordnungspunkt betreffend Änderung des Einkommensteuergesetzes einbringen werden. Das, was Sie heute einbringen werden, kann nur dem Gehirn eines Steuerberaters entspringen, aber nicht dem Gehirn eines Steuerzahlers, der einigermaßen nachvollziehen kann, was Sie als Berechnungsmodell hier vorschlagen. Das ist ein völliger Unsinn! (Abg. Dr. Stumm­voll: Da hat Bucher Recht! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Machen Sie das Exempel: Nehmen Sie den Antrag, der heute als letzter Tagesord­nungspunkt behandelt wird, und lassen Sie einem Mitarbeiter seine Einkommensteuer danach berechnen, und stellen Sie ihm nur einen Taschenrechner zur Verfügung! Das wird er niemals schaffen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Nein, das wird er niemals schaffen, das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Mit dieser Steuer­politik kommen Sie nicht weit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir brauchen eine Steuerpolitik, die transparent ist, die einfach gestaltet ist, sodass sich jeder Steuerpflichtige in Österreich seine Steuer selbst ausrechnen kann. Das, was Sie machen, ist eine Beschäftigungspolitik für die Steuerberater und Wirtschafts­berater in Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber dazu wird ja noch zu mitternächtlicher Stunde Zeit sein, mit Herrn Kollegen Matz­netter darüber zu diskutieren. Seine Steuervorstellungen und Steuerreformvorstellun­gen sind nicht der Weisheit letzter Schluss, die Österreich nach vorne bringen, wenn­gleich man sagen muss, dass wir Freiheitliche natürlich angetreten sind, eine erste Etappe der Steuerreform zu erreichen. Diese wurde erreicht und hat ein ganz, ganz tolles Ergebnis gebracht, vor allem auch für die Wirtschaft, indem der 13. Umsatz­steuertermin gestrichen wurde, der Steuersatz auf nicht entnommene Gewinne halbiert wurde und Bruttoeinkommen bis 14 500 € völlig steuerfrei gestellt wurden.

Wir wünschen uns aber auch in Anbetracht der schwierigen Situation in Europa, indem neue Beitrittsländer hinzukommen, und angesichts der sehr schwierigen Wettbewerbs­situation vor allem im Osten Österreichs, ein Konjunkturpaket III zu schnüren, das dieser schwierigen Situation gerecht wird. Wir werden, so hoffe ich, in Kooperation mit der ÖVP noch heuer für das kommende Jahr ein Konjunkturpaket vorstellen können.

Es wird uns auch die schwierige Situation vor Augen geführt, dass die Sparquote extrem angestiegen ist, vor allem im letzten Quartal. Es gehen der Wirtschaft 2,1 Milli­arden € ab, die in Lebensversicherungen, Pensionsversicherungen investiert wurden. (Abg. Mag. Kogler: Weil Sie das dauernd fördern!) – Darüber werden wir heute auch noch reden! – Daher ist es notwendig, dieses Konjunkturpaket, an dem wir derzeit arbeiten, auch umzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch etwas zum Bruttoregio­nalprodukt sagen, das heute auch angesprochen wurde. Es gibt einige Bundesländer,


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die positive Wirtschaftspolitik machen, Wien beispielsweise gelingt das auf Grund der Beschäftigungspolitik offensichtlich nicht so gut. In Kärnten läuft es ausgezeichnet. Wir haben einen Rückgang bei der Arbeitslosenquote, das lässt sich nicht wegargumentie­ren, weil darüber gibt es Statistiken, die nicht von uns, sondern vom Statistischen Zentralamt und vom AMS stammen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Summe ist es für den Wirtschaftsstandort Österreich nicht gut, wenn von Seiten der Opposition immer alles schlecht geredet wird, denn das fördert das Wirtschaftswachstum nicht. Dessen sollten Sie sich bewusst sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.16

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Matz­netter. Redezeit beträgt 5 Minuten. Die Restredezeit Ihrer Fraktion ist 7 Minuten. – Bitte.

 


17.16

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kollege Bucher hat gerade das Statistische Zentralamt zitiert. Das freut mich, weil sonst wird mir wieder unterstellt, ich verwende Quellen, die dubios sind, und liefere Zahlen, die nicht stimmen.

Bleiben wir beim Statistischen Zentralamt! Schlagen wir – ich habe es gestern schon gesagt, aber heute ist es auf Grund der Anfrage der ÖVP angeblich wieder dringlich geworden – Tabelle 16.1 auf, anhand der man den internationalen Vergleich unserer Performance beim Wirtschaftswachstum sieht. Und jetzt bin ich bei Kollegen Kogler: Auf 0,1 oder 0,2 Prozent auf oder ab wird es nicht ankommen, aber die Tendenz ist wichtig.

Kollege Auer hat sich gerühmt, wie gut unsere Daten im Jahr 2002 gewesen wären. Was stellen wir fest? – Wir liegen an siebentletzter Stelle unter den 15 Staaten. Dazu kann man sagen, das ist noch gutes Mittelfeld. Heuer liegen wir aber in der gleichen Tabelle auf dem viertletzten Platz und deutlich unter dem Durchschnitt. Laut Prognose für das Jahr 2004 haben wir überhaupt den letzten Platz.

Ich gebe es Ihnen dann gerne, wie auch gestern dem Kollegen Grasser, das ist kein Problem. Das steht im Internet unter „statistik-austria.at“, das kann jeder anwählen, und die Einsicht geht relativ einfach: Es geht um die Tabelle 16.1 „internationaler Ver­gleich“. Das sind die OECD-Daten und die aktuellen Prognosen für Österreich.

Das heißt nichts anderes, als dass wir immer weiter nach hinten fallen. Und es ist auch klar, warum dem so ist. Ich darf wieder so sonderbare Quellen wie die OECD und die Statistik Austria zitieren.

Wir haben – und das ist das wirkliche Problem – nicht zeitgerecht von restriktiver auf expansive Budgetpolitik umgestellt. Wenn Kollege Bucher auf das Problem verweist und fragt, wie sollen wir denn 3 oder 4,5 Milliarden finanzieren, dann kann ich ihm nur sagen: Das Problem ist jedes Jahr das gleiche. Das Problem ist 2005 dasselbe wie 2004, nur die Basis ist bei unserem Vorschlag ein besseres Wachstum. Hätten wir nächstes Jahr nur das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der Union – da sind wir noch gar nicht bei dem, was Kollege Moser richtig gesagt hat, nämlich dass wir uns mit den Besten matchen sollten, weil diese sind nächstes Jahr in Bereichen, von denen wir nicht einmal mehr träumen dürfen –, hätten wir die 2,3 Prozent, um die die Union nächstes Jahr im Schnitt wachsen wird, dann würden wir gegenüber der jetzigen Prognose um 0,9 Prozent mehr Wachstum haben, was bei einer Staatsquote von über 50 Prozent eine deutliche Hilfestellung in der Gegenfinanzierung bringen würde.


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Wir könnten an dem Wachstumsaufschwung partizipieren, so wie wir es drei Jahr­zehnte lang gemacht haben, als einer der ersten Staaten und nicht als letzter, weil wir mit einem gescheiten Policy-mix aus Entlastung der Menschen, damit diese Nachfrage generieren, Förderung der investierenden Industrie und Schaffung öffentlicher Nach­frage starten würden. Das Problem ist nur, wir haben den Start versäumt. Sie haben ein Jahr Stillstand! Das ist das Problem. (Abg. Wattaul: Du möchtest die Schulden, die wir haben, verdoppeln!) Minister Bartenstein, der leider schon zu lange auf seinem Posten sitzt – da hat Ihr Parteiobmann Haupt Recht, wenn er ihn gemeinsam mit Kollegen Grasser als Mitgescheiterter genannt hat –, sitzt immer noch immer da. Es hat nur der Herbert mit dem Hubert gewechselt, leider hat man die Schwachstellen nicht ausgewechselt. (Beifall bei der SPÖ.)

Apropos Schwachstellen: Herr Minister, ich möchte Sie nur daran erinnern, dass Sie hier am Pult nicht der Immunität unterliegen. Falls Sie in der YLine-Frage wirklich nähere Dinge nennen wollen, würde ich vor allem den Kollegen, die aus dem Raiff­eisensektor kommen, dringend empfehlen, sich einmal anzuschauen, wer denn wirklich zum Beispiel der Prüfer des Börsenprospektes war, auf dessen Basis junge Aktionäre wie der Herr Finanzminister erfolgreich 295 Stück gekauft haben. Zu diesem Zeitpunkt waren andere tätig. Ich würde mir das wirklich anschauen, und ich würde das Thema nicht allzu intensiv „kochen“. Wenn es hier nämlich intensiv „gekocht“ wird, dann habe ich damit die geringsten Probleme, da hat eine Reihe von anderen deutlich mehr Pro­bleme. (Abg. Mag. Molterer: Sie haben Probleme! Aha!) Ich finde, wir sollten darüber reden. Aber noch unterliege ich der Verschwiegenheit. Ich werde den Tag nützen und darüber sprechen. (Abg. Mag. Molterer: Matznetter hat Probleme! – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Aber jetzt kommen wir zum wichtigsten Punkt. Wir fordern seit eineinhalb Jahren die Steuersenkung gleich, und Sie wissen genau, dass wir jede Forderung unterstützt haben, was immer man tun kann, um es vorzuziehen. Die ÖVP ist der Bremsklotz, Sie von der ÖVP haben uns behindert! Was die Taschenrechner-Fähigkeiten betrifft, habe ich gesagt: Von der ersten Klasse Mittelschule schafft es jeder, es ist eine Formel, gleich gebaut wie im deutschen Einkommensteuergesetz, und was die Deutschen im Durchschnitt schaffen, werden Sie, Herr Kollege Bucher, vielleicht auch noch schaffen.

Unser Modell ist jedenfalls das richtige, es liegt zur Beschlussfassung bereit, und unser Konjunkturpaket haben wir gestern eingebracht. Beschließen Sie es, warten Sie nicht, bis die ÖVP aus dem Tiefschlaf erwacht! Das Land hat es verdient. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt als nunmehr letzter Redner hiezu Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. Restredezeit seiner Fraktion: 2 Minuten. – Bitte.

 


17.21

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich halte es für wirklich erstaunlich, dass es bei einer Dringlichen Anfrage über die Wirtschaftspolitik und die Wirtschaftslage sowohl dem Kollegen Mitterlehner als Begründer als auch dem Minister Bartenstein als Beantworter gelungen ist, in ihren Reden kein einziges Mal die Worte „Tourismus“ und „Freizeitwirtschaft“ zu erwähnen.

Das stellt, glaube ich, wirklich deutlich klar, wie hoch der Stellenwert dieses Wirt­schaftszweiges offensichtlich auch in der Wirtschaftskammer ist. Es ist dies immerhin ein Wirtschaftszweig, der laut dem Tourismusbericht des Wirtschaftsministers, der ja kürzlich eingelangt ist, die „Kleinigkeit“ von 18,1 Prozent BIP-Anteil hat und damit eigentlich der wichtigste Wirtschaftszweig dieses Landes ist. Ich glaube, das spricht


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wirklich Bände. Ich hoffe daher, dass wir den Tourismusbericht nicht im Ausschuss enderledigen werden, sondern ihn auch hier im Plenum ausreichend behandeln können, damit sich auch die Regierung dazu äußern kann. (Beifall bei der SPÖ.)

In der Restredezeit, die noch bleibt, eine kurze Replik auf den Kollegen Ferry Maier und nach Floridsdorf: Ich würde mich an deiner Stelle bei deiner eigenen Fraktion irgendwann einmal beschweren, weil dir offensichtlich beim Übertritt vom Bundesrat in den Nationalrat keiner erklärt oder keiner gesagt hat, dass du jetzt mehr Ressourcen hast, wie etwa parlamentarische Mitarbeiter, Parlamentssekretariate und so weiter. Die könnten in deine alten Wien-Beschimpfungsreden wenigstens einmal neue Zahlen ein­bauen, damit es vielleicht wirklich ein bisschen interessanter und spannender wäre. Aber auch die neuen Zahlen würden nicht passen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Weil du das Hochwasser angeführt hast, und wieder auf Floridsdorf verweisend – lei­der oder Gott sei Dank muss ich hier abweichen, weil du das auch getan hast –: Wenn es nach deiner Fraktion gegangen wäre, dann wäre Floridsdorf vor zwei Jahren im Hochwasser untergegangen. Ihr wart nämlich gegen den Bau der Donauinsel! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Mieten, die du angeführt hast – es ist schon erstaunlich: Wenn angeblich so wenige Wohnungen in Wien gebaut werden und jetzt die große Wohnungsnot aus­bricht, warum sind dann in Wien die Mieten am niedrigsten im ganzen Bundesgebiet? (Ruf bei der ÖVP: Falsch!) Das frage ich mich schon, obwohl natürlich ÖVP und FPÖ schon vor dem Sommer die Mieten erhöhen wollten (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), Kollegen Großruck und Neudeck! (Beifall bei der SPÖ.)

17.24

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 766/AB

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung der Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit der Ord­nungszahl 766/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich die Ver­lesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten reden darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregie­rung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Frau Abgeordnete Mag. Lunacek um die Begründung.

 


17.25

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Es geht, wie schon gesagt, um eine Anfrage, die Frau Ministerin Ferrero-Waldner beantwortet hat und in meinen Augen unzureichend beantwortet hat, nämlich um die Säumigkeit der Bundesregierung bei der Ratifizierung des Grenzgän­gerabkommens und des Praktikantenabkommens mit Tschechien.

Lassen Sie mich die Chronologie dieses jetzt fast schon endlosen Tagesordnungs­punktes in Bezug auf die Erweiterung kurz erläutern.


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Am 21. August 2001 hat Wirtschaftsminister Bartenstein gemeinsam mit seinem da­maligen Amtskollegen Špidla beide Abkommen unterzeichnet. Diese wurden dann dem Ministerrat zugeleitet, es gab in der vergangenen Legislaturperiode einen Ministerrats­vortrag, und sie wurden beschlossen. Irgendwann landeten sie dann im Nationalrat und wurden dem Außenpolitischen Ausschuss zugewiesen. Eines der beiden Abkommen kam sogar auf die Tagesordnung des Außenpolitischen Ausschusses, aber dann be­schloss die Regierungsmehrheit, es zu vertagen. Man wollte sich anscheinend mit der FPÖ keine Schwierigkeiten machen, gerade in den Sachen, die Tschechien betreffen. Wie wir ja wissen, gab es gerade von der freiheitlichen Fraktion massive Widerstände gegenüber der Tschechischen Republik, hier auch nur irgendetwas an Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation insbesondere der Beschäftigung in den Grenzregionen zu erwirken. (Abg. Scheibner: Das hat mit der Tschechischen Republik überhaupt nichts zu tun!)

Die Legislaturperiode ging vorüber, die Abkommen wurden nicht beschlossen. Die beiden Abkommen gibt es übrigens mit Ungarn schon seit 1998, jene mit Tschechien eben noch immer nicht. Es gab dann Ende März einen neuerlichen Versuch, diese Abkommen auf die Tagesordnung des Ministerrats zu stellen, und sie wurden wieder heruntergenommen, ohne weitere Aussicht darauf, wann sie denn jemals wieder dorthin gelangen würden.

Ich kann hier Herrn Präsidenten Khol als Zeugen zitieren, denn wir saßen am 1. April gemeinsam im Flugzeug nach Prag zum ersten Auslandsbesuch des neuen Herrn Nationalratspräsidenten, und wir mussten feststellen, dass diese beiden Abkommen von der Tagesordnung des Ministerrats heruntergenommen wurden und eben immer noch nicht ratifiziert worden sind. Dies war also ein Punkt, von dem die österreichische Delegation unter Präsident Khol in Prag nicht berichten konnte, dass das jetzt auf dem besten Weg ist und endlich für die Grenzregionen etwas im Beschäftigungsbereich getan wird. Seitdem ist nichts mehr passiert.

Auf die Anfrage hat Frau Ministerin Ferrero-Waldner geantwortet: Da braucht es noch Klärung im Arbeitsmarktbereich. Auch Minister Bartenstein hat Ähnliches geantwortet. Das erstaunt mich schon sehr, denn gerade in der Begründung zu der Dringlichen Anfrage, die wir vorhin hatten, steht drinnen, dass Österreich sowieso eine niedrige Arbeitslosenrate hat, eine viel niedrigere als Deutschland. Aber nein, mit Tschechien so ein Abkommen zu machen, in dem es darum geht, dass in den Grenzregionen end­lich etwas für die Beschäftigung getan wird, das können wir nicht tun!

Frau Ministerin! Sie haben einige meiner Fragen überhaupt nicht beantwortet. Zum Beispiel ging es darum, warum denn diese beiden Punkte von der Tagesordnung des Ministerrats wieder heruntergenommen wurden. Warum, Frau Ministerin, haben Sie sich nicht dafür eingesetzt, dass das abgestimmt wird, beschlossen wird und endlich dem Nationalrat zugeleitet wird? Warum, Frau Ministerin? – Ich hoffe, dass Sie mir jetzt eine Antwort darauf geben. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben mir auch nicht beantwortet, wer denn veranlasst hat, dass das wieder von der Tagesordnung herunterkam. Kein Wort dazu, Sie haben nur ganz allgemein ge­sagt: „in der vergangenen Legislaturperiode hat der Nationalrat die Ratifizierung nicht vorgenommen“, so, als ob der Nationalrat daran schuld wäre. Es waren Ihre beiden Regierungsparteien, sehr geehrte Frau Ministerin, die das nicht getan haben! Und Sie haben sich nicht dafür eingesetzt, dass das endlich in den Nationalrat kommt und ratifiziert wird.

Ich würde Ihnen gerne aus dieser Regierungsvorlage der letzten Legislaturperiode vorlesen, wozu diese Abkommen gut sind. Wissen Sie, was in den Erläuterungen dazu drinsteht? – Dass aus beschäftigungspolitischer Sicht nicht zu erwarten ist, dass durch


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die Zulassung einer quantitativ durch jährlich festgelegte Kontingente beschränkten Anzahl von Grenzgängern Substitutionsprozesse am Arbeitsmarkt in den Grenzzonen zu Tschechien in Gang gesetzt werden.

In der eigenen Regierungsvorlage steht also drinnen, dass das keine Schwierigkeiten am österreichischen Arbeitsmarkt bewirken wird, und Sie sagen jetzt in Ihrer Anfrage­beantwortung: Das muss man alles arbeitsmarktpolitisch noch prüfen. (Abg. Silhavy: Das wird zur Regel!)

Das ist wohl eine Täuschung, Frau Ministerin, das kann ich nur so interpretieren. Sie haben hier anscheinend wieder einen Punkt, einen letzten Punkt, an dem sich die Frei­heitlichen noch anhalten und sagen, dass sie das nicht wollen, einen letzten Punkt, den Sie den Freiheitlichen vielleicht doch noch gewähren, damit es nicht wieder irgend­einen Aufruhr gibt! (Beifall bei den Grünen.)

In der eigenen Regierungsvorlage steht also drinnen: keine Bedenken hinsichtlich des Arbeitsmarktes, und Sie sagen jetzt in Ihrer Anfragebeantwortung: man muss arbeits­marktpolitische Überlegungen in Betracht ziehen. Früher – wir haben das schon des Öfteren debattiert – haben Sie das nicht gefunden, Sie haben gefunden, dass es sehr wohl notwendig wäre, dieses Abkommen endlich zu ratifizieren. Auf einmal schwenken Sie um und halten es für eine gute Ausrede, dass man sagt: Der Arbeitsmarkt ist an allem schuld, damit kann man alles erklären, und Sie brauchen nichts weiter zu tun, um tatsächlich Verbesserungen in den Grenzregionen zu bewirken.

Frau Ministerin! Ich hoffe, Sie werden mir eine Antwort geben: Warum ist dieser Punkt Ende März von der Tagesordnung des Ministerrates genommen worden? Warum sind diese beiden Abkommen noch nicht dem Nationalrat zugeleitet? Warum sind sie noch nicht ratifiziert?

Die eine Mutmaßung habe ich schon angestellt: Es sind wieder einmal die Freiheit­lichen, denen Sie keine Schwierigkeiten machen wollen. Es sind jetzt zwar die ober­österreichischen Wahlen vorbei, aber im Juli gab es einen Artikel im „Standard“, in dem der damalige freiheitliche Spitzenkandidat gefunden hat – ich zitiere –: „Wir fürchten den Lohndruck durch Billig-Arbeitskräfte aus Tschechien. Deshalb sollen diese Abkom­men nicht ratifiziert werden.“

Frau Ministerin! Ich habe eigentlich gedacht, dass durch den Wählerinnen- und Wäh­lerschwund der Freiheitlichen seit der letzten Nationalratswahl die ÖVP nicht mehr in Geiselhaft der FPÖ ist, gerade was Tschechien betrifft. (Abg. Öllinger: Freiwillig!) Die Tatsache, dass diese beiden Abkommen noch immer nicht durch den Ministerrat gekommen sind und noch immer nicht ratifiziert sind, spricht eine deutliche Sprache dagegen. Sie halten sich noch immer an das, was die Freiheitlichen hier vorgeben. Das verbal so hoch gehaltene Herzstück Ihrer Regierung, nämlich die Erweiterung, erweist sich als eines, das einen Herzschrittmacher braucht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: „Spärlich einsetzender Applaus der Grünen“, steht im Protokoll!)

Es gibt noch einen Aspekt, der ganz problematisch ist, was die anderen Nachbarländer betrifft. Frau Ministerin, von Seiten Ungarns gibt es Bemühungen, dass man ab 1. Mai nächsten Jahres – da gibt es auch ein Abkommen der EU-Staaten – versucht, diese siebenjährigen Übergangsfristen mit einzelnen Nachbarstaaten zu reduzieren in den Bereichen, in denen es sicherlich keine Schwierigkeiten geben wird. Ich habe diesbe­züglich auch mit der ungarischen Botschaft gesprochen, dort warten sie auf Vorschläge Österreichs! Wissen Sie, was in demselben „Standard“-Artikel vom Juli dieses Jahres darüber steht, was jemand nicht Genannter aus dem Wirtschaftsministerium sagt? – Zitat: „Wir können doch nicht mit Ungarn schon neue Verträge abschließen, wenn wir den Tschechen nicht einmal ein Minimum zugestehen.“


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Frau Ministerin, wissen Sie – und ich nehme an, dass das stimmt –, was das heißt? Sie sind dafür verantwortlich! Sie als Außenministerin und diese Bundesregierung sind dafür verantwortlich, dass hier Fortschritte im Bereich der Beschäftigung in den Grenz­regionen nicht geschehen, dass hier nichts weitergeht hinsichtlich der Möglichkeiten für junge Leute beim Praktikantenabkommen. Leute zwischen 18 und 35 – laut Regie­rungsvorlage heißt es ja: „zur sprachlichen und beruflichen Weiterbildung“ – können diese Möglichkeiten nicht nutzen, weil diese Bundesregierung nicht fähig und nicht willens ist, solche Abkommen zu ratifizieren! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin, ich kann nur sagen, Sie haben zum einen diese Anfrage nicht ausrei­chend beantwortet. Sie haben mir nicht gesagt – ich wiederhole es jetzt zum dritten Mal und hoffe, von Ihnen eine Antwort zu bekommen –: Warum ist das von der Tages­ordnung des Ministerrates genommen worden?

Hier möchte ich gleich meinen Kollegen Spindelegger, der nach mir sprechen wird, etwas fragen. Sie haben in einem „Abendjournal“ Ende Juli behauptet, der Ministerrat habe diese beiden Abkommen schon einstimmig beschlossen. (Abg. Dr. Spindel­egger: Stimmt auch!) Ich glaube, Sie haben die Legislaturperioden verwechselt; das war in der letzten Legislaturperiode. (Abg. Dr. Spindelegger: Ich habe nicht gesagt ...!) Oder wenn Sie das unabsichtlich getan haben – was ich nicht annehme, denn ich denke, Sie wissen, dass es in dieser Legislaturperiode nicht beschlossen worden ist –, dann kann ich nur sagen, das war eine eindeutige Täuschung der Zuhörerinnen und Zuhörer. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Frau Ministerin! Diese jahrelange Verzögerungstaktik ist unwürdig gegenüber der Tschechischen Republik. Ich fordere Sie auf, dass diese Abkommen tatsächlich im nächsten Ministerrat auf der Tagesordnung stehen und ratifiziert werden, um die Be­schäftigungslage in den Grenzregionen tatsächlich zu verbessern. Worte allein sind zu wenig! (Beifall bei den Grünen.)

17.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner zu Wort gemeldet. Ihre Stellungnahme soll 10 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


17.36

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Frau Abgeordnete Lunacek! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die beiden gegenständlichen Abkommen mit der Tschechischen Republik, Frau Abgeordnete, können und dürfen natürlich nicht losgelöst von ihrem Kontext gesehen werden. Per 1. Mai des kommenden Jahres erfolgt die Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedstaaten. Die österreichische Bundes­regierung ist bestrebt, dieses für uns so wichtige Ereignis mit großer Sorgfalt vorzube­reiten. Dabei geht es natürlich auch um die Heranführung des österreichischen Arbeits­marktes an die neuen Rahmenbedingungen. Wie Sie wissen, ist es Österreich und Deutschland gelungen, eine siebenjährige Übergangsfrist für die Arbeitnehmerfrei­zügigkeit sowie für die Erbringung der Dienstleistungsfreizügigkeit in bestimmten Sektoren durchzusetzen.

Die neuen Mitgliedstaaten, denen gegenüber diese Regelung angewendet werden muss, sind auf diesen politischen Kompromiss auch eingegangen. Alle, die geglaubt haben, dass die Bevölkerung dieser Staaten diese für uns so wichtige Übergangszeit nicht akzeptieren wird, wurden klar eines Besseren belehrt. Die durchgeführten Volks­abstimmungen sprechen diesbezüglich, Frau Abgeordnete Lunacek, ein klares Wort. Ich sage nur: Tschechien 77 Prozent mit „Ja“, Ungarn 84 Prozent, Slowenien 89 Pro-


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zent, Slowakei 92 Prozent mit „Ja“-Stimmen – obwohl es diese Übergangsregelung gibt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In keinem der Beitrittsländer war also die Übergangsregelung überhaupt ein Thema, auch nicht in den Wahlkämpfen. (Abg. Mag. Lunacek: Wollen Sie etwas für die Grenz­regionen machen?) Die endgültige, detaillierte Ausformulierung der Übergangsrege­lung erfolgte natürlich erst im Zeitraum 2002 bis Ende Jänner 2003. Da wurden noch besonders wichtige Aspekte finalisiert, zum Beispiel Regelungen zur Familienzusam­menführung, Saisonnier-Bestimmungen oder auch Schutzklausel-Regime.

Die Auswirkungen dieses – jetzt endgültig feststehenden – rechtlichen Rahmens auf den österreichischen Arbeitsmarkt sind natürlich noch genau zu untersuchen. Derzeit liegen uns ältere Studien vor. Auch im Sinne eines verantwortungsvollen Vorgehens werden daher noch einmal einige gründliche und, ich würde sagen, auf den aktuellen Rahmenbedingungen fußende Recherchen anzustellen sein.

Von den bisherigen Mitgliedstaaten werden jetzt übrigens außer Deutschland und Österreich auch andere Länder wie zum Beispiel Frankreich und Finnland von diesem Übergangsregime Gebrauch machen. Auch dort – das ist bei diesen Grenzgängerab­kommen schon ein springender Punkt – ist auf Grund der gegenwärtigen konjunktu­rellen Lage selbstverständlich ein Diskussionsprozess über die Auswirkungen der Erweiterung auf die Arbeitsmärkte im Gange. Wenn also sogar geographisch weiter entfernte EU-Mitgliedstaaten von dieser Übergangsregelung Gebrauch machen – was in der damaligen Debatte noch nicht so klar war –, so ist es doch nahe liegend, dass erst recht in Österreich ausführlich darüber recherchiert und gesprochen werden muss, wann und auf welche Art und Weise Österreich schrittweise seinen Arbeitsmarkt öffnen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher ist auch klar, dass die österreichische Bundesregierung nichts übers Knie bre­chen wird. Wir werden uns seriös anschauen, welche Auswirkungen mit dem Grenz­gänger- und Praktikantenabkommen verbunden sind. Denn wir haben in Österreich in den letzten Jahren wirtschaftliche Erfolge erzielt, die wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen. Wenn wir daher, Frau Abgeordnete, in der jüngsten Vergangenheit erfolgreich waren, dann tun wir auch gut daran, weiterhin wohl überlegte Schritte zu tun.

Ich denke, wir müssen diese Auswirkungen prüfen, denn – glauben Sie mir! – ein Regierungsprogramm gilt für die gesamte Regierungsperiode. (Abg. Mag. Lunacek: Unklar, wie lange das dauert!) Wir werden also den Punkt des Regierungsprogramms betreffend Grenzgänger- und Praktikantenabkommen dann umsetzen, wenn es für Österreich vertretbar ist. Dabei werden wir selbstverständlich auch wirtschaftspoli­tische und arbeitsmarktpolitische Überlegungen in Betracht ziehen, denn ich glaube, das ist ja auch wichtig für unsere Österreicherinnen und Österreicher, die Sie ja wohl auch vertreten wollen. – Ich danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

17.40

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Spin­delegger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.41

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Lunacek hat ja schon kurz nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung nichts Wichtigeres im Sinn gehabt als diese Praktikantenab­kommen. (Abg. Mag. Lunacek: Weil Sie es nicht wichtig finden!) Sie haben ja von


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Anfang an nur gefordert, dass das möglichst schnell auf die Tagesordnung kommt. (Abg. Mag. Lunacek: Weil Sie es die Jahre über verabsäumt haben!)

Frau Kollegin, Sie sind sehr ungeduldig in diesen Fragen, und ich glaube, dass die Frau Bundesministerin Ihnen jetzt auch beantwortet hat, auf welch seriöse Art und Weise diese Frage behandelt wird. – Ich glaube, das ist vollkommen richtig so! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten haben Sie ja auch jetzt wieder behauptet, ich hätte im Juli dieses Jahres in einem Radio-Interview die Unwahrheit gesagt. Frau Kollegin, wenn Sie sich das anhören, dann werden Sie wissen ... (Abg. Mag. Lunacek: Sie haben getäuscht!) – Sogar getäuscht! Ich gratuliere Ihnen! Sie steigern sich ja von Minute zu Minute. – Ich habe damals erklärt, dass diese Praktikantenabkommen von der Bundesregierung im Jahr 2001 beschlossen wurden. Stimmt das etwa nicht, Frau Kollegin? Das können Sie nachvollziehen! (Abg. Mag. Lunacek: Aber damit treten sie noch nicht in Kraft!) Aber so wie viele andere Regierungsvorlagen ist das eben mit dem Ende der Legislatur­periode verfallen – das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen. (Abg. Mag. Lunacek: Und warum ist es von der Tagesordnung genommen worden?)

Zum Dritten: Wenn wir einen Beschluss des Ministerrates haben, werden wir auch in diesem Haus dafür sorgen, dass diese Verfahren möglichst rasch abgeschlossen werden. Ich meine, es gibt auch inhaltlich einige Gründe dafür, solche Praktikantenab­kommen zu unterstützen, wenngleich durch verschiedenste Maßnahmen, Frau Kollegin Lunacek! Da entsetzt mich schon Ihre Unwissenheit darüber, was hier derzeit vorgeht. (Abg. Mag. Lunacek: Sie sagen was Falsches, und wir sind unwissend?!) – Ja, Ihre Unwissenheit, denn Sie erklären uns hier, es gebe keinen sprachlichen Austausch, es passiere nichts in dieser Richtung.

Ich lade Sie ein, einmal nach Niederösterreich zu kommen und sich bei uns zum Bei­spiel Schulen in Grenznähe anzuschauen, wie dort bereits im Austausch mit tschechi­schen Schulen der Sprachenunterricht gefördert wird und wie jetzt eine Bildungsoffen­sive in Niederösterreich stattfindet, um Ostsprachen zu lernen. (Abg. Mag. Lunacek: Warum machen Sie dann das Abkommen nicht?) Da werden Sie auch etwas dazu­lernen, nämlich dass sehr viel in Richtung Vorbereitung des Beitritts dieser Länder zur Europäischen Union passiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zum Abschluss folgende Bemerkung, auch zur Frau Kollegin Lunacek: Sie sind ja heute im Austeilen schon sehr stark gewe­sen. Schon in der Fragestunde haben Sie einen meiner Kollegen beschuldigt, er wäre bei einer IPU-Sitzung gar nicht anwesend gewesen. – Eine nähere Recherche hat ge­zeigt, dass Sie die ganze Zeit nicht anwesend waren und nur am letzten Tag für zwei Stunden angereist sind, und dann soll niemand von der österreichischen Delegation da gewesen sein! (Ah-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Letztklassig war das!)

Geschätzte Damen und Herren! Ich würde Ihnen einmal anraten: Überlegen Sie, welche Vorwürfe Sie hier in diesem Hohen Haus anderen gegenüber erheben, und kehren Sie vor Ihrer eigenen Türe! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter – in Richtung der Abg. Mag. Lunacek –: Eine niederträchtige Bemerkung war das heute!)

17.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Silhavy zum Gegen­stand. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.44

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Ministerin! Sie haben uns heute in der Fragestunde auf die Frage, wie


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wichtig Ihnen die regionalen Partnerschaften sind, erklärt, warum jene aus Ihrer Sicht so wichtig sind. Auch im Außenpolitischen Bericht kann man das nachlesen, in dem Sie ausführen, dass regionale Partnerschaften vor der Erweiterung der gezielten Ver­tiefung der Zusammenarbeit in denjenigen Bereichen dienen sollen, die für die bevor­stehende Erweiterung von besonderer Bedeutung sind, und vor allem dem Abbau vorhandener Reibungsflächen und der konkreten Unterstützung der Partnerländer dienen sollen.

Ich denke, das, was Sie heute in der Früh gesagt haben, wird ja jetzt für Sie auch noch richtig sein. (Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner: Selbstverständlich!) – Dann frage ich Sie aber schon: Wie ehrlich sind denn diese regionalen Partnerschaften gemeint, wenn ein Abkommen, das vereinbart ist, das Minister Bartenstein im Jahr 2001 sozusa­gen ausverhandelt hat, das im Ministerrat beschlossen worden ist, nun nicht ratifiziert wird?

Frau Ministerin, seien Sie mir nicht böse, aber die Argumentation, die Sie hier an den Tag gelegt haben, lasse ich nicht als seriös gelten. Sie sagen, die siebenjährige Übergangsfrist ist verhandelt worden. – Das war im Jahr 2001 bereits Gegenstand in Österreich, wie Sie genau wissen. Dann stellen Sie die konjunkturelle Lage dar und sagen, man müsse den Arbeitsmarkt anschauen.

Frau Ministerin! Ich nehme an, auch wenn das der Arbeits- und Wirtschaftsminister ausverhandelt hat, kennen Sie diese Grundlage. Worum geht es? – Es geht darum, dass in diesem Abkommen wesentliche Ordnungs- und Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, unter welchen Bedingungen diese Grenzgängerregelungen zum Tragen kommen sollen. Da geht es darum, dass Umgehungsmöglichkeiten durch ent­sprechende Vertragsbestimmungen erschwert werden; dass Arbeitsverhältnisse den österreichischen Vorschriften des Arbeits- und Sozialrechtes entsprechen; dass die Abkommen nicht dazu dienen, zu einer Erweiterung der Saisonkontingente im Frem­denverkehr und in der Landwirtschaft zu führen; dass die Anzahl der Grenzgänger-Bewilligungen, die pro Jahr erteilt werden, auf die regionale und branchenmäßige Verteilung steuerbar sein muss; dass die Arbeitnehmerseite bei der Festsetzung der Grenzgänger-Kontingente in den vorgesehenen gemischten Kommissionen Mitspra­cherecht erhält und dass bei der Kontingent-Festsetzung unter anderem auch auf die Ausschöpfung der Ausländer-Landeshöchstzahlen nach dem Ausländerbeschäfti­gungsgesetz Bedacht genommen wird. – Das sind einige der wesentlichsten Punkte, die darin geregelt werden.

Frau Bundesministerin! Es ist ja geradezu eigenartig, wenn Sie sagen, das müsse man sich jetzt genau anschauen. – Sie unterstellen damit Ihrem Parteikollegen Minister Bartenstein, dass er sich das nicht genau angeschaut hat, als er das ausverhandelt hat. Wie kann er denn solch ein Abkommen ausverhandeln, wie kann das im Minister­rat beschlossen werden, wenn Sie heute im Jahr 2003 draufkommen, man müsse sich erst anschauen, wie sich das auswirkt? Das würde ja bedeuten, dass Sie sich das vorher nie angeschaut haben! – Damit stellen Sie sich ja selbst ein negatives Zeugnis aus. (Abg. Zweytick: Eine völlig unverständliche Interpretation! Das ist nicht nachvoll­ziehbar, diese Interpretation!) – Es tut mir Leid, Kollege Zweytick! Ich kann nichts dafür, wenn Sie es nicht nachvollziehen können. Womöglich müssen Sie irgendwo Nachhilfe­unterricht nehmen, dann können Sie die Dinge vielleicht nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Es wäre noch interessant zu diskutieren, wie man mit dem Praktikanten- und Praktikantinnen-Begriff umgeht. Kollege Spindelegger hat vorher die Schulen angesprochen. Es wäre interessant, das Thema auch für den Bereich des Bildungsaustausches aufzuwerfen, aber in Wirklichkeit verhindern Sie die Diskussion


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darüber. Sie wollen nicht, dass wir dieses Abkommen hier im Haus diskutieren, weil Sie es gar nicht zur Ratifizierung zulassen wollen.

Ich denke, das ist kein ehrlicher Umgang mit Partnern und Partnerinnen, wie Sie es uns heute in der Früh weismachen wollten, denn dann muss man auch zu dem, was ausverhandelt ist, stehen. Wenn es vorher nicht gut durchdacht und nicht seriös ange­schaut wurde, wenn Sie sich nicht überlegt haben, welche Auswirkungen dieses Über­einkommen auf den österreichischen Arbeitsmarkt hat, dann haben Regierungsmitglie­der, die auch in dieser Regierungs- und Gesetzgebungsperiode im Haus sind, wahr­scheinlich auf der Regierungsbank wahrhaftig nichts verloren. Das müssen Sie dann Ihren eigenen Kollegen und Kolleginnen sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.48

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.48

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Heute hat eine der grünen Abgeordneten angeschnitten, dass freiheitliche Abgeordnete weibliche Abgeordnete sexistisch attackieren würden, indem – ich weiß nicht – irgendeine Bemerkung wie „Frustration“ gefallen ist.

Ich möchte dazu Folgendes sagen: Da wird immer ein eigenes Spiel gespielt. Die Grünen zeigen immer mit dem Finger auf die anderen und vergessen ganz, dass ihre Finger selbst schmutzig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Brosz – auf seine Finger zeigend –: Äh!) – Hören Sie zu, bevor Sie „äh“ schreien!

Der Herr Abgeordnete Gaál hat zu Frau Rossmann gesagt: Ich kann Ihrem intellektuel­len Niveau folgen. – Daraufhin sagt Kollege Öllinger: Das ist nicht schwer. – Na, ist das sexistisch oder ist das nicht sexistisch? (Ah-Rufe bei den Freiheitlichen.) Wissen Sie, was? – Nehmen Sie sich einmal an Ihrer eigenen Nase! Herr Abgeordneter Van der Bellen! Vielleicht können Sie einmal in Ihrer eigenen Fraktion auf Ordnung schauen, bevor Ihre Abgeordneten da immer uns Freiheitliche anpatzen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Gaál: Sie haben mich missver­standen!)

Zur schriftlichen Anfragebeantwortung: Frau Abgeordnete Lunacek! Ich bewundere wirklich Ihre Kühnheit, und zwar im negativen Sinn, denn gestern und auch heute hat sich Ihre Fraktion darüber beschwert, dass die Arbeitslosigkeit – und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit – in Österreich so hoch ist. – Mir ist sie auch zu hoch: 50 000 Lehrlinge suchen einen Arbeitsplatz. Die SPÖ fordert Lehrlingsprogramme. Im selben Atemzug beschweren Sie sich aber darüber, dass das Grenzgänger-Abkom­men nicht abgeschlossen wurde!

Wenn Sie sagen, im Jahr 2001 ist das Regierungsübereinkommen abgeschlossen worden, dann bedenken Sie doch bitte, dass die Situation im Jahr 2001 viel besser war als jetzt und dass natürlich arbeitsmarktpolitische Überlegungen eine Rolle spielen müssen. (Abg. Silhavy: Das ist ja kein Wunder bei der Bundesregierung!) Dass Sie das überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen, zeigt ja, dass Sie offensichtlich mit Wirt­schaftspolitik überhaupt nichts am Hut haben. – Ich hoffe, dass diese Bemerkung nicht sexistisch ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Natürlich ist die Situation bei uns besser als in der Bundesrepublik Deutschland. – Das ist heute schon in der Dringlichen Anfrage festgehalten worden. Aber trotzdem wissen wir ja, dass die Arbeitslosigkeit noch immer zu hoch ist und dass es deshalb Gegen­steuerungsmaßnahmen dieser Bundesregierung gibt. Die können wir uns nicht durch


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diese Grenzgängerabkommen unterlaufen lassen, deren Abschluss Sie jetzt haben wollen.

Sie haben von Ihrem Platz aus die Frau Minister gefragt, was sie denn für die Grenz­regionen machen wolle. Frau Abgeordnete! Ich möchte gerne, dass die Unternehmer in den Grenzregionen nicht auf billige Arbeitskräfte aus Tschechien spekulieren, son­dern dass sie die österreichischen Arbeitslosen beschäftigen, damit endlich einmal die Zahl der Arbeitslosen zurückgeht.

Im Übrigen waren – das hat die Frau Minister schon gesagt – alle Beitrittsländer bereit, sich auf die siebenjährige Übergangsfrist einzustellen, und das ist auch gerechtfertigt, solange die Lohnniveaus noch so verschieden sind.

Frau Abgeordnete Silhavy, es sind nicht nur die Freiheitlichen, die verhindern, dass das ratifiziert wird. Sie beschweren sich ja immer wieder, dass wir nicht auf Wünsche der Opposition eingehen. – Wir sind darauf eingegangen! Der Arbeiterkammerpräsi­dent Tumpel kritisiert, dass die Regierung 23 000 Praktikanten und Grenzgänger holt, was ja gar nicht stimmt, weil ja gar keine geholt worden sind. – Aber er hat sich schon aufgeregt. (Abg. Silhavy: Es ist nicht geregelt! Das ist ein Problem, weil es keine Regelung gibt!)

Frau Abgeordnete Lunacek! Sonst sind Sie immer d’accord mit dem, was die Sozialis­ten sagen. Berufen Sie sich doch einmal darauf und stimmen Sie doch einmal den Befürchtungen von Arbeiterkammerpräsident Tumpel zu! Er sagt, die Grenzgänger­regelung und das Praktikantenabkommen gehören zurückgenommen. Es gibt jetzt schon zu viele Praktikanten, die nichts lernen und lediglich als billige Regalschlichter eingesetzt werden. Weiters sagt er, derzeit sollen keine weiteren Grenzgänger- und Praktikantenabkommen mit den osteuropäischen Staaten abgeschlossen werden. – Das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen! Das ist sicher jemand, der sich gut aus­kennt und der weiß, wie die Arbeitsmarktsituation aussieht.

Koordinieren Sie sich besser, SPÖ, Grüne, und klatschen Sie von den Grünen nicht immer zu dem, was die SPÖ sagt, und umgekehrt, dann werden Sie auch eine bessere Politik machen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.53

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin dazu ist Frau Abgeordnete Mag. Luna­cek. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.53

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! (Abg. Mag. Molterer: Sie entschuldigt sich zuerst für den heutigen Morgen!) Zuerst einmal zur Frau Kollegin Partik-Pablé: Es gibt einfach nicht wirklich oft einen Anlass, dass wir dem zustimmen können und dem applaudieren würden, was von den Freiheitlichen kommt. Deswegen passiert das auch nicht so oft. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Lassen Sie mich zuerst zu Kollegen Spindelegger etwas sagen, der gemeint hat, ich hätte am Vormittag die Unwahrheit gesagt, was die IPU-Tagung in Chile und den Vor­wurf an Herrn Kollegen Fasslabend betrifft: Wissen Sie, mir ist es nicht darum gegan­gen, dem Herrn Kollegen Fasslabend irgendetwas anzukreiden. (Ah-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Anpatzen! Aber klar!) Herr Kollege Fasslabend hat der Außenministerin eine Frage zum Human Security-Netzwerk gestellt – einer Initiative, die ich für wichtig und notwendig halte – und hat so getan, als ob ihm das tatsächlich ein Anliegen wäre. Da habe ich mich daran erinnert, wie das in Chile war und dass ich von ihm als Delegationsleiter auch enttäuscht war, da er sich nicht darum gekümmert hat, dass jemand anderer von den Abgeordneten an diesem Treffen teilnimmt. Ich


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denke, es wäre sehr wohl im Interesse der Außenministerin gewesen, wenn das damals stattgefunden hätte. (Abg. Mag. Molterer: Entschuldigen Sie sich lieber! Eine Entschuldigung wäre angebracht!) Ich bin dann dort hingegangen. Deswegen war es sehr wohl legitim, diesen Punkt hier einzubringen.

Aber lassen Sie mich zu dem Tagesordnungspunkt selbst noch etwas sagen: Frau Ministerin! Sie haben erklärt, was jetzt wichtig ist und was jetzt alles in den Beitrittslän­dern und in den Grenzregionen passiert. – Das weiß ich schon, was in den Grenzregio­nen sonst noch passiert! Da besteht keine Unwissenheit meinerseits, das ist mir sehr wohl bekannt. Gerade diese beiden Abkommen wären aber nicht nur dafür da, dass junge Leute aus Tschechien nach Österreich kommen können. Da geht es ja auch um den umgekehrten Prozess!

Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie jetzt argumentieren, da müsse man noch aktuelle Recherchen einholen und den Diskussionsprozess hinsichtlich der Arbeits­märkte und so weiter abwarten. Mit Ungarn gibt es dieses Abkommen seit 1998, und da gibt es keine Schwierigkeiten. Sie haben selber – ich glaube, es war letzte Woche im Hauptausschuss – gesagt, wie toll es im Burgenland war, was es da nicht alles gibt und dass das auch gute Auswirkungen hat.

Meiner Meinung nach gibt es da einfach eine Inkonsistenz in Ihrer Argumentation. Sie haben mir auch keine Antwort darauf gegeben, warum das Thema von der Tagesord­nung des Ministerrats genommen worden ist. (Abg. Mag. Molterer: Das hat sie schon beantwortet!) Sie haben zwar die Begründung genannt, man müsse sich die Arbeits­marktlage genauer ansehen, aber das ist in meinen Augen eine Ausrede. Mit Ungarn gilt das nicht, in Ungarn schaut die Situation anders aus.

Frau Ministerin! In dem Sinn kann ich nur sagen: Es tut mir Leid, aber ich glaube es Ihnen nicht. Ich kann es Ihnen nicht abnehmen. Ich nehme von Ihnen an, dass Sie sehr wohl dafür wären, dass es aber in der Regierung Kräfte gibt, die das nicht wollen. Das muss ich leider zur Kenntnis nehmen und werde Sie weiterhin fragen, wann diesbe­züglich endlich etwas geschehen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.56

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Damit ist die Rednerliste erschöpft. Wir haben daher diese Anfragebesprechung beendet.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 2 bis 4 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist aber wirklich schwer zu ertragen!)

 


17.57

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Kollegin! Wenn das schwer zu ertragen ist, dann verlassen Sie bitte den Raum! Sie müssen mir nicht zuhören. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Nein! Wir sind Parlamentarier!)

Zurück zur Tagesordnung. Es geht um drei internationale Übereinkommen. Ich werde kurz zum Internationalen Strafgerichtshof ein paar Punkte ansprechen. Meine Kollegin Eva Lichtenberger wird sich dann noch zur Alpenkonvention zu Wort melden.

Wir werden natürlich allen drei Übereinkommen die Zustimmung geben. Sie sind alle drei wichtig, auch das – jetzt sind wir wieder bei dem Thema – über die grenzüber-


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schreitende Zusammenarbeit. Natürlich stimmen wir dem zu und freuen uns, dass die Freiheitlichen das in dem Fall auch tun.

Was den Internationalen Strafgerichtshof betrifft: Ich finde es ganz erfreulich, dass es diesen überhaupt gibt. Ich denke, vor zehn Jahren oder etwas mehr hat wohl kaum jemand daran geglaubt, dass es so einen Strafgerichtshof überhaupt jemals geben wird. Die Tatsache, dass er mittlerweile auch in Kraft getreten ist, ist wohl ein Zeichen für eine besondere Errungenschaft auch auf internationaler Ebene, denn er ist wohl auch wegweisend für andere internationale Gremien, die sich hoffentlich noch bilden werden. Ich denke da zum Beispiel an so etwas wie eine internationale Umweltorgani­sation, die die Einhaltung der Umweltabkommen überprüft. Wenn man das heute fordert, kann man zumindest sagen, an den Internationalen Strafgerichtshof hat früher auch niemand geglaubt, aber es gibt Möglichkeiten, solche Dinge umzusetzen, und sie passieren und funktionieren auch.

Natürlich ist, was den Strafgerichtshof betrifft, noch nicht alles so rosig, wie es sein sollte und sein könnte. Wir wissen, dass gerade seitens der Vereinigten Staaten ver­sucht wird, diverse bilaterale Abkommen mit einzelnen Staaten zu verfassen – das ist auch schon geschehen – und sie dazu zu bewegen, sich einverstanden zu erklären, dass sie selbst nicht kooperieren werden, wenn es um Soldaten der US-Armee geht.

Ich denke, das ist eine Sicht, die die EU nicht vertritt. Frau Ministerin! Ich denke, auch Sie vertreten wohl die Meinung, dass das keinen Sinn macht und dass die EU gegen­über den Vereinigten Staaten eine klare Position vertreten und fordern soll, dass auch die Vereinigten Staaten diesem Gerichtshof so bald als möglich beitreten und sich nicht über bilaterale Abkommen einen Ausweg zu bahnen versuchen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin natürlich auch dafür, dass dieses Abkommen jetzt beschlossen wird. Österreich muss da mit den anderen Ländern zusammenarbeiten und wird das auch tun. In diesem Sinne wird es die Zustimmung meiner Fraktion zu all diesen drei Punkten geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Silhavy: Die Zustimmung wird auch nicht angenommen!)

18.00

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Großruck zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.00

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Dies ist heute einmal ein Tagesordnungspunkt, der anschei­nend außerhalb der politischen Streitigkeiten und Diskussionen steht. Es werden also alle Punkte einstimmig beschlossen werden. Was den Amtssitz des Ständigen Sekre­tariats des Übereinkommens zum Schutz der Alpen betrifft, so freuen wir uns, dass der Sitz dieser internationalen Behörde in Innsbruck ist. Es gibt auch über die anderen Punkte wenig Anlass zur Diskussion. Ich möchte trotzdem noch auf die heutige Frage­stunde replizieren, in der auch einige ganz interessante Dinge zutage getreten sind.

Frau Lunacek, von Ihnen hätte ich mir eigentlich mehr Niveau in der Fragestellung er­wartet, was die Frage im Zusammenhang mit Karl-Heinz Grasser betrifft. Sie fragen die Frau Bundesministerin, welche Aktien aus Nicaragua er hat. Ich weiß nicht, was Sie mit dieser Frage bezwecken wollten. Wahrscheinlich wollten Sie nur wieder das Spiel, den Finanzminister zu jagen, fortsetzen, und jetzt gebrauchen – ich sage nicht „missbrau­chen“, sondern „gebrauchen“ – Sie sogar eine Fragestunde, um dieses Thema wieder aufzuwärmen. (Abg. Mag. Lunacek: Finden Sie es aus entwicklungspolitischer Sicht


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sinnvoll, solche Aktien zu besitzen?, habe ich gefragt!) Das ist ganz offensichtlich das, was Sie bezwecken.

Was für mich aber – und jetzt hören Sie einmal zu! – besonders bedenklich ist, ist die Frage, die Sie und auch Kollege Cap an die Frau Bundesministerin betreffend ihren humanitären Einsatz im Zusammenhang mit dem Irak gestellt haben. Da muss ich schon sagen, Frau Lunacek, da verstehe ich Sie überhaupt nicht. Wenn die Frau Bun­desministerin in einer absoluten Notsituation eine humanitäre Hilfsmaßnahme startet und elf Kinder, die dort dem Tode geweiht gewesen wären, nach Österreich transpor­tieren lässt und Sie im Einklang mit Kollegem Cap das als ein politisches Schauspiel darstellen, in dem die Frau Bundesministerin sich nur profilieren möchte, dann haben Sie entweder keine Ahnung, was im Irak los ist, oder Sie betreiben billigen Populismus. (Abg. Dr. Stummvoll: Kein Herz!)

Fragen Sie bitte Frau Kollegin Muttonen, die vor drei Jahren mit mir im Irak war – und damals hat es noch keinen Krieg gegeben. Wir haben damals auch ein Krankenhaus besucht, Frau Lunacek. Sie haben ja argumentiert, die Frau Minister hätte Geld zur Verfügung stellen oder etwas organisieren können, damit diese Kinder im Irak behan­delt hätten werden können. Wissen Sie, wie der Zustand des Krankenhauses war? – Das wissen Sie nicht, denn sonst hätten Sie diese Polemik nicht gebracht! Ein Kinder­krankenhaus war nur zu einem Viertel besetzt, weil die Medikamente gefehlt haben, weil die Ärzte nicht einmal für sich selbst Schnupfenmedikamente gehabt haben und die Kinder den Müttern reihenweise in den Händen weggestorben sind. Das war die Situation in Bagdad im Irak vor drei Jahren, die sich durch den Krieg nicht verbessert hat. Deshalb war es notwendig, deshalb war es gut und deshalb war es hervorragend, dass unsere Frau Bundesministerin sofort reagiert hat und so von Österreich aus wenigstens dieses Zeichen der humanitären Hilfe in diesem Konflikt gesetzt hat. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Das hat Haider auch gesagt!)

Sie argumentieren, die Kinder hätten dort behandelt werden sollen. – Das wäre ihr Todesurteil gewesen! Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie das wollen, aber die Auswir­kung Ihrer Äußerungen wäre das gewesen!

Deshalb, geschätzte Frau Bundesministerin, danke ich Ihnen ganz besonders für Ihre humanitären Sofortmaßnahmen. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement in puncto Menschlichkeit im Irak. Ich danke Ihnen für die Luftbrücke der Barmherzigkeit nach Österreich, die Sie in Gang gesetzt haben. Ich danke aber auch den österreichischen Krankenhäusern und Ärzten, die sich in diesem Zusammenhang wahrscheinlich selbst­los und zu geringen Kosten bereit erklärt haben, diese Kinder zu behandeln.

Dass das auch international Anklang gefunden hat, meine Damen und Herren, zeigt ein Bericht in der heutigen Ausgabe der „Salzburger Nachrichten“. Darin ist die Frau Bundesministerin mit Nelson Mandela abgebildet, der Österreich besucht hat. Im Bericht steht, dass Nelson Mandela und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner ver­einbart haben, dass Österreich die Anti-AIDS-Kampagne Mandelas und Mandela seinerseits Ferrero-Waldners Engagement für irakische Kinder unterstützen wird. Nicht hier im Parlament findet das also Anerkennung, sondern seitens eines Menschen­rechtskämpfers aus Südafrika. Der muss Ihnen sagen, Frau Lunacek, was unsere Frau Bundesministerin getan hat. Vielleicht glauben Sie es dem, wenn Sie es schon mir nicht glauben, dass das eine großartige humanitäre Hilfe war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Danke schön, Frau Bundesministerin! Sie sind ein wahrhaft hervorragendes Aushänge­schild Österreichs. Sie haben das bei den Sanktionen bewiesen, als es Ihnen darum gegangen ist, für Österreich zu kämpfen. Sie beweisen es auch in verschiedenen Krisenherden auf der Welt, wo Sie Ihr Herz zeigen und wo Sie über die Diplomatie


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hinaus Ihre menschlichen Qualitäten zeigen. Deshalb, meine Damen und Herren, zum Abschluss einen kleinen Vierzeiler:

Ein Name, der ganz oben steht,

bürgt im Land für Qualität:

eine Frau, die jeder mag –

es genügt, wenn ich „Benita“ sag’.

(Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.05

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die soeben mit einem Gedicht Verehrte wird jetzt fort­setzen. – Bitte, Frau Ministerin.

 


18.06

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte kurz auf zwei Themen eingehen: das eine ist die Alpenkonvention und das zweite der Inter­nationale Strafgerichtshof.

Im Zusammenhang mit der Alpenkonvention freue ich mich, dass ich am 24. Juni dieses Jahres das Abkommen mit Landeshauptmann van Staa und dem französischen Generalsekretär Lebel in Anwesenheit der Bürgermeisterin Hilde Zach in Innsbruck, und zwar im Goldenen Dachl – denn dort ist das Büro angesiedelt –, unterzeichnen konnte. Ich sage Ihnen auch, warum ich mich darüber gefreut habe: Damit hat Öster­reich wieder eine internationale Organisation nach Österreich geholt, und diesmal sogar in eine Landeshauptstadt – etwas, was heute auch Kollegin Hakl angesprochen und als wichtig empfunden hat. Ich tue das auch.

Wir haben ein vitales Interesse am Schutz und an der nachhaltigen Entwicklung dieses wichtigsten Ökosystems Europas, eben unserer Alpen. Seit den achtziger Jahren haben wir uns darum bemüht, mit der Alpenkonvention voranzukommen. Schließlich ist sie dann unter österreichischem Vorsitz im Jahre 1991 angenommen worden. Wir haben als eines der ersten Länder ratifiziert, nämlich im Jahre 1995. Aber es hat eben bis 2003 gedauert, bis sie von allen anderen Alpenkonventionsmitgliedern unterzeich­net wurde.

Ich darf sagen, dass wir hier jetzt doch auf eine beträchtliche Anzahl von Themen set­zen: Tourismus, Energie, Naturschutz, Raumplanung, Berglandwirtschaft und Verkehr. Diese Vielzahl an Themen spiegelt natürlich auch die Komplexität des Lebens in einem Staat wider, dessen Staatsgebiet – und das müssen wir uns auch immer wieder vor Augen führen – zu fast zwei Dritteln aus Bergen besteht. Gleichzeitig macht dieser ganzheitliche Ansatz der Alpenkonvention und ihrer Protokolle sie zu einem der wich­tigsten Instrumente für die nachhaltige Entwicklung einer gesamten Bergregion. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben uns auch, verehrte Damen und Herren, über Jahre hinweg aktiv an der Aushandlung von neun Protokollen zur Alpenkonvention beteiligt, und Kernstück dieser Bestrebungen – und auch das wurde heute schon in der Diskussion erwähnt – war natürlich das Protokoll über den Bereich Verkehr, das jetzt durch ein Protokoll zur Beilegung von Streitigkeiten abgerundet wurde, um in Zukunft auch eine nachhaltige Verkehrspolitik im Alpenraum sicherzustellen. Zentrales Element ist hiebei der Verzicht auf neue hochrangige Straßen für den alpenquerenden Verkehr.

Verehrte Damen und Herren! Die Bemühungen Österreichs wurden schließlich anläss­lich der siebten Alpenkonferenz, die dann im November 2002 in Meran stattfand, end-


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lich von Erfolg gekrönt. Es gab die Möglichkeit eines Abtausches, und zwar vorläufig ein französischer Generalsekretär, dafür aber Sitz in Österreich. Ich denke, das war ein guter Abtausch, denn der Sitz ist damit für viele Jahre gesichert. Ich hoffe, dass die Wirkung, die von diesem Sitz und von dieser Alpenkonvention in Tirol selbst ausgeht, ausstrahlen wird, auch hinein nach Bozen, wo es eine Außenstelle des Sekretariats gibt.

Nun ein kurzer Kommentar zu einem Tagesordnungspunkt, der mir besonders wichtig erscheint, nämlich zum Internationalen Strafgerichtshof. Kaum eine andere inter­nationale Entscheidung wurde so intensiv und so lange diskutiert wie die Einrichtung dieses Strafgerichtshofs. Inzwischen sind bereits 139 Staaten Vertragsparteien des Römer Statuts, und ich meine, das ist schon sehr bedeutend. Der Internationale Strafgerichtshof soll die Jurisdiktion über die schwersten internationalen Verbrechen ausüben, also Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbre­chen. Ich meine, sagen zu können, dass wir damit eigentlich in einer neuen Epoche des Völkerrechts angelangt sind.

Die Europäische Union und auch Österreich haben die Errichtung dieses Gerichtshofes von Anfang an unterstützt, und natürlich setzen wir uns auch gemeinsam weiter aktiv für eine universelle Ratifikation des Römer Statuts und für die Stärkung und Effizienz des Gerichtshofes ein.

Frau Abgeordnete Lunacek! Wir bedauern daher gemeinsam mit unseren Kollegen aus der EU das Vorgehen der Vereinigten Staaten von Amerika, jetzt bilaterale Abkommen basierend auf dem Artikel 98 des Römer Statuts abzuschließen, die auf den Aus­schluss der Überstellung von US-Staatsbürgern an diesen Strafgerichtshof abzielen. Zu dieser Frage – und das wissen Sie – hat die Europäische Union bereits im Septem­ber 2002 Richtlinien verabschiedet, die wir vollinhaltlich mitgetragen und unterstützt haben. Bei meinen außenpolitischen Kontakten weise ich sehr oft auf diese Richtlinien hin. Auch die Europäische Union informiert regelmäßig betroffene Staaten in Form von Demarchen über diese gemeinsame Haltung. Also hier bleiben wir selbstverständlich dran.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass im vorliegenden Übereinkommen vor allem die Rechtsstellung des Gerichtshofes selbst, seiner Organe sowie der sonstigen am Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligten Personen endlich auch umfassend geregelt ist. Mit der Ratifikation dieses Übereinkommens wird dieses internationale Regime für Österreich in Kraft gesetzt und damit die Funktionsfähigkeit dieses Gerichtshofes auch in Österreich sichergestellt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.12

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

 


18.12

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Vorab möchte ich sagen, dass ich es wirklich sehr bedauere, dass es keine Generaldebatte über die österreichische Außenpolitik im Plenum des Nationalrates mehr gibt, weil sich die Regierungsparteien weigern, den Außenpolitischen Bericht ins Plenum zu bringen. Das lässt für mich, meine Damen und Herren von den Regierungs­parteien, nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder ist Ihnen die Außenpolitik nicht wichtig genug, oder Sie fürchten Ihre außenpolitische Bilanz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun zum Thema: Das vorliegende Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs ist wahrlich


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ein weiterer Schritt auf dem langen Weg zur Errichtung einer Institution, welche, wie die Frau Ministerin richtig bemerkt hat, die grausamsten Verbrechen verfolgen und sühnen soll, die Menschen überhaupt an Menschen verüben können.

Bereits 1872 hat Moynier – das war ein Mitbegründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz – die Schaffung eines Weltstrafgerichtshofes gefordert und vorge­schlagen. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Ver­brechen des Angriffkrieges haben das 20. Jahrhundert geprägt wie kaum eine andere Zeitspanne davor. Das Kriegsverbrechertribunal von Leipzig im Jahre 1921 und die Militärtribunale von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg haben gezeigt, dass die Industrialisierung des Krieges und die Instrumentalisierung von Menschen zur Verübung von Kriegsverbrechen eine neue Form der Strafverfolgung von Herrschern, Diktatoren und Kriegsherren notwendig macht.

Mit Verwunderung habe ich auch festgestellt, dass im Außenpolitischen Bericht der Internationale Strafgerichtshof wirklich nur ganz kurz erwähnt wird. Bedauerlich ist vor allem, dass sich der Bericht nicht mit der Problematik beschäftigt, die sich aus der Nicht-Teilnahme der USA, Russlands, Chinas und Indiens ergibt. Die Wirksamkeit des Gerichtes ist damit natürlich leider stark eingeschränkt.

Es verwundert mich auch, dass im Außenpolitischen Bericht kein Wort über den Kon­flikt vermerkt ist, den es im Jahr 2002 im Rahmen der Vereinten Nationen gab. Damals haben die USA ihre Zustimmung für die Verlängerung des US-Mandats für Bosnien-Herzegowina mit der Forderung nach Immunität für ihre Soldaten vor dem Internatio­nalen Strafgerichtshof verknüpft. Dieser Konflikt zwischen der EU und den USA wird im Bericht mit keinem Wort erwähnt.

Frau Außenministerin! Wie problematisch ist aus Ihrer Sicht, dass die US-Regierung den Gerichtshof und das gesamte Konzept der internationalen Strafgerichtsbarkeit ablehnt? Welche Initiativen setzt diesbezüglich die österreichische Außenpolitik? Wird diese Frage in den bilateralen Kontakten mit den USA, mit Russland et cetera ange­sprochen, und wenn ja, mit welchem Erfolg? Interessant wäre es auch zu wissen, wie sich Österreich im erwähnten Konflikt zwischen den USA und der Europäischen Union verhalten hat. Leider hilft uns hier, wie schon gesagt, der Außenpolitische Bericht nicht weiter. Aber vielleicht, sehr geehrte Frau Ministerin, nehmen Sie heute noch dazu Stellung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Das Völkerrecht wird heute noch in vielen Teilen der Erde wahrlich mit Füßen getreten. Innerhalb eines Jahres nach In-Kraft-Treten des Statuts von Rom sind 500 Klagen aus aller Welt eingegangen. Diese Zahl ist umso erschreckender, als es sich dabei nur um Klagen betreffend die vorher genannten Schwerstverbrechen handelt. Es ist noch viel Arbeit notwendig, um den Internationalen Strafgerichtshof zu dem zu machen, was er sein soll: eine Institution, die Einzelindividuen wegen Schwerstverbrechen gegen die Menschheit anklagen kann, über diese Klage richtet und die Vollstreckung des Urteils zur Durchführung bringt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Aus den genannten Gründen ist es wichtig, dass wir dem vorliegenden Übereinkommen unsere Zustimmung geben. (Bei­fall bei der SPÖ.)

18.17

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichten­berger. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

 


18.17

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche im Rahmen dieses Tagesordnungspunkts über die Alpenkonvention und


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deren Sitz in Tirol. Frau Ministerin, lassen Sie mich zu Ihren Worten einiges anmerken. Ja, es waren langjährige Bemühungen notwendig, damit die Alpenkonvention zustande kam. Vor allem waren besondere Bemühungen notwendig, um ein Verkehrsprotokoll in die Alpenkonvention einzubauen, das Hand und Fuß hat und das für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung im Alpenraum tatsächlich etwas bewirkt und das wirklich ein Fundament und eine Basis dafür bilden kann.

Meine Damen und Herren! Ich halte es für unverzichtbar – und das ist mir jetzt beson­ders wichtig –, dass aus dieser Alpenkonvention auch etwas gemacht wird. Ab­zufeiern, dass wir das Sekretariat in Innsbruck haben, und die Tatsache, dass dieses Sekretariat nun auch noch mit einem stellvertretenden Generalsekretär bestückt worden ist, als großartige Entwicklung zu sehen, halte ich schlicht nicht für ausrei­chend. Frau Ministerin, bewegen wird sich in der Alpenkonvention nur dann etwas, wenn die politische Willenserklärung erfolgt, dass man etwas damit bewegen will. Von selbst geschieht auf Basis der Alpenkonvention und ihrer Protokolle nichts, und zwar gar nichts.

Man sieht das ja schon daran, dass es zum Beispiel im Jahr des Wassers nicht gelungen ist, die Arbeiten für das Wasserprotokoll wirklich in Schwung zu bringen. Man sieht daran, dass es nicht langt, ein Sekretariat in einem schönen Gebäude mit einem goldenen Dachl unterzubringen und zu warten, dass der Herr Generalsekretär von selbst in Schwung kommt.

Nein, meine Damen und Herren, es braucht das Engagement von Politikerinnen und Politikern für eine alpenkompatible Politik und dafür, dass nicht nur Italien die Proto­kolle endgültig ratifiziert, sondern auch die europäische Ebene endlich ihr Bekenntnis zu den Alpen ablegt und die Protokolle als das akzeptiert, was sie sind, nämlich die Umsetzung einer nachhaltigen Zukunft in den verschiedenen Politikbereichen.

Ich kenne die Schwierigkeiten, die es – gerade in Italien – mit der Umsetzung des Ver­kehrsprotokolls gibt, mehr als gut. Ich kenne die Aussagen der dortigen Politiker, vor allem die des Verkehrsministers, der überhaupt nicht bereit ist, auch nur auf theore­tische Möglichkeiten neuer Straßenbauten im Alpenraum zu verzichten. Sie werden das selbst wissen, nehme ich an, und Sie werden auch diese harte Nuss zu bearbeiten haben. Nur: Sie müssen anfangen damit, Frau Ministerin. (Abg. Murauer: Die Frau Ministerin braucht Ihre Aufforderung nicht!) Von selbst, allein durch die Tatsache, dass es dieses Sekretariat gibt, wird nichts geschehen.

Wir haben alle erlebt – und das Unbehagen wurde auch breit artikuliert –, dass es keine großen Begeisterungsstürme gab, als der jetzige Generalsekretär berufen wurde, weil damit eben nicht die Hoffnung entstand, dass die Arbeit sehr schwungvoll, sehr intensiv beginnen würde. Es ist klargestellt – das hätte auch von vornherein klar sein müssen und hängt nicht nur an der Person des Generalsekretärs –, dass die Umset­zung von Alpenkonventionszielen nur dann vor sich geht, wenn politische Bekennt­nisse in Sachen Alpenschutz nicht nur in schönen Worten, sondern auch in konkreten Aktionen und Aktivitäten erfolgen.

Meine Damen und Herren von der Regierung! Hier sehe ich nichts, hier sehe ich Wüste – die Wüste Gobi höchstwahrscheinlich –, hier sehe ich, dass man immer wieder bejubelt, wie toll das ist, dass wir diesen Sitz errungen haben. Ja, wir Grüne haben uns auch dafür eingesetzt, und auch Minister Trittin hat sich an unserer Seite für diesen Sitz in Innsbruck eingesetzt. Aber das genügt nicht. Jetzt geht es darum, die „Sensible Zone Alpen“ als Modellregion in Europa für nachhaltiges Wirtschaften aufzu­bauen. Da ist die brennendste Frage die Verkehrsfrage – die muss sofort bearbeitet werden –, und da gibt es eben die Notwendigkeit, auch ein Wasserprotokoll in Schwung zu bringen, aber da gibt es vor allem die Notwendigkeit, auf europäischer


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Ebene und mit den Nachbarn im Alpenraum gemeinsam Aktionen und Aktivitäten auch in Richtung Europäische Union zu setzen.

Bis jetzt erfolgten die Aktivitäten in erster Linie von den NGOs. (Abg. Grillitsch: Aber das stimmt ja nicht!) Die haben sich sehr intensiv eingesetzt, die haben Veranstaltun­gen zur Alpenkonvention abgehalten, und die propagieren die „Sensible Zone Alpen“, von der ich mir wünsche, dass Sie sie einmal besuchen (Abg. Murauer: Vielleicht öfter als Sie!), dass Sie sich genau anschauen, wie sensibel die Verkehrssituation ist, und dass ich endlich einmal mit qualitätsvolleren Argumenten als bisher konfrontiert werde, wenn es um die Frage von Fahrverboten für den Schwerverkehr auf den Straßen im Alpenraum geht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Felzmann vor. – Bitte.

 


18.24

Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen auf den Abgeordnetenbänken! Ich darf gleich eine persönliche Meinung zu den Ausführungen der Kollegin Lichtenberger abgeben. Ich finde es eigentlich wirklich schade, dass Ihnen nie reicht, was getan wird, dass Sie die Arbeit nicht wertschätzen, dass Sie von „abfeiern“ et cetera sprechen, dass Sie die Dinge nicht wahrnehmen oder nicht sehen können. Ich persönlich bin überzeugt davon, dass unsere Außenpolitik wirklich sehr, sehr nachhaltig geplant, durchgeführt, umge­setzt wird, und ich bin eigentlich sehr, sehr stolz auf das, was in diesem Land zum Thema Außenpolitik vorgewiesen werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Das außenpolitisch wohl größte Ereignis heuer war natürlich die EU-Erweiterung. Es ist eine der großen Prioritäten Österreichs gewesen, und diese haben wir sehr, sehr gut geschafft. Zehn Beitrittskandidaten Ost- und Südeuropas konnten jetzt in den Reigen aufgenommen werden, und beim Europäischen Rat vor zirka einem Jahr in Kopen­hagen gelang es, die noch letzten offenen Kapitel abzuschließen. Das war mit Estland, mit Lettland, mit Litauen, mit Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien, der Tschechi­schen Republik, Ungarn und mit Zypern. Am 1. Mai 2004 wird es dann so weit sein. Die EU wird dann insgesamt 25 Mitgliedstaaten mit über 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern umfassen.

Das Ziel dieser EU-Erweiterung ist neben der Schaffung dieses geeinten Kontinents auch, gemeinsame Werte wie politische Stabilität, wie Friede und wie selbstverständ­lich die Achtung der Menschenrechte zu definieren. (Beifall bei der ÖVP.) Hinzu kommt natürlich noch ein weiterer Punkt: Es wird der größte Binnenmarkt der Welt entstehen.

Der halbe Weg zum Erfolg ist jedoch die gute Vorbereitung, und da wissen Sie, dass wir in Österreich und auch unsere Nachbarn noch einiges vorbereiten müssen, noch intensiv daran arbeiten müssen. Während das gemeinsame Ziel, die Entwicklung eines wirtschaftlich, sozial und kulturell integrierten Grenzraumes, gleich bleibt, wird sich im institutionellen Bereich natürlich einiges verändern und auch verändern müssen. Gerade deshalb ist die Erleichterung einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften, ob das jetzt der Bund, die Länder oder die Gemeinden sind, von enormer Bedeutung.

Das vorliegende Zusatzprotokoll über diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften wird jetzt die rechtliche Grundlage schaffen, um diese Zusammenarbeit auch unkompliziert zu ermöglichen. Österreich hat das Rah­menübereinkommen am 28. Februar 2001 schon unter Vorbehalt der Ratifikation unter­zeichnet. Diese hat stattgefunden, und nun gilt dieses Recht auch für Österreich.


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Wie ist dieses Zusatzprotokoll entstanden? – Das Haupthindernis für die wirksame An­wendung des bestehenden Rahmenübereinkommens, welches schon seit 20 Jahren gegolten hat, war eben diese fehlende Rechtsgültigkeit, die bei den Maßnahmen, die von den Gebietskörperschaften durchgeführt wurden, nicht gegeben war. Daher be­schloss das Ministerkomitee 1995, dieses Zusatzprotokoll erarbeiten zu lassen. Hier geht es eben um diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die sich seit dem Fall des Eisernen Vorhanges nicht nur verändert hat, sondern an Bedeutung wirklich extrem zugenommen hat. Mit diesem Zusatzprotokoll werden jetzt die rechtlichen Hin­dernisse für diese gemeinsamen Vorhaben aufgehoben.

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Zusatzprotokoll diese grenzüber­schreitende Zusammenarbeit in unseren Europaregionen wesentlich vereinfachen und verbessern wird. Ich persönlich bin sehr froh, dass alle Fraktionen des Hauses hier mitziehen und die Bedeutung dieser Gesetze anerkennen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.28

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ledolter. – Bitte.

 


18.29

Abgeordneter Johann Ledolter (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die wohl wesent­liche Funktion der österreichischen Außenpolitik, die heute nicht so sehr im Vorder­grund steht, ist es, ein positives, ein angenehmes Bild unseres Landes im Ausland zu zeichnen und damit auch einem Wirtschaftszweig zuzuarbeiten, dessen Stellenwert heute Kollege Hoscher schon erwähnt hat, nämlich dem Tourismus.

Wenn ich aber Revue passieren lasse, wie sich die Opposition ständig bemüht, das Bild des Landes in den schwärzesten Farben zu zeichnen, dann wird spürbar, wie weit hier die Lippenbekenntnisse und die zur Schau gestellte Interessiertheit mit dem aus­einander klaffen, was Sache ist. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang auch an den Schaden, den diese Tätigkeit während der Sanktionen gerade dem Tourismus und der Freizeitwirtschaft zugefügt hat, und als Touristiker verwehre ich mich ausdrücklich gegen diese Art von Politik und gegen das Schlechtreden unseres Heimatlandes Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher finde ich es umso positiver und begrüßenswerter, dass wir im Ausland im Wesentlichen aber doch als Kulturnation wahrgenommen werden. Diese Wahrneh­mung wird, wie aus dem Außenpolitischen Bericht erkennbar ist, durch gezielte Maß­nahmen unterstützt, welche die Frau Bundesministerin bereits im Jahr 2001 eingeleitet hat: mit einem neuen Konzept für „Auslandskultur neu“, wie es im März des Jah­res 2001 bereits vorgestellt wurde. Damit wurde die Grundlage für eine Erfolgsstory geschaffen, die sich auch im Jahr 2002 fortsetzt: mit einer Modernisierung, mit Refor­men der Arbeitsweisen und, daraus resultierend, mit einer Neuordnung der Strukturen und der Inhalte dieses kulturellen Präsentationskonzepts. Damit meine ich, dass die Kulturforen ausgebaut und wieder eröffnet wurden, zum Beispiel in Mexiko oder in Kairo – 28 sind es insgesamt –, und dass die corporate identity dieser Foren auch verstärkt zur angenehmen Wahrnehmung beiträgt.

Ein Höhepunkt im Jahre 2002 war zweifelsohne die Eröffnung des Kulturfestivals Transforming Modernity in New York mit viel Applaus für den Architekten Raimund Abraham und seine Architektur. Es ist dies eine Maßnahme, die sich nahtlos einfügt in die Fortsetzung dieses Konzepts, nämlich den Außenstellen ein Kulturbudget in die Hand zu geben, damit die Nachhaltigkeit, die Längerfristigkeit der Planung sicherge­stellt und die Intensivierung der Veranstaltungen durchgeführt werden können.


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Wir stützen uns dabei immer wieder auf drei Säulen, nämlich auf das musikalische Erbe, auf die Literatur, die in letzter Zeit mit Autoren wie Schnitzler, Bernhard, aber auch Elfriede Jelinek und Peter Turrini wirklich besonders Aufmerksamkeit findet. Eine wesentliche Aufgabe im Rahmen der Literatur ist es auch, ausländische Verlage dafür zu interessieren, dass sie deutschsprachige Werke verlegen. Den Film anzusprechen, soll auch nicht unversucht bleiben, und natürlich auch Bibliotheken wie – im Sinne der Osterweiterung – in Chisinau mit einer Neueröffnung im abgelaufenen Jahr. Überhaupt ist es hinsichtlich EU-Erweiterung ganz wichtig, die deutschsprachigen Schulen in den Beitrittsländern zu forcieren, mit österreichischen Lehrern auszustatten und insgesamt mit Tschechien, der Slowakei oder auch Ungarn dieses Konzept fortzusetzen.

Ich gratuliere zu diesem erfolgreichen Kulturbeitrag, liebe Frau Bundesministerin, und wünsche für die Fortsetzung dieses erfolgreichen Weges gutes Gelingen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.33

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte. (Abg. Parnigoni: Nicht auf die Eurofighter vergessen! – Abg. Murauer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Lieber Parnigoni, ich bedanke mich für den Hinweis sehr herzlich!)

 


18.34

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Hoch geschätzter Herr Kollege Parnigoni – der mir gute Rat­schläge mitgibt (Abg. Parnigoni: Ich hoffe, Sie werden sie annehmen!) und sich jetzt wieder Zeit nimmt, die Zeitung zu lesen.

Meine Damen und Herren! Kollege Heinzl hat gemeint, wir konnten den Außenpoliti­schen Bericht hier im Plenum nicht diskutieren. Ich denke, dass im Ausschuss das öffentliche Interesse und das Interesse der Abgeordneten nicht unbedingt größer gewesen ist als das heute bei dieser Diskussion zu den außenpolitischen Angelegen­heiten. Es war durchaus eine engagierte Diskussion über diesen Bericht, und wir konnten erfahren – und das möchte ich in Erinnerung rufen –, dass man gemeint und bestätigt hat, dass er übersichtlich sei, dass er sehr informativ sei und dass er die wesentlichen Positionen der Außenpolitik, insbesondere die Position unserer Außen­ministerin, sehr deutlich und umfassend gezeigt hat. Ich möchte mich dafür, Frau Bun­desministerin, sehr, sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Und ein Zweites, meine Damen und Herren: Frau Kollegin Lichtenberger hat mich freundlicherweise eingeladen, in die Alpen zu kommen. Ich war dort schon des Öfteren und werde natürlich auch dann und wann wieder in die Alpen kommen. Da ich im Voralpengebiet zu Hause bin, ist das nicht sehr schwierig, vor allem nicht, wenn ich eine so freundliche Einladung bekomme, wie Sie sie ausgesprochen haben. Nur eines, Frau Kollegin, möchte ich schon festhalten, da Sie gemeint haben, na ja, jetzt haben wir halt das Büro, und Trittin ist auch dafür gewesen: Man traut unserer Außenpolitik, man traut unserer zuständigen Ministerin zu, dass wir in Österreich für die Alpen ein entsprechendes Votum haben, uns entsprechend bemühen können, weil wir wissen, um welche zukunftsorientierten Maßnahmen es in den Alpen gehen kann und gehen muss. Und es ist eine Auszeichnung, weil man sagt: Jawohl, ihr Österreicher mit eurem Außenministerium, mit eurer Ministerin werdet das Beste für die Alpen tun! – Ich bin zuversichtlich, dass das auch gelingen wird, Frau Bundesministerin. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Abschließend möchte ich die noch verbleibende Zeit dafür nützen, darauf hinzuweisen, dass die Frau Bundesminister, besonders international, einen Schwerpunkt für die Kinder gesetzt hat. Ich glaube, das sollte man deswegen erwähnen, weil alles, was für die Kinder auf dieser Welt getan wird, eine Investition in die Zukunft ist. Ich möchte


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mich sehr herzlich für die Initiative im Irak bedanken, dass schwerstverletzte Kinder zur Behandlung nach Österreich gebracht worden sind. Ich weiß, ein Tropfen auf dem heißen Stein; aber wenn es diese Tropfen nicht gibt, dann gibt es auch das Meer nicht.

Vielen herzlichen Dank auch für das Buch zum Thema Menschenrechtserziehung, Frau Bundesminister. Wir können nicht genug tun, um für den Frieden zu arbeiten. Sie sind auf dem richtigen Weg, auch mit der Politik der Mitte, die Sie als Vermittler inter­national sehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.37

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die über die einzelnen Ausschussanträge ge­trennt erfolgt.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschus­ses, dem Abschluss des Staatsvertrages, nämlich Zusatzprotokoll zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden in 129 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest: Dies ist einstimmig beschlossen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, dem Abschluss folgenden Staatsvertrages, nämlich Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Ständigen Sekretariat des Übereinkommens zum Schutz der Alpen über dessen Amtssitz in 177 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Auch hier darf ich bitten, dass jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, dies bekunden. – Ich stelle fest: Dies ist vom Nationalrat einstimmig beschlossen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses, den Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages, nämlich Übereinkom­men über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs samt Erklärung in 199 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Auch hier darf ich bitten, falls Sie damit einverstanden sind, dies zu bekunden. – Ich stelle fest: Die Genehmigung ist einstimmig erfolgt.

Zuletzt kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Aus­schusses im Sinne des Artikels 49 der Bundesverfassung, dass die arabischen, chine­sischen, französischen, russischen und spanischen Sprachfassungen durch Auflage im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kundgemacht werden.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Nationalrat hat das einstimmig beschlossen.

5. Punkt

Regierungsvorlage: Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände – Erklärungen (223 d.B.) (Gemäß § 28a GOG keine Ausschussvorberatung)

 



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung, bei dem es keine Debatte geben wird, das heißt, wir werden dann gleich darüber abstimmen.

Von der Vorberatung dieser Vorlage in einem Ausschuss wurde nach § 28a der Ge­schäftsordnung Abstand genommen.

Wortmeldungen liegen keine vor, damit findet keine Debatte statt, und wir können sofort abstimmen.

Gegenstand der Abstimmung ist die Genehmigung der Regierungsvorlage: Überein­kommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens, in 223 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die die Genehmigung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Die Genehmigung ist vom Nationalrat einstimmig erteilt.

Damit haben wir auch den 5. Punkt der Tagesordnung erledigt.

6. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Fünfundzwanzigsten Bericht (III-4 d.B.) der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2001) (241 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Sechsundzwanzigsten Bericht (III-39 d.B.) der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2002) (242 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 6 und 7 der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zum Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Die Damen und Herren von der Volksanwaltschaft sind noch nicht hier, sie sind vielleicht überrascht, wie schnell das alles bei uns geht. Jedenfalls ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 6 Minuten vorgesehen. – Bitte.

 


18.42

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich weiß, dass Frau Volksanwältin Bauer bereits im Hause ist, sie wird mit Sicherheit ... (Die Volksanwälte betreten soeben den Sitzungssaal.) Die Damen und Herren der Volksanwaltschaft sind soeben im Saal erschienen. Ich begrüße daher auch die Volks­anwälte, Frau Bauer, Herrn Dr. Kostelka und Herrn Mag. Stadler!

Ganz zu Beginn möchte ich der Volksanwaltschaft Dank aussprechen für die hervorra­gende Zusammenarbeit, die wir Abgeordnete mit den einzelnen Personen der Volksan­waltschaft haben.

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es wird Ihnen genauso ergehen wie mir persönlich: dass viele Interventionen und Beschwerden von Bürgern, die glauben, dass ihnen Unrecht geschieht, an den Sprechtagen bei Ihnen – wie auch bei mir im Bezirk – landen. Und meist oder oft können wir nur helfen, indem wir die Fälle an die Volksan­waltschaft weiterleiten.

Es ist so, dass das sehr unbürokratisch geschieht und dass die Bürgerinnen und Bür­ger dort vor allem hervorragend aufgehoben sind, dass der Sache dort sehr oft positiv nachgegangen werden kann, und zwar in dem Sinne, dass der Bürger zu seinem


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Recht kommt oder dort zumindest jene Rechtsauskunft erhält, die er braucht, um die jeweilige Entscheidung zu verstehen.

Ich bedanke mich daher sehr, sehr herzlich bei Ihnen, Frau Volksanwältin Bauer, Herr Volksanwalt Mag. Stadler und Herr Volksanwalt Dr. Kostelka, für die gute Zusammen­arbeit, die uns Abgeordneten von Ihrem Haus immer entgegengebracht wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Gradwohl.)

Die beiden Berichte, die wir heute diskutieren, der Fünfundzwanzigste und der Sechs­undzwanzigste Bericht, Berichtszeitraum 2001/2002, sind – wie dies immer bei den Berichten der Volksanwaltschaft der Fall ist – ausgezeichnet aufbereitet, informativ, übersichtlich und – und das ist für unsere Arbeit besonders wertvoll – vergleichbar über mehrere Berichtszeiträume.

Die Volksanwaltschaft findet eine noch nie da gewesene Akzeptanz in der Bevölke­rung. Im Fünfundzwanzigsten Bericht ist eine Umfrage zitiert, wonach weite Bereiche der Bevölkerung der Volksanwaltschaft bestätigen, dass sie sich der Bürgeranliegen besonders annimmt, dass sie volksnah agiert, dass sie auf der Seite des „kleinen Mannes“ steht, und vor allem gesteht man ihr auch politische Unabhängigkeit zu. Ich glaube, dass die aus der Umfrage hervorgegangene Akzeptanz zeigt, wie wertvoll diese Institution ist.

Es ist so, dass die Beschwerden kontinuierlich steigen, aber nicht deshalb, weil viel­leicht die Verwaltung schlechter arbeitet, ganz im Gegenteil, ich glaube, dass sich durch die größere Akzeptanz, welche die Volksanwaltschaft genießt, mehr Menschen diesen Schritt zutrauen.

Es war daher eine strategisch richtige Entscheidung, die Sendung der Volksanwälte im ORF in einer neuen, besonders attraktiven Form zu einer guten Sendezeit, nämlich samstagabends im Vorabendprogramm, auszustrahlen, wodurch der Bekanntheitsgrad weiter gesteigert werden konnte.

Der Gesetzgeber hat auf die Zunahme der Beschwerdefälle in den Budgets 2003 und 2004 reagiert und eine personelle Aufstockung vorgesehen.

Der Gesetzgeber arbeitet mit der Volksanwaltschaft hervorragend zusammen: So sind bisher bereits etwa 186 Anregungen, die aus der Volksanwaltschaft gekommen sind, umgesetzt worden; eine der letzten war das Nachbarrecht, das wir im vorigen Monat hier beschlossen haben.

In den Fünfundzwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft wurde auch erstmals ein eigener Grundrechtsteil aufgenommen, in dem jene Beschwerdefälle behandelt wer­den, die Grundrechte betreffen. Fälle gab es beispielsweise zu rechtsstaatlichem Vor­gehen, zum Gleichheitsgrundsatz, zur Erwerbsfreiheit, zur Freiheit der Kunst, zum Datenschutz, Minderheitenschutz, Recht auf Freiheit und Sicherheit, Recht auf ein faires Verfahren, Unverletzlichkeit des Hausrechtes und natürlich auch bezüglich EU-Grundrechte.

In den Sechsundzwanzigsten Bericht ist dieser Teil auch wieder aufgenommen wor­den. Ich gehe daher davon aus, dass auch in Zukunft die Grundrechte einen wesent­lichen Teil im Bericht der Volksanwaltschaft einnehmen werden.

Ich bedanke mich für die gute Erfüllung der Berichtspflicht.

Erlauben Sie mir als Justizsprecherin, noch darauf hinzuweisen, dass ich mit Sorge die Beschwerden bezüglich der Justiz gelesen habe. Aber ich habe auch gelesen, dass in vielen Fällen disziplinäre Folgen daran geknüpft wurden, sodass darauf reagiert wurde. Ich meine, dass das das richtige Vorgehen ist, auch um eine unabhängige Justiz zu


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sichern, die im Übrigen effizient und hervorragend arbeitet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Marizzi. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

 


18.48

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzte Volksanwälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Verfassungsausschuss natürlich die beiden Berichte diskutiert, und ich kann mich, glaube ich, in Ihrer aller Namen bei der Volksanwaltschaft bedanken für ihr Engagement. Die Volksanwaltschaft kann auf ihr gemeinsames Agieren bezüglich der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger stolz sein.

Kollegin Fekter hat schon vieles erwähnt, ich möchte ein paar Zahlen herausnehmen. Bei der Zahl der Fälle ist ein exorbitanter Anstieg zu verzeichnen. Im Jahr 2001 gab es 9 032 Fälle und im Jahr 2002 – das muss man sich vorstellen! – 14 851 Fälle! Das ist eine Steigerung von 64 Prozent. Es ist aber trotzdem – das kann man sagen – kein Qualitätsverlust entstanden, im Gegenteil, es gab manchmal sogar eine Verkürzung der Verfahren.

Die Volksanwaltschaft braucht daher – das wurde schon gesagt – mehr Personal. Man muss aber auch hinzufügen, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen, dass in vergleichbaren Ländern Volksanwälte mindestens 50 Prozent mehr Personal haben. Daher kann man auf die Volksanwaltschaft wirklich stolz sein, nämlich darauf, dass sie bei diesem Personalstand 14 500 Fälle abwickeln konnte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen und der Freiheitlichen.)

Natürlich ist es auch wichtig, dass die Volksanwaltschaft eine mediale Begleitmusik hat. Es wurde schon erwähnt: Die ORF-Sendung „VolksAnwalt – Gleiches Recht für alle“ kommt bei der Bevölkerung sehr gut an. Ich habe mir die Daten geben lassen, wo­nach am vergangenen Samstag ungefähr 390 000 Zuschauer diese Sendung verfolgt haben. Das ist, wenn man das im ORF-Jargon sagt, ein Marktanteil von 32 Prozent. Diese Sendung nimmt Rang 6 bei den beliebtesten Informationssendungen ein, und dazu möchte ich euch Volksanwälten herzlich gratulieren!

Natürlich muss man auch dazusagen: Die Beliebtheit entwickelt sich aus dem Arbeits­feld der Volksanwaltschaft, und dieses reicht von der Hilfe durch den Gebührendschun­gel über die Hilfe bei Schadenersatzforderungen bis zum missglückten Urlaub; oft geht es bis zu Wohnungsproblemen. Wir kennen das ja alles und sagen daher ganz offen, dass Volksanwälte oft die allerletzte Station Hilfesuchender sind. Wir Parlamentarier können jedenfalls stolz darauf sein, diese Volksanwaltschaft zu haben.

Natürlich gibt es auch gesellschaftspolitische Veränderungen – und diesen möchte natürlich auch die Volksanwaltschaft Rechnung tragen. Im Verfassungsausschuss wurde ja darüber diskutiert. Seit Jahren fordert die Volksanwaltschaft ein Heimvertrags- und Heimaufenthaltsgesetz. Der Verbraucherschutz in Österreich ist, wie wir wissen, hauptsächlich auf das Konsumentengeschäft ausgerichtet, während viele andere Lebensbereiche, wie die Pflege und Betreuung behinderter und alter Menschen, nicht in diesen Normbereich eingegliedert wurden.

Meiner Ansicht nach ist es notwendig, die Forderungen der Volksanwaltschaft in die­sem Bereich zu berücksichtigen, Leistungsstrukturen aufzubauen, Kostenfolgen auf­zubauen, sich den Themen Tarifänderungen und Kostenbestandteile zu widmen. Natürlich hat gerade in diesem Bereich die Volksanwaltschaft viele Beschwerdefälle zu


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behandeln, geht es doch dabei für Heiminsassen um sehr viel Geld: von bis zu 1 600 bis 2 000 € im Monat.

Da sollte also der diesbezüglichen Anregung der Volksanwaltschaft nachgekommen werden, und damit befassen sich natürlich auch der Nationalrat beziehungsweise dessen Justizausschuss.

Jedenfalls kann gesagt werden: Wir sind auf gutem Wege, diese Forderung der Volks­anwaltschaft im Justizausschuss ausführlich zu behandeln, und es ist auch richtig und wichtig, dass diese Forderung der Volksanwaltschaft Berücksichtigung findet.

Zusammenfassend: Wir sind auf die Berichte der Volksanwaltschaft stolz, und ich wünsche von dieser Stelle aus namens meiner Fraktion – und, wie ich glaube, namens aller – der Volksanwaltschaft weiterhin erfolgreiche Arbeit: im Dienste unserer Gesell­schaft, im Dienste unserer Republik Österreich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.52

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


18.52

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Volksanwälte! Hohes Haus! Ich möchte mich auch im Namen unserer Fraktion für die ausgezeichnete Arbeit der Volksanwälte bedanken, vor allem auch für die profes­sionelle Aufarbeitung der Unterlagen, der Berichte, die wir im Verfassungsausschuss erhalten haben, um uns ein Bild zu machen über die Arbeitstätigkeiten und -abläufe der Volksanwälte über die vergangenen beiden Jahre.

Beeindruckend ist die hohe Zahl der Anlassfälle und dass die Geschäftsfälle jedes Jahr um 60 bis 70 Prozent gestiegen sind. Ich denke, das zeugt auch von einer sehr hohen Akzeptanz der Volksanwälte in Österreich. Ausschlaggebend dafür ist sicherlich auch die Publizität im Rahmen ihrer Sendungen des Österreichischen Rundfunks, womit den Bürgerinnen und Bürgern signalisiert wird, dass es in unserem Lande eine Stelle gibt, die sich ihrer Themen und Probleme sehr beherzt annimmt.

Die angeführten Feststellungen von Missständen sind meiner Überzeugung nach ein sehr guter Beweis, ein Beleg dafür, wie wir im Rahmen der Gesetzgebung auf be­stimmte gesetzliche „Vernachlässigungen“, die es zu korrigieren gilt, reagieren können. Ein Bereich, der mir in diesem Zusammenhang besonders aufgefallen ist, betrifft die Verlängerung der Verfahrensdauer im Bereich der Justiz, also bei den Gerichtsverfah­ren. Ich glaube, dass da die Volksanwaltschaft unter Umständen Fristsetzungen machen könnte, um mitzuwirken, die Verfahrensdauer zu verkürzen. (Abg. Dr. Cap: Nicht so „emotional“! Mir ist das zu „emotional“! Ein bisschen „cooler“!) Ich denke, das wäre ein Punkt, über den wir diskutieren könnten, damit Verfahren im Interesse der Bürger kürzer dauern, damit es zu Verwaltungsvereinfachungen kommt, die in unser aller Interesse sein sollten, um den Bürgerinnen und Bürgern Kosten zu ersparen.

Abschließend: Dank an die Volksanwaltschaft – und ich wünsche ihr auch für die zukünftige Arbeit alles Gute! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

 


18.55

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar vecer, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt Mag. Stad­ler! Sehr geehrter Herr Volksanwalt Dr. Kostelka! Jedes Jahr, wenn wir den Bericht der Volksanwaltschaft behandeln – heute diskutieren wir gleich über zwei –, und ich wie-


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derhole jetzt das, was ich schon im Ausschuss gesagt habe ... (Abg. Mag. Mainoni: Viel mehr sind jetzt auch nicht hier als im Ausschuss!) – Ja, viel mehr KollegInnen als im Ausschuss sind jetzt auch nicht da, aber es sind jetzt doch ein paar hier anwesend, die nicht im Ausschuss waren.

Namens der grünen Fraktion möchte ich mich sehr herzlich für die Unterstützung, die die Volksanwaltschaft nicht nur dem Parlament – als dessen Organ –, sondern insge­samt den Abgeordneten zuteil werden lässt, bedanken. Was die Kontakte zwischen den VolksanwältInnen und uns Abgeordneten anlangt, so sind diese ja wahrscheinlich von unterschiedlicher Intensität. Ich jedenfalls habe sozusagen schon traditionell gute Kontakte zu den Damen und Herren Volksanwälten – nicht zuletzt deshalb, weil wir einander von der parlamentarischen Tätigkeit her kennen. Und ich schätze die Arbeit der VolksanwältInnen außerordentlich, möchte mich aber nicht nur bei Ihnen, sondern auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft herzlich bedan­ken.

Genauso wie Kollegin Fekter – auch Peter Marizzi hat das gesagt – möchte ich hier betonen, dass Sie ein echter Quotenhit im österreichischen Fernsehen sind, wie mir immer wieder gesagt wird, obwohl ich ehrlich sagen muss, dass für mich diese Sende­zeit nicht gerade eine ist, die ich regelmäßig nutzen kann, aber offensichtlich haben andere einen anderen Lebensrhythmus, und deshalb gibt es eben bei Ihrer Sendung eine solch stattliche ZuschauerInnen-Zahl.

Als Abgeordnete kann ich Ihnen auch sagen, dass es in der Bevölkerung oft so ist, dass die Leute glauben, dass die Volksanwaltschaft noch viel mehr kann als das, wofür sie dann tatsächlich zuständig ist. Was ich persönlich an Anfragen und Briefen be­komme, zeigt doch sehr deutlich, dass der Bekanntheitsgrad der Volksanwaltschaft ein wirklich sehr hoher ist, wiewohl der Informationsstand darüber, was tatsächlich das Aufgabengebiet der Volksanwaltschaft umfasst, damit oft nicht ganz synchron einher­geht.

Die Information, die Frau Dr. Fekter über jene Arbeit gegeben hat, die wir dann auf Grund von Anregungen legistischer Natur der Volksanwaltschaft haben, sodass eben diese ihre Anregungen ernst genommen und vom Nationalrat umgesetzt werden, klingt ja geradezu beeindruckend, wenn man hört, dass 185 legistische Anregungen der Volksanwaltschaft umgesetzt worden sind. Allerdings ist das jetzt der 26. Bericht, den wir hier diskutieren, und wenn ich das grob umrechne, dann merke ich, dass es ledig­lich zwischen fünf und sechs Anregungen pro Jahr sind, die von uns aufgenommen wurden.

Wenn ich jetzt anhand dieser beiden Berichte – aber das war in den vergangenen Jah­ren genauso – vergleiche, wie viele legistische Anregungen von Seiten der Volksan­waltschaft kommen, kann ich nur sagen: Für den Nationalrat ist es geradezu eine beschämende Bilanz, wie wenige Anregungen der Volksanwaltschaft wir da aufge­nommen haben. Vieles ist offen, vieles bleibt offen – und dafür können wir nicht Sie von der Volksanwaltschaft verantwortlich machen, sondern müssen uns sagen, dass wir das viel ernster zu nehmen haben, was uns durch Ihre Tätigkeit sozusagen mund­gerecht und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger aufbereitet und serviert wird.

In meinen kurzen Ausführungen möchte ich noch auf folgende Tatsachen Bezug neh­men: Neu an den Berichten der Volksanwaltschaft ist – ohne jetzt damit den Berichts­teil, in dem es um die einzelnen Fälle geht, gering schätzen zu wollen – die Einführung dieses Grundrechtsteils, die ja auch von einem neuen Selbstverständnis, das die Volksanwaltschaft entwickelt, zeugt, was eben ihre Arbeit nicht nur im Sinne einer Wei­terentwicklung, sondern auch ihres Selbstverständnisses anlangt. Für diese Initiative


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möchte ich mich auch als Menschenrechtssprecherin der Grünen sehr, sehr herzlich bedanken.

Für uns Abgeordnete ist dieser Grundrechtsteil in den Berichten eine maßgebliche Richtschnur, und ich habe – das habe ich auch schon im Ausschuss gesagt – von öffentlichen Amtsträgern noch kaum ein so offenes Wort zur Frage gehört, wie es um das Grundrechtsverständnis in der Verwaltung, aber auch, ohne dass es so ausge­sprochen wird, in der Gerichtsbarkeit bestellt ist, nämlich schlicht und einfach nicht sehr gut.

Ich danke Ihnen sehr für diese wirklich frappierende Offenheit. Was jetzt fehlt, ist meiner Meinung nach: Welchen Schluss zieht der Gesetzgeber daraus?

Als Mitglied auch im Österreich-Konvent, im Ausschuss 4: Grundrechtskatalog, ist das für mich doppelt interessant. Ich meine, dass wir das auch dort aufnehmen werden. Ich werde auch anregen, dass die anderen Mitglieder des Ausschusses darauf besonders Bedacht nehmen.

Danke herzlich, und man kann Sie nur bitten und auffordern, diesen Teil weiter auszu­bauen und zu intensivieren, weil ich glaube, dass er das kompakteste Zeichen dafür ist, dass das Grundrechtsbewusstsein in der öffentlichen Verwaltung – wie auch in der Gesetzgebung; aber das ist ja irgendwie paradox, wenn man darauf hinweisen muss – intensiviert, verstärkt und gefördert werden muss.

Die zweite Bemerkung betrifft den Minderheitsbericht, der erstattet wurde. Das ist auch ein Unikum. Das hat es bis jetzt noch nie gegeben, dass ein Volksanwalt quasi aus dem Konsens-Chor – oder wie ich das nennen soll – ausschert und – ich kenne die näheren Umstände nicht – es dazu kommt, dass ein Minderheitsbericht zu einem Bericht gelegt wird.

Hier geht es um die Strafvollzugsanstalt Stein, wo es im Sommer 2001 eine bedauer­liche und bemerkenswerte Häufung von Todesfällen gegeben hat, in dem Fall von Suiziden, was auch einiges öffentliches Aufsehen erregt hat. Aber es gab nicht nur öffentliches Aufsehen, sondern auch Reaktionen von Seiten der Strafvollzugsanstalt und des Strafvollzugs insgesamt.

Jetzt muss ich sagen, Herr Volksanwalt Stadler: So sehr ich Ihre Arbeit als Volksanwalt und vor allem auch Ihren Einsatz schätze – wenn ich die Fernsehsendung verfolge, sehe ich Sie ja auch immer im „Dreier-Radl“ –, muss ich aber doch sagen: Ihr Bericht hat mich einigermaßen erstaunt, weil ich nämlich damals auch in Stein war und dort wahrscheinlich ziemlich genau das gehört und gesehen habe, was auch Sie gehört und gesehen haben.

Um es jetzt ein bisschen verkürzt zu sagen: Ihre Einseitigkeit der Berichterstattung im Bericht der Volksanwaltschaft hat mich frappiert! Erst wenn man Ihren Bericht über die Sonderprüfung und den Minderheitsbericht von Dr. Kostelka liest, erst dann ist man in der Lage, eine objektive Bewertung dessen vorzunehmen, was sich damals in Stein, aber wahrscheinlich, was die Systemmängel angeht, auch anderswo getan hat: man­gelndes Personal im Hinblick auf die psychologische und psychiatrische Behandlungs­möglichkeit und Betreuung von im Strafvollzug befindlichen Personen, aber auch Personalmangel in der Justizanstalt, was die Justizwache angeht, und die daraus resultierenden Probleme, die so weit gehen, dass Häftlinge offensichtlich in persönliche und psychische Ausnahmesituationen kommen, die bis hin zu letalen Folgen, in einigen Fällen auch zu Suiziden führen.

Ich halte diese – wie soll ich sagen?– Verniedlichung der Problematik, die in einem Be­richt der Volksanwaltschaft wirklich außergewöhnlich ist – in dem Fall außergewöhnlich negativ ist –, für den einzigen Wermutstropfen, den ich in den Berichten gefunden


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habe. Aber nichtsdestotrotz werden wir, der alten Tradition folgend, die Arbeit der Volksanwaltschaft schätzend, den Berichten zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.05

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. – Bitte, Herr Bürgermeister.

 


19.05

Abgeordneter Mag. Hans Langreiter (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Volks­anwältin! Geschätzte Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Natürlich sind diese wirklich tollen Berichte der Volksanwaltschaft eine Konsensmaterie in diesem Hohen Haus. Ich sehe die Volksanwaltschaft als Dienstleisterin auch für die Mitbürgerinnen und Mitbür­ger, denn letztendlich sind die Anregungen, die Beschwerden, auch die Vermittlungs­tätigkeit und die Tätigkeit, die wir Abgeordnete auch bei der Volksanwaltschaft in An­spruch nehmen, dazu da, dass wir die Zwänge und die Sorgen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger lindern.

Natürlich geht aus den Berichten hervor, dass die Zahl der Fälle gestiegen ist. Die Gründe hiefür sind vielfältig:

Die Gemeindeverwaltung ist natürlich auch ein Thema der Volksanwaltschaft, wobei ich schon für die Gemeindeverwaltung sprechen darf, denn es ist eigentlich klar, dass sie als erster Ansprechpartner manchmal in gewisse Zwänge kommt. Der Vollzug in raum- und baurechtlichen Angelegenheiten hat seine Hürden. Letztlich geht es aber auch darum, dass die Gemeinden Hilfestellung bekommen – auch durch die Volksan­waltschaft, was ja tatsächlich geschieht. Es muss den Gemeinden, die durch eine ganze Fülle von Administration manchmal rechtlich überfordert sind, hin und wieder Hilfestellung geleistet werden.

Meine Damen und Herren! Es wird der Lebensraum enger, und dadurch entstehen Nutzungskonflikte. Man hat dadurch vielleicht Probleme mit dem Nachbarn, man hat Probleme mit einer Flächenwidmung, man hat Probleme mit sonstigen Vollzügen der Behörden.

Am Beispiel des Hochwasserberichtes konnten wir allerdings feststellen, dass der befürchtete Ansturm an Beschwerden ausgeblieben ist. Das spricht für die innere Organisation der Beschwerdekommissionen und letztendlich auch für die Förderungs­richtlinien. Ich glaube, dass hier gute Arbeit geleistet wurde – nicht nur von den Be­schwerdekommissionen und von den Dienststellen des Landes, sondern sicher auch von den Gemeinden. Ich denke, das ist etwas ganz Entscheidendes.

Ein Wort zum Grundrechtsteil, der mich besonders interessiert: Ich weiß, dass sich die österreichischen Gerichte, vor allem auch der Verfassungsgerichtshof, in den letzten Jahrzehnten auch ein Grundrechtsverständnis aufgebaut haben. Und als nachprüfen­des Organ musste die Volksanwaltschaft feststellen, dass den Grundrechten nicht immer die notwendige Beachtung geschenkt wird und dass hier auch Wissensdefizite bestehen, nicht zuletzt deshalb, weil auch die Verwaltungsbehörden – auch Justizbe­hörden – auf Grund der Fülle ihrer Tätigkeit in verschiedensten Aufgabenbereichen eine einfach-gesetzliche Regelung hinnehmen und nur wenige auch die Grundrechte berücksichtigen.

Ich sage das auch vor dem Hintergrund dessen, dass mich eine Aussage von Herrn Volksanwalt Kostelka im Ausschuss beflügelt hat, wonach Jugendliche in anderen Ländern, ob in Amerika oder auch in Frankreich, die Möglichkeit haben, die Präambel der Verfassung auswendig zu lernen, und sie auch beherrschen. Das ist eine ganz interessante Sache, weil ich glaube, dass damit bei jungen Menschen nicht nur der


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Grundrechtskatalog, sondern unter Umständen auch die Prinzipien der Verfassung entsprechend verankert werden. Ich meine, da haben wir einiges nachzuholen!

Wir haben ja auch schon öfters über die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre diskutiert, und ich meine, da genügt es wirklich nicht, dass man den jungen Menschen sagt: Ihr könnt mit 16 Jahren wählen! – Nein! Ich glaube, es ist notwendig, dass man den Jugendlichen die Prinzipien der Verfassung vorweg bewusst macht, ihnen mehr Identität, mehr Zugehörigkeit und mehr Grundrechtsverständnis vermittelt. Dadurch könnten wir, denke ich, einige Probleme mehr lösen, oder wir hätten dadurch sogar einige Probleme weniger.

Abschließend: Ich würde mir, so wie es im Regierungsprogramm steht, auch eine stär­kere Zusammenarbeit zwischen der Volksanwaltschaft und dem Parlament wün­schen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.10

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Prähauser. Gleiche freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


19.10

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Dame und Herren der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Ich glaube, der Zuwachs an Arbeit bei der Volksanwaltschaft in der Höhe von zwei Dritteln ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass es die Sendung „VolksAnwalt“ im Fernsehen gibt, sondern zu diesem Zuwachs kam es sicherlich auch auf Grund der wirklich österreichweit angesehenen Leistungen, die dieses Konsortium vollbringt. Dafür auch meinen persönlichen Dank!

Meine Damen und Herren! Wir haben bei diesem Bericht der Volksanwaltschaft einen Fall, der über mein Bürgerbüro an die Volksanwaltschaft herangetragen wurde. Es handelt sich hiebei um einen inzwischen 40-jährigen Mann, der einen genetischen Geburtsfehler hat und auf Grund dieser Erkrankung heute nicht mehr in der Lage ist, seiner Arbeit nachzugehen. Es hat vor einem Jahr, genau am 20. September, also sogar vor mehr als einem Jahr, eine Anfrage meines Kollegen Maier an den Sozial­minister mit dem Hinweis auf diesen schweren Fall gegeben. Es wurde in der diesbe­züglichen Antwort versichert, man würde sich das anschauen und begutachten und mögliche Maßnahmen treffen.

Bis heute hat sich aber nichts getan. Daher waren wir gezwungen, zur Volksanwalt­schaft zu gehen. Der Volksanwaltschaft wurde in Aussicht gestellt, dass die 61. ASVG-Novelle novelliert wird, dass also dieses Problem gesetzlich so gestaltet wird, dass man es in den Griff bekommen kann.

Es ist wieder ein Jahr vergangen. Was hätte dieser arme Mensch getan, gäbe es die Volksanwaltschaft nicht, wenn es Parlamentarier nicht zuwege bringen, ein Ministerium auf solche Missstände und Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen?!

Ich darf aus der damaligen Anfrage zitieren, aus der Präambel:

Trotz 16 angefallener Versicherungsjahre – der junge Mann hat auch gearbeitet; wie sich dann herausstellte, allerdings umsonst – muss Herr R. mittlerweile von der Sozial­hilfe leben, weil sein Antrag auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgelehnt wor­den ist. Das Landesgericht Salzburg begründet die Ablehnung damit, dass Herr R. wegen seiner Krankheit niemals hätte arbeiten dürfen. Er wurde als arbeitsunfähig eingestuft. Deshalb wurde ihm eine Invalidität auch nicht nach dem ASVG zuerkannt.

Auf Grund dieser Entscheidung des Gerichts lehnte die Pensionsversicherung der Arbeiter das Pensionsgesuch bescheidmäßig ab. Gleichzeitig bedeutete das auch die


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Ablehnung beziehungsweise Einstellung der Notstandshilfe durch das AMS, weil Herr R. auf Grund seiner Krankheit nicht als arbeitsfähig gilt. – Zitatende.

Die einzige Möglichkeit auf Erwerb wäre der Pensionsanspruch mit 65 Jahren auf Grund seiner geleisteten Arbeitszeit gewesen. Man weiß aber, dass die Lebenserwar­tung bei dieser Krankheit nicht sehr hoch ist: Ektodermale Dysplasie, kurz „AED“, klingt nicht sehr gefährlich, ist aber fürchterlich. Menschen, die an dieser Krankheit leiden, haben keine Schweißdrüsen; ihr Körper ist nicht in der Lage, auf Hitze zu reagieren. Diese Menschen haben permanent eine hohe Körpertemperatur, und jeder, der schon einmal Fieber hatte, kann sich vorstellen, was das heißt.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass hier wirklich Eile geboten ist, die Anregun­gen der Volksanwaltschaft zu unterstützen und dieses Problem zu erledigen. Diese Erkrankung ist in Österreich zwar nicht sehr häufig, aber es gibt an die 100 Fälle. So sind etwa auch Verwandte dieses betroffenen Mannes, der 16 Jahre lang gearbeitet hat, ohne dass er das gedurft hätte, wie das Gesetz das auch feststellt, ein Neffe und eine Großnichte, mit der gleichen Krankheit behaftet.

Ich glaube, hier ist wirklich Eile geboten, den Anregungen der Volksanwaltschaft Folge zu leisten. Dem Herrn Bundesminister, der ja jetzt von der „Vizekanzlerei“ entbunden ist, ist zu wünschen, dass er Zeit hat, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Das wünsche ich mir, und ich danke der Volksanwaltschaft, die wieder einmal bewie­sen hat, auf welcher Seite sie steht: auf der Seite der Schwächeren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.15

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


19.15

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Dame und Herren Volksanwälte! Selbstverständlich schließe ich mich aus vollster Überzeu­gung dem Dank meiner Vorredner für die von Ihnen geleistete Arbeit an, und zwar nicht nur für die für uns Abgeordnete geleistete Arbeit, sondern vor allem für die Arbeit für die so zahlreichen Beschwerdeführer in Österreich.

Ich sage auch ganz deutlich, es hat wohl nicht nur die Fernsehsendung dazu geführt, dass der Beschwerdeanfall so stark gestiegen ist, aber doch auch. Man hat daran gesehen, glaube ich, wie falsch die Entscheidung gewesen ist, damals die erfolgreiche Fernsehsendung „Ein Fall für den Volksanwalt“ einzustellen. Selbstverständlich trägt eine derartige, auch sehr professionell vorgetragene Sendung – gerade auch das Auf­treten der Volksanwälte in dieser Sendung ist sehr professionell – sehr wohl dazu bei, dass die Menschen überhaupt einmal erst eine Information bekommen über die Mög­lichkeit der Beschwerde und auch darüber, wie eine derartige Beschwerde auch erledigt werden kann.

Ich glaube, wir Abgeordnete haben gut daran getan, dass wir entgegen den sonstigen Prinzipien der Personaleinsparungen doch einvernehmlich dafür gesorgt haben, dass die Volksanwaltschaft zwar keinen sehr großen Mehraufwand an Personal zugestan­den bekommt, aber doch immerhin einiges, was ihre Arbeit erleichtert.

Frau Abgeordnete Stoisits hat in ihren Ausführungen ein bisschen – ich will nicht sagen: Zweifel gegenüber diesem Volksanwalt – Herrn Volksanwalt Stadler angespro­chen und gesagt, er habe einen sehr persönlichen Zugang zu manchen Fällen und vielleicht den einen oder anderen ... (Abg. Mag. Stoisits: Nobel ausgedrückt!) – Nobel ausgedrückt? Gut, dann sage ich es konkret – ich wollte dich nicht in dieser Allgemein­debatte punzieren –: Sie hat ihm mangelnde Objektivität vorgeworfen.


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Frau Abgeordnete Stoisits, ich bin einer derjenigen hier im Haus, der die Volksanwalt­schaft von beiden Seiten her kennt: auf der einen Seite als einer der Adressaten des Berichts und auf der anderen Seite als Minister, als einer, der geprüft wird. Ich wurde durch Herrn Volksanwalt Stadler geprüft, und ich kann ihm wirklich nur die allergrößte Objektivität attestieren. Obwohl bekannt ist, dass wir derselben Partei angehören, hat es überhaupt keine Bevorzugung gegeben. Ich hatte manchmal sogar eher den Ein­druck, dass das Gegenteil der Fall ist.

Hier gab es wirklich eine sehr sachliche Auseinandersetzung, durchaus auch oft unter­schiedliche Meinungen bei den einzelnen Themen, aber sicherlich keinerlei Verdacht auf mangelnde Objektivität.

Natürlich sind alle drei Volksanwälte politische Menschen. Das ist keine Frage. Sie haben auch eine politische Vergangenheit in diesem Hause – Gott sei Dank, denn ich glaube, auch das ist sehr sinnvoll –, und jeder hat seinen persönlichen Zugang. Aber ich denke, das ist selbstverständlich, und es liegt dann auch an uns, die Berichte zu bewerten. Aber ich meine, dass keiner der drei in den Verdacht gerät, subjektiv oder politisch zu interpretieren oder zu werten.

Was allerdings interessant wäre – und das sollte man überlegen und diskutieren –, ist, dass man so ähnlich wie bei den Rechnungshofberichten doch auch den geprüften Ministerien die Möglichkeit geben sollte, die eigene Sicht der Dinge in einer Art Stel­lungnahme oder Replik in den Bericht einzuarbeiten.

Ich halte es auch für durchaus sinnvoll, dass die Volksanwaltschaft bei manchen Themen sehr beharrlich ist, auch wenn sich diese Frage durch viele Berichte zieht. Daran sieht man oft auch, dass es gar nicht so einfach ist, selbst wenn alle der Mei­nung sind, dass die Kritik der Volksanwaltschaft richtig ist, das dann auch zu beheben.

Ein Beispiel nur aus meinem ehemaligen Ressort, und das steht ja auch im Bericht wieder drinnen: die Frage der Tauglichkeitskriterien. Ich persönlich war immer der Meinung, dass es eine Ungerechtigkeit darstellt, dass jemand, der minder tauglich oder untauglich ist für den Wehrdienst, dann auch untauglich für den Wehrersatzdienst, den Zivildienst ist. Aber hier gibt es eben eine Kette von rechtlichen Fragen, die zu beant­worten sind – zum Teil oberstgerichtliche Entscheidungen, zum Teil Dinge, die die Menschenrechtssituation tangieren, dass eben jemand nur dann zivildienstpflichtig ist, wenn er auch wehrpflichtig ist, und dass an die Wehrpflicht ein Mindestmaß an militäri­scher Ausbildung angeschlossen ist.

Zum Teil legen auch diejenigen, die hier entscheidungsbefugt sind, das sehr restriktiv aus, und niemand sagt: Ich möchte die Verantwortung übernehmen!, denn wenn dem Betreffenden etwas im Rahmen seiner Mindest-Militärausbildung passiert, tauchen dann Haftungsfragen auf, die eben entsprechend zu beantworten sind.

Also hier gibt es Dinge, bezüglich derer wir eigentlich alle der Meinung sind, dass sie zu regeln sind und das Begehren der Volksanwaltschaft zu Recht besteht, aber es wird wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur sehr schwer und durch langjährige Arbeiten des Gesetzgebers, des Verfassungsgesetzgebers und vielleicht sogar auch auf der inter­nationalen Ebene zu erreichen sein, dass dieses Anliegen auch wirklich zum Durch­bruch kommt. – Aber es ist gut, dass man immer wieder daran erinnert wird, dass ein berechtigtes Anliegen nach wie vor offen ist.

Noch einmal zum Schluss meinen herzlichen Dank für die Arbeit der Volksanwalt­schaft! Als Parlamentarier für uns wichtig ist, dass es eine zusätzliche Instanz der Kontrolle der Vollziehung gibt; und selbstverständlich für die vielen Hunderten und Tausenden Beschwerdeführer: dass sie wissen, dass sie auch außerhalb des norma­len Instanzenzuges, außerhalb der rechtsstaatlichen Instanzen noch eine wirklich


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objektive und dynamische Volksvertretung haben, die sich um die Anliegen der Bevöl­kerung annimmt, die dann, wenn auch nicht sehr häufig, über die parlamentarische Diskussion hier wieder in die Öffentlichkeit kommen. Ich hoffe, dass wir all diese oder einen großen Teil der Begehren der Volksanwaltschaft, wenn es Begehren an den Gesetzgeber sind, auch in die Praxis umsetzen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.21

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

 


19.22

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Volks­anwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Meine Damen und Herren! Ich warte jedes Jahr schon immer ganz gespannt auf den Bericht der Volksanwaltschaft, weil der Volksanwaltschaftsbericht das Spiegelbild der Gesellschaft ist. Leute, die mit der Verwaltung nicht zufrieden sind oder die sich durch Gesetze ungerecht behandelt fühlen, gehen zur Volksanwaltschaft, und das mit Recht. Dass wir im letzten Jahr bereits 14 000 Beschwerden hatten, spricht ja eine eigene Sprache. Das sind in der Woche 300 Beschwerden, die bei der Volksanwaltschaft eingehen! Das muss man sich einmal vorstellen: 300 Beschwerden pro Woche! Das zeigt doch ganz deutlich, welche Ungereimtheiten, welche Gesetzeslücken oder welche Ungerechtigkeiten es in unse­ren Gesetzen gibt.

Ich bin sehr froh darüber, dass die Volksanwaltschaft auch immer eine Empfehlung dazu abgibt, was denn geändert werden müsste, um diese Unregelmäßigkeiten, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Nur, das Ergebnis ist – und das ist leider immer wie­der so –: Man diskutiert den Volksanwaltschaftsbericht und schaut sich die Empfehlun­gen kurz an, aber umgesetzt von diesen Empfehlungen wird im Grunde genommen so gut wie gar nichts. Das sieht man daran, dass jedes Jahr im Grunde genommen immer wieder dieselben Beschwerden eingebracht werden.

Ich möchte aber einen Bereich aus dem Volksanwaltschaftsbericht herausnehmen, der mir natürlich ganz, ganz wichtig ist: den ganzen Bereich zum Thema Menschen mit Behinderungen.

Es wurde heute schon die Situation mit den Invaliditätspensionen kurz angesprochen. Das ist eine brutale Sache! Das ist eine ganz brutale Sache für Menschen mit Behinde­rung, unabhängig davon, ob sie schon gewusst haben, dass sie einen Behinderungs­faktor, ein falsches Gen haben oder ihnen ein Gen fehlt, oder nicht. Es ist ein unheim­liches Risiko für bereits zivilbehinderte Menschen, wenn sie sich in den Arbeitsprozess hineinwagen. Denn wenn heute ein behinderter Mensch in einen Beruf eintritt und nach zehn, 15 Jahren draufkommt, es geht nicht mehr, weil es die Behinderung nicht zu­lässt, dann hat er keinen Anspruch auf eine Invaliditätspension. Das wird damit begrün­det, dass gesagt wird: Er war ja schon behindert, als er zu arbeiten begonnen hat, und eigentlich hätte er gar nie arbeiten dürfen! – Und das ist schon eine brutale Situation, die ich immer wieder erlebe bei Menschen, die 40, 45 Jahre alt und unter Umständen Rollstuhlfahrer sind, bei denen das Kreuz einfach nicht mehr mitspielt, dass man acht Stunden lang im Job sitzen kann.

Diese bekommen dann keine Invaliditätspension, sondern haben unter Umständen die Chance, die Berufsunfähigkeitspension zu erhalten, die aber wesentlich ungünstiger ist als die Invaliditätspension.

Im Grunde genommen wird jeder, der bereits behindert war, als er in den Arbeitspro­zess eingestiegen ist, bestraft, weil er die „Frechheit“ besitzt, arbeiten zu gehen. Wenn


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er eines Tages nicht mehr kann, fällt ihm das beinhart auf den Kopf, mit allen Kon­sequenzen, die sich daraus ergeben.

Ich möchte aber auch noch einen anderen Bereich ansprechen, und zwar den Bereich Pflegegeld. Sehr geehrte Damen und Herren von der Staatsanwaltschaft (Heiterkeit) – pardon: Volksanwaltschaft! Auch ich bekomme jedes Monat jede Menge von Be­schwerdebriefen, E-Mails, die aufzeigen, welche Ungerechtigkeiten es gibt, wenn jemand vom Aktivbezug in die Pension übergeführt wird und er oder sie gleichzeitig Pflegegeld bezogen hat. Wenn jemand im aktiven Arbeitsprozess Pflegegeld der Stufe V vom Land bekommen hat und dann in Pension geht, wird er automatisch, ohne mit der Wimper zu zucken, sofort auf Stufe III heruntergestuft – automatisch! –, weil sich die Pensionsversicherung anmaßt zu behaupten, das Land hätte falsch eingestuft. Davon gehe ich auf jeden Fall aus, denn was wäre sonst der Grund dafür, dass die PVA noch einmal eine neue Bewertung vornimmt und neu einstuft? – Dafür gibt es keine Begründung, sondern das ist wirklich eine Schikane für den Einzelnen, mit dem Ergebnis, dass sein Pflegegeld automatisch um ein bis zwei Stufen herabgesetzt wird und er dann kämpfen muss, dass er seine Pflegegeld-Stufe, die er braucht, wieder bekommt.

Noch ein Punkt, der mir wichtig ist, ist der Anspruch auf das Pflegegeld im Sterbe­monat beziehungsweise im Antragsmonat. Es sind einige Fälle aufgeführt in diesem Bericht ... (Abg. Mag. Molterer spricht mit den auf der Regierungsbank sitzenden Volksanwälten.) – Herr Molterer! Geht es bitte, dass Sie mir die Dame und Herren Volksanwälte nicht stören? Ich habe ihnen nämlich etwas Wichtiges zu erzählen. Danke. – Es ist so, dass bei der letzten Pflegegeld-Reform mit beschlossen wurde – natürlich nicht mit den Grünen –, dass es im Antragsmonat und im Sterbemonat kein Pflegegeld mehr gibt.

Stellen Sie sich Folgendes vor – das Beispiel ist nicht konstruiert, das war so –: Eine Frau, die Pflegegeld der Stufe VII bezieht, stirbt am 27. März. Sie wurde also im Monat März 27 Tage im Pflegeheim intensiv betreut, aber das Pflegegeld für den Monat März, das ja in der Regel im Nachhinein ausbezahlt wird, wurde nicht mehr ausbezahlt. Das heißt, die Hinterbliebenen müssen jetzt plötzlich Kosten von über 1 500 € tragen. Obwohl die Pflegeleistung erbracht wurde, wird sie vom Pensionsversicherungsträger in diesem Fall nicht mehr bezahlt. Und das führt natürlich im Einzelfall schon zu gravie­renden Härtefällen, die man sich überhaupt nicht vorstellen kann, denn die Pflegeleis­tung wurde ja erbracht, das Personal muss bezahlt werden, und die Hinterbliebenen haben diese Kosten dann zu tragen.

Deshalb habe ich auch folgenden Antrag vorbereitet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr und KollegInnen betreffend Pflegegeldanspruch

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird beauftragt, umgehend den § 47 Abs. 4 BPGG dahin gehend zu reformieren, dass sowohl im Antragsmonat als auch im Sterbemonat zumindest aliquote Leistungen vorgenommen werden.

*****

Das wäre für mich der einzig richtige Weg, dass die Assistenz- und Betreuungsleistun­gen, die der Einzelne bekommt, weil er sie braucht, auch in dem Monat bezahlt werden, in dem die zu pflegende Person verstirbt. (Beifall bei den Grünen.)


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Ein Punkt, der auch immer wieder im Bericht steht und mit dem ich keine Freude habe, ist der so genannte Grad der Behinderung, die Einstufung der Behinderung. Ich muss Ihnen sagen, ich bin zu 120 Prozent behindert – zu 90 Prozent auf Grund meiner Zivil­behinderung und zu 30 Prozent auf Grund eines Arbeitsunfalles. Ich kann mich noch erinnern: Wenn ich mich telefonisch irgendwo um einen Job beworben und erzählt habe, ich bin behindert, und die Frage gekommen ist: zu wie viel Prozent?, und ich dann gesagt habe: zu 120 Prozent, aber es könnten auch nur 90 sein, je nachdem, von welcher Seite man das sieht, dann hat jeder geglaubt, ich komme auf der Tragbahre daher, wenn ich mich vorstellen gehe.

Ich denke, man muss den Grad der Behinderung, der selbstverständlich vorhanden ist, vom Grad der Erwerbsminderung trennen, denn es gibt sehr viele geeignete Bereiche, und diese werden immer mehr. Wenn die arbeitsplatzmäßige Ausstattung entspre­chend vorhanden ist, dann ist jeder Einzelne auch trotz Behinderung in der Lage, einen Großteil seiner Leistung zu erbringen. Aber wenn der Grad 90 Prozent ist, dann glauben die meisten, ich kann überhaupt nichts mehr tun. Und seien wir doch ehrlich: Jeder von Ihnen ist auch zu 90 Prozent erwerbsgemindert, da muss man gar nicht offensichtlich behindert sein, weil 90 Prozent der Berufe, die es gibt, können Sie auch nicht ausüben, weil Sie entweder die Qualifikation nicht haben, das Interesse nicht haben oder weil Sie einfach dafür ungeeignet sind.

Also das heißt, diese Einstufung ist völlig falsch und, wie gesagt, der Grad der Er­werbsminderung muss vom Grad der Behinderung getrennt werden, denn der Grad der Erwerbsminderung muss an den tatsächlichen Arbeitsplatz angepasst werden, denn nur dann stimmt es. Und alle anderen Zahlen sind einfach unrichtig und bringen eines: dass die Arbeitgeber noch mehr verschreckt sind, wenn sich jemand vorstellen kommt und sagt, er ist behindert, und noch dazusagen muss, mit einem Grad von 90 Pro­zent. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.31

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Wir brauchen den Entschließungs­antrag. Wir haben kein unterschriebenes Exemplar. Aber wir gehen jetzt in der Debatte weiter, und in der Zwischenzeit bekommen wir ihn.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


19.32

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Vorsitzende der Volksan­waltschaft! Meine Herren Volksanwälte! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Na­türlich ist das ein Bericht von einer Dimension, wo man sagen kann: Hochachtung! Es wurde Ihnen heute schon mehrmals Dank für Ihre Arbeit ausgesprochen. Ich möchte Ihnen aber auch danken dafür, dass Sie draußen vor Ort vielen hunderttausenden Menschen Ihr Ohr leihen, ihnen auch Ihre Beratungstätigkeit anbieten und ihnen manchmal über Schwierigkeiten hinweghelfen. Ich möchte aber nicht nur Ihnen danken, sondern auch Ihren Mitarbeitern, die diese ganze Prozedur mitmachen und mit großem Engagement mitarbeiten.

Meine Damen und Herren! Man kann sich schon eine Vorstellung machen: 14 000 An­träge, nur eines muss man auch feststellen: Ein Drittel der Anträge, die Ihnen vorgelegt werden, wird unzuständigkeitshalber wieder zurückgewiesen oder eingestellt. Auch diese Quote sollte man einmal kritisch berücksichtigen und diskutieren.

Wenn ich mir diese Berichte durchlese, fällt mir eines auf, und das freut mich unge­mein: Sowohl im Bericht 2001 als auch im Bericht 2002 ist im Bereich des Bundes­kanzleramtes eine Quote von jeweils zwei Fällen festzustellen. Ich sage es deshalb,


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weil das ein Beweis dafür ist, dass unser Herr Bundeskanzler mit all seinen Mitarbei­tern in seinem Amt hervorragend arbeitet. Wir können uns freuen darüber, wir können stolz sein, und ich will ihm von dieser Stelle aus auch Kompliment, Dank und Aner­kennung sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ihre Aufgabe in einer hoch entwickelten Gesellschaft ist es, die Beschwerden zu hören, ja, uns die eine oder andere Empfehlung zu geben. Ich glaube aber auch, dass es Ihre Aufgabe ist, auch die Verwaltungsarbeit manchmal etwas kritisch darzustellen. Ich weiß, dass Sie nicht allen helfen können in einer Welt von vielen Vorschriften, Verord­nungen und Gesetzen, die nicht immer verstanden werden, aber ich glaube, alleine dass man sich damit beschäftigt und befasst, ist ganz, ganz wichtig.

Es ist auch erfreulich für uns – und das hat mein Kollege vorhin schon gesagt –, dass die Feststellungen über die Erledigung der Hochwasserschäden eigentlich positiv sind, dass es keinen Mangelfall gibt, obwohl so viel Kritik geübt wurde. – Ansonsten möchte ich mich einigen Themen zuwenden, die schon auch angesprochen werden müssen.

Ein Großteil Ihrer Arbeit bezieht sich auf den Bereich der Sozialpolitik. Wenn in vielen Fällen das unterschiedliche Leistungswesen in der Krankenversicherung aufgezeigt wird, dann, glaube ich, ist es für uns alle Zeit, nachzudenken, ob wir diese Struktur der Leistungspolitik auch in Zukunft aufrechterhalten oder ob es nicht doch höchst notwen­dig wäre, dass wir gerade in diesem Bereich mehr Koordination, mehr Harmonisierung, mehr Zusammenführung, mehr Abstimmung im Rahmen der nächsten Novelle vorneh­men und somit dem Bürger anbieten. Ich glaube, gerade hier hat der Bürger ein Feld vor sich, wo er jeden Tag vielleicht auch ein bisschen mit Sorge, Angst oder Unsicher­heit unterwegs ist. Ich denke, das ist eine große Herausforderung.

Das Zweite – Kollege Prähauser hat diesen Fall wieder vorgetragen –: der Invaliditäts­begriff. Es sind zahlreiche Fälle angeführt, wo festgestellt wird, dass der Invaliditätsbe­griff oder der Erwerbsunfähigkeitsbegriff, wie wir ihn heute haben, so nicht mehr weiter­geführt werden kann. Es ist hier eine dringende Korrektur notwendig. Das geht bis hin zum Berufsschutz. Es kann doch nicht sein, dass Menschen mit gleicher Erkrankung, mit ähnlicher Behinderung, nur weil sie einem anderen System angehören, einerseits eine Leistung zugesprochen bekommen und andererseits nie zu einer Leistung kom­men. Das sind doch antiquierte Ansätze. Eine moderne Gesellschaft, eine moderne Sozialpolitik, eine bürgernahe Sozialpolitik braucht hier auch eine neue Ausrichtung.

Was mir ein Anliegen ist – und das zeigen Sie in beiden Berichten sehr deutlich auf –, ist die Verkürzung der Verfahrensdauer bei den Arbeits- und Sozialgerichten. Meine Damen und Herren! Wenn man hier lesen kann – und wir müssen das ja auch fallweise erfahren –, dass Verfahren ein halbes Jahr, ein Jahr und länger dauern, dass Sachver­ständigentätigkeiten oft sehr restriktiv durchgeführt werden, dass bei Gericht der Akt nicht erledigt wird, während die Bürger um ihre Existenz bangen, dann, denke ich, ist es auch wichtig, dass Sie das aufzeigen. Aber für uns ist es eine Herausforderung, dass wir schauen, dass es in Zukunft in diesem Bereich eine Beschleunigung gibt.

Eine letzte Sache, auch zur Gerichtsbarkeit: Es wird im Bericht der Fall eines Bezirks­gerichtes aufgezeigt. Die lange Verfahrensdauer wird damit begründet, dass dieses Bezirksgericht nur mit einer Person besetzt war, und diese Person war einmal krank, einmal auf Urlaub und dann im Mutterschutz – insgesamt gesehen also ein unbefriedi­gender Zustand. Ich sage es deshalb, weil wir bei der Reform der Gerichtsbarkeit sehr oft den Vorwurf bekommen haben, dass all diese Strukturen, die draußen vorhanden sind, gerechtfertigt wären. Gerade dieser Fall zeigt uns sehr deutlich, dass die Reform, die wir gemacht haben, richtig war und dass wir diesen Bereich weiterentwickeln müssen, dass wir Gerichte brauchen, die ordentlich besetzt sind, die notwendige Aus­stattung an Personal haben und auch zügig arbeiten können, damit die Fälle zeitge-


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recht abgeschlossen werden und der Bürger zu seinem Recht kommt. – Herzlichen Dank für Ihre Arbeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.38

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass der Antrag der Abgeordneten Haidlmayr und KollegInnen betreffend Pflegegeldanspruch nunmehr schriftlich vorliegt, ausreichend unterstützt ist und mit zur Verhandlung steht.

Zu Wort gelangt Frau Volksanwältin Bauer. – Bitte.

 


19.39

Volksanwältin Rosemarie Bauer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich mit einem Dank an Sie beginnen: Ein herzliches Dankeschön an Sie, denn Sie haben erkannt, in welchem personellen Notstand sich die Volksanwaltschaft auf Grund der gestiegenen Beschwer­deanzahl befunden hat, und entsprechend gehandelt. Ich bedanke mich hier herzlich für das gesamte Haus, aber auch im Namen meiner Kollegen für die Möglichkeit, nun ab 2004 drei Referenten einzustellen, und auch für die Anhebung der budgetären Mittel für den Sachaufwand.

Gerne nehme ich natürlich auch die Dankesworte an unser Haus entgegen. Ich glaube, unsere Mitarbeiter in der Volksanwaltschaft haben sich diesen Dank wirklich verdient, weil sie unter gleichen Bedingungen einen erheblich steigenden Anteil an Beschwer­den bewältigen mussten; Sie wissen ja, dass die Steigerungen über 80 Prozent betra­gen haben.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf unseren Prüfbericht aus dem Jahr 2002, in dem die erfolgten Bürger- und Behördenkontakte in den Jahren 2001 und 2002 ganz genau gegenübergestellt worden sind.

Ich verweise aber auch darauf, dass nicht allein die Fernsehsendung „Der VolksAn­walt“ – die natürlich ausschlaggebend war, das kann man statistisch nachweisen – diese ansteigenden Zahlen bewirkt hat, sondern dass wir auch bestrebt sind, so viel Bürgerkontakt wie möglich zu halten. Wir hatten im vergangenen Jahr 283 Sprechtage und haben persönlich mit 2 262 Personen in Wien und in den Bundesländern gespro­chen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Kontakte mit den einzelnen Beschwerde­führern außerhalb der Sprechtage.

Besonderes Augenmerk möchte ich auf unseren Auskunftsdienst lenken. Unsere Ver­waltung und unsere Mitarbeiter dort arbeiten großartig. Das Beschwerdeaufkommen im Auskunftsdienst ist vom Jahr 2001 auf das Jahr 2002 um 3 000 Vorfälle angestiegen. Das, so meine ich, zeigt am allerbesten, in welcher Intensität wir unserer Arbeit nach­gehen.

Neu an unserem Bericht – darauf ist schon verwiesen worden – ist der Grundrechtsteil, den wir von nun an beibehalten und auch in den Länderberichten anführen wollen.

Der Hochwasserbericht ist auch kein Bericht, der der Norm entspricht. Es war eine spannende Aufgabe für uns, wir haben die Förderrichtlinien verglichen beziehungs­weise die Einrichtung einer Beschwerdekommission herbeigeführt, aber hoffentlich kommt solch ein Unglück nicht wieder! An dieser Stelle muss ich – und ich mache das wirklich gerne – sagen, dass alle Beteiligten und vor allem die Verwaltung großartig gearbeitet haben. Dieser enorme Einsatz aller Beteiligten war nicht selbstverständlich.

Es hat uns sehr verblüfft, dass wir nur zwölf Individualbeschwerden zu verzeichnen hatten. In keiner einzigen davon allerdings wurde eine Berechtigung zur Beschwerde gefunden.


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Zu den legistischen Anregungen. – Es ist sicherlich richtig, dass wir hartnäckigst viele unserer legistischen Anregungen über Jahre hinweg beibehalten. Ein Teil – das muss man der Gerechtigkeit halber sagen – ist aber sehr wohl in Umsetzung.

Frau Kollegin Haidlmayr, weil Sie hier explizit auf einen Fall hingewiesen haben! Ich möchte Ihnen sagen, dass dieser von Ihnen aufgezeigte Fall bereits Abhilfe finden könnte in der Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes; die Begutach­tungsfrist dafür endet am 5. November 2003. Es wurde auch einige Male erwähnt, dass die Volksanwaltschaft diese Änderung wünscht. Den zweiten Fall, den Sie angespro­chen haben, betreffend kann ich Ihnen sagen, die Nachkommen beziehungsweise Erben müssten einen Fortsetzungsantrag stellen, um diese Sache über die Bühne zu bekommen.

Frau Kollegin Stoisits hat gemeint, es sei zum ersten Mal auch ein Minderheitsbericht darin zu finden. – Das ist nicht der erste, sondern der zweite Minderheitsbericht. Kollege Kohlmaier hat bereits 1995 einen Minderheitsbericht dargelegt, sagen wir es so. An sich ist diese Möglichkeit in der Verfassung natürlich ausdrücklich gegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf abschließend noch Folgendes sagen: Es treffen viele Beschwerden bei uns ein, und viele Beschwerden sind auch nicht berechtigt. Diese scheinen dann nur in der Statistik auf, und man fragt sich, was mit diesen Beschwerden geschieht. Schickt man die Beschwerdeführer einfach heim? – Ich darf dazu auch für meine Kollegen sagen, dass wir uns sehr bemühen, Wege aufzuzeigen, Hilfestellungen zu geben, weiterzuhelfen, Möglichkeiten zu bieten, ja in manchen Fällen habe ich das Gefühl, dass wir schon fast Mediatoren sind.

Wir machen das aber gerne, und – wir können nur unseren gesetzlichen Auftrag aus­leben und nicht mehr – wir sind alle miteinander, jeder in seinem Geschäftsbereich, auch Kooperationen mit anderen Stellen eingegangen – das ist wieder der Vorteil von uns allen, die wir Kontakte haben –, damit wir wirklich alle Möglichkeiten nutzen, um Hilfestellung geben zu können und die Beschwerdeführer nicht einfach abspeisen zu müssen: Tut uns Leid, wir sind nicht zuständig! (Beifall bei der ÖVP.)

Ein besonderer Wunsch meinerseits sei zum Abschluss vielleicht auch noch ausge­sprochen, nämlich: der Umgang mit Kontrolle, der Umgang mit Kritik. Es fällt mir auf – das kann ich jetzt nur für mich sagen –, dass, wenn ein Fehler passiert, oft versucht wird, diesen Fehler zu kaschieren. Wie so oft im Leben, auch in anderen Bereichen, führt aber dann genau das zum Unglück. Es kommt zu immer mehr Verwurschtelun­gen, und alles wird noch schlimmer. Daher meine ich, wir brauchen ein gerüttelt Maß an natürlichem Zugang zur Kritik und Umgang mit dieser Kritik. Wir tun uns dann in Zukunft alle auch viel leichter, wenn es darum geht, Fehler zu vermeiden oder Verbes­serungen zu bewirken.

In diesem Sinne bedanke ich mich noch einmal sehr herzlich für das Lob, das wir ge­erntet haben, aber auch für das Lob, das vor allem unsere Mitarbeiter geerntet haben. Ich nehme es gerne mit. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

19.46

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Reg­ler. – Bitte.

 


19.46

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Frau Volksanwältin Rosemarie Bauer! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Zu­allererst möchte auch ich unterstreichen, wie unvorstellbar gut bei der Beseitigung der Hochwasserschäden und der Abwicklung der Hochwasserhilfe im Jahr 2002 gearbeitet wurde. In vielen Gebieten war es ja ein hundertjähriges Hochwasser, in einer ganzen


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Reihe von Gebieten sogar ein tausendjähriges Hochwasser. Dass diese Abwicklung ohne eine einzige berechtigte Beschwerde erfolgt ist, stellt sowohl den ersten Instan­zen, die das abgewickelt haben, als auch den Beschwerdekommissionen wirklich ein ganz tolles Zeugnis aus. Ich meine, das Hohe Haus sollte sich geschlossen für diese tolle Abwicklung herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einer der wesentlichsten Punkte der Tätigkeit der Volksanwaltschaft für mich ist es, legistische Anregungen zu geben, und wir können uns freuen, dass ganz wichtige Punkte bereits umgesetzt wurden oder gerade eben in Umsetzung begriffen sind.

Frau Volksanwältin Bauer hat uns im Ausschuss erzählt, wie viele Menschen zu ihr ge­kommen sind und sie in der Frage der Nachbarrechte um Hilfe gebeten haben. Jeder Gemeindepolitiker, in Wien jeder Bezirkspolitiker weiß, wie oft jemand kommt und sagt: Der Nachbar macht das und das, seine Bäume nehmen mir das Licht weg. – In diesem Zusammenhang ist ein ganz großer Schritt gemacht worden. Mit dem Zivilrechts-Änderungsgesetz werden nunmehr für Nachbarschaftsstreitigkeiten Mediatoren oder Schlichtungsstellen vorgesehen, damit hier wirklich Abhilfe geschaffen werden kann. Ich warte schon gespannt darauf, wie sich das bewährt. Ich glaube, es ist besser, man geht zur Mediation, als es kommt – wie das leider auch manchmal geschieht – zu tät­lichen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Nachbarn.

Zweiter Punkt in der legistischen Umsetzung, den ich unbedingt erwähnen möchte: Die Volksanwaltschaft hat ein Bundes-Heimvertragsgesetz urgiert, und ich freue mich ganz besonders, dass es bereits eine Regierungsvorlage dazu gibt. Die Volksanwaltschaft hat darauf hingewiesen, dass ältere Menschen, behinderte Menschen beziehungs­weise pflegebedürftige Menschen auch eine Selbstbestimmung haben, die garantiert sein muss. Wenn ich daran denke, dass es in einer Reihe von Fällen in Wien zu großen Schwierigkeiten gekommen ist, so muss ich sagen, es ist ganz wichtig, dass dieses Gesetz bald beschlossen wird.

Der dritte Punkt in den legistischen Anregungen, den Frau Abgeordnete Haidlmayr aufgegriffen hat, betrifft den Pflegegeldanspruch. Ich muss dazu Folgendes sagen, und zwar namens der beiden Regierungsparteien: Diese Anregung ist bereits in legistischer Umsetzung begriffen. Wir haben ganz große Sympathie dafür, dass auch für das Sterbemonat der Anspruch auf den aliquoten Teil des Pflegegeldes gegeben ist, es ist uns nur heute, da diese Anregung gerade in Umsetzung begriffen ist, nicht möglich, dem Antrag der Grünen zuzustimmen. Ich hätte daher auch die Bitte an Frau Abge­ordnete Haidlmayr, in solchen Fällen Anträge etwas früher einzubringen und einen Konsens mit den anderen Fraktionen zu suchen, damit sie dann doch positiv abge­stimmt werden können.

Wir sind, gerade was diesen Punkt betrifft, auf einem guten Weg. Daher ist die Tat­sache, dass wir diesem Antrag heute nicht zustimmen können, keine Ablehnung im Inhalt, sondern ich hoffe, dass wir sehr bald hier im Hohen Haus den entsprechenden Beschluss fassen können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.50

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar stimmen wir ab über den Antrag des Verfassungsausschusses, den Fünfundzwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2001 zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes eintre­ten, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, der Bericht für das Jahr 2001 ist vom Nationalrat einstimmig zur Kenntnis genommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, den Sechsundzwanzigsten Bericht, der das Jahr 2002 betrifft, ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen.

Auch hier darf ich um ein Zeichen der Zustimmung bitten, falls dies so beschlossen werden soll. – Ich stelle fest, der Nationalrat nimmt auch den Bericht für das Jahr 2002 einstimmig zur Kenntnis.

Wir gelangen zur Abstimmung über den von Frau Abgeordneter Haidlmayr eingebrach­ten Entschließungsantrag betreffend aliquoten Pflegegeldanspruch.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag betreffend Pflege­geld zustimmen, um ein Zeichen. – Der Antrag findet nicht die erforderliche Mehrheit und ist daher abgelehnt.

Damit haben wir diese Tagesordnungspunkte erledigt.

Ich darf den drei Mitgliedern der Volksanwaltschaft für die Teilnahme an der Debatte herzlich danken.

 8. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (93 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Rechts-Überleitungsge­setz und das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 geändert, ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 erlassen, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsge­setze, Bundesgesetze und in Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestim­mungen aufgehoben werden (Kundmachungsreformgesetz 2004) (243 d.B.)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


19.52

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! KollegInnen! Hohes Haus! Was uns jetzt zur Beschlussfassung vorliegt, ist das Kundmachungsreformgesetz. Dieses Kund­machungsreformgesetz regelt die Kundmachung von Rechtsvorschriften des Bundes im Internet. Ich meine, man kann ohne Übertreibung sagen, dass es sich dabei um einen Meilenstein im Kundmachungswesen handelt, und zwar deswegen, weil es sich um einen Wechsel von papiergebundener Kundmachung hin zu einem elektronischen System handelt. In Kraft treten soll das Ganze mit 1. Jänner 2004. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich habe es schon im Ausschuss gesagt – was Frau Kollegin Stoisits zwar zu Wider­spruch gereizt hat, aber ich sage es auch jetzt und nehme den Widerspruch in Kauf, weil ich davon überzeugt bin –: Ich denke, es ist eine Freude, diesem Gesetz zustim­men zu können, und ich glaube auch zu wissen, dass alle vier Fraktionen zustimmen werden. Es ist nämlich, das kann man durchaus sagen, ein Vereinfachungs- und auch ein Einsparungsgesetz, und es gibt eigentlich grundsätzlich Anlass zur Freude, wenn man hier über so etwas diskutieren beziehungsweise auch abstimmen kann.

Es vereinfacht auf der einen Seite den Zugang zu den Rechtsvorschriften für die Behörden, aber sicherlich auch für die Bürger, weil jeder, der einen Internetanschluss besitzt, in Zukunft sehr einfach zu den Rechtsvorschriften kommen kann. Ob er es


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dann tun wird oder nicht, wird man sehen, aber er kann sich auf jeden Fall einen guten Überblick über die Rechtsvorschriften verschaffen.

Zum zweiten Aspekt – der auch erfreulich ist –, dem Einsparungsgesetz: Es wird für den Bund allein zu Einsparungen im Jahr von 400 000 € kommen, und das halte ich eigentlich für eine sehr bemerkenswerte Summe. Ich war im Ausschuss relativ über­rascht, als Frau Kollegin Stoisits meinte, das sei doch eigentlich eher bedeutungslos.

Im Übrigen sehr positiv hervorheben möchte ich aber die Initiative meines Kollegen Dr. Wittmann, der uns im Vorfeld zu den Beratungen im Ausschuss einige Vorschläge zur Verbesserung gemacht hat. Am wichtigsten ist natürlich eine Vorkehrung für den Fall des Ausfalls des Systems. Was passiert, wenn das elektronische System zusam­menbricht? – Dafür ist im Gesetzentwurf eine entsprechende Vorkehrung getroffen: dass es beglaubigte Abschriften gibt, die aufgehoben und auch beurkundet und bei den verschiedenen Stellen gesammelt werden, wo dann auch Einsicht genommen wer­den kann. Das heißt, es ist vorgesehen, dass im Falle des Ausfalls des Systems nichts passieren kann.

Ich möchte im Zusammenhang mit diesem Gesetz, das im Prinzip – ich habe es gesagt – in erster Linie Anlass zur Freude gibt, aber noch das RIS, das Rechtsinforma­tionssystem des Bundes hervorheben. Ich möchte an dieser Stelle auch den Kollegin­nen und Kollegen, die damit arbeiten, sehr herzlich danken. Es ist ein sehr gutes System, man kann gut damit arbeiten, man hat einen guten Überblick. Sie haben es auch weiterentwickelt, sie haben in Bezug auf dieses Rechtsinformationssystem sehr viel Arbeit geleistet und es, so denke ich, auch sehr anwenderfreundlich gestaltet. Dafür herzlichen Dank.

Ich hoffe und würde mich freuen, dass alle Fraktionen diesem Meilenstein im Kund­machungssystem zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.55

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

 


19.56

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Das geplante Kundmachungsreformgesetz, das hat auch meine Vorrednerin schon gesagt, soll vor allem die Umstellung der Kundmachung von Gesetzen und Verordnungen in Papier­form zu einer Kundmachung im Internet bewirken. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Die authentische Fassung soll in Zukunft also nicht mehr die gedruckte Version sein, sondern die im Internet abrufbare. Wir unterstützen dieses Vorhaben, weil das eine moderne Kundmachungsform ist, die Kosten spart und viele Vorteile bietet. Wir haben auch zahlreiche Anregungen zu diesem Gesetz gemacht, die im Gesetz Aufnahme ge­funden haben, so etwa die kostenlosen Ausdrucke aus dem Bundesgesetzblatt und die Möglichkeit, da etliche Bürgerinnen und Bürger noch keinen Internetanschluss haben, gegen Kostenersatz Ausdrucke bei den Gemeinden erstellen zu lassen.

Es wurden auch Vorkehrungen für den Ausfall des Internets in die Vorlage aufgenom­men und damit verbunden die Möglichkeit, zur Kundmachung in Papierform zurückzu­kehren, wenn das Internet nicht funktioniert.

Eine Frage, die für mich auch nach den Ausschussberatungen noch ungeklärt ist, ist die Frage der Herstellung einer authentischen ausgedruckten Version, die in Zukunft die Internetversion sein soll, was ein grundsätzlich rechtstheoretisches Problem ist, da zwei Abzüge einerseits der Nationalbibliothek und andererseits dem Staatsarchiv zur Verfügung gestellt werden sollen. Es erhebt sich die Frage, welche die echte authen-


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tische Version sein wird. Darüber haben wir einige Debatten im Ausschuss geführt, und es wurden im RIS – das hat meine Vorrednerin ebenfalls schon gesagt – auch zahl­reiche Verbesserungen vorgenommen.

Die Frage der authentischen Version führt mich zu einer Betrachtung, die hier im Hohen Haus vor einigen Monaten eine Rolle gespielt hat, nämlich zur Frage der Authentizität im Zusammenhang mit dem Budgetbegleitgesetz 2003. Hier haben Sie ja ein Sammelgesetz unter Verletzung des demokratischen und des rechtsstaatlichen Prinzips und der Vorschriften der Geschäftsordnung des Nationalrates beschlossen. Sie haben mit einem einzigen Sammelgesetz 84 bestehende Bundesgesetze erlassen, sodass der reine Gesetzestext dieses Budgetbegleitgesetzes insgesamt fast 780 Sei­ten umfasst – das wissen Sie ja.

Sie haben dieses Gesetz unter Nichtauflage des Ausschussberichtes gemäß § 44 GOG geschäftsordnungswidrig und damit verfassungswidrig am 11. Juni 2003 in der 20. Sitzung des Nationalrates beschlossen. – Weshalb sage ich das? Weil nämlich gemäß § 44 Abs. 1 GOG die Verhandlung eines von einem Ausschuss vorzuberaten­den Gegenstandes im Nationalrat nicht vor Ablauf von 24 Stunden nach erfolgter Ver­teilung des Ausschussberichtes stattfinden darf. Sie haben diese 24-stündige Auflage­frist umgangen und die Vorlage über das Internet zugestellt, weshalb etliche Abge­ordnete nicht in der Lage waren, diese riesigen Datenmengen, die da versandt wurden, rechtzeitig zu erhalten.

Sie haben damit nicht nur den Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt, sondern auch das Recht der Abgeordneten auf Information über die Verhandlungsgegenstände, weil nach der Geschäftsordnung die Verteilung eines schriftlichen Ausschussberichtes, so wie er von der Parlamentsdirektion angefertigt wird, zwingend vorgesehen ist. Nur die­ser ist authentisch. Es stellt sich daher die Frage der Authentizität, Herr Staatssekretär, denn das vorliegende Kundmachungsreformgesetz steht im Widerspruch zum Ge­schäftsordnungsgesetz. Im Geschäftsordnungsgesetz steht, dass nur die schriftliche Form die authentische ist und Gegenstand der Verhandlungen sowie der Abstimmun­gen sein kann sowie dass eine Publikation im Internet kein Ersatz für die schriftliche Verteilung dieses Berichtes sein kann.

Da Sie den erwähnten Ausschussbericht im Juni den Abgeordneten nur zwei Stunden vor der Sitzung zugestellt haben, wurde das gesamte Budgetbegleitgesetz 2003 ge­schäftsordnungswidrig und damit verfassungswidrig beschlossen, was den Verfas­sungsgerichtshof zwingen wird, dieses Monstrum von Gesetz demnächst aufzuheben – mit Konsequenzen, die noch nicht ganz absehbar sind. Sie haben nämlich nicht nur die Pensionsreform, die Verwaltungsreform, die Änderungen im Gesundheitsbereich, die ÖBB-Reform und die Abfangjäger in dieses Gesetz hineinverpackt, sondern damit auch die Menschen in ihren Rechten gravierend beschränkt, etwa bei den Pensionen. Sie haben den Durchrechnungszeitraum erhöht, Sie haben die Frühpension abge­schafft, Sie haben Abschläge eingeführt, Steigerungsbeträge und so weiter – entgegen allen Versprechungen des Herrn Bundeskanzlers aus dem Jahre 1997, wonach es eine solche Pensionsreform nicht mehr geben und der Durchrechnungszeitraum bis zum Jahr 2020 unverändert bleibe werde. All das hat er damals versprochen! Und es ist nichts daraus geworden.

Das Kundmachungsreformgesetz kommt jetzt zu spät für Sie, weil, wie gesagt, das Budgetbegleitgesetz auf verfassungswidrige Art beschlossen wurde (Abg. Murauer: Was schlagen denn Sie vor zur Pensionssicherung?), was ja auch zur bekannten Reaktion des Herrn Bundespräsidenten geführt hat – mit der sanften Drohung, notfalls die Regierung entlassen zu können, und all den anderen Skurrilitäten, die es in diesem Zusammenhang gegeben hat.


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Wir hoffen also, dass solche Vorgangsweisen in Zukunft unterbleiben werden, dass Sie in Zukunft in der Lage sein werden, solche Gesetze verfassungskonform einzubringen und zu beschließen. Das Kundmachungsreformgesetz, dem wir unsere grundsätzliche Zustimmung geben können, wird Ihnen dabei vielleicht eine kleine Hilfe sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.03

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.03

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das Kundmachungsreformgesetz, das wir heute beschließen, ist aus meiner Sicht sehr dringlich und ein Meilenstein in der Mitteilungspolitik der Bundes­regierung. Es ist darüber hinaus auch noch eine enorme Einsparung im Bereich der Verwaltung mit einer Größenordnung von über 400 000 € damit verbunden. Ich glaube, dass das in Summe eine sehr vernünftige Lösung ist, für die wir auch einen Vier-Parteien-Konsens erzielen konnten.

Das Kundmachungsgesetz lehnt sich an das RIS, also das Rechtsinformationssystem an, mit all den Vorteilen, die in der Praxis bereits genutzt werden und sicherstellen, dass Informationen von der Verwaltungsebene des Bundes benutzerfreundlich zum Endverbraucher gelangen. Wir sehen darin sehr große Vorteile für die Benützer, für die Bürger, weil sie nun kostengünstig, meist kostenlos und benutzerfreundlich zu den Informationen kommen und vor allem, was für mich sehr wesentlich ist, jederzeit zu den Informationen kommen und nicht an die Öffnungszeiten der Ämter gebunden sind.

In Summe ist es also eine sehr vernünftige Änderung. Aus meiner Sicht ist jedoch nicht der richtige Zeitpunkt für die von meinem Vorredner erwähnte Abänderung. Ich glaube, man soll mit dem Vorliegenden zufrieden sein.

Ich bringe noch folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Scheibner, Mag. Posch, Mag. Stoi­sits, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verfassungsausschusses (243 d.B.) über die Regierungsvorlage (93 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz, das Rechts-Überleitungsgesetz und das Finanz-Verfassungs­gesetz 1948 geändert, ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 erlassen, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 geändert und einige Bundesverfassungsgesetze, Bundesgesetze und in Bundesgesetzen ent­haltene Verfassungsbestimmungen aufgehoben werden (Kundmachungsreformge­setz 2004)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Art. 4 (Bundesgesetzblattgesetz 2004) wird wie folgt geändert:

1. In § 8 Abs. 1 entfällt der Ausdruck „, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruht“.

2. § 8 Abs. 3 lautet:

„(3) Von jedem Dokument sind mindestens drei Sicherungskopien und vier beglaubigte Ausdrucke zu erstellen. Je eine Sicherungskopie und je ein beglaubigter Ausdruck sind an das Österreichische Staatsarchiv und an die Österreichische Nationalbibliothek ab-


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zuliefern und von diesen zu archivieren. Ein beglaubigter Ausdruck ist der Parlaments­bibliothek zu übermitteln.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.05

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.06

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Ich möchte nichts wiederholen, was schon gesagt wurde, auch über die Dringlichkeit des Vorhabens, weil es ja schließlich in erster Linie darum geht, Geld zu sparen. Es handelt sich dabei, wie ich mich im Aus­schuss aufklären ließ, um eine stattliche Summe, die über die in der Regierungsvor­lage genannten 400 000 € noch hinausgeht, weil zu erwarten ist, dass auch Länder und Gemeinden einsparen.

Wiewohl das eigentlich die einzige Erklärung für diese Gesetzesinitiative in den Er­läuterungen ist, habe ich mich letztendlich nach einigem Groll bei der politischen Aus­einandersetzung darüber davon überzeugen lassen, dass dieses Vorhaben sinnvoll ist, nicht zuletzt deshalb, weil mein Groll nicht auf eine Technikfeindlichkeit beziehungs­weise eine zu geringe Gläubigkeit in die modernen Medien und Kundmachungsformen zurückzuführen ist, sondern weil ich, auch jetzt noch, einfach zu bedenken geben möchte – und darauf bezieht sich auch mein Entschließungsantrag, den ich dann ein­bringen werde –, dass wir nicht so tun sollten, als wäre die technisierte Welt eine, die allen im gleichen Ausmaß zugänglich ist.

Ich gebe zu, dass Bundesgesetzblätter nicht gerade das allererste Herzensbedürfnis der einzelnen Bürgerin, des einzelnen Bürgers sind. Aber selbst in solch seltenen Fällen kann ein vielleicht nicht so einfacher Zugang zu diesen manchmal Auswirkun­gen haben. Für diese Fälle sollten wir, meine ich, Vorsorge treffen, damit, obwohl es nun durch die Technik viel mehr Möglichkeiten gibt, der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu diesen Informationen in Zukunft nicht erschwert wird.

Um das zu gewährleisten – und das wurde auch im Ausschuss und in den Ausschuss­feststellungen festgehalten –, möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Schaffung eines erleichterten Zuganges zum geltenden Recht auch für Menschen ohne Internetanschluss

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, sicherzustellen, dass alle rechtsuchenden Per­sonen in Österreich während der Amtsstunden der Gemeinden Gelegenheit erhalten, Einsicht in das österreichische Bundesgesetzblatt zu nehmen“ – Einfügung von mir: im Internet – „und gegen Kostenersatz Ausdrucke aus dem Bundesgesetzblatt zu erhal­ten. Weiters soll sichergestellt werden, dass der Bund den Gemeinden die speziellen


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Kosten, die durch diese verbesserte Zugangsmöglichkeit zum Bundesrecht entstehen, ersetzt.“

*****

Dieser Entschließungsantrag bringt nichts anderes zum Ausdruck, als dass damit sichergestellt werden soll, dass sich die Situation für den Einzelnen und die Einzelne keinesfalls verschlechtert. Es hat schlicht und einfach nicht jeder einen Zugang zum Internet. Und da ich gehört habe, dass alle österreichischen Gemeinden Zugang zum Internet haben – daran zweifle ich nicht –, wäre es ein Einfaches, diesem Entschlie­ßungsantrag, dem Auftrag beziehungsweise der Bitte an den Bundeskanzler zu ent­sprechen und gleichzeitig darauf Bedacht zu nehmen, dass die Gemeinden finanziell nicht mehr belastet werden als bisher. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

20.09

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Staatssekretär Morak zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.10

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Nationalrates! Werte Frau Stoisits, Sie haben zwar im Ausschuss Ihren Groll geäußert, aber dem Gesetz letztendlich doch zugestimmt, und ich glaube, Sie haben gut daran getan, weil es ein gutes Gesetz ist. So spröde und rechtstechnisch die Materie auch sein mag, ich glaube, dass dieses Kundmachungsreformgesetz 2004 getrost, wie das heute schon gesagt wurde, als Meilenstein bezeichnet werden kann.

Denken Sie nur an die Papierberge, die bei der Kundmachung eines Bundesgesetzes bisher versendet werden mussten! In Zukunft wird das durch eine Kundmachung im Rechtsinformationssystem des Bundes ersetzt werden. Durch diese neue Form der Kundmachung gelingt aber auch ein wesentlicher Fortschritt im Bereich des E-Govern­ments hin zu einer Verwaltung, in der den Bürgerinnen und Bürgern der Zugang zum Recht wesentlich erleichtert wird. So werden mit diesem Gesetz Verlautbarungen 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr ohne Identitätsnachweis und gebührenfrei im Internet zugänglich sein. Wir gehören im Bereich des E-Governments in Europa bereits zu den Besten. Ich glaube, durch dieses Gesetz werden wir diese Position noch weiter ausbauen.

Bestätigt wird dieser Weg auch – wenn ich das noch bemerken darf – durch die Zahlen, die von der Statistik Austria in dieser Woche veröffentlicht wurden, dass näm­lich bereits 1,2 Millionen Haushalte, was weit mehr als einem Drittel aller Haushalte entspricht, über einen Internetzugang verfügen. Sie alle haben dann über das Rechts­informationssystem des Bundes Zugriff auf die authentischen, im Bundesgesetzblatt kundgemachten Rechtsvorschriften.

Natürlich müssen aber auch jene Bürgerinnen und Bürger, die bis dato über keinen Internetanschluss verfügen, einen Zugang zu kundgemachten Bundesgesetzen haben. Daher hat der Bund mit der „Wiener Zeitung Digitale Publikation GmbH“ eine Koopera­tionsvereinbarung dahin gehend abgeschlossen, dass Ausdrucke oder Kopien von noch in Papierform kundgemachten Rechtsvorschriften auch weiterhin wie bisher gegen Entgelt bezogen werden können. Bis zum 31. Dezember 2004 hat der Bundes­kanzler darüber hinaus jene Stellen zu bezeichnen, bei denen weiterhin Ausdrucke besorgt werden können.


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Im Zusammenhang mit den verstärkten Bemühungen im Bereich des E-Governments kann auch die in Zukunft bestehende Möglichkeit einer Beurkundung und Gegenzeich­nung des Bundespräsidenten beziehungsweise des Bundeskanzlers mittels elektroni­scher Signatur gesehen werden.

Auch wenn die verwendeten Computersysteme über höchste Sicherheitsvorkehrungen verfügen, beinhaltet das Gesetz auch eine „Notstandsregelung“. Das wurde ebenfalls schon ausgeführt: drei Sicherungskopien und vier beglaubigte Ausdrucke: im BKA, im Staatsarchiv, in der Nationalbibliothek und in der Parlamentsdirektion.

Beim Kundmachungsreformgesetz 2004 handelt es sich somit, wie wir meinen, um ein sehr ausgewogenes Gesamtpaket, durch das eine wesentliche Effizienzsteigerung, eine wesentliche Transparenzsteigerung und auch der Servicegedanke im Bereich der Verwaltung vorangetrieben werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

20.13

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.13

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dieser Gesetzesvorlage wurde wenig Kritisches angemerkt. Im Großen und Ganzen wurden bereits alle Vorteile aufgezählt beziehungsweise unterstrichen und die Beschlussfassung dieses Gesetzes begrüßt. Ich als Freiberuflerin darf noch einen ganz anderen positiven Aspekt vorbringen.

Wir rechtsanwendenden Berufe begrüßen das natürlich ganz besonders. Bis jetzt haben wir die Bundesgesetzblätter abonniert, ein Jahr lang gesammelt, geordnet, am Ende des Jahres binden lassen und dann in einer Bibliothek deponiert. Eine größere beziehungsweise schon länger existierende Kanzlei hat, um all diese Bundesgesetz­blätter zu archivieren beziehungsweise zu lagern, sogar einen eigenen Raum ge­braucht. Nunmehr fällt all das weg! Das RIS ist also gerade für rechtsberatende Berufe ein enormer und positiver Fortschritt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass es nicht nur zu jenen in den Erläuterungen des Bundesge­setzes genannten 400 000 € an Einsparungen kommen wird, sondern gerade auch bei den Normadressaten beziehungsweise bei den Normanwendern zusätzliche Einspa­rungen stattfinden werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

20.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Pendl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.15

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die vorliegende Gesetzesmaterie, eine Vier-Parteien-Einigung, ist, glaube ich, der Zeit entsprechend, ein modernes Gesetz und trägt auch der technischen Entwicklung Rechnung. Trotzdem möchte ich zwei Punkte ansprechen, die wir schon im Ausschuss diskutiert und dann auch in einer Ausschuss­feststellung festgehalten haben.

Herr Staatssekretär! Es ist schon richtig, dass immer mehr Leute zu Hause einen PC haben und immer mehr auch einen Internet-Anschluss. In anderen Zahlen ausge­drückt, sind es laut Statistik Austria aber genau 36 Prozent der österreichischen Haus­halte, die einen Internet-Anschluss haben. Wir haben im Ausschuss sehr ausführlich


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darüber diskutiert, dass gewährleistet sein muss, dass jeder Österreicher, jede Öster­reicherin zu seiner, zu ihrer Rechtsinformation kommt, das ist, glaube ich, wichtig und muss auch gesichert sein. Darüber herrschte Konsens im Ausschuss!

Mich freut natürlich der Antrag der Kollegin Stoisits, vor allem als Bürgermeister, da wir die Kolleginnen und Kollegen in der Diskussion im Ausschuss darauf hingewiesen haben, dass es zwar überhaupt keine Frage ist, das zu machen, wenn unsere Bürge­rinnen und Bürger kommen, um die Auskunft einzuholen – wir machen es ja gern! –, aber wenn wir uns schon durch das Ganze 400 000 € ersparen, dann hätte man die Gemeinden einfach mit einem Pauschalbetrag entlohnen können, würde ich meinen. Vielleicht könnten wir das jetzt noch, zu fortgeschrittener Stunde, im Interesse der österreichischen Kommunen hier einbauen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.17

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.17

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich habe ich geglaubt, dass alle hier einhellig die Meinung vertreten, dass wir damit etwas machen, was den Namen des Gesetzes verdient – das Gesetz heißt ja Kundmachungsreformgesetz –, denn für mich ist es schon ein wesent­licher Fortschritt. Zu Bundesgesetzblättern wird ja bisher kaum ein Haushalt gekom­men sein. Die Zahl der Internetzugänge in Privathaushalten ist derart im Ansteigen, dass das natürlich ein Quantensprung ist.

Wir haben ja das Problem, dass Politik oft nur für eine Minderheit stattfindet, aber das Internet wird innerhalb kürzester Zeit ein Medium sein, das eine Mehrheit der Öster­reicher haben wird. Zurzeit sind es 4 Millionen Österreicher, die Zugang zum Internet haben. Daher verstehe ich die nun geäußerten Bedenken nicht, es ist meiner Meinung nach eine zu negative Sicht. Dies betrifft auch den Entschließungsantrag der Kollegin Stoisits, in dem sie nun wieder einen Kostenersatz für die Gemeinden fordert. Selten gelingen uns mit dem Beschluss eines Gesetzes ein Reformfortschritt und eine Ein­sparung. Bei diesem Gesetz haben wir beides: Wir haben einen Reformfortschritt und Einsparungen immerhin in der Höhe von 400 000 €. Plötzlich aber wollen wir dem Bund wieder zusätzliche Kosten auferlegen? – Dafür habe ich kein Verständnis.

Und was zahlen die Gemeinden, Herr Kollege Pendl? – Den Internetausdruck! (Zwi­schenruf des Abg. Pendl.) Seien Sie mir nicht böse, aber die Kosten, die entstehen, wenn einmal ein Gemeindebürger kommt und tatsächlich einen Internetausdruck haben möchte, diese Kosten werden wohl noch alle Gemeinden tragen können!

Was für mich aber ganz wesentlich ist, ist ein Punkt, den wir oft ansprechen, nämlich dass die Politik transparenter und vor allem auch für die Jugend interessanter sein soll. Und diesbezüglich haben wir die größten Fortschritte. Immerhin 63 Prozent der Schulen haben bereits einen Internetzugang, und es gibt in der jüngeren Generation kaum jemanden mehr, der nicht mit diesem Medium sehr gut umgehen kann und in diesem Medium zu Hause ist. Vielleicht ist gerade dieser Beschluss ein Schritt dazu, dass die Jugend, auch in einer spielerischen Art und Weise, in einer Form, die sehr jugendadäquat ist, wieder verstärkt mit Politik in Kontakt kommt.

Ich wünsche mir, dass die Bundesländer diesem Beispiel des Bundes möglichst bald folgen in der Landesgesetzgebung und in deren Kundmachung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


20.20


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35. Sitzung / Seite 184

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 243 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Scheibner, Mag. Posch, Mag. Stoistis, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. 4 § 8 bezieht.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erfor­derliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl von Abgeordneten fest.

Da nur der oben erwähnte Abänderungsantrag vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 243 der Beilagen in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Baumgartner-Gabitzer, Scheibner, Mag. Posch, Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Ich stelle daher die verfassungsmäßig erforderliche Mehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines er­leichterten Zuganges zum geltenden Recht auch für Menschen ohne Internetan­schluss.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen. (Rufe bei der ÖVP: Nein! Nein! – Beifall bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.) – Verzeihung! Ich habe mich geirrt. Ich war bei einer anderen Zeile.

Die Abstimmung findet noch einmal statt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung eines erleich­terten Zuganges zum geltenden Recht auch für Menschen ohne Internetanschluss.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Es ist das die Minderheit und daher abgelehnt.

9. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (134 d.B.): Proto­koll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle samt Erklärungen (239 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
35. Sitzung / Seite 185

Als erster Debattenredner hat sich Herr Abgeordneter Hornek zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.22

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Geschätzte Abgeordnete! Hohes Haus! Umweltpolitik verlangt internationale Zu­sammenarbeit, um nachhaltige Wirkungen zu erreichen.

Österreich ist nicht nur auf Grund seiner geographischen Lage um eine besonders enge Zusammenarbeit im Umweltbereich auf gesamteuropäischer Ebene bemüht, son­dern es hat auch in der Vergangenheit bei der Ausarbeitung international verbindlicher Normen für den Bereich der Luftreinhaltung in Europa eine aktive Rolle gespielt. Die im Rahmen der UN-Wirtschaftskommission für Europa ausgearbeitete und von 33 Staaten und der Kommission abgeschlossenen Konvention über weiträumige grenzüberschrei­tende Luftverschmutzungen war eines der ersten und wichtigsten regionalen Umwelt­schutzabkommen Europas.

Das Ziel der Reduktion der grenzüberschreitenden Luftschadstoffbelastung im europäi­schen Rahmen wurde durch eine Reihe von Protokollen zur Konvention konkretisiert. Im nun vorliegenden Schwermetallprotokoll, das sich mit den grenzüberschreitenden Schadstoffen Blei, Quecksilber und Kadmium beschäftigt, wird ein weiterer Schritt gegen die Belastung der Umwelt gegangen. Dies ist eine weitere von vielen Maßnah­men, die Österreich im internationalen Kontext im Rahmen dieses Protokolls umsetzt.

Österreich hat alle wesentlichen Verpflichtungen des Schwermetallprotokolls bereits er­füllt. Es besteht daher kein Handlungsbedarf hinsichtlich neuer Grenzwerte, neuer Pro­duktbeschränkungen oder neuer Regelungen. Auch die im Protokoll vorgeschriebene Erstellung von Emissionsbilanzen wird ohnehin seit vielen Jahren in hervorragender Arbeit vom Umweltbundesamt erfüllt.

Für Österreich hat dieses Protokoll jedoch enorme Bedeutung. Da die Alpen als Prall­hang der durch die Luftströmungen verfrachteten Schwermetalle fungieren, ist die Ver­schmutzung vor allem im globalen Bereich zu sehen. Quecksilber stellt hier ein be­sonderes Problem dar, da es auf Grund seiner physikalischen Struktur leicht immitiert und entsprechend weit transportiert wird. Diesbezüglich werden die Umsetzung des Protokolls und die damit verpflichtenden Beschränkungen zum Beispiel des Bleigehalts von Benzin, des Quecksilbergehalts von Batterien sowie empfohlene Maßnahmen hinsichtlich Leuchtstofflampen, Farben et cetera eine globale Reduktion der Emis­sionen bewirken und auf langfristige Sicht die ökologische Belastung der Alpen beson­ders verringern.

Die Bewohner der Grenzregionen entlang des Eisernen Vorhangs mussten in den letzten Jahrzehnten schmerzhaft miterleben, was grenzüberschreitende Luftschadstoff­verfrachtungen bedeuten. Es kam in der Vergangenheit auch in meiner Heimatregion, dem Waldviertel, zu beachtlichen Beeinträchtigungen durch importierte Luftschadstoffe und daraus resultierend zu negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Umso erfreulicher ist es, dass in den letzten Jahren von unseren Nachbarländern fortschrittliche Umwelt­standards übernommen wurden und werden und dass es dadurch zu merkbaren Verbesserungen im Bezug auf Luftqualität gekommen ist. Viele umweltpolitische Aktivi­täten, die zum Großteil im Waldviertel initiiert wurden, haben in Partnerschaft mit unse­ren nördlichen Nachbarn dazu beigetragen. Dazu zählen Konzepte für das Energie­sparen und der Einsatz erneuerbarer Energieträger wie Biomasse und Sonnenenergie. Viele dieser Projekte wurden auch mit österreichischer Technik umgesetzt, und das zum Umweltnutzen beider Seiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Erkenntnis, dass Schutz und Erhaltung der Umwelt nur durch einen Paradigmenwechsel der sozialen und ökonomischen Ent-


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wicklung gewährleistet werden kann, hat unser ehemaliger ÖVP-Landwirtschaftsminis­ter und Vizekanzler Josef Riegler vor mehr als einem Jahrzehnt erkannt und als den Weg der ökosozialen Marktwirtschaft zum Konzept der ÖVP-Nachhaltigkeitspolitik ge­macht. Unter dem Begriff „Nachhaltigkeit“ oder „nachhaltiger Entwicklung“ sieht man heute die Lösung, auch benachteiligten Regionen und nachfolgenden Generationen faire Lebensbedingungen zu schaffen und zu erhalten.

Die Umsetzung dieses Protokolls zur Reduktion der Schwermetalle ist einer von vielen Schritten auf dem richtigen Weg. Es ist dies ein Weg, der sicheren Schrittes und mit politischem Gewicht durch unseren Umweltminister Dipl.-Ing. Josef Pröll gegangen wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.27

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

 


20.27

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Beitrag bezieht sich auf die Regierungsvorlage zu dem Über­einkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung be­treffend Schwermetalle.

Meine Damen und Herren! Dieses Übereinkommen verpflichtet jede Vertragspartei, un­verzüglich den Strategien und Programmen nach diesen Protokollen nachzukommen. Die Vertragsparteien haben daher beschlossen, das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung durchzuführen.

Die Vertragsparteien sind besorgt darüber, dass Emissionen bestimmter Schwerme­talle wie Kadmium, Blei oder Quecksilber über natürliche Grenzen reichen, Schäden an Ökosystemen mit Bedeutung für Umwelt und Wirtschaft verursachen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben können.

Eine Vertragspartei kann aber auch Maßnahmen zur Entwicklung und Nutzung saube­rer Verfahren zur Verhinderung und Begrenzung von Umweltbelastungen ergreifen. Ein Beispiel ist die Nutzung von erneuerbaren Energien wie der Windkraft. Diese Alterna­tive boomt zurzeit in Österreich. Bereits bis Ende des Jahres werden 300 Windräder 220 000 Haushalte mit Strom versorgen. Rund 300 Millionen € werden heuer in Wind­kraftprojekte investiert. Windkraft ist in Österreich bereits ein bedeutender Wirtschafts­faktor geworden. 2 300 Beschäftigte gibt es durch die Nutzung der Windkraft bei Öster­reichs Firmen und Zulieferern. Vor allem die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland haben hier die Vorreiterrolle übernommen.

Meine Damen und Herren! Österreich hat im Juni 1998 das Schwermetall-Protokoll des Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung unter­zeichnet. Dies wird auch deswegen besonders wichtig, da die EU-Erweiterung ins Haus steht. Sie wissen: Ab 1. Mai 2004 werden weitere zehn Länder Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scheibner.)

Unsere Nachbarn Tschechien, Slowakei und Ungarn müssen dahin gehend beobachtet werden, wie sie mit dem Problem der Luftverschmutzung betreffend Schwermetalle umgehen. Die Slowakei hat durch die Verabschiedung verschiedener wichtiger natio­naler Gesetze, insbesondere in den Bereichen Luftqualität, Wasser und Naturschutz bereits Zeichen gesetzt. Auch Ungarn hat seine Gesetzgebung hinsichtlich der Richt­linie betreffend Luftqualität wesentlich verbessert. Die Arbeiten zur Entwicklung des landesweiten Systems zur Beobachtung der Luftqualität sind angelaufen. Trotzdem


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brauchen diese Nachbarländer unsere Unterstützung in ihrem und in unserem In­teresse; dies dürfen wir nicht außer Acht lassen.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wir alle sind daher gefordert, unseren Beitrag zur Reduktion der klimaschädigenden Emissionen zu leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Der bisherige Trend ist alles andere als positiv. Es muss daher deutlich mehr gesche­hen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Scheibner und Wittauer.)

20.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.

 


20.31

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich bin froh, dass auch wir ein bisschen geklatscht haben, dadurch sind wir wieder aufgewacht. Ich werde meine Ausführungen kurz fassen, da es sich sowieso um eine Konsensmaterie handelt. Jeder weiß Bescheid.

Das Protokoll über grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend Schwermetalle wurde im Juni 1998 unterzeichnet und bisher von Österreich und 13 weiteren Staaten ratifiziert. Das Protokoll verpflichtet die Vertragsstaaten zur Verringerung der Emissio­nen von Blei, Kadmium und Quecksilber, zur Anwendung von Emissionswertgrenzen, zu Maßnahmen beim Bleigehalt von Kraftstoffen und so weiter.

Österreich hat lediglich bei der Abfallverbrennung ein gewisses Manko. In diesem Be­reich fehlen noch die Grenzwerte für die Partikelemissionen bei medizinischen Abfällen und für Quecksilberemissionen bei Siedlungsabfällen. Bei der Umsetzung der diesbe­züglichen EU-Richtlinie werden noch ausstehende Emissionsgrenzwerte auch in Öster­reich verbindlich gemacht werden.

Zum Schluss möchte ich noch kurz sagen: Ich glaube, dass es für uns alle wichtig ist, dass grenzüberschreitend gehandelt wird. Das ist ein Gebot der Stunde, gerade bei den Emissionen. Wir haben in Tirol genug Probleme; das weiß auch Abgeordneter Niederwieser. Wir werden diese Probleme hoffentlich gemeinsam bewältigen und ge­meinsam in eine Zukunft gehen, in der unsere Kinder von diesen Emissionen nicht mehr krank werden. Ich hoffe, es wird uns gelingen! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Niederwieser.)

20.32

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


20.33

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! – Sonst ist keiner mehr da. Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das Protokoll über die grenzüberschreitenden Luftverschmutzungen wurde von Österreich bereits 1998 unterzeichnet, es wird aber erst jetzt ratifiziert.

Wir kritisieren diese Praxis beziehungsweise diese schleppende Umsetzung. Es ist nicht vorteilhaft, dass man die Möglichkeit nicht nutzt, einfach über einen gesetzlichen Vorbehalt gleich zu ratifizieren und damit auch die internationale Prozedur des In-Kraft-Tretens zu beschleunigen. Wir haben inzwischen wirklich fünf Jahre gebraucht, um die inhaltliche Umsetzung voranzutreiben. Das ist tatsächlich eine sehr schleppende Art der Umsetzung.


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Mein Wunsch wäre, dass man zur alten Rechtspraxis zurückkehrt und diese internatio­nalen Abkommen gleich ratifiziert und nicht, so wie jetzt, zunächst mit der innerstaat­lichen Umsetzung beginnt, die jahrelang dauert, und erst dann endlich zur Ratifizierung schreitet. Das hätte auch international Vorteile, weil die Abkommen dann früher in Kraft treten könnten.

Zu einem zweiten Problem noch eine kritische Anmerkung: Wir haben im inhaltlichen Bereich, die vom Abkommen berührt sind, massive Probleme, und zwar betreffend Belastungen mit Blei, Kadmium und Zink. In diesem Zusammenhang sind vor allem das Untere Inntal, aber zum Beispiel auch Treibach in Kärnten angesprochen, wo für Österreich noch massiver Handlungsbedarf besteht. – Das ist ein Auftrag an den Um­weltminister.

Zwei Dinge wünsche ich mir noch: Überdenken Sie bitte die Praxis der genannten schleppenden Umsetzung für die Zukunft! Weiters muss die inhaltliche Umsetzung sehr ernst genommen werden! Anhand des genannten Problems sehen wir, dass das in Österreich nicht vorbildlich geschehen ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.34

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Steier. – Bitte.

 


20.34

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich als Schlussredner darf mich mit dem so genannten Schwermetall-Protokoll befassen. 1999 wurde, wie meine Vorredner schon eingehend erläutert haben, dieses Schwermetall-Protokoll zum Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen festgelegt. Vertragsstaaten sind 40 europäische Staa­ten, die EU, USA und Kanada.

Auf Grundlage dieses Übereinkommens wurden seither acht Protokolle, ein Finanzie­rungsprotokoll und sieben Luftreinhalteprotokolle, erarbeitet. Davon hat Österreich bis­her sechs ratifiziert. Mit diesen Luftreinhalteprotokollen wird europaweit – wie schon gesagt – die weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung bekämpft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn diesem Schwermetall-Protokoll der Kompromisscharakter deutlich anzumerken ist, beschleunigt es dennoch die Errei­chung gleicher Umweltstandards in Europa. Es trägt vor allem auch wesentlich dazu bei – auch das wurde schon gesagt –, dass mittel- und osteuropäische Staaten ihre Umweltstandards schneller an die EU-Standards heranführen. Für Österreich bedeutet das Schwermetall-Protokoll keine Verschärfung bestehender gesetzlicher Bestimmun­gen, da wir seine wesentlichen Verpflichtungen bereits erfüllen. Eine Verbesserung der Umweltsituation ist aber in Bezug auf grenzüberschreitende Emissionen unserer Nach­barstaaten zu erwarten.

Speziell im Verkehrsbereich haben wir aber mit Sicherheit noch manches zu tun. Die Verkehrsentwicklung in den letzten Jahrzehnten sowohl im Güterverkehr als auch im Individualverkehr hat stark zugenommen und zeigt weiter eine steigende Tendenz. Gerade in Bezug auf die Umweltauswirkungen des Verkehrs bietet sich daher ein breites Betätigungsspektrum im Kampf gegen die Verschmutzung generell und auch gegen die Belastung durch Kadmiumemissionen speziell.

Herr Bundesminister! Kritisch wäre anzumerken, was meine Vorrednerin, Frau Glawischnig, schon betont hat, dass dieses Abkommen schon lange unterzeichnet ist, aber erst jetzt umgesetzt wird. Damit hat Österreich dazu beigetragen, dass die ent-


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sprechenden Regelungen verspätet in Kraft treten. Dies ist nicht nur aus umwelt­politischer, sondern speziell auch aus wirtschaftlicher Sicht zu kritisieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Umweltminister hat dazu in der letz­ten Sitzung des Umweltausschusses gemeint, dass man in Zukunft versuchen werde, den Zeitraum zwischen Unterzeichnung und Ratifikation zu verkürzen. Gelegenheit, diesen Wahrheitsbeweis anzutreten, wird die Bundesregierung beim nächsten umzu­setzenden Protokoll, dem Multikomponenten-Abkommen, haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.37

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Ab­schluss des gegenständlichen Staatsvertrages samt Erklärungen in 134 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Weiters lasse ich jetzt über den Antrag des Umweltausschusses, wonach der vorlie­gende Staatsvertrag im Sinne des Artikels 50 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassen von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses im Sinne des Artikels 49 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz, dass die Kundmachung dieses Staatsvertrages in französischer und russischer Sprache durch Auflage im Bun­desministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu erfol­gen hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Es ist dies einstimmig angenommen.

10. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 209/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klima-Konjunkturpaket 200 Mio. Euro für Umweltschutz und Beschäftigung (240 d.B.)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Debattenrednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

 


20.40

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Als Abgeordnete der Opposition freut man sich direkt schon, wenn einmal ein Antrag, den eine Oppositionspartei einbringt, in einem Ausschuss von den Regierungs­parteien tatsächlich abgestimmt wird. Auch wenn es eine Ablehnung ist, so ist es immerhin keine Vertagung! Das bietet uns die Gelegenheit, hier im Plenum endlich ein-


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mal über ein wichtiges Umweltthema, nämlich über den Themenbereich Klimaschutz zu diskutieren, wozu wir sonst ja keine Gelegenheit hätten.

Ich hoffe, dass dieses Beispiel zumindest insofern Schule macht, als Sie nicht weiter­hin im Ausschuss sämtliche Anträge der Opposition auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagen, sondern uns wenigstens die Gelegenheit bieten, im Plenum eine Auseinan­dersetzung darüber zu führen. Wir sind ja ohnedies bereits bescheiden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister! Zum Thema Klimaschutz gibt es ja einiges zu sagen. Es wird immer brisanter und immer drängender, nicht zuletzt deshalb, weil der internationale Beobachtungszeitraum im Jahr 2008 beginnt. Sie wissen, dass Österreich meilenweit vom Kyoto-Ziel, zu dem wir uns mittlerweile auch völkerrechtlich verpflichtet haben, entfernt ist. (Zwischenruf des Abg. Hornek.)

Ja, Herr Kollege Hornek, meilenweit – um nicht zu sagen: tonnenweit oder Millionen Tonnen weit. Die Emissionen im CO2-Bereich steigen leider. Ich sage das nicht, weil ich irgendwie schwarz malen will, sondern es sind die nüchternen Zahlen, die diese Sprache sprechen. Wir haben leider nicht einmal die Trendwende geschafft. (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Hornek.) Die Emissionen sind weiterhin im Steigen begrif­fen, und es ist nicht wirklich ein Gegentrend zu erkennen.

Sie, Herr Bundesminister, verbreiten diesbezüglich ja immer einen, ich würde fast sagen, zwanghaften Optimismus. Sie sagen immer: Das wird schon, das machen wir schon! – Auf welchen Tatsachen das wirklich beruht, ist mir nicht ganz klar. Ich halte das auch nicht für angebracht, denn wenn wir uns die finanziellen Mittel ansehen, die dem Klimaschutz tatsächlich zur Verfügung stehen, dann sehen wir – und das wissen wir schon seit längerem –, dass diese sogar hinter dem zurückbleiben, was Ihr eigenes Ressort veranschlagt hat. Die volle Summe der 90 Millionen € wird erst ab 2006 zur Verfügung stehen. Und damit ist klar, ... (Abg. Mag. Molterer: ... Klimaforum vorge­schlagen!) Ja, Sie sind dafür auch verantwortlich, Herr Kollege Molterer! Ich bin froh, dass Sie das hier so mutig herausschreien. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Die waren stolz darauf!)

Ob sie im Jahr 2008 und im Jahr 2012 dann auch noch darauf stolz sein werden, weiß ich nicht, denn dann werden nämlich Pönalezahlungen ins Haus stehen, wenn Öster­reich das Kyoto-Ziel nicht erreicht. (Abg. Mag. Molterer: Nein, nein, nein!) Ich glaube, das wird nicht so lustig sein. (Abg. Mag. Molterer: Seien Sie nicht immer so pessimis­tisch!) – Ich bin nicht pessimistisch, ich bin realistisch! Wenn ich nicht Recht behalte, freue ich mich. Aber ich fürchte, das wird nicht der Fall sein. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Glawischnig.)

Es klafft eben eine große Finanzierungslücke in diesem ganzen Klimaschutzbereich. Und das Problem ist, dass man jetzt den einfachen Ausweg nimmt, die flexiblen Mechanismen wählt und einfach das CO2-Reduktionspotential aus dem Ausland zu­kaufen will. Das ist meiner Meinung nach der falsche Weg und auch eine sehr kurz­sichtige Lösung, weil man damit Geld, das man im Inland gut investieren könnte, um Arbeitsplätze zu schaffen und positive Umwelteffekte auszulösen, ins Ausland inves­tiert und dort natürlich nur Einmaleffekte erzielt.

Genau das ist, finde ich, eine der größten Schwächen dieser flexiblen Mechanismen, denn dieses Reduktionspotential muss man jedes Jahr neu nachkaufen. Das ist eigent­lich eine wahnsinnig teure Lösung. Wenn man stattdessen das Geld in Österreich investieren würde, könnte man hier einen Strukturwandel auslösen, Arbeitsplätze schaffen, Konjunktureffekte erzielen und damit auch das Klimaschutzproblem in den Griff bekommen.


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Das, was Sie wählen, ist möglicherweise der einfachere Weg, indem man sich das aus dem Ausland zukauft, aber mittelfristig gedacht ist es sicher nicht unbedingt eine schlaue Lösung. Diese Vorgangsweise kann ich daher nicht ganz nachvollziehen. Ein Großteil der Gelder, die wir in den Klimaschutz investieren, sind eben genau solche Gelder, die für die flexiblen Mechanismen aufgewendet werden. Das finde ich sehr schade und bedauerlich, weil es auch viel von dem Potential, das wir in Österreich haben, nimmt, weil dafür dann nicht so viel Geld zur Verfügung steht.

Ich habe in den letzten Tagen eine Presseaussendung von Ihnen gesehen, in der Sie sagen, Sie möchten Klimaschutz mit Hausverstand machen. – Also für mich zeigt sich Hausverstand – das ist, glaube ich, ganz logisch – darin, dass man das Geld, das man zur Verfügung hat, möglichst sinnvoll in Österreich investiert, um hier Klimaschutzmaß­nahmen zu setzen, um hier Arbeitsplätze zu schaffen, und es nicht im Ausland inves­tiert, um dort irgendwelche Einmaleffekte zu erzielen – und es sind Einmaleffekte! –, die uns langfristig nichts bringen. Das bekommen wir einmal im Jahr gutgeschrieben, und im nächsten Jahr müssen wir das Gleiche wieder ankaufen.

Daher, Herr Bundesminister, meine Aufforderung an Sie: Bleiben Sie Ihrem Verspre­chen treu, und machen Sie wirklich Klimaschutz mit Hausverstand! Das bringt uns allen mehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.44

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

 


20.44

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Österreich liegt laut dem Zwischenbericht der EU (Abg. Dr. Gla­wischnig: ... eine super Statistik!) zur Umsetzung der Lissabon-Strategie, gerade was das Kriterium Umweltschutz, die Qualität der Umweltsituation anlangt, auf Platz eins in Europa. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner. – Abg. Mag. Sima: Beim Klimaschutz sind wir ganz hinten!)

Wenn man von dieser Situation ausgeht, kann man sich vorstellen, dass in diesem Land schon sehr viel geschehen sein muss, um diese Situation erreicht zu haben. (Abg. Mag. Sima: Beim Klimaschutz sind wir ganz hinten!) Uns wird jetzt immer nur vorgehalten, dass wir von einem sehr ambitionierten Ziel beim Klimaschutz (Abg. Dr. Glawischnig: Das ist nur völkerrechtlich verbindlich und wird sehr teuer!) – um auf dieses Thema zu kommen – ein gutes Stück entfernt sind, von einem Ziel, das weit ambitionierter ist, als es sich viele andere Länder vorzunehmen getraut haben! Natür­lich kann man da sagen: Schaut her, die tun sich schwer, dieses ambitionierte Ziel zu erreichen! Man könnte aber vielleicht auch einmal honorieren, dass wir uns dieses Ziel vorgenommen haben, und, statt immer nur mit dem Finger auf uns zu zeigen, vielleicht einmal auf jene Länder zeigen, die sich nicht einmal das Ziel vorgenommen haben, sondern ganz im Gegenteil gesagt haben: Damit wollen wir nichts zu tun haben! (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: War das jetzt eine USA-Kritik, oder was war das jetzt?)

Meine Damen und Herren! Frau Sima hat es jetzt ausgesprochen, Frau Glawischnig hat uns heute bereits über die APA ausgerichtet, was sie sagen wird, nämlich dass, wie ich vorher schon gesagt habe, viel zu wenig geschieht.

Tatsache ist Folgendes: Sie negieren völlig (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirkl­huber), dass gerade diese Bundesregierung in der letzten Zeit – und so lange ist sie ja, verdammt noch einmal, noch nicht im Amt, dass man ihr Vorwürfe machen könnte, dass sie nichts getan hätte –, in dieser kurzen Zeit eine Reihe von Maßnahmen auf die


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Reise geschickt hat, die von diesem Hohen Haus auch bereits beschlossen wurden. Wenn Sie es nicht mehr wissen sollten, darf ich Sie daran erinnern: Wir haben mit dem Budget 2004 und mit der Klimastrategie bereits beschlossen, dass wir das Fördervolu­men für die Umweltförderung um bis zu 90 Millionen € erhöhen werden, obwohl wir schon bei ungefähr 200 Millionen € sind. Das sind ja keine lächerlichen Beträge, denn so ein Betrag von an die 200 Millionen € Förderung löst ja immerhin etwa 1 Milliarde € an Investitionen und damit auch arbeitsplatzschaffende Maßnahmen aus und ist übri­gens imstande, auch etwa 2 Millionen Tonnen an CO2 zu reduzieren; so wie auch jene 240 Millionen, die wir jetzt mit dem Ökostromgesetz im Bereich der Förderung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern einsetzen – nicht zur Freude aller, die es bezahlen müssen, das muss auch dazugesagt sein –, was wieder etwa 2,5 Millionen Tonnen CO2 reduzieren wird, und, und, und.

Die Maßnahmen zur Ökologisierung des Steuersystems sind noch nicht einmal in Kraft getreten, und Sie fordern schon weitere Maßnahmen, die letzten Endes wieder eines nach sich ziehen würden, nämlich eine Belastung der Bevölkerung über das Steuer­system. (Abg. Dr. Glawischnig: Stimmt ja nicht!)

Ich sage Ihnen eines: Österreich ist das Umweltmusterland schlechthin und hat ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm wie kaum ein anderes Land in Europa. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit diesem Programm, das Minister Pröll und auch schon sein Vorgänger, Minister Molterer, initiiert haben, dieses ambitionierte Ziel, das wir uns gesteckt haben, auch erreichen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Halleluja!)

20.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


20.48

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Umweltminister! Hohes Haus! Geschätzter Herr Kollege Kopf! Mich wundert es immer aufs Neue, wie man gerade als Wirtschaftssprecher so wenig Phantasie aufbringen kann, wenn es darum geht, innovative Technologien, Erneuerungskraft, so etwas wie neue Chancen für ganze Wirtschaftsbereiche, die in Österreich gut angesiedelt sind, zu nützen (Abg. Kopf: 80 Millionen zusätzlich!), wie man all das völlig ignorieren und ausschließlich als Bremser auftreten kann, nach dem Motto: Ja nicht zu viel, wir sind ohnedies so super, und wir sind die Nummer eins im Umweltschutz! – Ich kann das nicht mehr hören!

Ich sage Ihnen: Gerade in wirtschaftspolitischer Hinsicht vergeben Sie so viele Chan­cen! Schauen Sie sich einmal an, was es in Österreich alles gibt: Wir haben eine her­vorragende kleine Feinindustrie im Bereich erneuerbare Energien, Kesselbauer. Wir haben im Bereich Photovoltaik und Solar Errichter, die in die ganze Welt exportieren. (Abg. Dr. Stummvoll: ... positiv!) Wir haben einen wunderbaren Home Market. Wir haben Windenergie-Zulieferindustrie. (Abg. Kopf: 240 Millionen! 240 Millionen ...!) – Jetzt bin ich am Wort, Entschuldigung! – Und Sie ignorieren das völlig! (Abg. Kopf: Sie ignorieren die Maßnahmen!) Sie sagen immer nur, wir seien so super und da solle nichts mehr geschehen. – Ich finde das so etwas von ignorant und phantasielos! Nicht als Umweltsprecherin, sondern als Wirtschaftssprecherin verstehe ich das nicht! (Bei­fall bei den Grünen.)

Ich meine, das brauche ich Ihnen wohl nicht mehr zu zeigen: Die Situation der Pas­terze 1930 und 2003. Da ist nichts mehr da! Das schwindet jedes Jahr um Kubikmeter, um Kubikkilometer mittlerweile, was die Gesamtgletschersituation in Österreich betrifft. (Abg. Kopf: ... schon einmal dort gewesen sein!) Und es wäre so eine wunderbare Möglichkeit, Wirtschafts- und Umweltpolitik zu verbinden! Selbst so konservative Insti-


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tute wie das Wirtschaftsforschungsinstitut rechnen Ihnen vor, dass Investitionen in den Klimaschutz soundsoviele Arbeitsplätze bringen und eine Frischzellenkur für die öster­reichische Wirtschaft sind – und Sie stellen sich hierher und sagen, dass wir alles nicht brauchen und ohnedies genug tun. – Sie sollten das wirklich einmal ernsthaft überden­ken! Mich regt das auf! (Beifall bei den Grünen.)

Es ist schön und gut, dass Österreich im Bereich SO2-Reduktion, Schwefeldioxid und so weiter, saubere Seen in den letzten Jahren Großes geleistet hat – dank der Umwelt­bewegung, dank NGOs, wie sie auch heute wieder hier sind –, aber bei der Klima­schutzpolitik hat Österreich seit den achtziger Jahren die Klappe so weit offen gehabt – Entschuldigung für die legere Ausdrucksweise –, und wir haben nichts erreicht! Wir diskutieren schon eine Ewigkeit über Klimaschutz und haben nichts erreicht: Plus 9 Prozent statt minus 13 ist eine verheerende Bilanz! Wenn Länder wie Großbritannien oder Deutschland uns meilenweit voraus sind, sollte das doch zum Nachdenken anre­gen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hornek: Das müssen Sie aber schon differenzie­ren!)

Schauen Sie: Letztes Jahr haben wir einen Flutkatastrophen-Sommer gehabt, heuer haben wir eine Hitzekatastrophe gehabt, jedes Jahr im Herbst kommen die Bauern und sagen: Wir hatten Dürreschäden! – Warum kann man das Problem nicht ein bisschen bei der Wurzel angreifen und sagen: Österreich ist wirklich Vorreiter, investiert wirklich in den Klimaschutz!? – Warum kann man nicht international sagen: Mit diesen lächer­lichen Kyoto-Prozenten schaffen wir nie eine Trendwende, um all diese Katastrophen, auf die wir zusteuern, auch nur ansatzweise in den Griff zu bekommen!? – Warum ist Österreich nicht das erste Land, das sagt: Wir wollen noch viel mehr reduzieren und uns international auch über diese Periode hinaus als Vorreiter stark machen!? (Abg. Hornek: Europa: 9 Prozent, Österreich: 13 Prozent, Frau Kollegin! 9 : 13 Prozent!)

Und wenn Sie das nicht überzeugt: Wissen Sie, was es kosten wird, wenn wir die Kyoto-Ziele nicht erreichen? – Im Jahr 150 Millionen €. Bis zu 2 Milliarden € wird das kosten! Das ist kein Spaß mehr! (Abg. Hornek: Davon spricht niemand!) Das ist völker­rechtlich verbindlich, da gibt es Pönalien, da gibt es Sanktionen – und die Antwort der ÖVP ist: Wir sind eh so super! – Also ich bin erschüttert, muss ich sagen! (Abg. Hornek: Dann haben Sie es missverstanden!)

Jetzt beschließen Sie einen Entschließungsantrag, in dem genau das steht, was im Regierungsübereinkommen steht, das alle schon damals in der ersten Sitzung des Nationalrates beschlossen haben, weil sich alle davor gefürchtet haben, dass die Frei­heitlichen vielleicht umfallen, wo das ganze Regierungsprogramm als Entschließungs­antrag beschlossen worden ist. Genau das beschließen Sie jetzt wieder! Das ist jetzt die Lösung! (Abg. Hornek: Das ist die Lösung! Sie haben es erkannt: Das ist die Lösung!) – Und ich sage Ihnen: Das ist zu wenig, und ich bin erschüttert! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hornek: So schaut es aber gar nicht aus! – Abg. Mag. Molterer: Frau Glawischnig, sehr erschüttert wirken Sie nicht! – Abg. Dr. Glawischnig: Ja, aber es stimmt!)

20.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.

 


20.53

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Es stimmt, dass extreme Wetterereignisse in den vergangenen zwei Sommern die Umsetzung einer Klimastrategie unbedingt notwendig machen, und wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass in Österreich im Bereich des Klimas


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alles so positiv wäre. Das heißt, wir müssen wirklich große Anstrengungen unterneh­men, damit wir das Kyoto-Ziel erreichen.

Es ist aber nicht wahr, dass die Regierungsparteien, dass die Freiheitlichen und die ÖVP die Augen verschließen und eine Klimaoffensive verhindern. (Abg. Dr. Glawisch­nig: Nein, alles ist „super“!) Uns ist völlig klar, dass es viel vorteilhafter ist, in den Klimaschutz zu investieren, als nachher die durch einen Klimawandel verursachten Schäden reparieren zu müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist eine Tatsache, dass Maßnahmen der österreichischen Klimastrategie kon­sequent und forciert umgesetzt werden. So werden Umweltförderungen im Inland zum überwiegenden Teil für klimarelevante Projekte eingesetzt. Seit 1998 wurden über 187 Millionen € aufgewendet, was ein Investitionsvolumen von über 940 Millionen € ausgelöst hat. Weiters wurden ein Ökostromgesetz 2002, eine Ökostrom-Einspeise­verordnung 2003 umgesetzt, was die wirtschaftliche Absicherung der Erzeugung von Ökostrom langfristig und bundeseinheitlich gewährleistet. Auch weitere Vorhaben und Schritte zur Ökologisierung des Steuersystems, gerade im Bereich der nicht erneuer­baren Energieträger, stehen kurz vor der Umsetzung.

Was besonders wichtig ist für den Klimaschutz, ist die laufende und begleitende Kon­trolle. Auch dafür ist vorgesorgt durch ein Umsetzungs-Monitoring, das eine regel­mäßige Berichterstattung beinhaltet.

Uns ist ganz klar, dass für die Umsetzung von aktiver Klimapolitik die Bereitstellung finanzieller Mittel notwendig ist, und wie Sie wissen, sind für das Jahr 2004 30 Millio­nen € vorgesehen, für das Jahr 2005 60 Millionen und für das Jahr 2006 90 Millio­nen €. Das heißt, es stehen in Summe bis zum Jahr 2006 180 Millionen € für eine Klimaschutzstrategie zur Verfügung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regierung nimmt die Umweltpolitik wirklich ernst, und mit der Bereitstellung dieser Mittel haben wir gute Chancen, das Kyoto-Ziel zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.56

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesminister Pröll. – Bitte.

 


20.56

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Glawischnig hat mir das Stichwort geliefert: Ja, wir haben im Bereich der Biomasse in unserer Industrie ein Know-how wie wenige andere Länder. (Abg. Dr. Glawischnig: Richtig!) Wir haben in der Wassertechnologie einen Riesenvorsprung gegenüber anderen Ländern. (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber wir machen nichts daraus! – Abg. Dr. Glawischnig: Ja nicht zu groß werden!) Wir haben in der Abfallwirtschaft perfekte Industrieunternehmen, die auf den internationa­len Märkten reüssieren. Und warum haben wir das? – Weil wir mit einer sehr energi­schen, zielgerichteten Umweltpolitik in den letzten Jahren diesen Unternehmen auch die Plattform in Österreich dafür geboten haben, dass sie Weltmarktführer werden können. (Abg. Dr. Glawischnig: Photovoltaik war 14 Tage nach Beschlussfassung ausverkauft!) Sie haben den Beweis dafür geliefert, dass wir bereits sehr erfolgreich Umweltpolitik gemacht haben und auch zukünftig machen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es stimmt – Sie haben es angesprochen –: Gletscher gehen zurück, wir hatten einen Hochwasser-Sommer im Jahr 2002 und die Dürre des heurigen Jahres. Ich glaube, dass das Thema Klimaschutz immer mehr


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auch in den öffentlichen Mittelpunkt rückt – und das ist gut so, weil wir uns auch seitens der Bundesregierung ein ganz klares Maßnahmenpaket vorgenommen haben, um das zu verwirklichen, was in der Kyoto-Strategie seitens der Bundesregierung 2002 gemeinsam mit den Bundesländern vorgegeben ist, nämlich auf der Basis von 1990 minus 13 Prozent CO2 umzusetzen.

Es stimmt – und ich verhehle das nicht –, dass wir diese Tangente verlassen haben und entgegen unserer ursprünglichen Zielsetzung hier mehr zu reduzieren haben als die geforderten minus 13 Prozent, aber man muss auch sagen, dass wir in Teilbe­reichen erste auch spürbare Erfolge erzielen konnten: in der Abfallwirtschaft eine Senkung um 19,3 Prozent, in der Landwirtschaft eine Senkung von 6,2 Prozent CO2-Äquivalente – das sind auch Daten, ein Teil der Erfolgsgeschichte. Aber wir haben noch den größten Teil des Weges vor uns, und wir wollen die Antworten geben.

Was haben wir vor? – 2004: plus 30 Millionen €, 2005: 60 Millionen € Plus, ab 2006: 90 Millionen € für den Klimaschutz. Das sind 180 Millionen € bis ins Jahr 2006 – eine Summe, die in wenigen anderen Bereichen gewährt wird, und dies zusätzlich zu sonst sehr hohen Umweltförderungen! –, die wir ausschließlich in Klimaschutzmaßnahmen investieren werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig: Mir würde schon reichen: dem Grasser seine Beratungskosten für den Klimaschutz! Das wäre schon super!)

Wenn Sie flexible Mechanismen ansprechen, dann ist das ein sehr neues und komple­xes Thema, und es stimmt nicht, dass wir jährlich dafür zu zahlen hätten. Wir unterstüt­zen Projekte, die von österreichischen Unternehmen in Nachbarstaaten, in Industrie­staaten oder Entwicklungsländern ausgeführt werden, und die dabei lukrierte CO2-Menge kommt Österreich zugute – und dafür setzen wir das Geld ein. Es geht um österreichische Unternehmen, die in diesen Ländern entsprechend investieren. Ich halte das für eine wichtige Maßnahme im Maßnahmenmix, um die Kyoto-Strategie erfolgreich umsetzen zu können. Wir erwarten uns durch diese Maßnahmen 3 bis 5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr mittels Ankauf durch JI/CDM-Projekte.

Sie dürfen eines nicht vergessen: Wir haben in den letzten Jahren schon unglaublich viel in den Klimaschutz investiert: 187 Millionen € – und auch hier spannt sich der Bogen von der Umweltpolitik zur Wirtschaftspolitik – an zugesagten Fördermitteln im Inland mit einer CO2-Reduktion von knapp 2,5 Millionen Tonnen. Und wir haben durch diese 187 Millionen € Fördermittel eine Investitionssumme von 940 Millionen € ausge­löst – auch das kann sich sehen lassen! –, unmittelbar klimarelevant, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

Wir haben in der Vergangenheit mit dem Ökostromgesetz 2002 eine Maßnahme ge­setzt, mit der auch für den Klimaschutz entscheidende Schritte gemacht werden; und diese hilft uns. Wir liegen da im Plan: 4 Prozent Anteil Ökostrom am Gesamtaufkom­men. Mit Ende 2003 werden wir – das hat die E-Control ausgewiesen – auf dieser Tangente bei 3 Prozent bis 3,5 Prozent liegen.

Wir werden dieses Ziel sicher erreichen, obwohl das von vielen als träumerisch bezeichnet wird. Es wird 2004 Realität werden, und wir werden damit auch einen spürbaren Beitrag zum Ersatz von fossiler Energie und damit für den Klimaschutz leisten können, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)

Die zwei Punkte, die mit 1. Jänner 2004 wirksam werden, sind: Erstens: das LKW-Road-Pricing. Wir erwarten uns dadurch auch einen Lenkungseffekt, nämlich der Ver­lagerung des Verkehrs von der Straße hin zur Schiene. Warum sage ich das? – Weil wir in den nächsten Jahren in der Klimaschutzpolitik im Verkehrsbereich ein großes,


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ein zentrales Problem zu bewältigen haben. Der Anstieg des CO2-Ausstoßes aus dem Basisverkehr bereitet uns die größten Sorgen. Das Road-Pricing und auch die Erhö­hung der Steuer auf fossile Energieträger im Rahmen der ökologischen Steuerreform mit 1. Jänner 2004 werden da einen Lenkungseffekt bringen und auch alternative Energieträger entsprechend wettbewerbsfähig machen.

Zweitens: Ich werde in den nächsten Wochen mit einer Artikel-15a-Vereinbarung ge­meinsam mit den Bundesländern im Bereich der Wohnbauförderung Mindeststandards in Begutachtung bringen, damit wir auch in der Wohnbauförderung bei der Raum­wärme Energie sparen, neue Heizmethoden und neue Methoden in der Energieaufbrin­gung diskutieren. Diese Mindeststandards werden seitens der Länder einen wesent­lichen Beitrag dazu leisten, dass wir unser – zugegebenermaßen ambitioniertes – Ziel von minus 13 Prozent zwischen 2008 und 2012 erreichen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.02

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 


21.02

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr verehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir unterstützen grundsätzlich den Antrag der Grünen zu diesem Klima-Konjunkturpaket, weil diese Regierung zu diesem Thema leider schläft, und das, obwohl im Jahr 2002 die klimawirksamen Emissionen bereits – Herr Minister, Sie sagten das selbst in Ihrem Bericht – mittlerweile um 4,5 Prozent angestiegen sind. Auch heuer wird die Situation – das wissen wir bereits – sicher nicht besser werden, das heißt, dass wir weiter als je zuvor von der Erfüllung des Kyoto-Klimaschutzzieles entfernt sind.

Herr Minister! Trotzdem wurde in den Budgets 2003 und 2004 der Klimaschutz unter­dotiert. Während von mindestens 90 Millionen € jährlich zur Erfüllung des nationalen Klimaschutzplanes von Bundesseite auszugehen ist, finden sich im Budget, wenn man das Budget in diesem Bereich studiert, keine entsprechenden Zahlen. Während der Finanzminister in seiner Budgetrede noch von zusätzlich 30 Millionen € für 2003 und für 2004 sprach, gibt es heuer nur eine Million und 2004 nur 11 Millionen € zusätzlich für derartige Klimaschutzprogramme.

Auch bezüglich des stark wachsenden und immer mehr CO2 emittierenden Straßenver­kehrs bringen ÖVP und FPÖ leider nichts weiter. – Im Gegenteil: Die ÖBB werden kaputt gespart, der öffentliche Verkehr wird durch weniger Mittel für die Verkehrsver­bünde 2003 und auch 2004 immer unattraktiver. In ganz Österreich werden die Ver­kehrsverbünde diesbezüglich unattraktiver gemacht.

Da bis jetzt das Verkehrswachstum sämtliche Anstrengungen und Erfolge in anderen Sektoren zunichte gemacht hat, muss die Regierung in der Verkehrspolitik das Ruder raschest herumreißen. Ihr Rache- und Zerstörungsfeldzug gegen die ÖBB und gegen die Mitarbeiter dort ist deshalb auch aus Umweltschutzgründen eine Katastrophe. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis: Das ist abzulehnen!

Wie Herr Minister Pröll selbst vor wenigen Wochen, und zwar am 22. September, in einer Aussendung zugegeben hat, sind und bleiben das zentrale Problem die CO2-Emissionen aus dem Verkehr. Die Emissionsinventur 2001 zeigt da ein Plus von 8 bis 9 Prozent CO2-Ausstoß gegenüber dem Jahr 2000. (Abg. Wittauer: Das haben wir auch Ihnen mit dem Transitvertrag zu verdanken!)

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass Herr Minister Pröll das Problem tatsächlich erkennt, aber seine Regierungskollegen Grasser, Kukacka und


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Gorbach torpedieren ihn bei seinen Bemühungen, indem sie sich bei ihrem „Kreuzzug“ in die ÖBB festbeißen, festkrallen und jede vernünftige und zukunftsweisende Ver­kehrspolitik blockieren. (Abg. Mag. Molterer: Da muss er selber lachen!)

Sehr verehrte Damen und Herren! Vor allem muss Schluss mit jenem Vorurteil sein, das leider immer noch herumgeistert, dass nämlich Umwelt- und Klimaschutz Arbeits­plätze vernichtet. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Es ist notwendig und wichtig – und die Zahlen liegen auf dem Tisch –, dass wir uns ins Bewusstsein rufen, dass mittler­weile über 208 000 Österreicherinnen und Österreicher Arbeit suchen. Es suchen, wie wir alle wissen, über 7 000 junge Menschen, Mädchen und Burschen mit 15, 16 Jah­ren, in dieser Republik mittlerweile einen Lehrplatz. Es ist daher notwendig und wichtig, in diesen Bereich zu investieren und alles daranzusetzen, dass wir in diesem Bereich zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jeder Euro, der im Umweltbereich investiert wird, kommt über steigende Beschäfti­gung, durch steigende Steuereinnahmen und reduzierte Ausgaben für Arbeitslosigkeit wieder zurück. Investiert werden muss aber im Inland und nicht mittels umstrittener und unausgereifter Verfahren im Ausland.

Herr Minister, Sie selbst gaben zu, dass bislang keine Trendumkehr beim Ausstoß klimaschädigender Gase in Österreich erreicht worden ist. – Im Gegenteil: Die CO2-Emissionen steigen weiter. Es ist also höchste Eisenbahn, die Trendumkehr endlich entschieden anzugehen. Worte alleine reichen schon lange nicht mehr. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ.)

21.07

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

 


21.07

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es geht uns bei dieser Debatte nicht darum, unsere zuge­gebenermaßen bisher erfolgreiche Umweltpolitik schlecht oder kaputt zu reden – wir haben uns immer schon sehr ambitionierte Ziele gesteckt; wir haben, ob das die Regie­rung vor oder jene nach 2000 war, auch versucht, diese Ziele wirklich mit aller Kraft anzugehen –, es geht uns nicht darum, die momentane Situation schlecht zu reden und schwarz zu malen, aber die Entwicklung ist, wie sie sich zurzeit darstellt, wirklich nicht gut. Das ist nicht auf unserem Mist gewachsen; ich zitiere aus einer Studie von A.T. Kearney, aus der herauszulesen ist, dass die Emissionen leider um 10 Prozent zugenommen haben und dass wir jetzt bereits einen Reduktionsbedarf von 20 Prozent und nicht mehr von 13 Prozent haben, die wir uns selbst vorgenommen haben.

Da geht es mir auch um die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Es gibt Wirtschaftsteile, die schon bisher sehr viel in Umweltschutzmaßnahmen investiert haben, die also kaum mehr die Möglichkeit haben, sich diesbezüglich noch zu steigern – und wenn, dann nur mit einem wahnsinnig hohen Aufwand. Ich denke da an die CO2-emissionsintensive Schwerindustrie. Jede Tonne Umsatz bringt automatisch mehr CO2-Verbrauch mit sich, und davon kann sie sich nicht abkoppeln.

Am Beispiel der E-Wirtschaft darf ich ganz kurz ausführen, dass wir glücklicherweise in der Energiewirtschaft einen sehr hohen Wasserkraftanteil haben. Aber dennoch: Wenn hier nichts geschieht, werden Sie mit Mehrkosten von 65 Millionen € pro Jahr rechnen müssen, und das muss der Steuerzahler beziehungsweise der Stromkunde, Haushalt wie Industrie, bezahlen. Das stimmt mich so nachdenklich. Wenn ich mir vorstelle, dass höhere Stromkosten auf die Industrie zukommen und dann auch der Emissions-


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handel auf die Industrie zukommt, dann frage ich mich, was das unter dem Strich an Belastungen ausmacht.

Daher ist mein Ansatz – deswegen unterstütze ich den Antrag der Kollegin Glawischnig voll und ganz –, dass wir in die richtigen Bereiche investieren müssen. Wir wissen, dass wir bei der Raumwärme sehr viele Möglichkeiten haben. Wir wissen, dass wir im Bereich Verkehr unbedingt etwas tun müssen, weil dort die größten Verursacher sind, meine Damen und Herren. Daher bitte ich Sie wirklich, nachzudenken, wie wir in die­sen Bereichen gemeinsam etwas tun können. Das ist nicht leicht politisch zu hand­haben, aber wenn wir es gemeinsam angehen, dann werden wir – das kann ich mir vorstellen – auch dem Kyoto-Ziel näher kommen können.

Es wurde ja schon gesagt: Wir bewegen uns zurzeit davon weg. Also auch wenn wir die 13 Prozent im Jahr 2013 erreichen, werden wir immer noch eine ordentliche Pöna­lezahlung leisten müssen. Daher frage ich mich, ob es nicht gescheiter ist, schon jetzt darüber nachzudenken, ordentlich zu budgetieren, um die Maßnahmen eben jetzt und nicht zu spät zu setzen. (Abg. Kopf: Maßnahmen, die Geld kosten!) – Natürlich, sie kosten uns ja ohnehin Geld. Daher sollten wir Maßnahmen setzen, die bereits jetzt das Kyoto-Ziel erreichen helfen, und sollten nicht warten, bis wir ohnehin ein Pönale leisten müssen. Ich hoffe, ich bin nicht missverstanden worden. (Abg. Kopf: Ökostromge­setz! – Zwischenruf des Abg. Großruck.) – Ja, das werden wir leisten müssen, Kollege Großruck. Ich würde dich bitten, schau dir das einmal genau an! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck. Das ist falsch!)

Meine Damen und Herren, daher unterstützen auch wir den Antrag der Kollegin Gla­wischnig, um in den Jahren 2004 und 2005 wirklich in diesem Sinne budgetieren zu können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.11

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte. (Abg. Wittauer: Man hat das Gefühl, es sind nur Sozial­demokraten im Parlament!)

 


21.11

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Trotz allem Zweck­optimismus und trotz aller Schönfärberei ist Faktum: Schwarz-Blau hat beim Klima­schutz nichts zuwege gebracht, nichts weitergebracht. 2002 nahmen die klimawirk­samen Emissionen um 4,5 Prozent zu, anstatt dass sie weniger geworden wären. Auch die Gelder, die für ein nationales Klimaschutzprogramm längst ausgegeben hätten wer­den sollen, werden erst jetzt geplant. Wir sind viel zu spät dran. Es ist so, dass Schwarz-Blau immer noch ein bereits ausverhandeltes Paket mit den Ländern schuldig geblieben ist.

Wenn ich mir die Regierungsvertreterinnen und -vertreter anhöre, dann muss ich leider sagen, dass es so ausschaut, als ob sich auch weiterhin nichts bewegen würde. Es wird sich meiner Meinung nach auch nichts bewegen, weil Ihnen offensichtlich jede Motivation fehlt, im Klimaschutzbereich wirklich etwas zu tun und aktiv zu werden. Sie empfinden den Klimaschutz offensichtlich als eine Bürde, eine Mühsal, eine lästige Verpflichtung und verschließen die Augen vor der eigentlichen großen Chance, die der Klimaschutz hätte. Das sind Chancen für den Arbeitsmarkt, Chancen für eine inlän­dische Wertschöpfung, Chancen für den Wirtschaftsstandort, für die Umwelt, für die Luftqualität und für die Ankurbelung des öffentlichen Verkehrs – lauter Chancen, die uns entgehen, denn durch Krankjammern, den Kopf-in-den-Sand-Stecken und Lippen­bekenntnisse ist noch kein einziges Gramm CO2 reduziert worden, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Die Lippenbekenntnisse von Minister Pröll alleine werden zu wenig sein. Es ist nicht wirklich innovativ, wenn die Regierungsparteien einen Teil des Regierungsprogramms vom Frühjahr in einen Antrag einbringen, also dasselbe noch einmal. Das ist nicht einmal das Papier wert, auf das es gedruckt ist. Ganz im Gegenteil: Es ist sogar ein kontraproduktiver Beitrag zum Klimaschutz, weil für dieses Kopierpapier Bäume abgeholzt worden sind, die eigentlich geholfen hätten, CO2 zu reduzieren. Dieser Antrag, den Sie im Ausschuss eingebracht haben, ist wirklich kein Renommee.

Klimaschutz ist nicht nur auf ein Ressort beschränkt, Klimaschutz ist eine klassische Querschnittmaterie. Herr Minister Pröll, ich möchte Sie auffordern, auch Ihre Regie­rungskollegen und -kolleginnen in die Pflicht zu nehmen und zu klären, dass diese auch etwas tun müssen.

Ich gebe Ihnen dazu einen sehr guten Rat: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Wien! Wien hat ein beispielloses Klimaschutzprogramm. Da gibt es sehr klare Erfolge zu ver­buchen. Das Umweltbundesamt zum Beispiel und die Zahlen, die von diesem ver­öffentlicht werden, sprechen eine sehr klare Sprache: Zum Beispiel wurden durch die Senkung des Heizenergiebedarfs 200 000 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. Durch die Verbesserung der Brennstoffausnutzungen und den Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungen sind es in Wiener Kraftwerken minus 400 000 Tonnen CO2. Durch einen konsequenten Ausbau der Fernwärme bei sehr vielen Wiener Wohnungen gibt es minus 700 000 Tonnen CO2.

Ein Biomassekraftwerk wird es ab 2006 geben, das bringt ein Minus von 144 000 Ton­nen CO2. Darüber hinaus ist das Programm mit Projekten und Initiativen für Wiener Firmen mit Umweltmanagementsystemen innerhalb des Magistrats und mit der Öko­logisierung des öffentlichen Beschaffungswesens und vielem anderen mehr garniert. Auch im Verkehr runden die Maßnahmen das KliP-Wien  ab und beweisen einmal mehr, dass die wirkliche Klimamusterstadt die Gemeinde Wien ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.15

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 240 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, und damit ist der Antrag angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 240 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Die Entschließung ist ebenfalls mit Mehrheit angenommen. (E 25.)

11. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz geändert wird (154/A)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tages­ordnung.


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35. Sitzung / Seite 200

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält als Erster Herr Abgeordneter Mag. Johann Maier. – Bitte.

 


21.16

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister Pröll! Es freut uns, wenn Sie bei einer Debatte dabei sind, die nicht unmittelbar Ihren Ressortbereich betrifft, aber vielleicht sind Sie persönlich betroffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim vorliegenden Gesetzesantrag geht es um die Verbesserung der Anlegerschutzbestimmungen in Österreich. (Der Geräusch­pegel im Sitzungssaal ist sehr hoch. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glocken­zeichen.) Wir meinen, dass diese Anlegerschutzbestimmungen einerseits nicht dem europäischen Standard entsprechen und andererseits in Österreich insbesondere ge­genüber dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch nachhinken.

Es würde uns freuen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir hier im Hohen Haus zu zwei Fragen die gleiche Meinung vertreten könnten, nämlich erstens: Gauner haben im Kapitalmarktbereich nichts zu suchen. Zweitens: Die Anlegerschutz­bestimmungen in Österreich müssen verstärkt und verbessert werden. Mit dem vor­liegenden Antrag wird versucht, im Anlegerschutzbereich Verbesserungen vorzu­schlagen.

Ich darf Sie auf die letzte Information des Vereins für Konsumenteninformation, einer Sozialpartnereinrichtung, verweisen, wo im Rahmen einer Untersuchung die Fonds­polizzen überprüft wurden, und zwar die Lebensversicherungen. Defizite wurden hier besonders deutlich. Man kann zwar ein Fondsmanagement beauftragen, die Eigenver­antwortung bleibt aber. Man muss sich um die Kosten kümmern. Produktvarianten gibt es viele, die Unternehmen sagen aber nicht, welche Produktvarianten sie anbieten. Das Zentrale für die Verkäufer ist aber der Verkauf. Da stellt der Verein für Konsu­menteninformation fest: Mit fiktivem Ertrag wird gelockt. Weiters: Zu den Kosten herrscht Schweigen.

Hohes Haus! Ich halte das in Anbetracht der Situation auf dem österreichischen Kapi­talmarkt für ein wirkliches Problem, insbesondere auch im Zuge der Diskussion um die private Zukunftsvorsorge, die „Pensionsvorsorge neu“. Ich glaube, wir sollten uns im Hohen Haus darauf einigen, dass es hier zu klaren Verbraucherschutzbestimmungen auch mit entsprechenden Haftungsdurchgriffen kommt.

Die Pensionsreform hat einerseits den Konsumentenschützern, aber andererseits den Betroffenen das Leben nicht erleichtert. Die üblen Verkaufspraktiken – und ich betone das – beim Verkauf privater Vorsorgeprodukte haben in Österreich enorm zugenom­men. Die Gründe sind einleuchtend: Einerseits sind die Menschen verunsichert, und andererseits steigen Strukturvertriebe ein – neben den Banken – mit unausgebildeten Mitarbeitern, die nur darauf schauen, dass sie ihre Produkte verkaufen.

Wenn man sich die Entwicklung der Pensionsinvestmentfonds ansieht, dann kann man erkennen, mit welchen Problemen Anleger zu kämpfen haben. Je mehr an der Börse veranlagt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren, umso mehr – das ergab die Analyse des Vereins für Konsumenteninformation – haben die Menschen verloren.

Was wollen wir mit diesem Antrag? – Wir wollen einen europäischen Standard bei den so genannten Haustürgeschäften im Kapitalmarktbereich haben, nämlich eine Rück­trittsfrist von 14 Tagen, wie sie jetzt bereits in der Verbraucherkreditrichtlinie vorge­schrieben wird. Wir wollen, dass Prospekte auch in deutscher Sprache aufgelegt werden. Ein Normalverbraucher, der ein Prospekt in englischer Sprache bekommt, wird den Inhalt kaum verstehen. Weiters wollen wir eine klare Haftungsregelung.


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Stenographisches Protokoll
35. Sitzung / Seite 201

Ich sage Ihnen: Niemand in Österreich versteht, warum nach dem Kapitalmarktgesetz die Haftung der Anbieter, die Haftung der Vermittler hinter den Bestimmungen des All­gemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zurückbleibt. Niemand in der Wirtschaft ver­steht das! Daher sollten wir da meiner Meinung nach einen Standard schaffen, der dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch entspricht. Dasselbe gilt für die Beschrän­kung der Schadenersatzhöhe im Kapitalmarktgesetz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzesvorschlag soll einerseits verhindern, dass Gauner auf dem Kapitalmarkt auftreten können, und andererseits auch klarstellen, dass Anleger Rechte haben, und zwar dieselben Rechte wie Wirt­schaftstreibende, so wie die Rechte im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind. Ich darf Sie einladen, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.22

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Dr. Ferdinand Maier. – Bitte.

 


21.22

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An sich sollte man davon ausgehen, dass der Kurs der Regierung, nämlich den Kapitalmarkt zu fördern, weiterhin unterstützt werden soll. Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche Irritationen brauchen.

Ich habe einmal vorgeschlagen, dass man, wenn zu später Stunde diskutiert wird, die Argumente dem Protokoll beilegen kann, um Redezeit zu sparen. Das werde ich bei dieser Gelegenheit das erste Mal tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte darüber hinaus aber sagen, dass es im Ausschuss ohnehin die Möglichkeit geben wird, die Argumente zu referieren.

Herr Kollege Maier, Folgendes muss klargestellt werden: Die Zukunftsvorsorge ist eine Erfolgsstory. Dass Sie das ein bisschen irritiert, weil Ihre Fraktion dagegen war, steht auf einem anderen Blatt Papier, aber das machen wir uns dann im Ausschuss aus. (Beifall bei der ÖVP.)

21.23

 



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Stenographisches Protokoll
35. Sitzung / Seite 202

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


21.23

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorlie­gende Antrag von Herrn Maier zielt ab auf eine Änderung des Kapitalmarktgesetzes. Dieser Antrag bietet sicherlich in dem einen oder anderen Fall sehr überlegenswerte Anregungen, das gebe ich offen und gerne zu.

Natürlich liegt auch uns der Schutz der Anleger am Herzen, und wir haben darüber nachzudenken und zu diskutieren, wie wir einen noch effizienteren Schutz garantieren können. Uns kommt es darauf an – das sage ich auch dazu –, eine Balance zwischen den Emittenten und den Anlegern zu erreichen und keine Verunsicherung auf dem Kapitalmarkt entstehen zu lassen, weil uns – ich nehme an, das trifft auch auf die SPÖ zu – an einem schwungvollen Börsenmarkt und vor allem an einer guten Entwicklung des Börsemarktes in Österreich sehr viel liegt. Deshalb gehe ich sehr hoffnungsvoll in die Ausschusssitzungen, im Rahmen welcher wir in nächster Zeit Ihre Anregungen be­raten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


21.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


21.25

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es Zweck des Plenums sein kann, auch wenn es später ist, möglichst viel Zeit zu sparen. Vor einem gewissen bedenklichen Trend würde ich schon warnen, nämlich dass man das Plenum nicht zu einer Nullzeit-Veranstaltung implodieren lässt.

Der Vorredner hat immerhin zwei, drei Argumente angedeutet. Herr Kollege Dr. Maier! Wenn Sie etwas dem Protokoll beilegen wollen, in dem dann nachzulesen ist, was Sie gesagt hätten, dann müssen Sie mir jetzt noch die Geschäftsordnungsstelle zeigen, laut der das möglich ist. Ich sehe noch keine Verzweiflung bei der Stenotypistin, weil das nicht möglich sein wird. Ich kann nichts erkennen von dem, was Sie hier deponiert hätten.

In der Sache selbst kann ich es auch kurz machen. Ich habe mir die Begründung durchgelesen, ich bin kein Experte in diesen Dingen, man muss das nicht überall sein, aber es klingt plausibel, was der Antragsteller hier vorgetragen hat und was im vorlie­genden Antrag steht. Ich weiß nicht, warum Sie diesbezüglich von Irritation reden – insofern hätten Sie wenigstens doch einen Satz sagen sollen.

Dass etwa die Bestimmungen in diesem Bereich hinter die Haftungsregelung des All­gemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zurückfallen, das finde ich schon bedenklich. Gerade Sie wollen ja mit Ihren Maßnahmen auch öffentliche Gelder für bestimmte Investments in diesem Bereich einsetzen. Das wollen Sie fördern und unterstützen. Daher verstehe ich es nicht ganz, weshalb Sie gerade in diesem Bereich für nicht mehr Anlegerschutz eintreten. Es sind ganz einfach Dinge dabei, wie zum Beispiel die Erweiterung der Prospektpflicht in ihrer Aussagekraft. Das scheint mir doch sehr kom­patibel zu sein mit den Anliegen, die Sie vertreten. Aber das ist jetzt entgegen Ihren Ausführungen offensichtlich nicht mehr nachvollziehbar. (Beifall bei den Grünen.)

21.27

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 154/A dem Finanzausschuss zu.

12. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Versicherungssteuergesetz geändert wird (169/A)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nun kommen wir zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


21.28

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe mich zum vorhergehenden Punkt nicht zu Wort gemeldet, möchte aber einen kleinen Nachsatz, weil es auch zu diesem Punkt passt, dazusagen: Die sonderbare Vorstellung, dass es wirtschaftsfeindlich oder gar börsenfeindlich wäre, wenn die not­wendige Transparenz und notwendige Sicherheit für den Kleinanleger gegeben wären, ist obskur.


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Stenographisches Protokoll
35. Sitzung / Seite 203

Jede Chance, die wir dem Kleinanleger geben können, sich sicherer zu fühlen, jede Chance, die wir ihm geben können, dass er versteht, was passiert, und weiß, dass dort, wo etwas schief gegangen ist, das ganz normale Risiko eines Kaufmannes für die Emittenten wahrgenommen wird und dass, wenn Leute einen Schaden erleiden, sie auch zu ihrem Geld kommen, sollte uns ein Anliegen sein. Das hilft dem Kapitalmarkt viel mehr als irgendwelche Abwehrpositionen!

Ich komme aber nun zum Hauptantrag, den wir im Bereich der Wahlmöglichkeiten der Betriebspensionskassen mit beiliegender Gesetzesinitiative Gesetz werden lassen wollen. Wir haben folgende Situation bei den Pensionskassen: Es wurde und musste – gerade die Damen und Herren von den Regierungsfraktionen wissen das – von Ihnen eine Notoperation gemacht werden, weil man zu lange in falschen Veranlagungen ge­blieben ist und die Gelder der Pensionskassenanwartschaftsberechtigten, aber auch der Leistungsbezieher schlicht verspekuliert hat.

Ich muss dafür gar keine eigenen Worte verwenden, sondern brauche nur zu nehmen, was die „Salzburger Nachrichten“ vom 10. Oktober 2003 unter der Überschrift „Pen­sionskassen als ‚Geldvernichter‘“ berichten. Ich gebe das Zitat sinngemäß wieder: Wir haben in diesem Bereich Verluste hinzunehmen, die allein, wenn man es nüchtern von der Veranlagungsstrategie her betrachtet, darin begründet sind, dass man einfach zu lange bei der alten Veranlagungsstrategie mit 30 Prozent Aktien und 70 Prozent sonsti­gen festverzinslichen Wertpapieren geblieben ist.

Für diesen Fehler haftet niemand. Für diesen Fehler haben Sie den Menschen die Mindestgarantie weggenommen, haben sie mittels Budgetbegleitgesetz um ihre An­sprüche gebracht, haben sie enteignet. Das, was wir heute beantragen, ist ein kleiner Wunsch, dass die Geschädigten wenigstens, wenn sie schon ihr Vertrauen – zu Recht! – verloren haben, eine Wahlmöglichkeit haben. Das, was Sie im § 48a einge­räumt haben, nämlich nur eine andere Risikogemeinschaft bei der gleichen Kassa zu machen, wäre so ähnlich, als ob man, wenn man in eine Autowerkstätte geht und draufkommt, dass nicht einmal das Rad richtig montiert wurde, als die Reifen gewech­selt wurden, verpflichtet werden würde, bei derselben Werkstätte, aber vielleicht bei einem anderen Mechaniker bleiben zu müssen. Ich fordere Sie auf: Erlauben Sie den Menschen die Wahl!

Daher gibt es unseren Antrag, der besagt, dass auch die Möglichkeit besteht, auf etwas Bewährtes, das es in Österreich schon gibt, zurückzugreifen, nämlich die Wahl­möglichkeit einer Rentenversicherung im Rahmen einer Lebensversicherung. Es muss sowieso in solch einem Fall eine Betriebsvereinbarung stattfinden, das heißt, Arbeit­geber und Arbeitnehmer müssen sich einigen. Wenn dem so ist, dann lassen Sie die Menschen in eine andere Form wechseln. In diesem Bereich haben wir ebenfalls Beiträge auf dem Kapitalmarkt und gute Erfolge, und ich hoffe, dass wir damit zu einem Gesetz kommen werden. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

21.31

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ikrath zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.31

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoch geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der vorgerückten Stunde möchte ich meine Ausführungen ebenfalls möglichst kurz halten.

Wir haben nach drei Jahren einer sehr atypischen Kapitalmarktentwicklung, einer großen Kapitalmarktschwäche bei den Pensionskassen, wie bekannt, eine schwache Performance gehabt, haben es aber mittels § 48a sowie mit der gesamten Pensions-


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kassengesetznovellierung zustande gebracht, dass für die Anwartschafts- und Leis­tungsberechtigten deswegen keinerlei Schmälerungen ihrer Leistungen eingetreten sind. Wir haben es gerade mit § 48a geschafft, den Anwartschaftsberechtigten zu er­möglichen, in eine neue Risikogemeinschaft zu wechseln, dort wieder zu veranlagen, und ihnen damit ein erheblich höheres Maß an Sicherheit für die Zukunft zu gewähr­leisten.

Wir haben damit auch gleichzeitig – dazu bekennen wir uns, weil wir zu der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge eindeutig und konsequent stehen, was ich von allen Fraktionen, die in diesem Hohen Haus sitzen, so nicht sagen kann – bewirkt, dass das Pensionskassensystem insgesamt stabil und das Vertrauen in die Pensions­kassen erhalten geblieben ist.

Was ich daher jetzt nicht verstehe, ist, dass man, wie Kollege Matznetter in seiner Begründung des Antrages, den er vorher präsentiert hat, meint, die Idee der Pensions­kassenvorsorge stärken will, indem man das System öffnet – und damit notwendiger­weise nachhaltige Vermögensabflüsse aus den Pensionskassen in Kauf nimmt –, und für alle – die Betroffenen nach § 48a sind ja nur eine sehr kleine Gruppe – anderen, die in den Pensionskassen veranlagt sind, in Kauf nimmt, dass deren Position wesentlich geschwächt wird, deren Sicherheit in Zukunft wesentlich geringer wird und gleichzeitig auch ihre Performance-Chancen schlechter werden.

Dabei werden wir nicht mitgehen, weil es uns mit der Veranlagungssicherheit der Pen­sionskassenanwartschaftsberechtigten und -leistungsberechtigten ernst ist.

Außerdem verstehe ich den Zeitpunkt nicht. Wir haben im Gesetz geregelt, dass sich die Anwartschafts- und Leistungsberechtigten bis zum 30. November 2003 entschei­den müssen, ob sie in der alten Veranlagungs- und Risikogemeinschaft bleiben oder in die neue wechseln.

Wenn daher am 23. Oktober ein solcher Antrag eingebracht wird und wir das Verfahren kennen, dann kann ich nicht sagen, dass das ernst und seriös gemeint ist im Sinne der Sache, sondern da geht es offensichtlich um etwas anderes. Es geht darum, dass man Unsicherheit schaffen will, und es geht darum, dass man es ganz offenkundig dem Wolf und den sieben Geißlein nachmachen will. Dieser Antrag ist als solcher oberfläch­lich argumentierbar und bewirkt lediglich die Schwächung des Pensionskassensys­tems, bewirkt, dass das Vertrauen der Anwartschaftsberechtigten reduziert und ihre Verunsicherung steigen wird. Auch da werden wir nicht mitmachen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Kollege Matznetter und liebe Kollegen von der SPÖ! Wir haben nächstes Jahr die Möglichkeit zu einer umfassenden Neugestaltung des gesamten Altersvorsorgesystems, da wir die einschlägige EU-Richtlinie umsetzen müssen. Dann können und werden wir darüber diskutieren, was der SPÖ und allen anderen Fraktionen Wahlfreiheit, Wettbewerb und die Mündigkeit des Anlegers wert sind.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. (Abg. Dr. Khol: Das ist ein leeres Verspre­chen!) Ich hoffe, all das ist den Kollegen im Hohen Haus von der sozialistischen Frak­tion mehr wert, als es den Kollegen der SPÖ in Wien wert ist.

Ich lese vorgestern in der Zeitung, dass man jetzt allen Gemeindebediensteten ermög­licht, künftig Online Banking während der Dienstzeit durchzuführen, allerdings nur mit einer einzigen Bank, und zwar mit der Bank Austria. (Abg. Dr. Khol: Kein Mensch hört dir zu!) – So weit zum Wettbewerbsbekenntnis, so weit zur Wahlfreiheit. Frau Brauner begründet es damit – und damit schließe ich mein Statement (Abg. Dr. Khol: Das ist das dritte Mal, dass du den Schluss versprichst!) –, dass man verhindern wollte, dass Mitarbeiter der Gemeinde über den Firmen-PC in Kontakt mit unseriösen Geldinstituten


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kommen. Zitat: Immerhin haben wir Dienstnehmer, die jünger als 18 Jahre sind, und diese Regelung hängt alleine mit der Fürsorgepflicht als Dienstgeber zusammen. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Das ist Paternalismus in Reinkultur! Das soll etwas mit Mündigkeit zu tun haben? – Das sagt die dieselbe Partei, die den 16-Jährigen wählen lassen will. Die Frage, ob das Wahlrecht weniger anspruchsvoll ist als die Entscheidung, mit welcher Bank ich mich in Verbindung setzen will, stelle ich an Sie und an die SPÖ der Gemeinde Wien. (Beifall bei der ÖVP.)

21.37

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.37

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ikrath! Ich will Sie nicht zu sehr verwirren, aber Sie haben völlig Recht: Wir sind skeptisch bezüglich der zweiten und dritten Säule. Ich will Ihre Ausführungen nicht noch weiter stören, aber es sei mir schon vergönnt, darauf hinzuweisen, dass es nicht wir, sondern Unternehmensberatungsfirmen sind, die für Österreich konstatieren, dass der Markt der Pensionskassen viel zu groß ist, dass es viel zu viele Pensionskassen gibt. Wenn ich das erweitere, dann gilt dasselbe natürlich auch für die Abfertigungs­kassen oder -vorsorge.

Das heißt, alles, was Sie hier sagen, inklusive dessen, was Kollege Matznetter einge­bracht wurde, scheint zunächst einmal sehr gut und vernünftig zu sein, aber es ist nicht die Perspektive, mit der wir sichere Produkte für die zweite und dritte Säule herstellen oder konservieren können, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Daher sollten Sie auch nicht den Anschein erwecken, als sei das so – durch welches Instrument auch immer – möglich. Im Prinzip – ich habe das als positive Anregung des Rechnungshofes mitgenommen – sind natürlich die konservativen Instrumente im Moment noch wesentlich besser dran.

Da ich ein begeisterter Leser der „Neuen Zürcher Zeitung“ bin und darin auch studieren kann, was auf diesem Sektor los ist (Abg. Dr. Fekter: Das ist eine gute konservative Zeitung!), kann ich Ihnen nur sagen: Vorsicht, Herr Kollege Stummvoll beziehungs­weise Herr Kollege Matznetter! Momentan sind die konservativen Instrumente, die angedacht sind, gut, aber da gibt es auch eine ordentliche Baisse. (Abg. Dr. Fekter: Die ist schon vorbei seit März!) – Nicht bei den konservativen Instrumenten, bei den Obligationen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) – Das ist nur eine Anmerkung dazu.

Im Prinzip hat Kollege Ikrath völlig richtig erkannt, dass wir, egal, welche Produkte Sie für den zweiten oder dritten Kapitalmarkt preisen, darin keine Perspektive für die Lösung der Altersvorsorgung sehen und man sich hüten sollte, auch wenn man es für notwendig hält, für die Altersvorsorge in solche Instrumente zu investieren und sie von politischer Seite als sicher zu kennzeichnen. (Beifall bei den Grünen.)

21.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 169/A dem Finanzausschuss zu.


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13. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz ge­ändert wird (202/A)

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Debattenredner ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


21.40

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Kleiner Nachsatz zu Kollegen Ikrath: Der Antrag wurde bereits am 18. Juni 2003 eingebracht. Vielleicht sollte man die Gelegenheit nützen, darüber zu diskutieren, warum es erst heute die erste Lesung gibt. Darüber sollten wir einmal reden, weil es eigentlich ge­scheiter wäre, würde dieses Haus öfter tagen, sich mehr mit den Materien auseinander setzen und Anträge schneller behandeln.

Aber jetzt zum zweiten Antrag: Dieser ist immerhin schon am 12. August 2003 einge­bracht worden, und am 12. August 2003 wurde er – das sage ich gleich dazu – nicht zum ersten Mal eingebracht. Wir haben diesen Antrag auf Senkung der Steuern mit einer Senkung im Bereich der kleinen Einkommen, des unteren Drittels, um 1 Milliar­de € (Abg. Scheibner: Das ist ein anderer ...!) und für den Mittelstand um 1 Milliarde € bereits im April 2004 eingebracht (Heiterkeit bei der ÖVP – demonstrativer Beifall des Abg. Ellmauer), ich korrigiere: 2002 mit Wirksamkeit auch für 2003 eingebracht. (Abg. Scheibner: Wann jetzt?) Wir haben dadurch eine Diskussion mit ausgelöst, die in Knittelfeld geendet hat. (Abg. Scheibner: War das der mit der Steuererhöhung?) – Sie waren damals noch Bundesminister, das hat sich ja dann erübrigt, Herr Kollege Scheibner.

Das wäre eigentlich jener Zeitpunkt gewesen, zu dem gerade Sie – jetzt sind bei der FPÖ keine Damen mehr hier, o doch, Frau Kollegin Partik-Pablé – nachdenken sollten, wieso Sie die Gelegenheit nicht genutzt haben, durch Herabsetzung der Steuern, wie es versprochen war, mit 1. Jänner 2003, inklusive einer Verdoppelung der Negativ­steuer für diejenigen, die auch schon vor dem Budgetbegleitgesetz keine Steuer gezahlt haben, also die überwiegende Mehrheit jener 2,4 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, in deren Namen Sie sich jetzt immer brüsten für die „tolle“ Senkung zum 1. Jänner 2004. Deswegen wäre es schon heuer notwendig gewesen, weil hier Kaufkraft entstanden wäre und weil wir dann heuer nicht in der Bredouille wären, dass wir nur 0,7 Prozent an Wachstum haben (Abg. Großruck: Ihre Schulden ...!), sondern dann hätte sich der Herr Finanzminister nächstes Jahr brüsten können, dass es doch so hoch wirksam war – so, wie er es beim Konjunkturpaket gemacht hat. (Abg. Scheib­ner: Er stimmt sogar wieder dagegen!) Das wurde versäumt, weil Sie bei den Dingen, die Sie richtigerweise gefordert haben, immer wieder nicht die Mehrheit gesucht haben – die hätten wir gehabt –, sondern Ihnen die Menschen egal waren und die Regierungssitze wichtiger waren.

Jetzt komme ich aber zur nächsten Frage: Welches System ist vernünftiger? – Wir haben den richtigen Zeitpunkt 1. Jänner 2003 versäumt, wir haben mittlerweile auch den richtigen Zeitpunkt 1. Jänner 2004 versäumt, weil die ÖVP nicht bereit ist, die ver­sprochene Steuersenkung durchzuführen. Wir haben jetzt die Gelegenheit, in einer Steuerreformdiskussion zu überlegen, welche Steuersenkung die richtige ist.


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Ich sehe schon die Vorschläge der ÖVP kommen: Spitzensteuersatz auf 42 Prozent senken (Ruf bei der ÖVP: 39!), auf 39 herabsetzen. (Ruf bei der ÖVP: 35!) – Ja, wunderbar! Das zeigt nämlich den Menschen, was für Volksvertreter Sie sind: Fürs eigene Geldtaschl wollen Sie sich möglichst viel an Steuersenkung herausholen. (Abg. Scheibner: Mit den Zahlen haben Sie es heute, Herr Kollege!) Das ist eine Politik, für die Sie sich schämen sollten! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Durch Gebührenerhöhungen, die Sie zu verantworten haben, durch Ausgliederung und nachfolgende Erhöhung der Entgelte in nach Maastricht-Regelung nicht relevanten Teilen der öffentlichen Leistungen, durch Nichtabgeltung von Steuererhöhungen bei jenen Menschen, die mit 1 000 € auskommen müssen (Abg. Neudeck: Aber das Defi­zit haben wir von Ihnen übernommen!) – dadurch wurde hier abgezockt, wurde ein Budget finanziert, wie das der deutsche Finanzminister nicht getan hat! Ich verstehe Ihre Aufregung, denn das ist ein Problem: Hier regieren Sie gegen die Mehrheit! Was wir brauchen, ist, dass für die Menschen etwas getan wird, aber nicht für ein paar Spitzenverdiener, wie auch wir als Politiker es sind. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Jetzt komme ich zum System, weil Kollege Bucher vorhin gemeint hat, dass man das nicht rechnen kann. (Abg. Rädler: Zum sozialistischen System!) Die Anträge hier erfor­dern, dass man die Klammerrechnung beherrscht, Multiplikation, Addition und Division. Das ist Volksschulstoff der vierten Klasse – wunderbar, das wird Kollege Bucher auch schaffen, und ich denke, auch alle anderen. (Abg. Neudeck: Herr Oberlehrer, wir haben keine Zeit ...!) – Wir haben genug Zeit, kein Problem!

Wir kommen aber jetzt zum Hauptproblem, meine Damen und Herren! Das ist eine Frage der Verteilungs- ... (Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Wir kommen zur Frage der Verteilungsgerechtigkeit in Österreich. (Ruf bei der ÖVP: Wollen Sie gerne verteilen?) Ich möchte Ihnen zu bedenken geben, dass wir in der Reallohnentwicklung dem Durchschnitt der Europäischen Union seit mehreren Jahren um 0,5 Prozent, 0,75 Prozent, über 1 Prozent nachhinken. (Abg. Scheibner: ... Gusenbauer die Rede gehalten, das wäre gescheiter gewesen!) Wir hinken nach, weil diese Regierung kaltherzig, aber auch falsch für die Volkswirtschaft kein Augenmerk darauf richtet, dass die Menschen wieder Kaufkraft bekommen, auch jene, die unter dem Medianeinkommen von 2001 liegen. Ich weiß schon, dass Sie das nicht gerne hören, aber Ihnen sei es ins Stammbuch geschrieben: Das Medianein­kommen betrug damals laut letztem Einkommensbericht des Rechnungshofes 1 510 €.

Darüber nachzudenken, wie man den Spitzensteuersatz für 4,4 Prozent der Steuer­pflichtigen um Budgetkosten von bis zu 1 Milliarde € senkt, ist etwas, was den Zusam­menhalt Österreichs gefährdet und wir in dieser Kaltherzigkeit noch nie gehabt haben! Wir werden uns dagegen wehren, wir werden dagegen kämpfen und uns für Entlas­tungen unserer Art einsetzen, weil wir für die Menschen und nicht für Ihr Brieftaschl stehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.46

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.46

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich – im Gegensatz zu meinem Vorredner – nur auf einige Daten und Fakten konzentrieren. (Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.) Wir werden zwar heute diesen Antrag erst dem Finanzausschuss zuweisen, aber es lässt sich, bei aller Vorsicht vor Prognosen,


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schon Folgendes sagen: Dieser Antrag stellt keine geeignete Grundlage für eine große Steuerreform dar, und zwar aus folgenden drei Gründen.

Erster Grund: Schon die Begründung ist falsch. Die Begründung besagt, wir brauchen diesen Antrag, weil wir einen historischen Höchststand bei der Abgabenquote haben. – Wahr ist vielmehr, dass die Abgabenquote heuer 43,9 Prozent betragen wird, in Ver­gleich zu 44,4 Prozent unter Finanzminister Edlinger und Bundeskanzler Klima! Die Differenz von 0,5 Prozent heißt in Schilling: Herr und Frau Österreicher zahlen heute um 15 Milliarden Schilling weniger Steuern und Abgaben als unter Finanzminister Edlinger und Bundeskanzler Klima. Das sind die harten Daten und Fakten, Herr Kol­lege! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Meine Damen und Herren, dieser Antrag enthält keine einzige Bestim­mung, die den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich absichern würde. Es ist reine Tarifpolitik, und keine einzige Maßnahme nimmt darauf Bezug, dass die Erweite­rung der Europäischen Union eine Neuverteilung von Chancen und Risken bedeutet und wir alles tun müssen, um den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich zu stärken, Herr Kollege Matznetter!

Der dritte Punkt betrifft den Tarif, diese eigenartige Kombination von Stufen- und For­meltarif. Wissen Sie, was die Experten dazu sagen? – Der Tarif hat einen negativen Charme: Er vereint die Nachteile des Stufentarifs mit den Nachteilen eines Formel­tarifs. Das wollen Sie haben?

Dies ist keine geeignete Grundlage für eine Diskussion im Finanzausschuss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.48

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


21.48

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Matznetter, du bist im Plenum anwesend – jetzt geht es nämlich um deine heutigen Redebeiträge.

Du hast ein bisschen ein Problem mit den Statistiken: Du nimmst immer alte Statistiken her. Bitte nimm die neuesten her! (Beifall des Abg. Dr. Stummvoll.) Du hast heute von der Statistik Austria vom Frühjahr 2003 geredet, wonach zum Beispiel das Wirtschafts­wachstum in Österreich bei 0,7 Prozent liegt (Abg. Dr. Matznetter: Heuer ist das!) – heuer, ja. Du hast aber – ich werde dich gleich berichtigen – vom Frühjahr geredet, und da hast du behauptet, dass das Wirtschaftswachstum in Italien 1 Prozent beträgt, in Frankreich 1,1 Prozent und in Dänemark 0,4 Prozent. Ich berichtige dich, es gibt auch neueste Werte nicht nur vom Frühjahr, sondern vom September 2003. Danach beträgt das Wirtschaftswachstum in Deutschland 0,0 Prozent, in Frankreich 0,5 Prozent, in Italien 0,5 Prozent und in Österreich 0,7 Prozent.

Wir haben es auch deiner Partei zu verdanken, dass das Wirtschaftswachstum nicht so ist, wie wir alle es uns vorstellen: Weil ihr uns einen Schuldenberg hinterlassen habt, für den wir um vieles mehr an Zinsen zahlen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das nächste Problem ist: Du hast auch hier zugegeben, dass der Antrag für das Ein­kommensteuergesetz bereits im April 2002 eingebracht wurde. Du hast ein Problem, weil du Steuerberater bist und in 20 Firmen tätig bist – da komme ich eh noch hin, wo du überall beteiligt beziehungsweise Gesellschafter bist. Daher hast du natürlich keine Zeit, das anzusehen, und hast es genauso übernommen wie in dem Antrag, den ihr 2002 eingebracht habt.


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Ich lese dir aus eurem Antrag vor: Du willst Einkommen bis zu einer Steuerbemes­sungsgrundlage von 10 000 € jährlich steuerfrei stellen. Aber du hast vergessen, was wir heuer im Juni hier in diesem Haus abgestimmt haben: Nicht 10 000 € sind steuer­frei, sondern 14 500 €! Lesen – denken – sprechen!, heißt die Devise! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nächste Situation: Die Steuern, wie du sie vorgibst, würden für die Österreicherinnen und Österreicher bei einem gewissen Einkommen wieder solche Steuerkurven bedeu­ten. (Der Redner hält eine Graphik in die Höhe.) Wenn ich um 1 € mehr habe, habe ich gleich 32 Prozent, umgekehrt bin ich bei 1 € weniger womöglich wieder auf 20 Prozent. (Abg. Dr. Matznetter: Herr Walch!) Ich kann dir nur sagen, Herr Kollege Matznetter – jetzt bin ich am Wort –: Dieses Steuerprogramm von uns Freiheitlichen – es heißt Flat-Tax, flache Steuern – kommt jedem Arbeitnehmer, der Wirtschaft, allen zugute.

Kollege Matznetter, wenn ich mir das anschaue, hast du ja gar keine Zeit! Es wäre ein Problem, wenn du Finanzminister wärst, weil du dir dann drei Wochen Urlaub nehmen müsstest, um all die Firmen bekannt zu geben, an denen du beteiligt bist (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen): Bundesfinanzreferent, Gesellschafter, Gesellschaf­ter, Vorstand, Vorstand, Aufsichtsrat, eine Werbeartikel-GesmbH, Gesellschafter, Ge­sellschafter, Gesellschafter, Prokurist, Aufsichtsrat, Prokurist, Aufsichtsrat, Gesell­schafter – 20 habe ich hier zusammengezählt, ich weiß nicht, wie viele du noch hast! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Du hast ja gar keine Zeit, es ist verzeihlich. Ich verzeihe dir das auch: Man kann nicht überall sein, und man kann auch nicht so genau lesen, das ist ja klar!

Aber ich sage euch, diese Regierung – mit den Freiheitlichen voran, mit unserer Flat-Tax, wobei jetzt auch schon der Koalitionspartner auf unseren Zug aufspringt – wird eine Steuerentlastung machen: 2,5 Milliarden € in nächster Zeit! Österreicherinnen und Österreicher werden wieder mehr im Geldtaschl haben. Was ihr ihnen jahrzehntelang weggenommen habt, geben wir ihnen wieder zurück! – Danke. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

21.52

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. (Unruhe im Saal. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

 


21.52

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident, vielen Dank! In der Tat, es ist dies, vom heute schon strapazierten Kabarettsektor aus betrachtet, tatsächlich nicht mehr steigerbar.

Trotzdem: Es ist schon eigenartig, wenn der Opposition immer vorgeworfen wird, sie möge sich beteiligen, sie solle nicht immer nein sagen, sie solle etwas einbringen. Dann kommt ein Vorschlag – es waren jetzt mehrere erste Lesungen von solchen Vor­schlägen –, und da haben wir es vorhin wieder gehört: das irritiert nur; Argument wird keines geliefert, aber irgendwie gibt es heimliche Einflussnahme aufs Protokoll, da tauchen dann die Argumente auf, so setzt man sich offensichtlich auseinander.

Herr Kollege Stummvoll, das hat mich jetzt schon ein bisschen enttäuscht, dass Sie einfach sagen: Das ist überhaupt keine taugliche Grundlage für eine Ausschussdiskus­sion. Dann müsste man eben hier mehr diskutieren, um das zu explizieren, denn so einfach können wir es uns nicht machen, auch dann nicht, wenn es spät ist, insbeson­dere vor dem Hintergrund, dass hier immer verkündet wird: Die Opposition hat keine Vorschläge – und aus!


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35. Sitzung / Seite 210

Hier liegt etwas vor, und ich fände es in der Tat wert, dass man sich näher damit auseinander setzt; ich weiß aber auch, dass es spät ist, und deshalb werde ich Ihnen eine lange Auseinandersetzung ohnehin ersparen. Aber sich hier herzustellen und zu sagen, das sei überhaupt nur negativ – das ist ja Fundamental-Regierungsablehnung, was Sie da betreiben! Ich verstehe diesen Zugang nicht, hoffe aber, dass Sie im Aus­schuss Ihre Meinung revidieren werden, damit wir wenigstens ein bisschen darüber diskutieren können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zu den aufgeworfenen Eingangszahlen, wieder einmal: Herr Kollege Stummvoll, es ist richtig, dass jetzt die Abgabenquote zu sinken beginnt. Das bedeutet allerdings, dass die Abgabenbelastung, absolut am Bruttoinlandsprodukt gemessen, in dieser Propor­tion zurückgegangen ist. Aber wenn Sie sich herstellen, die Prozente ausrechnen, wie stark das wieder zurückgegangen ist, und dann sagen: um diese Millionen oder Milliar­den würde weniger an Steuern bezahlt werden, dann ist das absoluter Unsinn, weil in absoluten Beträgen natürlich mehr Steuern als vorher bezahlt werden; in gewisser Weise sage ich: Gott sei Dank, denn wo würden wir mit unserem Budget sonst stehen! Also da geht mir schon etwas ab: entweder die Ernsthaftigkeit oder die Befähigung zu diesen Auseinandersetzungen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Auch wenn es jetzt 21.54 Uhr ist, wird es nicht wahrer, wenn Sie sich hier herstellen, von 2,5 Millionen reden, die keine Steuern zahlen, und immer wieder suggerieren, die alle seien jetzt von Ihren positiven Maßnahmen betroffen – weil Sie von diesen 14 500 € pro Jahr als Grenze sprechen, bis zu welcher das Einkommen steuerfrei bleibt. Das ist so weit schon in Ordnung, diesen Teil haben wir im Übrigen auch begrüßt. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass die SPÖ diesen isolierten Teil verteufelt hätte.

Der Unterschied ist nur der: Diese Maßnahme betrifft nicht einmal 200 000 Personen – das ist zwar auch gut und viel –, doch Sie reden immer von 2,5 Millionen. Das muss man Ihnen einfach entgegenhalten: 2,5 Millionen minus 200 000, das sind immer noch 2,3 Millionen, können von Ihren Maßnahmen, und zwar mit Ihrer eigenen Argumenta­tion jetzt am Schluss, ausschließlich negativ betroffen sein, weil sie zwar die Mehrbe­lastung „konsumieren“ müssen – wenn der Ausdruck überhaupt sinnvoll ist –, jedenfalls aber bei Ihren Maßnahmen nichts bekommen. Das ist doch das Problem, das wir hier zu diskutieren haben! Aber das wollen Sie entweder nicht verstehen, oder Sie wollen es irgendwie wegwischen. Das wird aber nicht durchgehen, und wir werden das immer wieder richtig stellen. Selbst in Ihre Gesetzesunterlagen haben Sie diesen Unsinn hineingeschrieben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dann gehen Sie her und widersprechen Kollegen Matznetter, weil – und jetzt komme ich auf diesen Vorschlag – hier ein Versuch inkludiert ist, der meines Erachtens schon überlegenswert ist. Wir müssen zwischen zwei Fragestellungen unterscheiden. Die eine lautet: Wie ist die Verteilungswirkung eines Systems – das ist noch relativ unab­hängig von Stufentarif oder Formeltarif –, was ist sozusagen die zugrunde gelegte Her­angehensweise? Wie hoch ist die Progression? Was will man etwa an Verteilungspoli­tik machen? – Von Konjunkturpolitik brauchen wir nicht mehr zu reden, weil der Wirtschaftsaufschwung, bis Ihre Maßnahmen greifen werden, in gewisser Weise hoffentlich ohnehin schon eingetreten ist. Dann werden wir eine andere Fragestellung in den Vordergrund zu rücken haben, nämlich – sagen wir es, wie es ist – eine vertei­lungspolitische. Das ist aber zunächst keine Frage von Formeltarif oder Stufentarif, sondern davon, wie viel die unteren und die oberen Einkommensschichten zahlen, gemessen an ihrer Leistungsstärke.

Wenn Sie jetzt den Vorwurf aussprechen, dass der Formeltarif irgendwelche Zacken oder sonst etwas macht, dann zeigt das nur, dass Sie sich nicht auskennen, Herr Walch, denn der Formeltarif versucht, genau dieses Problem zu lösen und eine


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35. Sitzung / Seite 211

gewisse Kurve in das System hineinzubringen. Das gelingt zwar nicht endgültig, weil das österreichische System schon so kompliziert ist, dass man dies nicht völlig kontinuierlich durchbringen kann, aber was Sie hier vorgezeigt haben, ist ein absoluter Nonsens. Ich weiß gar nicht, wo Sie das her haben. Haben Sie sich auch schon vom Finanzminister beraten lassen, oder wie? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) So wird hier polemisiert. Ich komme tatsächlich nicht umhin, dies zurückzuweisen.

Wenn Sie daraufhin – das ist jetzt das letzte Argument – selbst von der Flat-Tax reden, dann sind wir bei den wirklichen Unterschieden der Zugangsweise. Ich weiß nicht, warum Sie sich als Arbeitnehmervertreter ausgeben, da muss irgendein Missverständ­nis aufgeklärt werden. Wenn Sie glauben, dass die Flat-Tax für sich genommen ein Segen für die Arbeitnehmer ist, dann zeigt das nur, dass sich entweder Herr Haider jetzt nicht mehr auskennt, denn er redet vor allem von Absetzbeträgen (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen) – meines Erachtens zu Recht, wenn es darum geht, die Kleineren positiv zu treffen, weil es anders gar nicht mehr geht. Aber mit der Flat-Tax erreichen Sie in diesem Einkommensbereich über­haupt niemanden mehr. (Präsident Dr. Khol übernimmt den Vorsitz.)

Wenn wir hergehen und alle nur noch – Hausnummer – 30 Prozent zahlen, egal, für welche Einkommensstufe (Abg. Scheibner: 23!) – oder 23 Prozent –, dann wird man zumindest genötigt sein – ich werde diese Idee jetzt nicht verteufeln –, unten eine sehr hohe Freibetragsgrenze einzuziehen, weil Sie sonst völlig im Ungerechtigkeits-Nirwana sind, wenn der erste Euro und der letzte Euro gleich besteuert werden sollen. Aber Sie dürfen sich nicht daran vorbeischwindeln, dass das der Grundgedanke der Flat-Tax ist und dass Sie das wieder nur mit diesen Zusatzmaßnahmen wegbekommen, die Sie sonst gerne kritisieren. (Abg. Scheibner: Aber nicht in dem System, das wir an­streben!)

Daher müssen Sie sich erst einmal mit sich selbst darüber einig werden, wo Sie Ihren „kleinen Mann“ – ich möchte den Ausdruck selbst nicht unbedingt verwenden und gebe ihn hier nur wieder – noch aufspüren, wo Sie ihn identifizieren, wo Sie ihm allenfalls noch etwas Gutes tun wollen. Ich glaube, Sie haben ihn aus dem Auge verloren, aber er wird ohnehin nichts mehr von Ihnen wissen wollen. (Beifall bei den Grünen.)

21.59

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. Redezeitlimit: 20 Minuten, Restredezeit: 24 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


21.59

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Ich nehme Wortmeldun­gen in diesem Hause sehr ernst. (Abg. Mag. Posch: Aber nicht alle!) Ich lese: „Steuer­reform verabschiedet“ – „Steuerliche Entlastungen für niedrigere Einkommen, Perso­nengesellschaften, Studenten und die Anschaffung neuer Technologien sowie eine deutliche Verteuerung von Energie: ...“ (Abg. Mag. Molterer: Das ist kein parlamenta­risches Protokoll!) – Nein, das ist ein Ausschnitt aus der „Presse“ vom 12. Juni. So weit zu: „Lesen – denken – sprechen!“ (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege, Sie haben genau die große Mittelschicht vergessen, und Kollege Kogler hat Ihnen das sehr schön gesagt. Sie sollten ein bisschen aufpassen, was Sie da vom Rednerpult aus zum Besten geben, denn Sie geben es auf der einen Seite und holen es auf der anderen Seite sofort wieder zurück. Die Verteuerung der Energie trifft näm­lich auch und ganz besonders die kleinen Leute.

Zu Kollegen Stummvoll möchte ich noch sagen: Es ist schon die Frage, in welcher Konjunktursituation höchste Steuersätze eingehoben werden. – So viel zu Kollegen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
35. Sitzung / Seite 212

Edlinger und den höchsten Steuersätzen. Auch darüber sollte man nicht so locker hin­weggehen.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist: Die Menschen arbeiten viel, und in der Geld­tasche ist wenig. Das ist nicht wegzuleugnen, das spürt jeder – ob Klein-, Kleinst- oder Mittelverdiener, und Klein- und Mittelbetriebe ebenso. Es ist außerdem negativ fürs Wirtschaftswachstum und den Wirtschaftsstandort und hat negative Auswirkungen auf die Beschäftigung. Die Menschen werden gezwungen, mehr zu sparen, und das drosselt wieder das Wirtschaftswachstum und gefährdet die Arbeitsplätze. Es ist also eine Negativspirale nach unten.

Herr Kollege Stummvoll, ich freue mich, wenn wir diesen Antrag im Finanzausschuss diskutieren. Vielleicht können wir dann genauer darüber sprechen, und vielleicht findet er dann bei Ihnen mehr Verständnis, denn eine Steuerreform ab 1. Jänner 2004 ist, so denke ich, dringend notwendig. Man darf nicht auf eine Konjunkturerholung warten, um Steuern zu senken, sondern man muss in der Rezession die Steuern senken und in der Konjunktur zulangen, um die Staatskassen zu füllen. – Ich freue mich auf die Diskussion im Finanzausschuss. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

22.02

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 202/A dem Finanzausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 246/A bis 250/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 963/J bis 1009/J eingelangt.

Schließlich ist die Anfrage 11/JPR der Abgeordneten Theresia Haidlmayr an den Präsi­denten des Nationalrates eingebracht und inzwischen auch beantwortet worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für heute, 22.03 Uhr, ein. – Das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 22.03 Uhr

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