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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

941. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Juni 2022

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

941. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Juni 2022

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Juni 2022: 9.00 – 19.59 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird (Ver­sicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geän­dert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geän­dert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018, das Wertpapierauf­sichts­ge­setz 2018 und das Kapitalmarktgesetz 2019 geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Ver­ordnung (EU) 2019/1238 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP-Vollzugsgesetz) erlassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das PRIIP-Vollzugsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Konsumentenschutz­gesetz geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirt­schaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 2

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und das Bundesgesetz betreffend die bundes­weite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) geän­dert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kur­anstalten geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz und das Sanitätergesetz geändert werden

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Inhalt

Bundesrat

Erklärungen des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc und des Vizekanzlers Mag. Werner Kogler gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung des Bundesministers für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, des Bundesministers für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, der Staatssekretärin im Bundes­ministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen – Bekanntgabe ....................................................      11

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc ...................................................................      11

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................      14

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 37 Abs. 5 GO-BR ................      11

RednerInnen:

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................      18

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ...................................................      20

Staatssekretärin Claudia Plakolm .........................................................................      22

Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler ..................................................      23

Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc ............................................................      25

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................      27

Korinna Schumann .................................................................................................      30

Christoph Steiner ....................................................................................................      32

Marco Schreuder ....................................................................................................      38

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      41

Alexandra Platzer, MBA .........................................................................................      43

Günter Kovacs ........................................................................................................      44

Günter Pröller ..........................................................................................................      46

Andreas Lackner .....................................................................................................      49

Eva Prischl ...............................................................................................................      52

Markus Leinfellner ..................................................................................................      54

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................      56

Josef Ofner ..............................................................................................................      59

Ingo Appé ................................................................................................................      63


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 3

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      64

Sonja Zwazl .............................................................................................................      67

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................      69

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Rücktritt der Regierung“ – Ablehnung .................................  38, 71

Antrag des Bundesrates Christoph Steiner auf Anwesenheit von Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc, Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher und von Staats­sekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler – Ablehnung .................................  48, 49

Schreiben des Generalsekretärs im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verzicht auf die Beglaubigung, über den Austausch von Daten in Personenstandssachen und über den Entfall von Ehefähigkeitszeugnissen durch den Bundespräsidenten      98

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ..............................    133

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................    134

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      11

Ordnungsrufe .................................................................................................  33, 71

Aktuelle Stunde (96.)

Thema: „Menschenrechts- und Umweltverbrechen in Lieferketten: Verant­wortlichkeit für Konzerne im Europäischen Zivil- und Strafrecht“ ...................      71

RednerInnen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      72

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................      74

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      76

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................      79

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      81

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      83

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................      85

Stefan Schennach ...................................................................................................      86

Markus Leinfellner ..................................................................................................      87

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      89

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc betreffend Enthebung der Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck vom Amt bei gleichzeitiger Be­trauung des Bundesministers für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und betreffend Ernennung von Mag. Susanne Kraus-Winkler zur Staatssekretärin zur Unter­stützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundes­ministers für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und von Florian Tursky, MBA MSc zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Finanzen durch den Bundespräsidenten ............................................................................................      94


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 4

Schreiben des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc betreffend Enthebung der Bundesministerin Elisabeth Köstinger vom Amt bei gleichzeitiger Ernennung von Mag. Norbert Totschnig zum Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus durch den Bundespräsidenten ........................................................      95

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union  96, 97

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................    102

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  90, 189

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der auto­matischen Verarbeitung personenbezogener Daten (1427 d.B. und 1463 d.B. sowie 10970/BR d.B.) ...............................................................................................    102

Berichterstatter: Ing. Eduard Köck .........................................................................    102

RednerInnen:

Marco Schreuder ....................................................................................................    102

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................    103

Stefan Schennach ...................................................................................................    104

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    105

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    106

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ...............................................................................................    107

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird (Versicherungs­vertragsgesetz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022) (1446 d.B. und 1464 d.B. so­wie 10971/BR d.B.) ...................................................................................................    107

Berichterstatterin: Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................    108

RednerInnen:

Marco Schreuder ....................................................................................................    108

Otto Auer .................................................................................................................    108

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................    109

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    110

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    111

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    111

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 5

(Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022) (1440 d.B. und 1465 d.B. sowie 10972/BR d.B.) ...............................................................................................    111

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl .............................................................................    111

RednerInnen:

Marco Schreuder ....................................................................................................    112

Barbara Tausch .......................................................................................................    112

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................    114

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    114

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    114

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    115

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert wer­den (2501/A und 1466 d.B. sowie 10973/BR d.B.) ..................................................    115

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................    115

RednerInnen:

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    116

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    116

Sebastian Kolland ...................................................................................................    117

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................    117

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    118

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (2502/A und 1461 d.B. sowie 10959/BR d.B. und 10974/BR d.B.) .........................    118

Berichterstatter: Marco Schreuder ..........................................................................    118

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B. sowie 10960/BR d.B. und 10975/BR d.B.) ...............................................................    118

Berichterstatter: Marco Schreuder ..........................................................................    127

RednerInnen:

Ing. Isabella Kaltenegger .......................................................................................    119

Günther Novak ........................................................................................................    120

Michael Bernard ......................................................................................................    122

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    124

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................    128

Günter Pröller ..........................................................................................................    130

Korinna Schumann .................................................................................................    131

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“ – Ablehnung ..  121, 133

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Veto gegen ein Gas-Embargo auf russische Lieferun­gen“ – Ablehnung (namentliche Abstimmung)........................................... 131, 133


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 6

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................    134

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................................    132

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................................................................    133

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Aus­länderbeschäftigungsgesetz geändert werden (2411/A und 1479 d.B. sowie 10976/BR d.B.) .........................................................................................................    135

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................    135

RednerInnen:

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................    135

Günter Kovacs ........................................................................................................    136

Markus Steinmaurer ...............................................................................................    136

Andreas Lackner .....................................................................................................    137

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................    137

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    138

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Kapitalmarktgesetz 2019 geändert werden (1441 d.B. und 1459 d.B. sowie 10968/BR d.B.) ...............................................................................................    138

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    138

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2019/1238 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP-Voll­zugsgesetz) erlassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das PRIIP-Vollzugsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Konsu­menten­schutzgesetz geändert werden (1445 d.B. und 1460 d.B. sowie 10969/BR d.B.) .......    138

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    138

RednerInnen:

Dominik Reisinger ..................................................................................................    139

Elisabeth Mattersberger .........................................................................................    140

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    141

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    142

Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc ............................................................    143

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    144

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................    144


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 7

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (2458/A und 1447 d.B. sowie 10958/BR d.B. und 10965/BR d.B.) ..............................................    144

Berichterstatterin: Alexandra Platzer, MBA ............................................................    145

RednerInnen:

Günter Pröller ..........................................................................................................    145

Florian Krumböck, BA ............................................................................................    146

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................    147

Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................    149

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    151

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Start des Pflegestipendiums bereits mit 1. September 2022“ – Ablehnung ....................................................................................  149, 152

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    152

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungs­gesetz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden (2503/A und 1457 d.B. sowie 10966/BR d.B.) .......................................................................    152

Berichterstatterin: Barbara Tausch .........................................................................    152

RednerInnen:

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................    153

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................    154

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    156

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    157

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden (1442 d.B. und 1451 d.B. sowie 10967/BR d.B.) .....    157

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .........................................................................    157

RednerInnen:

Nicole Riepl .............................................................................................................    158

Johanna Miesenberger ...........................................................................................    159

Michael Bernard ......................................................................................................    161

Andreas Lackner .....................................................................................................    163

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ...................................................    165

Andrea Kahofer .......................................................................................................    167

Otto Auer (tatsächliche Berichtigung) .....................................................................    169

Silvester Gfrerer ......................................................................................................    169

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ernährungssouveränität: Flächen für die Produktion frei­geben“ – Ablehnung ..................................................................................  163, 172

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    17


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 8

1

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und das Bundesgesetz betreffend die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) geän­dert werden (2490/A und 1480 d.B. sowie 10977/BR d.B.) .....................................    172

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................    172

RednerInnen:

Mag. Sascha Obrecht .............................................................................................    172

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    174

Günter Pröller ..........................................................................................................    175

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................    176

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    178

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Sascha Obrecht, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes“ – Ab­lehnung ......................................................................................................  174, 179

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    179

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (2488/A und 1481 d.B. sowie 10961/BR d.B.) ..................................    179

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    180

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (2489/A und 1482 d.B. sowie 10962/BR d.B.) ...............................................................................................    179

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    180

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Ver­tragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (2491/A und 1483 d.B. sowie 10963/BR d.B.) .........................................................................................................    179

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    180

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz und das Sanitätergesetz geändert werden (2492/A und 1484 d.B. sowie 10964/BR d.B.) .....    179

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    180

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................    181

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    182

Markus Leinfellner ..................................................................................................    184

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    186

Sonja Zwazl .............................................................................................................    187

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    187

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    188


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 9

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bessere Gesundheitsversorgung für unsere Bevölkerung“ – Ablehnung .................................................................................................  182, 189

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............    189

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............    189

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............    189

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............    189

Eingebracht wurden

Petition .....................................................................................................................    189

Petition betreffend „‚Schülertransport‘ der Marktgemeinde Passail“ (49/PET-BR/2022) (überreicht von Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann)

Anträge der BundesrätInnen

Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Start des Pflegestipendiums bereits mit 1. September 2022 (338/A(E)-BR/2022)

Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes (339/A(E)-BR/2022)

Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend bessere Gesundheitsversorgung für unsere Bevölkerung (340/A(E)-BR/2022)

Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit Gasheizungen in Neubauten (341/A(E)-BR/2022)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer neuen StVO-Bestimmung als rechtliche Grundlage zur Realisierung von verkehrsberuhigenden Maß­nahmen in urbanen Zentren (342/A(E)-BR/2022)

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Probleme bei Schüler*innentransporten endlich beheben! (343/A(E)-BR/2022)

Anfragen der BundesrätInnen

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend die Kosten der Luftraumsicherungsoperation zum Schutz des World Economic Forum in Davos (4012/J-BR/2022)

Florian Krumböck, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend „Aus­bau & Elektrifizierung der Bahnstrecke St. Pölten – Herzogenburg – Krems“ (4013/J-BR/2022)

Anfragebeantwortungen

des Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten auf die An­frage der BundesrätInnen Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend


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halbherzige und nicht zielführende Hilfe für in Not geratene Österreicher (3701/AB-BR/2022 zu 3992/J-BR/2022)

des Bundesministers für Arbeit auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Enthaltung des Arbeitsministers zur europäischen Mindestlohn-Richtlinie (3702/AB-BR/2022 zu 3993/J-BR/2022)

des Bundesministers für Arbeit auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend Crowdwork – Richtlinien-Vorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeit (3703/AB-BR/2022 zu 3994/J-BR/2022)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend tatsächliche Covid-19-Todesfälle in Österreich (3704/AB-BR/2022 zu 3996/J-BR/2022)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Altersstruktur von Kassenärzten in Niederösterreich (3705/AB-BR/2022 zu 3995/J-BR/2022)

 


 


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09.00.38Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs, Vizepräsident Günther Novak, Vizepräsidentin Sonja Zwazl.

09.00.40*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich eröffne die 941. Sitzung des Bun­desrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 940. Sitzung des Bundesrates vom 12. Mai 2022 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Karl Bader, Mag. Christian Buchmann, Heike Eder, BSc MBA und Marlies Steiner-Wieser.

09.01.09Erklärungen des Bundeskanzlers Karl Nehammer, MSc und des Vizekanzlers Mag. Werner Kogler gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich der Ernennung des Bun­desministers für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, des Bundesministers für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, der Staatssekretärin im Bundes­minis­terium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen zur Erklärung des Bundes­kanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundes­rates anlässlich der Ernennung des Bundesministers für Digitalisierung und Wirtschafts­standort, des Bundesministers für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, der Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen.

Ich begrüße den Herrn Bundeskanzler, den Herrn Vizekanzler, der bald kommen wird, denke ich, und alle weiteren anwesenden Mitglieder der Bundesregierung recht herzlich bei uns im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler abge­gebene Erklärung eine Debatte durchzuführen – für den Fall, dass der Herr Vizekanzler kommt (Bundesrat Steiner: Wo ist er überhaupt? In der Tiefgarage?) und auch eine Erklärung abgibt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler und vom Herrn Vizekanzler (Vizekanzler Kogler betritt den Saal) abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. – Wir begrüßen nun auch den Herrn Vizekanzler bei uns im Haus. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe einer Erklärung das Wort.


9.02.49

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben! Vor fast einem Monat haben Elli Köstinger und Margarete Schramböck ihren Rücktritt bekannt gegeben, beide haben sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Es gebührt ihnen von meiner Seite ein großes Danke für ihren


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Einsatz für die Republik Österreich. Die berufliche Herausforderung als Ministerin in einer besonders intensiven Zeit hinterlässt Spuren, und dieser Entschluss ist natürlich vollumfassend zu respektieren.

Jede Veränderung bringt auch neue Chancen. Wir als Bundesregierung haben die Möglichkeit genutzt, aufgrund dieser Veränderung die Strukturen der Ministerien neu zu ordnen, um einerseits die Transparenz und auf der anderen Seite aber auch die Effizienz in den Häusern an sich zu stärken. Wir haben aus zwei Ministerien ein großes gemacht, das zwei Themen miteinander vereint, die aus meiner Sicht nicht zu trennen sind: Arbeit und Wirtschaft. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die beiden bedingen einander: Es braucht mutige Unternehmerinnen und Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen, und es braucht gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die entsprechende Voraussetzungen vorfinden, um in den Unternehmen arbeiten zu können. Das alles zusammen schafft Wohlstand in diesem Land und sorgt für den Ausgleich, sorgt auch für den sozialen Wohlfahrtsstaat, auf den wir alle zu Recht gemeinsam stolz sind. – Daher ist das aus meiner Sicht, lieber Martin, eine gute neue Kombination, und ich wünsche dir alles Gute für deine neue Aufgabe. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Landwirtschaftsministerium ist jetzt klar restrukturiert, in seiner ursprünglichen Form – im wahrsten Sinne des Wortes: zurück zum Ursprung –, mit den Hauptthemen, die die Landwirtschaft betreffen. – Lieber Norbert, du hast dieses Ressort in einer Zeit übernommen, die mehr als fordernd ist. Der Krieg in der Ukraine, die nach wie vor herausfordernde Situation, das dort geerntete Korn, den Mais, die Ölsaaten außer Landes zu bringen, um die Welt zu ernähren, von Nordafrika beginnend bis Pakistan und Indien, all das sind große Aufgaben, die gelöst werden müssen. Die Lebensmittel­versorgungssicherheit ist jetzt auch als viel präsenteres Thema als noch vor vielen Jahren im Bewusstsein der Menschen in Österreich angekommen, gleichzeitig haben wir aber eine stete Herausforderung im Bereich des Wettbewerbes, tatsächlich auch die Qualität der Lebensmittelproduktion und die Vielfalt in den landwirtschaftlichen Betrie­ben, bei den Bäuerinnen und Bauern aufrechtzuerhalten. Lieber Norbert, ich wünsche dir für diese fordernde Aufgabe alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben in der Bundesregierung dem Themenkomplex Jugend mit einem eigenen Staatssekretariat großen Platz eingeräumt, und dieses wird jetzt um die Zivildienst­agenden erweitert. Claudia Plakolm als Staatssekretärin nützt ihre Funktion, um über die Disziplinen der Ministerien hinaus Themenfelder, die die Jugend an sich betreffen, die wichtig sind  sei es in der Ausbildung, sei es in der Lebensgestaltung , mitzugestalten, mitzubesprechen. Mit den Zivildienstagenden hat sie jetzt eine neue, zusätzliche Aufgabe. – Claudia, ich bin überzeugt davon, dass du diese Aufgabe genauso gut meis­tern wirst wie deine bisherigen. Alles Gute für diesen neuen Aufgabenbereich! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Themenkomplex Digitalisierung ist einer, der uns ja schon seit vielen Jahren antreibt, eine Notwendigkeit, die umzusetzen ist. Es braucht dafür volle Konzentration auf dieses für die Infrastruktur in Österreich so wichtige Projekt. Wir haben das Thema Digita­lisierung zurück ins BMF, in das Finanzministerium, gegeben, dorthin, wo es immer war. Für das Bundesrechenzentrum als einem der größten Dienstleister in der Republik ist die Frage der digitalen Verwaltung ein zusätzlicher großer Themenkomplex. Mit Florian Tursky an der Spitze des neuen Staatssekretariates ist das aus meiner Sicht in sehr, sehr guten und bewährten Händen, jetzt schon mit den ersten großen Schritten in die richtige Richtung, dass Behördenwege bis 2024 digitalisiert werden. – Lieber Florian, für diese Aufgabe, die den Menschen ihren Lebensalltag deutlich erleichtern soll, alles Gute in deiner Funktion! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Es hat sich in den letzten 2,5 Jahren gezeigt, dass der Tourismus, ein wichtiger Bereich in unserem Wirtschaftssystem, durch die Pandemie massiv gefordert war. Wir brauchen neue Initiativen, wir brauchen neue Ideen, neue Ansätze. Ich bin froh, dass ich eine Expertin für die Funktion der Staatssekretärin gewinnen konnte, Susanne Kraus-Winkler. – Liebe Susanne, das sind tatsächlich große Aufgaben. Du bist für einen Themenbereich mit Menschen zuständig, die hochmotiviert und leistungsbereit sind, aber noch viel vor sich haben, weil die letzten 2,5 Jahre tatsächlich schwierig waren. Für diese große Aufgabe wünsche ich dir alles Gute, schön, dass du bei uns im Team bist! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Lage an sich ist ja ohnehin mehr als ernst. Wir haben mehrere Krisen, die ineinan­dergehen. Das Coronavirus verschafft uns derzeit eine Atempause, ist aber noch nicht vorbei. Der Krieg in der Ukraine ist seit 24.2. das dominierende Thema und beginnend mit November letzten Jahres auch die steigenden Energiekosten, die Teuerung und damit auch die steigende Inflation.

Die Energiekosten sind und bleiben weiterhin ein bestimmendes Thema für die Men­schen. Deswegen freut es mich sehr, dass es gelungen ist, mit dem Verbund Entlas­tungsmaßnahmen zu setzen, die unmittelbar wirken: auf der einen Seite, dass Verbund-Kunden zwei Monate und Menschen, die ein besonders geringes Einkommen haben, vier Monate der Stromrechnung sozusagen storniert werden. Es gibt eine Sonder­dividende in der Höhe von 400 Millionen Euro, die den Menschen auch wieder durch Entlastungsleistungen zurückgegeben wird. Und für den Staat insgesamt ist wichtig: Durch all diese Maßnahmen ist der Wert des Verbundes noch zusätzlich gestiegen. Warum ist das für die Republik entscheidend? – 51 Prozent gehören der Republik Österreich, und das war und ist unser Beitrag dazu, die Menschen dort spürbar zu entlasten, wo es möglich ist. Ich hoffe, dass dem Beispiel des Verbundes noch weitere, viele in dieser Frage folgen werden.

Das ist einer von vielen Entlastungsschritten, Entlastungspakete sind schon geschnürt. Der Arbeitsminister und der Finanzminister arbeiten jetzt mit Hochdruck daran, dass die nächsten Entlastungsschritte beschlossen und umgesetzt werden.

Das ist übrigens ein Phänomen, das nicht nur Österreich, sondern ganz Europa trifft, und zwar in einer Wucht, die allen Regierungschefs große Sorge bereitet. Ich war erst beim Rat in Brüssel, wo das und vor allem auch die Möglichkeiten, Maßnahmen zu set­zen, die auch tatsächlich entgegenwirken, natürlich auch das dominierende Thema war.

Darüber hinaus nehmen wir das Thema Energieversorgungssicherheit sehr ernst. Der nächste Winter gehört gut vorbereitet. Es hat sich derzeit an den Lieferquantitäten vonseiten der Russischen Föderation, was das Gas betrifft, nichts verändert. Wir nutzen jetzt die Zeit, um die Speicher in Österreich zu füllen, und unterstützen das auf der einen Seite, indem wir eine eigene staatliche strategische Reserve von 20 Terawattstunden Gas anlegen. Was bedeuten 20 Terawattstunden? – Damit Sie einen Vergleich haben: In einem energieintensiven Monat wie dem Jänner braucht Österreich 10 Terawatt­stunden, in einem energiearmen Monat wie Juli, August 4,6 Terawattstunden. Die Speicherstände steigen, wir haben die 30 Terawattstunden in Summe überschritten. Es wird jeden Tag eingespeichert.

Für die Speicher, die nicht genutzt werden, wie der Speicher in Haidach – er gehört Gazprom und hat derzeit tatsächlich noch einen Füllstand von 0,0 Prozent –, haben wir jetzt die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Speicher, wenn sie nicht genutzt werden – so wie dieser von Gazprom –, privatrechtlich anders vergeben werden. Ich habe auch Putin persönlich davon in Kenntnis gesetzt, dass das eine Maß­nahme ist, die wir umsetzen werden, weil es eben um die Frage der Versorgungs­sicherheit geht. Haidach hat eine strategisch besonders wichtige Bedeutung: Dieser


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Speicher versorgt die Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus auch Tirol und Vorarlberg. Nach dem Prinzip: use it or lose it, haben wir hier jetzt auch Rahmenbedin­gungen geschaffen, um das Thema Energieversorgungssicherheit für den Winter voran­zutreiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion im Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.12


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler, für die Ausführungen.

Nun erteile ich dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe einer Erklärung das Wort.


9.12.20

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte eingangs vorausschicken, dass ich mit Sicherheit das Bemühen habe, die ganze Debatte hier herinnen zu verfolgen, ich weiß aber von einem Termin, für den ich einmal 20, 30 Minuten nicht hier im Saal sein kann. Ich bitte, das wirklich zu entschuldigen, weil mir gerade die parlamentarischen Debatten ja ein Anliegen sind und ich auch heute hier wieder eine sehr breite Debatte erwarte.

Jetzt einmal zum Anlass: Ich möchte mich noch einmal bei den ausgeschiedenen Regie­rungsmitgliedern bedanken, gleichzeitig aber schon die Neuen auf der Regierungsbank mit all ihren Aufgabenbereichen – der Bundeskanzler hat sie angedeutet – begrüßen.

Ich glaube, die Aufgaben sind in allen Bereichen herausfordernd – wir werden sicher darüber debattieren, welche Krisen alle gleichzeitig zu bewältigen sind –, und deshalb noch einmal ein herzliches Willkommen Norbert Totschnig, Susanne Kraus-Winkler, Florian Tursky und Martin Kocher, der als Arbeitsminister nun noch ein weiteres breites Aufgabenfeld dazubekommen hat!

Aber lassen Sie mich gleich einsteigen, da ist das Stichwort Wirtschaft wahrscheinlich eh das richtige, und sagen, in welcher Problemlage wir uns befinden und wie hier die Analyse meinerseits ausschaut.

Bundeskanzler Scholz hat von einer Zeitenwende gesprochen – das ist jetzt auch schon wieder einige Wochen her –, und tatsächlich, es ist eine Zeitenwende, allein schon wegen der kriegerischen Ereignisse in der Ukraine, des völlig völkerrechtswidrigen An­griffskriegs Putins gegen die Ukraine. Seit dem 24.2. ist es schon eine andere Welt, mit vielfältigen Auswirkungen, gerade eben auch in der Wirtschaft. Wenn aber die Welt eine andere ist, dann muss auch die Politik eine andere werden und sich diesen neuen Problemen und Phänomen zuwenden, so gut sie kann, so gut wir das in Österreich können. Wenn wir die multiplen, die sich überlagernden Krisen betrachten, so führt das natürlich zu großen wirtschaftlichen und sozialen Fragen, und wir haben alles zu tun, um soziale Schwierigkeiten und Verwerfungen hintanzuhalten.

Ich möchte nur einmal dafür plädieren, dass wir uns hier vielleicht auf einen gemein­samen Rahmen verständigen, der damit beginnt, dass wir erkennen müssen, dass die weltweiten Auswirkungen der Pandemie ja schon ganz viele wirtschaftliche Einschläge gebracht haben, insbesondere schon mit den Lieferkettenunterbrechungen, mit dem Ausfall bei bestimmten Rohstoffen, mit der Nichttransportmöglichkeit über den Globus, mit der Anfälligkeit der globalen Wirtschaft, wie wir sie kennen, wo ja in der Vergan­genheit viele Dividenden gezogen wurden. Man hat jetzt aber auch gesehen, dass besondere Risken schlagend werden, und der Krieg in der Ukraine wirkt da im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal als Brandbeschleuniger und wirft eigene Probleme und


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Fragen auf, hinsichtlich derer wir zumindest versuchen sollten, sie teilweise zu beant­worten. Es muss aber, glaube ich, schon klar sein, dass die Einschläge in die Wirtschaft in Europa aufgrund dieses Krieges enorm sind.

Das betrifft die Energieknappheiten, die entstanden sind, und insbesondere die Preis­sprünge, ich will sagen: die Preisexplosionen diese ja sowieso. Es entstehen aber auch physische Knappheiten an anderer Stelle, die mindestens so dramatisch sind. Einige von uns haben ja schon Ende Februar, Anfang März darauf hingewiesen, dass im Lebensmittelbereich besondere Verwerfungen drohen, am ganzen Globus. Wenn wahr ist – und es ist wahr! –, dass die Ukraine die Kornkammer der Welt ist und zu Recht als solche bezeichnet wird, dann können wir uns vorstellen, was da droht.

Es wird jetzt unter dem Nutzen aller Möglichkeiten daran gearbeitet – im Übrigen auch mit österreichischer Beteiligung –, dass man Getreide noch von dort rausbringt, insbesondere Weizen, es droht aber natürlich eine Verknappung, die dazu führen kann, dass wir etwa in Afrika große Hungersnöte zu gewärtigen haben (Zwischenruf des Bundesrates Spanring), und die Weltgemeinschaft ist gefordert, da dagegenzuarbeiten, wie es nur geht.

Eines ist aber auch jetzt schon klar – und darauf haben wir auch schon frühzeitig hin­gewiesen –: dass es bei einer derartigen Verknappung auch und gerade, wie ich meine, jedenfalls im allersensibelsten Bereich des Lebens, bei den Lebensmitteln – die heißen ja nun einmal schon so –, zu weiteren Verteuerungen kommt. Nicht nur, dass sich dort die Energiepreise schon niederschlagen – das auch, gerade bei Lebensmitteln, wegen der Transporte und der Produktion –, sondern es drohen auch Verknappungen. Deshalb sollten wir, glaube ich, so ehrlich sein und einmal sagen, dass, wenn am Globus der­artige Einschläge mit derartigen Auswirkungen auf Österreich und Europa passieren, die Botschaft nicht sein kann, dass für alle alles gleich bleiben kann.

Ich hielte das nicht für seriös, ich hielte das für unehrlich, und deshalb stellen sich ja die Fragen in die Richtung, wie vorübergehende Wohlstandsverluste – ich meine, vorüber­gehende –, wenn wir solche zu erwarten haben, verteilt werden. Wie können wir die Lasten dieser vielfältigen Krisen in den nächsten ein, zwei Jahren verteilen? Das ist doch die relevante Frage, und wir sollten nicht so tun, als könnten wir die Inflation von 6, 7, 8 Prozent, die jetzt einmal monatelang bleiben wird – davon dürfen wir unglücklicher­weise ausgehen –, einfach wegzaubern oder daschlogn oder sonst etwas.

Umgekehrt ist das aber natürlich eine dramatische Auswirkung für viele Menschen, und es stellt sich daher die Frage, wie wir die Folgen abmildern können. Da und dort kann man die Inflation selbst beeinflussen, da gibt es unterschiedliche Maßnahmen und, ich weiß es ja, unterschiedliche Wege. Ich will ja alle respektieren, es wird aber nicht möglich sein, in einer kleinen, offenen Gesellschaft und Volkswirtschaft wie Österreich dieses Phänomen wegzukriegen oder zu daschlogn oder sonst irgendetwas. Das ist doch das, worum es geht, und deshalb ist es so wichtig, zu schauen, wie die Lastentragung verteilt wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass jene, die mehr tragen können, auch mehr tragen sollen, damit es für die anderen, die es eh jetzt schon so schwer haben, nicht untragbar wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich weiß, dass uns das noch lange beschäftigen wird, und deshalb bitte ich um eine Verständigung über die Ziele, so gut es geht, auch hier, im demokratischen Rahmen, und ja, über die Maßnahmen kann trefflich gestritten werden. Ich kann Ihnen versichern, dass wir am dritten Entlastungspaket arbeiten. Das wird sicher noch vor dem Sommer fertig werden, und deshalb wird auch dann wieder Gelegenheit sein, diese Debatte zu führen. Wichtig ist aber, dass wir die Möglichkeiten anerkennen, die wir in Österreich haben. In diesem Möglichkeitsraum sollten wir uns bewegen, aber nicht so tun, als ob wir Möglichkeiten hätten, die es gar nicht gibt. Darüber, was der Rahmen ist, kann man


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natürlich auch streiten, aber dass es irgendwo eine solche Rahmensetzung braucht, ist völlig klar.

Ja, ich möchte noch ansprechen, dass ich selber in der Hitze dieses Gefechts völlig verfehlte und falsche Begriffe gewählt habe, wie etwa den Begriff Hysterie. Das ist in diesem Kontext ein unsinniger Begriff, weil er auch das Falsche ausdrückt, nämlich das Gegenteil von dem, was ich meine und gesagt habe, eine andere Intention hat.

Es ist nämlich so: Wenn man die Vielzahl der Maßnahmen in das Körbchen schmeißt, dann wird man leicht so tun können, als ob das alles weg wäre. Alles gleichzeitig wird nicht gehen. Beispielsweise – auch das war ein Ringen – haben wir in Österreich es bevorzugt, und zwar jetzt einmal mit Hunderten Millionen Euro, also fast einer halben Milliarde Euro, die Pendlerinnen und Pendler zu entlasten und nicht an der Mineral­ölsteuerschraube zu drehen. Ich weiß, dass manche Länder es anders versuchen, wir haben diesen Weg gewählt. Wovor ich aber warne und auch warnen wollte, ist, dass wir alles gleichzeitig machen – das wäre völlig unfinanzierbar, und am Schluss würden wir um viele Milliarden Euro mehr Zinsen zahlen, weil uns dann keiner mehr für ein wirtschaftspolitisch seriöses Land halten würde – und dann noch den Eindruck verstärken, als ob eh alles gleich bleiben könnte. – Nein, das ist es nicht.

Wir müssen vor allem jene im Auge haben und so gut wie möglich unterstützen, für die es jetzt schon am schwierigsten ist, die am wenigsten Einkommen haben, aus welchen Titeln heraus immer, ja, auch Erwerbstätige. Das geht mittlerweile bis in die Mitte der Gesellschaft hinein. (Bundesrat Steiner: Das ist mittlerweile der Mittelstand, Herr Kollege!) Das ist völlig richtig, und deshalb geht es darum, dass wir uns einigen müssen: Machen wir sehr viel über diese indirekten Steuern, Mehrwertsteuer, andere Abgaben, oder machen wir sehr viel über die (Bundesrat Steiner: CO2-Steuer!) Entlastungen bei den Menschen selbst (Bundesrat Steiner: ... CO2-Steuerbelastung!), indem entweder da oder dort die Sozialleistungen erhöht werden (Bundesrat Steiner: CO2-Steuer­belas­tung!), oder über andere Maßnahmen, etwa solche, bei denen weniger persönliche Steuern zu zahlen sind?

Da kann man auch über einen Maßnahmenmix reden, aber das ist doch die Aufgabe, die wir zu lösen haben. (Bundesrat Steiner: Was ist mit der CO2-Steuerbelastung? Die zahlt auch der Mittelstand! – Bundesrätin Zwazl – in Richtung Bundesrat Steiner –: Wart ein bissel! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ja, Sie werden eh noch Stellung nehmen können, ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, dass dieses Steuerkonzept erstens einmal gar keine Steuer ist, wie Sie vielleicht den parlamen­tarischen Unterlagen entnehmen können, und zweitens aus diesen Einnahmen der Klimabonus folgt (Bundesrat Bernard: Der auch nicht ausbezahlt wird!), der ja von oben nach unten umverteilt.

Natürlich ist aber auch das eine legitime Debatte. Sie wird ja geführt werden, ich plädiere nur dafür, dass man nicht schon vom Start weg alles durcheinanderbringt. (Bundesrat Steiner: Bleiben wir vielleicht bei der Wahrheit!) – Ja, die Wahrheit ist in der Politik ein gefährlicher Begriff (Bundesrat Steiner: Na ja, bei der Regierung sowieso, ja!), das sollten Sie vielleicht auch beherzigen. Unter dem Titel der Wahrheit ist mehr Unglück als Glück geschaffen worden, davon bin ich jedenfalls überzeugt.

Man kann – ja, das ist völlig richtig – überhaupt die ganze Steuerreform, von der ich meine, dass sie eine große war, die da und dort jetzt erst so richtig zu greifen beginnt, kritisieren, man kann das alles ganz anders sehen, wir sind aber trotzdem von diesem Weg überzeugt. Es geht doch in Zukunft darum, dass wir uns den großen Phänomenen, die da anstehen, und den damit verbundenen Problemen zuwenden. Dazu wollen wir Sie natürlich auch herzlich einladen.


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Ich möchte noch einmal dafür plädieren, darauf zu schauen – ja, das wird nicht alles bleiben, das ist völlig richtig –, dass schon Maßnahmen geschehen sind, die diese Idee zum Teil verfolgt haben. Der 300-Euro-Teuerungsausgleich für die, die ganz, ganz wenig haben, ist nicht nichts. Ich bitte, das zu berücksichtigen. Auch bei den indirekten Abgaben – da sind sie, die indirekten Abgaben –, bei den Ökostrompauschalen und Förderbeiträgen, bei der Elektrizitätsabgabe, bei der Gasabgabe, sind wir auf das unterste Niveau gegangen, das in Europa möglich ist  und europarechtskonform, denke ich, sollten wir schon bleiben. Das macht für Haushalte, in denen zwei Geringverdiener oder zwei Mindestpensionistinnen oder Mindestpensionisten leben, wenn wir das alles zusammenzählen, viele Hundert Euro aus, beziehungsweise kommt man da schon auch einmal über 1 000 Euro, wenn man alle Maßnahmen zusammenzählt.

Trotzdem: Ja, wir werden weitere Maßnahmen setzen, aber so, dass die wirtschaftliche Glaubwürdigkeit und die budgetäre Kraft Österreichs erhalten bleiben, weil wir sonst alles nur mit massiv höheren Zinsen – dann aber für alle Milliarden Euro an Schulden, die wir haben – in die Zukunft transformieren. Das wollen wir, glaube ich, auch nicht. Es muss schon in einem seriösen Finanzrahmen bleiben, aber wir müssen innerhalb der Spielräume, die eröffnet werden können, zielgerichtet vorgehen. Das ist die Aufgabe und das nehmen wir uns vor.

Natürlich wird es Sie nicht wundern, wenn ich darauf hinweise, dass wir bei der Klimakrise und der Lösung derselben, die ja, glaube ich, in ihren Maßnahmen auch sehr viele Chancen bietet, wenn man nämlich modernen Klimaschutz betreibt – das sind ganz große Chancen für die europäische und erst recht für die österreichische Wirtschaft und die Betriebe –, jetzt noch schneller hineinkommen müssen, so schnell es möglich ist, weil das nämlich die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert. Was wir jetzt haben, ist in allererster Linie eine Inflation bei den Preisen für fossile Energien, die sich bis zu den Lebensmittelpreisen vorfrisst. Deshalb ist es doch so wichtig, zu beschleu­nigen, dass wir jetzt in die Erneuerbaren so schnell und so umfänglich wie möglich hineinkommen. Da sind wirklich ganz, ganz viele Chancen drinnen, und die sollten wir sehen und auch nutzen. Das wird am Schluss dazu führen, dass wir genau um das, was wir da schneller sind, die Abhängigkeit von russischem Gas verringern.

Das ist in Österreich besonders schwierig – da kann man jetzt leicht reden. Ich verzichte heute auch darauf, die Ursachen und diejenigen, die dafür in der Vergangenheit – pha­senweise fahrlässig, wie ich meine – die Verantwortung getragen haben, zu adressieren und das hier im Bundesrat weiter zu analysieren.

Natürlich stellt sich für die gegenwärtige Regierung jetzt die Aufgabe, genau Folgendes zu machen: erstens – weil man nie weiß, was passiert, aus welchen Gründen immer zu wenig Gas kommen kann – für die notwendige Energielenkung Vorsorge zu treffen. Das passiert auch, es ist nur nicht so einfach, dass man sagt: In der Variante A ist es der Betrieb XYZ, und genau in dieser Reihenfolge!, sondern das hängt dann von den Umständen ab. Natürlich ist uns und vor allem auch der E-Control und dem Klima­schutzministerium das aber bekannt, und das wird dort gemacht.

Viel wesentlicher ist aber: Das, was man jetzt schon tun kann, sind der Aufbau und die maximale Befüllung der Gasspeicher, weil das das Problem, das ich vorhin beschrieben habe, genau in dem gleichen Ausmaß, in dem es gelingt, reduzieren wird. Da geht viel voran. Wir werden die europäischen Ziele, die nicht gering sind – da haben wir zunächst ganz schön gekiefelt – aller Voraussicht nach im September oder Oktober erreichen, vielleicht sogar noch übertreffen. Das ist dieses.

Das Dritte ist, dass auch bei der Befüllung dieser Gasspeicher jetzt schon nicht mehr nur russisches Gas hineinkommen soll, weil diese 80-Prozent-Abhängigkeit natürlich ein komplettes Drama ist – darüber brauchen wir doch überhaupt nicht zu reden. Bei dieser


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Auffüllung gelingt es aber schon, zunehmend auch andere Bezugsquellen heran­zuziehen. Auch das ist keine leichte Aufgabe. Das beginnt schon bei den Rechten, die man hat, bei den Einkaufsmöglichkeiten und erst recht bei den Gasleitungskapazitäten, weil man die nämlich auch freikaufen muss. Dieses alles passiert.

Am Schluss können wir doch sagen, dass diese Zeitenwende auch eine Wende in manch altem Denken bewirken und eine Energiewende beschleunigen und befeuern soll, die ja ohnehin auch aus vielen anderen Gründen notwendig ist. Deshalb ist es ganz gut, wenn bei aller Schwierigkeit, die wir haben, auch noch Zuversicht mit einer gewissen Entschlossenheit, mit der wir da herangehen, und jedenfalls auch eine Perspektive bestehen. Das muss es doch sein: dass auch in schwierigen Situationen eine Per­spektive für die Zukunft besteht.

Ich bin schon gespannt auf die Debatte und Ihre diesbezüglichen Vorschläge. Vielen Dank bis jetzt einmal. Ich werde – so gut, wie es geht – die ganze Zeit hier sein, irgendwann wird das aber 20, 30 Minuten lang für mich nicht möglich sein. Ich bitte jetzt schon, das zu entschuldigen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.30


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher. Ich erteile dieses.


9.30.58

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regie­rungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit einem ausdrücklichen Dank an meine Vorgängerin im BMDW, Margarete Schramböck, beginnen. Sie hinterlässt einen Wirtschaftsstandort, der aus meiner Sicht gut aufgestellt ist. (Heiterkeit bei Bun­desrätInnen von SPÖ und FPÖ.) Wir haben eine sehr, sehr hohe Forschungsquote, wir haben in letzter Zeit viele direkte Investitionen in den Wirtschaftsstandort gesehen, und sie hinterlässt vor allem ein sehr gut bestelltes Haus, das ich jetzt mitübernehmen darf.

Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe, bedanke mich für das Vertrauen, das in mich gesetzt wird, und werde versuchen, dieses Vertrauen so gut es geht zu erfüllen.

Das BMDW, das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, ist das Ministerium, mit dessen Leitung ich jetzt betraut bin. Wenn die Bundesministerien­gesetz­novelle beschlossen wird, dann wird daraus gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit das BMAW, zuständig für Arbeit, Wirtschaft und natürlich auch den Tourismus.

Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Susanne Kraus-Winkler, einer Expertin in diesem Bereich, im Bereich Tourismus. Das wird sehr wichtig sein. Tourismus, Gastro­nomie, Hotellerie kommen aus einer schwierigen Zeit, die Covid-Pandemie hat dort die stärksten Spuren hinterlassen. Wir werden uns gemeinsam massiv dafür einsetzen, dass in diesem Bereich alle Herausforderungen und Probleme, die es gibt, bewältigt werden und politische Unterstützung gegeben wird.

Herzlicher Dank auch an Elisabeth Köstinger, die in dieser schwierigen Zeit zwei Jahre lang wirklich täglich für diesen Bereich gelaufen ist, sich sehr bemüht hat und die schlimmsten Folgen abgefedert hat.


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Die Konzentration der Themen Arbeit, Wirtschaft und Tourismus bietet viele Chancen. Die Herausforderungen der Zeit – der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben es angesprochen – sind übergreifend. Es gab jetzt schon extrem viel Zusam­menarbeit zwischen dem BMA und dem BMDW in den verschiedensten Bereichen. Ein Beispiel ist die Lehre, bei der wir eng zusammengearbeitet haben. Ein weiteres Beispiel ist der Bereich der digitalen und grünen Transformation, in dem es natürlich auch darum geht, dass Arbeitskräfte dort ausgebildet werden, wo sich die große Nachfrage nach Arbeitskräften darstellt.

Es geht um die demografische Entwicklung, den Fachkräftemangel, alle Maßnahmen, die damit zusammenhängen. All das kann in einem gemeinsamen Ministerium gut gemeinsam gedacht werden, und es können auch Synergien genutzt werden.

Wir haben jetzt auch – das wurde schon angesprochen – die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs von Russland in der Ukraine. Auch da gibt es natürlich Effekte auf die Wirtschaft, auf den Arbeitsmarkt, und auch da braucht es Strategien, die alles zusammenführen.

Ich werde – und dafür stehe ich – die Balance zwischen den Bereichen halten. Ich kenne natürlich auch die Befürchtungen, die es gibt, aber ich glaube, dass die Chancen die Risiken überwiegen. Es ist ja keine Neuerung, die es da gibt, sondern es gab in Österreich schon eine Zeit lang ein Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit – so hieß es damals –, es gibt in Irland und in Belgien ähnliche Konstellationen, es gibt auf Länderebene ähnliche Konstellationen. Es ist also nicht etwas, das besonders neu ist.

Wir haben bisher sehr gut zusammengearbeitet, und wir werden jetzt im gemeinsamen Ressort natürlich auch – und das ist der entscheidende Punkt – in Abstimmung mit den Sozialpartnern Lösungen finden. Ich war bisher mit den Sozialpartnern im guten Gespräch. Es gibt über die verschiedenen Sozialpartner hinweg informell und formell ein sehr, sehr konstruktives und gutes Klima, und jetzt wird das in einem gemeinsamen Ministerium noch weiter intensiviert.

Ich stehe in dieser Funktion für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für alle Unter­nehmerinnen und Unternehmer, für die Selbstständigen in Österreich und natürlich auch – das ist ganz wichtig – für die Arbeit suchenden Menschen in Österreich und werde zwischen diesen Bereichen einen Ausgleich finden.

Ich sage vielleicht noch ein paar Dinge zur wirtschaftlichen Lage, weil in der Debatte sicher auch wieder darauf Bezug genommen wird. Es ist eine unsichere Lage, es gibt Risiken, die schwer zu beurteilen und zu bewerten sind. Wir gehen glücklicherweise mit einer sehr, sehr guten Konstitution in diese unsichere Zeit, sowohl was den Arbeitsmarkt als auch die wirtschaftlichen Aussichten betrifft.

Die letzte Prognose der Europäischen Kommission hat immer noch ein Wachstums­potenzial von 3,9 Prozent für dieses Jahr ausgewiesen. Das ist eine Prognose, die ungefähr vor zwei Wochen veröffentlicht wurde, es gibt nichts Neueres. Trotz der Unsicherheit sind die Wachstumsaussichten für Österreich noch gut. Das sind die fünfthöchsten Wachstumsaussichten aller Staaten der Europäischen Union.

Auf dem Arbeitsmarkt haben wir ein Rekordhoch an offenen Stellen. Die Arbeitslosigkeit ist mit 5,7 Prozent Ende Mai so gering wie seit 14 Jahren nicht mehr. Wir haben trotz dieser Unsicherheit sehr große Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. Ich bin optimistisch, dass es uns gelingt, auch wenn es schwieriger wird, die positive Entwicklung in Österreich in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt abzusichern.

Es wird weitere Maßnahmen brauchen, auch dazu haben der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler schon einiges gesagt. Es ist aber auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es natürlich bei einer Inflation, in einer Preissteigerungsentwicklung, wie wir sie jetzt erleben, eine Arbeitsteilung gibt: Die Preissteigerung an sich kann nur durch die


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Geldpolitik eingegrenzt werden, die Folgen der Preissteigerung können durch die fiskalpolitischen Maßnahmen eingegrenzt werden; und da gab es zwei Pakete, mit denen wir versucht haben – und das ist aus meiner Sicht auch gut gelungen –, genau dort anzusetzen, wo besondere Betroffenheiten sind: bei Arbeitslosengeldbeziehern, Notstandshilfebeziehern, bei den Niedrigpensionistinnen und -pensionisten, im Bereich der Pendlerinnen und Pendler, im Bereich des Energieverbrauchs, wo Steuern gesenkt wurden, also überall dort, wo die Belastung besonders hoch war.

Und ja, es wird natürlich weitere Maßnahmen zur Abfederung brauchen. Es ist aber klar – darauf muss man hinweisen –, dass es eine Verantwortung der Geldpolitik gibt, genauso wie es eine Verantwortung der Fiskalpolitik gibt.

Glücklicherweise gehen wir wie gesagt mit einem resilienten, robusten Arbeitsmarkt in diese Zeit, und wir werden die Herausforderungen, die es in dieser Zeit gibt, gemeinsam angehen. Ich freue mich auf diese Aufgabe. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

9.37


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Norbert Totschnig. Ich erteile dieses.


9.38.06

Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Es ist mir eine große Ehre, dass ich mich heute hier bei Ihnen vorstellen darf.

Meinen beruflichen Werdegang habe ich vor über 20 Jahren hier in diesem Haus als parlamentarischer Mitarbeiter begonnen. Ich war dann Klubsekretär. Mein Weg ist über das Finanzressort und Wirtschaftsressort bis an die Spitze der bäuerlichen Interessen­vertretung weitergegangen, wo ich in den vergangenen fünf Jahren mit großer Leiden­schaft für die Bäuerinnen und Bauern arbeiten durfte. Dass ich mich nun als Bundes­minister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft einbringen darf, ist ein großes Privileg. Ich danke dem Bundeskanzler und dem Koalitionspartner für das Vertrauen und nehme diese Aufgabe mit großer Demut und Freude an.

Was sind meine Werte und Ziele? – Ich bin ein Bauernsohn. Die Landwirtschaft hat mich seit frühester Kindheit geprägt, und diese Lebenserfahrung werde ich in das Amt ein­bringen. Was meine ich damit? – Dass die Arbeit am Hof keine Arbeitszeiten oder Wochentage kennt – Arbeit fällt an und muss getan werden –, dass es den Tieren gut geht, dass sie gut versorgt und gut betreut werden, dass nur ein nachhaltiges Wirt­schaften auf Feldern, auf dem Acker, im Stall, auf den Almen wirklich die Zukunft sichert.

Gleichzeitig wissen wir, dass unsere Bäuerinnen und Bauern laufend vor große Heraus­forderungen gestellt werden. Ich meine den großen, tiefgreifenden technologischen und strukturellen Wandel, dem sie ausgesetzt sind. Dieser Wandel erfordert zusätzlich zum agrarischen Fachwissen Innovationen, Investitionen und hohes unternehmerisches Geschick.

Der Klimawandel mit Trockenheit, Starkregen und Schädlingen setzt unsere Land- und Forstwirte zunehmend unter Druck. Hinzu kommt der steigende Anspruch in Fragen des Tier- und Umweltschutzes, aber auch der Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig sind die Märkte durch hohe Preisinstabilität für Unternehmen und Konsumenten gekennzeichnet: Was zu teuer ist, fliegt aus dem Regal.


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Um diese Markt- und Lebensrealitäten zu bewältigen, habe ich mich in meinen bis­herigen Funktionen zusammengefasst für zwei Ziele eingesetzt: erstens unsere Bäue­rinnen und Bauern bestmöglich durch diese Herausforderungen zu begleiten und damit zweitens eine qualitativ hochwertige Lebensmittelversorgung für unsere Bevölkerung zu sichern, denn nicht die Politik sorgt für Lebensmittel, sondern unsere Bäuerinnen und Bauern tun das.

Meine Wertebasis ist christlich-sozial, und der Weg zu den genannten Zielen führt mich ganz klar über die ökosoziale Marktwirtschaft. Sie ist mein Kompass für die Bewältigung aller Herausforderungen. Es geht immer um die Balance zwischen ökonomisch tragbar, ökologisch machbar und sozial ausgewogen. Ökosozial zu wirtschaften heißt für mich, vorausschauend zu arbeiten, die Vorteile der regionalen Kreisläufe zu nützen, Produk­tion unter höchsten Standards in Österreich zu erhalten, statt Tierleid zu importieren.

Schauen wir kurz auf die Bilanz der Bunderegierung: Es konnte schon vieles aus dem Regierungsprogramm abgearbeitet werden. Ich meine damit beispielsweise die Ver­handlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik, die ökosoziale Steuerreform oder die Her­kunftskennzeichnung. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei meiner Amtsvor­gängerin Elisabeth Köstinger bedanken, die über fünf Jahre mit großer Leidenschaft und großem Einsatz alles für unsere Bäuerinnen und Bauern gegeben hat und Großes geleistet hat. Liebe Elisabeth, vielen Dank noch einmal an dieser Stelle! (Beifall bei der ÖVP.)

Was sind die Schwerpunkte meiner Arbeit in der nächsten Zeit? – Der Bundeskanzler hat es schon angesprochen: Lebensmittelversorgungssicherheit ist derzeit das prä­gen­de Thema. Die Pandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine haben dieses Thema in den Fokus gerückt. Wir steuern auf globale Verschiebungen der Lebensmittel­märkte zu, und die Kosten für Energie und Betriebsmittel steigen. Derzeit ist die Lebens­mittelversorgung in Österreich gesichert, denn wir haben einen hohen Eigenversor­gungsgrad bei den Grundnahrungsmitteln. Dafür, dass das so bleibt, werde ich mich einsetzen.

Das Zweite ist Entlastung und Planungssicherheit – ein ganz wichtiger Punkt –: Damit wir weiterhin die Versorgungssicherheit sicherstellen können, brauchen unsere Betriebe eine Entlastung. Das von Bundeskanzler Nehammer angekündigte Entlastungspaket für die Bäuerinnen und Bauern ist daher genau die richtige Maßnahme zur richtigen Zeit. Die Details werden demnächst präsentiert.

Mein dritter Schwerpunkt: Regionen fördern! Ich komme vom Land und wohne in der Stadt. Ich kenne die Unterschiede, die Vor- und Nachteile. Ich sehe mich als Anwalt der Regionen, und als solcher werde ich einen Beitrag dazu leisten, dass das Chancen­verhältnis zwischen Stadt und Land weiter verbessert wird. Das ist mein erster Arbeitsauftrag für die Menschen in Österreich, für die Bäuerinnen und Bauern.

Wie gesagt: Ich habe hier in diesem Parlament begonnen, zu arbeiten, ich habe die Arbeit hier gemocht, sie geliebt, ich habe sie verinnerlicht. Ich liebe den Parlamen­tarismus, ich weiß, das Parlament ist das Herz der Demokratie. In diesem Sinne werde ich auf Augenhöhe und partnerschaftlich mit Ihnen zusammenarbeiten und freue mich auf die gemeinsame Arbeit und auf eine gute Zukunft. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.43


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm. – Bitte sehr.



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 22

09.43.41

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Frau Präsidentin! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Mit der Schaffung eines eigenen Jugendstaatssekretariates im Bundeskanzleramt wurde den 1,7 Millionen jungen Menschen in unserem Land eine starke Stimme gegeben. Ich halte es für extrem essenziell, gerade vor dem Hintergrund der Coronapandemie der letzten beiden Jahre, dass wir Politik immer mit Blick auf die nächsten und kommenden Generationen machen.

Es ist uns in den letzten Monaten bereits einiges gelungen. Dabei denke ich besonders an das 13-Millionen-Euro-Paket für die psychische Gesundheit von jungen Menschen, das Ende der Diskriminierung beim Blutspenden oder auch an die Umsetzung des Bestellerprinzips bei Maklergebühren. (Beifall bei der ÖVP.)

Für die bisherigen gemeinsamen Fortschritte möchte ich allen Mitgliedern der Bundes­regierung recht herzlich danken, besonders aber unserem Bundeskanzler, insbesondere für das Vertrauen, sodass wir den Jugendbereich mit den zusätzlichen Agenden Zivildienst und Ehrenamt und einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich Lehre noch stärker gestalten können.

Mit der Regierungsumbildung kommt im Jugendbereich zusammen, was zusammen­gehört, denn besonders in Österreich wissen wir: Kein Zivildienst ohne Jugend!, und besonders: Kein Ehrenamt ohne Zivildienst!

Ich sehe den Zivildienst als riesengroße Chance für den Nachwuchs in Österreich, was Blaulichtorganisationen betrifft, was den Sozialbereich, die Gesundheitsberufe – Stich­wort Pflege, ganz, ganz stark – betrifft. Wenn man so will, ist der Zivildienst damit auch der Headhunter für den Sozialbereich. Damit haben wir die Möglichkeit, insbesondere junge Burschen für diese Berufe zu begeistern. Dieser besondere gesellschaftliche Wert des Zivildienstes in Österreich verdient auch eine starke Vertretung. Ich freue mich da insbesondere auf die Zusammenarbeit mit unserer Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, denn auch in Zukunft werden der Wehr- und der Zivildienst Hand in Hand gehen, wenn es um deren Weiterentwicklung geht.

Ich werde dank meiner neuen Zuständigkeiten auch einen starken Fokus auf das Thema Lehre richten. Nur mit den besten Fachkräften wird unser Land auch weiterhin wett­bewerbsfähig bleiben, wird unser Standort attraktiv und nachhaltig für junge Menschen sein. Dafür muss allen klar sein, dass die Lehre schon lange nicht mehr der Plan B ist, wenn es mit der Schule nicht hinhaut, sondern immer der Plan A ist, wenn man eine ordentliche praktische Ausbildung, eine zukunftsgerichtete Ausbildung in Österreich machen will.

Viele Jobs von morgen starten mit einer Lehre. Das sehen wir besonders, wenn wir an die Bereiche Digitalisierung und erneuerbare Energien oder auch an den Pflegebereich denken. Kürzlich wurde ja mit der großartigen Pflegereform die Pflegelehre vorgestellt.

Wir müssen auch den begonnenen Weg der Durchlässigkeit in der Lehre unbedingt und konsequent weitergehen. Die Schweiz ist uns da um Kilometer voraus. Es hat einen Grund, warum sich dort 70 Prozent der jungen Menschen für eine Lehre entscheiden. Das liegt zum einen an der Durchlässigkeit, aber auch an der Möglichkeit der höheren beruflichen Bildung, die wir auch in Österreich auf den Weg bringen werden. Ich werde in diesem Sinne Vorkämpferin für die Lehre sein, weil sie mir ein Herzensanliegen ist, und Lehrlingen innerhalb der Bundesregierung eine starke Stimme geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch das Ehrenamt macht einen wesentlichen Teil nicht nur der Freizeit, sondern auch des Lebens von jungen Menschen aus. Beinahe jeder zweite junge Mensch engagiert


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sich in seiner Freizeit ehrenamtlich in einem oder mehreren Vereinen. Ich denke, es geht vielen hier herinnen so, dass sie mit Vereinen aufgewachsen sind. Mir geht es zumindest so. Vereine sind das Herz und die Seele unserer Gemeinschaft, unserer Gesellschaft in Österreich.

Ehrenamt ist Ehrensache, ohne die in unserem Land vieles nicht funktionieren würde. Das reicht vom Integrationswesen bis hin zu den freiwilligen Feuerwehren. Unser Land Österreich lebt von Menschen, die mehr als ihre Pflicht tun, und das betrifft insbesondere die letzten beiden Jahre sehr, sehr stark. Das betrifft junge Menschen, die aus Ge­meinschaftsgefühl und Solidarität in den letzten beiden Jahren auf einen Teil ihrer Jugend verzichtet haben. Das betrifft jeden Lehrling, der sich bewusst entschieden hat, von null auf ein Handwerk zu lernen, um Meisterin oder Meister ihres oder seines Faches zu werden. Das betrifft jeden Sportverein, jede freiwillige Feuerwehr, jede Dorfmusik, die besonders in den letzten beiden Jahren auf den gesellschaftlichen Teil des Ehrenamtes hat verzichten müssen und mit viel Kreativität, mit viel Herzblut gezeigt hat, dass es auch in schwierigen Zeiten möglich ist, diese Gemeinschaft, die besonders das Leben im ländlichen Raum ausmacht, hochzuhalten. Das betrifft nicht zuletzt jeden Zivildiener, der besonders in den letzten beiden Jahren Außerordentliches in unserem Land geleistet hat.

Auch in den kommenden Jahren brauchen wir in Österreich Menschen, die mehr als nur ihre Pflicht tun, und da sehe ich ein riesengroßes Potenzial bei den jungen Menschen. Gott sei Dank gibt es bei uns viele Menschen, die mit viel Engagement, Herzblut und Fleiß an die Sache herangehen. Das stimmt einen zuversichtlich für die Zukunft.

Österreich muss auch für die nächsten Generationen sicher, leistbar und lebenswert sein, und dafür müssen wir jetzt die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. In diesem Sinne werde ich in der Bundesregierung weiter für diese jungen Menschen Tempo machen und freue mich auf viele gemeinsame Beschlüsse, die wir noch umsetzen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

9.49


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Mag.a Susanne Kraus-Winkler. Ich erteile dieses.


09.49.45

Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Susanne Kraus-Winkler: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen auf der Regie­rungsbank! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir eine große Freude und ich bedanke mich sehr, dass ich mich heute hier im Plenum vorstellen darf.

Ich bin, wie schon angesprochen wurde, im Tourismus groß geworden, ich habe quasi mein ganzes Leben im Tourismus verbracht und daher schon sehr frühzeitig, während dieser Zeit als Unternehmerin, die großen Herausforderungen, die wir im Tourismus immer bewältigen mussten, kennengelernt, vor allem habe ich aber auch die großen Herausforderungen während der Pandemie kennengelernt.

Was ich in dieser Zeit auf jeden Fall gelernt habe, ist, dass es vor allem eines koope­ratives Miteinanders über Branchengrenzen hinweg bedarf, um die Probleme immer wieder zu lösen. Dieses Credo möchte ich in meiner Funktion unbedingt beibehalten, denn unsere Herausforderungen werden nicht weniger, wir haben das heute schon von Minister Kocher gehört. Im Gegenteil: Es wird sogar schwieriger werden.


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Ich bedanke mich sehr herzlich, dass ich diese Expertise einbringen und dieses Ressort leiten darf. Da ich das Ressort sehr schnell übernommen habe, möchte ich mich auch hier gleich noch einmal sehr herzlich bei meiner Vorgängerin Ministerin Köstinger, Elli Köstinger, bedanken. Sie hat gerade für den Tourismus in einer extrem schwierigen Zeit wirklich sehr viel Unterstützung geliefert und Verständnis gezeigt. Das war damals sicher keine leichte Aufgabe.

Ich glaube auch, dass es – wie heute schon erwähnt – ein Vorteil ist, wenn wir als Staatssekretariat für Tourismus jetzt im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit angesiedelt sind, weil viele der Probleme, die wir in der nächsten Zeit lösen werden, sehr stark in genau diese Bereiche hineinreichen und wir so einfach besser über die Probleme diskutieren und Lösungen finden können. Ich werde mich auf jeden Fall bemühen, alle Erfahrungen als Expertin da ganz intensiv einzubringen.

Ein paar Themenbereiche möchte ich heute ansprechen: Der erste Themenbereich ist der Arbeitsmarkt. Ich kann Ihnen versichern, dass wir alle wissen, wie angespannt die Situation derzeit ist. Wir kommen direkt aus der Pandemie in eine hoffentlich sehr starke Sommersaison. Ich kann Ihnen versichern, dass wir alles daransetzen werden, dort, wo es uns möglich ist, unterstützend tätig zu sein. Es gibt aber im Moment keine einfachen oder einzigen Lösungen oder schnelle Schrauben, an denen man drehen kann. Wir müssen das Ganze nicht nur kurz-, sondern auch mittel- und langfristig sehen und daher auch entsprechende Programme im Sinne der Arbeitnehmer und im Sinne der Unternehmer finden und umzusetzen versuchen.

All diese Herausforderungen sind mir ganz besonders bekannt und ich werde mich da auch ganz besonders einbringen. Wir haben natürlich die Verbesserung mit der neuen Rot-Weiß-Rot-Karte und mit der neuen Stammsaisonnierregelung. Das sind erste Schritte, wir werden aber sicher noch weitere machen müssen. Wichtig ist auf jeden Fall, dass wir möglichst viele Menschen in Beschäftigung bringen, dass wir die abgewan­derten Mitarbeiter wo es geht zurückholen und dass wir auch neue gewinnen.

Ukrainekrise und Städtetourismus hängen sehr eng zusammen, auch das ist ein Thema, das uns intensiv beschäftigt. Der Ukrainekrieg ist eine humanitäre Katastrophe, aber wir haben natürlich auch die wirtschaftlichen Konsequenzen entsprechend zu ertragen, wie heute schon vom Bundeskanzler und vom Vizekanzler gesagt wurde. Wir haben befürchtet, dass die Buchungslage darunter leiden wird. Im Moment sehen wir, dass das für den Sommer noch nicht der Fall ist. Was viel größeren Einfluss hat, sind die Inflation und die Teuerung. Die gute Nachricht in Bezug auf den Städtetourismus ist: Es gibt einen Aufwärtstrend. Er ist aber noch nicht stark genug. Im Moment ist der Aufwärtstrend durch die Monate April und Mai mit den Feiertagen sehr gut, es gibt aber sehr viele Fragezeichen, was Herbst und Winter betrifft. Die Zahlen steigen da eben noch nicht schnell genug, es gibt einfach zu viel Verunsicherung, auch rund um Flugverkehrs­probleme durch Überflug- und Landeverbote. Wir sehen auch, dass der Städtetourismus weiterhin Priorität haben muss.

Vielleicht noch ganz kurz ein Ausblick für den Sommer: Dieser Ausblick ist sehr viel­versprechend. Bei den ersten Umfragen im April haben 60 Prozent der Betriebe gesagt, sie gehen davon aus, dass sie aufgrund der jetzigen Buchungen einen guten Sommer haben werden. Wir gehen davon aus, dass sich das auch so fortsetzen wird, wiewohl die Kurzfristigkeit noch kürzer geworden ist, wie man sieht. Wir merken aber, dass der gesamte europäische Markt sich wieder geöffnet hat, und auch, dass aus den arabi­schen Ländern, aus dem mittleren Osten eine sehr starke Nachfrage kommt, die wir natürlich entsprechend einzubinden versuchen. Einzig die Inflation dürfte diesen Aus­blick möglicherweise etwas trüben. Wir wissen noch nicht, wie stark die Auswirkungen vor allem für den zweiten Teil des Sommers sein werden.


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Abschließend möchte ich sagen, dass mir bewusst ist, dass wir sehr viele Arbeitspakete haben, die wir bearbeiten müssen. Auch der Plan T – Plan Tourismus – muss jetzt noch stärker in die Umsetzung kommen, dieser wurde ja kurz vor der Pandemie gemacht, und die Aktivitätenpläne werden jetzt erstellt. Darin wird das, was wir in den Pandemiejahren und durch die Verwerfungen in den Märkten gemerkt haben, gleich eingebaut, er ist ja vor der Pandemie gemacht worden.

Ich werde alles daransetzen, dass ich meine Professionalität und meine Leidenschaft in diese Aufgabe einbringen kann. Ich darf Ihnen versichern, dass ich mein Bestes geben werde, und ich hoffe sehr, dass ich von allen Unterstützung bekommen werde. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.56


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Florian Tursky. – Bitte sehr.


9.56.12

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Bun­desrat! Zuerst: Es ist mir eine große Freude, mich auch hier im Bundesrat vorzustellen, sind doch die Länderkammer und die Ländervertreter gerade für das Thema Digita­lisierung und Breitbandausbau besonders wichtig.

Als Erstes möchte ich mich ganz herzlich bei Bundeskanzler Karl Nehammer und auch bei Finanzminister Magnus Brunner für das in mich gesetzte Vertrauen bedanken. Ich freue mich enorm auf die Herausforderung, 100 Prozent für Österreich und in Verbin­dung damit auch 100 Prozent für die Digitalisierung und den Breitbandausbau in Öster­reich zu geben.

Diese Regierungsumbildung ist für die Digitalisierung und für den Breitbandausbau in Österreich eine große Chance. Durch die Regierungsumbildung schaffen wir es nämlich, die Digitalisierung im Finanzministerium zu bündeln. Was ich damit meine, sind einer­seits die Digitalpolitik, andererseits die Digitalisierungsstrategie und auch die dafür benö­tigte Infrastruktur. Ich sehe mich da in einer Koordinierungsfunktion für alle Digitalisie­rungsthemen, einerseits mit den verschiedenen Ressorts, Ministerinnen und Ministern, aber auch – und da freue ich mich besonders auf Ihre Unterstützung – mit der Landes- und der Gemeindeebene.

Die Pandemie hatte in den letzten zwei Jahren viele furchtbare Seiten, für die Digita­lisierung war sie aber ein absoluter Turbo, und das in allen Bereichen. Sie hat uns aber auch gezeigt, wo wir großen Aufholbedarf haben. Bei der Digitalisierung und beim Breitbandausbau geht es immer noch besser, noch höher, noch schneller. Wir wissen leider genau: Wenn wir das Glasfasernetz erst einmal bis in die hintersten Täler unseres schönen Österreichs ausgebaut haben, wird es eine neue Technologie geben. Und wir wissen auch: Wenn wir 100 Prozent aller Haushalte mit 5G abgedeckt haben, wird es eine neue Generation geben. Das macht es aber zu einer so schönen Herausforderung.

Drei Schwerpunkte möchten wir in den ersten Monaten setzen: Wir wollen einerseits die digitale Verwaltung vorantreiben, andererseits die digitale Infrastruktur ausbauen und auch die digitalen Skills in der Bevölkerung stärken. Bei der digitalen Verwaltung habe ich den Grundsatz, dass die Verwaltung durch Digitalisierung und E-Government verein­facht werden muss – nicht verkompliziert, sondern vereinfacht. Wir müssen dabei die Menschen begeistern und mitnehmen und die Verwaltung dorthin bringen, wo die Menschen sind, nämlich ans iPad, an den Computer, ans Handy, womit ja auch Sie alle hier sitzen. (Bundesrätin Schumann: Besonders die Älteren!)


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Einige Behördengänge wurden bereits digitalisiert. Mein Ziel ist es aber – der Herr Bundeskanzler hat es bereits erwähnt –, bis 2024 fast alle Behördengänge in Österreich auch digital anzubieten. Beispiele dafür gibt es schon jetzt: beim Umzug, also beim Um­melden, oder beim jährlichen Steuerausgleich  zwei Bereiche, wo Österreich absolut vorne war, vor anderen Nationen.

Ein Kernelement davon wird eine digitale Ausweisplattform sein. Was meine ich damit? – Alle Ausweise, die Sie in Ihrer Geldtasche haben, sollen Sie zukünftig digital haben. Jetzt werden Sie fragen: Was hat das für einen großen Vorteil?, nehme ich halt die Geldtasche und das Handy mit! – Es hat schon den Vorteil, dass man sich das lästige Suchen – wir kennen die Situation wahrscheinlich alle, etwa bei der Autokontrolle – erspart oder dass man nichts mehr vergisst. Das Handy vergisst man ja meistens als Letztes und so hat man dann alles – Führerschein, Zulassung et cetera – am Handy.

Der zweite Schwerpunkt ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Dieser Ausbau ist essenziell, denn wir alle benötigen schnelles und stabiles Internet sowohl beruflich als auch privat. Die österreichische Bundesregierung hat mit der ersten Breitbandmilliarde bereits 1,1 Milliarden Euro investiert, und nun, mit der zweiten Breitbandmilliarde, sind es 1,4 Milliarden Euro, die bereitgestellt werden. Der erste Call wurde bereits gestartet; mit 660 Millionen Euro ist es der größte Call, den es in Österreich je gab. Die Bundes­regierung hat dabei das ambitionierte Ziel, ganz Österreich sowohl mit mobilen als auch mit festen Gigabit-Anschlüssen zu versorgen.

Warum brauchen wir das? – Vielleicht haben wir alle vor der Pandemie gedacht, unsere mobilen Internetverbindungen, die Cubes, die wir zu Hause stehen haben, reichen für das Internet, das wir benötigen, aus. Während der Pandemie – vielleicht zwei Kinder im Homeschooling, beide Elternteile im Homeoffice – haben wir dann plötzlich gesehen: So gut, wie wir gedacht haben, ist das Internet doch nicht.

Durch die digitale Infrastruktur wollen wir aber vor allem eines schaffen, nämlich eine Chancengleichheit unter den Regionen. Es wird für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Regionen entscheidend sein – wie es früher die Straßen waren, die wir gebaut haben –, dass wir alle Teile unseres wunderschönen Österreichs mit gutem Internet verbinden, damit es egal ist, ob man eine IT-Firma in Wien oder im hinteren Paznaun oder im Zillertal gründet.

Die digitalen Skills in der Bevölkerung zu fördern ist der dritte Schwerpunkt, dem ich mich widmen möchte. Ich habe schon in einem kurzen Zwischenruf gehört: Die beste technologische Neuerung ist wertlos, wenn die Bevölkerung sie nicht nützt, nicht nützen kann und nicht auf diesen Weg mitgenommen wird. Die Bundesregierung ist da in einer absoluten Bringschuld. Wir können uns nicht darüber aufregen, dass die Neuerungen, die neuen Technologien nicht genutzt werden, sondern wir müssen die Menschen befähigen und motivieren. Und wir müssen auch Verständnis dafür haben, wenn gewisse Gruppen in unserer Bevölkerung nicht mehr dazu fähig sind, und deshalb die Lösungen auch nach wie vor analog anbieten. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist aber Fakt, dass 90 Prozent aller Jobs heute ein digitales Basiswissen voraus­set­zen, und es ist leider auch Fakt, dass 34 Prozent aller Österreicherinnen und Öster­reicher über genau dieses Basiswissen nicht verfügen. Da sind wir zwar im europäischen Vergleich unter den Top Ten, das reicht aber nicht aus. Wir haben mit Initiativen wie Fit4Internet oder onlinesicherheit.gv.at bereits erste Schwerpunkte gesetzt, klar ist aber, dass das nicht ausreichen wird und wir neue Akzente brauchen. Zusätzlich hat die österreichische Bundesregierung bereits mit der Einführung der digitalen Grundbildung, also dem ab Herbst verpflichtenden Fach der digitalen Grundbildung ab der 5. Schul­stufe, einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die Grundbildung bereits im jüngsten Alter


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zu fördern. Auch hier werden wir aber neue Initiativen benötigen, bereits im Kinder­garten, bereits in der Volksschule.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen kurzen Einblick in meine ersten Schwerpunkte im neuen Staatssekretariat für Digitalisierung und Telekommunikation geben. Ich freue mich darauf, im Bereich der Digitalisierung und des Breitbandausbaus 100 Prozent zu geben, und freue mich auch ganz besonders auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.03


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile dieses.


10.03.55

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Bundesminister! Geschätzte Staatssekretärinnen! Herr Staats­sekretär! Ich darf Ihnen allen ein herzliches Grüßgott hier im Bundesrat sagen und darf mich auch vorweg schon bedanken, dass Sie sich heute vorgestellt haben und dass Sie sich auch der folgenden Diskussion hier im Bundesrat stellen werden.

Wer hätte vor drei Jahren gedacht, dass wir uns im Jahr 2022 in einer so schwierigen Situation befinden, dass wir eigentlich von Mehrfachkrisen geplagt sind – es wurde schon angesprochen –, angefangen bei der Pandemie über die Teuerung bis hin zur leider vorherrschenden Invasion in die Ukraine. Wir durchleben eine sehr schwierige, wenn nicht die fast schwierigste Phase in der Nachkriegszeit.

Für alle Verantwortungsträger, aber insbesondere die Regierenden – in Österreich, aber auch darüber hinaus – ist das eine sehr fordernde Zeit. Die notwendigen Entschei­dungen mussten in den letzten zwei Jahren häufig sehr rasch getroffen werden, die tatsächlichen Auswirkungen konnten oft erst im Nachhinein bewertet werden. Diese Bewertungen waren durchaus auch mit Kritik behaftet, berechtigter- oder unberechtigter­weise, aber so funktioniert Politik und das ist auch die Aufgabe der Politik.

In dieser extrem fordernden Zeit haben sich nach dem Ausscheiden der beiden Bundesministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck Gott sei Dank sehr schnell wieder äußerst kompetente und meiner Ansicht nach sehr geeignete Per­sonen gefunden, die sagen: Ich will mich wirklich nach bestem Wissen und Gewissen und ausgestattet mit meinem Können und meinen Erfahrungen einbringen und dazu beitragen, dieses wunderschöne Land durch die bereits angesprochenen Krisen zu führen. Dafür vorweg an alle, die sich bereit erklärt haben, im Team der Bundesregierung mitzuwirken, ein großes Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bevor ich mit ein paar Sätzen auf die neuen Mitglieder auf der Regierungsbank eingehe, darf ich mich auch im Namen des Bundesrates und vor allem im Namen meiner Fraktion für die Arbeit der ausgeschiedenen Bundesministerinnen bedanken. (Bundesrat Steiner: Im Namen des Bundesrates tust du gar nix!)

Beginnen möchte ich bei Bundesministerin Margarete Schramböck: Sie hat fünf Jahre ihre ganze Kraft für die Wirtschaft in unserem Land aufgewendet (Ruf bei der SPÖ: Kaufhaus Österreich! – weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ), hat mit gezielten Maß­nahmen insbesondere in der Pandemie dafür gesorgt, dass vieles am Laufen gehalten worden ist.

Mir fällt da insbesondere die Investitionsförderung ein, die sie, wie ich glaube, sehr erfolg­reich vorbereitet hat. Diese Investitionsförderung hat, wie wir alle wissen, Tau­sende Ar­beitsplätze gerettet und hat auch unsere Wirtschaft am Laufen gehalten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Das Kaufhaus Österreich wäre da hervorzuheben!) 


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Ja, genau, Kollege Steiner, weil du das Kaufhaus Österreich ansprichst: Ich habe mir in Vorbereitung auf diese Rede auch das wunderbare Projekt der berittenen Polizei des Fraktionsvorsitzenden Kickl angeschaut (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ) – berittene Polizei mit Fantasieuniformen – und ich habe mir auch die Kosten angeschaut. (Ruf bei der FPÖ: Da wart ihr ja dabei!) Dagegen war das Kaufhaus Österreich ein Lercherlschas. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Das Kaufhaus Österreich hat wenigstens den Ansatz gehabt, unserer Wirtschaft in einer sehr schwierigen Zeit zu helfen, damit nicht alles in die digitalen Kaufhäuser außerhalb von Österreich, in Europa und international, abwandert. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Sie brauchen sich also nicht mit den Projekten der Regierung zu rühmen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich darf mich auch bei Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger bedanken, die ja einen großen Verantwortungsbereich innehatte, angefangen bei Landwirtschaft, Tourismus über Digitalisierung bis hin zum Zivildienst. Elisabeth Köstinger hat in diesen Bereichen sehr viel weitergebracht.

Auch ihre Arbeit war in den letzten zwei Jahren natürlich sehr von der Pandemie geprägt. Gerade den Bereich Tourismus, der ja in vielen Regionen unseres Landes die ent­scheidende Wirtschaftskraft ist, hat sie mit den von ihr zusammengestellten Hilfspaketen mit einem blauen Auge durch die Krise gebracht. (Bundesrat Ofner: Und ihm ein zweites blaues Auge verpasst!) Tausende Arbeitsplätze wurden damit gerettet und gesichert, insbesondere in Regionen, wo es zum Tourismus kaum Alternativen gibt.

Auch im Bereich der Landwirtschaft, das hat der neue Landwirtschaftsminister schon angesprochen, hat Elisabeth Köstinger durch die Vorbereitung der Gemeinsamen Agrar­politik, durch die Vorbereitungen zur Herkunftskennzeichnung, aber auch durch das Tierwohlpaket, das kurz vor der Beschlussfassung steht, sehr, sehr vieles auf den Weg gebracht, das der heimischen Landwirtschaft sehr nutzen wird.

Im Zusammenhang mit Elisabeth Köstinger möchte ich noch ein durchaus menschliches Thema ansprechen, und zwar den Druck, dem Elisabeth Köstinger in den letzten Jahren vor allem durch – ich möchte es so benennen – militante Tierschützer ausgesetzt war, die sie Tag und Nacht bis in ihren privatesten Bereich hinein verfolgt und ein Privatleben kaum mehr möglich gemacht haben. Wenn man so einem Druck ausgesetzt ist, verstehe ich es, muss ich gestehen, dass man in Zeiten wie diesen sagt: Es reicht, ich habe meinen Dienst in der hohen Politik getan und will mich wieder in ein normales Leben zurückziehen. Danke also noch einmal an Elisabeth Köstinger für ihre Arbeit! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ich möchte jetzt aber natürlich nach vorne blicken und darf die drei neuen Gesichter auf der Regierungsbank – insbesondere Bundesminister Norbert Totschnig, Staatssekre­tärin Susanne Kraus-Winkler, aber auch Staatssekretär Florian Tursky – noch einmal herzlich im Bundesrat begrüßen und ihnen nur das Beste für ihr Tun wünschen!

Liebe Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler, ich komme aus einem Bundesland, das sehr vom Tourismus geprägt ist, und aus einem Bezirk, der noch stärker vom Tourismus geprägt ist. Mein Bezirk Landeck hat 44 000 Einwohner – dass man sich das ein bisschen vorstellen kann – und weist 8,8 Millionen Nächtigungen auf. Umgerechnet auf die Einwohnergleichwerte hat mein Bezirk 44 000 Einwohner und täglich kommen 24 000 Touristen dazu, das nur, damit man weiß, welche Rolle der Tourismus in meinem Bezirk spielt. Ich bin sehr glücklich darüber, dass es in diesem Staatssekretariat gelun­gen ist, eine der, glaube ich, am besten geeigneten Personen zu finden, die sich um dieses so wichtige Ressort kümmern wird. Ich darf der Staatssekretärin alles Gute


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wünschen und ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich darf auch die beiden Tiroler noch schnell im Hohen Haus begrüßen. Florian Tursky, ich kenne dich persönlich, ich weiß um dein einschlägiges Know-how, das du in dieses Staatssekretariat mitbringst. Du hast es angesprochen: Die Pandemie hat wenig gute Seiten gehabt, in der Digitalisierung aber hat sie uns sehr weitergebracht. Es ist inzwi­schen in jeder Berufsgruppe möglich, Videokonferenzen abzuhalten, das Know-how ist da, die Hardware ist da, die Software ist da. Ganz wichtig ist auch, dass die schnellen Leitungen da sind, das hast du aber selber angesprochen.

Zum Abschluss noch zu unserem neuen Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, ihn kenne ich noch länger und persönlich sehr gut. Norbert Totschnig hat es beschrieben: Aufgrund seines Aufwachsens und natürlich aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit ist er einer der besten Kenner der heimischen Land- und Forstwirtschaft. Er weiß, vor welch großen Herausforderungen die heimische Land- und Forstwirtschaft steht.

Wir haben die große Verantwortung, für die Ernährungssouveränität in unserem Land zu sorgen. Die bäuerlichen Familien arbeiten hart dafür, unsere gemeinsame Aufgabe aber ist es, dafür zu sorgen, dass es auch einen entsprechenden Lohn dafür gibt, denn sonst werden sich die bäuerlichen Familien leider auch nach Alternativen umsehen, wo es mehr zu verdienen gibt. Dazu braucht es faire Produktpreise und vor allem auch immer wieder die Anerkennung der allgemeinen Leistungen, die die BäuerInnen für die Gesellschaft erbringen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Die GAP ist im Finale, die Herkunftskennzeichnung ist auf den Weg gebracht. Das sind viele positive Punkte, es wurde aber auch angesprochen: Die Landwirtschaft leidet wie viele andere Berufsgruppen sehr unter den Teuerungen, die die Pandemie und die Inflation mit sich gebracht haben: im Bereich Energie, Düngemittel, Futtermittel. (Bun­desrätin Schumann: Wieso? Ihr habt sie doch eh so gut entlastet!) Das ist eine große Belastung für die bäuerlichen Betriebe, da brauchen wir ein Ausgleichspaket. (Bundes­rätin Schumann: Ach so! Und für die anderen nicht!) Dieses ist, glaube ich, geschnürt und es muss verkündet werden. (Bundesrätin Schumann: Ach, es ist eh schon fertig ...!) Je früher, desto besser, weil die Landwirte schon sehr darauf warten.

Du hast es angesprochen, Norbert, und ich nehme dich beim Wort: Du hast gesagt, du bist auch für die Regionen zuständig. Wir hatten gestern hier eine sehr spannende und inhaltsreiche Enquete. Es geht darum, den Regionen die Chancengleichheit zu geben. Ich möchte einen Antrag aufgreifen, den unser Fraktionsvorsitzender Karl Bader für die Regionen im Bundesrat eingebracht hat: Bundesratsvorsitzender Karl Bader hat gefor­dert – der Beschluss wurde hier im Bundesrat gefasst –, dass vor jeder Neuansiedlung einer Bundesbehörde in Wien geprüft wird, ob diese Behörde nicht gleich irgendwo in einem Bundesland angesiedelt werden kann (Bundesrätin Schumann: In Wien? – Ruf bei der SPÖ: Bei jeder Schaffung einer neuen Bundesbehörde!), weil wir mindestens gleich kompetente Mitarbeiter haben (Bundesrätin Schumann: Bei jeder Schaffung! Da war der Text falsch!) und weil wir natürlich auch schauen müssen, dass unsere Mitar­beiter einmal einen Arbeitsplatz in der Region finden können. (Bundesrätin Grimling: Schaffung!) Es ist nicht selbstverständlich, dass beispielsweise die Wildbach- und Lawi­nenverbauung ihren Sitz in Wien hat.

Vielen Dank und alles Gute noch einmal an die neuen Mitglieder. (Neuerliche Zwischen­rufe bei der SPÖ.) Wir freuen uns, wenn uns die neuen Mitglieder oft im Bundesrat besuchen und uns nachher natürlich für Fragen und Antworten zur Verfügung stehen. – Vielen Dank und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.15



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 30

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile dieses.


10.15.25

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Vize­kanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Was dieses Land und was vor allen Dingen die Menschen, die in diesem Land leben, in der jetzigen Situation brauchen, ist Stabilität. Wir haben eine Situation, die für die Menschen extrem belastend ist: Es ist die Teuerung, es ist die Frage des Klimawandels, es ist die Frage der Entwicklungen der Digitalisierung, es ist die Frage der demografischen Entwicklung – viele Druckpunkte, viele Herausforderungen – und natürlich dieser schreckliche Angriffskrieg in der Ukraine. All das zusammen ist eine schwierige Mischung für die Menschen.

Die Bundesregierung sitzt jetzt wieder hier und es gibt wieder eine Regierungserklärung. Die wievielte? – Wir zählen sie eh nicht mehr. Es ist unerträglich, ganz ehrlich, es ist wirklich unerträglich! Wir verändern wieder die Ministerien und hören: Das ist die beste Version, jetzt ist die Version gefunden, wie ein Ministerium zusammengestellt werden sollte. – Das haben wir das letzte Mal und das vorletzte Mal auch schon gehört. Kein Unternehmen in diesem Land würde permanent seine Strukturen ändern, denn dann wäre es bankrott und könnte zusperren. Wir aber verändern permanent! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Die ÖVP ist damit beschäftigt, die Scherben der Kurz’schen Politik aufzuräumen, man ist mit sich selbst beschäftigt. Die Grünen tragen in einer Duldsamkeit, die nicht mehr verständlich ist, alles mit, aber, mein Gott, so ist es jetzt halt. Was uns aber wirklich Sorgen bereitet, ist die Vereinigung der Ministerien für Wirtschaft und Arbeit. Diese halten wir für nicht gut. Wir – als Sozialdemokratie und allemal als GewerkschafterIn­nen – haben das immer für nicht gut gehalten, denn die Rechte der ArbeitnehmerInnen stehen nicht so im Fokus, wie sie stehen sollten, und mit dem Fokus auf die Wirtschaft noch viel weniger. Das ist nicht die richtige Kombination. Und ich wundere mich schon, wie die Grünen, die 2000 – ich erinnere mich noch an die Demonstrationen – neben uns gegangen sind und gesagt haben: Arbeit und Wirtschaft zusammen, das kann es nicht sein!, jetzt mit Seelenruhe sagen: Na wunderbar, legen wir die zwei Ministerien wieder zusammen! – Das kann es wirklich nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verstehe schon, dass der Herr Kanzler jetzt hinausgegangen ist, denn es gibt ja wieder einen Skandal, der heute aufgetaucht ist. Der wievielte ist es? – Wir wissen es nicht. Herr Bundesminister Polaschek ist da verantwortlich: Die PCR-Tests in den Schu­len wurden ja abgebrochen, jetzt steht eine Pönale, also eine Strafe, von 11 Millionen Euro im Raum, die gezahlt werden muss. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja um Himmels Willen, Sie können es nicht! Das ist ja überpeinlich. Wir gehen von einem Skandal in den anderen, so kann man doch ein Land nicht führen, das funktioniert doch nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann.)

Wir haben ein Scheitern in der Pandemiebekämpfung. Die Pandemie wurde zum x-ten Mal abgesagt, sie ist aber nicht abzusagen, denn Corona ist noch da und wir wissen nicht, wie sich die Ausbreitung im Herbst entwickeln wird. Wir haben eine Teuerung, eine Inflation von 8 Prozent. Und was macht die Regierung? – Sie macht Entlastungspakete, sie macht Gutscheinaktionen. Mehr als diese Gutscheinaktion zur Entlastung kann etwas ja schon gar nicht mehr danebengehen: Wir haben extreme Kosten für die Gut­scheine, die Leute sind überfordert, sie sind mit dem Ausfüllen überfordert. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Manche sagen, die Regierung hofft, dass man sie doch nicht einlöst. Ich habe mit ich weiß nicht, wie vielen älteren Leuten gesprochen, die gesagt haben: Na ja, dann löse ich das halt doch nicht ein! (Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn!) – Das ist doch nicht eine Form, wie man die Menschen entlastet!


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Wir sagen schon seit Oktober: Es braucht starke Programme. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.) Jetzt, bei 8 Prozent Inflation, braucht es eine wirkliche Entlas­tungswelle, die den Menschen hilft. Es braucht befristetes Senken oder Weglassen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, auf Sprit, auf Gas, auf Heizung. Die Leute können sich ihr Leben nicht mehr leisten.

Der Vizekanzler sagte in den „Salzburger Nachrichten“, man müsse den Menschen halt sagen, dass es einen Wohlstandsverlust geben werde. – Na ja, das ist schon ein bisschen zynisch. Und Herr Bundesminister Kocher hat am 18.5. in einer APA-Meldung gesagt, so schlimm werde es mit dem Wohlstandsverlust nicht werden, das werde nicht bleiben. – Das ist Ihre Wahrnehmung, aber sie ist sehr abgehoben. Die Menschen sagen: Ich habe nichts mehr im Geldbörsel, ich weiß nicht mehr, wie ich meine Rechnungen zahlen soll, ich weiß nicht mehr, wie ich meine Kredite bedienen soll! Jetzt braucht es eine wirkliche Entlastungswelle! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann mich an die letzten Sitzungen im Bundesrat erinnern, wo sowohl die ÖVP als auch die Grünen permanent gesagt haben: Na ja, wir haben schon so viel getan, da braucht es nichts mehr, die Menschen sind schon entlastet. – Einen Schmarrn sind sie schon entlastet! Sie brauchen eine wirkliche Entlastung, die ihnen jetzt hilft, über die nächste Zeit zu kommen, denn jeder Wirtschaftsexperte, mit dem man spricht, sagt, der Herbst wird noch einmal schwieriger werden, wir sind noch nicht am Plafond mit den Preisen. Sie müssen jetzt wirklich entlasten, das haben sich die Menschen in diesem Land verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man von der Lohn-Preis-Spirale spricht, dann sollte man auch sehr vorsichtig sein, denn eines ist schon Fakt: Vorher steigen die Preise, und dann wollen die Menschen ein gutes Einkommen haben, von dem sie leben können; und wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter werden natürlich dafür kämpfen, und natürlich werden wir bei den Kollektivvertragsverhandlungen alles ins Zeug werfen, damit die Menschen wieder etwas im Geldbörsel haben. Das ist unsere Aufgabe, und Ihre Aufgabe in der Regierung ist es, endlich zu entlasten. In ganz Europa finden Entlastungsmaßnahmen statt, nur wir zögern und hinken da hinterher. Das kann es ja wirklich nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Was mir noch große Sorgen bereitet, ist ein völliges Erliegen der Frauenpolitik – völlig! Es gibt keine Frauenpolitik in diesem Land, und das macht mir große Sorgen. Besonders aus der Pandemie heraus: Die Frauen sind die vergessene Gruppe, ihre Anliegen alle­mal. Gestern bei der Enquete wurde gesagt: Wenn die Frauen das Land verlassen, den ländlichen Raum, dann ist es ganz, ganz schwierig. – Ja, aber dann muss man etwas für die Frauen tun, dann muss man auch wirklich schauen, dass sie Beruf und Familie vereinbaren können!

Wenn Sie sagen: Ja, aber wir haben jetzt ja diese 15a-Vereinbarung wunderbar verhan­delt – das ist viel zu wenig, um Beruf und Familie wirklich vereinbaren zu können und den Rechtsanspruch oder zumindest den Weg auf einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbildungsplatz hinzubekommen. Das ist eine Mogelpackung, und ich kann gar nicht sagen, wie enttäuscht sehr viele der Frauen sind, die jetzt eine gute Betreuungsstruktur brauchen würden. Ich kann gar nicht sagen, wie enttäuscht die Beschäftigten in der Elementarpädagogik sind, die aus dieser Vereinbarung keine Hoffnung schöpfen, dass ihre Situation besser wird oder dass sie entlastet werden, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Eltern enttäuscht sind, weil diese Vereinbarung es wieder nicht zu­stande gebracht hat, eine Qualitätssicherung im elementarpädagogischen Bereich zu sichern. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister Kocher, Sie können gerne sagen: Die Frauen, die einen hohen Teilzeitanteil haben – und nach Corona einen noch höheren –, sollen ein paar Stunden mehr arbeiten! Das ist ein guter Vorschlag, ein netter Vorschlag, aber wenn man nicht


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weiß, wo man seine Kinder unterbringen kann, dann wird das nicht funktionieren, und wenn Sie ein derartiges Paket einer 15a-Vereinbarung vorlegen, wird das noch viel weniger passieren, weil wir genau wissen: Die Dinge wirken ja langsam! Sie setzen nicht die Maßnahmen, die gesetzt werden müssen, und das ist bedenklich.

Lassen Sie mich noch zwei Punkte sagen, die uns wirklich weiter große Sorgen machen: Wir sind im Demokratieranking abgesunken. Wir sind auch im Ranking der Pressefreiheit abgesunken, und zwar um 14 Plätze, und das macht der Regierung keine Sorgen – uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten macht das aber Sorgen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen um die Demokratie kämpfen; und Herr Vizekanzler, wenn Sie mit einem Augenzwinkern – ich verstehe es eh, wir lachen auch alle drüber – sinngemäß sagen: Die Wahrheit ist in der Politik so ein bisschen ein schwieriger Begriff!, dann darf das nicht sein, ganz ehrlich. Wir müssen als Politikerinnen und Politiker glaubhaft sein, und es muss das Vertrauen da sein, dass nicht Korruption dieses Land regiert, sondern dass es ein transparentes, gutes System gibt, auf das sich die Leute verlassen können. Und ganz ehrlich: Die ÖVP hat ein Korruptionsproblem, auch wenn sie es nicht gerne wahrhaben möchte, und es wäre wichtig, da einmal transparent aufzuräumen, anstatt darüber per­manent den Deckmantel des Schwammdrübers zu werfen. Das ist nicht gut für die Demokratie, das ist nicht gut für unser Land, und da müssten Sie endlich handeln!

Ganz ehrlich, gesamt gesehen: Sie schaffen es nicht. Diese Regierung in dieser Form ist gescheitert. (Bundesrat Steiner: Bravo!) Das muss man ganz deutlich sagen, denn die Menschen in diesem Land brauchen jetzt Lösungen, sie brauchen Perspektiven. Die Zeiten werden so schwierig werden, dass sie wirklich das Gefühl haben müssen, jemand hat einen Plan. Die Zeiten sind schwierig, keine Frage, aber die Menschen haben verdient, dass es Lösungen gibt. Die Sozialdemokratie hat die Lösungen (ironische Ja-Rufe bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ), diese Regierung sicher nicht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.25


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses.


10.25.29

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Kollegen! Mitglieder der Regierung! Der Kanzler hat uns ja schon wieder verlassen, so wichtig ist ihm seine eigene x-te Regierungsumbildung. Früher, wenn eine Regierungsumbildung auf der Tagesordnung war, hat man sich gedacht: Okay, es gibt eine Regierungserklärung, da fragt man jetzt etwas. Man kriegt jetzt einmal einen Input an Zukunft, einen Input an Visionen, gibt es jetzt einmal einen Input an Strategien, an Konzepten. Wenn früher eine Regierungserklärung war, in weit nicht so schwierigen Zeiten, hat es weit mehr Visionen, Konzepte, Ideen, Strategien, Zukunftsvisionen gegeben, als es jetzt gibt. Diese Regie­rung – ich sage euch das! – ist visionslos, inhaltslos und an sich selber gescheitert. (Beifall bei der FPÖ.)

Früher hat man als Bundesrat auch einen gewissen Respekt gehabt, wenn es eine Regierungserklärung gegeben hat. Ich bin heute nur anstandshalber hier herinnen gesessen, weil ich mir gedacht habe, dann kriegt man zumindest den Anstand von der Regierung zurück. Eines sage ich euch aber: Vor dieser Regierung fehlt mir jeglicher Respekt, das kann ich euch versichern! (Beifall bei der FPÖ.)

Ist es die siebte, die achte, die neunte, die zehnte? Herr Kogler, wissen Sie es noch? Ich weiß es gar nicht mehr. (Vizekanzler Kogler: Mehr!) Sie sagen: Mehr! (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Elfte? Zwölfte? Dann einigen wir uns auf die elfte oder was,


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keine Ahnung, okay, dann leben wir jetzt so. Es wird wahrscheinlich laut Vizekanzler Kogler die elfte Regierungserklärung in zwei Jahren sein. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.) Das muss man einmal schaffen.

Totales Chaos also, wohin man schaut, in welches Ministerium man schaut. Die Regie­rungsmitglieder kann man sich eh schon nicht mehr merken. Jetzt haben wir dann bald mehr Staatssekretäre als Minister, also wird es ja wahnsinnig interessant in der nächsten Zeit. Man muss sich die neuen Gesichter aber gar nicht mehr merken, die alten braucht man sich auch nicht mehr zu merken (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), denn man weiß ja nicht, wie lange überhaupt noch jemand irgendetwas in dieser Regierung macht und in Amt und Würden ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.)

Man muss halt schon auch dazusagen: Es ist euch schon gar nicht mehr zu blöd – gell, Herr Kogler? –, sich da elfmal herzusetzen und zu erklären, wie super und wie toll ihr das macht, und ein bisschen dahinzuschwadronieren. Hat es einen Inhalt, hat es keinen – das war Ihnen heute eigentlich völlig egal. Sie haben halt einfach geredet, geredet, geredet; zu den wichtigen Themen überhaupt keine Ansage, kein einziges kritisches Wort zu dieser korrupten ÖVP. Das hätte ich mir von einem grünen Vize­kanzler erwartet! Nicht ein Wort – sehr schwach, sehr schwach, sehr schwach! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber es ist halt wahrscheinlich doch ganz gführig am Futtertrog! Dann stellen Sie sich alle daher – jetzt dann zum elften Mal, wie wir wissen – und lügen, ganz ohne rot zu werden, von der Ministerbank aus den Österreichern direkt ins Gesicht. Das muss man sich einmal trauen als Minister - -

10.29.11*****


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrter Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf dafür, dass Sie die Regierungsmitglieder bezichtigen, sie würden lügen.

*****

10.29.19 Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Dann werden Sie das Mikrofon da oben halt noch öfter einschalten müssen, denn diese Regierungsmitglieder lügen nachge­wie­senerweise, ich werde es noch beweisen. (Beifall bei der FPÖ.)

Chaotisch, machtgeil, geldgeil, abgehoben, am Trog der Macht sitzend – das beschreibt diese Regierung am besten. Das bringt euch auch alle, inklusive der Grünen, Herr Vizekanzler, auf einen Nenner, denn wenn Sie Anstand hätten, müssten Sie sagen: Wir als Grüne nicht, wir schauen dieser Korruption nicht länger zu, wir machen da nicht länger mit, wir schmeißen nicht weiter unsere eigenen Ideale über Bord, nur um am Trog zu sitzen! Rein gar nichts dürfte Sie und alle anderen Regierungsmitglieder von ÖVP und Grünen noch weiter legitimieren, noch weiter in den Ministerbüros zu verharren und – das ist ja das Schlimme! – dem österreichischen Staat noch weiteren Schaden zuzu­fügen.

Jetzt sitzen da in dieser Regierung noch zwei Staatssekretäre mehr, die uns jetzt eigentlich erklärt haben, was sie alles machen werden und was sie alles schon gemacht hätten, in diesem fast einen Monat, in dem sie jetzt Staatssekretäre sind, obwohl – und deshalb bin ich beim Lügen! – diese Staatssekretäre noch gar keine Zuteilung haben. Die haben noch gar keine Arbeit, weil das Bundesministeriengesetz noch nicht geändert wurde. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)


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Ihr sitzt jetzt da drinnen, kostet uns über 15 000 Euro mehr im Monat als die vorher­gehende Regierung und habt keine Arbeit! Ihr dreht Daumen und schaut in die Luft, und uns erzählt ihr hier, was ihr alles macht! Keine Ministerienzuteilung, nichts! Keinen Job habt ihr noch, und bis wir hier die Ministerienzuteilung wieder beschließen, gehen ja wieder fast eineinhalb Monate vorbei. Ihr macht zwei Monate einen Job, den es gar nicht gibt und stellt euch hierher und erzählt, was ihr nicht alles macht! (Beifall bei der FPÖ.)

Da komme ich schon wieder zurück zum bei seiner eigenen Regierungserklärung nicht anwesenden Kanzler. Euch ist nichts mehr zu blöd! Mitsamt seiner Regierungstruppe – und das sage ich jetzt so, wie es ist – verarscht er nicht nur beide Kammern, Nationalrat und Bundesrat, sondern er verarscht auch die österreichische Bevölkerung. Ein Satz, den er vor Kurzem zu Türkisen oder Schwarzen, ganz klar war es nimmer, auf dem Parteitag gesagt hat, fasst die Verarschung der österreichischen Bevölkerung bestens zusammen: Tausende Viren in so einem kleinen Raum, doch das interessiert uns alle nicht mehr! – Ein Wahnsinn, wie dieser Kanzler die österreichische Bevölkerung verarscht, unglaublich! (Beifall bei der FPÖ.)

Dann ist es halt einmal so, dass man das hier herinnen wird sagen müssen und auch wird sagen dürfen, Frau Präsidentin (Bundesrat Kovacs: Herr Präsident!) – oder mittlerweile Herr Präsident. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass die Abgeordneten  ich darf Sie nur erinnern , aber auch die Regierungsmitglieder sich in den letzten zweieinhalb Jahren hier herinnen oft überheblich und präpotent gege­ben haben, gegenüber vielen und auch gegenüber den Österreichern, das werden die Österreicher so schnell nicht vergessen. Aber so leise und so bemüht freundlich zu sein wie in letzter Zeit, das ist gefährlich. Das ist ganz gefährlich, wenn die ÖVPler plötzlich wieder Griaß di und Pfiat di sagen. Uiuiui, da müssen wir aufpassen. Dieses falsche Getue könnt ihr euch aber sparen. Danke, aber nein danke! (Beifall bei der FPÖ.)

Denn merkt euch eines – speziell von der ÖVP, denn die Grünen sind, wie sagt man denn, mittlerweile Kümmerlinge (Heiterkeit des Bundesrates Bernard) –, merkt euch eines - - (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ganz ruhig bleiben, Frau Kollegin! Merkt euch eines: Hochmut kommt stets vor dem Fall. Erinnert an die Gemeinderatswahl bei Ihnen zu Hause, oder? – Ja, ganz genau. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Krumböck und Kornhäusl.) Und nur, weil der scheinheilige Säulenheilige nicht mehr da ist, hat sich ja auch die Elli dann verabschiedet, weil es ihr dann ohne Sebastian doch nicht mehr so gut gefällt.

Wenn wir schon beim Fallen sind, müssen wir einmal zurückschauen und vielleicht auch einmal die neuen Regierungsmitglieder in Erinnerung rufen, und die alten Regierungs­mitglieder muss man sich wieder einmal in Erinnerung boostern  ihr boostert ja so gern. Dann schauen wir einmal in die letzten zwei Jahre und ein paar zerquetschte Monate zurück: Was haben wir denn als Erstes gehabt? Man vergisst es ja wahrscheinlich, es kommt einem so lange vor, dabei ist es noch gar nicht so lange her.

Da haben wir die schon mehrfach vorher gescheiterte Ulrike Lunacek gehabt. Die war einmal Staatssekretärin bei Ihnen im Ministerbüro, Herr Vizekanzler. Können Sie sich noch an sie erinnern, bei dieser ganzen Fluktuation? Ich helfe Ihnen, ich boostere Sie mit Erinnerung: die mehrfach gescheiterte Ulrike Lunacek, gestolpert über ihre nicht vorhandenen Kulturförderungen. (Vizekanzler Kogler schüttelt den Kopf.)

Dann haben wir das Aschbacher-Plagiat gehabt; dann einen ganz besonderen Freund von mir, den Chaos-Rudi, allen Österreichern wahrscheinlich in ganz schlechter Erin­nerung. (Bundesrat Spanring: Die nächsten zwei Wochen ...!) Dann haben wir noch gehabt – an den wird man sich nicht mehr so erinnern, der war wirklich nur ganz, ganz kurz, ich muss selber lesen –: Linhart, der war ganz kurz einmal Außenminister, während der Super-Schalli Superkanzler war. Aber Linhart gibt es jetzt auch nimmer, der ist jetzt


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mittlerweile wieder, glaube ich, Botschafter. Kurz hat er dann einmal keinen Job gehabt, jetzt ist er wieder Botschafter, er ist also wieder versorgt, Gott sei Dank.

Dann haben wir den Sebastian, den auf eurer Kirchenveranstaltung während des Wahl­kampfs scheinheilig Gesprochenen, also den scheinheilig gesprochenen Korruptikus. Dann haben wir noch gehabt: den Schalli, quasi den Kanzler der abgehobenen Adeligen. Dann haben wir Herrn Faßmann gehabt, der dann doch nicht ganz in die ÖVP-Welt gepasst hat. Dann haben wir noch gehabt – es geht ja noch weiter, wir sind ja noch nicht fertig, Herr Kogler! –, dann haben wir noch Gernot Blümel gehabt, der keinen Laptop besaß, aber mit dem Laptop dann im Poppenwagerl spazieren gegangen ist. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Dann haben wir noch den Statthalter Brunner, der in der Regierung vom Staatssekretär bei Gewessler, wo er nichts zu sagen hatte, zum Finanzminister gewechselt hat. Jetzt zockt er als Minister, als Finanzminister, ganz ungeniert die Bürger ab.

Nicht zu vergessen, ein ganz besonderer Diamant dieser Regierung war ja Herr Mückstein – auch nicht mehr unter uns oder in dieser Regierung. Bis heute weiß ich nicht, in welcher Verlosung oder Lotterie er seinen Titel gewonnen hat. Dann haben wir noch „Elli, es ist vorbei“ Köstinger, schon erwähnt: Ohne Basti ist alles blöd. Zum Schluss jetzt noch Margarete alias Kaufhaus Österreich, wobei nicht nur das Kaufhaus Österreich ein Megaerfolgskonzept war, sondern die ganze Ministerin war wahrlich ein Erfolgs­konzept.

Zum Drüberstreuen macht sich jetzt am Ballhausplatz, am gut abgesicherten Ballhaus­platz – seit Neuestem reichen ja die Poller von Herrn Kern nicht mehr aus, jetzt haben wir auch noch Gitterabsperrungen rund ums Bundeskanzleramt – schon der dritte Kanzler binnen eines Jahres gemütlich. Im Schnitt also – rechnet man sich das jetzt aus: zwei Jahre Regierungszeit, Herr Kogler, und ein paar Zerquetschte, dividiert durch all die Rücktritte, Umschichtungen in eurer wunderbaren Regierung – haben wir alle zwei Monate ein neues Gesicht präsentiert bekommen. Und was hat sich geändert? – Noch schlimmer ist es geworden! Gratuliere! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein paar Tiroler, ein paar Salzburger, vielleicht ein paar Vorarlberger werden sich daran erinnern, ich glaube, es war im Jahr 2013: Da hat Günther „Landesvater“ Platter im Wahlkampf ganz riesengroß plakatiert gehabt: „Keine italienischen Verhältnisse!“ und hat ein Auto gegen die Wand fahren lassen, ein rotes oder gelbes. Mittlerweile würden sich die Österreicherinnen und Österreicher italienische Verhältnisse in diesem Land wünschen! So schaut es bei dieser Chaosregierung aus! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber jetzt haben wir ja diese tolle neue Regierung. Jetzt geht was voran! Jetzt haben wir die besten Köpfe aus ganz Österreich. Die haben sich jetzt bereit erklärt, sich dieser Regierung anzuschließen. Man hat gesucht, und zuerst hat sich niemand finden lassen, der sich diesem Himmelfahrtskommando noch anschließen wollte, und jetzt werden sie als die besten Köpfe, die Österreich jemals hatte, präsentiert. (Zwischenruf der Bundes­rätin Zwazl.)

Somit darf ich euch jetzt recht herzlich willkommen heißen, Frau Kraus-Winkler, Herr Totschnig und Herr Tursky! Ich bin einmal gespannt, wie das mit Ihnen weitergeht und wie lange wir uns die Namen merken müssen. Weil wir beim Namen-merken-Müssen sind: Alle ehemaligen Minister haben etwas gemein, und zwar verbindet sie alle entwe­der Unvermögen, Korruptionsermittlungen (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), Pla­giats­vorwürfe, Chaosmanagement bei Corona oder Falschaussagen und nachgewie­sene Lügen.

Damit aber nicht genug, denn – und da müssen Sie mir jetzt wahrscheinlich recht geben, Herr Kogler –: Das grausliche System ÖVP bedeutet ja nicht nur das vorhin Erwähnte,


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sondern es bedeutet vor allem volle Kassen: für die ÖVP selber, für ihre Bünde und für ihre Organisationen, und das aber in einer Zeit, in der die Österreicher in diesem Land finanziell ausbluten. Schämt euch in Grund und Boden! (Beifall bei der FPÖ.)

Ohne jeglichen Respekt vor den Bürgern und deren Leid im Land greift ihr von der ÖVP, vor allem von der ÖVP, vor lauter Gier ganz ungeniert in die Taschen der Steuerzahler, um euch selbst dann aber Millionen in den Parteiapparat zu pumpen – Inseratenkeilen in Vorarlberg! Gestern war die Enquete, die dritte oder vierte Enquete zum dezentralen Raum. Der Herr Landeshauptmann hätte hier sitzen sollen, hat aber in den U-Ausschuss müssen. Er hätte aber leicht Zeit gehabt, um 9 Uhr zur Enquete zu gehen, weil er erst um 15 Uhr im U-Ausschuss war. Vielleicht war es ihm aber zu peinlich, hier mit den Abgeordneten zu sprechen.

Der Inseratenkeiler aus Vorarlberg höchstpersönlich also; dann ist in Tirol jetzt aufge­kommen, dass über 200 000 Euro über ein paar dubiose Vereine durch die Hintertür rein in die Platter’schen ÖVP-Parteikassen gingen. Allein 2 Millionen Euro – das muss man sich einmal vorstellen, das betrifft jetzt Ihr Ministerium, Herr Kogler flossen illegal an den Oberösterreichischen Seniorenbund des Ex-Landeshauptmannes Pühringer denn es ist laut Gesetz nicht erlaubt, an Parteien und deren Vorfeldorganisationen Förde­rungen, Coronaförderungen auszuzahlen.

Mich würde ja interessieren, was Herr Bundesrat Franz Ebner von der ÖVP, der hier herinnen sitzt, seines Zeichens Generalsekretär des Oberösterreichischen Senioren­bundes (Bundesrat Reisinger: Oh!), zu dieser ganzen Causa zu sagen hat. Das würde mich einmal interessieren, denn dieser Bundesrat ist jener, der sich hier heraußen hinstellt und immer wie ein Pfarrer darüber redet, wie arm denn nicht die Österreicher sind, und alles ist so schlimm und es gibt so viel Leid; und im selben Moment, wo er hier heraußen als Bundesrat spricht, fließen über seinen Schreibtisch als Generalsekretär des österreichischen Seniorenbundes 2 Millionen Euro; ich hätte bald gesagt: fladert er das Steuergeld der österreichischen Steuerzahler.  Schämen Sie sich, Herr Ebner! Schämen Sie sich in Grund und Boden! (Beifall bei der FPÖ.)

Das sind aber nur drei ÖVP-regierte Bundesländer, die jetzt ans Tageslicht kamen. Das sind nur drei. Ich will ja gar nicht wissen, was in Salzburg los ist (Bundesrätin Zwazl: Nix!), was in Niederösterreich los ist oder was in der Steiermark los ist. In Nieder­österreich, glaube ich, haben wir dann das High End der Korruption, kann ich mir gut vorstellen (Beifall bei der FPÖ), da wird es also noch richtig grausig für Österreich.

Somit kann man sagen: Diese ÖVP ist korrupt, korrupt und noch einmal korrupt; und, liebe Steuerzahler, eines müsst ihr euch merken, und bitte merkt euch das in allen Gemeinden, überall: Überall, wo ihr mit einem ÖVPler zu tun habt, der euch die Hand gibt: Zählt nachher eure Finger, ob noch alle fünf dran sind! Das müsst ihr mir bitte versprechen, auf das müsst ihr achten.

Die Gier, liebe ÖVP, die Gier ist eine Krankheit, die man nicht heilen kann (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), und ihr von der ÖVP kriegt euren Hals nicht voll! (Bundesrätin Mattersberger steht auf.) – Ja, Frau Kollegin Miesenberger, man hört es sich ungern an, deswegen verlässt man jetzt den Saal. (Bundesrätin Mattersberger: Entschuldi­gung, Mattersberger! Aber Sie tun sich ja mit den Namen schwer!)

Ja, ja, natürlich, ich verstehe schon, das hört man ungern, wenn man den Spiegel vorgehalten kriegt, ganz ungern. (Beifall bei der FPÖ.) Auf Wiederschauen, machen Sie einmal eine Pause!

Die Gier ist ein Luder, sagt man bei uns, die Gier ist ein Luder, denn ihr von der ÖVP kriegt halt einmal den Hals nicht voll, und ich frage mich: Wann ist es genug? Wann ist es genug mit eurer Tyrannei? Wann ist es genug mit euren Skandalen? Wann ist es


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genug mit euren Verhaftungen? Wann ist es genug mit den Regierungsumbildungen, und wann ist es genug mit dem Schröpfen der österreichischen Steuerzahler? Wann habt ihr endlich genug Geld, genug Steuergeld in eure ÖVP-Taschen gesteckt? Wann lasst ihr endlich von Österreich ab, damit dieses Land wieder aufatmen kann, damit wir dann hoffentlich in eine positive Zukunft blicken können?

Wenn wir bei Positivem sind: Es gibt ja auch Positives, das man bei der ÖVP erwähnen kann, denn ganz, ganz viele ÖVP-Gemeinderäte, Funktionäre, Unternehmer schämen sich ja mittlerweile in Grund und Boden für diese Partei, und jetzt habt ihr halt scharenweise Parteiaustritte, die sind aber nur die Folge eurer Gier und eurer Korruption. Es ist euch aber auch das egal, nicht? Man sieht es ja heute auch wieder. Es ist euch alles wurscht, denn Macht lässt sich halt einmal durch ein Parteimitglied nicht so gut aufwiegen. Da haben wir lieber ein Parteimitglied weniger, dafür bleiben wir länger an der Macht. Ich will ihn ja normal nicht bemühen, aber Leopold Figl würde sich wahr­scheinlich für euch schämen!

Jetzt, Herr Vizekanzler, müssen wir schon noch ein paar Sätze zu Ihrer Partei, zu den Grünen, verlieren, denn ohne die Grünen, und das muss man ganz deutlich sagen, wäre dieser korrupte Wahnsinn schon längst nicht mehr in der Regierung. Wenn ihr endlich sagen würdet: Uns Grünen reicht es jetzt, ich, der Parteichef, habe mir das Partei­programm kurz wieder angeschaut und gesehen, wir sind gegen Korruption, jetzt ist mir das wieder eingefallen!, dann müssten Sie jetzt auch sagen, Herr Kogler: Wir nicht mehr, wir treten aus dieser Regierung aus! – Vielleicht schauen Sie noch einmal in Ihr Partei­programm.

Aber bei euch steht ja die Welt sowieso schon kopf. Das ist ja ein Wahnsinn, zu welchen Sachen ihr mittlerweile jubeln könnt! Ich habe mir das einmal herausgeschrieben, weil das ja kein Mensch glaubt. Ihr jubelt, wenn die Freiheitsrechte ausgehebelt werden, da habt ihr eine Mordsfreude, und alles ist gut. Kernkraft in Europa wird mit eurer Zustim­mung plötzlich zur grünen Energie. Denkt einmal darüber nach! Waffenlieferungen in die Ukraine werden von euren deutschen grünen Freunden unterstützt und mitgetragen. (Vizekanzler Kogler: Und ihr habt ... lassen!)

Grüne in Deutschland warnen vor Kriegsmüdigkeit der westlichen Staaten. Das muss man sich einmal vor Augen führen. Grüne warnen vor Kriegsmüdigkeit, Herr Kogler! Beim Schröpfen der eigenen Bürger seid ihr vorne mit dabei mit eurer schwindligen CO2-Steuer ab 1. Juli, und  das ist fast das Schlimmste : Ihr deckt die Korruption in diesem Land mit eurem Getue und nickt sie ab. Ich muss ja wirklich sagen, Herr Kogler: Spüren Sie sich überhaupt noch als Grüner?  Ich glaube nicht. (Beifall bei der FPÖ.) All eure Grundsätze werft ihr über Bord, nur um in einer fragwürdigen Regierungsbeteiligung bleiben zu können. Euch kann und wird niemand mehr ernst nehmen!

Der oberste Verräter (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), der oberste Verräter grüner Grundsätze aber, der sitzt da drüben in der Hofburg; dieser „So sind wir nicht“-Moralapostel, der ja vor lauter Nebel in seiner Hofburg die Korruption im Land gar nicht mehr sehen kann. Eigentlich ein Wahnsinn, wie dieser grüne Präsidentendarsteller seine schützende Hand über diese korrupte ÖVP und diese korrupte Regierung hält, und das alles nicht etwa, weil er Österreich so gern hat und weil ihm dieses Land am Herzen liegt, nein, nein, nein, nein, das alles nur deshalb, weil dieser Herr die Unterstützung braucht, damit er die nächsten sechs Jahre mit seiner Gattin wieder ein tolles Präsiden­tenleben fristen kann! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Zwazl und Eder-Gitschthaler.)

Im Übrigen, muss ich dazusagen, wäre ich dafür, dass man für eine Wiederkandidatur bei der Bundespräsidentenwahl eine Altersgrenze einführt. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Naa!) Und um das Thema Hofburg - - (Rufe bei ÖVP und Grünen: Altersdis­krimi­nierung!) – Ja, Altersdiskriminierung, das ist ein schönes Wort! Ich glaube aber, es ist


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erwiesen, dass man im Alter, im hohen Alter, nicht besser wird. Das hat mit Alters­diskriminierung nichts zu tun, das sind Tatsachen.

Um das leidige Hofburgthema endlich abzuschließen: Ja, so sind wir nicht, Herr Van der Bellen!  Da hat er recht, denn diese Regierung von ÖVP und Grünen ist bewie­senermaßen weit schlimmer und weit korrupter. (Beifall bei der FPÖ.)

Da wir ja am Anfang beim tiefen Fall der ÖVP waren, will ich nun auch damit enden. Ich werde mir in den nächsten Wochen und Monaten den Fall dieser tief korrupten ÖVP und dieser unsäglichen Regierung erste Reihe fußfrei mit ganz, ganz vielen Millionen Öster­reichern, die auch den Hals von dieser Regierung voll haben, anschauen, denn für eure Taten gegenüber der österreichischen Bevölkerung werdet ihr eure gerechte Strafe mit Sicherheit noch bekommen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Dann brauchst dich ja nicht aufregen!)

Liebe Österreicher, lasst euch bitte von diesem System von ÖVP, Grünen und Van der Bellen nicht länger pflanzen.

Damit man den Abgang eventuell ein bisschen beschleunigen kann, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler“ – der nicht anwesend ist – „wird aufgefordert, im Interesse Öster­reichs, dem Bundespräsidenten seinen Rücktritt und den der Bundesregierung anzu­bieten.“

*****

Ich habe es hier schon einmal gesagt: Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen. – Auf Nimmerwiedersehen! (Beifall bei der FPÖ.)

10.51


Vizepräsident Günther Novak: Herr Kollege Steiner, „lügen“, „scheinheilig“, tief kor­rupte ÖVP, „Gier“, gefladertes Geld, Geld in ÖVP-Taschen gesteckt, „Verräter“ – und trotzdem werde ich Ihnen keinen Ordnungsruf erteilen. Es ist ja leider so, dass das keine Sanktionen nach sich zieht. Ich würde dich nur als Kollege bitten, in Zukunft der Würde dieses Hauses zu entsprechen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir fahren in der Debatte fort.

Ich bitte Herrn Bundesrat Marco Schreuder, ans Rednerpult zu kommen und seine Rede zu beginnen.


10.52.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Ich möchte mich Ihren Worten anschließen, dass wir alle versuchen sollten, in unseren Worten der Würde des Hauses zu entsprechen. Ich werde das zumindest in meiner Rede im besten Sinne zu tun versuchen, auch wenn es manchmal etwas schwer fällt, weil mir jetzt auch andere


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Wörter einfallen würden als die, die ich verwenden werde. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Die kennen wir schon!)

Herr Kollege Steiner, vielleicht nur ganz kurz, da Sie ja gesagt haben, Sie seien nur wegen des Anstands und nicht so gerne hier (Bundesrat Steiner: Zuhören! Sitzen­geblieben während der Erklärung!): Sie sind hier, weil der Tiroler Landtag Sie entsandt hat und der Steuerzahler Sie dafür bezahlt. Wenn Sie darunter leiden, hier zu sitzen: Es gibt einen Ersatzkandidaten, gewählt vom Tiroler Landtag, dann lassen Sie doch ihn hierherkommen! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das tät euch so passen! – Bundesrat Bernard: Das glaube ich, dass euch das gefallen würde! – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Ich habe mir bei den Worten „Hochmut kommt [...] vor dem Fall“ gedacht, ich würde gerne in der Mitte sitzen und dort einen Spiegel hinstellen. Das ist mir nur eingefallen. Eines muss man schon auch sagen: Außer Poltern, rüpelhaftem Verhalten, einer Politik, die ich jetzt einmal Hooliganismus nennen möchte, habe ich keinen einzigen Vorschlag, keine einzige Idee gehört. (Bundesrat Ofner: Ja, da musst du einmal die Anträge sinnerfassend lesen! Anträge sinnerfassend lesen hilft!) Sie haben kritisiert, dass es keine Visionen und keine Zukunftsprojekte gäbe. Ich habe in dieser Erklärung von der Regierungsbank auf jeden Fall mehr Visionen und mehr Zukunftsprojekte gehört als von Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Im Übrigen noch ein Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Es ist die achte Regierungserklärung im Bundesrat. (Heiterkeit des Redners. Bundesrat Steiner: Der Herr Vizekanzler hat gesagt, die 15.!)

Zu Frau Kollegin Schumann und ihrer Aussage, dass wir keine Entlastung zustande brächten, möchte ich auch noch kurz Stellung nehmen: Der Herr Vizekanzler hat ja eindeutig gesagt, dass wir derzeit das dritte Entlastungspaket verhandeln und dass wir das auf jeden Fall vor dem Sommer einbringen möchten. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich möchte schon auch betonen, dass die ökosoziale Steuerreform, die wir geschafft haben, die größte Entlastung für niedrige Einkommen zuwege gebracht hat, wie es Bun­desregierungen auch mit sozialdemokratischer Beteiligung jahrzehntelang nicht ge­schafft haben. (Beifall bei BundesrätInnen der Grünen.)

Zudem möchte ich die Behauptung, wir würden nichts für Frauen und in der Frauenpolitik machen, zurückweisen, denn die Budgetmittel waren noch nie so hoch wie jetzt. Ich möchte nur beispielsweise das Gewaltpaket nennen, das wir hier schon oft diskutiert haben.

Bevor ich aber die neuen Regierungsmitglieder willkommen heiße, möchte ich mich natürlich auch von den Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck verabschieden und Danke sagen. Ich habe vor allem Kollegin Schramböck persönlich ganz gut kennengelernt, weil ich ja das Thema Digitalisierung bei den Regierungs­verhandlungen auch mit ihr verhandeln durfte. Man glaubt ja eigentlich gar nicht, dass das zweieinhalb Jahre her ist. Ich habe das Gefühl, es ist sehr, sehr lange her, weil diese Regierung einfach mit Herausforderungen konfrontiert war, die keine einzige Bundes­regierung nach dem Zweiten Weltkrieg bewältigen musste. Das muss man einfach auch einmal in dieser Deutlichkeit sagen.

Eines möchte ich auch sagen, was ich durchaus auch Menschen sage, die ich gut kenne, und das geht an alle Seiten. Es ist ein Thema, das mich schon beschäftigt, seit ich in der Politik bin, das ich, damals noch als Mitarbeiter der späteren Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, erleben durfte: Kritik an Frauen und an Politikerinnen wird anders formuliert als Kritik an männlichen Politikern. Das ist ein Problem, das wir haben. Dem müssen wir uns stellen, denn das finde ich nicht in Ordnung. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


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Umso mehr möchte ich natürlich die neuen Bundesregierungsmitglieder begrüßen, insbesondere auch die Frauen, die sich genau diesen anderen Zuschreibungen, gegen die man sich auch wehren muss, zusätzlich stellen müssen. Darum finde ich es umso mutiger. Ich habe gerade mit Frau Kollegin Zwazl darüber geredet, ob wir den Job haben wollen würden, und ich denke mir manchmal: Nein! Es ist ein harter Job (Bundesrätin Zwazl: Wir bewerben uns nicht!), den sie in einer Zeit haben, in der so unfassbar vieles passiert – ich habe es schon gesagt –, in der wir mit Herausforderungen konfrontiert sind, die wirklich keine Bundesregierung je hatte: die Klimakrise, die unvermindert in voller Brutalität weitergeht; die Pandemie haben wir hier schon oft genug besprochen; ein Angriffskrieg mitten in Europa, so wie ich es mir nicht vorstellen konnte, dass ich es je einmal erleben muss – seit 2014 übrigens, aber jetzt mit einer Brutalität, die unfassbar ist; und natürlich durch die Verknappung eine Inflation und eine Preissteigerung, die weltweit stattfindet und nicht nur auf Österreich beschränkt ist.

All diese Themen hängen trotzdem zusammen, und so sehr ich weiß, wie wichtig es ist, dass wir in einer Demokratie um die besten Ideen und Konzepte streiten, brauchen wir da schon auch einen Zusammenhalt – das geht von Gemeinden, das geht von Kom­munen, das geht von den Bezirksvertretungen zu den Ländern, das geht zum Bund, das geht zu uns in den Bundesrat genauso wie insbesondere auch nach Europa. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich sage es noch einmal: Wenn Diskussionen eher auf rüpelhafte und Hooliganis­mus­weise gemacht werden, dann ist das nicht förderlich, dann werden wir diese Krise nicht bewältigen. Kämpfen wir wirklich um die besten Ideen, streiten wir um die besten Ideen! Streit ist etwas Gutes in der Demokratie, aber Streit des Streites wegen zu leben, ist nicht gut für die Demokratie.

Um vielleicht bei den Ministern zu bleiben: Herr Kollege – nein, nicht Herr Kollege, ich bin ja kein Minister (Heiterkeit des Redners) –, Herr Minister Totschnig, herzlich will­kommen im Bundesrat! Mein Kollege Andreas Lackner, der ja selbst ein Landwirt ist, wird dann zu diesen Themen noch deutlicher und länger sprechen. Ich kenne mich da nicht so gut aus, ich freue mich aber auf jeden Fall auf die Zusammenarbeit. – Herzlich willkommen!

Herr Minister Kocher, wir kennen uns natürlich schon von hier aus dem Haus. Sie haben jetzt neue Herausforderungen durch die zusammengekommenen Aufgaben Arbeit und Wirtschaft. Sie wissen – auch wir bei den Grünen haben sehr viele Mails bekommen –, dass Wirtschaft und Arbeit zusammen in einem Ministerium sind, wird von vielen kritisch gesehen. Ich habe gehört, dass Sie das begreifen und aufnehmen wollen und auch ganz bewusst danach handeln wollen. Das begrüßen wir. Es sind enorme Herausforderungen, die vor uns stehen  die Klimakrise, der Krieg, die Teuerung, die Inflation , die natürlich auch in den Bereich Wirtschaft und Arbeit übergehen. Ich wünsche Ihnen alles erdenk­lich Gute und freue mich auch in dieser neuen Zusammensetzung auf die Zusam­menarbeit!

Auch den Staatssekretärinnen und dem Herrn Staatssekretär, Susanne Kraus-Winkler, Florian Tursky und Claudia Plakolm, wünsche ich mit neuen Aufgaben beziehungsweise als neue Gesichter alles erdenklich Gute!

Frau Kraus-Winkler, Sie kommen ja aus der Wirtschaft, aus der Gastronomie. Was mir in Ihrer Biografie besonders aufgefallen ist, ist, dass Sie auch auf europäischer Ebene in einer Interessenvertretung agiert haben, Sie waren die Präsidentin vom Europäischen Dachverband. Das finde ich eine sehr wichtige Erfahrung, die Sie hier einbringen können, weil gerade diese wirtschaftlichen Themen und Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben, in einem ganz starken Ausmaß auch auf europäischer Ebene zu diskutieren und zu lösen sind.


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Da freut es mich sehr, dass Sie sich als Expertin einbringen können, auch wenn natürlich ein Staatssekretariat oder ein Ministerium nicht nur eine Interessenvertretung ist, sondern es dort um den Ausgleich von Interessen geht. Genau das ist aber das Spannende an Ihrer Aufgabe, vor allem auch, weil sich der Klimawandel direkt auf den Tourismus auswirkt. Besonders in einem Winterland wie Österreich ist das ja ein besonders herausforderndes Thema. Auch dafür kann ich Ihnen nur alles Gute wün­schen! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Die Frage der Digitalisierung – das geht auch an Sie, Herr Staatssekretär Tursky – ist ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Das ist auch eine ganz entscheidende wirtschaftliche Frage der Zukunft, aber eben nicht nur eine wirtschaftliche. Da geht es auch um Themen, die ethischer Natur sind. Die Ethik der Digitalisierung wird eine ganz große Herausforderung der Zukunft sein. Man vergisst ja bei all diesen Krisen, dass die Digitalisierung auch so eine enorme neue Herausforderung ist, die eigentlich mit genauso einer Wucht unser Leben verändert. Die Datenschutzfragen, Datensicher­­heitsfragen und auch die Strategie, welche Rolle Europa in einer globalisierten und digitalisierten Welt einnimmt, werden sehr entscheidende Zukunftsthemen sein.

Frau Staatssekretärin Plakolm möchte ich vor allem jetzt zu Beginn des Pride Month ein Dankeschön ausrichten, dass Sie geholfen haben, der Debatte rund um die Diskriminie­rung von schwulen und bisexuellen Männern beim Blutspenden eine neue Richtung und einen neuen Schwung zu geben und wir jetzt endlich eine Mehrheit für dieses Thema haben. Das sage ich ganz bewusst als schwuler Mann: dass es mich sehr freut, dass wir diese Diskriminierung gerade im Pride Month losgeworden sind. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

In diesem Sinne bedanke ich mich bei Ihnen und wünsche Ihnen allen alles Gute. Es kann nur im Sinne der Republik sein, dass Sie gute Arbeit machen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.02


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.


11.03.02

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler (in Richtung des den Saal verlassenden Vizekanzlers Kogler), der jetzt einen Termin hat! Sehr geehrter Herr Bundesminister (in Richtung des den Saal verlassenden Bundesministers Kocher), der auch einen Termin hat! Sehr geehrter Herr Bundesminister für Landwirtschaft! Werte Herren Staatssekretäre! Frau Staatssekre­tärinnen! Bei mir wird es jetzt ein bisschen verfassungsrechtlicher. Es gibt eine Regie­rungserklärung anlässlich von Ernennungen neuer Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretärinnen, Staatssekretäre.

Offenbar ist auch die vorläufige Betrauung des Herrn Bundesministers Kocher mit Agen­den des Ministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Thema. Wie Kollege Steiner schon angesprochen hat, ist das ein bisschen eine Themenverfehlung, weil das Bundesministeriengesetz, das Ihre Ressorts und Wirkungsbereiche festlegt, ja noch gar nicht beschlossen ist. Das ist bei uns im Bundesrat nicht auf der Tagesordnung, es war noch nicht einmal im Nationalrat. Diese Woche am Montag war es erst im Ausschuss des Nationalrates. Deswegen ist das Ganze sehr unkoordiniert. Den Vorwurf, dass die Ernennungen und die Ressortzuteilungen noch nicht zusammenpassen, muss ich den Regierungsparteien machen. (Beifall bei der FPÖ.)


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In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch darüber beschweren: Sowohl in den Medien als auch in der Eigendarstellung durch die Mitglieder der Bundesregierung, Staatsekretärinnen und Staatssekretäre, aber auch in den Redebeiträgen hier ist öfter von Ressorts von Staatssekretärinnen und Staatssekretären die Rede. Es wird der Begriff Staatssekretariat gebraucht, und wenn man sich das B-VG anschaut, wird man den dort nicht finden. Die Verwaltungseinheiten sind die Bundesministerien.

Man muss natürlich sagen, das Ganze hat schon in früheren Regierungen angefangen. Vizekanzler Strache hat öfter von einem Vizekanzleramt geredet, was es natürlich ge­nauso wenig gibt. Als Staatssekretärinnen und Staatssekretäre – Sie wissen es – werden Sie mit Ihrer Zustimmung vom Bundesminister, von der Bundesministerin mit der Besorgung bestimmter Aufgaben in deren Ressorts betraut, aber Sie haben natürlich kein eigenes Ressort. Weil das Bundesministeriengesetz noch nicht novelliert ist – das ist auch schon angesprochen worden –, sind die Agenden, mit denen Sie betraut werden, überhaupt noch nicht in den Ministerien der Bundesministerinnen und Bundes­minister, denen Sie beigegeben sind. Insofern muss ich Kollegen Steiner recht geben: Was Sie tun sollen, ist noch gar nicht in den Bundesministerien, deswegen haben Sie noch gar nichts zu tun. Sie geben Pressekonferenzen. (Bundesrat Spanring: 15 000 Euro ...!) Ich finde, das ist eine Missachtung des Parlamentarismus, dass man, bevor ein Gesetz überhaupt eingebracht ist, schon so tut, als wäre das alles schon der Fall. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wen es inhaltlich jetzt am wenigsten betrifft (in Richtung Bundesminister Totschnig), sind Sie, Herr Bundesminister, denn Ihr Ministerium gibt es mehr oder weniger unverändert. Es werden ein paar Agenden – wie ich sage, sinnvollerweise – an andere Ressorts abgetreten. Sie haben eine nicht unwichtige Station in Ihrem politischen Leben aus­gelassen. Sie waren Mitglied der Bezirksvertretung am Neubau. Daher kennen Sie meine Frau ganz gut, die auch dort tätig ist. (Bundesrat Schreuder: Ein guter Bezirk! – Heiterkeit bei Grünen und ÖVP.) Die Mehrheitsverhältnisse dort sind anders. Die Grünen kratzen dort an der absoluten Mehrheit. Das ist hier nicht der Fall – vielleicht eine kleine Umgewöhnung, die sich abspielen wird.

Sie haben in einem Ihrer Interviews gesagt, Ihr Amtsverständnis ist so, dass Sie der Lobbyist für die Bäuerinnen und Bauern sein wollen. Das muss ich kritisieren. Es gibt – in der Zwischenzeit schon verfassungsmäßig und auch auf einfachgesetzlicher Ebene verankert – gesetzlich verpflichtende berufliche Interessenvertretungen, das sind die Kammern. Insofern halte ich das einer Ministerin, eines Ministers angemessene Amts­verständnis für ein anderes, als ein beamteter oder mit einem Amt versehener Interes­senvertreter zu sein.

Insofern teile ich auch nicht die Kritik, die an der Zusammenlegung der Bundes­ministerien für Arbeit und Wirtschaft geübt wird (Bundesrätin Schumann: Das glaube ich!), denn nur wenn das Amtsverständnis darin bestünde, als Wirtschaftsminister der Interessenvertreter von Wirtschaftstreibenden und als Arbeitsminister der Interessen­vertreter von unselbstständig Erwerbstätigen zu sein, gäbe das einen Interessen­wider­spruch, wobei ich, wenn diese sowieso beide von der ÖVP sind, nicht glaube, dass da große Konflikte auftreten.

Schließen möchte ich damit, dass es für die Betrauung der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre mit den Aufgaben, die sie haben werden, welche nach Art. 78 Abs. 3 B-VG erfolgt, keine Kundmachung gibt. Im Unterschied dazu: Wenn die Bundes­minis­terinnen und Bundesminister im Bundeskanzleramt bestimmte Aufgaben bekommen, dann wird das kundgemacht. Bei Staatssekretärinnen und Staatssekretäre erfährt die Öffentlichkeit nicht davon, welche Aufgaben sie rechtlich haben.


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Vielleicht werde ich Unterstützerinnen und Unterstützer suchen, um einen Initiativantrag einzubringen, damit das zumindest einmal im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird, denn diese Transparenz ist, glaube ich, auch im Sinne der Öffentlichkeit. – Vielen Dank.

11.09


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Alexandra Platzer. Ich erteile ihr das Wort.


11.09.34

Bundesrätin Alexandra Platzer, MBA (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglieder! Zu Beginn möchte ich einmal den beiden ausscheidenden Ministerinnen noch ein herzliches Danke sagen. Margarete Schramböck und Elisabeth Köstinger haben sich in einer – auch für mich – im Tourismus wirklich sehr schwierigen Zeit für uns eingesetzt und für uns Unternehmer vieles bewegt.

Zweitens ist es, glaube ich, nicht mehr sehr selbstverständlich, dass man sich für ein Ministeramt bewirbt, wenn man immer wieder durch verschiedenste Medien oder soziale Medien angegriffen wird und auch das über sich ergehen lassen muss. Bei aller Wert­schätzung: Manchmal ist es auch die Ideologie, beziehungsweise verwechselt die Opposition einen Minister mit einem Zauberkünstler. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der Grünen.)

Nichtsdestotrotz sitzen jetzt auf der Regierungsbank wirkliche Vollprofis, Fachexperten, profunde Politiker, die schon wissen, was sie tun. Ich darf hier auch einmal unseren neuen Minister Mag. Norbert Totschnig und unseren Staatssekretär Florian Tursky herzlich willkommen heißen. Natürlich ist es mir als Touristikerin eine ganz große Freude, dass ich unsere neue Tourismusstaatssekretärin bei uns im Haus begrüßen darf: Susanne Kraus-Winkler, die nicht nur mit wahnsinnig viel Fachexpertise, Branchenkenntnis und Wissen an das Amt herantritt, sondern auch wahnsinnig gut international vernetzt ist beziehungsweise in unserer Branche wirklich sehr geschätzt wird.

Liebe Susanne, herzlichen Dank, dass du dich bereit erklärst, dass du diesen Schritt wagst. Wir brauchen genau jetzt jemanden, der sich für unseren Tourismus einsetzt, der weiß, wovon er spricht, der den Rundumblick hat, der die Ferienhotellerie genauso wie die Stadthotellerie kennt. Bei mir in der Messestadt Wels ist es noch immer sehr herausfordernd. Die Zahlen fehlen einfach noch, auch wenn der Sommer gut ausschaut. Wir warten auf den Herbst, und der stimmt uns noch etwas besorgt. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Heiterkeit der Rednerin.) – Herzlichen Dank.

Wir brauchen auch neue und erfrischende Ideen für einen nachhaltigen Tourismus. Das ist für unsere Branche ganz wichtig.

Wir hatten vor der Pandemie 2019 noch 153 Millionen Gäste in Österreich, diese Zahl ist 2020 dann auf nur mehr 98 Millionen und 2021 auf 80 Millionen gesunken. Uns fehlen wirklich noch Teile des asiatischen beziehungsweise aufgrund des Krieges natürlich auch des russischen Marktes und diverse andere, wie Susanne bereits angesprochen hat.

Die steigenden Energie- und Heizkosten sind, gerade wenn Sie an unsere hervorra­gen­den österreichischen Wellnessbetriebe denken, die ja die Sauna, den Pool, Infra­rotkammern, Dampfbäder und Co beheizen müssen, wirklich sehr bedrohlich. Auch da wird an Lösungen gearbeitet, darüber bin ich sehr froh.

Mit der Entlastung bei der Rot-Weiß-Rot-Karte ist der erste große Schritt gesetzt worden, aber es fehlen ganz dezidiert noch immer Arbeitskräfte, Fachkräfte. Für manche Wirte und Wirtinnen, auch für viele Caterer beziehungsweise für unsere Mitarbeiter wird es


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zunehmend immer kräfteraubender, und wir müssen die Öffnungszeiten immer mehr einschränken beziehungsweise bleiben dann Tische leer und Hotelzimmer einfach geschlossen.

Das betrifft natürlich nicht nur unsere Branche, sondern fast alle Branchen. Auch unsere Zulieferer leiden sehr darunter, wir spüren das immer mehr. Darum freue ich mich, dass es von unserem neuen Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher ganz viele Bestre­bungen zur Reformierung des Arbeitsmarktes gibt und künftig auch weitere Anreize gesetzt werden, damit sich die Arbeit einfach auch wieder lohnt.

Was mir noch ein großes Anliegen ist, ist, dass wir einmal den Mitarbeitern und Mitar­beiterinnen im Tourismus ein herzliches Dankeschön sagen. Wir arbeiten dann, wenn andere nicht arbeiten. Wir arbeiten dann, wenn andere Ferien machen, auf Urlaub sind. Wir arbeiten dann, wenn der Großteil feiern geht, bei Hochzeiten ist, zur Taufe, zum Geburtstag einlädt. Genau dann sind unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen da. Da gehört einfach eine große Wertschätzung dazu. Wir kennen unsere Arbeitszeiten, wir kennen sie schon sehr lange, aber nichtsdestotrotz gibt es auch Vorteile. Wir müssen nicht zu Stoßzeiten einkaufen gehen, wir müssen uns nicht am Sonntagabend in ein überfülltes Kino setzen und wir können auch einmal unter der Woche die hervorragenden Beratungen in den Handelsbetrieben genießen, weil die Atmosphäre einfach entspannt ist.

So ein Job im Tourismus hat sehr viele Vorteile. Darum ist es auch schön, dass es für die Jugendthemen eine neue Staatssekretärin gibt, die auch der Lehre wirklich immer wieder einen hohen Stellenwert gibt. Es freut mich, liebe Claudia, dass du dich da so einsetzt, denn die Lehrlinge sind im Tourismus eine ganz zentrale Säule, ohne die wir eigentlich gar nicht auskommen.

Ich möchte noch sagen, es freut mich wahnsinnig, dass es der Tourismus bei den Mädchen wieder einmal unter die Top zehn geschafft hat. Drei Lehrberufe sind da nämlich sehr beliebt: Köchin, Restaurantfachmann und -frau und Hotel- und Gastge­werbeassistentin.

Abschließend möchte ich unserem Regierungsteam alles Gute wünschen und freue mich auf die Zusammenarbeit. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.15


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm.


11.15.52

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Ja, man könnte, wenn es nach der Bundesregierung geht, heute wieder glauben, es ist alles bestens. Wenn ich mir die Regierungsparteien, heute die Bundesräte, anhöre, klingt es so, also wäre alles in Ordnung. (Bundesrätin Zwazl: In der Situation kann nicht alles in Ordnung sein!)

Marco Schreuder hat vorhin zu Christoph Steiner gesagt, er habe keine Vorschläge gemacht, er habe nur herumgepoltert. Das kann man schon sagen, aber dann muss man selber auch Vorschläge machen, um Verbesserung für die Menschen herzustellen, denn was in den letzten Monaten, in den letzten Jahren passiert ist, ist eigentlich unfassbar. Es ist unglaublich, was sich da abspielt. Die Menschen können nicht mehr, und die ÖVP und die Grünen sitzen da und verstehen das nicht. Die Regierung versteht überhaupt nicht, was sich momentan vor Ort wirklich abspielt.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel bringen: die Energiepreise. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesrätinnen Schumann und Kittl.) Es wäre eine Leichtes, die Energiepreise zu senken. (Bundesrat Köck: Hat die Energie Burgenland schon gesenkt?) Wir haben


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vorgestern im Finanzausschuss Anträge gestellt. Wir wollten, dass die Erhöhung der Energiepreise zumindest temporär ausgesetzt wird, damit sich die Menschen den Sprit wieder leisten können. Was höre ich heute? – Eine Laudatio des Herrn Vizekanzlers, dass mit dieser Pendlerpauschale, die irgendwann kommen wird, eh alles super ist.

Es betrifft vor allem den ländlichen Raum. Kollege Raggl, du hast vorhin die gestrige Enquete genannt. Worum ist es denn da gegangen? – Um den ländlichen Raum. Diese Menschen, die vom ländlichen Raum kommen, die jetzt einpendeln, die aus Nieder­österreich, Burgenland, Steiermark in die Zentren – auch in deinem Heimatland Tirol vielleicht nach Innsbruck – pendeln müssen: Wie hast du die unterstützt? Habt ihr die unterstützt? – Jeden Tag müssen sie an der Tankstelle jetzt zahlen und können nicht mehr. Ein Skandal! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Frau Staatssekretärin Plakolm, was haben Sie vorhin zu den Lehrlingen gesagt? – Es würde mich schon interessieren, wie viele hier in der ÖVP Lehrlinge sind, wie viele von Ihnen überhaupt einen Beruf erlernt haben oder ob man da nur von irgendetwas spricht, von dem man sich gerne vorstellt, wie das attraktiv sein könnte, wie super das nicht ist, was man aber selber nie gemacht hat; selber ist man kein Lehrling gewesen. Das ist für mich überhaupt nicht authentisch, da kann man über solche Sachen dann auch nicht reden. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich möchte aber – du hast es vorhin angesprochen, Marco – heute sehr lösungsorientiert arbeiten. Ich möchte heute einige Vorschläge einbringen, nämlich ein Mindestgehalt, das wir im Burgenland schon umgesetzt haben, in den letzten Jahren durchgesetzt haben: 1 700 Euro netto für jeden. Das würde den Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit der Inflation umzugehen, jetzt helfen. 8 Prozent Inflation! Ja wie sollen die mit ihrem Einkommen noch auskommen? – 1 700 Euro netto Mindestgehalt, das sind 10 Euro in der Stunde. 10 Euro in der Stunde muss uns das wert sein, wenn ein Mensch 40 Stun­den in der Woche arbeiten geht, Frau Wirtschaftskammerpräsidentin! (Beifall bei der SPÖ.)

Das muss uns das wert sein! Wir reden von einem Betrag von – da habe ich wirklich schon einen Grant – 150 Euro. Meine Mutter ist 87 Jahre alt, die bekommt diesen Zettel nach Hause. Gott sei Dank hat sie noch Kinder, die ihr da helfen können. Wenn Personen ganz alleine sind, können die den Zettel nicht einmal ausfüllen. Auf solche wirren Ideen muss man einmal kommen, das so schwierig zu gestalten, dass ich nicht einmal diese 150 Euro abrufen kann! Auf diese Idee muss man einmal kommen! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn ich schon von diesem Antiteuerungspaket, von diesen Milliarden höre: Wissen Sie, im ganzen Land spürt das keiner. In ganz Österreich spürt kein Einziger eine Entlastung. Zeigen Sie mir einen in der Bevölkerung, der diese Entlastung spürt!

Sie machen Politik für die Elite und nicht für die Menschen, auch für die soziale Ge­rechtigkeit wird einfach null gemacht. Sie verhöhnen eigentlich die Bevölkerung. Die CO2-Steuer in Österreich ab 1.7. ist zum Beispiel europaweit einmalig. Alle Länder um uns herum sparen schon und sagen: Wir müssen den Menschen helfen, wir müssen Steuern senken! Was macht man in Österreich? (Bundesrat Raggl: ... zielgerichtet unterstützen! – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) – Nichts macht man in Österreich, man erkennt nicht einmal das Problem, was sich momentan abspielt. (Bun­desrat Ofner: Richtig!) Das ist so ärgerlich, weil die Menschen eh schon nicht mehr können – 2 Euro, 2,10 Euro, 2,20 Euro pro Liter Sprit –, und nun erhöht man den Preis noch um 8, 9 Cent! Was soll sich der Bürger draußen noch denken? Wie geht es euch eigentlich dabei? Was ist mit euch los? Was ist mit euch los? (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Schartel: Die eigenen ...!)


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Meine Damen und Herren, es ist immer noch so: Wer schnell hilft, hilft doppelt! Nicht irgendwie warten: 150 Euro und das nächstes Jahr. Die Menschen bekommen derzeit bereits Zahlscheine nach Hause. Was soll die alleinerziehende Mutter tun? – Die bejammert ihr ja so – Frauen, die alleine sind, haben es alle so schwer! –, aber ihr helft nicht. Von Worten hat keiner etwas. Wir haben im Burgenland den Heizkostenzuschuss von 165 Euro auf 400 Euro erhöht und ihn sofort an die Menschen, die es wirklich brauchen, überwiesen, um die Energiesituation zu verbessern. (Beifall bei der SPÖ.)

Was macht die Regierung? – Nichts macht die Regierung, es gibt kein Entlastungspaket, keine Visionen, überhaupt nichts. Das Nichterkennen macht mich am meisten traurig, wenn ich da zuschaue. Heute gab es die, ich glaube, achte Regierungserklärung, hat es gerade vorhin geheißen – das wären eigentlich schon fast Fragen für Armin Assinger, habe ich mir vorhin gedacht: Die wievielte Regierungserklärung haben wir schon? Wie viele Minister, Herr Dr. Raggl, hatten wir schon in diesen letzten zwei Jahren? – Keiner weiß es mehr. Frau Schumann, die Fraktionsvorsitzende der SPÖ, hat es gut gesagt: Das ist eigentlich ein Skandal! Jede Firma würde schon drei- oder viermal in Konkurs gehen, wenn man immer wieder das ganze Personal wechselt. Und uns wird dann plausibel zu machen versucht, das seien nun die Leute, die das Ruder herumreißen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Keiner kann dieses Ruder mehr herumreißen, und ich sage Ihnen abschließend, warum das keiner mehr kann: 23 Prozent der Österreicher vertrauen dieser Bundesregierung noch. Wissen Sie, was das heißt? – 77 Prozent nicht. Sie arbeiten, Sie regieren gegen die Mehrheit. Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! Heute haben Sie die Gelegenheit dazu, bitte stimmen Sie mit, vor allem vonseiten der Grünen! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

11.22


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile ihm das Wort.


11.23.02

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Regierungsmit­glie­der! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher auf der Galerie und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Herr Bundeskanzler – ich sehe ihn nicht, er ist nicht da! Herr Vizekanzler – immer noch nicht da! Ich verstehe das nicht. Bei seiner Rede hat er gesagt, er freut sich, dass er hier ist, er wird immer hier sein, außer bei einem kleinen Termin – aber ja, so ist die Wertigkeit. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Die Inflation klettert in Österreich immer weiter nach oben, sie ist bereits bei 8 Prozent, Tendenz steigend. Wo sind die Maßnahmen gegen die Inflation? Wo sind die Maß­nahmen gegen die Teuerungswelle? – Keiner spürt sie, weder draußen auf dem Land noch in der Stadt. Kein Österreicher spürt diese Maßnahmen.

Es geht um die vielen Menschen in diesem Land, die wirklich Angst davor haben, dass sie in die Armut abrutschen, die tatsächlich Angst haben, dass es ihren Kindern schlechter als ihnen selbst geht. Die Österreicher und Österreicherinnen sollten niemals Existenzängste haben müssen. Die vorliegenden Entlastungspakete reichen kaum oder gar nicht aus, um den Menschen wirklich zu helfen. Viele Bürger wissen derzeit gerade nicht, wie sie die Rechnungen für Heizung, Strom und Treibstoff bezahlen sollen. Da bringt der 150-Euro-Gutschein, den der Kollege angesprochen hat, sehr, sehr wenig. Der Gutschein wird erst für die nächste Jahresabrechnung wirksam. Die Kostenlawine ist jetzt da, und sie muss jetzt durch Maßnahmen gestoppt werden. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)


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Die Maßnahmen müssen jetzt eine Entlastung schaffen und nicht erst in einem Jahr. Wenn die Regierung sich nicht mit den Sorgen der Bevölkerung befassen will: Dann machen Sie Platz, machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Überall in der EU ist es möglich, dass man Kostendeckel schafft, die Mehrwertsteuer aussetzt, nur bei uns funktioniert das nicht. Wir erhöhen die Steuer, wir führen die CO2-Steuer ein. Das kann draußen keiner verstehen. Jetzt gilt es daher, rasch zu helfen: Wer sofort hilft, hilft doppelt! Sie sind nun in der Verantwortung. Setzen Sie sich für die Menschen ein und nehmen Sie deren Sorgen ernst! Ich spüre Ihre Anliegen nicht. Sie spielen mit dem Handy, Sie reden miteinander, an sich sind Sie hier, aber in Wirklichkeit interessiert es Sie eh nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Menschen müssen die Sicherheit und die Zuversicht haben, dass sie von der Politik die volle Unterstützung erhalten. Gerade Familien sind als kleinste und wichtigste Zelle essenziell für unsere Gesellschaft und deren Fortbestand. Wir müssen unseren Familien nachhaltig den Rücken stärken. Dazu müssen die Familienbeihilfe und das Kinderbe­treuungsgeld deutlich erhöht und in Folge auch jährlich wertangepasst werden. Familien dürfen nicht wegen politischen Versäumnissen oder bürokratischen Hürden in existen­zielle Krisen stürzen.

Geschätzte Damen und Herren, heute wurde wieder ein Neustart versprochen – gefühlt der hundertste. Minister werden ausgewechselt, Staatssekretäre werden ausge­wech­selt, aber die Politik ändert sich nicht. Das muss passieren: Sie müssen endlich die Politik ändern! Die Österreicher und Österreicherinnen glauben Ihnen nicht mehr. Neben den Spitzenvertretern der ÖVP, die im Korruptions-Untersuchungsausschuss sitzen, stehen jetzt auch – wir haben es gehört – diverse Bünde der ÖVP im Visier der Korruptions­ermittler, ob es der Wirtschaftsbund in Vorarlberg oder neuerdings auch der Senio­renbund ist. Die ÖVP kommt schon gar nicht mehr nach, einen Skandal, eine Baustelle nach der anderen zu erklären. Aber Sie erklären es ja schon gar nicht mehr. (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung! Zur Geschäftsordnung!) Sie zucken mit den Schultern: Es ist halt so, es ist wieder ein Skandal mehr, aber morgen gibt es eh wieder einen anderen, daher reden wir gar nicht darüber! – Das ist schon eine Mentalität, die für mich nicht mehr nachzuvollziehen ist.

Gerade als Oberösterreicher bin ich sehr enttäuscht über die Affäre rund um die Coronahilfen für den oberösterreichischen ÖVP-Seniorenbund in der Höhe von fast 2 Millionen Euro – das ist ja kein kleiner Betrag! 2 Millionen Euro haben sie kassiert, obwohl Parteien und Teilorganisationen davon detailliert ausgeschlossen sind. Es ist angesprochen worden: Landesgeschäftsführer und Bundesratskollege Franz Ebner ist hier, vielleicht hat er heute noch die Möglichkeit, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Er widerspricht zwar Obmann Josef Pühringer, der in den „Oberösterreichischen Nach­richten“ gesagt hat: Wir haben auch Gehälter für unsere Mitarbeiter ausbezahlt, wir haben sie nicht in Kurzarbeit geschickt, aber wir haben das Steuergeld genommen und haben es ihnen dann gegeben. (Ruf bei der FPÖ: Ah so ...!) – Du hast dem zwar widersprochen, aber das Schauspiel, das ihr aufführt, wird von den Österreichern und Österreicherinnen längst durchschaut. (Beifall bei der FPÖ.)

Jede einzelne Affäre wäre ein Grund, zurückzutreten. Es ist auch schon mehrmals angesprochen worden: Wo sind die Grünen? Wo ist der Herr Vizekanzler? Wo ist der Herr Bundespräsident? – Ihr schaut zu, ihr sagt nichts dazu und verteidigt das alles noch – das ist ja wirklich unvorstellbar (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) –, egal ob es um die Chataffären, die Korruptionsvorwürfe, die Hausdurchsuchungen, zig Regie­rungsumbildungen geht.


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Bundespräsident Van der Bellen sagte bei einem Interview: Na ja, das muss man sich anschauen, Unschuldsvermutung, und wir sind so nicht, und, und, und – katastrophal! Man sehe sich das Umfeld von Van der Bellen an: Er ist halt ein Grüner mit schwarzen Verankerungen, sein langjähriger Berater verdient mit seiner Agentur beim Klimaminis­terium sehr gut. Der Anstand wählt schon lange nicht mehr grün, geschweige denn türkis-schwarz. Eines noch: Die Forderung des Bundespräsidenten, dass man auch noch einen leichteren Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft kriegt, halte ich für total verfehlt. Die österreichische Staatsbürgerschaft stellt ein unschätzbares Gut dar, und das soll auch in Zukunft so bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Für viele Österreicherinnen und Österreicher ist die derzeitige Situation wirklich eine absolute Belastungsprobe. Nicht nur die Privathaushalte, auch Handel, Landwirtschaft und Industrie leiden extrem unter Preissteigerungen. Es müssen endlich weitere und vor allem wirksame Maßnahmen gesetzt werden, um die Haushalte und die Wirtschaft wirklich spürbar zu entlasten. Nun wird angekündigt: Wir arbeiten eh wieder an einem neuen Maßnahmenpaket, bis Sommer bringen wir das schon zusammen! – Ja freilich, dann haben wir den Sommer, dann ist auf einmal Herbst, und ich habe den Eindruck, dass da ein bisschen Zeit geschunden wird. Schauen wir einmal, irgendwie wird das vielleicht eh gehen, und dann ist das eh wieder normal. Die Leute gewöhnen sich eh schon an die Preise, denn wenn man 1,80 Euro für Sprit zahlt, sagt man: Na ja, seien wir froh, dass es nicht über 2 Euro sind! – Die Leute brauchen jetzt Entlastung. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, die Zahlen liegen auf dem Tisch, die Leute spüren es im Geldbörsel: Die vorliegenden Entlastungspakete reichen nicht aus, den Menschen wirklich zu helfen. Wie viel ist in Umsetzung, was die Menschen vor allem auch wirklich spüren? – Das ist aus meiner Sicht nichts. Ich frage mich: Wollen Sie eigentlich die Bevölkerung wirklich entlasten? – Ich sage: Nein! Ihr nehmt die Situation jetzt her, kassiert Steuereinnahmen von 11, 12, 13 Milliarden Euro, und sagt sozusagen: Na ja, dann geben wir halt wieder einen Teil her – einstweilen sind es 4 Milliarden Euro –, und sagt halt Danke, dass wir etwas hergeben! – Nein, nein, das geht nicht so: Die Steuerzahler zahlen das, und ihr habt die Pflicht, dass ihr ihnen das wieder zurückgebt! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sagen: Wer arbeitet, muss in Österreich ordentlich leben können. Es schlittern aller­dings immer mehr Vollbeschäftigte in die Armutsfalle. Es reicht, zwei Jahre Schwarz-Türkis-Grün sind mehr als genug! Wir brauchen eine Regierung, die wieder für Sicher­heit, Ordnung und stabile Verhältnisse für unsere Menschen draußen sorgt. Unsere Regierung ist mit sich selbst beschäftigt: Ministerwechsel, Staatssekre­täre­wechsel und tägliche Korruptionsvorwürfe. Daher: Neuwahlen, je früher, desto besser! (Beifall bei der FPÖ.)

11.31


Vizepräsident Günther Novak: Herr Fraktionsvorsitzender Steiner hat sich zur Ge­schäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


11.31.41

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Wir befinden uns ja, sofern mich die Tagesordnung nicht täuscht, in den Erklärungen des Bundes­kanzlers und des Vizekanzlers nach § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundes­rates. Ich werde nun § 37 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates bemühen, denn der Herr Kanzler hat nach seiner Rede die Sitzung verlassen, der Herr Vizekanzler


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hat zwar angekündigt, dass er kurz weg muss, das war er aber schon, er kam wieder, war wieder da, nun ist er wieder weg. Von sieben Regierungsmitgliedern sitzen jetzt noch drei hier: Die Staatssekretärin für Tourismus ist verschwunden und der neue Superminister Kocher ist auch verschwunden.

Vorhin haben wir von Wertschätzung, von der Würde dieses Hauses und von Respekt gesprochen. Nun erwarten wir als Bundesräte uns auch Respekt vonseiten dieser Regierung. Wir sind nicht wegen uns da, wegen uns gibt es keine Regierungserklärung, die Regierungserklärung gibt es wegen dieser Regierung. Daher stelle ich nun den Antrag auf Anwesenheit des Kanzlers, des Vizekanzlers, der Staatssekretärin und des Herrn Minister Kocher. (Vizekanzler Kogler betritt den Saal.) – Der Herr Vizekanzler fällt weg, der ist wieder da, das ist zumindest ein Lichtblick. Der Herr Kanzler, Minister Kocher und die Frau Staatssekretärin aber bleiben in meinem Antrag drin. – Danke. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

11.3311.33.19


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Kollege Steiner, wir werden uns das anschauen. Wir fahren aber nun trotzdem mit der Sitzung fort. (Bundesrat Steiner: ... Antrag! – Zwischenbemerkung einer Bediensteten der Parlamentsdirektion.) – Okay, wir müssen den Antrag zur Abstimmung bringen.

Es liegt ein Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers, der Staatssekretärin und des Bundesministers Kocher gemäß § 37 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor.

Ich möchte diesen Antrag nun zur Abstimmung bringen.

Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, dann bitte ich, zum Zeichen der Zustimmung die Hand zu erheben. – So, nun müssen wir zählen. (Bundesrat Steiner: Herr Präsident, nehmen Sie vom Stimmrecht Gebrauch! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Nimmst du vom Stimmrecht Gebrauch? – Vizekanzler Kogler: Du meinst, es geht um jede Stimme? – Unruhe im Saal.) Drei Personen von der ÖVP-Seite sind erst eingetroffen, nachdem ich aufgerufen habe, die werden abgezogen. (Bundesrat Spanring: Die Abstimmung vorher ...!)

24 anwesende BundesrätInnen sind für den Antrag. Das heißt: 24 sind für den Antrag, 27 sind von der ÖVP normalerweise hier, drei ziehe ich ab, das sind dann auch 24. – Das ist Stimmengleichheit, damit ist der Antrag abgelehnt.

*****


Vizepräsident Günther Novak: Wir fahren in der Sitzung fort, und ich erteile Herrn Andreas Lackner das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.36.43

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben in unserem Land riesige Herausforderungen zu bewältigen, und das nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine. Die schwarz-grüne Regierung war kaum im Amt, da ging es auch schon mit der Coronapandemie und all ihren Folgen los. Was wir alle derzeit erleben, ist das Aufeinandertreffen von mehreren Krisen, wobei jede für sich genommen schon enorme Auswirkungen hat (Bundeskanzler Nehammer betritt den Saal und spricht mit den anderen Anwesenden auf der Regierungsbank. – Ruf bei der SPÖ: Sch!), zusammengenommen ergibt sich aber eine Dimension, bei der ein Weitermachen wie bisher, ein Kochen nach alten Rezepten einfach unverantwortlich ist. Klimakrise, Coronapandemie, Teuerungswelle, Energiekrise und Krieg in Europa fordern die Politik und die Regierung in einem Ausmaß, wie wir es die letzten Jahrzehnte eigentlich nicht


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gesehen haben; und diese Koalition arbeitet und liefert. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich habe mir extra die Anzahl der Bundesratssitzungen angeschaut: Während der letzten rot-schwarzen Koalition und während der türkis-blauen Koalition gab es pro Jahr im Durchschnitt 12 Bundesratssitzungen, während dieser Koalition sind es durchschnittlich 18, also nach Adam Riese eine Steigerung um 50 Prozent, die Hälfte mehr also. (Ruf bei der SPÖ: Das ist aber billig gerechnet! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Was haben wir gemacht? – Klimamilliarden für den Ausstieg aus Öl und Gas bereit­gestellt, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs vorangetrieben, das Klimaticket einge­führt, ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) beschlos­sen, das eine historische Transformation hin zu den Erneuerbaren, eine Energiewende, einleitet, das Plastikpfand auf den Weg gebracht, die ökosoziale Steuerreform umgesetzt, und wir haben immer auch den Fokus auf die soziale Komponente gesetzt. Wir haben gezielt Schritte gesetzt, um Menschen mit niedrigen Einkommen zu entlasten, wir haben Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Ausgleichszulagenrichtsatz und Mindest­pensionen erhöht, eine Aus- und Weiterbildungsinitiative inklusive Bildungsbonus ge­startet, die vielen Menschen neue Chancen bietet und die auch im Bereich der Langzeit­arbeitslosigkeit sehr gut wirkt, zwei Mal einen Teuerungsausgleich beschlossen – das dritte Paket wird gerade verhandelt –, Ökostrombeiträge ausgesetzt und so weiter, und so weiter.

Und was kommt von der Opposition? Was kommt da? – Ich verstehe ja, dass das Kritisieren der Regierung zu den Aufgaben der Opposition gehört, das ist mir klar. Kritik ist das eine, aber einfach immer nur zu behaupten, diese Regierung unternehme nichts, ist angesichts der eben zitierten Bilanz einfach nur Realitätsverweigerung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

An die Adresse der FPÖ gerichtet: Sich immer wieder hierherzustellen und immer wieder das alte Rezept auszupacken, immer wieder und wieder die alte Platte abzuspielen – da werden andere lächerlich gemacht und persönlich beleidigt –, das ist keine große Kunst. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was ist das für ein Beitrag zur Lösung von Problemen? Was ist das für ein Beitrag zur Verbesserung? (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Was bringt es, wenn Sie einfach immer nur auf andere hindreschen? (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) – Mein Eindruck ist wirklich, dass einige von Ihnen ihre Reden offensichtlich nur deswegen halten, damit Sie in den sozialen Medien gut ankommen. Wo ist aber Ihr konstruktiver Beitrag? Wie bringt uns das weiter, wenn Sie sich über den soundsovielten Wechsel im Regierungsteam mokieren?

Wir haben in diesem Land riesige Herausforderungen zu bewältigen, und das seit mehr als zwei Jahren. Das ist alles andere als einfach, das bedeutet jede Menge Ver­antwortung und wohl auch jede Menge Druck. (Bundesrat Spanring: Muss man zur Kenntnis nehmen!) Ich möchte mich daher bei den neuen Regierungsmitgliedern bedanken, dass sie bereit sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen, und wünsche ihnen viel Erfolg dabei. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Auf zwei Minister möchte ich näher eingehen: Werter Herr Arbeitsminister und nun auch Wirtschaftsminister Kocher (Bundesrat Steiner: Der ist nicht da!), es wird Sie nicht überraschen (Ruf bei der FPÖ: Der hat’s nicht notwendig!), dass wir Grüne die Zusam­menlegung von Arbeit und Wirtschaft skeptisch sehen. Klarerweise gibt es da natürliche Interessenkonflikte, zum Beispiel von ArbeitnehmerInneninteressen auf der einen Seite und Wirtschaftsstandortinteressen auf der anderen. Wenn man sich jedoch die europäischen Volkswirtschaften im Vergleich ansieht, so stellt man schnell fest, dass gerade jene Länder wirtschaftlich stark sind, die einen starken Sozialstaat mit hohen


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Mitbestimmungsrechten der ArbeitnehmerInnen haben. Ich glaube, es war Christoph Leitl, der den Satz: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“!, geprägt hat. (Bundesrätin Schumann: Na! Bundesrätin Zwazl: Das war der Leitl!) Ich meine, man muss diesen Satz umdrehen: Geht’s uns allen gut, geht’s der Wirtschaft gut!, denn Wirtschaft ist ja kein Selbstzweck. Am Ende sollte immer das Ziel stehen, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Ich habe den Ausführungen des Herrn Minister Kocher auch entnommen, dass er diese Widersprüche möglichst gut auflösen möchte und dass er in der Zusammenführung auch Chancen sieht.

Was in den letzten beiden Jahren jedenfalls gut gelungen ist – durchaus auch unter sehr konstruktiver Mitwirkung der Sozialpartner –, ist eine zukunftsweisende Arbeitsmarkt­politik. Wir haben heute die niedrigste Arbeitslosenrate seit 14 Jahren. Das ist ein klarer Erfolg, der nicht einfach vom Himmel fällt. Das waren die umfangreichen Arbeits­markt­pakete, die ihre Wirkung zeigen. Als karenzierter AMS-Mitarbeiter weiß ich genau, wie schwierig es ist, die Langzeitarbeitslosigkeit zu senken. Da gibt es nach wie vor etwas zu tun, aber da ist auch schon einiges gelungen. Gerade die Investitionen in Quali­fizierung, in Aus- und Weiterbildung in Zukunftsberufen zeigen, wie beide Seiten pro­fitieren können: die Arbeitslosen durch neue Chancen auf bessere Jobs und die Wirtschaft durch mehr Fachkräfte.

Wir stehen vor einer wirklich großen Transformation, vor allem durch die demografische Entwicklung und durch die Energiewende. Ihr Ministerium wird dabei eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Betriebe und die Menschen dabei möglichst gut mitzunehmen. Das ist keine kleine Aufgabe, wie ich meine, aber wenn wir da zuver­sichtlich an einem Strang ziehen, wird uns das auch gelingen.

Als Landwirt und Landeskammerrat möchte ich natürlich auch den neuen Land­wirt­schaftsminister Norbert Totschnig herzlich willkommen heißen. Gestern war Welt­bäue­rinnen- und Weltbauerntag – ein Grund mehr, sich anzusehen, wie die Lage in der Landwirtschaft aussieht. Wie sieht sie in Europa aus? – Laut einer aktuellen Studie des EU-Agrarausschusses werden bis 2040 6,4 Millionen Höfe – das sind 700 pro Tag – zusperren. Besonders betroffen sind kleine und mittlere Betriebe.

Die Anzahl der Betriebe wird sich bis 2040 von 10,3 Millionen auf 3,9 Millionen redu­zieren, das bedeutet, in den nächsten 18 Jahren geben zwei von drei auf – zwei von drei geben auf! Laut der Studie sind die Gründe ein fehlgeleitetes Fördersystem – Stichwort Flächenförderung –, magere Gewinnspannen, eine schlechte Verhandlungsposition der kleinen Höfe am Markt sowie das Fehlen von HofnachfolgerInnen. Oder anders gesagt: Es tut sich unter solchen Bedingungen schlicht und einfach keine und keiner mehr an, einen Bauernhof zu übernehmen.

Wenn wir das so weiterlaufen lassen, dann werden wir am Ende nur mehr große agrar­industrielle Betriebe haben, und das wird massive Auswirkungen haben. Ernährungs­sicherheit, Ernährungssouveränität, Regionalität, Eigenversorgungsgrad versus Abhän­gigkeit sind gerade jetzt in aller Munde. Wer Ernährungssicherheit will, der braucht die kleine Struktur: Wer, wenn nicht die vielfältigen und damit krisenfesteren, kleineren mittelständischen Betriebe bewirtschaften nachhaltig und verlässlich unser Land? – Dafür gilt es, die Rahmenbedingungen in Europa und in Österreich zu schaffen.

Wir brauchen eine Regionalisierung als Antwort auf die Abhängigkeiten, deshalb brauchen wir auch in der Herkunftskennzeichnung den nächsten Schritt: in der Gastronomie auf der Speisekarte. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin der festen Überzeugung, dass nur die kleinteilige Struktur resilient, anpas­sungsfähig und flexibel ist. Wir brauchen auch einen achtsamen Umgang mit den Tieren und mit der Natur. Wir brauchen ein hohes Maß an Biodiversität, denn sie ist der Ast, auf dem wir alle sitzen.


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Herr Minister, hören Sie nicht auf die Lobbyisten, die jetzt im Windschatten der Krise versuchen, die Uhr wieder zurückzudrehen und Farm to Fork und Green Deal zu begraben, nur um kurzfristig ihre Gewinne zu maximieren. Seien Sie mutig! Die Land­wirtschaftspolitik braucht wieder Visionäre. Josef Riegler und Franz Fischler waren solche und haben über den Tellerrand geblickt. Herr Minister Totschnig, ich wünsche Ihnen viel Kraft und Erfolg! Seien Sie mutig! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.48


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Eva Prischl. Ich erteile ihr das Wort.


11.48.15

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglieder! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herzlich willkommen hier bei uns im Redoutensaal! Ich bin Bereichssprecherin für die Pensionistinnen und Pensionisten, und aus diesem Grund ist es mir ein Anliegen, für diese Generation, für die ältere Generation, heute das Wort zu ergreifen. Immerhin leben in Österreich 1,75 Millionen Pensionistinnen und Pensionisten, die 65 Jahre alt oder älter sind. Das entspricht 19,5 Prozent der Bevöl­kerung, also einem erklecklichen Teil.

In meinem Bundesland, Niederösterreich, leben 463 000 Menschen, die 60 Jahre alt oder älter sind. Das heißt, in Niederösterreich ist jede vierte Person 60 oder älter als 60. Die Gruppe jener Personen, die 65 plus sind, ist die einzige Gruppe, die kontinuierlich wächst. Die Prognose für das Jahr 2100 – ich weiß schon, es ist ein bisschen weit hin, aber immerhin – liegt bei knapp 30 Prozent.

Warum sage ich das? – Die Seniorinnen und Senioren sind eine sehr große und mannig­faltige Gruppe, sie sollten in den sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen als gleich­berechtigte Partner gelten, ihre Interessen sollten von allen gesetzlichen Interessenver­tretungen mitverhandelt werden, auf eine Stufe gestellt werden. Das ist leider nicht der Fall.

Die Seniorinnen und Senioren sehen sich nicht als die Alten, sondern als Bürgerinnen und Bürger mit Erfahrung und Verantwortung inmitten unserer Gesellschaft. Realistische und differenzierte Altersbilder sind die Grundlage für das gegenseitige Verständnis von Generationen. Die Lebensqualität wird im hohen Maß von der lokalen Infrastruktur beeinflusst, egal ob es um eine Arztpraxis geht, ob es um eine Apotheke, eine Bankfiliale geht, den Nahversorger et cetera.

Die Erreichbarkeit ist ein wesentlicher Punkt, daher sind ein leistbares Seniorenticket und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ein Gebot der Stunde. 37 Prozent der Be­völkerung in Niederösterreich haben laut einer Studie der Arbeiterkammer Niederöster­reich keinen oder nur einen schlechten Zugang zum öffentlichen Verkehr. Das sind Dinge, die dringend erledigt gehören. Genauso muss es einen flächendeckenden und gebührenfreien Zugang zu Bankomaten geben. Das sind wichtige Verlangen der älteren Generation.

Was ich überhaupt nicht verstehe: Ältere Menschen werden in der Finanz- und in der Versicherungsbranche diskriminiert. Ja, das ist so: Kredite werden trotz Sicherheiten nicht gewährt oder durch unrealistische Rückzahlungsziele verwehrt, Überzie­hungs­rahmen werden einfach abgelehnt oder Kreditkarten werden sogar entzogen. Versiche­rungen enden mit bestimmten Altersgrenzen und werden automatisch gekündigt, die Möglichkeit einer Kreditaufnahme ist nicht gegeben.  Das muss in naher Zukunft geändert werden!


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 53

Denken wir an den Einbau eines Treppenlifts oder an den Umbau für ein barrierefreies Badezimmers. Oder auch an den Umstieg auf erneuerbare Energien: Der Austausch von Öl- und Gasheizungen ist ein Thema, viele Pensionistinnen und Pensionisten können sich das aber nicht leisten. Der Austausch ist aber gesetzlich vorgesehen, diese Investitionen müssen sie tätigen, daher braucht es – ähnlich wie in Deutschland, wo das bereits möglich ist – eine klare gesetzliche Regelung. Die deutsche Regelung ermöglicht es den Banken und Versicherungen Kredite, zum Beispiel Bankkredite, auch an ältere Kreditsuchende zu vergeben, wenn Sicherheiten zur Abdeckung da sind. Zu diesem drängenden Thema haben wir bereits einen Entschließungsantrag eingebracht, leider hat er keine Mehrheit gefunden.

Die gesetzliche Interessenvertretung von 2,3 Millionen Österreichern liegt beim Öster­reichischen Seniorenrat. Bei dessen Vollversammlung wurde hier im Redoutensaal im Oktober des vorigen Jahres einhellig von allen Vertretern der großen österreichischen Seniorenorganisationen ein Leitantrag beschlossen. Wichtige Forderungen sind das Grundrecht auf die Alterssicherung und die Garantie für die Werterhaltung der Pen­sionsansprüche, diese sollen verfassungsrechtlich verankert werden. Dringend notwen­dig ist die wirklich rasche Umsetzung der Pflegereform, da gibt es bereits einen ersten Schritt, aber weitere müssen zügig folgen.

Ebenso relevant und ein ganz, ganz brisantes Thema ist die Altersarmut, von der vor allem Frauen betroffen sind. Die materielle Absicherung ist allerdings die Voraussetzung für Selbstbestimmung und die gesellschaftliche Teilhabe. Ein neues Pensionsanpas­sungsmodell und eine Änderung des Bemessungszeitraums für die Pensionsanpas­sungen sind weitere Forderungen. Auch die Digitalisierung – wir haben heute Vertreter da – bei der älteren Generation ist ein Anliegen, denn sie trägt zu ihrem selbstbe­stimm­ten Leben bei. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Juni 2021 wurden zwei Wifo-Studien präsentiert, die festgestellt haben, dass die Pensionsanpassungen, die sich am Verbraucherpreisindex orientieren, in den vergan­genen Jahren nicht den tatsächlichen Kaufkraftverlust der Seniorinnen und Senioren abgedeckt haben. Es wurde auch festgehalten, dass die PensionistInnen einen wichti­gen Wirtschaftsfaktor darstellen; bei 8 Prozent Inflation wird das in Zukunft nicht mehr ganz so aussehen.

Eine akute Forderung ist die Bekämpfung der Altersarmut, daher soll und darf es keine Pensionen unter der Armutsgrenze geben. Die aktuelle Armutsgefährdungsschwelle beträgt 1 371 Euro monatlich, zwölfmal im Jahr, die beschlossene Einmalzahlung reicht bei Weitem nicht aus, um das abzudecken. Die Vertreter des Seniorenrates haben schon mehrmals bei Regierungsvertretern – ich glaube, auch beim Herrn Bundeskanzler – um Termine angesucht, sie haben auch Besprechungen gehabt und um eine Vorziehung der Pensionsanpassung gebeten. Seitens des Finanzministers liegt jedoch noch kein Ergebnis vor. Schwierige Zeiten erfordern besondere Maßnahmen, die Bevölkerung muss jetzt entlastet werden, sonst droht die Teuerungswelle zu einer Armutswelle zu werden!

Werte Regierungsmitglieder! Herr Bundeskanzler! Ich fordere Sie im Namen der Pen­sionistinnen und Pensionisten auf, die Anliegen der älteren Generation ernst zu nehmen und die Forderungen mit Ihren Regierungsmitgliedern rasch einer Bearbeitung zuzu­führen. Die ältere Generation, die unseren Staat aufgebaut hat, hat ein Recht auf Anerkennung ihrer Wünsche, Bedürfnisse und Forderungen.  Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

11.55


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 54

11.55.22

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Werte Mitglieder, neue Mitglieder, Nochmitglieder dieser Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Öster­reicher! Täglich grüßt das Murmeltier oder täglich grüßt ein neuer Minister, nach dieser gefühlt hundertsten Regierungsumbildung in diesem Haus! (Bundesrat Steiner: Die wievielte ist es? – Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.)

Herr Nehammer! Für die Regierungsumbildung sind ja nicht Sie allein verantwortlich, wir dürfen auch auf unseren Hofburgschläfer nicht ganz vergessen, nämlich jenen Hüter der Verfassung, der genau dann aus seinem Tiefschlaf aufwacht, wenn er den Zeigefinger gegen die FPÖ erheben kann oder eine seiner 125 Angelobungen in dieser Periode durchzuführen hat. (Beifall bei der FPÖ.) Sonst hört man von dem Herrn ganz wenig. Er selbst hat ja in der Vorwoche die Frage gestellt: Soll ich bleiben oder soll ich gehen? – Ja, Herr Van der Bellen, ich darf es hier an dieser Stelle beantworten: Sie sollen gehen! Bleiben Sie gesund, genug ist genug! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn auch ein Teil der Schuld für das Fiasko in diesem Land den Bundespräsidenten trifft, so sind wir heute doch wegen der Regierungserklärung da, sprich wegen den Regierungsmitgliedern und Abgeordneten der ÖVP, aber auch wegen dem grünen Anhängsel. Sie sind nämlich dafür verantwortlich, dass sich dieses Land heute in einem Totalchaos befindet.

Herr Vizekanzler, herzlichen Dank für die Aussage, man werde Österreich in ein paar Jahren nicht mehr wiedererkennen. Das ist ein Wahlversprechen, das Sie eingehalten haben. Bedanken kann ich mich nicht dafür, Schulterklopfen werden Sie keines dafür ernten. Sie sollten sich schämen, Herr Vizekanzler, schämen sollten Sie sich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Ich kann nur sagen, seit diese Chaosregierung die Geschicke – oder in Ihrem Fall eher die Ungeschicke – in diesem Land lenkt, wird unser Österreich mit Anlauf gegen die Wand gefahren. Mit Unfällen hat diese Regierung ja schon einige Erfahrung, Herr Nehammer und Herr Kogler. Die Anzeichen oder die Gründe dafür sind immer dieselben: einerseits ein schlechter Fahrer, andererseits vielleicht das eine oder andere Achterl zu viel. In dieser Bundesregierung sind aber die Regierungsmitglieder die Fahrer. (Beifall bei der FPÖ.)

Jeder hier in diesem Land sieht es: Sie können es nicht! Jeder hier in diesem Land spürt es, jeder hier spürt inzwischen das Generalversagen dieser schlechtesten Bundesregie­rung der Zweiten Republik im Geldtascherl. Die Teuerungswelle kann man nicht in die Ukraine oder nach Russland oder sonst wohin abschieben, das waren Ihre völlig überzogenen Maßnahmen, Ihre völlige Planlosigkeit und Ihre völlige Unfähigkeit in Ihrer Regierungstätigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Bis vor Kurzem hat man den Eindruck gehabt, dass die Schwarzen und die Grünen nicht mehr gar so viel miteinander reden. Diesen Eindruck habe ich gewonnen, als Sie, Herr Vizekanzler, das letzte Mal hier in diesem Haus gewesen sind, als Sie gefühlte 2 Stun­den der ÖVP-Ministerin den Rücken zugedreht haben. Bilder sagen ja mehr als tausend Worte. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Zwazl und Schreuder.) Ich kann das nicht beeinflussen, ob sich zwei Menschen mögen oder nicht, das ist mir grundsätzlich auch egal, aber in dieser Bundesregierung, in der Sie den Auftrag haben, für dieses Land zu arbeiten, da wäre es schon wesentlich, dass Sie auch miteinander reden, nämlich regel­mäßig miteinander reden, das ist wichtig. Sie sollten regelmäßig miteinander reden, aber das passiert in dieser Bundesregierung nicht mehr.

Das ist das eine, dass die Grünen mit den Schwarzen nicht mehr sehr viel reden. Ich habe aber inzwischen auch den Eindruck, dass die Schwarzen mit den Schwarzen nicht


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mehr sehr viel reden. Das hat sich auch beim Rücktritt der letzten beiden Ministerinnen gezeigt – es war der 9. Mai, als das passiert ist –, einerseits der Landwirtschafts­minis­terin, andererseits der Kaufhaus-Österreich-Ministerin. Herr Bundeskanzler, können Sie sich an das ÖVP-Prestige-Projekt Kaufhaus Österreich noch erinnern? – Wahrscheinlich wollen Sie es eher verdrängen (Beifall bei der FPÖ), aber dieses Projekt hat es dennoch gegeben. (Zwischenruf des Bundesrates Raggl.)

Ich möchte Ihnen aus dieser Zeit schon noch einige Dinge in Erinnerung rufen. Das war nämlich jene Zeit, in der Sie  noch als Innenminister  Ihre Lebensgefährder unter den Österreicherinnen und Österreichern irgendwo auf den Skipisten, in den Einkaufs­zentren, auf öffentlichen Plätzen gesucht haben, als Sie Babyelefanten in die Köpfe der Österreicher hineingezeichnet haben, während unter Ihnen als Innenminister der wohl verheerendste Terroranschlag, den es je in Österreich gegeben hat, in Wien verübt worden ist. Diesen Anschlag hätten Sie verhindern können, aber da haben Sie kläglich versagt, Herr Nehammer. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben die Lebensgefährder unter unseren fleißigen Österreichern gesucht. Dort waren sie nicht, an den Außengrenzen sind sie gewesen, wie wir inzwischen wissen. Sie haben eine Nullzuwanderung prognostiziert und davon geträumt, gebracht haben Sie uns im Vorjahr rund 40 000 Asylanträge, Herr heute  Bundeskanzler. Ich kann Ihnen nur sagen, Sie können einen Teil des Volks die ganze Zeit täuschen, Sie können das ganze Volk einen Teil der Zeit täuschen, aber Sie können nicht das ganze Volk die ganze Zeit täuschen, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind heute an einem Punkt angekommen, an dem ich nur sagen kann: Rien ne va plus – nichts geht mehr, nichts geht mehr in dieser Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Nun aber zum Rücktritt der Landwirtschaftsministerin am 9. Mai: Wir haben das über Oe24  ich glaube, Oe24 war das erste Medium, das das gebracht hat  erfahren. Das Schlimme bei dem Ganzen ist, dass Sie wahrscheinlich auch nicht früher davon gewusst haben. Sie haben es auch am 9. Mai erfahren, wahrscheinlich zeitgleich mit uns, meine sehr geehrten Damen und Herren. Am Vormittag ist die Landwirtschaftsministerin zurückgetreten, am Nachmittag die Kaufhaus-Österreich-Ministerin. Wenn das alles lang vorbereitet gewesen ist, so wie Sie das in Ihrer Hilflosigkeit gegenüber den Medien erwähnt haben, dann frage ich mich schon: Wann war die Übergabephase? – In jeder Firma mit drei Leuten gibt es ein paar Wochen Übergabephase, in diesen Ministerien gibt es sie anscheinend nicht.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Bundesregierung funktioniert nichts mehr. Diese Bundesregierung ist schlicht und ergreifend auf allen Ebenen gescheitert. Diese Bundesregierung ist rücktrittsreif. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine Hoffnung habe ich an diesem 9. Mai gehabt – am Vormittag die Landwirt­schafts­ministerin, am Nachmittag die Wirtschaftsministerin –: Ich habe mir schon gedacht, bei diesem Tempo wäre es ja gut möglich, dass bis Mitternacht auch der Bundeskanzler Geschichte ist. (Heiterkeit der Bundesrätin Schartel.) Das hat sich leider Gottes nicht bewahrheitet. Warum hat sich das aber nicht bewahrheitet? – Weil unser Mister-100-Prozent einfach nicht den Mut dazu hatte. Warum fehlt Ihnen der Mut, Herr Bun­deskanzler? Warum fehlt Ihnen der Mut? – Ich kann Ihnen sagen, warum Ihnen der Mut fehlt: Weil Sie inzwischen ganz genau wissen, dass die Österreicher gesehen haben, wofür Sie und diese Bundesregierung stehen, und weil Sie ganz genau wissen, dass die Österreicher Sie bei der nächsten Nationalratswahl sprichwörtlich mit dem nassen Fetzen aus diesem Haus hinaustreiben werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das ist auch der Grund, warum sich die Schwarzen und die Grünen in diesem Haus, in dieser Bundesregierung noch immer einhängen: Sie haben schlicht und


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ergreifend Angst vor Neuwahlen. Sie versuchen, eine Lebensverlängerung zusammen­zubringen, weil sie nicht wählen lassen wollen, sie klammern sich aneinander. Ich kann Ihnen nur sagen: Beenden Sie diese Übung, diese schwarz-grüne Bundesregierung ist gescheitert! (Beifall bei der FPÖ.)

Heute stellen Sie sich hierher und präsentieren uns einen neuen Landwirt­schafts­minister, der seit rund 20 Jahren in Wien lebt, also einem Bundesland, das für seine florierende Landwirtschaft ja nahezu bekannt ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, einen Bauern habt ihr gesucht, einen Wiener Bobo habt ihr bekommen. (Beifall bei der FPÖ.)

In dieser Bundesregierung muss man aber Kompromisse eingehen, denn es gibt ja nahezu niemanden mehr, der mit dieser schwarz-grünen Bundesregierung noch etwas zu tun haben will. Der ehemalige Landesgeschäftsführer der JVP Tirol, der ehemalige Pressesprecher und Büroleiter des Landeshauptmannes Platter hat plötzlich seine Fachkompetenz für Digitalisierung entdeckt. Ich weiß es nicht, vielleicht war es aufgrund der in der ÖVP so beliebten Whatsapp-Nachrichten oder wie auch immer. Arbeits­minister Kocher ist gerade nicht da, aber der hätte vielleicht auch diese Kompetenz gehabt. Seine Kompetenz für Digitalisierung – vor allem im Bereich des Handys – hat er ja bei der Licht-ins-Dunkel-Gala bewiesen, wie wir alle im ORF sehen konnten.

Die Einzige, zu der ich nicht viel sagen kann, ist unsere Neostaatssekretärin Kraus-Winkler. Sie ist nämlich die Einzige, die wirklich Fachkompetenz mitbringt, wie ich sehe, wenn ich mir ihren Lebenslauf anschaue. Ich habe Ihnen heute auch zugehört. Ich möchte dazu nicht sehr viel sagen, ich möchte mir lieber anschauen, was Sie im Bereich des Tourismus weiterbringen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine neue Staatssekretärin mit Fachkompetenz. Der einzige und größte Fachkräftemangel aber, den wir in Österreich haben, sitzt – links und rechts von mir – auf der Regierungsbank, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Bundesregierung ist gescheitert. Befreien Sie dieses Land, befreien Sie unsere Österreicher von dieser unfähigsten und schlechtesten Bun­desregierung aller Zeiten! Machen Sie den Weg frei (Ruf bei der ÖVP: Für dich!) für Neuwahlen! Ich sage es mit den Worten Ihres gefallenen Engels: Genug ist genug! (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Sascha Obrecht. – Bitte schön.


12.06.54

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Werter Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Vor allem auch liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr gestattet mir hoffentlich, ganz am Anfang etwas zur Debatte zu sagen, insbesondere auch zu den Wortmeldungen der Kollegen Schreuder, Lackner und Raggl.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn die Kritik an die Opposition ist, dass man Kritik an der Regierung übt, dann frage ich mich, ob man das Selbstverständnis als Parla­mentarier wirklich richtig verstanden hat. (Bundesrat Schreuder: Hör besser zu!) Kollege Lackner hat gemeint, das Einzige, das kommt, sei unsachliche Kritik an der Regierung. Kritik zu üben ist aber geradezu unsere Aufgabe. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

Ein Land, in dem im Parlament gestritten wird, ein Land, in dem es im Parlament laut wird, ist ein funktionierendes Land; ein Land, in dessen Parlament nicht gestritten wird, ist ein Land, in dem wir nicht sein wollen. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der


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FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Ich stelle mich vor jeden Blauen, vor jeden Roten, vor jeden Grünen, vor jeden Schwarzen und jeden Pinken, der das macht.

Auch an die Vertreter der Regierungsparteien: Ihre verfassungsmäßige Aufgabe ist die Kontrolle der Regierung und nicht deren demütige Huldigung. Mitgliedern der Bundes­regierung, die noch nicht einmal ein Portfolio haben, weil das Bundesministeriengesetz noch nicht beschlossen ist, in einer Rede siebenmal Danke dafür zu sagen, dass sie ein Amt angenommen haben, in dem sie noch keine Aufgabe haben, das ist sogar peinlich. Das kann ich nicht nachvollziehen. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Kommen wir aber vielleicht zur heutigen Regierungserklärung. Ich habe ausnahmsweise einen Zettel mit  normalerweise mache ich das nicht, da mache ich das frei , weil ich mir abgewöhnt habe, mir die Namen der Mitglieder der Bundesregierung zu merken, weil das seit November, seit ich in diesem Haus bin, die neunte Regierungsumbildung ist. Das ist ja unfassbar, neun Regierungsumbildungen in dieser Zeit!

Fangen wir vielleicht mit Staatssekretär Tursky an: Da muss ich tatsächlich sagen, da gibt es inhaltlich nicht viel, was ich kritisieren kann. Sie wirken so, als ob Sie in diesem Land etwas voranbringen wollen, Sie wirken jung. Die einzige Frage, die ich mir da stelle: Warum sind Sie bei der ÖVP? (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Schartel.)

Zu Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig: Auch da kann ich inhaltlich nicht ganz so viel aussetzen, das war inhaltlich schon in Ordnung. Das Einzige – das liegt nicht wirklich in Ihrem Verantwortungsbereich, das haben andere Leute entschieden – ist natürlich die Ungerechtigkeit – das habe ich schon beim letzten Mal gesagt –, dass 150 000 Land­wirte ein eigenes Ministerium haben, 4,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber nicht.

Wenn der Kollege von den NEOS sagt, Minister sind nicht Interessenvertreter, sondern sie sollten sich um die Verwaltung kümmern, dann hat er natürlich recht. Das ist aber nicht das Amtsverständnis des Ministers für Arbeit und Wirtschaft, der hat nämlich in seinem ersten Interview gleich gesagt, er sieht sich als Rechtsanwalt für Arbeit­neh­merInnen und als Rechtsanwalt für UnternehmerInnen und Unternehmen. Würde er das in der Rechtsanwaltskammer sagen, hätte er ein Disziplinarverfahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch zu Staatssekretärin Kraus-Winkler kann ich sagen: Was ich inhaltlich mitge­nom­men habe, klingt nicht schlecht, aber wir werden sehen. Wir werden Sie an den Taten, die Sie setzen, messen. Der einzige Satz, der mich als Jurist ein bisschen aufschrecken hat lassen, war – und das zitiere ich wörtlich aus Ihrer Rede –: „Ich bedanke mich sehr herzlich, dass ich [...] dieses Ressort leiten darf.“ – Das stimmt natürlich nicht, wie schon der Bundesrat der NEOS gesagt: Artikel 69 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist da recht deutlich. Das Ressort leitet der Minister und nicht die Staatssekretärin. Und wenn Sie gesehen hätten, welchen Blick Ihnen der Arbeitsminister zugeworfen hat, als Sie das gesagt haben, dann wüssten Sie, dass Sie sich wirklich auf nicht ruhige Zeiten einstellen können. (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ.)

Den Vierten habe ich schon erwähnt, das ist Arbeitsminister Kocher, die devote Sprech­puppe der Industriellenvereinigung. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Pröller.) Der hat sich natürlich vor allem durch Folgendes ausgezeichnet – und das ist bemerkenswert –: Nachdem bekannt wurde, dass er jetzt praktisch das neue Ressort dazubekommen soll, hat er in einem Interview gesagt, dass seine Hausmacht die Expertise sei. Ja, das ist bescheiden, so etwas zu sagen: Meine Hausmacht sei die Expertise!


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Insbesondere interessant finde ich, dass er dann gesagt hat, er werde sich darum bemühen, die Sozialpartner einzubinden. Da ist mir ein bisschen angst und bange ge­worden. Ich habe an ihn nämlich eine Anfrage gestellt, ich habe ihn gefragt, warum er immer die Sachen macht, die die Industriellenvereinigung will, und er hat bei der Beantwortung dieser parlamentarischen Anfrage zweimal geantwortet: Na weil er immer mit den Sozialpartnern redet. – Die Industriellenvereinigung ist kein Teil der österreichi­schen Sozialpartnerschaft! Das hätte ich ihm heute auch so gesagt, aber er ist ja nicht mehr da. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Himmer.)

Ein Letztes noch zum Vizekanzler, da muss ich sagen: Ihre Rede war, soweit ich das mitbekommen habe, die einzige, die auch selbstreflektierend war. Da haben Sie wirklich eingestanden, dass bestimmte Punkte vielleicht nicht so gut laufen. Das muss ich Ihnen zugutehalten. Das Einzige, das mir nicht so gut gefallen hat, ist, dass Sie gemeint haben: „Unter dem Titel der Wahrheit ist mehr Unglück als Glück geschaffen worden“ in dieser Republik.

Mag sein, dass die Wahrheit in der Politik oftmals missbraucht wird. Das heißt aber nicht, dass man ihr komplett abschwören sollte. Ich habe bereits bei der Rede des Finanz­ministers in der letzten Sitzung festgestellt, dass er in einem kurzen Statement fünf Unwahrheiten gebracht hat. Bemühen kann man sich in der Politik schon, dass man die Wahrheit bringt.

Dann gab es noch den Kanzler: Der Kanzler hat natürlich die Möglichkeit gehabt, zu der Gesamtsituation Stellung zu beziehen, zur Inflation Stellung zu beziehen, zur Ukraine Stellung zu beziehen. Das hat er nicht gemacht. Er hat seine Kolleginnen und Kollegen vorgestellt. Das sei ihm unbenommen, das war das Thema, die Regierungserklärung. Ich hätte mir ein bisschen mehr gewünscht. – Mag so sein.

Als letzten Punkt darf ich noch zu dem Vorwurf Stellung nehmen, dass wir als Oppo­sitionspartei nicht mit Vorschlägen kommen. Das ist ja geradezu absurd! Wir bringen regelmäßig Anträge ein und wir haben heute viele Vorschläge gemacht. Was wir von der Regierung hören, und das haben wir auch heute gehört, auch vom Vizekanzler, ist, dass man nicht unendlich viel Geld hat. Da lacht der Finanzminister! Der Finanzminister ist der große Profiteur der Inflation. Ohne etwas zu machen, kriegt er dieses und nächstes Jahr 11 Milliarden Euro mehr in den Haushalt geschwemmt. 11 Milliarden Euro! Diese Zahl stammt nicht von mir, sondern von der Agenda Austria. Mit diesen 11 Milliarden Euro könnte man so viel finanzieren, das den Österreicherinnen und Österreichern hilft, und man könnte sich überlegen, wer es wirklich braucht, um es diesen Menschen zu geben. Stattdessen dreht man nicht an der Ausgabenstelle, sondern man schenkt auch noch Geld her.

Das war heute erst der Fall: Es steht zumindest der Verdacht im Raum, dass Bildungs­minister Polaschek vergessen hat, einen Vertrag mit einem PCR-Dienstleister zu kün­digen. Das kostet die Republik 11 Millionen Euro an Strafpönale, wenn das stimmen sollte. Das wäre das Jahresgehalt von 200 jungen Pädagoginnen und Pädagogen. (Bundesrat Steiner: Ein Wahnsinn!)

Es gibt 11 Milliarden Euro an Mehreinnahmen, und wir reden immer noch darüber – es ist ja erst Juni, wir haben 8 Prozent Inflation –, dass wir jetzt bald einmal über ein neues Teuerungspaket reden sollten. Das ist eine Schande für Österreich, in welchem Tempo da vorgegangen wird, und es ist vor allem eine Belastung für die Österreicherinnen und Österreicher, dass da nichts getan wird! (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bun­desrates Arlamovsky.)

Unterstützend habe ich noch die heutige Schlagzeile der „Kronen Zeitung“ mitgebracht: „Preislawine muss gestoppt werden!“ Das sieht also nicht nur die SPÖ so, das sieht nicht nur die FPÖ so, das sieht auch die „Kronen Zeitung“ so. Vielleicht kommt es auch einmal


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bei den Regierungsparteien an. Meine Hoffnung ist sehr gering. Abschließend kann ich – wie auch mein Vorredner – sagen, dass genug genug ist. Ich glaube, die Österreiche­rInnen haben von dieser Bundesregierung, von billigen Ausreden für eine Teuerungs­welle, die immer und immer wieder gebracht werden, wirklich die Nase gestrichen voll. Wir brauchen Neuwahlen! Die Sozialdemokratie wird dabei den Führungsanspruch stellen, denn dieses Land muss nach all dem, was diese Regierung angerichtet hat, wieder aufgeräumt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Österreicherinnen und Österreicher haben vor allem auch von einer Sache wirklich genug: Jedes Mal, wenn irgendwo in dieser Republik das Licht angemacht wird, findet man irgendeinen ÖVPler mit den Fingern in der Keksdose, und das reicht wirklich!

Abschließend kann ich noch eines sagen: Ich bin sicher, Sie werden sich nicht in Neu­wahlen trauen, weil Sie genau wissen, dass Sie sie verlieren werden. Wenn es aber spätestens 2024 Neuwahlen gibt, bin ich mir sicher, dass sich die ÖVP spalten wird: Der eine Teil geht in Opposition und der andere Teil geht in den Häfen! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

12.15


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Josef Ofner. – Bitte schön.


12.15.15

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundes­regierung! Werte Kollegen! Vor allem aber liebe Zuschauer vor den Bildschirmen zu Hause und hier auf der Galerie! Ich darf vielleicht bei Kollegen Schreuder beginnen. Das ist der selbsternannte Moralapostel hier im Hohen Haus, der immer von der Würde dieses Hauses faselt. Also Ihnen kann ich eines sagen: Die Würde dieses Hauses hat leider Schaden genommen und ist mit Einzug dieser Bundesregierung, mit Einzug des Systems Kurz aus diesem Haus ausgezogen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie unterstützen nicht nur diese Bundesregierung, sondern auch das System Kurz, das noch immer besteht. Wenn Sie sagen, dass die Opposition keine Vorschläge macht, dann darf ich Ihnen ganz klar sagen: Wir haben unsere Vorschläge in den letzten zwei Jahren in Hunderten von Anträgen formuliert, aber Sie haben sie ständig abgelehnt. Das ist Arroganz und Ignoranz gegenüber der österreichischen Bevölkerung. So gehen Sie in diesem Haus vor! (Bundesrat Köck: Stimmt nicht!) Bitte lügen Sie nicht am Rednerpult und sagen Sie nicht, dass wir keine Vorschläge bringen! (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen zu Hause, wenn Sie sich die Nationalratssitzungen und die Bundesratssitzungen ansehen, sehen Sie, dass es eine Regierungserklärung nach der anderen gibt. Das hat nicht denselben Sinn wie die Aktuelle Stunde, die nämlich eigentlich dafür vorgesehen ist, dass sie in jeder Sitzung einmal vorkommt. Dass hier ständig Regierungserklärungen abgegeben werden, ist viel­mehr der Unfähigkeit dieser Bundesregierung geschuldet. Deswegen sind Regierungs­erklärungen mittlerweile Usus hier im Hohen Haus. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Regierung steht nämlich ständig vor der Situation, dass irgendjemand gehen muss, weil wegen Korruption gegen ihn ermittelt wird: Denken wir einmal an den Wech­sel des Bundeskanzlers, sprich des Messias, oder des Finanzministers. Oder es muss jemand gehen, weil er seinen Aufgaben nicht gewachsen ist: Denken wir an die regelmäßigen Wechsel im Gesundheitsministerium. Oder es muss jemand gehen, weil er von den eigenen Parteifreunden hinausgetreten wird, wie es jetzt bei den Ministerin­nen Köstinger und Schramböck der Fall war.

Nach der Rede des Herrn Kollegen Raggl muss ich sagen: Das muss man wirklich zu­sa­mmenbringen! Diese Fähigkeit, die Unfähigkeit der verblichenen Minister so darzustellen


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und so schönzureden, ist, um bei Ihrem Wortschatz zu bleiben, wirklich alternativlos, das ist genial! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Raggl, bedanken Sie sich hier bitte nicht im Namen des Bundesrates, denn dieser Bundesrat gehört nicht der ÖVP. Auch dieses Land gehört nicht der ÖVP, auch wenn Sie in Ihrer Überheblichkeit ständig so tun, als ob es so wäre (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky), und sich rundum schamlos an dieser Republik bedienen.

Da verwundert es auch nicht, dass sich in der ÖVP bald niemand mehr finden lässt, der ein Ministeramt annehmen will. Das ist ja eigentlich selbstverständlich: Es gibt, wir haben es gesehen, mehr Absagen als Zusagen, und das ist völlig klar, denn die Halbwertszeit der Minister beträgt mittlerweile nur mehr wenige Monate. Daher zahlt es sich für die Menschen in unserem Land auch gar nicht mehr aus, sich die Namen der Minister zu merken, denn kaum ist er da, ist er schon wieder weg.

So hat man jetzt eine neue Strategie herangezogen und hat gesagt, wir brauchen keine Minister mehr, da eh keiner mehr Minister werden will, sondern wir brauchen nur mehr Staatssekretäre und Kommissionen. Wir haben jetzt eine Staatssekretärin im Bundes­kanzleramt, eine Staatssekretärin für Kunst und Kultur, eine Staatssekretärin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort und einen Staatssekretär für Finanzen. Zudem gibt es noch die Kommissionen so wie die unsägliche Gecko-Kommission – die Menschen in unserem Land sprechen sprichwörtlich von der Tarnanzugskommission – oder jene, die beobachten soll, wie sich die Teuerung in Österreich auswirkt.

Da muss man sich ja wirklich fragen: Seid ihr von allen guten Geistern verlassen? (Heiterkeit der Bundesrätin Steiner-Wieser.) – Wenn ich so wenig Bezug zur Realität habe, dass ich nicht einmal mehr weiß, wo den Menschen in unserem Land der Schuh drückt, dann ergibt das – so wie jetzt in Österreich – eine Situation, aus der es nur mehr einen logischen Ausweg gibt: Sie sollten zurücktreten, denn die Menschen draußen haben das, was Sie aufführen, satt! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Herr Kanzler Nehammer, die einzige Effizienzsteigerung, die diese Regierung in diesem Land noch schaffen könnte, wäre der Rücktritt. Viele Menschen haben Sorgen und Existenznöte. Sie wissen nicht, ob sie sich das Heizen leisten können. Sie wissen nicht, wie sie den Strom zahlen sollen oder ob sie sich lieber etwas zum Essen kaufen sollen. Jene, die pendeln müssen, wissen nicht, wie sie den Treibstoff bezahlen können. Sie alle fragen sich eines, und das ist ihnen überhaupt nicht einerlei: Warum tritt diese Regierung nicht endlich ab? – Es ist ganz klar, warum das nicht passiert: Weil Sie mit aller Macht am Futtertrog der Macht bleiben wollen und eben diesen ungebremsten Hang dazu haben. Daher geht es frei nach Blümel: Um jeden Preis – koste es, was es wolle – bleiben wir an der Macht!

Diese unrühmliche Phalanx zieht sich von oben herab durch alle Ebenen. Das fängt beim grünen Bundespräsidenten an, dann geht es hin zu Schwarz, Türkis, Grün – die wollen auch an der Macht bleiben – bis hin zu einer Scheinopposition à la SPÖ und NEOS. Dass dabei ganz Österreich unter die Räder kommt, ist Ihnen vollkommen wurscht. Man nimmt den Bundespräsidenten eigentlich nur mehr dann wahr, wenn er gefühlt einmal wöchentlich vor die Tapetentür geht, um wieder eine Angelobung des einen oder anderen von diesem Kasperltheater vorzunehmen. Wenn es aber darum geht, die täglich auf- -


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege! Gibt es für „Kasperltheater“ vielleicht ein anderes Wort?



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Bundesrat Josef Ofner (fortsetzend): Angesichts dessen, wie sich die Herrschaften aufführen, ist das, glaube ich, ein durchaus dienlicher Begriff. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn es aber darum geht, die täglich aufschlagende Korruption dieser Regierung anzuprangern, dann hört man von ihm nicht einmal einen Pieps. Das ist aber auch verständlich, denn er kann ja nicht sagen: So sind wir nicht! – Sonst müsste er sich jeden Tag selber anlügen. Denn wie kommt es, dass er als Gemeinschaftskandidat von Schwarz, Türkis, Grün, Rot und Pink gehandelt wird? – Er wird von allen mit Lorbeeren überschüttet, obwohl ganz Österreich erkennt, dass er überhaupt nicht mehr Herr der Lage ist. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist deswegen der Fall, weil sich Krähen natürlich nicht gegenseitig die Augen aushacken. So bleibt der Gabentisch für alle reich gedeckt. Da schaut er schon einmal darüber hinweg und tut so, als ob er nichts mitbekommt – wobei ich mir nicht immer sicher bin, ob das wirklich der Fall ist.

Er tut so, als würde er es nicht mitbekommen, dass sich der schwarze Seniorenbund von Vorarlberg bis Niederösterreich die Taschen mit Coronahilfen vollfüllt. Er tut so, als ob er nicht mitbekommen würde, was beim Wirtschaftsbund passiert. Und das alles, während beispielsweise eine Friseurin, die von dieser Regierung über mehrere Lockdowns zur Untätigkeit genötigt wurde, vielleicht einmal gerade 500 Euro von dieser Regierung bekommen hat, um die monatlichen Miet- und Betriebskosten abzugelten. Dafür wird sie jetzt aber auf Herz und Nieren geprüft, ob sie dieses Geld auch wirklich nicht zu Unrecht erhalten hat. Das ist unsere Bundesregierung, das ist die Arbeit dieser Bundesregierung. Wo ist das mahnende Wort zum Sonntag vom Herrn Bundes­prä­sidenten? – Fehlanzeige, abgetaucht im teuersten Raucherkammerl von ganz Öster­reich. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo ist der Präsident, wenn in Österreich im Stundentakt die Korruptionsgranaten bei der ÖVP einschlagen? Wo ist er angesichts der Tatsache, dass es erstmals in der Ge­schichte sogar einen ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss braucht, dessen Vor­sitz dann wieder von einem ÖVPler geführt wird, der selbst bis zum Haaransatz in diesem Sumpf versinkt? – Fehlanzeige, wieder kein Präsident zu sehen, und das, ob­wohl die ÖVP weiter ganz ungeniert Postenschacher betreibt.

Das jüngste Beispiel zeigt das Geschenk, das man Frau Rabl-Stadler, ihres Zeichens ehemalige Präsidentin der Salzburger Festspiele, zu ihrem heutigen 74. Geburtstag gemacht hat. Sie wird nunmehr die Sonderberaterin für Auslandskultur. Scheinbar gibt es bis heute noch zu wenige Abgesandte in dieser Republik. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo bleibt da der Aufschrei des Bundespräsidenten? – Fehlanzeige, kein Aufschrei, denn das ist dem Abtausch des eigenen Machterhalts geschuldet. Und ja, so sind Sie, so sind Sie leider alle!

Dann gibt es natürlich auch noch die Grünen: Bei denen ist ja die Leidensfähigkeit mittlerweile ebenso unendlich wie ihr utopisches Paralleluniversum geworden. Das sind jene, die gesagt haben, der Anstand würde grün wählen. Diesen Slogan müssen wir jetzt wirklich um ein Wort ergänzen: Der Anstand würde keinesfalls grün wählen, denn diese selbsternannten Gralshüter von Freiheit, Grund- und Menschenrechten haben sämtliche Moral und Anstand über Bord geworfen.

Da wird rundherum mitunter fröhlich mitabkassiert, der Postenschacher feiert ebenso fröhliche Urstände wie bei den Schwarzen. Man bindet sich nicht mehr an Bäume, sondern maximal noch an die Schwarzen, sonst würde man Gefahr laufen, dass man bei Neuwahlen wieder einmal aus dem Parlament fliegt. Da ist es dann völlig egal, dass die Schwarzen und Türkisen im Zusammenhang mit Corona bei der Vergabe von Schultests oder Masken abkassieren, sogar mit Strafzahlungen belegt werden, weil die Ausschreibungen getürkt werden. Den Grünen ist das völlig egal. Es ist auch egal, was der Wirtschaftsbund in Vorarlberg aufführt, wo man natürlich auch mit drinnen ist. Es ist


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egal, dass an einer fleißig arbeitenden Bevölkerung vorbei einfach unrechtmäßig kassiert wird.

Warum ist das so? – Weil die Grünen mittlerweile komplett gleich sind. Schauen wir es uns an: Wer ist denn der Chef im Stiftungsrat des ORF? – Das ist Herr Lockl, der dort zufällig eingesetzt wurde. Vorher färbt man auch die Ministerien um. Wir brauchen uns nur das Umweltministerium anzuschauen. Das ist übrigens jenes Ministerium, das sich gerade eine Klimaanlage um 143 000 Euro geleistet hat. Ich glaube, das ist für den Klimaschutz etwas kontraproduktiv, aber vielleicht ist sie ja CO2-neutral; und wenn sie es nicht ist, dann wissen, warum wir die CO2-Steuer brauchen. (Heiterkeit der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Im Gesundheitsministerium wird um 25 000 Euro ein Gutachten vergeben, das sich dem Thema – ich zitiere – künstliche Intelligenz und Verbraucherschutz widmet. Dass in diesem Ministerium künstliche Intelligenz von Vorteil wäre, ist mir völlig klar (Heiterkeit der Bundesrätin Steiner-Wieser), denn das haben die völlig abstrusen Coronaver­ordnungen gezeigt. Da entfernt man sich täglich noch einmal mehr von der Realität.

Es ist eigentlich unglaublich, dass da noch mehr geht, aber die Grünen überraschen uns jeden Tag aufs Neue. Da kommen dann so Aussagen wie jene von Vizekanzler Kogler heute. Er hat zwar heute gesagt, er habe es nicht so gemeint, als er die Freiheitlichen kritisiert hat, dass sie im Zusammenhang mit der Teuerung eine Hysterie anzetteln (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler); man müsse einfach schauen, dass diejenigen mehr tragen, die mehr tragen können, damit es für die, die eh nicht mehr können, nicht noch ungemütlicher wird.

Herr Kogler, ich weiß, dass es um Ihre Wahrnehmung nicht immer bestens bestellt ist, aber es ist in der Realität nun einmal so, dass sich die Leute das nicht mehr leisten können; und das Einzige, was untragbar ist, sind Sie und diese Regierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie heute sagen, Sie haben vielleicht den falschen Begriff gewählt, so ist das ja auch signifikant für Ihr Wesen als Vizekanzler. Das passiert Ihnen öfter. Ich erinnere nur daran, dass Sie, als die Österreicher sich gegen die Coronamaßnahmen friedlich auf­gelehnt haben, sie als „Staatsverweigerer, Demokratiefeinde, Neonazis und Neo­faschis­ten“ bezeichnet haben. Dass Sie die Begrifflichkeiten gerne durcheinanderbringen, ist uns also durchaus bekannt. (Beifall bei der FPÖ.)

Was macht die Scheinopposition aus Pinken und Roten? – Da brauchen wir uns nur die Pinken anzuschauen: Die wollen auch keine Neuwahlen haben. Es läuft zwar alles aus dem Ruder in Österreich, aber Neuwahlen brauchen wir deshalb natürlich keine. Die haben scheinbar gleichviel Angst wie die Regierung: dass sie von der Bevölkerung nicht gewählt werden, weil sie ebenso wie die Roten bei den ganzen unsäglichen Corona­maßnahmen mit dabei waren und natürlich wissen, was ihnen im Falle einer Neuwahl blüht.

Die Roten haben sowieso kein Problem, wenn Schwarz, Türkis und Grün abkassieren, denn schließlich hat man das System jahrzehntelang selbst so aufrechterhalten. Das ist auch nicht das größte Problem, das man in Österreich hat. Es gibt aber nur eine Mög­lichkeit, aus dieser Korruptions-, Unfähigkeits- und Verbotsspirale endlich herauszu­kommen, und das wäre, dass die Regierung Österreich aus der Geiselhaft entlässt und den Weg für sofortige Neuwahlen freimacht. Die Österreicher wurden in den letzten zwei Jahren genug drangsaliert, und glauben Sie mir, die Österreicher sind fähig zu erkennen, wer künftig ihre Interessen am besten vertreten kann.


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Geben wir den Leuten in unserem Land ihre Freiheit zurück! Österreich muss wieder frei sein, frei von Korruption, Unfähigkeit und Verboten! Daher freuen wir uns auf Ihre Unterstützung unseres Entschließungsantrages. (Beifall bei der FPÖ.)

12.30


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster ist Ingo Appé zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.30.20

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Anwesende auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich glaube, Sie werden es ver­stehen, wenn ich in den Dankeschor gegenüber den aus der Regierung ausgeschie­denen Mitgliedern nicht einstimme, sondern mich etwas den offenen Baustellen der Vorgängerin von Herrn Bundesminister Totschnig widme – aber keine Angst, nicht allen offenen Baustellen, denn das würde den Rahmen meiner Redezeit sprengen.

Ich möchte mich einem Thema explizit widmen, nämlich dem des Trinkwassers. Der Bundesrat wird zu Recht als Zukunftskammer bezeichnet. Auch die gestrige Enquete der Frau Präsidentin zum Thema „Die Zukunft dezentraler Lebensräume“ hat gezeigt, dass sich der Bundesrat immer wieder von zukunftsorientierten Themen leiten lässt und Impulse für die Republik Österreich setzt. Das ist auch mir während meiner Präsi­dentschaft im Jahr 2019 gelungen, nämlich mit der Enquete zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben eine akute Baustelle, und diese betrifft die Umsetzung der EU-Trinkwasserrichtlinie, die bis Jänner 2023 zu realisieren ist. Leider hat Ihre Vorgängerin da nicht viel gemacht, um es jetzt ganz zart zu umschreiben. Auch die Auftaktveranstaltung im März wurde vom ÖVGW als sehr enttäuschend klas­sifiziert.

Es ist wieder einmal fünf vor zwölf betreffend die Umsetzung, und was 2019 schon als Diskussionsthema, als fernab bevorstehendes Problem erörtert wurde, das ist leider heute, 2022, bittere Realität: Der Klimawandel hat auch die Trinkwasserversorgung er­reicht. Im Regierungsprogramm dieser Bundesregierung steht unter dem Schlagwort „Wasser schützen“ unter anderem Folgendes: „Sicherstellung der langfristigen Versor­gung der Bevölkerung mit Trinkwasser und Verbesserung der Versorgungssicherheit (Erhalt und Erweiterung der Trinkwasserversorgungsinfrastruktur) und der Wasser­qua­lität“, „Gesetzliche Vorrangstellung der Trinkwasserversorgung bei Nutzungskonflikten“, Trinkwasserversorgung bleibt in öffentlicher Hand: keine Wasserprivatisierung“.

Dies ist auch erfolgreich 2019 in § 4 Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung festgehalten worden, und daher appellieren wir eindringlich, Herr Bundesminister, in die Gänge zu kommen, so rasch wie möglich die Richtlinie umzusetzen und nicht wieder im Dezember unter Zeitdruck ein Gesetz zu verabschieden, das nicht unter Einbeziehung aller Stakeholder ausreichend durchdis­kutiert wurde.

§ 105 Abs. 1 sagt eigentlich schon alles: Die Versorgung der Bevölkerung mit Trink­wasser in ausreichender Menge stellt ein besonders qualifiziertes öffentliches Interesse dar, das bei allen behördlichen Maßnahmen nach diesem Gesetz vorrangig zu berück­sichtigen ist.

Dies beinhaltet auch die Nutzungskonflikte der Wassernutzung mit der Landwirtschaft, und da sind Sie, Herr Bundesminister, in zweifacher Hinsicht gefordert. Ich hoffe, Sie treten den Beweis an, dass die Agenden des Trinkwassers nicht im Interessenkonflikt mit Ihrer Funktion als Vertreter und Lobbyist der Landwirtschaft stehen. Vielleicht wirft


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auch der Regierungspartner ein sorgsames Auge darauf. Die Erfahrung der Vergan­gen­heit hat leider das Gegenteil bewiesen. Kollege Lackner, schauen wir uns dann an, wer der Realitätsverweigerer ist! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.34


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster ist Dr. Johannes Hübner zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


12.34.44

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, grüß Gott! Frau Präsidentin, ich habe gesehen, Sie sind nach mir zu Wort gemeldet. Das wird interessant.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ja, danke schön.


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (fortsetzend): Das ist sehr gut, da kann ich Ihnen als Vertreterin der Regierungsparteien gleich ein paar Fragen stellen, da kann ich gut darauf eingehen. Wir haben jetzt gehört, der Bundesrat wäre angeblich ein Zukunftsinstitut oder ein Zukunftsrat. Ich glaube, in der Zukunft können wir das alles machen, jetzt sollten wir allerdings einen Gegenwartsrat machen und über die gegenwärtigen Probleme, die riesig sind, sprechen und beenden, uns selber zu belobigen, wie das die Regierung bis jetzt gemacht hat.

Ich fange einmal beim Thema Nummer eins an, der Inflation. Es ist mir völlig unver­ständlich, dass die derzeitigen Teuerungsraten, die so hoch sind wie schon seit 50 Jah­ren nicht mehr, in einer Weise bagatellisiert werden, wie es der Herr Vizekanzler ge­macht hat. Er sagt, gegen die Inflation kann man nichts machen, die kommt von außen, man kann nur die Folgen lindern.

Das ist vielleicht in einem kleinen Teil wahr, weil wir unsere Kompetenzen, volkswirt­schaftlich und währungspolitisch autonom zu entscheiden, aufgegeben haben. Das haben wir nach Brüssel oder eigentlich nach Frankfurt delegiert. Dort wird über die Geld­menge und damit über die Inflationsrate entschieden.

Daran sind wir selber schuld. Wenn man also dagegen etwas tun will, dann sollte man einmal dieses System infrage stellen und sich fragen, warum wir wirklich eine Nullzins­politik fahren müssen, nur damit Staaten, die 140, 150 Prozent ihres Bruttosozial­pro­duktes an Schulden angehäuft haben, ihre Staatsanleihen bedienen können. Das wäre einmal eine interessante Frage, die ich auch von einer Bundesregierung, einem Kanzler, einem Vizekanzler oder einem Minister erwarte. Die hören wir aber nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Vizekanzler Kogler: Gegenfrage: Euroaustritt?)

Aber ich bin gerne zu einem - - (Vizekanzler Kogler: Treten wir aus dem Euro aus?) – Das führt jetzt ein bisschen zu weit (Vizekanzler Kogler: Das führt nämlich genau dorthin!), aber die Eurozone, wie sie jetzt besteht, ist sicherlich unhaltbar. Ich will jetzt mit Ihnen keine Eurodiskussion führen, das ist jetzt nicht mein Thema, aber à la longue ist das natürlich zu überlegen. Die Eurozone, wie wir sie haben, ist hoffnungslos gescheitert. Da können viele Volkswirtschaften nicht mit, weil sie zu teuer ist. Eine Nullzinspolitik ist für uns eine Katastrophe. Man kann natürlich sagen: Es ist alles egal, es ist egal, ob das für Österreich eine Katastrophe, gut oder schlecht ist, wichtig ist die europäische Solidarität. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt ein Axiom, einen Glaubenssatz: Die Welt ist Europa, Europa ist die Welt! Ohne Europa lebt die Welt nicht mehr, die Welt ist die Europäische Union! Wenn die Euro­päische Union nicht gestärkt wird, dann kann Europa nicht leben und wir damit nicht! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Das ist natürlich eine Blase der Realitäts­ver­weigerung, über die wir uns ein bisschen erheben sollten.


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Gehen wir zurück: Warum kann man eigentlich gegen die Inflation nichts tun? Das ist ähnlich wie Corona. (Vizekanzler Kogler: Wer sagt denn das?) – Das sagt der Vize­kanzler (Vizekanzler Kogler: Nein, das ist falsch!): Die kommt von außen, wir können nur die Folgen mildern.

Schauen Sie einmal zu Ihren grün-rot-gelben Kollegen nach Deutschland. Die haben sehr wohl etwas gegen die Inflation gemacht. Zum Beispiel haben sie die Mehrwert­steuer auf Treibstoff gesenkt, nämlich um 17 Cent für Diesel und, ich glaube, um 22 oder 25 Cent für Benzin (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), was dazu führt, dass nach Jahren in Deutschland Benzin günstiger ist als in Österreich. Oder schauen Sie nach Italien: Da hat noch im Februar der Diesel genauso wie Super 40 bis 50 Cent mehr als in Österreich gekostet, jetzt kostet er in Österreich mehr als in Italien. Schauen Sie sich die Teuerungsraten an: Die liegt bei uns jetzt im Mai bei 8,1 Prozent, und selbst traditionelle Hochinflationsländer wie Italien und Frankreich liegen darunter.

Jetzt kann man natürlich sagen: Da kann man nichts machen, wir verteilen das eh irgendwohin um! Wir machen nichts gegen die Inflation, aber wir verteilen dann 150-Euro-Gutscheine, die man irgendwann einmal kriegt, denn gegen die Inflation etwas zu tun – na ja. Sie sagen nicht, warum Sie nichts machen, Sie tun es einfach nicht.

Es ist nicht erforderlich, dass man die höchste Mineralölsteuer beziehungsweise den höchsten Mineralölsteuersatz in Europa hat. Das ist nicht erforderlich. Es ist nicht erforderlich, dass wir die Mehrwertsteuer auf Treibstoffe nicht senken.

Es ist auch nicht erforderlich, dass wir Krokodilstränen – wo ist Kollege Lackner? – über das Verschwinden des Bauernstandes und das Aufgeben von Millionen Bauern in Europa vergießen, wenn wir als Ausgleich für die enorme Belastung, die die Bauern dadurch haben, dass allein der Treibstoff 40 Prozent mehr kostet, ein Modell entwickeln, bei dem sie pro Liter – das ist dieser Teuerungsausgleich, von dem Sie reden, also die Milderung der Folgen – 7 Cent ersetzt bekommen, aber nicht an der Tankstelle, sondern nach Ausfüllen eines sechsseitigen Formulars, vielleicht in einem Jahr und gedeckelt mit 30 Millionen Euro. Das heißt, wenn mehr als 30 Millionen Euro beantragt werden – das wird in der Jahresschau erst ermittelt –, dann wird entsprechend gekürzt und es bleiben nur 3 oder 4 Cent übrig.

Der Verwaltungsaufwand, der da dahintersteckt – jetzt rede ich gar nicht von der Arbeits- und Lebenszeit der Bauern, die diese Anträge ausfüllen müssen; das ist ja bei allen Bürgern so, die Hilfen beantragen, dass man im Wesentlichen Zetteln ausfüllt, von dem rede ich gar nicht –, der Verwaltungsaufwand der Republik allein würde es wahr­schein­lich rechtfertigen, diese 7 Cent den Bauern sofort zu schenken. (Beifall bei der FPÖ.)

Na ja, ich will aber, wenn wir jetzt schon beim Agrardiesel sind, noch auf die Aus­führungen des Kollegen Lackner eingehen und auf die Krokodilstränen über das Ver­schwinden der Bauern. Wir hören immer von allen Ministern für Landwirtschaft, von allen Grünabgeordneten, wie wichtig die Regionalisierung für den Erhalt der regionalen Land­wirtschaft und die regionale Versorgung unseres Landes ist. Ja, was steht denn dieser Regionalisierung entgegen? Der Vizekanzler wird es sicher wissen. Was steht denn der Regionalisierung entgegen? – Na in erster Linie der gemeinsame europäische Markt, der ja eine Globalisierung in europäischen Maßstäben ist, der Artikel 50 der Verträge über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der jede Art von Beeinflussung des Marktes auf nationaler oder regionaler Grundlage unmöglich macht.

Es ist eine Verletzung der Verträge, wenn ich die Landwirtschaft regionalisiere, es ist eine Verletzung der Verträge, wenn ich der Firma San Lucar den Zugang zum öster­reichischen Markt tarifär oder nicht tarifär erschwere. Wie soll denn bitte die regionale – wir haben hier ja ohnedies genug Landwirtschaftsvertreter – Gemüse- oder Obstland­wirtschaft funktionieren, wenn sie mit San Lucar konkurriert? Das sind Firmen, die


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250 000 Hektar selbst oder über Kontrakte bearbeiten, im Wesentlichen mit halb bis vollständig illegalen marokkanischen Wanderarbeitern die Felder betreuen, die Chemie­dünger in einer Weise verwenden, die bei uns unvorstellbar ist, und die mit subven­tionierten Transportkosten freien Markt in Österreich haben. Wer davon redet, der muss auch den Grund nennen, warum die Regionalisierung nicht möglich ist, und das ist der freie europäische Markt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bin für die Regionalisierung, hundertprozentig. Das ist der einzige Weg, unsere Landwirtschaft zu erhalten. Wir können aufgrund unserer Strukturen, unserer Geografie und so weiter – Kollege, Sie wissen es ohnehin – mit industriellen Multis wie San Lucar und Co – ich habe San Lucar nur herausgegriffen, weil das jeder aus der Billafiliale kennt – nicht konkurrieren. Und wir können uns nicht darauf verlassen, dass es, wie Sie ohnehin schon gesagt haben, Hofübernehmer gibt mit der Hoffnung, dass sie vielleicht eine Mutterkuhprämie von der EU bekommen, obwohl sie mit der Milch keine kostendeckenden Produkte erzeugen können. Darauf können wir uns nicht verlassen.

Wir brauchen ein komplettes Umdenken, und das muss eine Lösung für unsere Ver­hältnisse sein, abgestimmt auf unser Land und nicht vorgegeben von einer Europäischen Kommission oder von multinationalen Agrarkonzernen, die dort das Sagen haben. Diese Realität wird verleugnet. Man freut sich vielmehr darüber, dass es jetzt ja wieder eine Konferenz über die Reform der Europäischen Union gegeben hat. Super, da fällt natürlich auch das österreichische Vetorecht, wenn das alles umgesetzt wird. Da gibt es einen Zug zur Zentrale, da gibt es die Durchsetzung des gemeinsamen Marktes ohne Wenn und Aber. Da kann sich niemand mehr dagegen wehren. Das wird auch unter­stützt. Wir werden ja sehen, das wird ja auch diskutiert werden. Das wird bei uns auch in die Foren kommen, das war auch gestern im EU-Ausschuss. Wir werden ja sehen, wie sich die Leute, die Krokodilstränen über die Zerstörung unserer regionalen Wirt­schaft, die Krokodilstränen über die Industrialisierung der Landwirtschaft vergießen, dann verhalten werden, ob die dann sagen: Nein, nein, nein! Genug ist genug! Wir brauchen Kompetenzen zurück, wir müssen diesen Wahnsinnsglobalisierungsirrsinn auf europäischer Ebene stoppen und den Regionen und den Ländern ihre Souveränität in lebenswichtigen Fragen wie der Lebensmittelproduktion wieder zurückgeben. – Da bin ich dann wirklich gespannt.

Jetzt noch ein Letztes, und das ist die Coronapandemie, denn auch da haben wir natür­lich gehört, wie super die bewältigt wurde und was für Opfer da alle gebracht haben. Da haben wir uns alle bei den scheidenden Ministern dafür bedankt, was die in dieser Pan­demie geleistet haben. Eines hätte ich gerne gehört, Herr Bundeskanzler: Wer wird denn dafür zur Verantwortung gezogen, dass in Österreich mit österreichischen Steuergeldern 52 Millionen Impfdosen angekauft wurden? 52 Millionen Dosen von Impfstoffen, die nicht einmal eine Zulassung haben, nur eine vorläufige Zulassung, die diese Zulassung aus gutem Grund bis heute nicht haben und die mit Sicherheit nicht mehr brauchbar sind, weil sie bereits seit sechs Monaten anerkannt vollkommen wirkungslos sind. Bereits gegen Omikron haben diese Impfstoffe keine Wirkung.  (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist schwer, jetzt zu sagen, dass es so ist, weil die Spitäler natürlich dazu angehalten sind, keine Informationen darüber herauszugeben. Aber es gibt da immer so kleine Licht­punkte, Frau Kollegin Zwazl, wo man die Realität durchleuchten sieht, und das ist die Universitätsklinik Innsbruck. Die gibt nämlich immer bekannt, wie viele von den Patienten mit Corona auf den Intensivstationen geimpft, also geschützt sind und wie viele nicht. Wenn Sie da die letzten Zahlen, die veröffentlicht worden sind, anschauen, dann stellt man fest: Meistens sind sie zu einem Anteil, der bei 100 Prozent liegt – sowohl bei den Insassen als auch bei den Belegern der Intensivstationen, der ICUs, wie sie jetzt heißen –, geimpft. Das müsste einem zu denken geben. Und jetzt wird weiter Geld oder ORF-Sendezeit – der ORF veröffentlicht entgegenkommend unentgeltlich – für eine


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Mitteilung der Bundesregierung verwendet. Da sieht man die Leute: Wir haben keine Maske mehr, jetzt lassen wir uns alle impfen! Impfen hilft, impfen für alle!

Wann wird man damit aufhören, wenn man doch keinen Impfstoff hat, der irgendetwas Sinnvolles ist? Wollen Sie jetzt mit dem nicht zugelassenen, bereits gegen die jetzigen Varianten von Corona vollkommen wirkungslosen Impfstoff gegen die Affenpocken impfen, oder was soll das Ganze? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich könnte die Liste meiner Schmankerln, die ich dem Herrn Bundeskanzler gerne servieren würde, noch lange fortsetzen. (Bundesrat Obrecht: Nein, danke!) Da aber die Mittagszeit heranbricht und Frau Kollegin Zwazl dringend auf all meine Fragen antworten und eingehen will, überlasse ich ihr die Bühne und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

12.47


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile dieses.


12.47.42

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vizekanzler! Geschätzte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich immer sehr, wenn ich von Herrn Kollegen Hübner so höflich aufgefordert werde, nur hat er sich die ganze Zeit über mit dir, Herr Bundeskanzler, unterhalten und weniger mit mir. Es ist natürlich schon so, dass man sich, wenn man die heutige Diskussion verfolgt, fragt, ob wir da überhaupt noch von Österreich reden. Oder wovon reden wir? Ich höre: Totalchaos. Wo haben wir ein Totalchaos? (Bundesrat Steiner – auf die Regierungs­bank deutend –: Da sitzt es!) Bitte schön, das darf es ganz - - Nein, nein, das ist kein Totalchaos. Ein Totalchaos wäre es, wenn da keiner sitzen würde und wenn man dafür verantwortlich wäre, dass du die Entscheidungen triffst. Dann hätten wir ein Totalchaos. So schaut es aus! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Warum skandalisiert man alles? Wir wissen das noch gar nicht jetzt mit - ‑ (Bundesrätin Schumann: Wir skandalisieren doch nicht!) – Halt, halt, Korinna, warum hast denn du heute keine Nerven? (Bundesrat Obrecht: Nerven wie Drahtseile hat sie!) Ich will ja ganz einfach von den 11 Millionen Euro vom Unterrichtsministerium reden. Das ist ganz einfach so – da haben wir uns jetzt erkundigt –: Es ist bundesvertragskonform vorge­gangen worden (Bundesrätin Schumann: Das kostet 11 Millionen!), aber wir können dem Abschluss der Gespräche nicht vorgreifen. (Bundesrätin Schumann: Genau! Es kostet 11 Millionen!) Also man schaut sich das an. Reden wird dann darüber, wenn wirklich die Fakten am Tisch liegen!

Ich finde es schon super, dass man eine Opposition hat und eine starke Opposition, und das wünsche ich mir auch, denn eine starke Demokratie braucht auch eine starke Opposition. (Bundesrätin Schumann: Danke!) Aber wenn Sie, Herr Kollege, sagen: Kritik ist wichtig, aber es soll eine unsachliche Kritik sein!, dann sage ich: Nein. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Unsachliche Kritik haben Sie gesagt, ich habe es mitgeschrieben. (Zwischenrufe der Bundesräte Obrecht und Schennach.) Und das ist ganz einfach der falsche Weg. Das ist der falsche Weg. (Bundesrat Schennach: Nein, das sagt er nicht!) Kritik ja, und konstruktive Kritik ja, das ist wichtig. Ich weiß das als Unternehmerin. Wenn wir nicht im Wettbewerb stehen würden, dann hätten wir uns in unserem Unternehmen gar nicht weiterentwickelt. Das ist ganz einfach so, damit muss man leben, und ich finde das richtig.

Sie haben die Situation angesprochen, in der wir sind. Ich habe immer wieder den Eindruck: Wir haben uns Corona bestellt, wir haben uns die Inflation bestellt, wir sind schuld an der Ukrainesituation. – Das ist nicht so! Und das ist ganz einfach eine Situation,


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die nicht nur Österreich betrifft, sondern das ist global. Wenn ich mir das jetzt anschaue, so haben wir die Coronasituation gut bewältigt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Ja, im Oberösterreichischen Seniorenbund vielleicht!)

Ich bin froh, dass unsere Betriebe ihre Mitarbeiter haben behalten können, dass wir über die Runden gekommen sind und dass wir wirtschaftlich relativ gut dastehen. Es ist eine schwierige Situation, aber wir haben es mit Unterstützung ganz einfach gut gemeistert. Aber ich sage euch etwas: Ich bin froh, dass ich in Österreich lebe und nicht in China bin, wo sie mich zwei Monate einsperren, niederknüppeln und meinen Hund erschlagen. (Bundesrätin Schumann: Was ist das für ein Vergleich?!) Ich meine, das sind ganz einfach Situationen, die können wir uns doch wirklich nicht wünschen.

Die Inflation haben wir auch nicht gemacht, und für den Ukrainekrieg können wir auch nichts. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt sage ich euch etwas: Um eine schwierige Situation zu bewältigen, braucht es Kraft, Zuversicht und Zusammenhalt. Das müssen wir einmal wissen, und so müssen wir auch vorgehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn ich schon sage, wir haben so ein Chaos, alle, die Entscheidungen treffen, sind unfähig, dann frage ich mich: Und von wem kann man lernen? In einer Situation ist es immer so, dass ich sage: Wer kann es besser, wer macht es gescheiter? (Bundesrat Ofner: Na wir! – Bundesrätin Schumann: Wir!) – Ihr habt es ja noch nicht gemacht. Aber wenn ich mir jetzt die anderen Länder anschaue, wo kann ich da sagen: Super, die haben das alles gut gemacht!? (Bundesrat Steiner: Schweden! – Bundesrätin Schartel: Dänemark!) – Nein, das stimmt nicht.

Eines sage ich euch auch: Denkt einmal daran, in welcher Situation wir wären, wenn wir nicht die ganzen Pakete geschnürt hätten! (Bundesrat Obrecht: Welche Pakete?) Es ist natürlich ein schwieriges Thema und ein schwieriges Problem – wir haben das in der Wirtschaft auch –: Man muss die Konzepte zielgruppengerecht machen. Das ist schon ein wichtiges Thema.

Was mich eigentlich ein bisschen überrascht, ist natürlich die Reaktion darauf, dass wir jetzt Arbeit und Wirtschaft in einem Ministerium haben. Korinna, hätten wir ein Arbeitsministerium und ein Wirtschaftsministerium, wären beide derzeit von der ÖVP besetzt. (Bundesrätin Schumann: Die ArbeitnehmerInnenvertretung hat keine Freude damit!) Ich denke ganz einfach, und wir erleben das ja in der Sozialpartnerschaft – ich stehe ja hier wirklich als gutes Beispiel der niederösterreichischen Sozialpartnerschaft –, je mehr Kontakt man zueinander hat, desto besser kann man ganz einfach die Probleme lösen. (Bundesrätin Grimling: Na net! – Bundesrätin Schumann: Unter Minister Kocher!) Ja, das ist ganz einfach so! (Beifall bei der ÖVP.)

Korinna, warum machst du denn die Leistungen, die wir geschafft haben, so klein? Wenn ich mir anschaue, was wir in Sachen Ausbildung der Lehrlinge geschafft haben: Wir sind Vorbild für alle, und viele machen es uns nach! Warum sagen wir, dass wir nicht gut zusammenarbeiten und dass wir nichts weiterbringen? (Bundesrätin Schumann: Das hat ja keiner gesagt!) Das kann ja total nicht sein! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auf der anderen Seite sind wir froh, wenn wir jetzt schon vom Totalchaos reden, dass wir eine Arbeitslosigkeit von 5,7 Prozent haben. Das heißt, es kann nicht alles schlecht sein, was geschehen ist. Natürlich ist es schwierig und herausfordernd. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir alle wünschen uns ja, dass wir Experten haben, Experten, die in schwierigen Situationen helfen. Deshalb freue ich mich wirklich besonders, dass Susanne Kraus-Winkler Staatssekretärin für Tourismus ist; ich kenne sie seit Jahren. Sie hat nämlich


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den richtigen Zugang. (Bundesrat Obrecht: Da kann ja nichts mehr schiefgehen!) Sie kommt aus einem Unternehmen, sie kommt aus der freien Wildbahn und sie kennt die Situation. Sie kennt die Situation der kleinen Betriebe, sie hat in der Wirtschaft gear­beitet. Das ist ja das, was man immer wieder verlangt, wenn man sagt: Die Leute sollen von dem, worüber sie entscheiden, auch wirklich eine Ahnung haben. – Ich sage dir ein herzliches Dankeschön, weil ich weiß, dass bei dir der Tourismus in besten Händen ist. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Eines stört mich schon immer wieder: wenn man diskriminiert wird. Kollege Steiner, ich halte es für ein Privileg, älter zu werden. Ich sage dir etwas: Man kann ein Depp sein, mit 17 genauso wie mit 70, aber ich verwahre mich dagegen, dass ich mit 70 ein Depp zu sein habe. Das lasse ich mir nicht unterstellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich sage dir etwas: Genau der Mix ist das Wichtige, Männer und Frauen, Jung und Alt, Groß und Klein. Wir sehen das in der Wirtschaft: Warum sind wir so erfolgreich? Warum kommen wir so durch schwierige Situationen? – Weil wir eben den Mix haben, weil wir kleine, flexible Betriebe haben, weil wir die großen Leitbetriebe haben. Ich sage euch eines: Seien wir froh, dass wir in Österreich sind, dass wir so gute Entscheidungsträger haben, dass wir diese tatsächlich schwierige Situation, in der wir uns befinden, einiger­maßen gut bewältigen können. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.55


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir begrüßen die Zuseher auf der Galerie; eine Schulklasse besucht uns. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile dieses.

12.55.38


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herrschaften auf der Regierungsbank, die noch verblieben sind! Sehr geehrte Damen und Herren! Schön, dass wieder jemand da ist im Hohen Haus und auch einmal zuschaut. Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Jetzt kommt der Retter in mir durch, denn ich muss Herrn Kollegen Obrecht jetzt ein bisschen rausreißen. Was er gesagt hat, war vielleicht nicht ganz klar, aber eines muss man schon sagen: Wenn man ihm zugehört hat, und ich habe ihm zugehört, dann war ganz klar, was er gemeint hat. Ich glaube, einmal versprechen kann sich hier heraußen jeder. Das ist jedem schon einmal passiert, auch dem besten Redner. Also es war ganz klar, was du gemeint hast, und du hast das inhaltlich völlig richtig gesagt. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Herr Vizekanzler Kogler hat das heute angesprochen. Er hat von den vielen Krisen gesprochen, die die Regierung zu meistern hat. Na ja, jetzt schauen wir einmal, was das für Krisen waren: Da gab es die Coronakrise, da gab oder gibt es die Regierungskrise, da gibt es die ÖVP-Korruptionskrise, es gibt jetzt die Ukrainekrise und in erster Linie gibt es die Koalitionskrise. Ich habe aber gute Nachrichten für Sie, besonders für Herrn Vizekanzler Kogler, der jetzt leider weg ist: Die Regierungskrise, die ÖVP-Korruptionskrise und die Koalitionskrise können Sie ganz einfach beenden, indem Sie zurücktreten. (Beifall bei der FPÖ. – Vizepräsidentin Zwazl übernimmt den Vorsitz.)

Die Coronakrise haben Sie mit Ihrer überzogenen, evidenzlosen und auch grund­falschen Kollateralschadenpolitik selbst massiv mitverschuldet – siehe den schwedi­schen Weg, das war der bessere, und wir haben ihn auch immer propagiert! Und damit sich die Coronakrise in Österreich im Herbst nicht weiter fortsetzt, habe ich eine Lösung für Sie: Treten Sie zurück! (Beifall bei der FPÖ.)


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Die Ukrainekrise können Sie mit einem Rücktritt zwar nicht beenden, aber zumindest hört dann ein völlig irres Hineinzündeln von Kanzler Nehammer auf. Das ist ja gemein­gefährlich, was der da macht. – Also auch da kann ein Rücktritt hilfreich sein!

Bundeskanzler Nehammer hätte nach dem Terroranschlag zurücktreten müssen. Sie können sich vielleicht erinnern: Der Herr Bundeskanzler war zur damaligen Zeit Innen­minister, und natürlich hat er die politische Verantwortung dafür zu tragen, was da damals alles im BVT schiefgelaufen ist, noch dazu, wo dieses BVT eine jahrelang aufgebaute ÖVP-Spielwiese im Innenministerium ist oder gewesen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Um eine scheidende Ministerin zu zitieren: Es gibt in Österreich tatsächlich einen Politiker, der Blut an den Händen hat, und das sind Sie, Herr Noch-Kanzler Nehammer. (Beifall bei der FPÖ.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege, bitte!


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Ja, das war’s. Okay.

Was kam dann noch von Herrn Kogler? – Jetzt ist er wieder da. – Er hat über die Hungerkrise in Afrika gesprochen, weil jetzt das Getreide aus der Ukraine nicht nach Afrika kommt. Ich sage Ihnen jetzt etwas, das Sie wahrscheinlich sowieso wissen, meine Damen und Herren, besonders Sie, Herr Vizekanzler: Es werden weltweit so viele Lebensmittel produziert, dass nirgendwo auf der Welt jemand verhungern müsste. Niemand müsste verhungern! Das ist die Wahrheit. Aber was ist die andere Wahrheit? – Dass im Jahr 2019 alle 13 Sekunden irgendwo auf der Welt und natürlich auch in Afrika ein Kind verhungert ist. Alle 13 Sekunden!

Dank der irrsinnigen internationalen Coronapolitik, die Österreich leider voll und ganz mitgetragen hat und bei der Österreich in einigen Dingen sogar mit Ihren Maßnahmen international Vorreiter war und heute noch ist – Beispiele: Lockdowns, FFP2-Mas­kenpflicht und Impfzwang, der völlig schwachsinnige Impfzwang –, stirbt übrigens heute, im Jahr 2022, nach dieser Corona- und Lockdownpolitik alle 10 Sekunden irgendwo auf der Welt ein Kind an Hunger – alle 10 Sekunden! Also sparen Sie sich, Herr Vizekanzler, Ihr heuchlerisches Getue von wegen Nahrungsmittel für Afrika aus der Ukraine. Das glaubt Ihnen kein Mensch. (Beifall bei der FPÖ.)

Für Sie gleich noch ein paar Zahlen mehr zu dem, was Sie von dieser schwarz-grünen Regierung mit Ihrer Coronawahnsinnspolitik mit vielen anderen Ländern gemeinsam zustande gebracht haben, quasi die globalen Kollateralschäden der Coronapolitik. Leider habe ich auf die Schnelle heute die aktuellen Zahlen nicht gefunden. Meine Zahlen stammen vom Jahresende 2020, weshalb die Wahrheit wahrscheinlich noch schlimmer ist.

150 Millionen mehr Kinder leben jetzt in Armut. 130 Millionen mehr Menschen sind von Hunger bedroht. In Afrika wurden keine Mückennetze verteilt, auch keine Malaria­impfungen, keine HIV-Behandlungen und keine anderen fehlenden Medikamente. In Indien sind bis zu 20-mal so viele Tote durch den massiven Wirtschaftseinbruch zu beklagen als wegen Corona. Es gibt noch viele weitere Fakten. Im gleichen Zeitraum, in dem das alles passiert ist, meine Damen und Herren, sind die reichsten Menschen der Welt doppelt so reich geworden; sie haben ihren Reichtum verdoppelt. Das ist der Irrsinn an dem Ganzen und das ist der Irrsinn an dieser verfehlten Coronapolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, meine Damen und Herren, ist überhaupt eines der Hauptprobleme in Ihrer Politik. Jahrelang, im Falle der ÖVP sogar jahrzehntelang, ist Ihnen alles egal, außer es passt Ihnen gerade politisch rein. Dann wird es verwendet. Personalengpässe und überfüllte Krankenhäuser – jahrelang egal. Jetzt in der Pandemie hat es gut reingepasst, um Ihre


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Politik der Coronatyrannei und der ÖVP-Korruption durchzuziehen und zu begründen, mit der Sie sich auf Kosten der Steuerzahler über die Cofag innerhalb der ÖVP das Geld zugeschanzt haben.

Was hat die ÖVP und was hat diese Regierung in zwei Jahren Pandemie gemacht? Haben Sie das Gesundheitssystem ausgebaut? – Nein. Haben Sie Personal aufge­wertet? – Nein, im Gegenteil! Das Gegenteil ist der Fall: kein Cent mehr im Gesund­heitssystem und weniger Betten heute als vor der Pandemie. Das ist eine Schande! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung ist unfähig, und das ist nur ein Beweis von vielen dafür. Und der Rückhalt dieser Regierung, egal in welchen Umfragen, liegt überall unter 30 Prozent. Weniger als 30 Prozent der Österreicher dulden Sie noch als Regie­rung, egal ob im „Standard“, in der „Krone“, in „Österreich“, egal in welchen Medien.

Ich weiß, liebe ÖVP, diese Umfrage ist beinhart, nicht so wie Sie es gerne haben: Beinschab, ja. – Das ist ein Sickerwitz, der tut ein bisschen länger weh. (Beifall bei der FPÖ.)

Das chinesische Schriftzeichen für Krise besteht aus zwei Wörtern, aus zwei Zeichen quasi. Das eine Zeichen steht für Gefahr und das zweite Zeichen steht für Chance. Denken Sie einmal darüber nach, und ich helfe Ihnen auch gerne beim Nachdenken, weil Sie dabei ja manchmal etwas Pech haben: Die Gefahr sitzt auf der Regierungsbank, und die Chance sind Neuwahlen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.04

13.04.15*****


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Kollege Spanring, ich gebe Ihnen einen Ord­nungsruf für „Blut an den Händen“ und „Coronatyrannei“.

Ich weiß schon, dass bei euch die Ordnungsrufe eigentlich wie Orden gehandelt werden, aber man muss es trotzdem sagen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass man diese Ausdrücke hier jemandem zuschleudern darf, weil uns die Immunität schützt. (Bundesrat Ofner: „Blut an den Händen“ war ein Zitat!) – Nein! Wenn ich sage, er hat „Blut an den Händen“, dann unterstelle ich das. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Gut.

***** 13.04.57


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Es liegen keine Wortmeldungen dazu mehr vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen, und ich mache auch von meinem Stimmrecht Gebrauch.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Unterstützung bei der Feststellung der Mehrheit oder Minderheit. – Es ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

13.05.40Aktuelle Stunde


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema


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„Menschenrechts- und Umweltverbrechen in Lieferketten: Verantwortlichkeit für Konzerne im Europäischen Zivil- und Strafrecht“

mit Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, die ich recht herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen/deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesminister, die eben­falls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie abschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktionszugehörigkeit mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist unsere Kollegin MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte schön.


13.07.01

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Auf Wiedersehen, Herr Vizekanzler! (Heiterkeit der Red­nerin.) Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe ZuseherInnen! Seit mehr als 500 Jah­ren gibt es Lieferketten. Denken wir an die Kolonisation, bei der damals schon die Unternehmen in den Kolonien billig produzieren ließen und die Fertigprodukte in Europa verkauften. Denken wir an die Sklavenarbeit, mit der Produkte hergestellt oder Res­sourcen abgebaut wurden. Das klingt vertraut, ja, denn dieser Prozess zieht sich eben unter dem Begriff Lieferkette bis heute in unsere angeblich zivilisierte Zeit.

Die Dinge, die wir bei uns in den Geschäften kaufen, werden am anderen Ende des Kontinents, wie zum Beispiel in der Republik Moldau, oder gar am anderen Ende der Welt von Abermillionen von Menschen produziert, weil es dort immer noch so unvor­stellbar billig ist und weil dort immer noch kaum Arbeitsrechte bestehen oder gar ein ausreichend ausgebautes Sozialsystem vorhanden ist.

Es sind immer noch die Länder, die damals von den Europäern kriegerisch erobert und kolonialisiert wurden, wo Einflusssysteme aufgebaut worden sind, die bis heute wirken und die Menschen und die Ressourcen in diesen Ländern bis heute ausbeuten. Genauso wird dort die Umwelt zerstört, weil Umweltschutzgesetze rar gesät sind.

Das Schlechte auslagern, dem Guten frönen scheint noch immer die Devise zu sein, und dem will nun die EU mit ihrer neuen Richtlinie einen Riegel vorschieben. Mit einem Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen möchte sie nun einem nachhaltigen, einem umweltgerechten, Menschen- und Arbeitsrechte wahrenden Wirtschaften den Weg bereiten.

Der Vorschlag zielt darauf ab, Unternehmen – leider vorerst nur große Unternehmen – dazu zu bringen, auf der ganzen Welt nachhaltig und verantwortungsvoll in Bezug auf ihre Wertschöpfungskette zu agieren. Man kann es als ersten Schritt in die richtige und schon seit Hunderten Jahren notwendige Richtung bezeichnen.

Die Unternehmen sollen nun verpflichtet werden, zu ermitteln, ob ihre Tätigkeiten negative Auswirkungen auf die Umwelt, auf Menschenrechte, auf Kinderarbeit, auf Ausbeutung oder Diskriminierung von ArbeitnehmerInnen haben. Das ist von den Unter­nehmen zu ermitteln und abzustellen, zumindest aber zu minimieren – wie gesagt, ein erster Schritt.

Das fördert einerseits gleiche Wettbewerbsbedingungen und Rechtssicherheit für Unter­nehmen, was auch für die österreichische Wirtschaft von Bedeutung ist, nämlich vor


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allem für kleinere und mittlere Unternehmen, die nicht billig im Ausland produzieren können, sondern soziale und ökologische Standards einhalten.

Mit der Richtlinie kann dieser unlautere Wettbewerbsvorteil ausgeglichen werden, den sich die großen Unternehmen, die im fernen Ausland produzieren, nehmen. Das heißt, da unterstützt die EU sehr wohl die nationalen Wirtschaften – und nicht, wie Herr Hübner gesagt hat, ganz im Gegenteil.

Den KonsumentInnen bringt die Lieferkettenrichtlinie mehr Transparenz, da die Nach­haltigkeitsprüfung auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht werden muss und damit endlich etwas mehr Licht in den Herstellungsprozess fallen wird. Entsprechende Auf­sichtsbehörden sollen eingerichtet werden, bei denen Verstöße gemeldet werden und diese dann auch sanktioniert werden.

Der Richtlinienvorschlag könnte hier allerdings noch etwas strenger sein, denn derzeit sind nur etablierte Geschäftsbeziehungen dieser großen Unternehmen umfasst, auf die die Richtlinie anzuwenden ist. Gut wäre es aber auch, sie auf erste, das heißt frische Geschäftsbeziehungen auszuweiten, genauso wie den Personenkreis zu erweitern, der Verstöße melden darf, wie zum Beispiel auf MenschenrechtsaktivistInnen oder Gewerk­schaften.

MenschenrechtsaktivistInnen oder AktivistInnen an sich bringen nämlich oft unendliches Engagement auf, um menschenverachtende Arbeitsbedingungen oder grobe Umwelt­sünden aufzudecken. Sie gehen damit erhebliche und manchmal lebensbedrohende, jedenfalls aber finanzielle Risiken ein. Erinnern wir uns an die letztens besprochenen sogenannten Slapp-Klagen von Unternehmen gegen die aufdeckenden AktivistInnen, um sie mundtot zu machen.

Daher ist es unabdingbar, es ist die Aufgabe der Politik, Maßnahmen zu setzen und Regelungen zu schaffen, damit die Produkte, die wir hier konsumieren, unter gerechten Arbeitsbedingungen und unter Schonung der Umwelt hergestellt werden, in ihrer ganzen Wertschöpfungskette, genauso wie Produkte aus heimischer Produktion das tun. Das ist alles andere als der sogenannte freie Markt.

Ich bin zuversichtlich, dass sich unsere Justizministerin, die die Lieferkettenrichtlinie federführend mitverhandelt, dafür einsetzen wird, dass Unternehmen, die ihren Sitz in der EU haben, bei ihren gesamten Lieferketten auf dieselben sozialen und ökologischen Standards achten müssen und damit unter gleichen Bedingungen Gewinne machen können. – Ich bin zuversichtlich, dass Sie sich dafür einsetzen werden, Frau Ministerin, und danke Ihnen dafür!

Auch die von der Europäischen Kommission im Februar verabschiedete Strategie zur Förderung menschenwürdiger Arbeit weltweit ist in diesem Zusammenhang zu be­grüßen. Sie bereitet weitere Instrumente für das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit vor. Es sollen rechtliche Regelungen auf EU-Ebene, aber auch entsprechende Schritte in der EU-Handelspolitik gesetzt werden. Genauso soll die politische Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation der UN, den G7-Staaten und den G20-Staaten genauso wie mit NGOs und InteressenvertreterInnen in diesem Bereich gestärkt werden.

Ich möchte nochmals auf das eingangs Gesagte zurückkommen. Bei der Lieferketten­problematik geht es um den Wohlstand, den wir uns gesellschaftspolitisch und volks­wirtschaftlich, aber auch moralisch teuer erkaufen. Wir alle – da bin ich mir sicher, und natürlich auch ich – sind heute teilweise mit Dingen ausgestattet, die weit weg produziert wurden und die nicht unter fairen und umweltschonenden Bedingungen erzeugt wurden. Wir verdrängen das gerne, denn es tut verdammt weh, darüber nachzudenken, dass ein großer Teil unseres Wohlstands auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert. Der


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Soziologe Ulrich Brand bringt es sehr gut auf den Punkt, wenn er diese Art des Kaufs, diese Art der Lebensweise „imperiale Lebensweise“ nennt.

Wenn wir aber nicht mehr auf Kosten anderer leben wollen, dann wird es uns nicht mehr so günstig so gut gehen, denn billige Produkte haben natürlich den Effekt, dass sich mehr Menschen mehr leisten können. Daher werden wir im Zuge der Umsetzung der Lieferkettenrichtlinie aufmerksam sein müssen, wie sich diese auf Menschen mit gerin­gem Einkommen auswirkt.

Trotzdem ist so eine Lieferkettenrichtlinie natürlich zu begrüßen, denn wir wollen nicht Produkte kaufen und konsumieren, die in moderner Sklaverei, durch Kinderarbeit oder umwelt- und klimazerstörend erzeugt werden, sondern wir wollen Produkte kaufen, die von Menschen hergestellt werden, die fair bezahlt werden, die gute Arbeitsbedingungen haben und abgesichert sind, genauso wie Produkte, die umweltschonend hergestellt und gehandelt werden – Produkte, wie wir sie bereits in heimischer Produktion finden und die mit so einer Regelung vielleicht auch einen Boost erfahren können.

Hier geht es um Kostenwahrheit im weitesten Sinn. Es geht darum, dass Staaten und Unternehmen gefordert sind, wirtschaftlich nachhaltig und gerecht zu agieren. Wenn uns das gelingt, dann ist es meines Erachtens ein riesengroßer zivilisatorischer Gewinn für uns alle. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

13.15


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Ing. Eduard Köck. – Bitte.


13.15.39

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucher! Wir diskutieren heute über Gerechtigkeit in den Lieferketten. Ich denke, es ist ein sehr, sehr wichtiges Thema. Die Gesetzesinitiative wurde von meiner Kollegin sehr gut vorgestellt.

Es ist wichtig, dass wir da zu Gerechtigkeit kommen und vor allem Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Lieferketten ausschließen können und auf diesem Gebiet Grundstandards auf der ganzen Welt schaffen. Wir müssen wissen, dass ein kleiner Teil unseres Lebensstandards wahrscheinlich auf derartigen Verbrechen basiert, weil viele Kleidungsstücke und Lebensmittel teilweise durch Kinderarbeit erzeugt werden. Darum ist es eben gut, dass ein derartiges Gesetz auf den Weg gebracht wird, damit das in Zukunft ausgeschlossen werden kann.

Wir müssen das aber mit Hausverstand angehen. Zum einen wird das Gesetz jetzt auf Großkonzerne begrenzt. Das ist auch gut so, denke ich, denn es wird ja auch eine Bürokratie damit geschaffen, und diese Konzerne haben eigene Abteilungen, die sich damit befassen können. Die kleineren Unternehmer würden da in der Konkurrenz möglicherweise ins Hintertreffen geraten und vielleicht auf der Strecke bleiben. Deshalb ist dieser Ansatz, dass man das jetzt einmal nur auf die Großkonzerne beschränkt, sicherlich ein sehr, sehr guter.

Auch auf einer zweiten Seite: Es gab ja auch eine Pressemeldung der Ministerin – vorgestern, glaube ich – bezüglich einer Initiative gegen Kinderarbeit, und das ist richtig, Kinderarbeit ist schrecklich. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir diese nicht wollen und dass wir natürlich alles versuchen müssen, damit es Kinderarbeit auf dieser Welt nicht mehr gibt.

Wir denken aber vielleicht etwas anders und deshalb müssen wir auch hier aufpassen bei der Umsetzung dieser Gesetze: Versetzen wir uns einmal in den Kopf von Jamal aus


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Bangladesch, der durch Industriearbeit Kleidung produziert, womöglich 10 Stunden am Tag, und gerade so viel verdient, dass er einen Schlafplatz hat und ein bisschen zu essen – nicht so viel, wie er sich wünscht, aber gerade so viel, dass er nicht verhungert. Wenn jetzt sein Chef zu ihm kommt und sagt: Du darfst nicht mehr kommen, sonst kann ich meine Produkte nicht nach Europa verkaufen!, dann ist das für Jamal eine Kata­strophe.

Wir dürfen also nicht nur Gesetze schaffen, die Kinderarbeit verbieten, wir müssen Gesetze und Möglichkeiten schaffen, die es Jamals Eltern ermöglichen, ihm Essen zu geben, ohne dass er arbeitet. Es ist wichtig, dass wir das gleichzeitig machen, sonst kann womöglich eine Verwerfung passieren, die schlimm sein kann. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Es muss uns auch klar sein, dass es dann um Verteuerungen im Produktionsprozess geht. Da braucht man kein großer Ökonom zu sein. Es gibt ja die Aktion Fairtrade. Meine Gemeinde ist eine der 400 Fairtrade-Gemeinden. Wir haben das so umgesetzt, dass wir bei uns im Nahversorger ein Regal nur mit Fairtrade-Produkten haben. Das ist eines der am besten gehenden Regale in ganz Österreich, ist mir von der Organisation gesagt worden. Unsere Menschen unterstützen also dieses Unterfangen freiwillig, aber natürlich sind diese Produkte doppelt oder dreimal so teuer wie die Produkte in den anderen Regalen.

Somit bringen derartige Regelungen natürlich Teuerungen mit sich, das müssen wir auch akzeptieren und den Menschen ehrlicherweise sagen. Ich denke aber, dass wir bereit sind, für die Dinge des täglichen Lebens etwas mehr zu bezahlen, wenn die Welt dadurch etwas gerechter wird. (Bundesrätin Grimling: ... etwas zum Essen haben!)

Natürlich müssen wir aufpassen, wie man da auch jene mitnimmt, die vielleicht nicht so gut mit finanziellen Mitteln ausgestattet sind, aber grundsätzlich wird es dazu kommen und wir können eben nicht immer von Teuerungsausgleich reden. Mir kommt es immer so vor, als würden sich die Menschen denken, da gibt es einen Sack voller Geld, der immer voll ist, man muss nur herausnehmen und kann alles ausgleichen. Diesen Sack gibt es so nicht. Man muss in diesen Sack vorher immer etwas hineintun, und das nimmt man den Menschen ja wieder weg, denen man es vielleicht danach gibt, oder man nimmt es unseren Kindern weg, und das sollten wir auch nicht tun. Es wird also nicht immer möglich sein, alles auszugleichen, das muss man auch einmal verstehen.

Vorhin wurde auch die Konkurrenzfähigkeit unserer Landwirtschaft angesprochen. Da muss ich schon sagen: Es verwundert mich immer wieder, was herauskommt, wenn jemand über Landwirtschaft spricht, der davon keine Ahnung hat.

Also vielleicht ein paar Dinge aus der Realität (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling): Im vorigen Jahr hat die österreichische Landwirtschaft zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt mehr exportiert als importiert – zum ersten Mal! Als wir der Europäischen Union beigetreten sind, hatten wir im Agrarbereich ein Handelsdefizit von 20 Prozent. Durch den EU-Beitritt, durch die Ostererweiterung und durch die internationalen Handelsabkommen haben wir, weil die österreichische Landwirtschaft so gut ist, es geschafft, das zu drehen, sodass wir im vorigen Jahr zum ersten Mal mehr exportiert als importiert haben.

Wir wollen eine klare Produktdeklaration nicht etwa, weil wir Angst haben. Wir wollen, dass unser guter Name nicht mit Produktionen aus anderen Gebieten vermengt wird. Das wollen wir nicht! Der Konsument soll erkennen, auch im Gasthaus, woher dieses Produkt stammt, und dann soll er wählen können; und dann sind wir sicher, dass wir auch dort wieder den Vorteil haben und noch einmal besser unterwegs sein werden. Also das vielleicht einmal zur Klarstellung, wie es unserer Landwirtschaft geht.


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Da ich gerade von der Landwirtschaft spreche: Da gibt es auch in den Lieferketten sehr viele Unterschiede. Da muss man auf der ganzen Welt die Grundstandards anheben. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass wir uns selbst höhere Standards legen, und auch da müssen wir aufpassen. Gerade jetzt gibt es eine Initiative seitens der EU, die bedeuten würde, dass jeder Landwirt mit mehr als 150 GVE eine Umwelt­verträg­lichkeitsprüfung machen muss.

Das ist ein heftiger Ansatz. 150 GVE sind 150 Rinder beziehungsweise ungefähr 1 000 Schweine oder 40 000 Tiere im Geflügelbereich. Dann diskutieren wir auch noch das Verbot von Vollspaltenböden, das können wir auch noch umsetzen. Ich kann Ihnen eines sagen: Dann wird das Schweinefleisch in Zukunft aus China kommen. Von dort kommen ja jetzt auch schon die Eier her. Wir haben die Käfighennenhaltung verboten. Das ist schön, aber die Eier, die in der Verarbeitung sind, kommen alle aus China, weil es ganz einfach billiger ist, und beim Schweinefleisch wird es auch so sein. Diese Produktion werden sich in Österreich nicht alle leisten können. Das muss man ganz klar sagen.

Da muss man schon aufpassen, dass man hier Levels nicht überzieht. Wir laufen Gefahr, die Zuckerproduktion zu verlieren. Was heißt das? Der Wiener Zucker, den Hans Krankl bewirbt, wird vielleicht in Straubing produziert oder in Mato Grosso in Brasilien. Die Zuckerrübenproduktion ist derzeit sehr riskant, weil wir ein Herbizid nicht einsetzen können, das alle anderen einsetzen, und sie ganz einfach wirtschaftlich nicht mit den anderen Bereichen mithält. Da sehe ich eigentlich auch eine große Gefahr, dass wir hier Produktionseinheiten verlieren.

Auf der anderen Seite ist es auch so, dass vielleicht Umweltmaßnahmen das eine oder andere Mal überzogen sind. Da habe ich gerade in den letzten Wochen wieder ein Beispiel gesehen oder präsentiert bekommen. In Zwettl im Waldviertel gibt es vier Windräder – dort sind alte Windräder durch neue ersetzt worden, das sind die ganz großen –, und jedes Windrad produziert 5 Megawatt. Diese vier Windräder mussten jetzt im April und Mai untertags abgestellt werden, damit der Weißstorch dort brüten kann. Er ist nicht gekommen, er hat nicht gebrütet, trotzdem waren die Windräder abgestellt. Dem Betreiber und letzten Endes der Volkswirtschaft Österreich sind dadurch 2 Megawatt Strom entgangen beziehungsweise sind sie nicht entgangen, denn wir haben sie mit Gas aus Russland produziert.

Ich denke, auch da sollten wir das eine oder andere überdenken. Wir sollten darüber nachdenken, ob es wirklich die wichtigen und richtigen Maßnahmen sind, die gesetzt werden, damit wir auf der einen Seite diese nicht überziehen und auf der anderen Seite aber die Levels anheben, sodass Verbrechen – vor allem gegen die Menschlichkeit – nicht mehr möglich sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.24


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste ist Frau Mag. Elisabeth Grossmann zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


13.24.50

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte ZuseherInnen auf der Galerie! In Österreich und überhaupt in Europa sind wir ja sehr stolz auf die hohen Standards der Menschenrechte, wie sie eben in der Europäischen Menschen­rechtskonvention und den verfassungsrechtlichen Grundrechten festgeschrieben sind, und auch auf die im internationalen Vergleich sehr hohen Umweltstandards, die wir ja noch weiter anheben wollen. Gut, nach der Rede des Kollegen Köck bin ich mir nicht


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ganz so sicher, ob wir alle das wollen, aber grundsätzlich hätten wir schon das Ziel, möglichst rasch Klimaneutralität in Europa zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gleichzeitig lassen wir es aber zu, dass auf unserem Staatsgebiet, auf europäischen Märkten, Produkte gehandelt werden, die unter Missachtung sämtlicher ökologischer und sozialer Standards produziert wurden, halt irgendwo, nicht in Europa, sondern irgendwo.

Wenn für Anbauflächen zum Beispiel Regenwälder durch Brandrodungen vernichtet werden, wenn für die Bestandteile von Handys, Laptops oder E-Motoren Rohstoffe, sel­tene Erze unter prekärsten, gefährlichsten Bedingungen abgebaut werden, in Ländern, in denen ökologische, soziale, humanitäre Standards praktisch nicht existent sind, wenn mit gefährlichen, bei uns längst verbotenen Pestiziden in der Landwirtschaft gearbeitet wird und wenn Kinder, statt in die Schule zu gehen, T-Shirts nähen oder auf der Plantage arbeiten müssen, eben Geld verdienen müssen, anstatt eine unbeschwerte Kindheit erleben zu dürfen – weil eben ihre Eltern so wenig verdienen, dass sie den Unterhalt für die Familie nicht bestreiten können, wobei mitunter auch Zwangsarbeit an der Tages­ordnung ist –, dann müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass wir, wenn wir nicht den gesamten Entstehungsprozess eines Produktes im Auge haben, diese Menschen­rechtsverletzungen nach Europa importieren und fördern.

Da müssen wir, und da stimme ich Herrn Kollegen Köck zu, natürlich auch die Ent­wicklungszusammenarbeit ganz besonders im Auge haben, denn wir können es natür­lich auch nicht verantworten, dass diese Familien dann völlig vor dem Nichts stehen und praktisch verhungern. Das heißt, da müssen wir natürlich auch alles daransetzen, dass die Entwicklungszusammenarbeit auf den höchsten Standard gehoben wird und dass Fairtrade-Produkte Standard sind, eine Selbstverständlichkeit sind, denn dann gibt es solche Zustände einfach nicht mehr.

Bisher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist man immer den Weg der Frei­willigkeit gegangen und hat an die Eigenverantwortung der Konsumentinnen und Konsu­menten appelliert – und damit aber die Verantwortung auf jene abgeschoben, die diese Verantwortung in Wahrheit nicht tragen können. Die Mutter, die nach Dienstschluss durch den Supermarkt hetzt, um den Wochenendeinkauf zu erledigen, kann nicht die Lieferketten überprüfen. Sie kann nicht überprüfen, ob die sozialen und ökologischen Standards, die sie gerne hätte, alle eingehalten wurden. Das kann auch der Mindest­pensionist nicht, der schaut, dass er einigermaßen über die Runden kommt, und zum billigsten Diskontartikel in der Produktgruppe greifen muss, weil er sich nichts anderes leisten kann. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Da muss man auf der anderen Seite wieder die Einkommenssituation der Menschen im Auge haben. Das heißt: Rauf mit den Sozialleistungen, rauf mit den Mindestpensionen, rauf mit den Gehältern, damit sich die Menschen das Leben auch wirklich leisten können und auch die fair gehandelten Produkte leisten können!

Auch mit den Zertifikaten, mit den freiwilligen, selbst kreierten Zertifikaten, die da auf den Verpackungen prangen, schaut es nicht so gut aus, denn diese sind nicht aussage­kräftig, sie sind verwirrend und teilweise auch verfälscht. Die sind, außer ein paar einzelne, praktisch wertlos.

Der Weg der Freiwilligkeit ist also gescheitert. Das hat jetzt auch die EU-Kommission endlich eingesehen und eben diesen Richtlinienentwurf eines Lieferkettenregelwerkes vorgelegt. Einzelne Staaten wie zum Beispiel Deutschland und Frankreich haben das Problem schon früher erkannt und haben nationale Lieferketten- beziehungsweise Sorg­faltsgesetze erlassen. Österreich hätte das aber auch schon tun können, denn bereits vor mehr als einem Jahr hat die SPÖ dazu einen umfassend ausformulierten Antrag


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eingebracht, der aber von – damals noch Türkis- – Schwarz-Grün mit Begräbnis letzter Klasse bestattet, sprich vertagt, wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt hat eben die EU den Ball aufgegriffen und diesen Kommissionsvorschlag vorgelegt, der Großkonzerne treffen soll, nämlich nach derzeitigem Plan Betriebe ab einem Umsatz von 150 Millionen Euro und ab 500 Beschäftigten, wobei in risikogeneigten Branchen wie Textilindustrie, Bergbau, Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung ein geringerer Schwellenwert angesetzt werden soll.

Der Entwurf ist sehr ambitioniert, würde ich einmal sagen, geht auch über das deutsche Gesetz hinaus; aber das alles muss jetzt noch im eigentlichen Gesetzgebungsorgan, nämlich im Europäischen Parlament und im Rat der Mitgliedstaaten, verhandelt werden. Da wird es sich dann zeigen, was die Absichtserklärungen, die heute hier abgegeben wurden und werden und bisher schon getätigt wurden, wirklich wert sind, was dann von diesem Richtlinienentwurf tatsächlich übrig bleibt, ob die Betriebsgrößen, diese Schwel­lenwerte, so halten, wie die Sorgfaltspflichten konkret definiert werden.

Der Endverkäufer soll ja in die Pflicht genommen werden und sich nicht mehr auf Zwi­schenhändler ausreden können. Die gesamte Wertschöpfungskette muss sauber sein von Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Umweltzerstörung. Das muss selbstverständlich kontrolliert und dokumentiert werden. Die Verletzung dieser Sorgfaltspflichten muss und soll spürbare Konsequenzen haben. Von Menschenrechtsverletzungen und auch Um­weltverschmutzung Betroffene sollen auch auf Schadenersatz klagen können.

Da wird noch zu klären sein, wie die Beweislast konkret ausgestaltet wird, wie die Anfor­derungen an die Beweislast dann tatsächlich gestellt werden, damit diese Rechte auch durchsetzbar sind, und noch viele andere Fragen, wie sie auch Kollegin Kittl schon ange­sprochen hat, etwa wie das aussieht mit den etablierten Geschäftsbeziehungen, die eben für die Sorgfaltspflichten relevant sein sollen.

Gerade bei den weiteren Verhandlungen zu den heiklen Punkten in den EU-Gremien, wenn es ums Eingemachte geht, sieht man aber schon, dass die Bremser, Bremserinnen schon ihre Bremssignale abgeben. Zuletzt konnten wir dieses Argumentarium des Bremsmanövers schon bei der Aktuellen Europastunde im Nationalrat erahnen, als Abgeordnete Winzig vor dem „Bürokratiemonster“ gewarnt hat, Vergleiche zum Green Deal gezogen hat – auch der scheint in der EVP nicht überall so gut anzukommen – und darauf verwiesen hat, dass da nur ja nicht die Betriebs- und Produktionsgeheimnisse irgendwie angetastet werden, dass nur ja nicht zu viele Betriebe erfasst werden. Da wird offensichtlich in EVP-Kreisen an Hintertüren gebastelt, damit dieser Lieferkettenrichtlinie die Zähne gezogen werden können und damit letztendlich ein zahnloser Tiger übrig bleibt.

Hier werden aber, das muss man schon sagen, die Falschen geschützt, denn wieder einmal sollen die kleinen Betriebe vorgeschoben werden, um die großen zu schützen, die aber in Wahrheit mit ihren unfairen Wettbewerbspraktiken ganze Branchen in Öster­reich und Europa ausradiert haben, wie zum Beispiel die Textilproduktion, die es praktisch in Europa nicht mehr gibt.

Auch wird da immer wieder vor höheren Preisen gewarnt. In diesem Zusammenhang würde ich aber eher von Kostenwahrheit sprechen; denn Arbeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss auch einen Wert haben, und auch lange Transportwege und Umweltverschmutzung müssen einen Preis haben. Es kann nicht sein, dass Rindfleisch aus Argentinien billiger ist als das Rindfleisch vom Bauern aus der Region. Da braucht es Kostenwahrheit.

Wir müssen auch die Bedingungen der Preisbildung unter die Lupe nehmen, die Han­delsspannen beispielsweise und auch die Mechanismen der Preisbildung. Zum Beispiel


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auch bei den Energiepreisen ist zu hinterfragen, warum man sich da am teuersten Energieträger orientiert. All das muss man sich genau anschauen, denn wenn man sich das genau anschaut und es hinterfragt, müssen die Preise nicht zwangsläufig in die Höhe schnellen.

Bei den Ratsverhandlungen wird es sich also spießen. Da hoffe ich, dass Tschechien, das ja demnächst die Ratspräsidentschaft übernimmt, diese Entschlossenheit der fran­zösischen Ratspräsidentschaft mitübernimmt und an diesem Richtlinienwerk weiter ent­schlossen arbeitet und dass Sie, liebe Frau Ministerin, von Ihren Kolleginnen und Kolle­gen in der Bundesregierung nicht allein im Regen stehen gelassen werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Dr. Johannes Hübner ist als Nächster zu Wort gemel­det. – Bitte schön.


13.35.51

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Frau Kollegin Grossmann wirkte, als wäre sie überrascht darüber, dass Kollegin Winzig von einem „Bürokratiemonster“ gesprochen hat. Was soll denn sonst daraus werden?

Schauen wir uns das einmal an. Das klingt schön: Wir verhindern Kinderarbeit. Das ist ja nicht die Intention und auch nicht die Zielrichtung dieser Novelle oder dieser geplanten Verordnung, Entschuldigung, das ist komplettes rechtliches Neuland, sondern die Ziel­richtung ist dahin gehend, dass die Konzerne oder die Unternehmen verpflichtet sein sollen, bei jeder Geschäftsbeziehung mit einem Drittstaat zu überprüfen, ob ihre geschäftlichen Aktivitäten sich nachteilig auf Menschenrechte in diesem Land oder auf die Umwelt auswirken. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Das müssen sie jährlich in einem Evaluationsbericht darlegen. Sie müssen, wie Sie schon richtig gesagt haben, bis zur letzten Schraube die gesamte Kette der Produkte, die sie ins Inland importieren, auf Vereinbarkeit mit Menschenrechten, mit Ökostandards und dergleichen untersuchen. Dann müssen natürlich die Strukturen, Kommissionen, Agenturen, Behörden gebildet werden, die das jährlich prüfen, evaluieren; und dann müssen die nationalen Staaten Strafen verhängen für den Fall, dass hier vielleicht gegen Standards verstoßen wurde oder man nicht ausreichend evaluiert oder geprüft hat.

Na gut, was bedeutet das? Textilindustrie – Kollege Köck hat das eh schon angedeutet –: Es würde größere Unternehmen betreffen. Es sind hier keinesfalls die Großunternehmen betroffen, sondern die größeren Unternehmen. Diese 150-Millionen-Euro-Umsatzgrenze bedeutet, dass allein in der EU mindestens 13 000 Unternehmen dazu verpflichtet wer­den, eine solche Evaluierungsabteilung und Prüfungsabteilung einzurichten und unter dem Risiko von Strafen zu schauen, ob ihre Lieferantenländer die Standards einhalten.

Na ja, die Konsequenz wird sein, dass – Sie würden sagen, vulnerable Staaten – Staa­ten mit einem besonders schwachen Wirtschafts-, Sozial- und Infrastruktursystem aus den Lieferketten rausfliegen werden, weil das Risiko, dafür bestraft zu werden, dass dort ökologische und soziale Standards nicht eingehalten werden, natürlich sehr groß ist.

Ökologische und soziale Standards kann ein entwickeltes Land oder eventuell ein Schwellenland noch einhalten. Für Bangladesch wird das aber schon schwierig, und für die Demokratische Republik Kongo – es wurde die Kobaltproduktion für die Batterien angesprochen – wird es überhaupt unmöglich. Staaten, die keine geordnete Verwal­tungsstruktur haben, wo weite Teile des Landes überhaupt von den Zentralregierungen nicht beherrscht werden, werden sich sehr, sehr schwertun, einem Konzern, sei es jetzt ein Großmulti oder ein mittelgroßes Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz von


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über 150 Millionen Euro, nachzuweisen, dass dort die Öko- und Sozialstandards einge­halten werden.

Jetzt kann man natürlich, damit jetzt dieses klassische Totschlagsargument gegen eine vernünftige Diskussionsführung nicht aufpoppt, sagen: Da müssen wir halt die Entwick­lungszusammenarbeit vertiefen. – Ja, viel Vergnügen beim Vertiefen der Entwicklungs­zusammenarbeit mit der Demokratischen Republik Kongo! Wir werden schauen, was da rauskommt.

Oder wenn man sagt, wir werden in Bangladesch den teilweisen Verlust der Textil­produktion durch Entwicklungszusammenarbeit ausgleichen: Ja, wie bitte? Ein Land wie Bangladesch – weil Sie das erwähnt haben, Kollege Köck – hat etwa 40 Milliarden Dollar pro Jahr Einnahmen allein aus dem Textilexport. Dieser Textilexport erwirtschaftet zwischen 75 und 80 Prozent der gesamten Deviseneinnahmen des Landes.

Wollen wir jetzt wirklich mit diesem – ich verwende das Wort sehr gern, weil es genau passt – typisch ideologisch erfundenen Ideologiemonster Bangladesch ruinieren? Ich bin schon überzeugt, dass man dort, in Bangladesch, bis zu 50 Prozent der Textilindustrie hinmachen kann, wenn man diese Novelle wirklich exekutiert.

Wollen wir das? Wollen wir sagen: Das geht nicht, wir gehen in Länder, die einen hohen Mechanisierungsgrad haben! – Die gibt es ja auch, es gibt ja auch in Fernost Produ­zenten, die die Textilindustrie sehr hoch modernisiert haben, die computerunterstützte Fertigungstechniken haben und die nur ein Zwanzigstel oder ein Dreißigstel der Arbeits­kräfte im Vergleich zu Bangladesch benötigen. Die werden diese Standards erfüllen. Die werden ökologisch arbeiten und sozial arbeiten, weil die Computer- und die EDV-Spezialisten, die dort die Maschinenparks bedienen, wahrscheinlich von der EU nicht kritisiert werden, aber die Arbeiter in Bangladesch oder die Kobaltschürfer in der Demokratischen Republik Kongo schon.

Deswegen hat ja mit gutem Grund ein Großteil der europäischen Mitgliedstaaten – inklusive Österreich – solche sogenannten Lieferkettengesetze nicht beschlossen. Es ist dann immer besonders interessant, wenn das Mitglied eines inländischen Vertretungs­körpers, wie zum Beispiel Kollegin Grossmann, aber auch die Kollegin von den Grünen, sich darüber freut, dass wir das, was wir im Inland nicht beschlossen haben, jetzt zwangsweise durchführen müssen, weil es die EU beschließt. Das ist ja ein interes­santes Selbstverständnis: Wir beschließen es nicht, freuen uns aber darüber, dass ein anderer uns zwingt, es zu beschließen. – Da sollte man einfach nur sein Selbstver­ständnis als Mitglied des Parlaments und als Volksvertreter ein bisschen auf den Prüfstand stellen.

Es wird dann auch interessant, wie zum Beispiel die OMV mit diesen Dingen umgeht. Es heißt ja in diesem Entwurf, es ist zu überprüfen, ob es sich auf die Menschenrechte nachteilig auswirkt. Na ja, wenn ich zum Beispiel Öl aus Saudi-Arabien über Aramco beziehe, wird sich das vielleicht nachteilig auf die Menschenrechte dort auswirken, weil hinter Aramco im Wesentlichen die Saud-Familie steht, und die hat halt noch ein paar Hundert Milliarden mehr am Konto. Da könnte man natürlich sagen, das ist vielleicht förderlich für das Köpfen nicht an jedem Freitag, es ist vielleicht förderlich für den Krieg im Jemen, der im Wesentlichen von Saudi-Arabien finanziert wird. Es ist vielleicht förderlich für das Zerstückeln und Beseitigen von Oppositionellen wie Herrn Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul.

Ist es daher nach der Richtlinie zulässig, gefährlich oder überhaupt verboten, aus Saudi-Arabien Öl zu beziehen? Wenn ich jetzt sage: Wir dürfen aus Russland kein Gas mehr beziehen, weil das ja den Krieg gegen die Ukraine finanzieren könnte!, na ja, dann darf ich Saudi-Arabien nicht einmal angreifen, geschweige denn als Geschäftspartner akzeptieren (Beifall bei der FPÖ) – abgesehen von dem Umstand, dass nach meiner


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Ansicht diese Verordnung überhaupt nicht in der Kompetenz der Europäischen Union liegt.

Sie werden ja in den einführenden Worten da weitschweifende Versuche sehen, das zu rechtfertigen, warum da ein Unionsrecht dahinterstecken soll. Es wird damit begründet, dass es notwendig ist, um den einheitlichen Markt und die Niederlassungsfreiheit im einheitlichen Markt für Unternehmen sicherzustellen, und dass es notwendig ist, um Handelsverzerrungen durch extrem ungleiche Bestimmungen einzelner Staaten auszu­gleichen. Was soll das heißen? – Es soll heißen, wenn einzelne Staaten jetzt Liefer­kettenbestimmungen einführen, dann müssen die anderen leider verpflichtet werden, diese auch einzuführen, weil es sonst Marktungleichheiten gibt – oder etwas anderes, ich weiß es nicht. Die Frau Minister wird uns das alles erklären können, warum das doch Unionsrecht ist.

Ich kann nur sagen, ich habe mit dieser Initiative und mit dem Vorschlag keine Freude. Ich bin auch etwas überrascht über die Freude, die grüne und sozialdemokratische Mandatare und Abgeordnete haben. Ich habe mich gefreut, dass immerhin Kollege Köck hier mit Menschenverstand und einer gewissen Distanz an das ganze Vorhaben herangegangen ist (Heiterkeit des Redners), und ich hoffe im Sinne der Betroffenen in der sogenannten Dritten Welt, in den Drittstaaten, aber auch im Sinne unserer Konsumenten, dass aus diesem Regelwerk möglichst nichts, und wenn es etwas werden muss, es möglichst spät wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.44


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Alma Zadić. – Bitte, Frau Ministerin.


13.45.01

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! In der heutigen Aktuellen Stunde geht es um ein sehr wichtiges Thema, um ein Thema, bei dem wir entschlossen und rasch handeln müssen, denn es ist wichtig und die Zeit drängt, und es ist auch sehr aktuell.

Wir beschäftigen uns heute damit, wie Produkte, die wir alle jeden Tag verwenden, her­gestellt werden. Was bedeutet mein Kaffee, meine Jean oder mein Laptop für unsere Umwelt oder die Menschen, die den Kaffee anbauen, die diese Jean nähen und die den Laptop herstellen?

Wir alle wissen, die Gegenstände und Produkte, die wir tagtäglich verwenden, haben oftmals einen sehr langen Weg hinter sich. Der Kaffee wird nicht nur angebaut, er wird auch geröstet, gemahlen, verpackt, abgefertigt, und oft passieren diese Schritte in ver­schiedenen Ländern und auch von unterschiedlichen Subunternehmen. Erst am Schluss dieses Prozesses, der sogenannten Lieferkette, kommt der Kaffee zu uns in den Super­markt in Bregenz, in Klagenfurt oder in Wien, wo wir diesen Kaffee der Marke unseres Vertrauens dann kaufen können.

Genau darum geht es im Kern: Welche Verantwortung tragen denn diese Unternehmen, die wir alle hier bei uns kennen und von denen wir unseren Kaffee, unsere Jean oder unseren Laptop kaufen? Welche Verantwortung tragen die dafür, dass ihre Produkte bei all diesen Schritten – ihrer Herstellung, ihrer Verpackung, ihrer Verschiffung – entlang der gesamten Wertschöpfungskette eben nicht unsere Umwelt zerstören und eben nicht den Menschen ausbeuten? – Diese Frage der Verantwortung der Unternehmen ist keine neue Frage. Es ist eine Frage, die ich sogar in der Schule behandelt habe, und es ist eine Frage – so leid es mir tut –, mit der wir uns heute immer noch beschäftigen müssen.


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Es ist kein Geheimnis, dass Waren, die wir im Supermarkt oder Elektromarkt kaufen können, zum Teil auch durch die Ausbeutung von Menschen, durch die Ausbeutung der Umwelt und unseres Planeten hergestellt wurden und wir solche Produkte auch bei uns in Österreich erwerben können. Wir wissen mittlerweile schon sehr gut, dass die Freiwilligkeit nicht zu einem Erfolg geführt hat, dass diese sogenannten Codes of Conduct und Verhaltenskodizes nicht dazu geführt haben, dass sich alle Unternehmen, die in Europa produzieren, menschenrechtskonform, sozial gerecht und ökologisch verhalten. Wir müssen uns eingestehen, dass diese Freiwilligkeit doch leider versagt hat.

Noch immer landen der Kaffee, der auf Brandrodungen beruht, Jeans, die unter men­schenunwürdigen Bedingungen genäht wurden, und auch Laptops, für deren Bauteile ganze Landstriche durch ungehemmten Raubbau zerstört wurden, in unseren Geschäf­ten. Diese unwürdigen Produktionsbedingungen führen immer wieder zu menschlichen Katastrophen und zu ökologischen Katastrophen, und ich möchte Sie schon noch daran erinnern: Erinnern Sie sich an das Jahr 2013, als das Rana Plaza in Bangladesch eingestürzt ist und als 1 100 Textilnäherinnen und Textilnäher starben! Die haben Klei­dung produziert, die wir auch in Österreich gekauft haben. Trotz dieses schier unfass­baren Ausmaßes an Zerstörung und Leid – 1 100 NäherInnen! – konnten die Opfer der Hinterbliebenen kaum Entschädigung erstreiten.

Wir kennen auch Berichte aus Mexiko, wo großen französischen Energieunternehmen vorgeworfen wird, zur Enteignung der indigenen Bevölkerung beigetragen zu haben, oder Berichte aus Uganda: Bei einem Projekt eines großen Energieunternehmens kam es zu massiven Umweltzerstörungen und ebenso zu Enteignungen. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Deswegen glaube ich, dass die Vorlage dieses Richtlinienentwurfs der Europäischen Kommission notwendig und richtig ist und wichtig ist, denn sie bringt endlich das, was wir schon immer gefordert haben, nämlich verbindliche gesellschaftsrechtliche Sorgfalts- und Nachhaltigkeitspflichten für Unternehmen. Deswegen kann ich auch in Regie­rungsverantwortung für die gesamte Bundesregierung sprechen, wenn ich sage, dass wir einhellig der Meinung sind, dass diese Richtlinie notwendig war, dass sie richtig und notwendig ist. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Es stimmt mich zuversichtlich, dass wir da auf europäischer Ebene einen Vorstoß gewagt haben, einen Vorstoß geschafft haben, denn das, was es braucht, sind nicht Einzellösungen in einzelnen Ländern, es braucht natürlich eine europäische Lösung. Wir müssen den gesamten europäischen Markt mitbedenken. Es bringt ja nichts, wenn es ein Lieferkettengesetz in Deutschland und vielleicht in Frankreich gibt. – Nein, wir brauchen eine gesamteuropäische Lösung. Das Ziel muss nämlich eine effektive Ver­besserung der menschenrechtlichen und ökologischen Situation entlang der gesamten Wertschöpfungskette sein, und die Mittel sind auch klar: verbindliche, unabhängige Kontrollen, Entschädigung für Betroffene und entsprechende Haftungen für betroffene Unternehmen. Und ja, daraus ergibt sich auch für mich ein klarer Handlungsauftrag, den notwendigen Rechtsrahmen zu setzen, um eben das zu ermöglichen und sicher­zu­stellen.

Ich bin nicht die Einzige, die das so sieht, und es sind auch nicht nur ein paar politische Fraktionen, die das so sehen. Es sehen ja auch die Unternehmen genau so. Das zeigt sich unter anderem darin, dass sich kurz vor der Präsentation der Lieferkettenrichtlinie 100 namhafte Unternehmen dafür eingesetzt haben, dass ein ambitioniertes EU-Liefer­kettengesetz vorgelegt wird, denn wir brauchen ambitionierte, europaweit einheitliche Rechtsvorschriften, um, wie schon erwähnt, eine Fragmentierung innerhalb der EU zu verhindern.


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Das ist deswegen auch für die Unternehmerinnen und Unternehmer in Europa wichtig, weil sie ein Level-Playing-Field brauchen. Es kann nicht sein, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, die ökologisch, nachhaltig und zu fairen Bedingungen wirtschaften, dann Wettbewerbsnachteile verzeichnen müssen und vielleicht nach zwei Jahren überhaupt nicht mehr herstellen können, weil sie sagen: Ich bin schlicht und ergreifend nicht konkurrenzfähig, wenn – wie Sie, Herr Abgeordneter Köck, sagen – dann vielleicht die Eier aus China geliefert werden!, was eigentlich, wenn man sich das überlegt, schier unvorstellbar ist: dass die Eier aus China bei uns in Österreich billiger sind als die heimisch produzierten Eier. Da merkt man, dass da in der gesamten globalen Wirt­schafts- und Wertschöpfungskette einfach so viel schiefläuft, und es ist Zeit, dass wir dem Ganzen ein Ende setzen, denn es muss sein, dass die österreichischen Bauern und Bäuerinnen auch keinen Wettbewerbsnachteil haben. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ja, ich gebe Ihnen recht – ein paar haben sich ja schon zu Wort gemeldet –: Dieser Entwurf muss noch ausgiebig diskutiert werden. Die Verhandlungen auf der EU-Ebene haben gerade erst begonnen, und es sind viele Bestimmungen vage, widersprüchlich und auch in der Praxis unerprobt, und daher wird es natürlich eine Präzisierung, Über­arbeitung brauchen, und diese rechtliche Innovation muss dann auch mit Leben erfüllt werden, aber das Ziel des Vorhabens muss klar sein: Die nachhaltige Verbesserung der Situation entlang der Wertschöpfungskette muss auch wirklich gerecht werden.

Es stimmt mich zuversichtlich, dass das Ganze jetzt auf EU-Ebene verhandelt wird. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium haben wir bereits Stellungnahmen inner­halb Österreichs von den einzelnen Stakeholdern eingeholt. Die werden wir jetzt einar­beiten, überarbeiten und eine übereinstimmende österreichische Position dazu ent­wickeln. Ich freue mich, dass wir da endlich zu diesem Thema diskutieren können, dass ein EU-Lieferkettengesetz da ist und wir dazu diskutieren können und es hoffentlich bald auch verbindliche Regelungen gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

13.53


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Frau Bundesministerin!

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile dieses.


13.54.10

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Der Vorstandsvorsitzende eines international tätigen Unternehmens, den ich seit Jahren sehr gut kenne, der sich seit Jahren um die Analyse der Vorketten seiner Tausenden Produkte, die er verkauft, bemüht – das ist irrsinnig aufwendig – und auch selber in seinem Unternehmen systematisch Nachhaltig­keitskriterien einführt, fordert seit Langem zu Recht, dass es ökonomische Rahmen­bedingungen braucht, damit sich seine Arbeit auch endlich bezahlt macht. Im Moment bezahlt er es selber. Wer nachhaltig wirtschaftet, darf einfach nicht der Dumme sein.

Viele Menschen möchten mit gutem Gewissen ihr Smartphone nutzen. Sie wissen selbstverständlich, dass damit eine Reihe hoch problematischer Implikationen verbun­den ist. Die meisten Menschen möchten nicht, dass durch ihren Konsum Menschen leiden und die Umwelt zerstört wird. Die Energiewende schreitet voran, und da braucht es eine Vielfalt an Rohstoffen, die irgendwo auf der Welt gewonnen werden.

Nein, wir möchten nicht, dass die Fehler des fossilen Zeitalters wiederholt werden und Menschen dafür sterben und unter miserabelsten Bedingungen arbeiten müssen. Wir


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möchten nicht, dass ganze Gegenden für die Chips, die in Heizkesseln, in der Steuerung für die PV-Anlagen und Windturbinen gebraucht werden, ökologisch zerstört werden. Wir möchten eine sozial faire Energiewende – auch für die Menschen, die dafür, egal wo auf dieser Welt, arbeiten.

Ein Elektroauto soll mit gutem Gewissen gefahren werden können. Es darf nicht sein, dass dafür Kinder irgendwo in Minen schuften müssen. Wir möchten nicht, dass Mütter nach einem 14-stündigen Arbeitstag unter der Nähmaschine schlafen müssen. Wir möchten, dass man ohne Bedenken ein Hemd kaufen kann und sich darauf verlassen kann, dass dafür nicht Menschen versklavt werden. Es kann doch nicht sein, dass – wie von der Frau Ministerin erwähnt – im Jahr 2013 1 100 Frauen sterben, weil ein Gebäude wegen blanker Profitgier zusammenstürzt.

Wir möchten nicht, dass Menschen aus Afrika, die die Tomaten anbauen, die dann zu Spottpreisen in unseren Supermärkten landen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf Plantagen vergiftet werden. Wir wollen nicht, dass Händler und Spekulanten weit über 90 Prozent der Produktpreise einstreifen und die ArbeiterInnen de facto leer ausgehen. Ich werde nachher noch ein Beispiel bringen.

Es darf nicht sein, dass durch zahlreiche Konsumprodukte, die wir mehr oder weniger lang nutzen, die Klimakrise angeheizt wird, und es ist wirklich höchste Zeit, mehr Ver­antwortung für das zu übernehmen, was wir durch unseren Konsum auslösen. Es gibt schlicht und einfach keine Rechtfertigung für Menschenrechtsverletzungen und ökolo­gische Zerstörung. Die FPÖ scheint hier die Einzige zu sein, der das offenbar egal ist.

Wir brauchen ganz klar verbindliche Regeln. Wir brauchen ein striktes, klares und strenges Lieferkettengesetz, und das geht sinnvollerweise nur auf europäischer Ebene. Es macht keinen Sinn – wenig Sinn –, dass in so einer Frage jedes Land selber ein Gesetz bastelt, weil eben die Wirtschaft natürlich international organisiert ist. Das, was jetzt vorliegt, ist wirklich ein extrem wichtiger Vorstoß und ein ganz, ganz wichtiger Schritt.

Kritisch noch: Kann man damit zufrieden sein? – Nein, kann man nicht! Der Vorschlag geht noch nicht weit genug. Die Schwellenwerte sind noch zu hoch. Es braucht klarere Regelungen da und dort – zum Beispiel was zivilrechtliche Haftungen betrifft. Trotzdem, es ist erfreulich, sehr erfreulich sogar, und wir alle wissen, wie schwer so etwas durch­zusetzen ist. Es wird schon eine hinreichende Herausforderung werden, das national gut umzusetzen. Auch dazu kennen wir Österreich hinreichend genug. Auf was Sie sich aber verlassen können, ist, dass wir nach allen Kräften darauf schauen werden.

Viele Unternehmen wollen das übrigens selber. Sie wollen einen fairen und klaren Rahmen haben, um fair zu wirtschaften. Natürlich – ich möchte das nur erwähnen – gibt es schon ein Gezeter, dass alles so bürokratisch aufwendig sei. Die Kommission hat eine eigene Studie dazu in Auftrag gegeben, was denn das für die betroffenen Unter­nehmen kosten würde. Die kommen zum Ergebnis: Die Unternehmen, die das machen müssen, würden diese ganzen Nachweisketten, die aufzubauen sind, ganze 0,005 Pro­zent des Umsatzes kosten.

Ein Beispiel noch zu den Ängsten, die Produkte würden durch bessere Löhne teurer werden: In einem Turnschuh sind zum Beispiel 2,5 Prozent der Kosten Löhne für die Leute, die ihn nähen – 2,5 Prozent! – Bitte, verdoppelt die Löhne, verdreifacht die Löhne, das tut niemandem bei uns weh, wenn er einen Turnschuh kauft!

Eine zukunftsfähige globalisierte Wirtschaft kann nur sozial fair und ökologisch aus­gerichtet sein. Alles andere würde sowieso scheitern – allerdings mit großen Opfern. Ein Blick auf die Lieferkette und damit auf das, was wir mit unserem Tun auslösen, ist somit wirklich ein Gebot für eine gute Zukunft für uns und vor allem auch für alle, die quasi


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versteckt für unsere Produkte arbeiten. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

13.59


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte sehr.


13.59.51

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf der Galerie! – Es ist schön, dass wieder junge Menschen hier im Hohen Haus sind. – Sehr geehrte Damen und Herren am Livestream! T-Shirts um 1,99 Euro, Hosen und Kleider um 5,99 Euro – jeder von uns kennt das, hat vielleicht auch schon einmal das eine oder andere Stück gekauft, ohne nachzudenken: Woher kommen sie? Wer hat die wo unter welchen Umständen pro­duziert? Wie schaut der Arbeitsalltag einer Arbeiterin, eines Arbeiters aus? Unter welchen hygienischen Standards leben und arbeiten sie? Und: Haben sie einen fairen Lohn be­kommen?

Stichwort Kinderarbeit: Wir haben diese Woche eine Information zur Mitmachaktion „Menschenkette gegen Kinderarbeit“ gehört. Ziel ist es, dass weltweit kein Kind mehr für Produkte ausgebeutet wird, die wir hier in Österreich in den Kleiderschränken oder auf den Tellern haben. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, weltweit sind rund 160 Millionen Kinder nach wie vor von Kinderarbeit bedroht, und – das ist schon erschreckend – die Zahl ist leider wieder angewachsen.

Das führt mich jetzt wieder zu unserem Thema Lieferketten, denn Lieferketten brauchen wir, sie sind wichtig für die funktionierende Wirtschaft. Sie sind dynamisch, sie sind komplex, sie sind global, aber die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben uns auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir Produktionen nicht nur irgendwo in außereuropäischen Ländern haben, sondern auch in Europa und in Österreich, denn da wissen wir, woher das Produkt kommt. Thema Landwirtschaft – Kollege Köck hat das schon gesagt –: Wir können nachvollziehen, wie dieses Produkt entstanden ist, und wir stärken damit auch die Wirtschaft in unserer Umgebung. Daher ist es umso wichtiger, auch darüber jetzt nachzudenken. Wir brauchen die Kompetenz auch hier in Österreich und in Europa, und wir müssen auch wieder in Ideen, in Innovation, in Forschung investieren. Das ist auch ein Gebot der Stunde zu diesem Thema. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir haben heute schon gehört: Die EU hat dieses europäische Lieferkettengesetz am 23.2. vorgestellt, und die Ziele haben meine Kolleginnen und Kollegen auch schon ge­nannt. Natürlich sind wir dafür, dass es Sanktionen gibt, wenn sich jemand nicht daran hält, dass Unternehmen angehalten werden sollen, sich diesen fairen Bedingungen zu stellen. Auch da möchte ich aber betonen: Die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer, die national und international tätig sind, sind sehr wohl sehr sorgfalts­pflichtig und gehen gut mit dem Bereich der Menschenrechte und der Standards um. – Frau Ministerin, wir haben schon von Ihnen von diesen 100 großen österreichischen Unternehmen gehört, die sich verpflichtet haben, noch mehr in Sachen Nachhaltigkeit zu tun. Da sind wir also schon auf einem sehr, sehr guten Weg.

Es ist zu begrüßen, dass wir diese europaweiten Regelungen haben, aber bitte mit Hausverstand. Kollege Köck hat das auch schon erwähnt. Sie müssen praktikabel sein und sie müssen verhältnismäßig sein. (Bundesrätin Schumann: Ah! Ah! Jetzt war die Kurve da!) Das ist wichtig und notwendig, und da werden wir sicher gemeinsam in der


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Regierung darauf schauen, dass das auch so umgesetzt wird. (Bundesrätin Schumann: Doch nicht zu viel! Doch nicht zu viel, genau!)

Ganz zum Schluss, Frau Bundesministerin, möchte ich noch ein anderes Thema anschneiden, das uns als SeniorenvertreterInnen sehr am Herzen liegt – Kollegin Prischl hat es beim vorigen Tagesordnungspunkt auch schon erwähnt –: In Österreich ver­weigern Banken älteren Menschen oft einen Kredit, wenn die Tilgung länger dauert, als die statistische Lebenserwartung ist. Da hat es ja schon intensive Gespräche mit dem Seniorenrat, mit den VertreterInnen der Senioren gegeben. Sie haben auch Ihre Unter­stützung zugesagt. Kollegin Prischl hat es schon sehr gut gesagt, in Deutschland ist diese Altersdiskriminierung ja untersagt, und wir möchten jetzt auch in Österreich so ein Gesetz haben. Sie haben gesagt, Sie werden sich rasch dafür einsetzen.

Das ist wirklich ein ganz drängendes Problem, ich sage da nur: Heizkesselaustausch. Wenn sich das jemand jetzt mit 70 noch antun muss oder er macht es halt, dann braucht er in der Regel einen Kredit, und da wollen wir sicherstellen, dass diese Menschen nicht ausgeschlossen werden. Das ist – wir haben es heute schon gehört – Altersdis­kriminierung. Da bitte ich Sie, Frau Ministerin, dranzubleiben, damit wir rasch zu einer Lösung kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

14.05


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.


14.05.28

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Zuerst einmal herzlichen Dank, dass Sie mit diesem Thema in die Aktuelle Stunde gekommen sind! An den Worten meiner Vorrednerin werden Sie ge­merkt haben, dass Ihnen das Bohren harter Bretter mit der ÖVP als Koalitionspartner noch bevorsteht. Ich habe das selber 2013 erlebt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

2013, liebe Sonja (in Richtung Bundesrätin Zwazl), warst du meine Endstation. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Wir hatten schon einen Text. Nach dem Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch mit mehr als 1 100 getöteten Näherinnen, die zum Großteil nicht freiwillig dort gearbeitet haben, Zwangsarbeit verrichtet haben, haben wir damals den Vorschlag gemacht, weil die Cosac, die Vereinigung der EU-Ausschüsse in Europa, ein neues System entworfen hat und gesagt hat: Wir wollen nicht immer nur gelbe Karten und rote Karten, machen wir auch eine grüne Karte! – Die grüne Karte wäre gewesen, dass wir der Kommission etwas proaktiv vorschlagen, und der Vor­schlag war das Lieferkettengesetz. Damals hat der Vorsitzende des EU-Ausschusses, der liebe Edgar Mayer aus Vorarlberg, zu mir gesagt: Das können wir schon machen!, aber dann kam Sonja, und Sonja hat gesagt: Das können wir der Wirtschaft nicht antun! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Jetzt höre ich von Frau Kollegin Eder-Gitschthaler: Wir brauchen den „Hausverstand“ und das Augenmaß! – Das heißt nur: Man will es nicht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na!)

Nehmen wir einmal Deutschland her: In Deutschland wurde das Lieferkettengesetz Chefsache. Die frühere Bundeskanzlerin Merkel, der Arbeitsminister Hubertus Heil und ein Vertreter des damaligen Koalitionspartners CSU – die drei haben sich zusammen­gesetzt und haben ein Lieferkettengesetz, das noch viel, viel strenger ist als das, was die Kommission vorschlägt, entwickelt. Das tritt jetzt mit 1. Jänner 2023 in Kraft – also es geht! Es gibt Strafen, es gibt sogar ein eigenes Überwachungsamt, Bafa heißt das.

Ich kann ja einmal die Vorsitzende des Kinderrechteausschusses, unsere Daniela Gruber-Pruner, fragen: Was sollen Kinder machen? Sollen Kinder in die Schule gehen und


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spielen oder sollen sie in Minen arbeiten, auf Feldern arbeiten, in Textilfabriken arbeiten? Es ist richtig, was heute gesagt wurde: Die Kinderarbeit in der Welt wächst. Es waren letztes Jahr – ich zitiere da nur die International Labor Organization – 150 Millionen, es sind heuer bereits 160 Millionen. Das heißt, wir haben ein wachsendes Problem der Ausbeutung von Kindern. Gleichzeitig, neben 160 Millionen Kindern, gibt es über 40 Mil­lionen, vorwiegend Frauen, die in Zwangsarbeit stecken.

Jetzt sind viele Konsumenten und Konsumentinnen aufgestanden – nicht nur in Europa, nicht nur in Österreich – und haben gesagt: Wir wollen keine Leiberl, wir wollen keine Handys, die zum Beispiel aus der Zwangsarbeit von Uiguren stammen.  Dann haben sehr viele Unternehmer gesagt: Wir wollen etwas beweisen: dass Anstand und Wohl­stand keine Gegensätze sind! – Das sind jetzt die Unternehmer, die sagen: Ja, wir wollen dieses Lieferkettengesetz!, denn es gibt auch Anständige, und die sagen: Wir wollen keine Ausbeutung, wir wollen keine Kinderarbeit, und wir wollen vor allem keine Sklavenarbeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir sehen, dass das Lieferkettengesetz gleich für mehrere Bereiche – einerseits für die Menschenrechte, andererseits die Umweltrechte und zum Dritten natürlich auch für die Klimakrise – die richtigen Antworten und die richtigen Maßnahmen hat, wenn wir die Bußgelder sehen, die die deutsche Regierung da eingeführt hat oder die ab 1.1.2023 eingeführt werden, so zeigt das: Es geht ja.

Ich glaube, meine Kollegin Grossmann hat auch auf Frankreich verwiesen. Es geht, man muss nur wollen. Die Konsumenten und Konsumentinnen müssen wollen, und es muss anständige und rechtschaffene Firmen und Unternehmer geben, die sagen: Mir ist es nicht egal, woher mein Kaffee kommt und wie der geerntet wird. Vor allem geht es aber auch um die Textilindustrie, in der es zum Beispiel Arbeitsplätze ohne Toilette­mög­lichkeiten für die ArbeiterInnen und keine Brandschutzvorrichtungen gibt. Es gibt nichts und sie werden 16 Stunden gezwungen – zum Teil mit den Kindern – in einem Raum zu arbeiten. Diese Produkte wollen wir nicht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

14.11


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile dieses.


14.11.14

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Ja, eine Welt ohne Kinder- und Zwangsarbeit, in der auch noch Rücksicht auf die Umwelt genommen wird, würden wir uns alle wün­schen – aber, Frau Bundesminister, nützt dieses Lieferkettengesetz der österreichischen Wirtschaft tatsächlich, und kann es vor diesen globalen Menschenrechtsverletzungen tatsächlich schützen? Für mich ist es zum einen nur schwer vorstellbar, dass sich die gesamte Welt nach uns Österreichern oder Europäern richtet (Bundesrätin Schumann: So ist die FPÖ jetzt! Schau, wie die FPÖ ist!), nämlich bei den kulturellen, sozialen und ökonomischen Divergenzen. Zum anderen muss man sich auch klar eingestehen, dass dieses Lieferkettengesetz zwangsläufig zu Teuerungen für die Endkonsumenten und somit auch für uns Österreicher führen wird. (Bundesrat Schreuder: Also beuten wir aus, na!? Darum beuten wir aus, ja, damit ...! – Bundesrätin Schumann: Genau, darum beuten wir aus! – Bundesrätin Gruber-Pruner: Schau ... SPÖ ist, abseits der lauten Reden, schau, wie wir da sind ...!)

Sie haben vorhin diese Leiberl um 1,99 Euro und die Jean um 5,99 Euro erwähnt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt heute schon viele Menschen, die sich wün­schen würden, um 5,99 Euro eine Jean kaufen zu können, die es aber derzeit schon


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nicht können. Frau Bundesminister – ich weiß es nicht –, was glauben Sie, wer diese Mehrkosten tragen wird? Die Konzerne werden die Mehrkosten nicht tragen, sprich, in der gegenwärtig bereits vorherrschenden Teuerungswelle wird für unsere Österreicher mit Sicherheit alles noch teurer werden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Das bringt mich auch zu einigen Fragen, nämlich: Frau Bundesminister, gibt es fun­diertes Datenmaterial zu den Preissteigerungen in Österreich aufgrund dieses Liefer­kettengesetzes (Bundesministerin Zadić spricht mit Bundesrat Arlamovsky) – wenn ihr zwei fertig seid!, das wären Fragen, die wahrscheinlich nicht nur mich interessieren, sondern wohl auch die Österreicherinnen und Österreicher – oder gibt es fundierte Daten? Auf welchen Daten basieren diese Einschätzungen? Welche Folgen sind für die Elektromobilität absehbar? Wie wir ja alle wissen: Die Produktion von Batterien braucht Kobalt, das im Kongo von einer Masse an Kindern abgebaut wird. (Ruf bei der SPÖ: Ja, dafür schicken wir die Kinder in die - -!) Wie teuer werden die E-Autos für die restliche Welt nach dem Lieferkettengesetz? Was passiert mit diesen Kindern, die heute Kobalt abbauen? Wir wissen es: Im Ostkongo werden sie zu Kindersoldaten. Hat man das da drin vielleicht berücksichtigt? Das kann ja bitte nicht das Ziel dieser Bundesregierung und Europas sein, dass man das eine beenden will und auf der anderen Seite Kindersoldaten ausbildet. Das ist ja bitte ein völliger Wahnsinn. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Gruber-Pruner: ... besser in den Minen!)

Wie beurteilt man den Wettbewerbsnachteil, den unsere Konzerne dadurch gegenüber Unternehmern in der restlichen Welt haben werden? Sie haben den Opferschutz an­gesprochen. Wer übernimmt in diesem Projekt bitte die Kosten für den Opferschutz, wenn den vermeintlichen Opfern Zugang zu Rechtsbehelfen gewährt werden soll? Was ist, wenn sich der Verdacht in weiterer Folge nicht erhärtet? Wer kommt dann für diese Kosten auf? Es gibt also viele Fragen, die aus unserer Sicht noch beantwortet werden müssen. Das Thema ist toll, das Thema passt in einen grünen Wahlkampf sehr gut hinein. Ich glaube, wir befinden uns schon mittendrin, weil keiner weiß, wie lange diese Regierung noch halten wird. Ein grünes Thema ist es auf alle Fälle, aber, Frau Bundesminister, in Ihrem Ressort gibt es sehr viele Dinge, die dringlicher behandelt werden müssen.

Eine Anfrage werden Sie ja in den nächsten Tagen noch bekommen, nämlich zum Tod des 23-Jährigen in Graz. Was mir auch unerklärlich ist: Ich habe unlängst eine Justiz­anstalt in Graz besucht – das passt ja auch in Ihr Thema hinein –, da ist man nicht bereit, 90 000 Euro – bitte, 90 000 Euro! – für eine dritte Zelle zur Absonderung in die Hand zu nehmen, wobei zwei Absonderungszellen in Graz ja wirklich permanent voll sind. Sie kennen die Problematik. Die ganzen Unterlagen sind auf Ihrem Tisch. Sie wissen, dass es 90 000 Euro kostet, dass der Platz vorhanden ist – aber wir sind, mit Ihnen an der Spitze dieses Ressorts, nicht in der Lage, diese Zelle zu errichten und diese 90 000 Euro zu investieren. Ich sage, gerade in diesem Ressort gibt es sehr, sehr viele Dinge, die wesentlich wären. Ob das Lieferkettengesetz gegenwärtig, in Zeiten einer Teuerung, wirklich als erste Priorität behandelt werden muss, wage ich zu bezweifeln. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Ich sage, es gibt immer zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist, alles vorzuschreiben und unseren Österreicherinnen und Österreichern alles aufzuoktroyieren. Das ist die eine Möglichkeit, das kennen wir von dieser Bundesregierung ja schon aus den letzten beiden Jahren. Die andere Möglichkeit wäre aber Transparenz (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), nämlich den Leuten aufzuzeigen, wo die Produkte herkommen, wie diese hergestellt wurden und die Menschen selbst entscheiden zu lassen, ob sie sie kaufen wollen oder nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

14.16



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Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Ich weise nur auf die Redezeit von 5 Minuten hin, bitte. – Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.


14.17.09

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Kom­mission arbeitet gerade ein Lieferkettengesetz – also eigentlich eine Lieferketten­richt­linie – aus. Wir würden eher Sorgfaltspflichtgesetz oder ‑richtlinie dazu sagen. Diese Richtlinie soll in der EU tätige Unternehmen verpflichten, entlang ihrer Lieferketten auf die Einhaltung von Grundwerten zu achten: Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Menschen­rechtsverletzungen und Klimaschutz.

Warum ist das wichtig und notwendig? – Wenn wir in der EU nämlich Umweltregeln haben und andere nicht, dann würde das ja einen Anreiz für Unternehmen bieten, aus der EU abzuwandern. Das ist schlecht für die Umwelt auf der ganzen Welt und für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze bei uns. Wenn bei uns nämlich Menschenrechtsnormen gelten und dort, wo produziert wird, nicht, ist das ein Standortnachteil für uns. Das ist schlecht für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ein Lieferkettengesetz kann also als Grenzausgleichssteuer gegen unfaire Wettbewerbsnachteile gesehen werden.

Wie sehr sind unsere Unternehmen davon betroffen? Werden sie darunter leiden? – Nein, und zwar deswegen nicht, weil alle, die in der EU tätig sind, diesen Regeln unterliegen. Das Gesetz ist auch eine Hilfe gegen Dumping, wie es sie bereits sektoral gibt, zum Beispiel in der Holzindustrie, die sich gegen Billigimporte von wild ge­schlägertem Holz schützt. Da die hierzulande ansässigen Unternehmen immer den höheren Standards folgen, sind sie Gewinner, wenn die Importe den gleichen Regeln unterliegen. Berichtspflichten gibt es ja bereits – nichtmonetäre Berichte für viele euro­päische Unternehmen –, nur eben bisher ohne Sanktionen. Das Prinzip existiert, daher sollte eine vernünftige Umsetzung möglich sein. In Frankreich gibt es so etwas seit 2017. Man konnte dort deshalb keinen Einbruch der Wirtschaft feststellen. Auch in den Nieder­landen und außerhalb der EU in Norwegen wird das bereits debattiert.

Wie sehr betrifft das unsere Wirtschaft und unsere Konsumentinnen und Konsu­men­ten? – Die Importe nach Europa würden auf ein Level-Playing-Field gebracht, wir haben es schon gehört. Das kann auch wieder zu einer Wiederansiedlung, zu einem Reshoring von Unternehmen in der EU führen. Es könnten sich zwar die Preise erhöhen; das wäre aber nur die Folge dessen, dass unseren Regeln, unseren Standards und unseren Werten gefolgt wird. Das Lieferkettengesetz verhindert ja nur die Umgehung unserer Regeln. Die Qualität und die Produktsicherheit sollten steigen, und in manchen Fällen könnten die Preise sogar fallen.

Die Preise waren schließlich durch die Ablehnung des Freihandels erhöht, weil nämlich der Handel durch Verzerrungen, die es bisher gegeben hat, beeinträchtigt wird. Diese Richtlinie würde Verzerrung reduzieren und macht den Handel wieder attraktiver. Mehr Handel, freierer Handel würden so zu niedrigeren Preisen führen. Das wäre auch gut für unsere Exportwirtschaft, für unsere Konsumentinnen und Konsumenten und unseren Wohlstand.

Welchen Einfluss gäbe es auf die Schwellenländer? Das ist natürlich debattierbar. Es kann dazu führen, dass es dort weniger Investitionen gibt, weil der bisherige, man muss schon sagen, Wettbewerbsvorteil verloren geht. Allerdings wäre das ein Wettbewerbs­vorteil, der auf Sozial- und Umweltdumping basiert. Wenn die Investoren in diese Länder nur wegen Sozial- und Umweltdumping kämen, dann bleibt konsequenterweise auch zu


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wenig Wertschöpfung dort hängen – und die Wohlfahrtseffekte, die eigentlich durch den Handel und die Investitionen in diesen Ländern passieren sollten, kommen in diesen Volkswirtschaften deswegen nicht vor.

Was das Thema Migration betrifft, würde ein Sorgfaltspflichts- beziehungsweise Liefer­kettengesetz einen Ansatz dazu bieten, Fluchtursachen zu bekämpfen.

Bei der konkreten Ausgestaltung so eines Lieferketten- oder Sorgfaltspflichtsgesetzes muss man schauen: Welche Unternehmen sind davon betroffen? Der momentane Ent­wurf würde nur 1 Prozent der Unternehmen in der EU betreffen, weil die Schwellenwerte sehr hoch angesetzt sind, weil Kleinunternehmen und Mittelunternehmen zum Großteil ausgenommen sind. Wir wären eher dafür, dass diese auch Verpflichtungen unterliegen, allerdings angemessenen Verpflichtungen im Sinne einer Due Diligence. Sie sollten auf die ihnen zugetragenen Informationen angemessen reagieren müssen, auch ein be­stehender Zertifizierungsmechanismus in manchen Sektoren ist eine Möglichkeit dazu. Die Verantwortlichkeiten müssen klar geregelt sein. Die Kapazität eines Unternehmens, seine Lieferkette zu kontrollieren, muss miteinbezogen werden. Nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit – bei KMUs möglicherweise sogar eingeschränkt auf grobe Fahrläs­sigkeit – darf ein Unternehmen bestraft werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

14.22


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir begrüßen bei uns im Haus Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

14.22.32 Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Hinsichtlich der eingelangten und ver­teilten Anfragebeantwortungen,

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungs­ge­setz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt,

der Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Frau Bundes­minis­terin Dr. Margarete Schramböck gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Betrauung von Herrn Mag. Dr. Martin Kocher gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz auch mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie Ernennung von Frau Mag.Susanne Kraus-Winkler gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Staatssekretärin, wobei sie dem Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben wird, und Ernennung von Florian Tursky zum Staatssekretär, wobei er dem Bundesminister für Finanzen zur Unter­stützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben wird, durch den Herrn Bundespräsidenten

und Amtsenthebung der Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger gemäß Art. 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Mag. Robert Totschnig gemäß Art. 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus durch den Herrn Bundespräsidenten,


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eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und

eines Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundes­ministerium für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Steno­gra­phischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 9)

2. Eingelangter Verhandlungsgegenstand, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2022 bis 2025 und das Bundesfinanzgesetz 2022 geändert werden (1444 d.B. und Zu 1444 d.B. sowie 1485 d.B.)

3. Schreiben des Bundeskanzlers

betreffend Amtsenthebung der Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Betrauung von Herrn Mag. Dr. Martin Kocher gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz auch mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie Ernennung von Frau Mag. Susanne Kraus-Winkler gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Ver­fassungsgesetz zur Staatssekretärin, wobei sie dem Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamen­tarischen Vertretung beigegeben wird und Ernennung von Florian Tursky, MSc, MBA zum Staatssekretär, wobei er dem Bundesminister für Finanzen zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben wird, durch den Herrn Bundespräsidenten (Anlage 2)

und

Amtsenthebung der Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz bei gleichzeitiger Ernennung von Herrn Mag. Norbert Totschnig, MSc gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundes­minister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus durch den Herrn Bundes­prä­sidenten (Anlage 3)


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4. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundes­minis­terin für Frauen, Familie, Integration und Medien MMag. Dr. Susanne Raab von 2. Juni 2022 bis 7. Juni 2022 im EU-Raum, wobei ihre Angelegenheiten im Bundesrat Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek wahr­nehmen wird (Anlage 4)

und

Schreiben des Ministerratsdienstes betreffend den Aufenthalt von Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. am 2. Juni 2022 (nachmittags) in der Slowakei, wobei seine Angelegenheiten im Bundesrat Frau Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner wahr­nehmen wird (Anlage 5)

5. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Vollmacht zur Auf­nahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verzicht auf die Beglaubigung, über den Aus­tausch von Daten in Personenstandssachen und über den Entfall von Ehefähig­keits­zeugnissen (Anlage 6)

B. Zuweisungen

Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Datenschutzbericht 2021, vorgelegt von der Bundesministerin für Justiz (III-784-BR/2022)

zugewiesen dem Justizausschuss

und

Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie über technische Unterwegskontrollen im Jahr 2021 (III-785-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr

sowie

Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2022, vorgelegt vom Bundes­minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und dem Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (III-786-BR/2022)

zugewiesen dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung

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Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 5 und 6, 8 und 9 sowie 14 bis 17 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

14.26.181. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Protokoll zur Än­de­rung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Ver­arbeitung personenbezogener Daten (1427 d.B. und 1463 d.B. sowie 10970/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Ich bitte um den Bericht.


14.26.45

Berichterstatter Ing. Eduard Köck: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Protokoll zur Änderung des Überein­kommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personen­bezogener Daten.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zum Antrag.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses.


14.27.31

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler auf der Galerie! Was sehr technisch klingt, ist eigentlich eine sehr gute Sache: Es geht um das Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung


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personenbezogener Daten. Wir reden da von einem völkerrechtlichen Vertrag. Es geht also nicht nur um die Europäische Union, sondern um viele Länder, die da beigetreten sind. Ausgegangen ist diese Initiative vom Europarat; Herr Schennach, der dort sehr engagiert ist, wird das wissen.

Es sind diesem Übereinkommen mittlerweile 55 Staaten beigetreten. Das letzte Land, das beigetreten ist, war 2019 Marokko. Was will dieses Übereinkommen eigentlich? Dieser Vertrag bedeutet, dass der Datenschutz im Geltungsbereich dieser Konvention – also bei jenen, die beigetreten sind – sichergestellt wird, dass beim grenzüber­schrei­tenden Datenverkehr ein einheitliches Datenschutzniveau gewährleistet und hergestellt wird, und gleichzeitig aber auch, dass der Datenaustausch zwischen diesen Ländern, die sich eben genau an dieses Schutzniveau halten wollen, dann auch erleichtert und weitgehend nicht gehemmt wird.

Wenn man nun aber bedenkt, dass dieser Vertrag vom 28. Jänner 1981 ist – das ist übrigens auch der Grund, warum der 28. Jänner in Europa der sogenannte europäische Datenschutztag ist, da ging es um die Verabschiedung dieses Übereinkommens – und welche technischen Entwicklungen es seither mit Social Media, mit Tiktok, eben dem Internet gibt, kann man sich vorstellen, dass es einen Anpassungsbedarf und auch einen Prüfbedarf gibt. Also hat man zwischen 2012 und 2018 weiterverhandelt und nunmehr etwa Punkte wie biometrische Daten oder genetische Daten, Befugnisse von Daten­schutz­auftragsbehörden et cetera mit hineingenommen. Im Grunde geht es natürlich auch darum, dass man die Konvention mit der Datenschutz-Grundverordnung in Ein­klang gebracht hat.

Ich möchte an dieser Stelle die viel gescholtene – oder: die früher von vielen Seiten gescholtene – Datenschutz-Grundverordnung noch einmal hervorheben und sagen, wie wichtig sie war. Europa, und in diesem Fall tatsächlich die Europäische Union, hat mit der Datenschutz-Grundverordnung Weltpolitik gemacht. Weil Europa das beste Daten­schutzgesetz der Welt hat und alle Anbieterinnen und Anbieter weltweit anbieten, müssen sie ihre Produkte an Europa anpassen, und so nützt das der ganzen Welt. Das finde ich gut so. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.30


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile dieses.


14.30.49

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Mein Vorredner hat ja bereits großartig ausgeführt, worum es bei diesem Übereinkommen geht. Ich will keine Duplikate von mir geben, aber ich möchte vielleicht zwei, drei Gedanken unterstreichen.

Marco hat bereits ausgeführt, was sicherlich ein Grundthema ist: Der Grund, warum der Bereich Datenschutz in Zukunft mit Sicherheit nicht an Bedeutung verlieren wird, ist einfach, dass uns allen aufgrund der technologischen Entwicklungen – was die Über­tragungskapazitäten betrifft, was die Speicherkapazitäten betrifft, was künstliche Intel­ligenz et cetera betrifft – klar sein muss, dass sich die Menge an zu verarbeitenden Daten, auch über uns persönlich, immer mehr und mehr steigern wird. Das ist natürlich enorm.

Vor diesem Hintergrund – Stichwort gläserner Mensch et cetera – sind wir uns, glaube ich, alle einig, dass Datenschutz eine sehr hohe Priorität hat. Ich möchte da gar nicht moralisieren und auf zu viele aktuelle Beispiele eingehen. Ich möchte nur ganz grund­sätzlich anmerken, dass beim Datenschutz jeder immer an die Daten, die ihn selber


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betreffen und die er geschützt wissen möchte, denkt, dass es aber natürlich deswegen zum Missbrauch kommt, weil es immer wieder Personen gibt, die diese Daten missbräuchlich verwenden. Gerade in der Politik habe ich oft den Eindruck, dass es Personen gibt, die sich ganz hervorragend für den Datenschutz einsetzen, wenn sie aber selber – manchmal nicht einmal rechtens – in den Besitz von Daten kommen, die mitunter personenbezogen sind, pflegen sie einen anderen Umgang damit, insbe­son­dere auch in der politischen Auseinandersetzung. Darüber sollten wir vielleicht da und dort einmal nachdenken. Ich möchte insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern vor den Bildschirmen sagen, dass es für sie besonders wichtig ist, dass es diese Daten­schutzrichtlinien gibt, weil es natürlich jeden einzelnen Menschen betreffen kann und kein Mensch vor Missbrauch geschützt ist.

Abschließend: Es gibt viele Menschen, die von der Politik erwarten, dass es konsensuale Vorgangsweisen gibt und dass man in der politischen Vorgangsweise mehr Gemein­samkeiten findet. Allen, die diese Intention haben, kann ich im Hinblick auf die Abstim­mung nur sagen: Genießen Sie den Moment! Ich habe ein gutes Gefühl, dass wir zu einem einstimmigen Beschluss kommen werden. Auch meine Fraktion wird ihren Beitrag dazu leisten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.34


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile dieses.


14.34.44

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Die ÖVP macht also konstruktiv mit, heißt das, was Harry Himmer uns hier erzählt hat. Prinzipiell muss man ja sagen: Das große Geld, der große Goldrausch von einst ist heute das Datensammeln, Datengenerieren. Der Daten­schutz ist eines der ganz, ganz wichtigen Grundrechte, insofern gehe ich mit allem, was meine beiden Vorredner gesagt haben, d’accord.

Warum aber stehen wir jetzt hier und verändern ein Protokoll? Da muss man noch einmal zurückschauen: Diese Konvention des Europarates wurde 1981 verabschiedet. Damals war ich noch nicht in Straßburg, auch Kollege Himmer war noch nicht in Straßburg. Der Europarat schützt durch Konventionen, die zuerst unterzeichnet und später ratifiziert werden. In der Folge haben verschiedene Mitgliedstaaten die Ratifizierung vorgenom­men. Österreich hat damals ein bisschen gebraucht, nämlich bis 1988.

Mittlerweile haben wir Konventionen, die überhaupt nur dank Staaten, die sich nicht in Europa befinden, wirksam werden: zum Beispiel betreffend den Schutz von Medika­menten vor Fälschungen. Das ist eine ganz wichtige Konvention. – Ja, du nickst, liebe Sonja (Bundesrätin Zwazl: Ja!), da können wir vielleicht zusammenarbeiten, da brauchen wir aber den Kollegen daneben auch, denn Österreich hat sie bis heute nur unter­schrieben, aber nicht ratifiziert. Kürzlich haben sie drei westafrikanische Länder ratifiziert und jetzt gibt es einen Schutz gegen Medikamentenmissbrauch, also das, was auf einem Medikament draufsteht, muss auch drinnen sein. Nur dadurch ist das möglich gewesen; denn Österreich hat nicht ratifiziert – ich kann jetzt anfangen aufzuzählen –, Schweden hat nicht ratifiziert, Dänemark hat nicht ratifiziert. Als ich Vorsitzender des ent­sprechenden Ausschusses des Europarates war, habe ich gesagt, dass ich jedes einzelne Land, das nicht ratifiziert hat, an den Pranger stellen werde. In einer Zeit, in der gerade bei Medikamenten so viel Missbrauch passiert, ist diese Konvention von enorm großer Bedeutung. Viele Medikamente, die lebensnotwendig sind, enthalten nicht an­nähernd die Substanzen, die draufstehen – das ist extrem.


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Kommen wir zurück zum Thema: In Österreich wird von der Datenschutzbehörde jährlich ein Datenschutzbericht erstellt. Allein im Jahr 2021 – ich habe nachgeschaut – gab es betreffend Daten in Österreich 1 169 Sicherheitsverletzungen. Das heißt, es ist wichtig, dass wir das jetzt adaptieren. Kollege Himmer, glaube ich, hat eine Reihe von Dingen bis hin zum Internet genannt, die neu dazugekommen sind. Ich gehe auf die vielleicht noch gefährlichere Ebene ein und nenne Algorithmen und künstliche Intelligenz. Das sind Dinge, die jetzt dazukommen und die in diesem Protokoll zur Änderung des Übereinkommens bereits inkludiert sind.

Betreffend das Thema Algorithmen und künstliche Intelligenz schaue ich Frau Kollegin Schumann an: Beim Arbeitsmarktservice in Wien haben die Algorithmen zum Beispiel alle Frauen rausgeschmissen, die älter als 33 sind. (Bundesrätin Schumann: Ja, wissen wir!) Alle Frauen, die älter als 33 sind, haben laut Algorithmus des Arbeitsmarktservice kaum mehr Chancen. Genau das ist die große Gefahr! (Bundesrätin Schumann: Doch, haben sie schon, aber schlechtere!) – Bitte? (Bundesrätin Schumann: Auf C3 waren sie!) – Ja, aber trotzdem sind das Dinge, die wir erst lernen müssen. (Bundesrätin Schumann: Ja, die Gestaltung ...!) – Ja, auch Algorithmen kann man beherrschen. (Bundesrätin Schumann: Jawohl!) Algorithmen werden gezielt eingesetzt (Beifall der Bundesrätin Schumann) und – ich schaue jetzt nach oben, denn vorhin waren da noch Jugendliche – Algorithmen können unglaublicherweise verhindern, dass man die Möglichkeit bekommt, vorzusprechen, wenn man sich als junger Mensch wo bewirbt, weil Algorithmen Bewerbungen für einen Arbeitsplatz aussieben. (Bundesrätin Schumann: Bei Behinderung zum Beispiel!) – Ja, zum Beispiel bei Behinderungen jeglicher Art, aber da kommt auch noch Migrationshintergrund jeglicher Art dazu. Damit werden jungen Menschen die Zukunft und die Chancen geraubt, und deshalb gehören die Algorithmen da ganz maßgeblich mit hinein.

In diesem Sinne werden wir gerne zustimmen. Kollege Himmer hat es ja gesagt: Die ÖVP stimmt zu, die FPÖ stimmt zu, die Grünen stimmen zu, wir stimmen zu, also - -(Bundesrätin Zwazl: Also Applaus! – Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.40


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile dieses.


14.40.40

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ist die Digitalisierung ein Fluch oder ein Segen? – Ich persönlich denke, dass die Digitalisierung ein Segen sein kann und ein Segen sein soll (Bundesrat Schreuder: Ja, außer die ...!), und zwar dann, wenn sie uns Menschen unterstützt, uns Menschen hilft und uns vor Missbrauch schützt. Das ist aber immer von denjenigen abhängig, welche diese Digitalisierungstools betreiben.

Bei der heutigen Anpassung dieses Übereinkommens handelt es sich um eine Sicher­stellung unserer Datenschutzstandards, auch wenn die automatische Verarbeitung von personenbezogenen Daten außerhalb der Europäischen Union stattfindet. Letztendlich geht es dabei um unsere Freiheits- und Bürgerrechte, den Schutz der Privatsphäre in der digitalisierten Welt. Wir Freiheitliche werden keinen Einspruch erheben, weil eben aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung und den damit zwangsläufigen Verände­rungen eine Anpassung notwendig geworden ist. Es werden auch keine inländischen Datenschutzvorschriften materiell zu verändern sein und es wird kein Mehraufwand für die Aufsichtsbehörde, sprich für die Datenschutzbehörde, erwartet, was wir positiv be­urteilen.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 106

Kritisch sehen wir hingegen, dass es einerseits ein multilaterales Übereinkommen zwischen Staaten ist und andererseits die Europäische Union als solche teilnehmen kann. Diese Vermischung verschiedener Ebenen ist problematisch.

Eine wesentliche Anpassung betrifft auch den Bereich Stärkung und Ausbau von Auf­sichtsbehörden sowie die Schaffung eines Kooperationsmechanismus. Das kann durchaus positiv sein. Sie merken vielleicht meine vorsichtige Formulierung von wegen: das kann positiv sein. Ich sage das ganz bewusst so, weil es natürlich nur dann positiv ist, wenn es keinen Deep State – keinen tiefen Staat, keinen Staat im Staat – gibt, wo gewisse Mächte oder auch politische Parteien eine Sonderstellung oder Alleinmacht­stellung haben und das System für sich ausnutzen können. Das klingt jetzt vielleicht weit hergeholt oder wie aus einem schlechten Mafiafilm, aber gerade der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss zeigt ganz klar auf, dass es von der ÖVP genau diese Bestrebungen in Österreich gab und wahrscheinlich noch immer gibt. Warum soll das in anderen Ländern besser sein?

So gibt es auch im Bereich des Datenschutzes immer wieder Probleme, die alle Bürger betreffen. Insbesondere spreche ich hier die auf europäischer Ebene geplante Verord­nung zur Überwachung von Chats an. Da will man dann institutionell und automatisch einschreiten können. Das ist ein ganz, ganz drastischer Eingriff in unsere Privatsphäre, den wir Freiheitliche zutiefst ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ebenso habe ich vor einiger Zeit hier schon vor den negativen Entwicklungen gewarnt, dass unliebsame und kritische Kommentare und auch Beiträge automatisiert von Platt­formen gelöscht werden können und teilweise vielleicht auch gelöscht werden müssen, um hohen Strafen vorzubeugen. Da wird in Grundrechte der Menschen eingegriffen und die Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt. (Bundesrat Schennach: ... Fotografien! – Ruf bei der ÖVP: ... Recht auf Vergessen!)

Grundsätzlich: Wenn es einen konkreten Verdacht gibt, dann soll natürlich unter Einhal­tung von strengen Vorgaben eine Überwachung durch Strafverfolgungs- und Ermitt­lungsbehörden stattfinden können – ein klares Ja dazu. Aber eine automatisierte 24/7-Überwachung von jeglicher internetbasierter, privater Kommunikation, noch dazu nicht durch Behörden, sondern durch Messenger- und E‑Mail-Anbieter, da frage ich mich: Wes kranken Geistes Kind muss jemand sein, der sich so etwas ausdenkt? (Beifall bei der FPÖ.) Ich glaube, nicht einmal George Orwell hätte sich so etwas in seinen kühnsten Träumen vorstellen können. Wir Freiheitliche lehnen so ein totalitäres Überwachungs­regime ab und wir werden weiterhin mit allen Mitteln dagegen vorgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.45


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Frau Bundesministerin Leonore Gewessler hat sich zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


14.45.47

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Ich darf bei diesen Tagesordnungspunkten Justizministerin Alma Zadić vertreten und möchte Ihren Ausführungen und Ihrer positiven Grundstimmung zum heutigen TOP zur Datenschutzkonvention nur noch zwei Anmerkungen hinzufügen.

Ich glaube, uns allen hier im Raum ist klar, dass das Grundrecht auf Datenschutz ein zentrales Anliegen ist. Es ist mir ein zentrales Anliegen, es ist der Frau Justizministerin ein zentrales Anliegen. Deswegen freue ich mich natürlich über die schon verbalisierte breite Zustimmung zu diesem Änderungsprotokoll zur Datenschutzkonvention.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 107

Warum war das Änderungsprotokoll notwendig? – Wir haben uns durch dieses Protokoll an die technischen, aber auch gesellschaftlichen Anforderungen an ein modernes Datenschutzrecht angepasst und exportieren sozusagen mit diesem Änderungsprotokoll auch das europäische Datenschutzerfolgsmodell, nämlich die Datenschutz-Grund­ver­ordnung, in wesentlichen Teilen auch in Nicht-EU-Länder. Damit wird der Datenschutz auch außerhalb der Grenzen der Europäischen Union gestärkt, was ein ganz wichtiges und zentrales Anliegen ist.

Die zweite Bemerkung, die ich noch gerne machen würde, betrifft die weiterführende Diskussion, die Bundesrat Schennach angesprochen hat, nämlich die Frage: Wie gehen wir mit der zunehmenden Digitalisierung unseres Lebens um und damit, dass künstliche Intelligenz und Algorithmen in unserem Alltag eine immer stärkere Rolle spielen, nämlich wirklich im breitesten Sinn des Wortes?

Wir haben dazu auf EU-Ebene gerade die Verhandlungen zum sogenannten AI-Act , also der Gesetzesvorlage betreffend künstliche Intelligenz. Letztes Jahr haben wir – das Klimaschutzministerium und das Ministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gemeinsam – unsere eigene KI-Strategie für Österreich präsentiert, und da spielen diese Fragen eine ganz zentrale Rolle.

KI wird nur dann einen positiven Beitrag zur Lösung großer gesellschaftlicher Probleme leisten können, wenn wir sie menschenzentriert einsetzen, wenn sie nicht diskri­minie­rend wirkt, wenn sie nicht falsch lernt – dafür gibt es dramatische Beispiele –, wenn sie nachvollziehbar ist und wenn sie transparent ist. (Bundesrätin Schumann: ... alte Rollenbilder tradieren!) Genau für diese Position setzen wir uns im Rahmen der aktuellen Verhandlungen auch auf europäischer Ebene ein. – Herzlichen Dank für Ihre Zustim­mung zu dieser Vorlage. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.48 14.48.27


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz den gegen­ständ­lichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.49.432. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird (Versicherungs­vertragsge­setz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022) (1446 d.B. und 1464 d.B. sowie 10971/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 108

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Ich bitte um den Bericht.

14.50.08


Berichterstatterin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses.


14.50.50

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen hier etwas zu einem Thema, das für viele Menschen tatsächlich ein großes Problem und ein Ärgernis war, und das ändern wir jetzt – auch dank Bundesministerin Zadić.

Wir alle haben es vermutlich auch schon erlebt, vor allem in der Zeit, in der man die eigene Existenz aufbaut, mit dem Partner oder der Partnerin vielleicht sogar eine Familie gründet, das Wohnen finanzieren und absichern möchte: Da kommen dann von überall die vielen Beraterinnen und Berater mit den Lebensversicherungen, die einem dann ein Leben in Sicherheit und hohe Renditen versprechen. Sie wollen deine Sorgen haben, du selbst solltest keine mehr haben, sie hören auf dich, sie verstehen dich – vertraue und gehe in eine rosige Zukunft!

Das funktioniert dann leider nicht ganz so, wie man sich das vorgestellt hat, und die Sorgen, die man nicht haben wollte, vergrößern sich, weil man wegen akut falscher Beratung, bewusst falscher Beratung trotzdem nicht aus dem Versicherungsvertrag aussteigen konnte. Das geht jetzt, und das ist gut so. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.52


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. Ich erteile dieses.


14.52.25

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste hier und zu Hause! Marco, das war jetzt eine Steilvorlage, ich werde mich bemühen, dass ich da dranbleibe.

Versicherungsvertragsgesetz: Allein dieses Wort zeigt schon auf, wie der Kollege gesagt hat, dass man nach Möglichkeiten sucht, wie man zum einen das, was man erreichen will, erreicht und es zum anderen wieder lösen kann, wenn falsche Tatsachen vorgespielt wurden – ein schwieriges Wort mit großer Wirkung für den Konsumenten.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 109

Versicherungen sind dazu da, gegen Risiken abzusichern, und bei der Lebens­ver­sicherung ist auch eine gewisse Absicherung durch Vorsorge dabei. Die eigene Absicherung und Vorsorge erzeugen beim Menschen natürlich ein gewisses Sicher­heitsgefühl, dieses spiegelt sich in Familie und Gesellschaft wider. Wichtig ist, dass durch dieses Versicherungsvertragsgesetz die Absicherung für das gesamte Kapital, das man eingezahlt hat, geregelt ist, dass man, wenn man nicht zufrieden ist, aussteigen kann und mit dieser Kontrolle und diesem Regelwerk eine gewisse Garantie hat, dass man das zugesagte Ertragsniveau auch erreicht. Mit Geld, das Menschen für die eigene Vorsorge ausgeben, darf auf keinen Fall spekuliert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig ist, dass ein Ausstieg ohne große Schwierigkeiten und ohne Verlust für den Privaten jederzeit möglich ist. Speziell bei jungen Menschen ist es so, dass dieser oft 20-seitige Versicherungsvertrag nicht genau gelesen wird, dass nicht genau zugehört wird oder die Erklärung für dieses Vertragswerk mit falschen Worten erfolgt. Durch die Regelung ist jetzt ein Austritt aus bezie­hungs­weise ein Rücktritt von diesem Vertrag jederzeit möglich

Man hat ein altes Gesetz aufgehoben und eine Verbesserung beschlossen, die EU-rechtskonform und auch menschlich gesehen sehr in Ordnung ist. Der Anbieter ist verpflichtet, den Konsumenten auf alle notwendigen Dinge hinzuweisen, damit sich die­ser ein klares Bild über seinen Abschluss machen kann. Das Sicherheitsgefühl, das die Menschen dadurch bekommen, bleibt bestehen und die notwendige planbare Vorsorge und Absicherung jedes Einzelnen sind dadurch gewährleistet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.55


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Lancaster. Ich erteile dieses.


14.55.20

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Prä­sidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Zum Inhalt des Gesetzesvorschlages wurde von den Vorrednern bereits berichtet. Wir beenden heute eine 2018 gesetzlich verankerte Benachteiligung von Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich. Verursacht hat diese strukturelle Benachteiligung die Vorgängerregierung, also die ÖVP mit ihrem damaligen Koalitionspartner FPÖ.

Der Europäische Gerichtshof hat bereits 2013 – also gute fünf Jahre vor der österreichi­schen Gesetzesänderung – festgelegt, dass ein lebenslanges Rücktrittsrecht von Lebens­versicherungen bestehen muss, wenn bei Vertragsabschluss nicht oder unzureichend aufgeklärt wurde. Trotzdem hat die ÖVP mit blauer Beteiligung 2018 mittels Initiativ­antrag einen Gesetzesvorschlag eingebracht, der den europäischen Bestimmungen widerspricht. Wie erwähnt wurde kurzerhand das Rücktrittsrecht zuungunsten der Ver­sicherten geändert. Bereits 2019 entschied der EuGH, dass unsere nationalen Rege­lungen nicht mit den europäischen Vorgaben in Einklang stehen. Es wurde diesbezüglich auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet.

Wir reparieren jetzt eine verfehlte Gesetzesänderung aus der nahen Vergangenheit. Die Verfehlung geht wie schon gesagt auf die ÖVP mit ihrem damaligen Koalitionspartner FPÖ zurück. Mittendrin war natürlich immer die Versicherungslobby, die – das wird erzählt – ganze Gesetzesteile formuliert haben soll – eine vollkommen unzulässige Vor­gehensweise, die mit dem abgekürzten Gesetzwerdungsprozess ohne Begutachtungs­phase vervollständigt wurde.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 110

Die verfehlte Gesetzesänderung aus 2018 brachte Unsicherheiten und Schlechter­stellung für Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich. Der Rücktritt aus dem Vertragsverhältnis war mit Verlusten verbunden, auch wenn bei Vertragsabschluss eine fehlerhafte oder gar keine Aufklärung über den Rücktritt erfolgte.

Viele Menschen gingen und gehen Lebensversicherungen ein, oftmals war in der Vergangenheit die Aufklärung über Rücktrittsrechte sehr dürftig oder blieb gänzlich aus. Lebensversicherungen dienen zur Sicherstellung von Wohnbaukrediten, aber auch als Altersvorsorge. Der Gang zum Privatversicherer, der dritten Säule der Altersvorsorge, wurde von ÖVP und Konsorten massiv propagiert. Die staatliche Pensionsvorsorge wird ja seit Jahren als unfinanzierbar schlechtgeredet. Ängste vor Altersarmut wurden ge­schürt und die Menschen wurden Richtung Privatvorsorge und zu den Versicherern getrieben.

Lebensumstände können sich schnell ändern, in Notlagen waren dann die Zahlungen für manche nicht mehr leistbar, und so mancher oder manche prüfte, welche Mög­lichkeiten für einen Rücktritt bestehen. Dieser war jedoch nach der verfehlten Gesetzes­änderung nur mit Verlusten möglich. Sie sah nämlich eine Staffelung des Erstattungs­beitrages vor und regelt, dass nach Ablauf des fünften Jahres nach Vertragsabschluss nur der Rückkaufswert auszuzahlen ist.

Das ist ein gutes Beispiel einer Gesetzesänderung zugunsten weniger und auf Kosten vieler. Die Gewinner dieser verfehlten Gesetzgebung waren eindeutig die Versiche­rungskonzerne. Das für sie teure Rücktrittsrecht wurde einfach gekippt, EU-Rechts­konformität wurde ignoriert und gezielt missachtet. Das ist die Realität, das ist ÖVP-Politik, wie sie sich die vielen nicht verdient haben. Vertrauenswürdigkeit und Arbeiten für die Menschen in unserem Land schaut anders aus.

Wir Sozialdemokraten begrüßen ausdrücklich, dass mit dieser Novelle nunmehr ein EU-rechtskonformer Zustand hergestellt wird.

Die jahrelange Rechtsunsicherheit bezüglich der Rechtsfolgen des Spätrücktritts ist den vielen betroffenen VerbraucherInnen nicht zumutbar. Die statistisch nicht erfassten, aber unzähligen Verfahren sind das Resultat einer verfehlten Politik. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.00


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile dieses.


15.00.34

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Versicherungs­vertrags­gesetz klingt sperrig, und es ist sicher nicht die spannendste Materie der heutigen Sitzung, jedoch ist diese Novellierung positiv zu betrachten, da damit der Schutz bei falscher oder ungenügender Beratung vor Abschlüssen von Versicherungsverträgen erhöht wird. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Wir begrüßen diese Novellierung und werden keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

15.01


Vizepräsident Günther Novak: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Frau Bundes­ministerin.



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 111

15.01.16

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bun­desrates! Tatsächlich legen wir heute einen Gesetzentwurf vor, mit dem wir eine Unge­rechtigkeit beenden, die zugunsten der Versicherungen und zulasten der Menschen in unserem Land 2019 eingeführt wurde. Damals hat man eine Begrenzung von Rück­zahlungen an Versicherungsnehmer beim Rücktritt von Lebensversicherungen neu ge­schaffen. Die war aus meiner Sicht ein grober Fehler, und den korrigieren wir jetzt.

Darüber hinaus soll mit der vorliegenden Regierungsvorlage auch für mehr Gerechtigkeit im Versicherungsrecht und für die Stärkung und den Schutz der Rechte von Konsu­mentInnen gesorgt werden. Wir sorgen mit dieser vorliegenden Regierungsvorlage auch für ein Gesetz, das wieder unionsrechtskonform ist – auch das wurde schon erwähnt. Die anstehende Gesetzesreparatur stellt nun klar, dass Konsumentinnen und Konsu­menten bei einem Spätrücktritt wegen fehlender oder grob fehlerhafter Belehrung die eingezahlten Prämien und nicht nur den Rückkaufswert zurückerhalten. Die 2019 ein­geführten Einschränkungen werden damit rückwirkend und vollständig aufgehoben, was für mehr Fairness im Versicherungsrecht sorgt.

Mit diesem Vorhaben wird darüber hinaus auch klargestellt, dass Versicherungs­neh­mern und -nehmerinnen dann ein sogenanntes „ewiges Rücktrittsrecht“ vom Vertrag zusteht, wenn zwar eine Rücktrittsbelehrung vorlag, diese aber grob mangelhaft war. Außerdem wird auch geregelt, dass bei gänzlich fehlender oder grob fehlerhafter Belehrung ein Anspruch auf die Rückzahlung der bereits eingezahlten Prämien besteht.

Die vorliegende Gesetzesänderung ist auch notwendig, damit wir ein Vertragsver­letzungsverfahren zu einem positiven Ende führen. Sie ist aber vor allem notwendig, um mehr Rechtssicherheit für die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten zu bringen. Sie ist geeignet, endlich Klarheit in einen seit Jahren schwelenden Konflikt um die Rücktrittsrechte von KonsumentInnen im Bereich der Lebensversicherungen zu bringen. Ich hoffe demnach auf breite Zustimmung und bin diesbezüglich auch zuver­sichtlich, weil ich sie in vielen Redebeiträgen schon gehört habe. Ich bedanke mich sehr dafür. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.03 15.03.28


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.03.583. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022) (1440 d.B. und 1465 d.B. sowie 10972/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 3 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Ich bitte um den Bericht.


15.04.17

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 112

dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsident Günther Novak: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesratskollege Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


15.04.56

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich glaube, ich schaffe es jetzt, eine noch kürzere Rede zu halten, da es ja auch bei diesem dritten TOP offensichtlich wieder eine Einigkeit gibt.

Nur ganz kurz: Worum geht es? – Einerseits ermöglichen wir mit dieser Novelle, dass Parteien zukünftig Urkunden auch elektronisch unterzeichnen können, wobei – ganz wichtig, auch für ältere Menschen – anzumerken ist: Die Möglichkeit der händischen Unterschrift bleibt natürlich ebenso erhalten. Es ist aber ein sehr feiner Schritt, die Justiz ein Stück weit offener und digitalisierter und auch zugänglicher zu machen.

Zudem schaffen wir für Rechtsanwälte und -anwältinnen eine bessere Möglichkeit, in Karenz zu gehen. Bisher gab es da nämlich durchaus Hürden. Viele unterbrachen ihre Berufstätigkeit sogar ganz, wenn sie zum Beispiel Kinder bekommen haben, weil sie sonst weiterhin hohe Kammerumlagen und Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen gehabt hätten. Das war bei vielen durchaus auch ein Thema, denn dieses Geld muss erst einmal verdienen. Also auch das wird jetzt repariert.

Dadurch machen wir auch den Anwaltsberuf etwas gerechter, auch geschlechter­ge­rechter und -freundlicher. Dagegen kann man nichts haben, und man kann allen männ­lichen Rechtsanwälten nur empfehlen, auch einmal in Karenz zu gehen. Es gibt jetzt nichts mehr, was dagegen sprechen würde. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.06


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Tausch. Ich erteile ihr das Wort.


15.06.26

Bundesrätin Barbara Tausch (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Extrem kurz werde ich es doch nicht machen, aber mit Kürze und Würze. Ein paar Dinge muss ich schon erwähnen, weil sie wichtig und erwähnenswert sind.

Ich würde diese Novelle so titulieren: Aus der Praxis für die Praxis!

Liebe Frau Schumann! Sie ist jetzt gerade nicht da, ich wollte sie aber bewusst ansprechen, weil sie gesagt hat, dass diese Regierung keine Frauenpolitik betreibt oder das nicht im Fokus hat. – Nein, das ist nicht so. Gerade dieses Gesetz setzt bewusst auch auf die Anliegen der Frauen und vor allem auf die Probleme, die die Ungleich­stel­lung betreffen. Das ist besonders hervorzuheben. (Beifall der Bundesrätin Mattersberger.)

Ja, der Gesetzentwurf ist ein richtiger Problemlöser geworden. Das entspricht auch unserer ureigenen Bestrebung als Politiker. Durch zahlreiche Gespräche, Schilderungen und Betrachtungen ist auf die realen Entwicklungen geschaut worden, und es sind auch


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 113

gute Lösungen in Richtung eines modernen und zukunftsfitten Berufsstandes ent­­stan­den.

Was genau steckt hinter der Änderung der Notariatsordnung, der Rechtsanwaltsordnung und dem Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter? – Es sind zwei Blöcke, und zwar ist das die lange überfällige und notwendige Gleichstellung, und zum anderen ist das ein Update bei der Digitalisierung – ein Wort, das, finde ich, heute am meisten gesagt wurde und das das auch verdient.

Bezüglich Gleichstellung: Ich habe eingangs vom Betrachten realer Entwicklungen gesprochen. Blicken wir also aktiv hin, werfen wir kurz einen Blick auf die Situation ein paar Jahre zuvor: Bereits vor 20 Jahren waren 35 Prozent der Rechtsanwalts­an­wär­terInnen Frauen. Mittlerweile sind es fast die Hälfte. Also man kann sagen, die Ver­hältnisse in der Gesellschaft widerspiegelnd sind es fifty-fifty Männer und Frauen.

Schauen wir nun noch genauer hin, wie viele dann tatsächlich auch den Beruf ergreifen: Von den knapp 6 600 RechtsanwältInnen, die ihren erlernten Beruf auch tatsächlich praktizieren, sind nur 23 Prozent Frauen. In Anbetracht der langen Ausbildung ist das wirklich enttäuschend wenig.

Warum ist dem so? – Wir haben es schon gehört: Ausschlaggebend ist die Tatsache, dass sich Frauen während ihrer Karenzzeiten aus der Liste der Anwälte streichen lassen mussten. Das war weder zeitgemäß noch sinnvoll. Die vorliegende Novelle macht der familienfeindlichen Handhabung endgültig den Garaus. Mit dieser Novelle soll nun bei Geburt, Adoption oder Pflege eines Kindes der Rechtsanwaltsberuf für zwei Jahre ruhend gestellt werden können. Der betreuende Elternteil – und damit meine ich auch die Väter – kann dadurch in der Liste der Rechtsanwälte eingetragen bleiben. Damit bleibt die Kammermitgliedschaft aufrecht, und es können Beitragszeiten für die Alters­versorgung erworben werden, was auch ganz wichtig für die Frauen ist. Mit diesem Schritt geht es auch, wie schon erwähnt, in Richtung einer echten Gleichstellung von Mann und Frau und einem Möglichmachen von Familie und Beruf.

Bezüglich Digitalisierung: Welche Änderungen, welche Verbesserungen bringt dieses Update? – Da gibt es zum einen die Hybridlösung, und mit dieser Hybridlösung bei den digitalen Urkunden wird der Realität Rechnung getragen, denn noch nicht allen Vertrags­parteien ist eine elektronische Signatur möglich. Es könnte aber auch allgemein tech­nische Probleme geben.

Den Parteien bietet sich also die Möglichkeit, händisch oder auch elektronisch eine Unterschrift zu leisten. Diese Änderung steigert die Flexibilität bei der Errichtung von digitalen Notariatsakten und bei der Beglaubigung von elektronischen Signaturen beziehungsweise händischen Unterschriften auf ursprünglich digitalen Urkunden.

Was kam, um zu bleiben, weil es sinnvoll und wirklich hilfreich ist, sind die Video­kon­ferenzen. Mit dem Gesetz wird nun die Möglichkeit geboten, im Alltag der Kammer­tätigkeit bei Bedarf Onlinesitzungen abzuhalten.

Alles in allem kann man zusammenfassend sagen, dass in Abstimmung mit den Staats­behörden und dem Justizministerium eine wirklich praxisnahe Novelle gelungen ist. Es ist gelungen, den Beruf der Rechtsanwälte gerechter und familienfreundlicher sowie moderner und digital fitter zu gestalten. Ich freue mich über Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.11


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 114

15.11.35

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, die Regierungsvorlage enthält einige sinnvolle Klarstellungen und Vereinfachungen, denen wir auch gerne zustimmen. Sie wurden ja schon detailliert erläutert, vor allem von meiner Vorrednerin. Danke auch dafür.

Das Änderungsstatut für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, wenn sie ein Kind bekommen, ein Kind adoptieren oder in Pflege nehmen, ist – aus besagten Überle­gun­gen heraus – natürlich auch sehr, sehr sinnvoll. Es ist schon die Zahl genannt worden: 23 Prozent beträgt der Frauenanteil in diesem Beruf – das ist noch recht wenig –, 49 Prozent aber schon bei den KonzipientInnen. Das heißt, der Rechtsanwaltsberuf wird weiblicher, was sehr positiv ist.

Was allerdings die Rahmenbedingungen für Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft, muss ich schon sagen: Das kann es noch nicht gewesen sein, oder? – Für die stärkere Inanspruchnahme von Väterkarenz braucht es schon noch ein bisschen mehr: den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch generell andere Rahmenbedin­gungen, mehr Anreize, sodass auch tatsächlich Väter in Karenz gehen und auch die längere Anspruchsdauer für sich nützen. Also da braucht es schon noch mehr an Rahmenbedingungen, aber insgesamt ist dieser Novelle zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.13


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte.


15.13.29

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Minister! Auch wir stimmen dieser Novelle zu. (Der Redner beginnt bereits auf dem Weg zum Rednerpult zu sprechen. – Allgemeine Heiterkeit.) – Na ja, Zeit sparen! Es ist schon spät. Es ist nicht kalt, ganz einsam bin ich auch nicht hier, im Wald sind wir auch nicht, aber trotzdem.

Wir stimmen dieser Novelle zu, da gibt es keine Einwendungen. Das ist mit den jewei­ligen Kammern abgestimmt, das ist also ausreichend beurteilt und evaluiert worden. Das ist kein Problem. Daher ist meine Rede auch schon zu Ende. – Danke. (Beifall bei BundesrätInnen von FPÖ und ÖVP.)

15.14


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desministerin Gewessler. – Bitte, Frau Bundesministerin.


15.14.10

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Mit der Kürze der Reden mitzuhalten schaffe ich jetzt nicht ganz, weil es mir ein Anliegen ist, auch stellvertretend für Alma Zadić noch drei Punkte zu erwähnen.

Eine funktionierende Justiz ist einer der absoluten Grundpfeiler unseres modernen demokratischen Systems, aber jedes System, jede Institution besteht aus Menschen mit ganz alltäglichen Sorgen, mit ganz konkreten Anliegen. Im Falle der Justiz sind es Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und -anwältinnen, Anwälte und Anwältinnen, Notare und Notarinnen, die die Justiz mit Leben erfüllen.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 115

Deswegen ist ein Paket, das Schritte auf dem Weg zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie macht, ein ganz, ganz wichtiges Anliegen. Da möchte ich die Ausführungen der Bundesrätin Tausch unterstreichen: Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist kein Frauen­thema, sondern ein Thema für die Väter und die Mütter. Das gilt natürlich auch für den Rechtsanwaltsberuf. Mit dieser Regierungsvorlage gibt es spürbare Verbes­serungen in diesem wichtigen Tätigkeitsbereich.

Wir haben darüber hinaus mit dieser Regierungsvorlage auch auf geänderte Rahmen­bedingungen reagiert, die sich insbesondere aus Corona ergeben haben: Digitalisierung, Flexibilität bei der Errichtung von Notariatsakten.

Ich möchte als zweiten großen Punkt vor allem noch ein Danke anbringen. Um diese Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten, hat das Justizministerium eingehend mit den Standesvertretungen von Notariat und Rechtsanwaltschaft diskutiert, ihre Anliegen wirk­lich weitestgehend aufgenommen, sodass ein wirklich rundes Berufsrechtspaket, das moderner und familienfreundlicher ist, auf den Weg gebracht werden konnte. Es war Alma Zadić ein wirkliches Anliegen, dass man dabei noch einmal Folgendes erwähnt: Die Sektion I und insbesondere Abteilungsleiter Aufner im Justizministerium haben bei der Ausarbeitung dieses Pakets wirklich großartige Arbeit geleistet.

Ich darf mich hier wieder freuen und für die Zustimmung bedanken. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.16 15.16.17


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Nehmen Sie bitte Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.16.494. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden (2501/A und 1466 d.B. sowie 10973/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


15.17.13

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz und das Gesellschafts­rechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden.

Es wird vorgeschlagen, das Außerkrafttreten des 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz um weitere sechs Monate zu verschieben, denn solange Maßnahmen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz getroffen werden können, bleiben auch Auswirkungen auf den Ge­richtsbetrieb möglich.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich kommen daher zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 116

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Herzlichen Dank.


Vizepräsident Günther Novak: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Andreas Arthur Spanring. Ich erteile ihm dieses.


15.18.25

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Zusammengefasst geht es in diesem Gesetz darum: Solange Maßnahmen nach dem COVID-19-Maßnahmen­gesetz getroffen werden können und somit Auswirkungen auf den Gerichtsbetrieb mög­lich wären, soll es Ausnahmeregelungen für die Justiz geben.

Gleich vorweg: Wir werden Einspruch erheben, denn all diese Maßnahmen sind ganz einfach nicht mehr nötig, und unnötige Dinge lehnen wir ab. Noch dazu sind auch Maß­nahmen dabei, die die Qualität im Rechtsbereich, also in der Gerichtspraxis, mindern.

Wenn es sinnvolle Maßnahmen, sprich gute Lösungen in manchen Bereichen, gibt, dann haben Sie von der Regierung den Mut und diskutieren Sie diese Maßnahmen offen an! Dann kann man auch darüber reden, diese vielleicht ins Dauerrecht zu übernehmen. Die Politik, die Sie derzeit machen – ein Hinauszögern, einen Sonderstatus schaffen –, ist nicht Fisch und nicht Fleisch, und sie ist fernab der Realität. (Beifall bei der FPÖ.) Diese Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass-Politik lehnen wir ganz klar ab. (Beifall bei der FPÖ.)


Vizepräsident Günther Novak: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau MMag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.


15.19.52

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen. Niemand von uns weiß, wie sich die Pandemie im Herbst entwickeln wird, und niemand kann die Zukunft verlässlich voraussagen und die Pandemie für beendet erklären. Derzeit dürfen wir aufatmen, das kann aber trügerisch sein. Daher ist es wichtig, Regelungen befristet bis Ende des Jahres aufrechtzuerhalten, die auf eine Pandemiesituation, wie wir sie letztens hatten, eingehen können.

Haben wir das Glück, dass uns dieses Jahr die Pandemie mit ihren lebensbedrohlichen Auswirkungen nicht so stark erwischt, dann werden auch die Sonderbestimmungen nicht schlagend. Die verlängerten Maßnahmen sind also nicht zwingend, sondern gehen darauf ein, vulnerable Gruppen – auch und gerade im Bereich der Justiz – zu schützen. Das ist wichtig, damit Verfahren ohne Verzögerungen durchgeführt werden können, denn Prozesse sind – wir wissen das alle – für alle Beteiligten extrem anstrengend und sollten so schnell wie möglich abgewickelt werden. Da helfen natürlich die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters. Wie uns im Ausschuss schon Sektionschef Kathrein erläutert hat, geht es auch darum, nicht dauerhaft von den hohen Standards in der Zivilprozess­ordnung, die auf die Unmittelbarkeit des Verfahrens vor dem Richter oder der Richterin abzielen, und auch nicht von denen der unmittelbaren Versammlungen im Gesellschafts­recht abzugehen. Daher sind die digitalen Möglichkeiten der COVID-19-Justiz-Begleit­gesetze nur ausnahmsweise und befristet mit einer Sunsetklausel bis Ende des Jahres anzuwenden.

Herr Spanring hat es angesprochen: Manche dieser Regelungen könnten sich aber durchaus bewährt haben, und daher wird derzeit mit den betroffenen Stakeholdern evaluiert, was da aus den Erfahrungen mitgenommen und in Dauerrecht überführt werden


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kann. Bis Ende des Jahres wird es dazu einen Vorschlag geben, voraussichtlich auch – und das war den KollegInnen von der SPÖ wichtig – für die Gebührenbefreiung bei Unterhaltsvorschüssen, wobei zusätzlich für das nächste Jahr eine Unterhaltsreform geplant ist, die derzeit auch diskutiert wird. Sie wird – auch das hat Herr Sektionschef Kathrein betont – einen starken Fokus darauf legen, die Interessen der Kinder zu stärken. Worum geht es da konkret? – Es geht darum, Kinderarmut zu verhindern.

Die Opposition fordert immer wieder und auch heute, dass Regelungen jetzt und sofort vorgelegt werden, am besten gestern, aber langfristig effektive Gesetze brauchen eine gewisse Vorlaufzeit, um unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und verschiedene Sachverhaltsmöglichkeiten zu prüfen, um das Gesetz adäquat in den Rechtskanon einzuarbeiten. Daher freue ich mich auf Ihre Dialogbereitschaft und danke für Ihre Geduld. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.22


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Kollege Sebastian Kolland. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.22.58

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf mich kurz halten. Es geht ja um eine Maßnahmenverlängerung, uns allen sind die Maßnahmen bereits bekannt, wir haben sie im Plenum auch ausführlich diskutiert.

Ich nenne daher nur drei Dinge, die wichtig sind. Es ist eh schon erwähnt worden, aber ich glaube, das muss man auch noch einmal festhalten: Es ist zeitlich bis Ende des Jahres befristet. Es sind Sonderbestimmungen, die nur dann zur Anwendung gelangen, wenn sie auch wirklich benötigt werden. Der dritte Punkt: Die Justiz hat, glaube ich, in den letzten zwei Jahren wirklich bewiesen, dass sie sehr maßvoll und verantwortungsvoll mit diesen Maßnahmen umgeht.

Weil es auch schon zur Diskussion gestanden ist, zur Sprache gekommen ist – und ich gehe davon aus, Kollegin Grossmann wird so wie im Ausschuss darauf replizieren –, gewisse Dinge auch ins Dauerrecht zu übernehmen: Ich denke, wie in vielen anderen Bereichen auch, beispielsweise in der Wirtschaft, wo man jetzt durchaus aus der Not eine Tugend gemacht hat und viele Dinge, die man in der Pandemie angewandt hat, ebenfalls weiterführt – Möglichkeiten der Digitalisierung, Videotelefonie, Videokonferen­zen –, steht es auch dem öffentlichen Bereich gut an, diese Möglichkeiten zu nutzen. Die haben sich auch bewährt. Wenn man mit Vertretern und Praktikern aus der Justiz redet, dann sagen die durchaus auch, dass das Erleichterungen bringt. Diese Möglich­keiten sollten wir nutzen, über die sollten wir diskutieren. Wir als Volkspartei werden uns dieser Diskussion keinesfalls verschließen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.24


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr das Wort.


15.24.30

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Frau Ministerin! Nachdem meine Vorrednerin, mein Vorredner schon angekündigt haben, was ich alles sagen werde (Heiterkeit der Bundesrätinnen Kittl und Zwazl), kann ich meine Rede sehr kurz halten.

Ja, tatsächlich: Wir werden dem zustimmen. Ich habe auch angeregt, das eine oder andere zu prüfen, ins Dauerrecht zu übernehmen, wobei gerade der Grundsatz der


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Unmittelbarkeit des Verfahrens natürlich ein sehr wichtiger ist, der auch in Zukunft zu beachten ist.

Die Gebührenfreiheit bei der Unterhaltsvorschussgewährung ist auch wichtig. Noch wichtiger wäre natürlich eine umfassende Reform im Bereich des Unterhaltsrechts, die auch in Aussicht gestellt wurde, nämlich in Richtung einer echten Unterhaltssicherung. Da sind die Erwartungen sehr hoch, und ich hoffe, dass diese auch erfüllt werden.

Etwas ist aber noch nicht gesagt worden: Sektionschef Kathrein – er ist heute nicht hier, aber ich glaube, er sieht uns vor dem Bildschirm zu – hat ja gesagt, er wird sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden. Ich möchte ihm von dieser Stelle aus für die langjährige, nicht immer einfache, aber sehr gute und wirklich konstruktive Zusammen­arbeit sehr, sehr herzlich danken und ihm für seine persönliche Zukunft vor allem Gesundheit und Wohlergehen wünschen. Möge er uns hin und wieder besuchen. – In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundes­rätInnen von ÖVP und Grünen.)

15.26 15.26.12


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein. Das funktioniert ja hervorragend.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.26.455. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (2502/A und 1461 d.B. sowie 10959/BR d.B. und 10974/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B. sowie 10960/BR d.B. und 10975/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den Punkten 5 und 6 ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um die Berichte.


15.27.21

Berichterstatter Marco Schreuder: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stel­lung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 2022 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,


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2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.28.13

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mit den Änderungen im Energielenkungsgesetz und im Gaswirtschaftsgesetz schaffen wir die Basis für effektive Maßnahmen, um die Gasbevorratung auf bessere Beine zu stellen. Das ist gerade in der aktuellen Situation ein sehr wichtiger Schritt. Es geht darum, für die Menschen in unserem Land, aber auch für die Wirtschaft und die Industrie Sicherheit zu gewinnen. Wir alle wissen, dass das Problem der Abhängigkeit von Gas nicht kurzfristig zu lösen ist. Die Energiewende ist bereits eingeleitet – wir haben alle in der letzten Bundesratssitzung ausgiebig darüber diskutiert –, aber es wird noch viel Zeit brauchen, um die Abhängigkeit von Gas, insbesondere von russischem Gas, zu reduzieren.

Industrie, Wirtschaft und 900 000 Haushalte sind auf eine stabile Gasversorgung ange­wiesen. Ziel ist es nun, die Befüllung der Gasspeicher bis zum Start der Heizperiode auf 80 Prozent zu steigern. Wie wollen wir das erreichen? – Bei der Novellierung des Ener­gielenkungsgesetzes geht es um die Schaffung eines Anreizes besonders für große Endverbraucher, vorsorglich und freiwillig Gasreserven anzulegen. Mit dem Geset­zes­beschluss schaffen wir auch eine Rechtssicherheit für die Unternehmen. Künftig darf in Notfällen nicht auf die gesamte Menge, sondern nur mehr auf 50 Prozent der von den Unternehmen eingelagerten Gasreserven zugegriffen werden. Dafür ist natürlich auch zu entschädigen. Die restlichen 50 Prozent bleiben im Unternehmen und können für den Betrieb eingesetzt werden, um die Produktion und die Arbeitsplätze zu sichern. 

Im ersten Schritt haben wir ja schon die strategische Bevorratung auf 20 Tera­watt­stunden erhöht. Wir müssen aber an vielen Schrauben drehen, um die Versorgungs­sicherheit zu gewährleisten. Es freut mich, dass die Frau Ministerin heute zusammen mit Herrn Minister Kocher auch die Wasserstoffstrategie vorgestellt hat. Die wird zur Ener­gieunabhängigkeit beitragen und wird es der Industrie auch erleichtern, auf klimafreund­liche Produktion umzustellen.

Sicherheit bedeutet aber auch Netzstabilität, und Netzstabilität betrifft nicht nur den Strom-, sondern auch den Gasbereich. Derzeit ist ein Marktmanager für die Aus­gleichsenergie zuständig. Dieses Modell soll nun ausgebaut werden. Der in der Gas­wirtschaft verankerte Marketmaker wird in Zukunft neben der Ausgleichsenergie auch für die Beschaffung von Speicherplätzen zuständig sein. (Vizepräsidentin Zwazl über­nimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, es wird ein gewaltiges Maßnahmenbündel brauchen, um in der schwierigen Situation unser Land weitgehend stabil und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Es wird weder Schönreden noch Panikmache eine Lösung sein. Gefragt sind entschlossenes Handeln und kluge Konzepte. Neben den gesetzlichen Maßnahmen ist gerade in diesen Zeiten der Dialog zwischen allen Beteiligten das Gebot der Stunde.

In diesem Sinne ist der heute vorliegende Entwurf ein wichtiger Schritt, dem sicher noch viele weitere Maßnahmen folgen müssen und werden. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.31



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Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Günther Novak. – Bitte.


15.31.48

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die derzeitigen kriegeri­schen Handlungen in der Ukraine führen uns täglich vor Augen, dass wir uns viel zu lange viel zu wenig um die Versorgungssicherheit und Risikoabsicherung im Energie­sektor gekümmert haben, und da rede ich jetzt nicht von Monaten, sondern von Jahren.

Es ist darauf bereits an vielen Stellen sehr deutlich hingewiesen worden, sei es im Fernsehen oder sei es in anderen Medien. Wir müssen uns in der derzeitigen Situation leider auf jedes Szenario vorbereiten. Es ist letztendlich auch nicht auszuschließen, dass wir uns auf einen völligen Gaslieferstopp aus Russland einstellen müssen. Die Tatsache, dass es nun zur Novellierung des Energielenkungsgesetzes und des Gaswirtschafts­gesetzes, so wie wir es schon gehört haben, kommen muss, unterstreicht dies. Es geht darum, in der nun so prekären Situation möglichst auf Vorsorge zu setzen.

Deutschland hat seine Gasabhängigkeit von Russland mittlerweile von 55 Prozent auf 35 Prozent reduziert, bis Jahresende sollen es 30 Prozent sein. Ich frage jetzt auch Sie, Frau Bundesministerin, damit wir darauf Antworten bekommen: Wo stehen wir? Wie ist der Plan in Österreich? Was passiert in Österreich? Während internationale und euro­päische Länder wie gesagt schon reagiert haben, ist meiner Meinung nach bei uns noch nicht so viel passiert.

Wir als SPÖ werden von der Regierung zwar immer kritisiert, dass wir die Erfolge nicht anerkennen und nicht sehen, was bis jetzt umgesetzt worden ist, sondern die Regierung bekritteln, aber bitte lassen Sie sich doch gefallen, was ich schon einmal oder zwei Mal oder vielleicht drei Mal hier gesagt habe: dass wir über 500 Tage auf das Klima­schutz­gesetz, seit über 500 Tagen auf das Energieeffizienzgesetz warten; beide wurden ja am 1.1.2021 ersatzlos gestrichen. Wir haben kein Erneuerbare-Wärme-Gesetz und, werte Kolleginnen und Kollegen, das EAG, das im Juli 2021 beschlossen wurde, ist nicht fertig. Die EU-Notifizierung ist über die Bühne gegangen, aber meiner Meinung nach sind von den 20 Verordnungen erst ein oder zwei beschlossen worden.

Ich habe das Gefühl – das habe ich auch an dieser Stelle schon gesagt, und es wurde am Vormittag, als neue Minister und Staatssekretäre vorgestellt worden sind, schon gesagt –, dass innerhalb der Regierung nicht alles so läuft, wie man sich das vorstellen würde. Wenn ich zurückdenke, wie mit Argusaugen beobachtet wurde, ob der Gesund­heitsminister dann nicht irgendwo im Ranking vorne liegt, dann habe ich das Gefühl, dass das in diesem Bereich die gleiche Situation ist.

Im Energielenkungsgesetz geht es in erster Linie darum, Großabnehmer, also vor allem Industriebetriebe, in die Lage zu versetzen  das haben wir auch schon gehört , dass sie selbst vorsorgen und entsprechend Gas einlagern können, das vor mengenbe­zogenen Lenkungsmaßnahmen geschützt wird. Mit diesen Maßnahmen sollen sie ani­miert werden, für den Krisenfall eigene Gasreserven anzulegen, über die sie dann selbst weiter verfügen können, sodass eine Systemstabilität gegeben ist.

Jetzt kommt wieder mein kritischer Ansatz dazu  ich erfahre das ja auch nur aus den Medien und aus Gesprächen : Wenn ich nun höre, dass der Voestalpine-Chef und die Industriellenvereinigung immer wieder vor diesem Gasembargo warnen und der Regie­rung vorwerfen, dass es keine Gespräche gibt, wäre für mich bitte heute dann in weiterer Folge auch zu beantworten, Frau Bundesministerin, ob das wirklich so ist.


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Wir werden heute auch den Entschließungsantrag der freiheitlichen Partei nicht unterstützen können, weil es da um ein Veto geht. Es gibt in der EU kein Vetorecht, da kann man nur dagegen stimmen oder dafür sein.

Was sagen nun die Großindustriellen? Sie warnen vor diesen Gasstopps, kritisieren das Fehlen von detaillierten Notfallplänen der Regierung. Nach wie vor schwebe ein Stopp oder Einschränkungen der Gaslieferungen aus Russland wie ein Damokles­schwert über ihren Köpfen, so der Präsident der Industriellenvereinigung und der Vor­standsvorsitzende der Voest. Die stark von Gas abhängige Lebensmittelindustrie fühlt sich auch schlecht informiert, hinzu kommt, dass die Industriebereiche Glas, Papier und Kartonagen auf jeden Fall, sollte es einen Ausfall von Gas geben, ein größeres Problem haben werden. Ich bitte Sie, mir auch diese Frage zu beantworten: Wie schaut die derzeitige Situation aus?

Neben dem Energielenkungsgesetz und neben dem Gaswirtschaftsgesetz sollen also weitere Maßnahmen zur Versorgungssicherheit beitragen. Es geht um die Erweiterung des Instrumentariums zur Beschaffung von Ausgleichsenergie, die auch tatsächlich gespeichert werden muss. Die Gasversorger können dazu vom Staat beauftragt werden, bekommen dafür eine finanzielle Abgeltung. Es geht aber nicht nur darum, andere Bezugsmärkte zu finden, sondern auch darum, viel energischer von fossiler Energie abzugehen. In Österreich sind meiner Meinung nach die klaren Zielsetzungen in diese Richtung aber noch nicht so erkennbar.

Die Energiepreise steigen ungebremst, Wärme wird zunehmend zu einer Frage der Leistbarkeit und die Versorgungssicherheit ist nicht wirklich gegeben. Die Abkehr von fossiler Energie muss oberste Priorität bleiben. Natürlich sind viele Maßnahmen gesetzt worden, keine Frage – denken wir an die Ölkesselsituation, Fotovoltaik, Wärmeschutz, all das erfährt eine wirklich herausragende Förderung –, was man aber auch feststellen muss, ist: Es gibt kaum Facharbeiter und Firmen, die in der Lage sind, diese Um­stel­lungen bei Betrieben und kleinen Einfamilienhäusern in weiterer Folge innerhalb von Monaten auch wirklich umzusetzen.

Die Abkehr von fossiler Energie muss also oberste Priorität bleiben. Wenn ich mir das anschaue, Frau Bundesministerin, dann sehe ich, dass Sie die Ziele klar festgelegt haben: Um die zu erreichen, müssten allein bis 2030 auf rund zwei Millionen Häusern Fotovoltaikanlagen fest installiert werden und sollten rund 1 200 Windräder aufgestellt werden. Wir haben schon darüber gesprochen, dass Verfahren noch immer zu lange dauern, und leider Gottes werden auch die Netzerweiterungen und die Umsetzung in diese Richtung sehr schwierig sein.

Wir haben es schon gesagt: Klare Strategien zur Umstellung auf erneuerbare Energien in den Haushalten sind maximal zu fördern und die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür, dass ein weiterer Einbau von Gasheizungen nicht mehr möglich ist, sind zu schaffen. Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch sagen: Der Herbst ist ja nicht so weit entfernt, die kleinen Haushalte und jene Leute, die weniger Geld haben, werden natürlich mit Bangen darauf schauen, wie das funktioniert, denn die stehen vor der schwierigen Situation, sich zu entscheiden  nämlich ob sie heizen können oder etwas zum Essen haben.

Da ich zum Schluss jetzt die Gasheizungen noch mit einbezogen habe, möchte ich noch einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“


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„Ein Beschluss für das Ende von Gasheizungen in Neubauten ist daher dringend nötig. Bereits 2023 soll Schluss damit sein! Wir müssen jetzt rasch die Weichen für eine Zukunft frei von fossilen Energieträgern und frei von Abhängigkeit stellen. Wir müssen jetzt die wichtigen Schritte für eine Selbstversorgung mit erneuerbarer Energie machen!“

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden Entschließungs­antrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Aufstellung und der Einbau von Gasheizungen in neu errich­teten Gebäuden mit 1. Jänner 2023 verboten wird und die Förderung kostengünstiger Alternativen dauerhaft gesichert wird.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.41


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Michael Bernard. – Bitte schön.


15.41.19

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Aufgrund dessen, dass Kollegin Kaltenegger und Kollege Novak bereits näher auf die Gesetzesmaterie eingegangen sind, werde ich, bevor ich zum eigentlich Thema komme, noch kurz zu Ihrem Redebeitrag, Frau Minister, bei der gestrigen Bun­desratsenquete Stellung nehmen, weil es gestern nicht möglich war. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben gestern kundgetan, dass Sie die Abschaffung des Kilometernachteils durch das Klimaticket erreicht haben. Was hilft das der Bevölkerung im ländlichen Raum, wenn der Kilometernachteil Ihrer Meinung nach durch das Klimaticket abgeschafft wurde, die Bevölkerung im ländlichen Raum aber durch Ihre Politik, durch die von Ihnen massiv mitverschuldeten Erhöhungen der Energiekosten – anstatt den öffentlichen Verkehr massiv auszubauen –, jeder Kilometer doppelt so viel kostet wie vorher? (Beifall bei der FPÖ.)

Zusätzlich frage ich mich – es gab heute wieder eine Meldung –, warum Sie nicht im­stande sind, diesen Klimabonus, der je nach Region maximal bis zu 200 Euro beträgt, anstatt erst im Oktober im Juli auszubezahlen. Erklären Sie, was Sie jetzt wieder daran hindert, die Auszahlung, so wie ursprünglich zugesagt, im Juli durchzuführen!

Sie haben die Stärkung der Energieversorgung erklärt, Sie sprachen da von zusätzlichen Wasserkraftwerken. Die begrüßen wir als Freiheitliche natürlich, aber ich frage mich nur, wann und wo der Sinneswandel stattgefunden hat. Im Regierungsprogramm steht es zwar drinnen, und ich habe Sie bereits mehrmals danach gefragt, aber bis dato bekam ich natürlich keine Antwort von Ihnen, also ersuche ich es hier nochmals: Nennen Sie mir die derzeitigen namhaften Wasserkraftwerksprojekte, die von Ihnen persönlich unterstützt und vorangetrieben werden! Noch eine Frage meinerseits, die habe ich auch schon ein paar Mal gestellt: Wie stehen Sie zum Wasserkraftwerk im Marchfeld?


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Beim Thema Energiewende, Wärmewende, Windkraftanlagen, Fotovoltaikanlagen gebe ich Ihnen in einem Punkt schon recht, nämlich dass durch die Förderung der Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energie, zum Beispiel bei den Fotovoltaikanlagen, mehr regionale Arbeitsplätze geschaffen werden können. Der Unterschied ist nur die Herangehensweise: Sie gehen als sogenannter Elefant im Porzellanladen, wir gehen mit Hausverstand an die Sache heran.

Interessant ist es dann aber für mich, wenn Sie erklären – da bin ich ganz hellhörig ge­worden und habe mir ein bisschen Arbeit gemacht und recherchiert –, dass beim Fun­damentbau von Windkraftanlagen die ortsansässigen Baumeister zusätzliche Aufträge durch das Betonieren bekommen. Jetzt frage ich mich, Frau Minister: Haben Sie das gestern ernst gemeint? Wissen Sie überhaupt, wie viel Beton für ein Fundament für eine durchschnittliche Windkraftanlage benötigt wird? (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Ohne Ihnen nahetreten zu wollen: Mir kommt es so vor, als ob die kleine Leonore auf dem Plastikhutschpferd sitzen und darauf warten würde, dass der ortsansässige Baumeister sagt: Geh, Karl, wirf einmal die Mischmaschine an!, und dann schnell einmal die 7 000 Tonnen Stahlbeton runtermischt. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Kennen Sie die CO2-Bilanz eines 3-Megawatt-Windrades? – Ich bin kein Windkraft­geg­ner, nur sollten wir schon bei der Wahrheit bleiben, und die lautet, dass das Fundament das gewaltige Drehmoment dieses Windrads aufnehmen muss und wie gesagt aus 7 000 Tonnen Stahlbeton besteht. Wenn man jetzt ausrechnet, dass in einem durch­schnittlichen Lieferbetonwagen 7 Kubikmeter drin sind, dann sind das 1 000 Lkws. Das macht also nicht der ortsansässige Baumeister mit der Mischmaschine. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Die Produktion von Beton, so nebenbei erwähnt, ist meiner Meinung nach sehr CO2-intensiv (Bundesrat Ofner: Genau!), und bei der Zementherstellung, bei der Kalzinierung des Kalkes zu Calciumoxid, wird auch jede Menge CO2 frei. Insgesamt kann man rechnen, dass bei der Produktion von einer Tonne Zement etwa eine Tonne CO2 frei wird. Wenn man das Ganze hochrechnet und einem Gaskraftwerk gegenüberstellt, das mit fossiler Energie betrieben wird, dann muss das Windkraftrad fünf Jahre und sieben Monate laufen, damit die CO2-Bilanz gleich wie beim Gaskraftwerk ist – nur als Erklä­rung.

Natürlich muss man auch noch den verwendeten Stahl berücksichtigen – das Maschi­nenhaus hat 120 Tonnen, der Generator 220 Tonnen, die Rotornabe 320 Tonnen –, und zusätzlich muss im Fundament unten auch noch jede Menge Eisen drinnen sein. Wie gesagt, ohne den hervorragenden, qualitätsbewussten ortsansässigen Baumeistern die Fähigkeiten abzusprechen: Solche Bauwerke werden auf jeden Fall durch spezialisierte Großfirmen errichtet. Wenn man ein bisschen die Augen geöffnet hat, dann sieht man, dass all diese Windkrafträder mit ausländischen Lkws und von ausländischen Firmen herangekarrt werden – so viel zum Thema Regionalität. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Gewessler, wir werden das natürlich genau beobachten. Wenn es darum geht, Straßen zu errichten, um die Bevölkerung von Lärm und stundenlangen Staus zu entlasten, probieren Sie, wenn es in Ihre Klientelpolitik passt, diese mit allen Mitteln zu verhindern. Auf der anderen Seite betonieren Sie unter dem Titel Energiewende unsere Ackerflächen zu, welche – wie es auch gestern Kollege Raggl schon gesagt hat – besser für den Anbau verwendet werden sollten, um die Lebensmittelversorgung zu gewährleisten.

Überhaupt, Frau Minister, so wie es Kollege Novak vorhin schon erwähnt hat: 500 Tage sind verstrichen, seitdem das Klimaschutzgesetz und das Energieeffizienzgesetz aus­gelaufen sind, und Sie haben nichts gemacht. Wir haben kein fertiges EAG, keine Strategie


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für grünes Gas, keine Strategie für grünen Wasserstoff und so weiter und so fort. – Frau Minister, Sie versagen an allen Ecken und Enden. (Beifall bei der FPÖ.)

Beim Gaswirtschaftsgesetz, um das es heute beim Tagesordnungspunkt 6 geht – wir werden natürlich den Gesetzen der Tagesordnungspunkte 5 und 6 zustimmen –, stellt sich für mich noch einmal die Frage, die ich auch schon im Ausschuss gestellt, aber keine richtige Antwort bekommen habe. Es steht drinnen:

„Der Bilanzgruppenkoordinator hat auf Aufforderung der Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ein transparentes, dis­kriminierungsfreies, marktbasiertes und öffentliches Ausschreibungsverfahren zur Vor­haltung von Gasmengen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit durchzuführen.“

In diesem Zusammenhang hätte ich natürlich gerne von Ihnen gewusst, wer feststellt, was Sie unter diskriminierungsfrei verstehen. Da komme ich wieder zu meiner Frage, die ich in der letzten Sitzung schon gestellt habe, die Sie natürlich auch nicht beantwortet haben: Ist das Gas aus Katar, welches Sie besorgen wollen, diskriminierungsfrei? Welche Maßstäbe werden da angelegt? (Beifall bei der FPÖ.)

Mein Kollege Günter Pröller wird heute noch einen Antrag einbringen, um Sie und Ihre Belastungs-, Einsperr- und Mittelstandsvernichtungsregierungskollegen aufzufordern, beim nächsten Wahnsinnsschritt, nämlich dem geplanten Gasembargo, nicht mitzustim­men. Sie würden damit meiner Meinung nach der Wirtschaft nämlich den direkten Herz­messerstich geben, und das betrifft uns dann alle.

Wozu ich Sie und Ihre Kollegen beim Ölembargo aufgefordert habe, fordere ich Sie auch da auf: Hören Sie mit Ihrem türkis-grünen Zynismus auf, setzen Sie sich für Ihren Arbeitgeber ein! Falls Sie es nicht wissen oder vergessen haben, wer denn das ist, dann verrate ich es Ihnen: Es ist die österreichische Bevölkerung, die mit ihren abgeführten Steuern Ihr Ministergehalt finanziert. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrätin Schartel: Bravo!)

15.49


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. Ich erteile ihm das Wort.


15.50.12

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Jetzt ist es doch gelungen, mich zu provozieren: Herr Bernard, quasi in Hochform des Hausverstandes. Wie er jetzt eine Diskussion über Windenergie führt, gegen Windenergie auftritt – das muss man zusammenbringen, das muss man förmlich mitschreiben – (Zwischenruf des Bundesrates Hübner  Bundesrat Steiner: Ist was falsch, oder?) und plötzlich über die Fundamente von Windkraft zum Klimaschützer mutiert, das ist schon eine besondere Leistung. Noch etwas – ich gebe zu, das trifft mich bei diesen Themen als studierten Techniker und lange in der Wis­senschaft Tätigen schon ein bisschen –: Es ist fundamental falsch, fundamental falsch! Das möchte ich noch vorausschicken, deswegen werden wir ein bisschen länger brauchen.

Sie haben von der ganzen Energie in Stahl und Beton gesprochen: Ja, natürlich ist da Energie drinnen. Es gibt in der Wissenschaft anerkannterweise so etwas wie eine energetische Amortisationszeit, also: Wie lange muss wieder Energie produziert werden, um das zu erzeugen, was vorher hineingesteckt werden musste? – Das gibt es detailliert. Bei einer Windanlage sind es unwidersprochen maximal ein paar Monate. Wissen Sie, wie lange es bei einem Gaskraftwerk ist? – Unendlich. Ganz einfach: Sie müssen immer Energie reinstecken, da kommt nie etwas heraus. Das ist ganz simpel. Sie müssen immer Gas fördern und reinstecken. (Bundesrat Steiner: Luft holen!) Das amortisiert


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sich nie, das Gegenteil ist der Fall. (Bundesrat Steiner: Luft holen!) Das ist fundamental falsch, was Sie sagen.

Ich möchte jetzt aber zum eigentlichen Thema kommen, zur Causa prima, das ist gewissermaßen doch viel ernster, und zwar geht es ja um eine Krise, und in dem Fall eine drohende Krise, eine drohende Versorgungskrise mit Erdgas. So etwas erfordert besondere Maßnahmen, mitunter weitreichende, sehr schmerzliche Eingriffe, und im Normalfall ist das natürlich nicht erforderlich und richtigerweise auch nicht möglich. Darum ist es auch so wichtig, eine drohende Krise abzuwehren oder zumindest – das kann man ja natürlich nur bedingt, aber zumindest so gut es geht – als bewältigbar vorzubereiten. Genau darum geht es in diesen zwei wesentlichen Punkten in den vor­liegenden Gesetzen.

Das ist im Großen und Ganzen ja ausgeführt worden, darum lasse ich das im Wesent­lichen auch. Ich möchte dazu nur einen Satz sagen, nämlich, dass es ja auch wirklich ein schönes Beispiel ist, wie man auch mit IndustrievertreterInnen kooperieren kann, dass man sagt: Okay, ihr könnt einspeichern, ihr könnt in einem sehr großen Ausmaß Eigenverantwortung für euren Gasbedarf übernehmen, wir sichern euch die Hälfte und auf die andere Hälfte können wir, wenn das notfallmäßig notwendig ist, auch wieder zugreifen. – Ich finde es sehr schön, dass das in einer guten Kooperation gelungen ist.

Das ist natürlich nicht alles. Weil es so viel Kritik betreffend Notfallmaßnahmen und Vor­bereitung gibt: Es ist ja viel passiert in den letzten Wochen und wenigen Monaten. Von den knapp 13 Terawattstunden strategischer Gasreserve ist ja ein großer Teil bereits ausgeschrieben gewesen. Geplant ist und kommen wird eine Verordnung, die das auf 20 Terawattstunden anhebt – das ist kräftig, das ist schon fast ein Viertel des gesamten Gasverbrauchs –, mit dem Ziel, die Speicher bis zum Winter zu 80 Prozent gefüllt zu haben. Das geht konform mit den europäischen Vorgaben, die ja noch schlagend wer­den, die das oder alternativ dazu eine Einspeicherung von 35 Prozent des Jahres­ver­brauchs vorsehen. Darum geht es bei diesen Maßnahmen.

Es wird eine ganz, ganz wichtige Regel geschaffen. Kommuniziert worden ist es schon, aber ich möchte es wieder hier hereinbringen, weil es ganz wichtig ist: In Hinkunft kann dann auf nicht genutzte Speicherkapazitäten zugegriffen werden, wenn die aus strate­gischen Gründen blockiert werden, wie das die Gazprom beziehungsweise deren Töch­ter beispielsweise beim Speicher Haidach, der im Übrigen an das österreichische Gas­netz angeschlossen werden wird, gezielt machen. Vor allem in der Kombination mit der vorigen Regel, die ich zitiert habe, wird das eine ganz, ganz wichtige Möglichkeit bieten, die Versorgung in Österreich zu sichern. Es wird einfach nicht mehr gehen, Speicher nicht zu befüllen und zum Schein Speichermengen zu buchen – das ist ein ganz wichtiger Punkt und ein massiver Eingriff, das muss man dazusagen.

Jetzt allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird es etwas dicker – jedenfalls für meine Verhältnisse, im Vergleich dazu, wie ich es sonst gewohnt bin, Dinge zu dis­kutieren: Diese Maßnahmen zur Krisenprävention kosten insgesamt viele Milliarden Euro, die die Steuerzahlenden bezahlen werden, so oder so, in welcher Form auch immer. Man wird dieses Geld irgendwann nicht ausgeben können (Bundesrätin Schartel: Das ist ja ein Blödsinn!), es wird sonst wo fehlen. Viele Milliarden davon hätten wir nicht aufwenden müssen, wenn es in den letzten Jahrzehnten eine weitsichtige Energiepolitik gegeben hätte.

Sehenden Auges hat man sich in eine massive, einseitige Abhängigkeit von vor allem russischem  Gas und generell von fossilen Energieträgern manövriert. So manche hohe Manager und Politiker haben sich über Jahrzehnte die Mär vom billigen und ach so umweltfreundlichen Erdgas vorgelogen. Da gibt es nichts zu beschönigen und nichts zu entschuldigen, denn es war damals schon klar – seit Jahrzehnten ist klar –, dass das


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eine grundfalsche Einschätzung war. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Es ist mit Absicht passiert, mit voller Absicht, es ist mit Ignoranz passiert, und jetzt kostet es uns Milliarden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Diese fehlgeleitete Energiepolitik ist noch dazu völlig kontraproduktiv im Hinblick auf die Überlebensfrage Klimaschutz und hat uns in eine extrem missliche Situation gebracht, aus der wir aber so schnell nicht mehr herauskommen werden.

Man könnte meinen, dass das jetzt langsam allen aufgegangen sein müsste, spätestens mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, aber ich bezweifle auch das, wenn ich mir so manche Wortspenden und Vorschläge, was jetzt zu tun sei, anschaue. Vieles davon sieht verdächtig nach Ablenkungsmanövern aus. Da muss ich jetzt schon ganz konkret die jüngsten Äußerungen des Herrn Mahrer ansprechen: Was er von sich gibt, ist eine unfassbare Chuzpe. Klüger wäre es, Herr Mahrer, wenn Sie sich endlich um Ihre Angelegenheiten kümmern würden! (Bundesrat Spanring: Koalitionskrise?) – Ich sage das ganz bewusst. (Beifall bei der FPÖ.) Wo ist denn Ihr Dekarbonisierungsplan für die österreichische Wirtschaft? Wo sind denn Ihre Initiativen, endlich bei den Fachkräften weiterzukommen? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das wären wunderbare Betäti­gungs­felder für die Wirtschaftskammer, um sich vielleicht zuerst ein bisschen Glaubwürdigkeit zu erarbeiten. (Bundesrat Spanring: Ihr seid in der Koalition!)

Ich möchte jetzt noch ein bisschen auf diese Debatte eingehen. Es ist auch gefragt worden, was für den Notfallplan vorbereitet wird. Natürlich laufen die Gespräche intensivst. Es gibt ja das Energielenkungsgesetz, da sind die Prozedere aufgelistet. Ich kann schon verstehen, dass es da Wünsche nach Transparenz gibt, aber: Was soll das jetzt sein? Sollen wir jetzt mit den Energieverbräuchen großer Unternehmen in die Öffentlichkeit gehen? Sollen wir in der Öffentlichkeit diskutieren, wer wann in welchem Ausmaß abgeschaltet wird? – Stellen Sie sich dieses Schlachtfeld vor – undenkbar! Stel­len Sie sich einmal vor, was passiert, wenn hinausgegangen und angekündigt wird: Euch werden wir das Gas abdrehen! Das sind börsennotierte Unternehmen! Was glauben Sie, was mit den Börsenkursen passiert? (Bundesrätin Schartel: Sonst schert ihr euch auch nicht drum!) – Das geht doch nicht, so kann man nicht arbeiten.

Das Energielenkungsgesetz weiß das natürlich, das Energielenkungsgesetz sieht vor, mit großen Unternehmen individuell Gespräche zu führen  das passiert auch. Das Energielenkungsgesetz sieht im § 6 ausdrücklich und richtigerweise vor, dass die Daten, die da natürlich gesammelt werden, explizit nur für Lenkungszwecke zu verwenden sind. Ich meine: Wo sind wir?! – Man kann mit solchen Sachen nicht hinausgehen, das ist einfach eine falsche Erwartungshaltung. Und natürlich wissen auch Herr Mahrer und der Industriellenvereinigungschef, dass diese Gespräche stattfinden. Ich möchte es gesagt haben, weil ich denke, dass da falsche Erwartungshaltungen erzeugt werden.

Natürlich geht es jetzt darum, Vorsorge zu treffen – ich denke, das passiert jetzt wirklich intensiv –, aber natürlich geht es auch darum, schnellstmöglich aus russischem Gas auszusteigen, und noch wichtiger ist, generell aus fossilem Gas auszusteigen. Selbst­verständlich gibt es da einen Plan, der ist im April vorgestellt worden. Das (ein Blatt Papier in die Höhe haltend) ist das Deckblatt – sparsam in schwarz-weiß ausgedruckt – einer Analyse der Österreichischen Energieagentur. Darin gibt es ganz spannende Eck­punkte: Die Energieagentur rechnet vor, dass bis 2027 – 2027, das ist in fünf Jahren! – ein Ausstieg aus russischem Gas möglich wäre (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), allerdings nur dann, wenn wirklich ganz entschieden gehandelt wird und natürlich auch die Gesetze dafür geschaffen werden.

Der Gasverbrauch ließe sich bis dahin um ein Drittel reduzieren. Der größte Brocken davon ließe sich durch einen umfassenden Ausstieg aus Gasheizungen bei der Raum­wärme realisieren. Bis 2030 könnte die Hälfte aller Gasheizungen in Österreich umge­stellt werden. Das braucht allerdings klare begleitende rechtliche Rahmenbedingungen,


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vor allem im Bestand. Deswegen greift auch der Antrag der SPÖ, den ich sachlich verstehe, der ja auch in Ordnung ist, natürlich viel zu kurz. (Bundesrätin Schumann: Oh!) Wir brauchen einen ganz umfassenden Ausstieg. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dazu brauchen wir jetzt sehr schnell die Rahmenbedingungen, weil es um Strukturen geht. Jede Gasheizung, die heute noch eingebaut wird, kann man 20, 30 Jahre lang verwenden. Das wird in den nächsten Jahren ein Problem. Wie gehen wir mit diesen Heizungen um, die jetzt frisch installiert werden, weil wir sie nicht mehr brauchen können?

Leider ist es halt so, dass auch diese Dinge und dieser Ausstieg torpediert werden, vor allem von der Gaswirtschaft und deren Verband. Ich sage es hier in aller Deutlichkeit: Sie verbreiten ein Märchen, ein gefährliches Märchen, Sie verbreiten das Märchen vom grünen Gas. (Bundesrat Leinfellner: Grüne Logik!) Ich sage es in aller Deutlichkeit: Wer grünes Gas in die Raumwärme schicken will, vernichtet Arbeitsplätze (Bundesrat Steiner: Narrische Schwammerl haben sie dem heute gegeben zu Mittag!), denn wir haben nicht einmal annähernd die Möglichkeiten, so viel grünes Gas zu produzieren, wie wir in den Bereichen benötigen, in denen es keine Alternativen gibt, und zwar in der Industrie. Die Industrie braucht grünes Gas wie einen Bissen Brot, um zu überleben. Deswegen reiten wir so darauf herum, deswegen ist es so wichtig, jetzt nicht grundlegende strategische Fehler zu begehen.

Bis jetzt ist es aber einmal durch ein paar solche rückwärtsgewandte Lobbyisten ge­lungen, sogar das EWG festzuschnallen und nicht freizugeben. Ja, ich habe eine Wut – man merkt es –, nicht weil ich beleidigt bin oder so etwas, sondern weil es unver­antwortlich ist. Es ist ein Spiel mit falschen Fakten – wissentlich! Würde man dem folgen, würde das massiven Schaden an der Volkswirtschaft anrichten. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Eine notwendige Energiewende ist nur zu schaffen, wenn wir diese endlich als gemeinsame Aufgabe verstehen.

Da ist es auch einmal notwendig, dass sich einige Branchen verändern. Das muss man auch aussprechen. Wenn laut und vorlaut Krisenmaßnahmen zur Versorgungssicherheit eingemahnt werden, ist das ja in Ordnung, aber dann muss man in diesen Branchen – die uns in die Abhängigkeit manövriert haben und die uns jetzt auch wieder hinausführen sollen – auch Krisenmanagement beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern akzep­tieren.

Das wollte ich einmal gesagt haben (Bundesrätin Zwazl: Das haben wir gemerkt!), und ich bitte um eine breite Zustimmung zu der Vorlage, denn das brauchen wir wirklich, damit wir die Speicher im Winter dann wenigstens zu 80 Prozent gefüllt haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

16.03


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich der Bericht­erstatter, Herr Kollege Schreuder. – Bitte.


16.03.37

Berichterstatter Marco Schreuder: Ich möchte nur noch nachträglich auch den Bericht zu Top 6 bringen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrats vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirt­schaftsgesetz 2011 geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher auch in diesem Fall gleich zur Antragsstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag,


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1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen. – Danke schön. (Vizepräsident Novak spricht mit MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion. – Bundesrat Spanring: Gut, die Sitzung von vorne beginnen! Alles auf Anfang! Machen wir es noch einmal!)


Vizepräsident Günther Novak: Es geht um die Einhelligkeit.


Berichterstatter Marco Schreuder (fortsetzend): Es tut mir leid. Ich möchte das korrigieren: Es ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Be­ratung der Vorlage am 31. Mai 2022 mit Stimmeneinhelligkeit - -


Vizepräsident Günther Novak: Gut. Danke schön, Herr Kollege Schreuder.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Bundesministerin.


16.05.27

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundes­rates! Sie haben zwei Beschlüsse des Nationalrates – zum Energielenkungsgesetz und zum Gaswirtschaftsgesetz – vor sich, bei denen es insgesamt darum geht, die österreichische Bevölkerung und die Wirtschaft vor den Auswirkungen eines möglichen Lieferstopps aus Russland zu schützen. Dieser Lieferstopp kann in einer Kriegssituation mit einem Despoten am anderen Ende des Gashahns, der Gas und Energie als Waffe einsetzt, einfach nicht ausgeschlossen werden. Deswegen bereiten wir uns mit einer Vielzahl von Maßnahmen darauf vor, und dazu gehören diese beiden gegenständlichen Novellen.

Worum geht es? – Beim Energielenkungsgesetz – Bundesrat Gross hat es erwähnt – geht es darum, Großabnehmer von Erdgas, und das sind in der Regel große Indus­triebetriebe, in die Lage zu versetzen, selbst für den Fall einer Lieferunterbrechung oder einer Störung vorzusorgen und entsprechend Gas einzuspeichern. Nur brauchen sie für diesen Fall – und das stellen wir mit dieser Novelle sicher – auch die Sicherheit, dass sie von mengenbezogenen Lenkungsmaßnahmen ausgenommen werden, also, solange es möglich ist, geschützt werden, um eben auch unternehmerisch verantwortlich agieren zu können.

Das heißt übersetzt: Wenn Industrieunternehmen selber Gas beschaffen und ein­speichern, dann sollen sie sich auch möglichst lange auf dieses geschützte Gas ver­lassen können. Die Industrie wird mit dieser Änderung mehr Sicherheit bei der Ein­speicherung erhalten, und das ist wichtig. Wir sehen auch ein großes Interesse daran. Das ist ein großer Beitrag dazu, unsere Gasspeicher stärker zu füllen und bis zum Herbst und dem Beginn der Heizsaison genau das zu erreichen, was wir uns als Bundes­regierung vorgenommen haben, nämlich 80 Prozent Speicherfüllstand.

Die zweite wesentliche Änderung im Energielenkungsgesetz betrifft den Ersatz von Vermögensnachteilen im Fall einer Energielenkung. Bislang hat man das anscheinend nicht bedacht gehabt, es war nur für feste und flüssige Energieträger eine Entschädigung vorgesehen. Jetzt soll die Entschädigungsregelung auch auf Elektrizität und Erdgas ausgeweitet werden. – So viel zum Energielenkungsgesetz.

Im Gaswirtschaftsgesetz schaffen wir noch eine weitere Möglichkeit, die Speicherstände zu erhöhen, nämlich durch die physische Beschaffung von zusätzlicher Ausgleichs­energie. Wie funktioniert das also? – Der Staat kann über den sogenannten Bilanz­gruppenkoordinator die Energieversorger mit der Vorhaltung und Speicherung von Aus­gleichsenergie beauftragen, und diskriminierungsfrei – sorry to say – erklärt sich aus


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europäischem Vergaberecht und einer offenen Ausschreibung. Also ich wüsste nicht, was ich dazu noch mehr erklären könnte, aber es ist eine vergaberechtlich offene Aus­schreibung.

Gasunternehmen bekommen eine Abgeltung für die Vorhaltung. Wenn man diese Leis­tung ausschreibt, bekommen die Gasunternehmen also eine Abgeltung für die Vorhal­tung, können das Gas aber, wenn es durch den Bilanzgruppenkoordinator nicht abge­rufen wird, auch selbst verwenden. Wir orientieren uns bei dieser Vorgehensweise an Deutschland, an dem deutschen Modell. Diese Versorgungsversicherung – und als das muss man es sehen, sie wird im Gaswirtschaftsgesetz einmal als Marketmaker be­zeichnet – ist eine effiziente Maßnahme, ist eine marktbasierte Maßnahme, um im Notfall rasch zusätzliche Gasmengen bereitstellen zu können. Auch sie leistet einen Beitrag, um die Speicher bis zum Winterbeginn auf 80 Prozent zu füllen. Kommt es also in dem Fall zu einem Engpass, dann hat der Staat durch diese Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, Zugriff auf umfangreiche Gasreserven. Wird das Gas nicht benötigt, dann fallen nur geringe Kosten an.

Für beide Novellen gab es im Nationalrat einhellige Zustimmung. Insgesamt erhöhen diese Maßnahmen die Versorgungssicherheit in Österreich. Deswegen darf ich auch hier um breite Zustimmung zu diesen Maßnahmen bitten.

Die Bundesregierung hat gemeinsam mit der E-Control natürlich umfangreiche Not­fallpläne für den Fall eines abrupten Stopps entwickelt. Klar ist aber auch, dass ein solches Szenario massive Einschnitte für die Wirtschaft, für das Leben in unserem Land bedeuten würde. Klar ist deswegen auch, dass die gesamte Bundesregierung daran arbeitet, dass dieses Szenario nicht eintritt.

Umso wichtiger ist es deswegen aber, in einer Krisensituation unsere zentralen Puffer, und das sind die Speicher, die im europäischen Vergleich sehr groß sind, auch tat­sächlich zu füllen. Das funktioniert derzeit. Wir sehen, die Maßnahmen, die wir schon gesetzt haben oder die jetzt diesbezüglich in der Umsetzung sind, zeigen Wirkung und werden Wirkung zeigen. Wir haben derzeit 31 Terawattstunden in den Speichern, das ist ein Drittel des österreichischen Jahresverbrauchs. Wir stehen damit an Stelle zwei der Europäischen Union, was die eingespeicherten Mengen im Vergleich zum Jahres­verbrauch an Gas betrifft. Unser Ziel ist, dass wir da wirklich bestmöglich absichern, denn das ist der Puffer, den wir in einer Krisensituation brauchen.

Was aber gleichzeitig umso wichtiger ist (in Richtung Vizepräsident Novak) – das war auch Ihre Frage, Herr Vorsitzender, auf die ich noch eingehen möchte –: Auch wenn derzeit die Gasflüsse stabil sind, auch aus Russland stabil sind, auch wenn derzeit unsere Speicher gefüllt werden, und zwar teilweise am technischen Maximum, auch wenn wir viele, viele Maßnahmen – auch das ist schon erwähnt worden – bezüglich Haidach und anderen Speichern setzen, brauchen wir eines ganz klar, und das ist, aus dieser grundsätzlichen Abhängigkeit rauszukommen. Denn nur wenn wir aus dieser Ab­hängigkeit rauskommen, in die wir uns in Österreich über Jahrzehnte bewusst begeben haben – man kann es nur so ausdrücken –, hat das Zittern ein Ende. Dann ist die Gasversorgung nicht mehr von einem Mann im Kreml abhängig, sondern dann stellen wir uns auf eigene Füße, auf unabhängigere Füße, auf diversere Füße.

Deswegen haben wir einen Ausstiegsplan aus russischem Erdgas vorgelegt, kohärent mit dem Ziel der Europäischen Union, das bis 2027 zu schaffen, der auf drei Säulen beruht: Diversifizierung bei den Lieferländern, Erneuerbarenausbau, Gasverbrauch reduzieren.

Bei der Frage Diversifizierung – die haben Sie ja angesprochen – schaffen wir mit dem Beschluss, die strategische Gasreserve auf 20 Terawattstunden zu erhöhen und dabei explizit nicht russisches Erdgas einzukaufen, auch in Österreich Nachfrage für nicht


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russisches Erdgas. Allein mit dieser Maßnahme reduzieren wir in diesem Jahr die Ab­hängigkeit von Russland um 10 Prozent. Genau so werden wir das Terawatt- für Tera­wattstunde machen, um diese Abhängigkeit zu reduzieren und uns aus dieser schmerz­lichen, uns erpressbar machenden Abhängigkeit von Russland zu befreien.

Die beiden Beschlüsse, die hier am Tisch liegen, sind eine Vorsorge, eine Versorgungs­sicherheit, eine Versicherungspolizze. Ich darf Sie um Ihre breite Zustimmung ersuchen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

16.13


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Frau Bundesministerin.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Günter Pröller. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.13.10

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Besucher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Herr Kollege Gross, Sie sind voller Emotionen gewesen. Ich weiß nicht, ob Sie mich hören, denn Sie haben ja den Kopfhörer auf. (Bundesrätin Zwazl: Genau deswegen hat er sie! Er hört den Livestream! – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) – Okay, danke, freut mich sehr.

Die Frage geht in die Richtung: Wer hat denn bis jetzt immer gegen die Netzleitungen, gegen Wasserkraftwerke demonstriert? – Die Grünen! Die haben sich irgendwo an einen Baum gehängt und haben gegen das gewettert. Jetzt auf einmal sind sie auf der anderen Seite.

Das Gas abdrehen? Was macht dann die Stadt Wien? – Dann ist es überall kalt. Ihr habt immer so eine Scheinwelt, in die sich alle dann einfügen sollen oder sie haben ein Pech gehabt! Also das ist eine Phantasie. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen, die Europäische Union bezieht fast die Hälfte ihrer Erdgasimporte aus Russland. Österreich liegt mit ungefähr 80 Prozent im Spitzenfeld. Die Europäische Union hat sich mit dem Ölembargo fast auf ein neues Sanktionspaket gegen Russland geeinigt; die Ungarn sind ja noch dagegen. Ein Gasembargo würde sehr große Aus­wirkungen haben: einerseits ganz klar über die Preise an den Tankstellen, weiters auch durch die Kosten für das tägliche Leben. Wenn darüber nachgedacht wird, dass man bei russischen Gasimporten wirklich auch so ein Embargo macht, wären die Konsequenzen bei einer Unterbindung von Gaslieferung aus Russland sowohl vor allem für die öster­reichische Bevölkerung, aber auch für den österreichischen Wirtschafts- und Industrie­standort verheerend. Knapp 20 Prozent des Energiebedarfs privater Haushalte werden derzeit mittels Erdgas gedeckt, 30 Prozent der Energie aus Gas wird für die Erzeugung von Strom und Fernwärme benötigt.

Bei einem Lieferstopp von russischem Gas wäre nebenbei auch noch die Blackoutgefahr deutlich erhöht. Da aber einerseits die Einspeisung von erneuerbarer Energie den Ener­giebedarf nicht ausreichend ausgleichen kann und Österreich sein letztes Kohle­kraft­werk 2020 geschlossen hat, würde es, wie ich gerade erwähnt habe, ein sehr hohes Risiko für Blackouts geben.

Gas ist für die österreichische Industrie der wichtigste Energieträger, sie benötigt etwa 40 Prozent des verfügbaren Jahresvolumens, in meinem Bundesland Oberösterreich sind es sogar 80 Prozent. Vor allem systemrelevante Sektoren wie etwa Papier, Chemie, Stahl und Aluminium oder Automobilindustrie wären bei einem Gasembargo massiv betroffen.

Der Landtag in Oberösterreich hat heute einen Initiativantrag, dem bereits die Dring­lichkeit zuerkannt worden ist, mit den Stimmen der ÖVP, mit den Stimmen der SPÖ, mit


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den NEOS beschlossen. Leider Gottes haben die Grünen nicht mitgestimmt, denn sie haben nicht erkannt, dass die Notwendigkeit und vor allem die Dringlichkeit gegeben sind. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ich nehme an, dass das durch die Zustimmung im Landtag dann auch umgesetzt wird.

Auch Kollege Mahrer wurde angesprochen – es wäre eine Frechheit, was er sagt. Er hat das mit drastischen Worten ausgedrückt: Dies wäre ein „wirtschaftliches Armageddon“. „Aus einer Versorgungslücke würde ein ‚Versorgungskrater‘ entstehen“. Um schwer­wiegende Konsequenzen für die österreichische Wirtschaft und damit den gesamten Arbeitsmarkt vorzubeugen, ist es unabdingbar, dass sich Österreich entschieden gegen ein mögliches Gasembargo ausspricht.

Daher stelle ich zum Wohle der österreichischen Bevölkerung und des österreichischen Wirtschafts- und Industriestandorts folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Veto gegen ein Gas-Embargo auf russische Lieferungen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dass sich Österreich im Rahmen weiterer EU-Sanktionsmaßnahmen gegen die Russische Föderation mit Nachdruck gegen ein drohendes Gas-Embargo einsetzt und ein solches gegebenenfalls mit dem Vetorecht verhindert.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.17


Vizepräsident Günther Novak: Der von den Bundesräten Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „ein Veto gegen ein Gas-Embargo auf russische Lieferungen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.


16.17.56

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Frau Bundesministerin! Ich bin ganz erstaunt über die Worte des Bundesrates Gross. Ich bin noch mehr erstaunt, dass keine Reaktion kommt. Wenn Sie auf meinen Gewerkschaftspräsidenten so hinhauen würden, na gut, dann würde ich schon andere Worte finden. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Aber es ist natürlich die Koalitionsräson und es ist natürlich eine schwierige Situation, das kann man schon verstehen.

Was für uns als Sozialdemokratie wichtig zu betonen ist: Ein Gasembargo – und wenn es nur ein 14-tägiges ist – wäre für Österreich eine Katastrophe, und zwar in alle Rich­tungen eine Katastrophe. Kollege Pröller hat schon völlig richtig gesagt, das wäre auch deshalb eine Katastrophe, weil es nicht nur die Haushalte mit der Schwierigkeit mit dem Heizen, der Gasversorgung und der Stromversorgung – die hängt auch am Gas – be­trifft, sondern weil es ein riesiges Problem für die Industrie in Österreich wäre.


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Ganz ehrlich, wenn die Voest stillsteht, haben wir eine Arbeitslosigkeit, dass die Tür nicht mehr zugeht, und zwar eine Massenarbeitslosigkeit. Da hängen alle anderen Produk­tionen dran – richtig gesagt –, das ist das Aluminium, die Papierindustrie, die Auto­mobilindustrie, aber auch die Erzeugung von Pellets. Man darf sich keine Illusionen machen, was noch alles damit zusammenhängt, auch die Papiererzeugung. Bei all dem ist die Gasversorgung einer der wesentlichen Punkte.

Trotzdem wäre es wichtig, auch zu betonen, dass wir in erneuerbare Energie investieren müssen, und zwar ganz, ganz dringend. Wie heute schon erwähnt wurde, fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass man all diese Windfall Profits, also diese Überraschungsgewinne, die jetzt vorliegen, zur Hälfte dafür nutzt, um die Bevölkerung bei den Strom- und Gaspreisen und Heizungspreisen zu entlasten, und zur anderen Hälfte dafür nutzt, um erneuerbare Energie auszubauen, und zwar rasch, und wir fordern, die Verfahren schneller zu machen. Es kann nicht sein, dass diese dann vor Ort blockiert werden und nichts weitergeht.

Wenn man sich für die erneuerbare Energie entscheidet – und darin sind wir uns ja alle einig –, dann kann es doch nicht vor Ort ein Bremsen aus allen Richtungen geben, denn dann wird da nichts weitergehen und wir kommen aus der Malaise nie heraus. Wir alle wollen die Abhängigkeit vom russischen Gas natürlich verlieren, das ist ja gar keine Frage, aber von heute auf morgen wird das nicht gehen, das braucht seine Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Das braucht seine Zeit und es braucht eine Vorbereitung, wie wir mit etwaigen Gas­embargos, die kommen können, umgehen. Es muss ja nicht nur ein Embargo sein, durch Kriegshandlungen können auch die Pipelines irgendwie beschädigt werden, oder es gibt Wartungsarbeiten. Was auch immer da passiert, das kann ja ein riesiges Problem werden, da brauchen wir nicht darüber zu reden, und man muss sich schon fragen: Wer kommt zuerst dran, welche Betriebe werden dann noch beliefert oder welche werden nicht mehr beliefert?

Die Frage ist aus unserer Sicht mehr als zulässig, denn es geht ja auch um Arbeitsplätze und die Zukunft der Menschen. Von der Sozialdemokratie sei also ganz klar gesagt: Ein Gasembargo wäre für Österreich wirklich eine Katastrophe, und ich bin mir ganz sicher, dass wir uns da ganz einig sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

16.21 16.21.07


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätz ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 geändert wird.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehr­heit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 geändert wird.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „ein Veto gegen ein Gas-Embargo auf russische Lieferungen“ vor.

Hiezu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.


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Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführerin in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge. – Bitte.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Miesenberger geben die BundesrätInnen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsident Günther Novak: Ich nehme von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Nein“.

Die Stimmabgabe ist damit beendet.

Ich unterbreche zur Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

16.29.09*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 16.29 Uhr unterbrochen und um 16.31 Uhr wieder aufgenommen.)

16.31.04*****


Vizepräsident Günther Novak: Ich nehme somit die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe nunmehr das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Entschließungsantrag bei 56 abgege­be­nen Stimmen 9 „Ja“-Stimmen, 47 „Nein“-Stimmen.

Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Bernard;

Hübner;

Leinfellner;

Ofner;

Pröller;

Schartel, Spanring, Steiner, Steinmaurer.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé, Auer;

Berger-Grabner;

Ebner, Eder-Gitschthaler, Egger;

Gerdenitsch, Gfrerer, Grimling, Gross, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn, Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy;


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 135

Kahofer, Kaltenegger, Kittl, Köck, Kolland, Kornhäusl, Kovacs, Krumböck;

Lackner, Lancaster;

Mattersberger, Miesenberger;

Novak;

Obrecht;

Platzer, Preineder, Prischl;

Raggl, Reisinger, Riepl;

Schachner, Schennach, Schreuder, Schumann, Schwarz-Fuchs, Schwindsackl;

Tausch, Tiefnig;

Wolff;

Zaggl-Kasztner, Zwazl.

*****

16.31.267. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Ausländer­be­schäftigungsgesetz geändert werden (2411/A und 1479 d.B. sowie 10976/BR d.B.)


Vizepräsident Günther Novak: Wir gelangen nun zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um den Bericht.


16.31.42

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Ausländer­beschäfti­gungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl (den Vorsitz übernehmend): Als Nächste zu Wort gemeldet ist Elisabeth Wolff. – Bitte.


16.32.35

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zu­seher auch auf der Galerie! Diese Novelle bewirkt, wie wir schon gehört haben, eine Veränderung im Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz sowie im Ausländerbe­schäftigungsgesetz – aber was bedeutet das?

Vorgesehen sind unter anderem bürokratische Vereinfachungen bei der Auszahlung von Urlaubsgeld sowie beim Datenaustausch zwischen der Buak und dem AMS bezie­hungsweise der ÖGK. Außerdem schaffen wir die gesetzliche Grundlage für die Aus­stellung einer Servicekarte für aktive beziehungsweise nicht in Beschäftigung stehende BauarbeiterInnen, die Ansprüche gegenüber der Buak haben und über keine Bau-ID-


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Karte verfügen. Diese Servicekarte soll auch für überlassene beziehungsweise aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgestellt werden und auf Wunsch nachträglich mit der Funktion einer Bau-ID-Karte ausgestattet werden können. Einerseits kommt es somit zur erleichterten Identitätsfeststellung im Kontakt mit der Buak und im Kundenverkehr mit Baustellenkontrollen, andererseits kommt es auch zu einer Vereinfachung im Service für die Betroffenen.

Außerdem sieht die Novelle die Auszahlung von Ersatzleistungen für nicht in Anspruch genommene Überbrückungsgelder der Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter vor, denen nach dem 58. Lebensjahr die unbefristete Berufsunfähigkeitspension zuerkannt wurde.

Weiters sollen die Ansprüche, welche zu Beginn der Coronapandemie eingeführt wurden und es Bauarbeitern bis Ende 2020 ermöglichten, eine vorzeitige Auszahlung bei der Abfertigung Alt zu beanspruchen, in Dauerrecht umgewandelt werden.

Es sind also eine Reihe an Verwaltungsvereinfachungen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer und es ist eine starke Novelle der Entbürokratisierung. Ich denke, das ist in sehr vielen Bereichen notwendig, und auch in diesem Fall begrüße ich sie. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.34


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Günter Kovacs. – Bitte.


16.34.50

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Bundesrätin Wolff hat das eindrucksvoll beschrieben – muss ich wirklich sagen. Ich habe ungefähr die gleiche Rede (Heiterkeit des Redners), also wirklich perfekt gemacht. Ich denke auch, dass sich alle Fraktionen in dieser Sache sehr einig sind, da wird es keine Kritik geben.

Deshalb mache ich es kurz und bündig: Wir werden diesem Gesetz zustimmen. –Herz­lichen Dank! Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen.)

16.35


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Markus Steinmaurer. – Bitte.


16.35.28

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen! Liebe Zuseher! Die Einführung der Buak-Karte ist am Bau grundsätzlich sehr sinnvoll. Sie ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Lohndumping und Sozialmissbrauch. Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse ist in ständigen Verhandlungen mit den Sozialpartnern. Da die Kommunikation der beiden Organi­sa­tionen funktioniert, ist auch die breite Zustimmung im Nationalrat möglich gewesen.

Es werden in der 26. Novelle des BUAG folgende Punkte ausgeführt: Erstens: Grund­sätzlich ist die Buak eine sinnvolle Einrichtung am Bau, die aber ständig angepasst werden muss. Ein wesentlicher Nachteil für die Beschäftigten war zum Beispiel die Urlaubsentgeltauszahlung. Am Bau bekommen die Beschäftigten die Urlaubsentgelt­auszahlung erst nach tatsächlich verbrauchtem Urlaub bei der nächsten Monats­ab­rechnung. Durch diese Regelung gab es des Öfteren Probleme mit dem Jahressechstel, denn das sogenannte Urlaubsgeld ist im Steuersystem als jährliche Sonderzahlung berücksichtigt. Verbraucht ein Arbeitnehmer nicht den gesamten Urlaub im Kalenderjahr, bekommt er keine Steuergutschrift. Bei Urlaubskonsum über einem Jahresanspruch im folgenden Jahr ist dann der Sonderzahlungsbetrag erhöht und es fallen zusätzliche


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Steuern an. In der Bauindustrie und im Baugewerbe ist es endlich möglich, das zu­stehende Urlaubsentgelt vorab – wie bei den Angestellten – auszahlen zu können, und somit wird eine jahrzehntelange Forderung der Gewerkschaft erfüllt.

Zweitens: Durch die Einführung der Buak-Karte ist es jedem Arbeitnehmer, egal ob Bauindustrie oder Baugewerbe, möglich, seine Ansprüche aktuell abrufen zu können.

Drittens: Bezüglich Abfertigungssystem Alt ist die Änderung zu begrüßen. Es ist nunmehr jedem Arbeiter möglich, sich den Abfertigungsanspruch sofort auszahlen zu lassen.

Vierter und letzter Punkt: Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Pension. Am Bau sind die Arbeiter jeder Witterung ausgesetzt. Es gibt die Möglichkeit der Schlecht­wetter­vergütung, diese ist aber nicht ständig anwendbar. Jeder hier von uns kann sich vor­stellen, wie es ist, mit 60 Jahren – teilweise 40 Jahren am Bau – nicht in die Alters­pension gehen zu können. Daher ist diese Lösung mit dem Überbrückungsgeld sehr zu begrüßen.

Wir Freiheitliche haben dieser 26. Novelle des BUAG im Nationalrat zugestimmt und tun dies auch im Bundesrat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.38


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Andreas Lackner. – Bitte.


16.38.39

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Die Buak ist eine Geschichte, die bis ins kleinste Detail eigentlich von den Bausozialpartnern verhandelt wird – das ist gut so. Es freut mich auch, dass da sozusagen die Branche immer wieder zu einer Einigung kommt.

Die Details haben meine Vorredner schon erwähnt, dem möchte ich eigentlich nichts mehr hinzufügen. Wir stimmen natürlich zu und ich bin gespannt, wann wir die nächste Novelle hier behandeln werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.39


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Herr Bundesminister Kocher hat sich zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


16.39.21

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesräte! Vielen Dank! Ich kann es auch relativ kurz machen, möchte aber die Gelegenheit nutzen, natürlich zu einem Gesetzentwurf, zu einer Novelle, die so breit unterstützt wird, einige Worte zu sagen.

Es ist eine Sozialpartnereinigung, es gab einen Initiativantrag im Nationalrat, der von vielen Parteien unterstützt wurde, und die inhaltliche Verbesserung, die dieser Entwurf mit sich bringt, ist, glaube ich, offensichtlich.

Es wurde schon angesprochen, es geht um Verbesserungen bei der vorzeitigen In­anspruchnahme der Abfertigung Alt. Es geht um die Auszahlung des Urlaubsentgelts zu einem Zeitpunkt, zu dem der Urlaub auch anfällt. Das ist in der Branche schon gelebte Praxis, jetzt auch gesetzlich vorgeschrieben.

Es geht um eine Streichung der Altersgrenze dort, wo es eine Ungleichbehandlung ge­geben hat, was das Überbrückungsgeld betroffen hat, und es geht um Digitalisierung –


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 138

der Herr Staatssekretär ist gerade gekommen – im Bereich der Buak, wo es Erleich­terungen bei der Servicekarte gibt.

All das ist aus meiner Sicht ein Fortschritt. Es ist ein gutes Paket, und ich danke ganz explizit den Sozialpartnern und allen, die sich daran beteiligt haben, das auszu­ar­beiten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.40 16.40.34


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke, Herr Minister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, begrüße ich recht herzlich unseren Staatssekretär Florian Tursky. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch alle, gut. Der Antrag ist somit einstimmig angenommen worden.

16.41.168. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 und das Kapital­marktgesetz 2019 geändert werden (1441 d.B. und 1459 d.B. sowie 10968/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2019/1238 über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (PEPP-Vollzugsgesetz) er­­lassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das PRIIP-Vollzugs­gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Konsumentenschutz­gesetz geändert werden (1445 d.B. und 1460 d.B. sowie 10969/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 8 und 9, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Als Berichterstatter zu den Punkten 8 und 9 ist mir Bundesrat Otto Auer genannt worden. – Ich bitte um die Berichte.


16.42.02

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Gäste hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018, das Wertpapier­aufsichts­gesetz 2018 und das Kapitalmarktgesetz 2019 geändert werden.

Die Unterlagen liegen Ihnen vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über


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das Wirksamwerden der Verordnung (EU) 2019/1238 über ein Paneuropäisches Pri­vates Pensionsprodukt erlassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das PRIIP-Vollzugsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 und das Konsumen­tenschutzgesetz geändert werden.

Die Unterlagen dazu haben Sie schriftlich erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Dominik Reisinger. – Bitte.


16.43.36

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem liebe Zuhöre­rinnen und Zuhörer! Mit den Tagesordnungspunkten 8 und 9 wird wieder eine ganze Reihe von Gesetzen geändert. Ich darf auch gleich vorwegnehmen, dass sich die SPÖ-Fraktion bei den Abstimmungen differenziert verhalten wird.

Bei Tagesordnungspunkt 8 werden wir zustimmen, weil es da im Wesentlichen nichts auszusetzen gibt. Das befindet übrigens auch die Arbeiterkammer so.

Bei Tagesordnungspunkt 9 sieht es dann doch schon ein wenig anders aus, darum werden wir unsere Zustimmung dazu nicht geben. Da übt vor allem auch die AK Kritik, und diese Kritik an der Verordnung zum paneuropäischen privaten Pensionsprodukt deckt sich mit unserer. Mit dieser Verordnung können dann solche Pensionsvorsorgen europaweit vertrieben werden, und genauso schleierhaft und undurchsichtig wie dieses paneuropäische private Pensionsprodukt wirkt und klingt, ist es auch. Damit wird dem spekulativen Versicherungsmarkt wieder einmal Tür und Tor geöffnet, die Anleger werden geködert, und das gute, bewährte staatliche Pensionssystem wird durch Kon­kurrenz aus dem privaten Markt immer wieder aufs Neue unberechtigt und natürlich unterschwellig infrage gestellt.

Mehr privat, weniger Staat!, soll es wieder einmal heißen. Diese ÖVP-Dauerschleife kennen wir ja hinlänglich; aber wissen Sie, was dabei wirklich das Problem ist? – Wenn man als politische Partei etwas immer wieder sagt, und das über viele Jahre hindurch, oder es dann auf der gegenüberliegenden Seite als Konsument immer wieder hört, dann sorgt das natürlich für Verunsicherung.

Man erzielt damit auch einen bestimmten Lenkungseffekt – und in dem Fall ist das ein negativer. Die Menschen klammern sich nämlich dann an die Versprechen des privaten Marktes vom schnellen, gesicherten Geldregen. Was ist aber, wenn durch irgendwelche Einflüsse der Finanzmarkt auf einmal erschüttert wird? Was ist, wenn die auf die Spekulation aufgebauten Versprechen über die Höhe der Renditen nicht halten? Was ist dann? Das haben wir alles schon erlebt, die letzten Finanzkrisen liegen ja nicht allzu lange zurück.

Ich sage Ihnen aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungs­par­teien, was Sie dann machen werden: Dann stecken Sie nämlich wieder einmal den Kopf in den Sand und sprechen von unglücklichen Ereignissen, die keiner vorhersehen konnte. Diese Argumentation stimmt aber so nicht. Private Vorsorgen von verlässlichen Partnern können okay sein, aber bei Weitem nicht alle Menschen können sich solche privaten Vorsorgen auch leisten. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es gibt nicht wenige Anbieter, die da rein spekulativ unterwegs sind, bei denen leider nicht gehalten wird, was sie vorher versprechen. Genau vor diesen Produkten müssen wir die Menschen schützen.

Es kann nicht sein, dass, wenn die Wirtschaft boomt, die Gewinne privatisiert und abgeschöpft werden. Wenn es aber kriselt, kommt dann immer wieder der laute Ruf nach dem Staat. Die Schulden werden dann auf den Steuerzahler umgewälzt, und das ist einfach nicht okay. Liebe ÖVP, da passen unsere Welten einfach nicht zusammen! Wir als SPÖ möchten einen ganz anderen Weg gehen. Wir wollen den Menschen keine spekulativen Geschäfte einreden. Wir wollen weniger Risiko und wir wollen mehr Sicherheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz klar ist, dass wir an unserem Pensionssystem als bewährte tragende Säule festhalten, es verteidigen und auf allen Ebenen auch stärken wollen.

Ganz ehrlich: Viel lieber würde ich hier im Plenum anstatt über solche Spekulations­produkte über die Maßnahmen gegen die explodierende Teuerung diskutieren. Liebe ÖVP und Grüne, da kommt leider gar nichts! Für die unteren und mittleren Einkom­mensbezieher, für die Pensionistinnen und Pensionisten, die PendlerInnen, Allein­erzie­herInnen, die Familien und viele andere ist die Situation absolut prekär, aber jeden von uns gemachten Vorschlag zur unbürokratischen und schnellen Entlastung der Menschen lehnen Sie teils unbegründet und teils auch – das muss man leider feststellen – über­heblich ab.

Wir haben das auch vorgestern wieder in den Ausschüssen gesehen. Sehr wichtige sachliche Anträge von uns – zum Beispiel für ein gerechtes Steuersystem oder für die Anhebung des Pflegegeldes – wurden vertagt und somit, das brauche ich nicht gesondert zu erwähnen, auf unbestimmte Zeit schubladiert. Leider muss ich Ihnen bescheinigen, dass dadurch Ihre Politik zunehmend unerträglicher, unsozialer und auch ungerechter wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Diesen Unterschied zwischen Ihrer Politik und unserer Politik werden wir den Menschen bei jeder Gelegenheit erklären. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.49


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Elisabeth Mattersberger. – Bitte.


16.49.34

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zusehe­rinnen und Zuseher! Die Tagesordnungspunkte 8 und 9 werden unter einem verhandelt. Worum geht es bei diesen Tagesordnungspunkten?

Es geht im Prinzip um die Umsetzung von EU-Richtlinien, also sozusagen um Rechts­akte der EU. Es sind regulatorische Maßnahmen, welche Wertpapierfirmen betreffen. Es geht speziell um die Lockerung europäischer Bestimmungen betreffend Informations­pflichten für professionelle Anleger, und es geht um Regelungen zur privaten Alters­vorsorge, die in nationales Recht eingefügt werden sollen.

Durch die Coronapandemie und die damit einhergehenden Auswirkungen wurden auch die Kapitalmärkte der EU-Staaten schwer beeinträchtigt. Das vorliegende Maßnah­men­paket soll zur Erholung der Kapitalmärkte beitragen. Im Wesentlichen werden die Infor­mationspflichten für Geschäfte mit professionellen Kunden und geeigneten Gegen­parteien gelockert. Die Kommunikation soll in elektronischer Form erfolgen, auf Wunsch kann aber für Kleinanleger die Papierform beibehalten werden. Im Finanzausschuss haben wir erfahren, dass sich somit für Privatkunden durch diese Novelle nichts ändert.


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Die Produktionsüberwachungspflichten für die Emission von Anleihen werden gelockert und sind damit auch für Kleinanleger attraktiv. Durch die vorliegenden Novellen werden dringend notwendige bürokratische Erleichterungen und Vereinfachungen vorgenom­men werden.

Beim Tagesordnungspunkt 9 geht es im Wesentlichen um EU-Anpassungen, um Rechts­anpassungen bei einem paneuropäischen privaten Pensionsprodukt. Beim Paneuro­pä­ischen-Privaten-Pensionsprodukt-Vollzugsgesetz sollen die darin enthaltenen Bestim­mun­gen in österreichisches Recht übernommen werden. Bei den Bestimmungen werden im Wesentlichen die Beaufsichtigung, die Registrierung, die Herstellung und der Vertrieb geregelt. Insbesondere soll die Finanzmarktaufsichtsbehörde als zuständige Behörde bestimmt werden.

Herr Kollege Reisner von der SPÖ, Sie haben - - (Heiterkeit und Rufe bei der SPÖ: Reisinger!) Reisinger! – Entschuldigung, Kollege Reisinger (Bundesrat Reisinger: Ich bin nicht beleidigt!) – passt? – von der SPÖ (Heiterkeit der Rednerin): Sie haben hier heute das staatliche Pensionssystem angesprochen und eigentlich nur für dieses ge­sprochen und alles andere außen vor gelassen.

Ich finde, dass sich private Vorsorge, sei es auch durch eine Lebensversicherung oder zum Beispiel durch einen Aktienkauf, und zu- - (Bundesrätin Hahn: Von was sollen sich das Junge kaufen?) – Bitte? (Bundesrätin Schumann: Wer soll sich’s leisten können? – Bundesrätin Grimling: Wer soll es sich leisten können? – Bundesrätin Hahn: Vor allen Dingen die Jungen!) – Ja! (Bundesrat Egger: Sollen wir in Aktien investieren jetzt oder ...! – Weitere Rufe bei der SPÖ: Pensionsvorsorge! Oder Eigentumswohnung!) – Genau! Also ich finde, dass sich private Vorsorge, sei es durch eine Lebensversicherung oder zum Beispiel durch einen Aktienkauf (Bundesrat Egger: Wie geht sich das aus bei 1 300?), und natürlich die Stärkung des staatlichen Pensionssystems nicht wider­sprechen, ja sogar nicht widersprechen dürfen.

In Zeiten, in denen man de facto mit dem Sparbuch keine Sparzinsen mehr erhält und somit das Ersparte immer weniger wert wird, ist ein Aktienkauf bei einem soliden, ge­sunden Unternehmen durchaus eine Alternative. (Bundesrätin Schumann: Für die AlleinerzieherInnen! – Bundesrat Egger: Mit 1 300 netto!) Für die österreichische Wirtschaft ist es ganz besonders wichtig, dass die Kapitalmärkte gestärkt und unterstützt werden. Es soll also keine Alternative zum staatlichen Pensionssystem sein, sondern zum Beispiel zum Sparbuch. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die börsennotierten Unternehmen sorgen so wie auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen für Abertausende Arbeitsplätze in Österreich, und wenn ein börsen­notiertes Unternehmen dann auch noch Gewinne macht und Dividenden ausschüttet, dann kann eben auch ein sogenannter kleiner Anleger, Aktionär am Gewinn teilhaben. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Ich ersuche Sie namens meiner Fraktion, bei den Tagesordnungspunkten 8 und 9 zuzu­stimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.54


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Dr. Johannes Hübner ist als Nächster zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.54.28

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuhörer! Herr Minister! (Sich neuerlich zur Regierungsbank wendend:) Herr Staatssekretär, Entschuldigung! Ja, auch wir werden beiden Vorlagen zustimmen – aus unterschiedlichen Gründen. Bei TOP 8 gibt es auch inhaltlich unserer­seits keine Einwendungen. Da geht es tatsächlich um eine Art Entbürokratisierung des


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Wertpapiertransfers zwischen gewerblichen Partnern. Es bringt nicht unbedingt eine Stärkung der Sicherheit für den Konsumenten, weil der Zwischenhändler nicht so weit informiert werden muss und daher auch nicht so viel Informationen an den Konsumenten weitergeben kann wie nach der bisherigen Lage, aber ich glaube, es ist eine akzeptable Erleichterung.

Das Zweite ist schon problematischer. Ich gebe da Kollegen Reisinger in einer Sache recht: dass die sogenannte private Pensionsvorsorge nicht – um das schöne Wort zu verwenden – nachhaltig ist. Das stimmt. Das hat man schon im 19. Jahrhundert, schon bei der Bismarck’schen Renteneinführung um 1880, erkannt. Bismarck hat gesagt: Nur ein Umlagesystem ist nachhaltig, alles andere ist Abhängigkeit, ist abhängig von den unsicheren Meeren des Marktes.

Wie wir jetzt auch bei den privaten Pensionsmodellen sehen, gibt es dort durch konstante Nullzinspolitik und steigende Inflation eine ständige Minderung der Ausschüttungen. Ursprünglich hat man nur den Inflationsverlust nicht abdecken können. Heute kann man nicht einmal die Nominalwerte erhalten und es kommt bei hohen Inflationsraten bei vielen, vielen Pensionsprodukten zu nominalen Kürzungen – daher natürlich Vorsicht, da eine Alternative anzupreisen!

Soweit sind wir aber noch nicht, denn das staatliche Umlagesystem ist nicht gefährdet. In keiner Weise gibt es jetzt Vorstöße dahin gehend, private Modelle als Ersatz für ver­pflichtende staatliche Modelle zuzulassen. Deshalb, glaube ich, kann man da zustim­men. Ich kann auch insoweit beruhigen, als es – wie bei vielen EU-Produkten, bei Kopf­geburten aus der EU-Bürokratie – dafür auch noch keinen Markt gibt. Wir haben das vorgestern noch einmal im Ausschuss gehört: Obwohl es das paneuropäische private Pensionsprodukt seit 2019 gibt, gibt es bis jetzt keinen einzigen Anbieter, der ein solches Produkt auf den Markt gebracht hat.

Na ja, ob man hoffen soll, dass es so bleibt, weiß ich nicht. Ich bin ein großer Skeptiker der sogenannten privaten Pensionsvorsorge. Alle Leute, die abgesichert sind, die größere Vermögen oder hohe staatliche Pensionsansprüche haben, können das natür­lich tun.

Wenn es in die Richtung geht, dass die staatliche Pension ausgehöhlt wird oder die ver­pflichtende staatliche Pension relativiert wird, dann wird natürlich die private Pensions­vorsorge gefährlich, aber so weit sind wir nicht, deshalb gibt es in beiden Fäl­len unsere Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Mattersberger.)

16.57


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau MMag. Elisabeth Kittl. – Bitte.


16.57.42

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Herrn Kollegen Reisinger: Sie haben gesagt: Ja, wenn man etwas immer wiederholt – so wie auch die SPÖ, dass die Regierung angeblich nichts für Menschen mit geringem Einkommen macht, was eine Unwahrheit ist –, dann glauben das die Leute auch! (Bundesrätin Schumann: Na geh! Die spüren sie selber gar nicht, nein! Das reden wir ihnen ein!) – Genau das sollte nicht sein, denn die Regierung hat zwei Maßnahmenpakete gegen die Teuerung in Umset­zung gebracht (Zwischenrufe bei der SPÖ – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), und ein drittes, nämlich eines mit treffsicheren Maßnahmen, die gesetzt werden, wir haben es heute gehört, das vor dem Sommer auch präsentiert und hoffentlich auch hier beschlossen wird, ist auf dem Weg. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Ja, das paneuropäische private Pensionsprodukt ist ein Produkt der dritten Säule der Pensionsvorsorge – aber auf europäischer Ebene. (Heiterkeit der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.) Das vorliegende Gesetz und die Gesetzesänderungen sind Um­setzungsvoraussetzungen für eine direkt anwendbare EU-Verordnung. Das heißt, es geht heute nicht, wie es auch wieder der Herr im Justizausschuss, der Herr Sektionschef, glaube ich, gesagt hat, um die nationalstaatliche Erfindung eines privaten Alters­vor­sorgeprodukts der dritten Säule der Pensionsvorsorge, sondern es geht um ein euro­päisches Produkt.

Wir haben es von Herrn Hübner gehört, dass auch noch keines im Zentralregister ein­getragen ist, und er hat es erklärt: weil eben die Zukunftsprognosen, derer es bedarf, schwierig sind und die Schutzanforderungen relativ hoch sind.

Heute beschließen wir aber eben die innerstaatlichen Aufsichtsregelungen und kon­sumentenschutzrechtlichen Absicherungen für das Produkt, die wichtig sind, weil es eines hohen Maßes an Informationen, aber auch staatlicher Aufsicht bedarf, um als private Vorsorge dienen zu können. Soziale Sicherheit und vor allem die Produkte, die die Zukunft des Einzelnen tangieren, brauchen gesetzliche Vorgaben und sichere Konzepte. Da stimme ich mit meinen Vorrednern überein.

Die Privatwirtschaft, also auch Versicherungsunternehmen, die dazu zählen, und der freie Markt zielen selten auf die Stützung von Menschen mit wenig Einkommen ab. Wir wissen, mehr als für die Menschen ist die private Pensionsvorsorge für die Versiche­rungsunternehmen interessant und daher natürlich sozialpolitisch, zumindest aus unse­rer Sicht, nicht förderungswert.

Wir brauchen uns nichts vorzumachen. Gerade im Pensionsbereich braucht es immer staatliche Lenkung – ja, Herr Kollege Hübner –, und wir wollen, dass es in Österreich so vielen Menschen wie möglich gut geht, gerade wenn es um Menschen in einem vulne­rablen Alter geht.

Die heute zu beschließenden Regelungen bedeuten nicht, dass wir die private Pensions­vorsorge fördern, sondern dass wir vor allem die KonsumentInnen schützen wollen. Heute beschließen wir schlichtweg die erforderlichen Gesetze – betreffend innerstaat­liche Aufsicht, Klagsmöglichkeiten und Sanktionierungen – zum Wirksamwerden der EU-Verordnung. Das ist also eine Sicherheit, wie Kollege Reisinger sie auch gefordert hat, nicht mehr und nicht weniger. Das kann wohl nichts Schlechtes sein, wie das auch schon der Herr Sektionschef sagte.

Ich möchte auch noch etwas berichtigen, was die SPÖ uns heute vorgeworfen hat, dass wir nämlich in der letzten Sitzung gesagt hätten, dass die Maßnahmenpakete, die bis jetzt beschlossen worden sind, reichen. Das stimmt nicht. Wir haben letztes Mal und auch schon des Öfteren davor betont, dass wir wissen, dass ein drittes Maßnah­men­paket auf dem Weg ist und dass die Situation gerade von Menschen mit geringem Einkommen immer genauestens angeschaut und da zielsicher etwas unternommen wird, um der Teuerung vorzubeugen. (Bundesrat Schennach: Wieder Gutscheine? – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.) – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

17.01


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.


17.01.46

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Galerie! Wir diskutieren heute, wie bereits erwähnt wurde, zwei Gesetzentwürfe. Zum einen jenen, der aufgrund einer EU-Verordnung betreffend


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 144

Anpassungen im Bereich der privaten Altersvorsorge notwendig geworden ist, und zum anderen einen, in dem es um die Erholung der Kapitalmärkte nach der Covid-Krise geht.

Beim paneuropäischen privaten Pensionsprodukt, kurz Pepp, handelt es sich um ein freiwilliges Produkt der persönlichen Altersvorsorge, das aufgrund einer EU-Verordnung seit dem 22.3.2022 angeboten wird. Dadurch werden natürlich auch bei uns Rechts­anpassungen in den Bereichen Registrierung, Herstellung, Vertrieb und natürlich auch Beaufsichtigung von privaten Altersvorsorgeprodukten notwendig. Wie bereits erwähnt, geht es da insbesondere um die Absicherung und Sicherheit für die Konsumentinnen und Konsumenten.

Mit dem zweiten Gesetzentwurf wird eine EU-Richtlinie umgesetzt, um den Kapitalmarkt zu stärken. Es ist dabei, wie schon erwähnt, besonders wichtig, den Abbau der Büro­kratie und des Verwaltungsaufwandes voranzutreiben. Natürlich geht es auch um die Lockerungen von Informationspflichten, aber, und das ist mir wichtig, das Schutzniveau für Kleinanleger und Privatkunden wird dadurch nicht beeinträchtigt.

Als Digitalisierungsstaatssekretär möchte ich eine Kleinigkeit dazu besonders hervor­heben, nämlich dass die standardmäßige Kommunikation in Zukunft elektronisch vor sich gehen soll. Das bedeutet aber nicht, dass die analoge ausbleiben soll. Alle, die nach wie vor analog kommunizieren wollen, können das natürlich tun. Die elektronische Form bringt natürlich auch eine Entlastung und auch eine effizientere und schnellere Kom­munikation. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.03 17.03.45


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 2018 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Wirksamwerden der Verordnung über ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt erlassen wird und das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit mehrheitlich ange­nommen.

17.05.1010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (2458/A und 1447 d.B. sowie 10958/BR d.B. und 10965/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 145

Als Berichterstatterin ist mir Frau Bundesrat Alexandra Platzer genannt worden. – Ich bitte um den Bericht.


17.05.30

Berichterstatterin Alexandra Platzer, MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geän­dert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Günter Pröller. – Bitte schön.


17.05.57

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ge­schätzte Besucher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! In diesem Tages­ordnungspunkt geht es um die Reform der Studienförderung, und es sollen möglichst viele Studierende profitieren. Ein neues Modulsystem von Grund- und Erhöhungs­bei­trägen soll es den Behörden ermöglichen, besser als bisher die Lebensumstände der Studierenden zu berücksichtigen. Im Sinne der Verbesserung der Unterstützung von Studierenden begrüßen wir zwar die Wiedereinführung der Förderung von Studie­ren­den­wohnheimen und den Vorschlag, eine Erweiterung des Stipendienangebots aus pri­vaten Mitteln steuerlich zu begünstigen, aber wie immer werden leider weitere Verbes­serungsvorschläge von uns beziehungsweise von der Opposition von den Regierungs­parteien abgelehnt.

Dieser Gesetzentwurf behandelt eine wichtige Sache, wobei allerdings einige gravie­rende Mängel festzustellen sind. Der erste Mangel betrifft das Zustandekommen dieses Gesetzes. Normal kommt so ein Gesetzentwurf in die Begutachtung, während der dann die Möglichkeit besteht, dass betroffene Institutionen und Experten Stellungnahmen abgeben können, damit man diese eventuell noch einarbeiten kann und diesen Ge­setzentwurf dann entsprechend ins Parlament bringen kann. Darauf wurde leider verzichtet. Der Gesetzentwurf wurde dann doch, wie ich gelesen habe, kurzfristig für eine Stellungnahme freigegeben, aber gleichzeitig im Wissenschaftsausschuss von den Regierungsparteien beschlossen, bevor überhaupt die Stellungnahmen eingelangt sind. Das ist sehr bedenklich, und wie man so hört, passiert das immer öfter.

Es gibt zwar eine Erhöhung, die erste Erhöhung seit fünf Jahren, allerdings deckt diese Erhöhung nicht den Verlust durch die Inflation der letzten Jahre ab und schon gar nicht die derzeitige Inflation, die, wie wir wissen, bei über 8 Prozent liegt. Es ist zwar ein richtiger Schritt, aber klar zu wenig. Der nächste gravierende Fehler ist, dass es wieder nicht geschafft wurde, eine automatische Wertsicherung zu machen, was besonders wichtig wäre, da wir alle die Preissteigerungen täglich in der Geldbörse spüren, und die Studierenden umso mehr.

Ich begrüße den Herrn Minister (in Richtung des den Saal betretenden Bundesministers Polaschek) – wir haben ohnehin beim letzten Mal auch schon von der akademischen Viertelstunde gehört; aber okay, es kann immer etwas sein.

Es werden wieder einige Jahre vergehen, bis die nächste Wertanpassung vorgenommen werden wird. Geschätzte Damen und Herren, was da auf die Welt gekommen ist, ist mehr als enttäuschend. Die Erhöhung deckt nicht einmal den täglichen Bedarf ab. Es


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wäre daher die Notwendigkeit gegeben, nachzubessern – wenn man es nur will, Herr Minister, aber Sie wollen nicht. Sie wissen selbst, dass die Lebenshaltungskosten explo­dieren. Wenn man schon so viel Geld in die Hand nimmt, um Neues zu schaffen, sollte man es wenigstens so machen, dass dabei wirklich etwas Gutes herauskommt. So, wie es derzeit aussieht, wird nicht das rauskommen, was Sie versprechen, und daher werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.09


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich begrüße recht herzlich Herrn Minister Dr. Martin Polaschek.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Florian Krumböck. – Bitte, Florian.


17.09.26

Bundesrat Florian Krumböck, BA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauerinnen und Zuschauer! Vor allem liebe Studierende im Land! Wir alle gemeinsam wissen, dass Studieren nicht immer nur eine Frage von Noten ist. Es geht also so­zu­sagen nicht immer nur darum, dass man gut in der Schule ist, um dann studieren gehen zu können. Es ist oft auch eine Frage des Geldes, denn so ein Studium kostet Zeit. Und wir wissen alle: Zeit ist Geld.

Das ist einerseits Geld, das sich Studierende selbst verdienen müssen. Das ist aber auch Geld der Eltern, denn wir wissen, dass nach österreichischem Recht Eltern dazu verpflichtet sind, für den finanziellen Bedarf ihrer Kinder bis zur – so heißt es – Er­reichung der Selbsterhaltungsfähigkeit aufzukommen. Darunter fällt eben auch der Abschluss eines Studiums, der zielstrebig erreicht werden soll.

Und so ist es nun einmal der Fall, dass in manchen Familien bei der Entscheidung, ob ihr Kind studieren soll, ihre Tochter, ihr Sohn eine Fachhochschule oder eine Universität besuchen kann, auch finanzielle Aspekte mitschwingen. Damit man sich nicht fragen muss, ob man sich das Ermöglichen von Zukunftschancen des Nachwuchses überhaupt leisten kann, gibt es das System der Studienbeihilfe, das dort ansetzt, wo Eltern oder Studierende selbst nicht in der Lage sind, aus eigenen Mitteln die Kosten zu tragen.

Und genau dieses System, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, verbessern wir heute mit diesem Beschluss, und das ist auch gut so, würde ich sagen. Ich habe da ein deutlich positiveres Bild als der Kollege von der FPÖ. Sie alle kennen wahrscheinlich die Zahlen und Sie kennen die Rahmenbedingungen, aber lassen Sie mich das noch einmal von der anderen Seite her in Erinnerung rufen. Wir erhöhen die Studienbeihilfe um bis zu 12 Prozent. Die höchste Studienbeihilfe beträgt damit künftig statt 841 Euro 923 Euro.

Das kostet uns natürlich auch Geld, nämlich 70 Millionen Euro mehr pro Jahr, wenn man das ganze Jahr rechnet. (Bundesrätin Schumann: Uns? Das kostet Steuergeld, nicht euch Geld!) – Es kostet uns allen Geld, Frau Kollegin, die wir Verantwortung in der Republik tragen. (Bundesrätin Schumann: Steuergeld, Herr Kollege! Steuergeld!) Sie können sich da gerne außen vor stellen, aber ich würde sagen, wir versuchen das alle miteinander. (Bundesrätin Schumann: Wo soll ich mich außen vor stellen?) – Diese i-Tüpferl-Reiterei! Mein Gott, man kann es ja probieren, wenn einem nichts Besseres einfällt als Zwischenrufe. (Bundesrätin Schumann: Was?)

Natürlich kann es immer mehr sein. Das würde ich auch dem Kollegen von den Blauen sagen, aber es ist einfach und es bleibt ein Schritt in die richtige Richtung, von dem mehr als 50 000 Studierende profitieren, und darum würde ich euch trotzdem noch bitten, eure Entscheidung zu überdenken.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 147

Durch die Reform wird nicht nur mehr Geld zur Verfügung gestellt, es wird auch der Weg zur Studienbeihilfe klarer. Zusätzlich zu einer Art Grundbetrag von 335 Euro gibt es dann in Zukunft je nach Lebensumständen Unterstützung für Studierende, die am Studienort wohnen müssen, für über 24- oder über 27-Jährige beziehungsweise Studierende mit Kindern. Das ist anders als jetzt, wo man immer wieder verschiedenste Beträge weg­rechnen muss.

Wir schaffen mit der Reform auch Möglichkeiten für jene, die nach einer Berufstätigkeit wieder studieren wollen, und zwar auch dann, wenn sie in der Vergangenheit schon Studienförderung bezogen haben, und wir erhöhen gleichzeitig für die Selbsterhalter die Studienbeihilfe um bis zu knapp 10 Prozent.

Kurz und zusammengefasst gesagt, worum es heute geht: Wir verbessern das Bei­hilfesystem in wichtigen Bereichen. Wir tun das durch eine Anhebung der Studienbeihilfe an sich, wodurch Studierende mehr Geld bekommen und auch mehr Studierende Geld bekommen. Wir tun das durch eine Neuaufstellung des Beihilfesystems, das durch ein neues Baukastensystem deutlich transparenter für Studierende wird. Und wir tun das auch durch eine Erhöhung der Altersgrenzen, um jene zu unterstützen, die sich nach einem Start in der Berufswelt für ein Studium entscheiden.

Da, wo ich dir natürlich recht gebe und wo es auch Diskussionen im Nationalrat dazu gegeben hat, lieber Herr Kollege, war natürlich betreffend das Zustandekommen der Vorlage, die wir jetzt diskutieren. Sagen wir so: Im Bundesrat macht es nicht den großen Unterschied. Wir haben eine normale Ausschusssitzung dazu gehabt. Im Nationalrat sind dann sehr wohl nach einer Begutachtungsphase auch noch einmal Abänderungen eingebracht worden, die im Rahmen der Plenardebatte in den Gesetzentwurf einge­flossen sind. Nur das Ziel war klar, nämlich diese Verbesserungen so schnell als möglich umsetzen zu können, sodass sie im September wirken.

Und darum möchte ich mich zum Schluss bei den Verhandlern bedanken, nicht nur bei dir, lieber Herr Bundesminister, sondern auch bei den Abgeordneten Nico Marchetti und Eva Blimlinger, die sich darum große Verdienste erworben haben. Ich glaube, wir haben da eine gute Reform vor uns, die auch im Bundesrat eine breite Zustimmung verdient. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.14


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Doris Hahn. – Bitte schön.


17.14.11

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause via Livestream! Ja, der Himmel ist blau, die Welt ist schön und gut, aber ich glaube, so einfach ist es dann doch nicht; dazu komme ich gleich.

Wenn ich Sie heute schon sozusagen an der Hand habe, Herr Minister – ich weiß, es gehört nicht zum Tagesordnungspunkt, den wir heute besprechen, nämlich zum Studien­förderungsgesetz –, da das gerade aufgepoppt ist: Vielleicht können Sie uns ein bisschen erhellen, was die 11 Millionen Euro betrifft, die Sie, na ja, ich würde einmal sagen, relativ unnötig für das Testregime an den Schulen ausgegeben haben, da Sie auf die Kün­digung des Vertrags vergessen haben. Ich weiß es nicht. Vielleicht können Sie mich da ein bisschen erhellen und bei der Gelegenheit vielleicht auch gleich aufklären, wo denn die digitalen Endgeräte für die Schulen sind, denn wir haben immer noch keine. – So viel dazu. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 148

Das Schuljahr 2021/22 ist zwar in wenigen Schultagen vorbei, aber vielleicht bekommen wir sie ja doch noch in diesem Schuljahr, vielleicht geschehen ja noch Zeichen und Wunder.

Zurück zum eigentlichen Tagesordnungspunkt: Wir haben es heute schon mehrfach gehört, wir befinden uns mitten in der größten Teuerungswelle seit den Siebzigerjahren. Wir haben das heute schon sehr ausführlich diskutiert und wir wissen, nahezu alles wird teurer, egal ob Lebensmittel, das Wohnen, Energie. Auch das Studieren wird immer kostspieliger und stellt so manche Studierende vor ganz immense finanzielle Heraus­forderungen. Daher ist es natürlich begrüßenswert, dass nun endlich – nach fünf Jahren ohne Anpassung – die Studienbeihilfe reformiert und angehoben wird. Die letzte Erhö­hung, das muss man natürlich immer im Kopf behalten, ist noch von der letzten rot-schwarzen Regierung, nämlich im Jahr 2017, umgesetzt worden.

Die Situation war aufgrund der Coronakrise für ganz besonders viele Studierende schwierig: Viele haben ihre Nebenjobs, zumeist in der Gastronomie, in der Krise verloren, wie wir wissen. Es war schwierig, sich die Wohnung zu finanzieren, das Leben zu finanzieren und vieles andere mehr. Es war also längst an der Zeit, da für Nach­besserungen zu sorgen. Allerdings muss man sagen, dass dies nur ein allererster Schritt sein kann, denn die Erhöhung deckt die gesamte Inflation der letzten Jahre – seit der letzten Erhöhung – und auch das, was jetzt noch auf uns zukommen wird, nicht einmal ansatzweise ab. Bis dato stellen wir seit 2017 immerhin eine tatsächliche Preissteige­rung von knapp 15 Prozent fest. Wenn die Beihilfesätze um durchschnittlich 10 Prozent steigen, dann bedeutet das eine reale Kürzung. Also da ist ein gewisses Delta von zumindest 5 Prozent gegeben. Zum anderen, ich habe es schon gesagt, wissen wir nicht, wie sich die Teuerung noch weiterentwickeln wird; ich weiß, wir haben alle keine Glaskugeln. Nichtsdestotrotz ist es schlicht und einfach unverständlich, dass man wieder einmal keine automatische Valorisierung vorsieht. Und im Ausschuss ist uns ja auch bestätigt worden, dass das ausschließlich eine politische Entscheidung war und keine wissenschaftliche oder wie auch immer.

Ich muss bei der türkis-grünen Bundesregierung leider auch immer wieder eine – das zieht sich in der gesamten Koalitionszeit bis dato immer wieder durch – mangelnde Dis­kursbereitschaft während des Gesetzgebungsprozesses feststellen. So würde ich das formulieren. Man hat auch in diesem Fall wieder, Kollege Pröller hat es schon ange­sprochen, auf eine ordentliche Begutachtung verzichtet. Ein bisschen mehr als eine Woche Begutachtungsfrist kann man aus meiner Sicht demokratiepolitisch durchaus hinterfragen. Dazu kommt, dass man ausgerechnet mit jenen, die es betrifft, nämlich mit den Studierenden selbst, mit der Studierendenvertretung, der ÖH, im Vorfeld keine Gespräche gesucht hat.

Wir werden unsere Zustimmung erteilen, weil es besser ist als nichts. Der große Wurf ist es aber freilich nicht. Ich könnte jetzt noch all die weiteren Kritikpunkte auch der Hoch­schülerInnenschaft zitieren und vorlesen, aber ich bin mir sicher, Sie kennen das alles sehr genau. Das sind durchaus einige Seiten an Kritik, die da vorgebracht werden, und durchaus auch vernichtende Kritik, muss man sagen. Ich kann nur hoffen, dass Sie die Kritik auch wirklich ernst nehmen und entsprechende Nachbesserungen auch möglichst rasch umsetzen und vornehmen werden, denn, und ich glaube, da sind wir uns hof­fentlich einig, Studieren muss in Österreich einfach leistbar sein und darf nicht nur einer kleinen Elite vorbehalten bleiben.

Lassen Sie mich aber noch einen Blick auf ein anderes Thema richten, das unter anderem die Fachhochschulen betrifft. Ich möchte in aller Kürze das Pflegestipendium ansprechen, das die Regierung nun angehen möchte. Ja, es ist auch gut und richtig, dass damit ein Anreiz für eine Ausbildung im Bereich der Pflege geschaffen werden soll. Wir wissen alle, der Personalmangel in diesem Bereich ist eminent. Das angestellte


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 149

Personal ist aktuell psychisch und physisch extrem belastet, Hunderte Stellen können gar nicht nachbesetzt werden. Und ja, es droht uns, wenn wir nicht gegensteuern, ein wahrer Pflegenotstand. Insofern ist das Pflegestipendium von jetzt 1 400 Euro monatlich für vom AMS geförderte Pflegeausbildungen aus unserer Sicht sinnvoll und begrüßens­wert. Aber, und das ist das große Aber und der große Hahnenfuß an der Geschichte: Eine Ausbildung an einer Fachhochschule soll damit nicht gefördert werden. Das ist aus meiner Sicht eine Ungleichbehandlung.

Unverständlich ist noch dazu, dass diese Förderung überhaupt erst per 1. September 2023 einsetzen soll, damit geht uns ein gesamter Jahrgang verloren. Dabei brauchen wir jetzt ganz dringend neue, an diesen Bereich Interessierte für diesen so wichtigen Sozialbereich.

Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Start des Pflegestipendiums bereits mit 1. September 2022“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und der Bundes­minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden aufgefordert, das Pflegestipendium für vom AMS geförderte Ausbildung nicht erst – wie angekündigt – mit 1. September 2023 zu starten, sondern bereits ein Jahr früher, nämlich mit 1. Sep­tember 2022.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.20


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Der von den Bundesräten Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Start des Pflegestipendiums bereits mit 1. September 2022“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.


17.21.12

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich darf eingangs, weil ich ausdrücklich darauf angesprochen worden bin, auch außerhalb der Tagesordnung, wenn Sie gestatten, zwei Sätze sagen: Man soll nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. (Bundesrat Leinfellner: Es waren nur 10 Millionen!) – Nein, das stimmt nicht. Das Testen wurde in enger Abstimmung mit der Finanzprokuratur vertragskonform beendet. Es wurde ein einvernehmliches Beenden der Tests durchgeführt, keine Kündigung, sondern das Vertragsverhältnis wurde einver­nehmlich im Rahmen des Vertrages beendet. Wie man auf allfällige Summen von 10, 11 Millionen Euro oder wie auch immer kommt, weiß ich nicht. Das wären die hochge­rechneten hypothetischen Kosten, wenn man die volle Zahl an Tests ein ganzes Monat lang brauchen würde. (Bundesrätin Schumann: Zahlen wir jetzt dort oder nicht?) Das hat aber überhaupt nichts damit zu tun, dass wir das Testen jetzt einvernehmlich ver­tragskonform beendet haben.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 150

Da das jetzt über die Medien und auch durch einzelne Menschen so hochgespielt wird, freue ich mich dann auf die Entschuldigungen Anfang Juli, wenn das Ganze vorbei ist. Ich hoffe, Sie denken auch dann daran, dass Sie darüber gesprochen haben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Zahlen wir jetzt dort oder zahlen wir nichts? – Bundesrätin Hahn: Nachfragen wird ja erlaubt sein!) – Fragen ist immer erlaubt, aber es ist auch immer ein Unterschied, ob ich eine inhaltliche Frage stelle oder aufgrund eines unbelegten Zeitungsartikels eine Behauptung in den Raum stelle. Ich respektiere das selbstverständlich, darum habe ich ja auch geantwortet. (Bundesrätin Schumann: Na, darum sind wir ja da, nicht? Dazu sind wir ja da, dass man nachfragt! – Bundesrätin Hahn: Das ist ja meine Aufgabe!)

Lassen Sie mich auf das Studienförderungsgesetz Bezug nehmen. Wir nehmen jetzt sehr viel Geld in die Hand, fast 70 Millionen Euro jedes Jahr mehr als bisher. Das Budget für die Studienförderung wird damit ab 2023 um ein Viertel ausgeweitet. Das ist eine deut­liche Ausweitung der Studienförderung. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das ein guter und wichtiger Schritt ist. Vor allem bekommen die Studierenden diese Stipen­dien ja nicht geschenkt, sondern sie müssen Studienleistungen vorweisen, sie müssen bin­nen bestimmter Fristen ihre Abschlüsse erzielen und sie müssen zielorientiert stu­dieren.

Die Inhalte der Novelle waren selbstverständlich vorab auch mit den Stakeholdern be­sprochen. Es gab natürlich im Vorfeld auch entsprechende Gespräche mit der ÖH über diese Thematik, über die Grundausrichtung der Novelle. Es ist also nicht so, dass diese Regelungen völlig überraschend kommen.

Was die Inhalte der Novelle angeht: Mit 1. September 2022 gibt es eine Erhöhung der Höchstbeihilfensätze um 8,5 bis 12 Prozent. Davon profitieren rund 50 000 Beziehe­rinnen und Bezieher der Studienbeihilfe oder eines Mobilitätsstipendiums. Die Einkom­mens­­grenzen zur Berechnung des elterlichen Unterhalts werden um rund 9 Prozent angehoben, um die Folgen gestiegener Elterneinkommen auszugleichen; auch das führt zu höheren Studienbeihilfen. Die Altersgrenze bei Studienbeginn wird um drei Jahre von bisher maximal 30 auf 33 und in bestimmten Fällen, wenn etwa Studierende mit Kindern oder Selbsterhalter den Antrag stellen, von bisher 35 auf 38 Jahre angehoben. Das bedeutet, dass noch mehr Menschen, die sich für ein Studium im zweiten Bildungsweg entschieden haben, besser von dieser Studienförderung Gebrauch machen können.

Was ich auch für besonders wichtig erachte: Wir führen ein Modulsystem zur verein­fachten Berechnung der Studienbeihilfe ein. Anstatt von Höchstbeiträgen auszugehen, von denen Abzüge abgerechnet werden, was ein relativ kompliziertes und verwal­tungs­aufwendiges System war, gibt es nun ein Baukastenprinzip, das heißt, alle Bezie­he­rinnen und Bezieher erhalten einen Grundbetrag, zu dem je nach Lebenssituation oder Alter bestimmte Erhöhungsbeträge hinzukommen. Durch dieses Modulsystem wird auch vorab schon für die Antragstellerinnen und Antragsteller sehr transparent ersicht­lich, welche Beiträge für sie infrage kommen. Die höchste Studienbeilhilfe wird dann statt wie bisher 841 Euro 923 Euro monatlich betragen. Ich denke, dass das eine schöne Steigerung ist.

Zusammengefasst geht diese Novelle deutlich über jene von 2017 hinaus, weil sie nicht nur eine Valorisierung der Beträge beinhaltet, sondern eben auch eine Anhebung der Altersgrenze und gravierende Verbesserungen für Studierende im zweiten Bildungsweg durch die Reform des Selbsterhalterstipendiums. Das Budget, das jährlich insgesamt in die Studienförderung investiert wird, steigt damit um 25 Prozent. Das Gesamtvolumen der Studienförderung wird ab 2023 also weit über 300 Millionen Euro im Jahr betragen.

Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die sich in diesen Prozess konstruktiv ein­gebracht haben, sodass wir hier ein sehr gutes Paket für die Studierenden vor uns liegen haben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.27



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 151

Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


17.27.16

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Ich möchte noch kurz die Motivationslage zu dieser Novelle beleuchten, die ja nicht unmaßgeblich auf unsere Initiative hin zustande gekommen ist, weil der freie Zugang zu den Universitäten extrem wichtig ist. Er ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten bildungs- und sozialpolitischen Errungenschaften der Zweiten Republik überhaupt. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich stamme aus einer ökonomisch sehr einfachen Arbeiterfamilie, noch dazu am Land. Ohne gebührenfreie Universitäten hätte ich definitiv nie eine Chance gehabt, zu studieren. Das war jedenfalls einmal eine Voraussetzung. Trotzdem kostet ein Studium immer noch sehr viel Geld. Für viele junge Leute ist es nach wie vor trotz freiem Zugang nicht leicht zu studieren. Sie müssen nebenher arbeiten und sind auf Stipendien angewiesen oder beides gleich­zeitig, wie das zum Beispiel auch bei mir war.

Deswegen gilt natürlich immer noch, dass eine effektive Stipendienvergabe zentral für eine Durchlässigkeit im Bildungssystem ist, damit jungen Menschen, die ökonomisch aus nicht so guten Verhältnissen kommen, der Bildungsweg bis hin zu den Universitäten offensteht. Das ist eben wirklich mehr als eine akademische Debatte – wenn wir schon bei den Universitäten sind –, weil genau diese Durchlässigkeit ein ganz wichtiger Kit für die Gesellschaft ist, dass eben nicht nur Kinder aus vermögenden oder zumindest gutbürgerlichen Verhältnissen die Chance haben, die höchstmögliche Bildung zu ge­nießen, die die Voraussetzungen für sehr viele entsprechende Positionen in der Privat­wirtschaft und natürlich im öffentlichen Sektor ist.

Ich finde, das ist eine wichtige Bereicherung, denn diese Leute bringen andere Lebens­erfahrungen mit. Sie wissen, wie es ist, einfach leben zu müssen und sich im Leben selber durchzuschlagen. Ich kann mich noch gut an die Debatten in meiner Studienzeit mit Kollegen, die ganz andere und komfortablere Voraussetzungen hatten, als ich sie hatte, erinnern. Genau dieser Austausch tut uns sehr gut.

Es ist damit auch eine Frage der Gerechtigkeit. Und gerecht ist eine Gesellschaft nur, wenn sie allen Bürgerinnen und Bürgern eine umfassende Bildung ermöglicht. Des­wegen ist uns das so wichtig und deswegen war es uns ein großes Anliegen, diese Novelle des Studienförderungsgesetzes auf die Reihe zu bringen.

Ich gehe jetzt nicht auf die Details ein, da ist ja eigentlich alles gesagt worden. Es sind Sätze erhöht worden, aber es ist eben auch strukturell vieles besser geworden. Jetzt kann man immer noch über die Höhe diskutieren, aber es ist schon etwas gelungen. Also das ist jetzt nun wirklich nicht nichts. Das sehen wir auch, wenn wir nur auf den ökonomischen Aspekt schauen. Die Stipendien um bis zu 12 Prozent zu erhöhen bedeutet im Durchschnitt 1 100 Euro für alle BezieherInnen, die es betrifft, und – seien Sie mir nicht böse! – 1 100 Euro sind schon ein Geld.

Nicht zu vergessen, wenn es jetzt um Teuerungsausgleichsmaßnahmen geht: Die Studienbeihilfebezieher haben explizit automatisch Zugang zum Teuerungsausgleich. Auch das ist ja dezidiert so gemacht worden und auch von uns eingebracht worden. Das sind auch schon 300 Euro, das nicht vergessen, bitte!

Es ist sehr wohl auch schnell reagiert worden. 2017 war die letzte Novelle. Jetzt gibt es die Teuerungsprobleme, und jetzt ist die Novelle da. Die vorvorige Novelle, vor 2017, hat zehn Jahre gebraucht.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 152

Es profitieren viele Studentinnen und Studenten davon, 3 000 kommen überhaupt neu in den Genuss. Ich finde, das ist schon etwas, und die 70 Millionen Euro im Jahr sind auch etwas.

Auch wenn mehr immer besser wäre – no na, das wäre uns auch lieber gewesen –: Ich finde, dazu kann man trotzdem stehen. Es ist schon so, dass auf die jungen Leute, die studieren, definitiv nicht vergessen wurde, weil das immerhin die Menschen sind, die einen beträchtlichen Teil zur Gestaltung des künftigen Gemeinwesens beitragen wer­den. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Tausch.)

17.31 17.31.48


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit mehrheitlich ange­nommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Start des Pflegestipendiums bereits mit 1. September 2022“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

17.32.4811. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden (2503/A und 1457 d.B. sowie 10966/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu Punkt 11 der Tagesordnung.

Als Berichterstatterin ist mir Frau Barbara Tausch gemeldet worden. – Ich bitte dich um deinen Bericht.


17.33.10

Berichterstatterin Barbara Tausch: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrations­gesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungsdokumen­tations­gesetz 2020 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich bedanke mich.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. – Bitte, Doris.



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 153

17.33.56

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Wir beschließen heute die Novellierung von drei Gesetzen im Zusammenhang mit der Situation von aus der Ukraine geflüchteten Menschen, und zwar geht es um das Inte­grationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz und das Bildungsdokumen­tationsgesetz.

Österreich ist für viele Menschen aus der Ukraine mittlerweile zunehmend ein Zielland geworden. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann sieht man: Aktuell sind circa 72 000 von ihnen bei uns in Österreich registriert. Ich denke, es ist auch unsere Ver­pflichtung, die bestmögliche Aufnahme für sie zu gewährleisten.

Mit den heutigen Gesetzesänderungen, die wir beschließen werden, wollen wir sicher­stellen, dass im Bereich des Integrationsgesetzes jene, die wir als Vertriebene bezeich­nen, Zugang zu den Integrationsmaßnahmen haben, die über das Integrationsgesetz im Wege des Österreichischen Integrationsfonds angeboten werden, wie beispielsweise ein schneller Zugang zu Deutschkursen oder Orientierungsgesprächen.

Das zweite Gesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz, soll helfen, auch Berufs­qualifikationen schnellstmöglich anzuerkennen, da ja oft zum Beispiel aufgrund der raschen Flucht Ausbildungsnachweise nicht mitgenommen werden konnten. Diese Regelung soll nun auch für Vertriebene angepasst werden.

Zum Dritten geht es um das Bildungsdokumentationsgesetz, mit dem wir sicherstellen wollen, dass auch der Schulbesuch für Kinder aus der Ukraine so gut und schnell wie möglich gewährleistet wird.

Wir haben im Ausschuss gehört, dass mit dieser Woche knapp 11 000 Schüler und Schülerinnen in österreichischen Schulen untergebracht sind. An erster Stelle steht Wien, dann kommt Niederösterreich mit knapp 2 000 Schülern und Schülerinnen – bei­spielsweise auch in den Klassen meiner beiden Töchter, in der Volksschule und auch im Gymnasium. Was ich da beobachten konnte, ist, dass die Integration ab Tag eins wirklich sehr, sehr gut funktioniert hat und auch die Eltern bereits auf dem Arbeitsmarkt in Krems Fuß gefasst haben und von der Bevölkerung wirklich sehr, sehr gut aufgenommen wurden.

Da helfen auch die Deutschförderklassen und unterrichtsparallelen Deutschförderkurse, in welchen diese ukrainischen Schüler und Schülerinnen jetzt parallel zum Unterricht Kenntnisse der deutschen Sprache erwerben können. Sie zeigen mittlerweile wirklich sehr, sehr große Fortschritte, was sehr erfreulich ist.

Ich möchte mich auch ausdrücklich bei allen Österreichern und Österreicherinnen und allen ehrenamtlichen Initiativen bedanken. Die Solidarität war und ist sehr, sehr groß. Ohne die Arbeit, den Beitrag und das Engagement der Zivilgesellschaft wäre Integra­tionspolitik in Österreich und anderswo in dieser Form sicher nicht möglich. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

An dieser Stelle möchte ich auch auf die Ehrenamtsförderung hinweisen, in deren Rah­men es je nach Initiative bis zu 2 500 Euro geben wird, die zur Verfügung gestellt werden. Auch eine besondere Förderung für Integrationsprojekte in der Höhe von 1,6 Millionen Euro wird es geben, beispielsweise für die Bereiche Sprache und Bildung, Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, Starthilfen bei Beratungen, Wohnraumsuche oder Qualifizierungen.

Eine weitere Initiative, auf die ich auch noch hinweisen möchte, ist das sogenannte Buddy­programm. Das ist auch eine sehr wichtige Initiative, die gemeinsam mit Integrationsfonds,


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Integrationsministerin, Bildungsminister, Staatssekretärin, Bildungsdirektoren und vielen ehrenamtlichen Vereinen und Organisationen ins Leben gerufen wurde. Dabei geht es in erster Linie darum, dass man engagierte junge österreichische Bürger und Bürge­rinnen mit gleichaltrigen Vertriebenen aus der Ukraine zusammenbringt, damit sie sich gegenseitig kennenlernen, damit sie Sport ausüben, die deutsche Sprache erlernen, damit wertvolle Freundschaften entstehen und sie ein Gefühl von Heimat entwickeln.

Meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen, ich komme auch schon zum Schluss. Danke noch einmal an alle, die mithelfen und zusammenhelfen, um den ukrainischen Vertriebenen den Start in einer möglichen neuen Heimat zu erleichtern. Danke für die große Solidarität in unserer Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

17.38


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Doris Hahn. – Bitte.


17.39.01

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Von Doris zu Doris: In diesem Fall, glaube ich, sind wir uns erfreulicherweise doch sehr einig, was nämlich die Solidaritäts­welle und das Danke betrifft.

Ich glaube, wir können uns alle noch sehr gut an das Jahr 2015 erinnern, an die riesen­große Flüchtlingsbewegung mit knapp 60 Millionen Menschen, die es damals gegeben hat und die in Wahrheit in puncto Solidarität und Zusammenhalt die erste große Zerreiß­probe für Europa dargestellt hat, weil sich viel zu viele Länder aus ihrer Verantwortung genommen haben und sich entzogen haben und andere Länder mehr oder weniger mit der gesamten Thematik alleingelassen haben.

Es war auch – und ganz besonders in Österreich – die Zivilbevölkerung, die schon damals mit so vielen Freiwilligen und Ehrenamtlichen Flüchtlinge aufgenommen hat, die sich bereit erklärten, sie zu betreuen, die sie auch bei unglaublich komplizierten und immer noch sehr langwierigen Asylverfahren unterstützten, die, wie wir ja wissen, teilweise immer noch fünf, sechs Jahre oder auch länger dauern, und die ihnen in dieser unsicheren Zeit auch emotional eine Stütze waren, ihnen Unterkünfte zur Verfügung stellten und vieles mehr.

Jetzt, sieben Jahre später, zeigt sich ein ganz ähnliches Bild, nämlich seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine Ende Februar. Es gibt Transporte mit Hilfsgütern wie Lebens­mitteln, Hygieneartikeln, Medikamenten, ja sogar Pflegebetten, die in die Ukraine trans­portiert werden. Ich darf exemplarisch und stellvertretend die Volkshilfe nennen, die immer wieder mit Hilfskonvois direkt in die Ukraine unterwegs ist und inzwischen viele, viele Hundert Tonnen an Hilfsgütern dorthin bringen konnte, wo sie vor Ort in der Ukraine wirklich benötigt werden, die auch Quartiere für die Vertriebenen aus der Ukraine sucht und zur Verfügung stellt. Es gibt Hilfsaktionen der Bundesländer, wie zum Beispiel auch der Stadt Wien oder des Landes Niederösterreich, und viele weitere Initiativen. Also es ist wirklich großartig, was sich da alles getan hat. Wie gesagt: Da sind wir uns erfreu­licherweise einig.

Auch von meiner Seite gilt es, einmal mehr ein großes Danke zu sagen. Ich glaube, darauf, dass so viele Bürgerinnen und Bürger, so viele Vereine und Organisationen wirklich ohne zu zögern Hilfe leisten, wo es notwendig ist, und so ein unglaubliches soziales Engagement zeigen, kann Österreich wirklich zu Recht stolz sein. Vielen Dank dafür auch seitens der Sozialdemokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie bedeutend dieses Engagement ist, zeigt sich besonders im Lichte des gestrigen Internationalen Tages des Kindes. Wir müssen uns, glaube ich, immer wieder vor Augen


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führen, was diese Kriegssituation für Kinder bedeutet, mit welcher humanitären Kata­strophe es Europa da in Wahrheit zu tun hat. Über fünf Millionen Kinder sind inzwischen auf humanitäre Hilfe angewiesen: jene innerhalb der Ukraine, aber auch jene, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Wir entnehmen es auch täglich den Medien: Täglich werden weitere Gesund­heitsein­richtungen, Bildungseinrichtungen zerstört. Es herrscht jetzt seit knapp 100 Tagen Krieg, und ein Waffenstillstand, ein Einlenken Russlands scheint nicht in Sicht und noch in weiter, weiter Ferne zu sein. Insofern, ja, können auch wir dem vorliegenden Gesetz­entwurf zustimmen und da mitgehen. Das Gesetz sieht ja in Zukunft unter anderem auch den Begriff der Vertriebenen vor und schließt damit in Wahrheit eine gesetzliche Lücke, damit jenen Personen notwendige Integrationsangebote zugutekommen können. Das geschieht aus meiner Sicht sehr spät, muss ich sagen, wenn ich die letzten Jahre Revue passieren lasse, aber besser spät als nie.

Im Gesetz heißt es, es soll ein rasches Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit ermög­licht werden: durch – ja, wir haben es schon gehört – den Besuch von Sprachkursen auf den unterschiedlichsten Niveaus, durch Orientierungskurse, in denen der Arbeitsmarkt, das Bildungssystem und auch der Alltag in Österreich erklärt werden.

Es muss natürlich auch im Interesse Österreichs sein, wenn Fachkräfte, in diesem Fall besonders viele Frauen, nach Österreich kommen, die natürlich – zum Beispiel im Pflegebereich – ganz dringend gebraucht werden. Wir haben das heute schon gehört. Daher können wir da eindeutig unsere Zustimmung geben.

Noch kurz zum Austausch mit den Experten im Ausschuss: Wir haben ja die aktuellen Zahlen gehört. Inzwischen sind fast 11 000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in Österreichs Schulen aktiv, und die Tendenz ist, wie wir gehört haben, weiter steigend. Das bedeutet natürlich tagtäglich neue und zusätzliche Herausforderungen an den Schulen, und da braucht es aus meiner Sicht ganz dringend zusätzliche Ressourcen. Ich meine damit nicht nur zusätzliche Lehrkräfte, die, wie wir ja wissen, schon im normalen Schulbetrieb quasi zur Mangelware geworden sind. In manchen Bundes­ländern, eigentlich in fast allen, sucht man inzwischen händeringend nach Pädago­gin­nen und Pädagogen. Man muss vielfach schon auf in Ausbildung befindliche Leh­rerInnen, also auf Studierende, zurückgreifen.

Also LehrerInnen sind das eine, aber – und das muss ich schon sehr betonen – jetzt gibt es auch noch einen ganz eklatanten zusätzlichen Bedarf an SchulpsychologInnen, an SchulsozialarbeiterInnen, denn zusätzlich zu alldem, was nach den letzten zweieinhalb Jahren Pandemie bei vielen Jugendlichen jetzt aufzuarbeiten ist, brauchen natürlich auch die vertriebenen Kinder, die ja völlig aus ihrem Alltag herausgerissen wurden, die vielleicht traumatisierende Ereignisse erlebt haben, Hilfe, um all dieses Erlebte zu verarbeiten, um sich in der neuen Umgebung in Österreich zurechtzufinden.

Wir haben im Ausschuss gehört, die Planungen für den Herbst laufen. Das ist so weit einmal positiv. Mir ist natürlich klar, dass wir auch, was den Krieg betrifft, nur schwer in die Zukunft blicken können. Dennoch hoffe ich sehr, dass tatsächlich nachhaltig Res­sourcen geschaffen werden. Ich bin da optimistisch und hoffe wirklich auch auf ent­sprechende überparteiliche Zusammenarbeit, denn ich glaube, die Bildung braucht das. Nicht nur ukrainische Kinder, sondern auch alle anderen brauchen das.

Lassen Sie mich abschließend noch auf eines eingehen, weil es für mich einfach wirklich unverständlich ist und es bei der Thematik der Integration einfach dazugehört, nämlich auf die Abschiebungen, die ja immer wieder, besonders seit Innenminister Nehammer, passieren, bei denen Minderjährige, Kinder, die in Österreich aufgewachsen sind, zur Schule gegangen sind, Freunde gefunden haben, wirklich völlig unverhältnismäßig unter größtem Polizeieinsatz der Wega in Nacht- und Nebelaktionen abgeschoben wurden!


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Denken wir zum Beispiel an die 13-jährige Tina, die ja inzwischen erfreulicherweise ein Schülervisum erhalten hat und trotz aller widrigen Umstände, die sie erfahren hat, wieder gerne zurück in Österreich ist und gerne wieder zurückkommt! Ihre Abschiebung wurde ja vom Bundesverwaltungsgericht erst vor Kurzem für rechtswidrig erklärt. Das muss man sich eigentlich auf der Zunge zergehen lassen: rechtswidrig.

Jetzt sollte man denken, beim Innenministerium kehrt inzwischen ein gewisses Fehler­bewusstsein ein, sodass man sich vielleicht sogar beim betroffenen Mädchen ent­schuldigt – aber mitnichten. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.) Aus dem Bun­desamt für Fremdenwesen und Asyl widerspricht man dem Urteil des Bundesverwal­tungsgerichts sogar und sagt, dieses Urteil sei zu kinderrechtsfreundlich – ich zitiere das.

Also das ist zu kinderrechtsfreundlich, und was die Kindeswohlkommission sagt, ist auch wurscht?, muss ich jetzt einmal fragend da hinstellen, oder anders, in jugendlicher Sprache, gesagt: Geht’s noch? Für mich ist das wirklich völlig unverständlich. Das geschieht in einem Land wie Österreich. Das muss man sich wirklich einmal vorstellen.

Ich helfe der Regierung da gerne. Sollte sie es nicht mehr wissen: Kinder haben ein Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben. Kinder haben das Recht darauf, dass ihr Kindeswohl berücksichtigt wird. (Beifall bei der SPÖ.) Wenn das in einem Land, aus dem sie geflohen sind, nicht der Fall ist, dann muss diesen Kindern Schutz in Österreich gewährt werden. Ich appelliere da wirklich auch an die Frau Ministerin – sie ist zwar jetzt nicht da, aber ich bin mir sicher, Sie werden ihr das ausrichten (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel) –, dafür zu sorgen und sich dafür einzusetzen, dass Kinderrechte in Österreich nicht derartig mit Füßen getreten werden, wie das jetzt durch das BFA der Fall war. Ich glaube, Kinderrechte sollten in Österreich eine Selbstverständlichkeit sein, und ich hoffe diesbezüglich wirklich auf eine Änderung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Lackner.)

17.48


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Ich begrüße Bundesminister Mag. Norbert Totschnig recht herzlich. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


17.48.26

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herren Minister! Ja, es ist eigentlich eine Selbstver­ständ­lichkeit oder sollte zumindest eine sein, und es ist gleichzeitig mehr: Es ist eine Pflicht, geflüchteten und vertriebenen Menschen zu helfen. Das wäre noch nichts Neues, und gerade nicht in Europa, einer Region, die ja immer sehr bewusst auf ihre huma­nitären und menschenrechtlichen Grundsätze und Traditionen verweist und natürlich – es wird dann manchmal schon schwieriger – damit auch eigene Ansprüche definiert.

Neu an der jetzigen Situation mit dem brutalen Angriffs- und Vernichtungskrieg Russ­lands oder vielleicht besser Putins und seiner Clique in der Ukraine ist, jedenfalls seit 30 Jahren – damals in Ex-Jugoslawien –, dass ein kriegerischer Konflikt in unserer Nähe stattfindet, in einem Nachbarland der EU, in einem Land, mit dem ja auch Österreich eine lange, gemeinsame Geschichte hat, in einem Land, das sich in den letzten Jahren zunehmend geöffnet und sich an der EU orientiert hat und das auch das Ziel selbst definiert, in die Union aufgenommen zu werden. Das sind Hintergründe, die besondere Unterstützungsmaßnahmen für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen nachvoll­ziehbar begründen – das ist gar keine Frage –, die humanitär geboten sind und die auch strategisch und geopolitisch Sinn machen.

Auf die inhaltlichen Details, wie die Aufnahme der Vertriebenen in das Integrations­gesetz, brauche ich jetzt nicht mehr einzugehen. Sehr erfreulich ist natürlich auch die


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Vereinfachung der Anerkennungsverfahren von Bildungsabschlüssen für alle, auch für anerkannte Asylsuchende, subsidiär Schutzberechtigte und so weiter.

Es geht ja bei diesen Maßnahmen nicht nur um quasi technische, finanzielle Hilfen in der Not, sondern es geht schon sehr stark darum – und gerade gegenüber unseren Nachbarn –, die betroffenen Menschen zu integrieren und ihnen eine Perspektive zu geben, und zwar – und das können wir jetzt noch einmal lernen und sehen – vom ersten Tag an. Das wäre eigentlich das Erfolgsmodell, weil es sich definitiv nicht bewährt hat, Geflüchtete, Vertriebene, Asylsuchende mitunter jahrelang warten zu lassen und dabei viel zu versäumen. Für sie sind es persönlich verlorene Jahre und für uns vergeudete Fähigkeiten der Betroffenen, und wir schaffen uns damit zwangsläufig Folgeprobleme.

Darum wäre auch im Ausblick aus unserer Sicht natürlich im Integrationsbereich noch einiges zu tun. Weitere Schritte für eine gute Aufnahme aller Geflüchteten wären zu setzen. Das betrifft die Vertriebenen, etwa was Zuverdienstgrenzen betrifft – das ist in Diskussion –, aber auch Asylsuchende, betreffend Arbeitsmarktzugang beispielsweise, sowie überhaupt verbesserte längerfristige Perspektiven bis hin zum Staatsbürger­schaftsrecht.

Österreich alleine kann diesen Krieg nicht beenden, aber wir können einen Beitrag dazu leisten, den Menschen, die vertrieben worden sind, die alles verloren haben – das ist eigentlich unvorstellbar für uns –, Hoffnung zu geben. Es geht – das haben wir gehört – dabei vor allem um Kinder. Eine viel schönere Aufgabe, als Kindern, so gut es geht, ein sicheres Zuhause und Zukunftschancen zu bieten, gibt es ja eigentlich nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei BundesrätInnen der ÖVP sowie der Bundesrätin Kahofer.)

17.52 17.52.18


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit mehrheitlich ange­nommen.

17.52.4412. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden (1442 d.B. und 1451 d.B. sowie 10967/BR d.B.)


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 12.

Als Berichterstatter ist mir Ferdinand Tiefnig genannt worden. – Ich bitte um deinen Bericht.


17.53.08

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Geschätzter Minister! Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Be­schluss des Nationalrates vom 19. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich zur Antragstellung.


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Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Danke für den Bericht.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Nicole Riepl. – Bitte.


17.53.49

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Landwirtschaftsminister, zuerst gratuliere ich Ihnen zu Ihrer neuen Position und Aufgabe, zu einer Aufgabe, die Ihnen viel abverlangen wird (Bundesrat Steiner – in Richtung des mit Bundesrat Raggl sprechenden Bundesministers Totschnig –: Ja, das interessiert ihn momentan überhaupt nicht!), denn Ihre Vorgängerin hat Ihnen einige Baustellen hinterlassen.

Vor Kurzem haben Sie in einem Interview, das ich gelesen habe, erzählt, dass Sie Bauernsohn sind. Sie sind auf einem Bauernhof aufgewachsen, das haben Sie heute bei der Regierungserklärung auch gesagt. Danach hat es Sie in die Großstadt gezogen, wo Sie studiert haben und zuletzt den Posten des Direktors des Bauernbundes innegehabt haben.

Auch die ehemalige Ministerin Köstinger wuchs auf einem Bauernhof auf. Dennoch war in ihrer parlamentarischen Arbeit wenig davon zu erkennen, denn das Bauernsterben in Österreich schreitet immer weiter voran. Kleinbetriebe, Nebenerwerbsbauern, Mittel­betriebe können sich diese Arbeit kaum mehr leisten. Dabei ist die Arbeit, welche die Bäuerinnen und Bauern in unserem Land erbringen, eine der wichtigsten: nämlich die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, die Bewirtschaftung der Almen, die Versorgung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen.

Ich hoffe sehr, Sie sind sich in der täglichen Arbeit im Ministerium Ihrer Wurzeln bewusst und setzen sich mehr für Klein-, Mittel- und Nebenerwerbsbauern ein, nicht nur für Großbauern, die mit Förderungen überhäuft werden.

Wie Sie wissen, sind bäuerliche Betriebe zusätzlich in ihrer Existenz bedroht. Die Teue­rungen der letzten Monate gehen auch an den Landwirten nicht spurlos vorbei. Die Erhöhung der Spritpreise, der Preise für Düngemittel und Futtermittel macht sich enorm bemerkbar, und diese Teuerungen werden dann wiederum an die Endkonsumenten weitergegeben, sprich, es gibt eine massive Erhöhung der Lebensmittelpreise, von der aber der kleine Bauer an sich nichts hat, denn er zahlt das ja weiter, an seine Lieferanten, an die Energiebetriebe und so weiter. Es ist nur eine Verschiebung von Geld, es löst eine Kettenreaktion aus, und dafür haben Sie keine Antwort und keine Lösung.

Weitere Fragen, die in der Regierungsvorlage nicht beantwortet werden, betreffen das Thema Tierwohl im Allgemeinen, die langen Tiertransporte, das Sie nicht in Angriff nehmen, das Thema Glyphosat oder das Thema Vollspaltenböden. Man bekommt den Eindruck, Sie wollen in Ihrem Ministerium nichts davon wissen. Das sind Themen, die die Menschen draußen interessieren, die Bevölkerung genauso wie die Landwirtinnen und Landwirte.

Die Gemeinsame Agrarpolitik sollte offene Fragen beantworten. Das passiert jedoch nicht.

Wir treten seit 35 Jahren auf der Stelle, ohne uns in Richtung einer modernen land­wirtschaftlichen Politik, die ökologisch, nachhaltig und sinnvoll ist, weiterzuentwickeln. Sie sprechen seit Jahren immer davon, den ländlichen Raum zu stärken, aber es passiert


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nichts. Es sterben tagtäglich landwirtschaftliche Betriebe, weil es keine passenden Förderungen für Klein-, Mittel- und Nebenerwerbsbauern gibt.

Die Landwirte müssen regulärer Arbeit als Angestellte oder Arbeiter nachgehen, um sich die landwirtschaftlichen Betriebe zu Hause überhaupt leisten zu können. Ich ersuche Sie eindringlich, sich mit diesem Thema noch einmal zu beschäftigen und die bisherige Vor­gangsweise zu hinterfragen. Erkundigen Sie sich bitte nicht im Umfeld der Lobbyisten und der Großbauern, sondern führen Sie Gespräche mit Klein-, Mittel- und Neben­erwerbsbauern! Nur dann werden Sie ein besseres Gespür bekommen als Ihre Vor­gängerin, und das würden wir dringend brauchen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.58


Vizepräsidentin Sonja Zwazl: Johanna Miesenberger ist als Nächste zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


17.58.27

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Liebe Vorsitzende! Ge­schätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren heute das Programm der Gemeinsamen Agrarpolitik für die nächsten fünf Jahre, das für die Ausrichtung der Landwirtschaft und vor allem für die Planungssicherheit der bäuerlichen Betriebe enorm wichtig ist. Dem vorliegenden Ge­setzesbeschluss ist ein jahrelanger Prozess vorausgegangen, der auf EU-Ebene begonnen hat, wo schon einmal die groben Eckpfeiler, wie die Finanzierung und die gemeinsamen Ziele, ausverhandelt und vorgegeben werden.

An dieser Stelle möchte ich wirklich ein ausdrückliches Danke an Elisabeth Köstinger und an den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz sagen. (Bundesrätin Schumann: Oh! Ho, ho, ho, ho, ho, ho!) Sie beide waren es, geschätzte SPÖ, die die Verhandlungen geführt haben, die auch die Finanzmittel, die es dazu braucht, gesichert und sogar aufgestockt haben, damit die Weichen für ein weiteres – in der EU vorbildliches – österreichisches Programm für die Landwirtschaft gestellt werden konnten.

Auch die Verhandlungen auf Bundesebene waren nicht einfach zu führen, und der damaligen Ministerin ist es gelungen, die Vielfalt der Landwirtschaft, die Interessen der Bäuerinnen und Bauern, die der Gesellschaft, der Umwelt größtmöglich in den natio­nalen Strategieplänen abzubilden und in Maßnahmen zusammenzuführen. Es spricht wirklich für die Hartnäckigkeit und vor allem für die Verlässlichkeit und Ausdauer von Elisabeth Köstinger, dass sie noch in ihrer Amtszeit das Paket der Gemeinsamen Agrarpolitik fertiggeschnürt hat sowie die Herkunftskennzeichnung auf den Weg ge­bracht hat. Daher ist es mir wirklich ein persönliches Anliegen, nochmals ein herzliches Danke an Elisabeth Köstinger für ihre Arbeit und den jahrelangen Einsatz für die Bäuerinnen und Bauern in Österreich auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Dir, lieber Herr Minister, wünsche ich viel Kraft und Ausdauer für deine Arbeit sowie Geschick für die herausfordernden Aufgaben, die du mit diesem Amt übernimmst. Du bringst mit deinen bäuerlichen Wurzeln, den agrarpolitischen Erfahrungen auf vielen Ebenen die wirklich besten Voraussetzungen mit. Danke für deine Bereitschaft, lieber Norbert, und alles Gute! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Kommen wir aber jetzt zum vorliegenden Beschluss der Rahmengesetze, die wir für die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik brauchen. (Präsidentin Schwarz-Fuchs übernimmt den Vorsitz.)

Die österreichischen Bauern stehen seit dem EU-Beitritt im harten Wettbewerb auf dem globalen Markt. Wegen der kleinen Struktur der Höfe und der zum Teil wirklich schwie­rigen Bewirtschaftung ist es einfach nicht möglich, Lebensmittel zu niedrigen Weltmarktpreisen zu


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produzieren. In den Neunzigerjahren – das waren meine ersten Jahre als Betriebs­führerin – gab es reine Ausgleichszahlungen und Prämien, um genau diesen Wett­be­werbsnachteil in der Produktion auszugleichen. Mittlerweile sind es ganz konkrete ökologische Leistungen, Maßnahmen der Bäuerinnen und Bauern in der Landwirtschaft, im Bereich Tierwohl und Umweltschutz, die auch von der Gesellschaft gefordert und in dem Paket als Mehraufwand ausgeglichen werden.

Den Bäuerinnen und Bauern ist es wichtig, ihre Höfe zu erhalten, sie weiterzuentwickeln und sie vor allem – für sie ist das ganz essenziell – an die nächste Generation weitergeben zu können. Die Herausforderungen, die auf den Höfen bewältigt werden müssen, werden aber nicht weniger: die Einkommenssituation, die Klimaveränderungen, die auch die Bäuerinnen und Bauern bei der Produktion spüren, die steigenden Kosten und vor allem die Erwartungshaltung der Gesellschaft. Die Bauern stehen unter enor­mem Druck.

Das Paket, das wir wieder für die nächsten Jahre geschnürt haben, ist für die Landwirte sehr wichtig. Es bietet den Betrieben Planungssicherheit und Zukunftsperspektiven. Wir legen damit den Fokus wieder auf die Nachhaltigkeit und trotzdem auf Entwicklung. Wir unterstützen die Berglandwirtschaft, wir fördern die Jungbauern, wir setzen auf Biodiversität in der Bewirtschaftung und auf das Wohl der Tiere. Das österreichische Umweltprogramm ist in der EU wieder einzigartig und beispielgebend für viele andere Nationalstaaten in der EU.

Dennoch dürfen wir die mit den dramatischen Entwicklungen in der Ukraine einher­gehenden Entwicklungen auf den Märkten nicht aus den Augen verlieren. Vor diesem Hintergrund hat die Versorgungssicherheit in allen Bereichen für uns einen neuen Stel­lenwert bekommen. Wir brauchen jeden einzelnen Hof in Österreich, jeden einzelnen Betrieb, um uns wirklich nachhaltig ernähren zu können. Daher wieder mein Appell an uns alle: Sichern wir mit jedem Griff ins Regal und bei jedem Einkauf im Hofladen Arbeits­plätze, nicht nur die in der Landwirtschaft! Erhalten wir bäuerliche Familien­betriebe! Halten wir die Wertschöpfung in der Region, schützen wir damit aber auch die Umwelt!

Gott sei Dank ist es in den letzten beiden Jahren schon zu einem Paradigmenwechsel im Einkaufsverhalten der Menschen gekommen. Das sind gute Entwicklungen, auch dank des intensiven Austauschs und der immer stärker werdenden Kommunikation der Bäuerinnen und Bauern mit den Verbrauchern und mit der Gesellschaft.

Wir brauchen dringend ein klares Bekenntnis zur heimischen Produktion und zur Ver­arbeitung der Lebensmittel in unserem Land, auch einen fairen Anteil an der Wert­schöpfungskette, um den bäuerlichen Betrieben langfristig eine Perspektive geben zu können und damit die Höfe abzusichern.

Daher wirklich meine eindringliche Warnung: Günstige Lebensmittel und nachhaltige Produktion sind nicht miteinander vereinbar. So ehrlich müssen wir sein, sonst bringen wir die bäuerlichen Betriebe in Gefahr. Wenn unsere eigene Landwirtschaft uns nicht mehr versorgen kann, ist nicht mehr sicher, was auf den Tellern der Österreicherinnen und Österreicher landet und ob genau dort, woher die Lebensmittel dann kommen, Umwelt- und Tierwohlstandards auf unserem Niveau eingehalten wurden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, für die österreichische Landwirtschaft steht mit diesem Beschluss wirklich sehr viel auf dem Spiel. Es geht um die Ausrichtung für die nächsten Jahre. Wie gesagt: Es geht um die Zukunft der bäuerlichen Betriebe.

Ich bin überzeugt, das ist ein gutes Paket geworden, daher: Danke an alle Verhandler. Es war ein gemeinsamer Kraftakt, den wir unseren Bäuerinnen und Bauern auch schuldig sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

18.05



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Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.


18.05.40

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Wir leben in einer auch für die Landwirtschaft schwierigen Zeit. Auf der einen Seite gibt es Kräfte im Land, die unter dem Titel Energiewende versuchen, zu erklären, dass jetzt Ackerflächen oder der ländliche Raum zur Produktion erneuerbarer Energie herhalten müssen – das war gestern auch eine Aussage von Frau Ministerin Gewessler –, Fotovoltaikanlagen als Schattenspender für Tiere dienen sollen, die dafür das entstehende Gras und Unkraut vernichten. Die Anmerkung meinerseits dazu ist: Ich sehe Fotovoltaikanlagen prinzipiell positiv, aber zuerst sollte man alle möglichen Dach­flächen nutzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Auf der anderen Seite wurde die Gemeinsame Agrarpolitik im letzten Jahr auf euro­päischer Ebene reformiert und der europäische Rechtsrahmen für die GAP für den Zeitraum 2023 bis 2027 geschaffen. Wie aber zu erwarten war, wurde, anstatt die Chance zu nutzen, wesentliche Verbesserungen oder nachhaltige außerordentliche Änderungen der GAP-Regeln zu erzielen, nach langem Getöse wieder einmal nur der Geldhahn für unsere vielen landwirtschaftlichen Familienbetriebe zugedreht – außer einer minimalen Erhöhung der Tranche bei den Bienen und bei den Ökoflächen, um bei dem Ganzen einen gewissen grünen Schein zu wahren –, und das alles in einer Zeit einer bevorstehenden weltweiten Nahrungsmittelknappheit.

Es wäre aber nicht die EU, wenn man nur den bürokratischen Aufwand erhöht hätte. Dies zeigt sich auch bei der angedachten Änderung der Industrieemissionen, wie wir es gestern auch im EU-Ausschuss gehört haben, bei der auf einmal Rinder, Schweine und so weiter bei der Bürokratie, bei der Nachweispflicht und anderem auf die gleiche Ebene wie Großindustriebetriebe gestellt werden.

In diesem Zusammenhang sollte man wieder einmal erklären, was die Aussage „das Beste aus beiden Welten“ von Türkis-Schwarz und Grün in der Praxis bedeutet. Im Jahr 2005 musste man unter dem damaligen ÖVP-Umweltminister Josef Pröll mit einem Gutachten nachweisen, wie viel – um der Würde des Hauses zu entsprechen – Kot ein Schwein täglich produziert, um ihn in einer Biogasanlage zusätzlich zum biogenen Abfall einzubringen. Im Jahr 2022 benötigt man unter einer grünen Umweltministerin ein Gutachten, wie viel CO2 Schweine oder neuerlich sogar Rinder produzieren, egal ob man die Fäkalien in einer Biogasanlage einleitet oder ob sie nur im Stall stehen.

Wenn man biogene Stoffe in die Biogasanlage einbringt, benötigt man ein weiteres Gutachten für den CO2-Ausstoß, der bei der Vergärung stattfindet, und ein weiteres CO2-Gutachten für die Vergärung von biogenen Stoffen. Da kann Dr. Adi des Bundesrates als Klimarumpelstilzchen hin und her springen – das verstehe ich nicht unter Klimapolitik mit Hausverstand. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man glaubt, man kann unter diesen Bedingungen die Energiewende schaffen und sagen: Ja, wir machen zusätzliche Biogasanlagen!, und so weiter, wenn man zusätzliche Hürden schafft, oder wie auch immer schauen, dass man die Selbstversorgung an­kurbelt, wenn man für die Rinder und die Schweine und so weiter überall Gutachten braucht, um einen Stall zu bauen, dann sei das dahingestellt.

Interessanterweise ist es aber gestern auch so manchen Vertretern von ÖVP-Seite einmal zu viel geworden, nämlich im EU-Ausschuss, als wir es gehört haben. Ihr habt es aber in der Hand, ihr braucht ja nur diesen Wahnsinn, das Beste dieser zwei Welten, zu


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beenden. Treten Sie alle zurück! Nur Neuwahlen können Abhilfe schaffen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nochmals zurück zur GAP: Natürlich werden gleichzeitig mit der neuen GAP die dafür vorgesehenen Mittel gekürzt, wie ich es eh vorhin schon erwähnt habe, abgesehen davon, dass es nicht zu einem Ausgleich der Inflation kommt, welche wie eine Jahr­hundertflut über die landwirtschaftlichen Betriebe hereingebrochen ist, und dass der Anteil der Landwirtschaft in Zeiten von ständig erhöhten Budgets prozentuell immer geringer wird.

Die Anforderungen an die Landwirtschaft werden aber immer wieder erhöht. Die ver­sprochene Förderobergrenze wird durch die anrechenbaren Lohnzahlungen ad absur­dum geführt. Es fehlt aber auch da der sogenannte Hausverstand in der Landwirt­schaftspolitik. Für uns Freiheitliche wäre das zum Beispiel: Obwohl unsere Betriebe seit annähernd zwei Jahrzehnten ihre Flächen digitalisiert haben, ist es nur mithilfe ausgewiesener Experten möglich, diese Daten auch in die modernen Traktoren ein­zuspielen. Leider findet man diese Experten nirgends, auch nicht in der Landwirt­schaftskammer. Generell beschweren sich mittlerweile viele Kollegen, dass die Kam­mern immer mehr ihre kompetente Hilfe für die Betriebsführer reduzieren und immer mehr als politische Wohlfühleinheit einer bestimmten Partei agieren. Wir würden unter Landwirtschaftspolitik mit Hausverstand zum Beispiel verstehen, ein einheitliches, funktionierendes Programm zu entwickeln, welches es einer ausgebildeten, geschulten Personengruppe ohne Probleme ermöglicht, diese Daten zu überspielen.

Den üblichen Floskeln nach soll die Gemeinsame Agrarpolitik zum Beispiel Planungs­sicherheit für die Bäuerinnen und Bauern innerhalb der Europäischen Union garantieren und zur Stabilisierung der agrarischen Märkte beitragen. Der Erfolg ist meiner Meinung nach sehr überschaubar und um den Preis eines permanenten Abhängigkeitsver­hältnisses der Landwirte sicher teuer erkauft.

Darüber hinaus soll die GAP Arbeitsplätze in der Landwirtschaft fördern, um die Wirt­schaft im ländlichen Raum zu stärken. Außerdem soll sie einen entscheidenden Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Österreich weist derzeit im Rahmen der GAP auf Basis der bisherigen Schwerpunktsetzungen bereits jetzt EU-weit – das ist schon sehr gut – den höchsten Anteil an biologischer Landwirtschaft auf.

Das Leben als Landwirt wird auf der einen Seite immer bürokratischer und teurer, während auf der anderen Seite die Einkünfte stagnieren. Von Ernährungssicherheit für Österreich kann schon lange keine Rede mehr sein. Vermeintliche Überschüsse gibt es nur auf dem Papier. Obwohl es schon längst Zeit für konkrete Maßnahmen wäre, wird von der Regierung nur Optimismus verbreitet. Es wird nicht genügen, wenn die Regie­rungsmitglieder im Ledersessel sitzend die internationalen Märkte mit Staunen beob­achten und dabei zusehen, wie Lebensmittel-, Betriebsmittel- und Energiepreise in ungeahnte Höhen schnellen. Die Landwirte wollen leben, die Bundesregierung muss sie, meiner Meinung nach, auch leben lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Unter der Devise „Landwirte leben lassen“ hat die FPÖ daher bereits ein umfangreiches Paket zugunsten der heimischen Landwirte vorgestellt, zum Beispiel betreffend Über­arbeitung der GAP: Es braucht weniger EU-Bürokratie. Statt Bauern zu verpflichten, weitere Flächen aus der Produktion zu nehmen, muss unserer Meinung nach die heimische Produktion unterstützt und gestärkt werden. Sozialversicherungsbeiträge sollten in der Krise erlassen werden: Als gerechte, rasche und unbürokratische Hilfe braucht es auch einen Rettungsschirm für die Landwirtschaft. Weiters gehören unserer Meinung nach die AMA-Marketing-Beiträge abgeschafft. Man muss sich vorstellen: Allein im Jahr 2020 hat die AMA-Marketing knapp 19 Millionen Euro an Beiträgen


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eingenommen, die sicher besser bei den bäuerlichen Familien geblieben wären. (Beifall bei der FPÖ.)

Kostenexplosion bremsen: Die Mehrwertsteuer und die Mineralölsteuer müssen für alle landwirtschaftlichen Betriebe während dieser Krise ausgesetzt werden, um die explodie­renden Produktionskosten einzudämmen.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ernährungs­souveränität: Flächen für die Produktion freigeben“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus wird aufgefordert, die GAP und deren Umsetzung dahingehend zu überarbeiten, dass vor dem Hintergrund aktueller Krisen die Pflicht, landwirtschaftliche Flächen aus der Produktion zu nehmen, aufgehoben wird.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

18.14


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ernährungs­souveränität: Flächen für die Produktion freigeben“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile dieses.


18.15.25

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Der Hausverstand kennt anscheinend nicht den Unterschied zwischen Methan und CO2. Liebe Grüße von Dr. Adi soll ich ausrichten. (Heiterkeit des Bundesrates Gross.)

Jetzt aber zur GAP: Als für uns Grüne klar wurde, dass die Verhandlungen zur nationalen Ausgestaltung nun anstehen, waren wir zunächst schon ein bisschen – sagen wir einmal so – aufgeregt und auch ein bisschen demütig. Es war für uns das erste Mal, dass wir diese Materie auf Bundesebene mitverhandeln konnten. Wie sollten wir das anlegen? Wir sollten wir das angehen? – Es ging ja immerhin um 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. Etwas beruhigter waren wir dann, als wir feststellten, dass es eigentlich auch für das Ministerium beziehungsweise für den Bauernbund mehr oder weniger das erste Mal war, dass sie das ernsthaft mit einer anderen Partei verhandeln mussten.

Bis vor Kurzem – man kann sagen jahrzehntelang – war es ja so, dass der Land­wirtschaftsbereich so etwas wie eine schwarze Insel war. Mein Eindruck ist nach wie vor, dass der Bauernbund zwar einerseits erfreut ist, dass es da eine zweite Partei gibt, die sich ernsthaft für Landwirtschaftspolitik interessiert, aber dass es auch nach wie vor eine gewisse ungewohnte Situation ist, dass da wirklich jemand mitreden und mitgestalten will. Verhandelt wurde auch nicht nur mit den Grünen, sondern – und das war nicht neu – auch mit den Bundesländern, denn die Förderungen aus der zweiten Säule werden von Bund und Ländern kofinanziert.


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Was die Bundesländer betrifft, stellte sich rasch heraus, dass es da sehr unter­schied­liche Interessen gab. Spannend war dann in weiterer Folge, dass es beispielsweise in einigen Bereichen bei den Interessen der steirischen Kammer mehr Gemeinsamkeiten mit den Grünen gab als etwa mit dem niederösterreichischen Bauernbund – gerade auch in der Frage der Umverteilung zugunsten der kleineren Betriebe, Stichwort Top-up für die ersten 20 Hektar. So viel zur Ausgangslage aus meiner Sicht.

Was ist aus grüner Sicht, was ist aus meiner Sicht gelungen? – Die Bioförderung wird mit 20 Millionen Euro aus nationalen Mitteln ergänzt. Dadurch stehen insgesamt 40 Millionen Euro pro Jahr mehr als in der letzten Periode für die Bioförderung zur Verfügung. Inhaltlich hineinverhandeln konnten wir eigene Feldgemüseprämien, ein Top-up für Untersaaten im Ackerbau, eine erhöhte Investförderquote von 5 Prozent, eine eigene Bioprojektförderung für Verarbeitung, Vermarktung, Bildung, Beratung und Forschung. Ursprünglich wollte das Ministerium die eigene Bioförderung überhaupt abschaffen und nur mit den Top-ups zur UBB arbeiten. Das haben wir, gemeinsam mit den Bioverbänden, erfolgreich verhindert und die Biomittel noch dazu maßgeblich erhöhen können.

Umverteilung von Groß zu Klein: Für die Umverteilungszahlungen stehen 10 Prozent der Mittel aus der ersten Säule zur Verfügung. Das Ministerium hatte ursprünglich nur 7,5 Prozent vorgesehen. Sie werden in zwei Stufen – zunächst auf die ersten 20 Hektar, dann auf die ersten 40 Hektar – verteilt. Es gibt erstmals ein Capping: Direktzahlungen aus der ersten Säule werden nach Anrechnung der Lohnkosten bei 100 000 Euro gedeckelt. Es ist wirklich erstmals so, dass es nun eine Förderobergrenze gibt. Bei 100 000 Euro ist Schluss. Die Ausgleichszulage wurde nach der Begutachtung noch­mals um 5 Millionen Euro erhöht, diese 5 Millionen Euro kommen nun den ersten 20 Hektar eines Betriebes in den benachteiligten Gebieten zusätzlich zugute.

Es gibt erstmals so etwas wie eine soziale Konditionalität. Die Anerkennung der Lohnkosten beim Capping gibt es nur bei Einhaltung aller arbeitsrechtlichen und kollek­tivvertraglichen Regelungen.

Soziale Konditionalität heißt: Kürzung der Förderungen bei Verstößen gegen das Arbeitsrecht. Das wird ab 2023 eingeführt und nicht, wie es EU-rechtlich auch möglich gewesen wäre, erst ab 2025. Soziale Konditionalität bezieht sich auf nationales Arbeits­recht, wie beispielsweise das Landarbeitsgesetz und die darauf basierenden Verord­nungen, und nicht nur auf die nationale Umsetzung einzelner Artikel von EU-Richtlinien. Die Rechte der LandarbeiterInnen werden damit gestärkt.

Es wird auch erstmals so etwas wie Transparenz und Beteiligung geben. Ab 2025 gibt es einen jährlichen Bericht an den Nationalrat, der alle Evaluierungen zusammenfasst und die Wirkung der GAP beleuchtet. Alle Wirkungsindikatoren werden dargestellt. Be­sonderer Fokus liegt dabei auf den Green-Deal-Zielen.

Zum ersten Mal werden im Gesetz auch Vorgaben zur zweiten Säule gemacht, in Form von Zielen und Grundsätzen. Das war vorher gar nicht der Fall. Damit gibt es zum ersten Mal parlamentarische Diskussionen, inklusive Diskussionsgrundlagen, zur Umwelt­wirk­samkeit der GAP.

Wissenschaft im Begleitausschuss wird verstärkt: Der Begleitausschuss wird informiert und diskutiert Änderungen in den Programmen für die ländliche Entwicklung – erstmals sind dort auch WissenschafterInnen vertreten, konkret aus den Bereichen Umwelt- und Tierschutz –: mehr Tierwohl, erstmals eine Förderung für Freilandschweinehaltung, Zuschläge für die Haltung von ausschließlich unkupierten Schweinen und für gentech­nikfreie Fütterung von Schweinen. Ja, gerade was die Schweinehaltung betrifft, sind wir aus unserer Sicht noch nicht dort, wo wir hinkommen wollen, Stichwort Vollspalten­boden. Mein Eindruck ist, dass die Branche selbst ahnt, dass diese Haltungsform keine


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Zukunft mehr hat. Auch gibt es immer mehr und vor allem jüngere Bäuerinnen und Bauern, die sich ein anderes Image für die Branche wünschen und durchaus auch bereit sind, in mehr Tierwohl zu investieren. Herr Minister, setzen wir uns zusammen und nutzen wir den Wechsel im Ministerium, um einen neuen Anlauf zu starten! Der Vollspaltenboden muss ein Ende haben, das ist fast allen klar. (Beifall des Bundesrates Gross.) Legen wir endlich ein Datum fest, wann es so weit sein soll!

Insgesamt betrachtet ist die GAP natürlich nicht von heute auf morgen grün geworden. Das haben wir realistischerweise auch nicht erwartet. Gelungen ist aus unserer Sicht doch einiges, wobei ich vor allem die erstmalige Förderobergrenze, die stärkere Förde­rung der ersten 20 Hektar und den Ausbau der Bioförderung hervorheben möchte. Sagen wir es einmal so: Der Zug ist noch nicht dort, wo wir hinwollen, aber wir haben ihn auf ein anderes Gleis gestellt und damit die Richtung geändert.

Kurz noch zum Entschließungsantrag der FPÖ: Genau das machen wir natürlich nicht! Wir werden nicht den Rückwärtsgang einlegen und die Biodiversitätsflächen wieder reduzieren. Wer glaubt, dass Biodiversität eine Behinderung für die Landwirtschaft ist, der hat es wirklich nicht verstanden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

18.23


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer Stellungnahme zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Norbert Totschnig. Ich erteile dieses.


18.23.24

Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Geschätzte Damen und Herren! Das ist heute für mich die erste Sitzung im Bundesrat, und gleichzeitig haben wir auf der Tagesordnung das wichtigste Gesetz in dieser Legislaturperiode für die Agrarpolitik, das wichtigste agrarpolitische Gesetz, das wichtigste Gesetz für die Land- und Forstwirtschaft. Denn heute beschließen wir den Gesetzesrahmen für die Land- und Forstwirtschaft für die nächsten Jahre.

Wie hat das Ganze begonnen? – Ich möchte ins Jahr 2018 zurückschauen, Sie können sich vielleicht erinnern: Der damalige EU-Finanzkommissar, Haushaltskommissar Günther Oettinger, hat seinen mehrjährigen Finanzplan für die Jahre 2021 bis 2027 vorgelegt, und wenige Wochen später der damalige Agrarkommissar Phil Hogan seine Vorschläge für eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2021. Wie hat das ausgeschaut? – Es war ein für uns sehr schmerzhafter Entwurf, weil er einerseits deutliche Reduktionen budgetärer Art und gleichzeitig eine deutliche Erhöhung der Standards vorgesehen hätte. Es ist dann der österreichischen Verhandlungsführung in den Verhandlungen um den mehrjährigen Finanzrahmen gelungen, allen voran dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz, diese Lücke von 770 Millionen Euro – das muss man sich vorstellen! – auszugleichen, ja sogar in ein Plus von 35 Millionen Euro zu drehen. Das war einmal die Basis auf der finanziellen Ebene, die für uns ganz entscheidend war.

Das Zweite waren die inhaltlichen Verhandlungen, die dann im Europäischen Rat von meiner Vorgängerin Elisabeth Köstinger geführt worden sind, der es gelungen ist, auf­zuzeigen, dass der österreichische Weg in der Agrarpolitik ein vorbildhafter ist. Damit ist es auch gelungen, beim Ökoschema eine Anrechnung zu verhandeln, die uns jetzt sehr, sehr unterstützt, auch was die Direktzahlungen betrifft.

Gleichzeitig ist es Simone Schmiedtbauer, unserer EU-Parlamentarierin, gelungen, im Agrarausschuss im Europäischen Parlament durchzusetzen, dass unsere Form der Bewirtschaftung der Almen weiter fortgeführt werden kann.


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Mit dieser GAP-Reform – und jetzt geht es um den Green Deal, das Ganze ist ja auch im Rahmen des Green Deal –, leistet die Landwirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz, zu mehr Tierwohl und zu mehr Biodiversität. Das muss man mitnehmen, das ist der Beitrag der Land- und Forstwirtschaft in den nächsten Jahren.

Wie gelingt das? – Das gelingt durch ein Agrarumweltprogramm, das ausgebaut und finanziell um 25 Millionen Euro aufgestockt wird. Das gelingt, indem 40 Prozent aller Mittel für klimarelevante Maßnahmen eingesetzt werden. Das gelingt – der Herr Kollege hat es vorhin schon gesagt – durch mehr Investitionen in die biologische Landwirtschaft und insbesondere in tierwohlfreundliche Stallungen. Das gelingt durch eine Aufstockung der Ausgleichszahlungen für die Bergbauern und für die benachteiligten Gebiete und auch durch eine Stärkung der Junglandwirtinnen und Junglandwirte bei der Hofüber­nahme.

Österreich ist eines der ersten Länder in der EU, das die gesetzlichen Voraussetzungen für die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik und damit Planungssicherheit und Stabilität schafft, gerade jetzt, da das Thema Versorgungssicherheit ganz oben auf der Agenda ist. Mit diesem Gesetzesbeschluss hier im Bundesrat wird der zweite Meilen­stein in der Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik geschaffen.

Der erste große Meilenstein war die Einreichung des GAP-Strategieplans Ende des Jahres, und das ist jetzt die gesetzliche Basis für eine erfolgreiche Umsetzung. Damit gelingt was? – Die Fortführung einer bäuerlichen, nachhaltigen, flächendeckenden und multifunktionalen Land- und Forstwirtschaft in Österreich. Wir erhalten mit dieser Reform unsere vielfältige bäuerliche Betriebsstruktur in Österreich. Wir erhalten die kleinen, mittleren, aber auch Leitbetriebe, Voll- und Nebenerwerbslandwirte, biologische und konventionelle Betriebe sowie all die unterschiedlichen Produktionssparten. Wir bieten damit Perspektiven für die Ackerbauern, für die Grünlandbauern, für die Tierhaltung, für die Pflanzenproduktion in all unseren Regionen. Wir werden ab 2023 jährlich rund 1,8 Milliarden Euro für Leistungsabgeltungen in der Land- und Forstwirtschaft und Unter­stützung der ländlichen Entwicklung zur Verfügung stellen.

An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an Bundeskanzler Karl Nehammer und Finanzminister Magnus Brunner! Sie haben durch die Bereitstellung von Bundesmitteln erstens die Finanzierung gesichert und zweitens einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen ermöglicht. Ich möchte gleichzeitig auch meinen Dank an die grüne Landwirtschaftssprecherin Olga Voglauer aussprechen, die gemeinsam mit unserem Agrarsprecher Georg Strasser und Präsident Moosbrugger federführend mitgewirkt und so zu einem erfolgreichen Abschluss beigetragen hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Danken möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium. Die Verhandlungsführung lag damals beim ehemaligen Generalsekretär Gernot Maier und bei Sektionschef Hannes Fankhauser.

Abschließend: Die GAP ist ein Zukunftsprogramm für die Bäuerinnen und Bauern in Österreich. Es honoriert die großartigen Leistungen unserer Betriebe. Für Sie, liebe Kon­sumentinnen und Konsumenten, sichert die österreichische Landwirtschaft weiterhin tagtäglich die Versorgung mit qualitativ hochwertigen, regionalen Lebensmitteln. Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte, ich ersuche darum, die vorliegende Regie­rungsvorlage zu unterstützen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.29


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile dieses.



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18.29.26

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Interessierte, die zu Hause via Livestream dabei sind!

Wir beschäftigen uns jetzt mit den Novellierungen des Marktordnungsgesetzes 2007, des Landwirtschaftsgesetzes und des AMA-Gesetzes. Wie meine Vorredner ganz richtig gesagt haben, sind das die Gesetze, mit denen die zugrundeliegenden EU-Verord­nun­gen für die nächste Periode bis 2027 national umgesetzt werden. Das heißt, wir reden hier über Gesetze, die die Agrarpolitik bis 2027 ganz nachhaltig, ganz maßgeblich be­stimmen.

Sie haben vorhin gesagt, der erste Meilenstein war der GAP-Strategieplan, den Österreich im Dezember 2021 durch Landwirtschaftsministerin Köstinger abgegeben hat und der nicht ganz so kritiklos angenommen wurde. Ich erinnere nur daran, dass es in den Observation Letters über 250 Anmerkungen und Kritikpunkte gab. (Bundesrat Preineder: Das ist normal!) Und in diesen Gesetzen, die wir hier jetzt beschließen, wurde kein Kritikpunkt berücksichtigt. Keiner! Ich finde – und das gehört gesagt –, das ist einfach alles in allem zutiefst enttäuschend. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Vorgängerin hat es eingebracht, und – bei allem Dank, den Frau Miesenberger aus­gesprochen hat – dann ist sie zurückgetreten, ohne es fertigzumachen. Mit Ihnen hatten wir noch keine Möglichkeit, darüber zu reden, wie wir das jetzt miteinander sinnvoll gestalten und in Ordnung bringen können – weder wenn es um die Verteilungs­gerechtig­keit bei den Agrarfördermitteln geht, nämlich zwischen den Großbetrieben und den Kleinen, noch wenn es um die sozialen Dienste geht, nämlich darum, was Herr Lackner angesprochen hat, um das Sterben der kleinen Höfe und die Abwanderung; auch nicht, wie es denn erreicht werden kann, dass Maßnahmen und Ziele zur CO2-Einsparung berücksichtigt werden oder dass chemisch-synthetische Pestizide eingeschränkt werden; und das ist eine ganz, ganz wesentliche Forderung für diese GAP-Periode.

Völlig ambitionslos, aber wirklich völlig ambitionslos, ist das Tierschutzpaket im Hinblick auf alles, was mit Tierwohl und Tiergesundheit zu tun hat. Es fordert die GAP aber für jede Periode, dass die Geldmittel für Verbesserungen eingesetzt werden, dass es keinen Stillstand geben darf, wenn es um das Tierwohl geht. Unser Tierschutzpaket, Herr Minister, ist eine Mogelpackung: Vollspaltenböden, Kastrieren von Ferkeln ohne Betäu­bung, Tiertransporte von Kälbern – all das ist weiterhin möglich.

Ich möchte von Ihren diversen Interviews aus dem Interview mit der „Kronen Zeitung“ am 21.5. zitieren, in dem Sie sagen: „Das ist der Stand, den wir derzeit haben, und für mich ist er so zur Kenntnis zu nehmen.“ – Jetzt aber nicht wirklich, Herr Minister! Das kann nicht Ihr Anspruch sein, etwas zur Kenntnis zu nehmen und zu sagen: Ist halt so, so gehe ich an meine neue Aufgabe, das nehme ich halt zur Kenntnis!

Sie sagen: „Ich bitte um Verständnis, dass ich mich in erster Linie um meine wirklichen Kernbereiche kümmere.“ – Nein, dafür habe ich kein Verständnis, denn ein Kernbereich der Landwirtschaft ist auch die Tierhaltung. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, Sie sagen auch: „Tierwohl ist immer wichtig, aber Tierwohl ist im Zustän­digkeitsbereich des Herrn Gesundheitsministers.“ – Das stimmt so nicht. Das Bundes­ministeriengesetz regelt Zuständigkeiten, und da sind alle allgemeinen Vorgaben für den Tierschutz drinnen, aber das Tierschutzgesetz hält ganz eindeutig fest, dass in einzelnen Bereichen, Tiergruppen betreffend und Nutztierhaltung betreffend, ein Einvernehmen hinsichtlich der Verordnungen, die erlassen werden, zwischen dem Gesundheitsminister und dem Landwirtschaftsminister herzustellen ist. (Bundesrat Preineder: Na, hoffent­lich!) Der Gesundheitsminister kann keine Verordnung erlassen, mit der Sie nicht


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einverstanden sind. Es ist also sehr wohl in Ihrer Zuständigkeit, dass Sie Verordnungen erlassen können, die eben dem Tierwohl zuträglich sind. Wenn der Gesundheitsminister das ohne Sie macht, dann ist es ein rechtsungültiger Akt. Darin sind wir uns einig. Es ist in Ihrer Verantwortung! Wenn Sie es schon moralisch nicht verantworten wollen, aus Ihrer Verantwortung als Landwirtschaftsminister können Sie da nicht heraus. Sie haben maßgeblichen Einfluss, das können Sie nicht von sich weisen.

Abschließend noch zum AMA-Gesetz: Die Agrarmarkt Austria wird wirklich gut gefördert. Was aber ist denn dieses Gütesiegel wert? – Angesichts der jüngsten Beispiele aus einem Schweinebetrieb sei erlaubt, da einmal genauer hinzuschauen. Sie haben heute in Ihrer Antrittsrede davon gesprochen, dass Sie auf Nachhaltigkeit im Stall ein Augenmerk legen wollen. Wie nachhaltig ist es, wenn Schweine auf Vollspaltenböden mit Eiterbeulen, abgebissenen Schwänzen ohne jede Bewegungsfreiheit gehalten wer­den? Wie nachhaltig ist das? – Und dann bekommt das Fleisch noch das AMA-Güte­siegel!

Sie sagen im „Standard“-Interview von heute, dass das Geld für das Agrarumwelt­pro­gramm wunderbar investiert ist. Die Bekanntheit des AMA-Gütesiegels zeigt, wie gut investiert das Geld für Werbung ist. – Zitatende. So Ihre Worte in diesem Interview.

Die AMA-Werbung kennen wir alle, da heißt es: Ich schaue auf das große Ganze. „Ich schau auf Sorgfalt und Kontrollen.“ – Und genau da hapert es aber. Es gibt viel Geld für diese Werbung, so wie es die ÖVP halt gerne hat: toll verpackt mit Werbung und viel Geld, außen alles toll, außen hui, aber innen sehr oft pfui. Und warum? – Weil es bei den Kontrollen hapert.

Ich weiß nicht, wer sich damit beschäftigt hat, aber der Grundbaustein für die AMA-Kontrolle ist Eigenverantwortung, Selbstevaluierung. Da bewerten sich die bäuerlichen Betriebe mit einer Checkliste selbst. Das ist, wie wenn Schüler ihre Schularbeiten selber verbessern oder Autofahrer ihre Geschwindigkeitsüberschreitungen selbst zur Anzeige bringen – das ist nicht ausreichend.

Verpflichtend von staatlicher Seite ist, dass 2 Prozent der Betriebe pro Jahr kontrolliert werden müssen. Rein rechnerisch heißt das dann, dass jeder Betrieb alle 50 Jahre einmal drankommt. Das kann nicht reichen! Auch die Vorgabe, dass bei auftretenden Problemen die Kontrolle engmaschiger wird, wird nicht erfüllt. Das haben wir gerade im aktuellen Fall gesehen. Der war nämlich als problematisch eingestuft, aber es hat zwei Jahre lang keine Kontrolle von der AMA gegeben.

Ich möchte dann noch Herrn Kollegen Lackner sagen, was schon stimmt: Alles, was mit Bio zu tun hat, ist wirklich gut verhandelt, und wir haben 26 Prozent Biobetriebe. Mein Mann führt einen Kleinstbetrieb, einen Biobetrieb mit unter 5 Hektar. Was die AMA nicht schafft, das schafft die Bio Garantie. Die kommen nämlich jedes Jahr und kontrollieren mehrere Stunden, mehrere Stunden jährlich für einen Pimperlbetrieb – ich sage es jetzt einmal so, wie es ist –, und die schauen ganz genau hin. Und das schafft die AMA mit dem vielen Geld nicht? – Das kann so nicht sein!

Herr Minister, von mir gibt es keine Vorschusslorbeeren. Sie müssen schon durch das, was Sie tun, beweisen, wie gut Sie sind. Es reicht für mich auch nicht, dass Sie ein Bauernsohn sind, dass Sie bis zu Ihrem 18. Lebensjahr am Hof angepackt haben, denn nicht jeder Medizinersohn ist ein toller Arzt, nicht jedes Kind eines Weltmeisters wird ein Weltmeister und nicht jeder Bauernsohn wird der beste Landwirtschaftsminister sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, was ich mir am allermeisten von Ihnen wünsche und von Ihnen fordere, ist: Nehmen Sie Ihre moralische Verantwortung wahr, nicht nur für einen nachhaltigen Ackerbau, sondern für eine Tierzucht, Tierhaltung, Fleischproduktion, die Sie moralisch


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verantworten können! Letztlich werden Sie daran gemessen werden, was durch Ihre Maßnahmen für die Zukunft besser wird, und die Zukunft sind die nachfolgenden Generationen. Daran werden Sie gemessen und daran werden Sie sich selber einmal messen müssen. Man kann also alle Verantwortungen wegreden, aber nicht die mora­lische. Es braucht keine Mogelpackungen, sondern was es braucht, ist ein Mitteleinsatz in diesem Bereich, damit Mensch, Tier, Umwelt und Natur in Zukunft eine Chance haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.)

18.39


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Otto Auer zu Wort gemeldet.


18.40.01

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Frau Kollegin, es gibt schon einige Dinge, die Sie hier nicht ganz richtig dargestellt haben. Es gibt eine Selbstevaluierung (Bundesrat Steiner: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Frau Präsidentin! – Bundesrätin Grimling: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!), aber dreimal im Jahr kommt der Amtstierarzt und kontrolliert den Betrieb und die - - (Bundesrat Steiner: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Er muss es schon ordentlich machen! – Ruf bei der ÖVP: Er ist ja am Wort!)

Die tatsächliche Berichtigung ist, dass die Kontrolle nicht nur die Selbstevaluierung ist (Bundesrat Steiner: Nein, falsch! Falsch! Es geht nicht um den Inhalt! Eine tatsächliche Berichtigung hat Vorgaben! – Ruf bei der ÖVP: Red einfach weiter! Vergiss es!), es wird vom Amtstierarzt kontrolliert. (Bundesrat Steiner: Das gibt es ja nicht! Frau Präsidentin!) Es wird die Gütesiegelkontrolle jährlich durchgeführt, und der Betreuungstierarzt vom Tiergesundheitsdienst kontrolliert drei- bis viermal jährlich. Das ist das Richtige. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Frau Präsidentin! Das gibt es ja nicht! – Bundesrat Raggl: Na sicher stimmt das! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Dann lest einmal die Geschäftsordnung! Da steht das drin! – Ruf bei der ÖVP: Der war ja einmal Präsident! – Bundesrat Steiner: Anscheinend war der Präsident ...! Es gibt ja eine fixfertige Geschäftsordnung! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und ÖVP.)

18.40


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zur Klarstellung: Er muss die Stelle nicht wiederholen. Er kann sie, aber er muss sie nicht wiederholen. Er hat jetzt etwas be­richtigt. Was passt nicht? (Bundesrat Steiner: Da fragt man sich, was tut man da überhaupt! – Ruf bei der ÖVP: Na, das ist ein völliger Blödsinn! Aber ist ja wurscht! Das ist genauso wurscht wie bei den Ordnungsrufen!) Normalerweise wiederholt man zuerst die Stelle, aber man muss es laut Geschäftsordnung nicht tun. Es war also korrekt.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile dieses. (Bundesrat Steiner: Alles wurscht!)


18.41.51

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ich bin heute wirklich sehr erleichtert und freue mich wirklich, dass wir heute im Bundesrat ein so wichtiges Gesetzespaket für die Land­wirtschaft beschließen können. Das heißt, wir geben unseren Bäuerinnen und Bauern in Österreich ein Werkzeug in die Hand – mit einem Rahmen, aber auch mit vielen Chancen und speziell mit viel Gestaltungsspielraum in der Bewirtschaftung ihrer Höfe für die nächste Periode.


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Die Landwirtschaft in Europa ist neben der Regionalpolitik der einzige Wirtschaftsbereich in Europa, der gemeinschaftlich verwaltet und mitgestaltet wird. Ja, auch die Land­wirtschaft in Europa und auch in Österreich muss sich immer wieder auf neue Aufgaben und neue Anforderungen einstellen und sich weiterentwickeln. Den freien Markt, die Vielfalt, die extrem unterschiedlichen Gegebenheiten eines jeden einzelnen Betriebes in Österreich vom Neusiedler See bis zum Bodensee, die verschiedenen Produktions­sparten, die unterschiedlichen Größen der Betriebe, die benachteiligten Regionen, die Almwirtschaft, den Acker, den Wald, das Grünland und vieles, vieles mehr galt es bei den langjährigen Verhandlungen unter einen Hut zu bringen.

Dies war in den letzten Jahren eine große Herausforderung für die Bundesregierung und die Interessenvertretung und für alle, die irgendwie an den vielen Diskussionen und Verhandlungen – ausgehend von Brüssel, herabgebrochen auf die Nationalstaaten, in diesem Fall auf Österreich und natürlich auch auf die Bundesländer – beteiligt waren. Für diesen Einsatz gehört allen ein aufrichtiger Dank ausgesprochen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein wesentliches Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik muss sein, den Bäuerinnen und Bauern ein angemessenes Einkommen sicherzustellen, damit wir – und das ist in Zeiten wie diesen nicht selbstverständlich – den Menschen in Österreich und Europa die Lebensmittelversorgung sicherstellen und gewährleisten können. Das tun wir. Das sehe ich als eine wesentliche Kernaufgabe unserer landwirtschaftlichen Familienbetriebe.

Das gemeinsame europäische Projekt der Agrarpolitik ist das eine. Wir als Mitgliedstaat haben die Aufgabe, für die Landwirtschaft in Österreich die richtigen Weichen zu stellen, damit unsere Bäuerinnen und Bauern ihre Betriebe gut gestalten und weiterentwickeln können. Unserer Bundesregierung und der Interessenvertretung ist eine nachhaltige, nach den Grundsätzen einer ökosozialen Marktwirtschaft wirtschaftende Landwirtschaft immer sehr, sehr wichtig. Speziell mit dem österreichischen Umweltprogramm, mit dem Öpul, sind wir Vorreiter in der Europäischen Union. Es zeigt sich in Zeiten der Klima­veränderung: Genau das ist der richtige Weg. Unser ökosozialer Weg in der Agrarpolitik konnte abgesichert werden und wurde auch als Vorleistung im neuen Programm berücksichtigt.

Ich möchte doch auf den Redebeitrag der Frau Kollegin Kahofer eingehen, was es heißt, ökologisch zu wirtschaften. Dabei möchte ich das Tierwohl ansprechen. Ich glaube, Österreichs Bauern – speziell die Tierhalter sind davon betroffen – haben selber größtes Interesse daran, dass es den Tieren gut geht. Es ist mir klar, es gibt dort und da noch Verbesserungswünsche. Es wäre aber verantwortungslos von uns, wenn wir in die Nachbarländer schauen und darauf, mit welchen Maßnahmen und mit welchen Richt­linien sie dort Tierhaltung betreiben, und wir unsere Bauern in eine Situation bringen, speziell in der Schweinebranche, in der alle aufhören müssen und nicht wettbewerbs­fähig sind. Genau da sind wir wieder bei der Diskussion (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer): Würden alle wirklich regional einkaufen, würden alle bereit sein, den gerechten Preis für dieses Tierwohl zu bezahlen, dann sind die Bauern sehr gerne bereit, dies auch umzusetzen. Das ist leider nicht der Fall. Das wird sich weiterentwickeln, aber nicht in dieser Schnelle, wie Sie es sich wünschen, weil es nicht umsetzbar ist. (Neuer­licher Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.)

Ich möchte auch auf das Thema Einwände der EU-Kommission eingehen und sagen: Diese 200 Einwendungen sind ausgeräumt, das waren alles Kleinigkeiten. Das sind ganz kleine Adaptierungen gewesen, die sind ausgesprochen, die gibt es nicht mehr. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.)

Speziell zum ökologischen Weg der Bundesregierung und dem Weg, den die Salzburger Bauern und Bäuerinnen gehen wollen: In Salzburg wirtschaften 50 Prozent der Betriebe


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biologisch. Österreichweit sind es gut 30 Prozent, das sind 25 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Besonders hervorheben möchte ich, dass über 80 Pro­zent der bäuerlichen Betriebe in Österreich an einer Maßnahme des Umweltprogrammes teilnehmen. Das, glaube ich, ist EU-weit und weltweit einzigartig. Die Teilnahme am Umweltprogramm ist freiwillig. Die Anforderungen steigen, insofern ist es gerechtfertigt, dass das Budget für das Umweltprogramm um 25 Prozent erhöht wurde.

Worauf ich wirklich besonders stolz bin, ist Folgendes: Die Landwirtschaft bei uns in Österreich ist die jüngste in Europa. Das ist auch nicht selbstverständlich, geschätzte Damen und Herren. Deshalb ist es auch wichtig und richtig, dass die Hofübernehmer und -übernehmerinnen aus der ersten Säule besonders unterstützt werden. Nach Hofübernahmen gibt es auch für jeden Betrieb neue Ideen. Es gibt immer etwas zu verändern, es stehen Investitionen an, die wichtig sind. Auch bei diesen werden Jungübernehmer und Jungübernehmerinnen durch Zuschläge besser unterstützt.

Die Ausgleichszulage ist ein ganz wesentlicher Punkt, seit wir EU-Mitglied sind, sie ist ein ganz wesentlicher und wichtiger Bestandteil der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die Bergbauern, speziell die Betriebe in den Zonen 3 und 4, erwirtschaften aus ihren Betrieben das geringste Einkommen innerhalb der Landwirtschaft, haben hohe Produktionskosten und leisten durch die Bewirtschaftung ihrer Betriebe Unverzichtbares für die Gesellschaft. Hier wurde auch erhöht, und das ist ganz wesentlich, um die Landwirtschaft in den benachteiligten Gebieten abzusichern.

Was wäre Österreich ohne die Almwirtschaft? – Auch die Almwirtschaft findet in der neuen GAP ihren Platz. Der Auftrieb der Milchkühe, der für die Almbauern besonders aufwendig ist, und die Behirtung ihrer Tiere, die auch sehr aufwendig ist, verursachen Kosten, die aus dem Almbetrieb nicht erwirtschaftbar wären. Deshalb werden diese Milchkühe und die Behirtung auch in Zukunft stärker unterstützt.

Der Herr Bundesminister hat es schon gesagt: 1,8 Milliarden Euro stehen für die österreichische Landwirtschaft zur Verfügung. Das ist von der EU gut investiertes Geld. Wir wissen, das ist auch Steuergeld von den Mitgliedstaaten und von den Bundeslän­dern. Die Gegenleistung der Bäuerinnen und Bauern ist etwas – und das ist der Punkt –, was allen Menschen in unserem schönen Land, in unserer Heimat zugutekommt.

Vielen, vielen Dank Herr Bundesminister! Du warst ja als österreichischer Bauern­bund­direktor und jetzt als Bundesminister federführend an der Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik beteiligt. Lieber Herr Bundesminister, lieber Norbert! Ich wünsche dir natür­lich auch in Ausübung deines hohen Amtes starke Nerven, eine gute Ausdauer und eine gute Hand. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

18.51 18.51.21


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir begrüßen den neu hinzugekom­menen Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege- und Konsumentenschutz Jo­hannes Rauch. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. Ich nehme von meinem Stimmrecht auch Gebrauch. (Bundesrat Hübner: Das ist die Minderheit!) – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 172

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Ernährungssouveränität: Flächen für die Produk­tion freigeben“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. Ich nehme wiederum von meinem Stimmrecht Gebrauch. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständ­lichen Entschließung ist somit abgelehnt.

18.52.5413. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und das Bundesgesetz betreffend die bundesweite Ge­samt­statistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) geändert wer­den (2490/A und 1480 d.B. sowie 10977/BR d.B.)


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um den Bericht.


18.53.22

Berichterstatter Andreas Lackner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Grundsätze für die Sozialhilfe und das Bundesgesetz betreffend die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 2022 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. Ich erteile dieses.


18.54.14

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und alle, die noch vor den Bildschirmen zu Hause sitzen und den Bundesrat verfolgen! Ich habe einen Vorschlag für die nächste Bundesratssitzung, mir ist ein lustiges Trinkspiel eingefallen: Schauen Sie sich die nächste Sitzung an und jedes Mal, wenn ein ÖVP-Bundesrat hier ein Danke an ein Regierungsmitglied sagt, dann trinken Sie ein Stamperl! Machen Sie sich am Nachmittag aber keine Termine aus, denn es wird sehr viel Trinkfestigkeit notwendig sein. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Da hast du um 14 Uhr schon einen Vollrausch!)

Ernsthaft, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Regierung wird es überleben, wenn man nicht jeden zweiten Satz mit danke beginnt. Das ist wirklich ein bisschen übertrieben.

Herr Minister, vielleicht zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz: Ich habe Ihnen bei Ihrem Antrittsbesuch ja versprochen, dass ich versuche, konstruktiv auf Ihre Vorschläge und auch darauf, was Sie machen, einzugehen und auch differenziert damit umzugehen.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 173

Deswegen kann ich auch sagen, dass in diesem Gesetz durchaus Dinge enthalten sind, die wir als Sozialdemokratie unterstützen. Dass das Pflegegeld zukünftig bei den pflegenden Angehörigen nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird, ist eine positive Sache. Das kann man so sagen, das muss man auch so sagen, das ist eine Verbes­serung.

Das Problem, das wir generell mit diesem Gesetz haben, ist ein einfaches. Ich habe sieben Jahre lang Fußball gespielt, und dann weiß man, dass es, wenn man 10 : 0 hinten nach ist, nicht hilft, wenn man drei Tore schießt, denn das reicht nicht aus, damit zu gewinnen.

Ähnlich ist es bei der Sozialhilfe auch. Mit diesem Gesetz werden den Ländern ganz viele Kannbestimmungen vorgeschrieben. Das heißt, die Länder können etwas machen, sie müssen es aber nicht. Das ist gerade im Bereich der Sozialhilfe eine durchaus bedauerliche Sache. (Bundesrat Preineder: Das ist Subsidiarität!) – Von der Seite ist die Subsidiarität gekommen. Ja, aber wenn Sie sich die Ausführungsgesetzgebung in der Bundesverfassung genau anschauen, dann wissen Sie natürlich auch, dass man bei einer Grundsatzgesetzgebung schon auch verpflichten kann und die Länder das dann binnen eines Zeitraumes umsetzen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Der Doskozil sieht das anders!)

Da muss man nicht mit Kannbestimmungen arbeiten, und das ist ein Grundverständnis der Bundesverfassung, das ich eigentlich bei einem Bundesrat voraussetzen kann. Das will ich Ihnen auch sagen, Herr Kollege. (Bundesrat Himmer: Aber die eigene Meinung kann man nicht voraussetzen! Die darf man sich schon selber bilden!) – Die eigene Meinung darf er sich natürlich selbst bilden. (Bundesrat Himmer: Die eigene Meinung! Und da hat er eine andere!) Er hat nur gemeint, es liegt im Grundsatz der Subsidiarität, dass man das nicht machen kann. Das ist falsch, das ist rechtlich schlicht falsch. (Bundesrat Himmer: Aber den kann man verwenden oder auch nicht, den Grundsatz!) – Den Grundsatz kann man gut finden oder auch nicht. Im Rahmen der Europäischen Union ist es relativ wurscht, ob Sie ihn gut finden oder nicht, denn da gilt er. In dem Fall geht es aber um Ausführungsgesetzgebung, und da kann der Minister sehr wohl auch ein Gesetz vorschlagen, und das Parlament kann auch ein Gesetz beschließen, das Länder zu etwas verpflichtet. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.) Das wurde in dem Zusammenhang jetzt nicht gemacht, was bedauerlich ist.

Weiters ist es bedauerlich, dass es eine vertane Chance ist, weil es so viele Punkte gibt, die im Argen liegen. Was meine ich damit? – Wer vor einem Jahr Probleme hatte, mit dem auszukommen, was er verdient, wer wirklich finanzielle Sorgen hatte, hat heute noch mehr Probleme, weil alles im Schnitt um 8 Prozent teurer ist. Wenn er sich Butter leisten will, dann ist sie um 26 Prozent teurer geworden, genauso beim Salat oder beim Faschierten. Die Menschen haben Probleme damit, über die Runden zu kommen. Das ist nicht nur eine Sache, die dahingesagt ist, deren muss man sich auch annehmen.

Was wir von der Regierung immer wieder hören – das habe ich heute auch schon wieder gehört –, ist, dass das Geld nicht da ist. Das ist schlicht unwahr! Das Geld ist natürlich da. Der Finanzminister wird – das habe ich schon gesagt – 11 Milliarden Euro zur Verfügung haben, 11 Milliarden Euro, die man verteilen kann. Das heißt, hier könnte man sehr wohl etwas machen.

Sie haben jetzt eine Pflegereform auf den Weg gebracht. Wir müssen jetzt einmal ab­warten, was schlussendlich von dieser Pflegereform konkret überbleibt. In der Pflege­reform sind aber Punkte enthalten, die man durchaus auch unterstützen kann. Wir wollen schauen, wie ernst Sie es meinen.

Ich bringe deswegen folgenden Antrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 174

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vorge­zogene Anpassung des Pflegegeldes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege- und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat eine Regierungsvorlage für eine vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes mit 1. Juli 2022 in Höhe von zumindest 5 Prozent zur Beschlussfassung zu übermitteln.“

*****

Das würden wir uns wünschen. Es ist ein bisschen ein Lackmustest für die Regie­rungsparteien, wie sie zu so einem Entschließungsantrag stehen. Denn auf der einen Seite zu sagen, man nimmt die Inflation ernst und versucht, sich um Menschen zu kümmern, auf der anderen Seite so einem Vorschlag dann nicht zuzustimmen, ist ein bisschen heuchlerisch. Das muss man auch so sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, zu guter Letzt noch ein Vorschlag: Wenn Sie wirklich bei der Sozialhilfe etwas voranbringen, werden Sie die Stimmen der SPÖ für weitergehende Maßnahmen haben, wenn diese wirklich konsistent und umfassend sind. Und falls Sie nicht wissen, wo Sie das Geld hernehmen: Wie gesagt, fahren Sie ins Finanzministerium, nehmen Sie Kollegen Brunner bei den Füßen und schütteln Sie ihn ordentlich, bis die Goldmünzen herausfliegen! Dort ist viel zu holen. 11 Milliarden Euro liegen dort, die gehören den Österreicherinnen und Österreichern, und es ist Ihre Aufgabe, dass es die Richtigen sind, die das bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.59


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der von den Bundesräten Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „vor­gezogene Anpassung des Pflegegeldes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.


18.59.46

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! 1 529 000, so viele Menschen erfasste die Statistik Austria im Jahr 2020 als armuts- beziehungsweise ausgrenzungsgefährdet. 1 529 000 Men­schen – Frauen, Männern und Kindern – ist es nicht möglich, unerwartete Ausgaben zu tätigen, die Miete pünktlich zu bezahlen oder die Wohnung angemessen warm zu halten. 1 529 000 Menschen, das entspricht 17,5 Prozent der Gesamtbevölkerung Österreichs.

Österreich ist ein Sozialstaat, in dem versucht wird, durch Umverteilung soziale Sicher­heit für die in unserem Land lebenden Menschen zu erreichen. Ein Teil dieses sozialen Netzes war lange Zeit die Mindestsicherung, die versuchte, das Lebensnotwendigste abzusichern. An ihre Stelle ist 2019 die Sozialhilfe getreten, geregelt im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, einem Rahmengesetz, das durch Höchstgrenzen restriktive Vorgaben in den Bereichen macht, in denen es darum geht, in sozialen Notlagen zu unterstützen und Armut zu verhindern.

So heißt es dazu im oberösterreichischen Sozialhilfe-Ausführungsgesetz:


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 175

„Aufgabe der Sozialhilfe ist die Ermöglichung und Sicherstellung eines menschen­wür­digen Lebens sowie die damit verbundene dauerhafte Einbeziehung in die Gesellschaft für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.“

In der Praxis aber bedeutete die Sozialhilfe für viele Bezieherinnen und Bezieher eine Kürzung des Leistungsbezuges, weil sie beispielsweise Pflegegeld von einem Ange­hörigen erhielten, den sie pflegten, oder weil sie zwangsweise in einer Haushalts­ge­meinschaft lebten, die sie sich eben nicht aussuchen konnten.

Noch 2019 waren infolge der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erste Nach­besserungen zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz notwendig geworden. Heute führen wir mit dem Beschluss der Novelle eine weitere, dringend notwendige Reparatur durch, indem wir den Gestaltungsspielraum für die Bundesländer vergrößern und klar festlegen, dass Leistungen des Bundes zur Deckung krisenbedingter Sonder- und Mehrbedarfe nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden. Als Nächste sind dann die Länder gefordert, ihre Ausführungsgesetze anzupassen und die neu geschaffenen Handlungs­möglichkeiten auch tatsächlich zu nutzen.

Das Oberösterreichische Sozialhilfe-Ausführungsgesetz beispielsweise schließt im Bundesländervergleich viele Personen vom Bezug der Sozialhilfe aus beziehungsweise mindert ihre Leistungsansprüche. Eine Person mit Pflegebedarf kann in Oberösterreich gleichzeitig Leistung aus Sozialhilfe und Pflegegeld beziehen, ohne dass es zu Leis­tungskürzungen kommt. Wird das Pflegegeld jedoch an pflegende Angehörige weiter­gegeben, weil diese die notwendige Pflegeleistung erbringen, dann bedeutet das für die Angehörigen, sofern diese Sozialhilfe beziehen, dass ihr Bezug der Sozialhilfe um die Summe des Pflegegeldes gekürzt wird.

Ähnlich verhält es sich in Oberösterreich mit der Anrechnung der Wohnbeihilfe auf die Sozialhilfe. Auch da nutzt Oberösterreich nämlich nicht den bereits bestehenden bun­desgesetzlichen Spielraum, sondern hat klar die Anrechnung der Wohnbeihilfe im Ausführungsgesetz festgelegt. Während also die eine Stelle des Landes Unterstützung für Wohnbedarf in Form von Wohnbeihilfe gewährt, kürzt die andere Stelle die Leistung der Sozialhilfe genau um jenen Betrag – ein Nullsummenspiel für Armutsbetroffene und jede Menge Verwaltungsaufwand.

Daher sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Schluss mit dem gegen­seitigen Aufrechnen. Die auf Bundesebene begonnenen Reparaturschritte in der Sozialhilfe müssen sich auch in den Ländern fortsetzen, und mit dem gegenseitigen Aufrechnen von Unterstützungsleistungen für Armutsbetroffene muss aufgehört werden, um nämlich tatsächlich eine Chance für ein menschenwürdiges Leben und ein Überwinden der sozialen Notlage zu ermöglichen.

1 529 000 Personen sind in Österreich armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Nur ein Bruchteil von ihnen – 2020 waren es 260 114 Personen – ist auf Sicherung durch die Sozialhilfe angewiesen. Für sie sind die heutigen Sanierungsschritte im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz existenzsichernd. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.04


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile dieses.


19.05.04

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ja, es ist notwendig, da eine Debatte zu führen – die Vorredner haben schon einiges angesprochen –, gerade in diesen schwierigen Zeiten, in denen wir jetzt leben.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 176

Immer mehr Menschen haben Schwierigkeiten, mit dem Geld, das sie monatlich zur Verfügung haben, das Auslangen zu finden. Anstatt bei Teuerungen, Inflation, Arbeits­losigkeit und einer weitgehenden Verarmung der Bevölkerung endlich die Stopptaste zu drücken, erleichtert man mit diesem Gesetz den generellen Zugang zur Sozialhilfe.

Geschätzte Damen und Herren, wir sollten nach sozialer Gerechtigkeit trachten. In den letzten zehn Jahren gab es immer wieder sehr heiße Diskussionen zu diesem Thema, sie wurden auch immer sehr emotional geführt. Wenn man sich das anschaut, sieht man, dass es in Österreich unter sozialdemokratischer Führung circa 120 000 Menschen gab, die diese Unterstützung benötigt haben, und in den letzten paar Jahren sind zwischen 250 000 bis 350 000 Personen in der Mindestsicherung beziehungsweise Sozialhilfe.

Was hat sich verändert und warum ist das so ein Thema? – Mittlerweile sind circa 40 Prozent derer, die diese Leistung beziehen, österreichischen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, die Mehrheit, circa 60 Prozent, sind keine österreichischen Staats­bürger. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Gerade in diesen Zeiten, in denen arbeitende Menschen jeden Tag in Österreich ganz schwer kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen, ist es wichtig, jenen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können, die sozial bedürftig sind.

Die FPÖ hat damals gemeinsam mit der ÖVP, als sie noch vernünftige Politik gemacht hat, versucht, die soziale Gerechtigkeit wieder zu verstärken. Die ÖVP ist nun mit den Grünen in der Regierung, dreht das wieder um und geht in Richtung Öffnung; und das ist nicht soziale Gerechtigkeit. (Beifall bei der FPÖ.) Geschätzte Damen und Herren, wie gesagt, wir sollten jenen Österreichern helfen, die diese Hilfe brauchen, die sich nicht selbst helfen können, speziell Kindern.

Es ist aber auch durchaus Positives erkennbar: einerseits, dass die Aufstockung des 13. und 14. Monatsgehalts angerechnet wird, und andererseits die Verbesserung im Bereich der Menschen mit Beeinträchtigung. Wir, die FPÖ, haben immer darauf geschaut, dass in Einrichtungen für Beeinträchtigte jede Person als eigene Wohneinheit zählt und das nicht zusammengeführt wird. Offensichtlich ist das in einer Übertragung bei Wohn­gemeinschaften anders als bei sogenannten klassischen Heimen bewertet worden. Das wird jetzt korrigiert, angepasst, und das ist ein wichtiger und notwendiger Schritt.

Sie haben uns Freiheitliche als Unterstützer, wenn dieser Bereich sogar noch einmal verstärkt werden soll, aber wir wollen soziale Treffsicherheit. Wir wollen wirklich denen helfen, die sich nicht selbst helfen können, das ist soziale Gerechtigkeit. Wir stehen auf der Seite der Bevölkerung.

Insgesamt, muss man leider sagen, ist das, was jetzt von Österreichischen Volkspartei gemacht wird, ein Rückschritt. Vor allem die Öffnung der Sozialhilfe für weitere Zuwan­derungsgruppen ist zu hinterfragen. Deutschvoraussetzungen und andere Integrations­maßnahmen spielen da keine Rolle mehr, daher gibt es keine Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

19.08


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile dieses.


19.08.28

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Öster-reich: Österreich ist reich, nicht nur im monetären Bereich, sondern vor allem an großartigen Frauen und Männern, reich an Kultur, reich an Innovation, Inspiration, Gestaltungswillen. Der Begriff „reich“ wird in Banken oder von manchen Zeitgenossen auch in der Kampfrhetorik eigentlich sehr oft


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 177

zweckentfremdet, nämlich mit Ausbeutung, mit Macht, mit Ruhm und mit Gier in Zusam­menhang gebracht, was nichts anderes als Neid und Hass herbeiführt.

Die katholische Soziallehre hat in ihren Grundprinzipien neben Gemeinwohl, Perso­nalität und Solidarität diesen den Begriff Subsidiarität gegenübergestellt – Hilfe, die den Schwächeren in unserer Gesellschaft zugutekommen soll. Die Bundesregierung hat es sich auch bei dieser Gesetzesänderung nicht leicht gemacht – der Herr Bundesminister hat sich da ganz besonders eingesetzt.

Es wurde ja mit allen in den Ländern verantwortlichen Soziallandesrätinnen und Sozial­landesräten ausgiebig diskutiert, beraten und es wurden gemeinsame, zukunftsorien­tierte Entscheidungen für die Wichtigsten, nämlich für die Schwächeren, getroffen.

Wir, die Österreichische Volkspartei, haben es ja in unserer DNA, Entscheidungen so nah wie möglich an und mit den Bürgerinnen und Bürgern zu treffen. Im Sinne der Subsidiarität sind sowohl der Bund als auch die Länder zuständig. In Österreich leben wir dieses Prinzip seit jeher, deshalb haben wir auch im Sozialbereich unterschiedliche, nämlich insgesamt neun Landesgesetze. Seit Juni 2019 gibt es das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das den Bundesländern einen Rahmen für ihre Sozialhilfen vorgibt. Der Bund legt den Rahmen fest, gestaltet somit das Spielfeld, aber über die genaue Spielaufstellung entscheiden die Länder  und das ist gut so, gerade für unsere Kammer, gerade für uns im Bundesrat.

Mit dieser Änderung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes optimieren wir diesen Rahmen. Es ist ein wichtiger Schritt, denn für die Bundesländer bedeutet es ja mehr Handlungs­spielraum. Es wird der Spielraum für die Länder erweitert, somit wird Österreich wieder einen Schritt flexibler, zeitgemäßer, gerade dort, wo Menschen eben Hilfe und nicht Hohn brauchen. Wir in der Volkspartei wissen, wo den Menschen der Schuh drückt. Wir tragen in sechs Bundesländern Regierungshauptverantwortung (Zwischenruf der Bun­desrätin Grimling) und stellen in den 2 093 österreichischen Gemeinden 70 Prozent der gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Das tut natürlich den Mitbewerbern nicht besonders gut und sie hören es auch nicht gerne, darum sage ich es auch hier.

Aufgaben ohne Kompetenzen und Verantwortung sind zahnlos, daher ist die Kom­petenzzuteilung nicht nur eine Ergänzung, sondern ein wesentlicher Bestandteil für jede gesetzliche Verantwortung. In dieser heutigen Änderung des Sozialhilfe-Grundsatz­gesetzes geht es darum, dem Gesetz Härte zu nehmen und dringend notwendige Ver­besserungen umzusetzen.

Die Härtefallregelung bietet die Möglichkeit, im Einzelfall abzuschätzen und abzuwägen, ob und in welcher Höhe Hilfe gewährt werden kann. Es werden auch Lockerungen bei der Einkommensanrechnung vorgenommen, Pflegegeld und Sonderzahlungen werden nicht mehr berücksichtigt  das wurde bereits gesagt. Das alles bewirkt eben spürbare Verbesserungen. Es geht darum, Menschen in betreuten Wohnformen zu versorgen und mit Mindestsicherung zu unterstützen. Für diese ist nämlich die Sozialhilfe wieder in der vollen Höhe möglich.

Auch sehr positiv zu bemerken ist, dass die Länder die Möglichkeit haben, Wohnein­rich­tungen beziehungsweise betreute Wohneinheiten nicht mehr als Haushaltsgemein­schaf­ten anzusehen, um deren Bewohnerinnen und Bewohner somit den Richtsatz für Allein­stehende gewähren zu können. Das hilft vor allem vielen, vielen Behinderten.

Zum Schluss noch einige Zahlen zur Verdeutlichung: Im Jahre 2020 bezogen durch­schnittlich 207 000 Personen Sozialhilfe. Das sind 2,3 Prozent der Bevölkerung. Die durchschnittliche Dauer lag bei neun Monaten, die durchschnittliche Höhe der Sozialhilfe lag monatlich bei 699 Euro. Österreich hat eine reiche, jahrzehntelange, erfolgreiche sozialpolitische Vergangenheit – Stichwort Sozialpartnerschaft, sie hat Wesentliches


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dazu beigetragen –, immer mit dem Fokus darauf, den Schwächeren zu helfen und sie zu unterstützen, aber nicht jene, die es sich aus der Hängematte heraus richten möch­ten.

Wir werden als Volkspartei weiterhin Subsidiarität leben, unser Ohr bei den Bürgerinnen und Bürgern haben und ihre Anliegen, Sorgen und Nöte so wie bisher behandeln. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling.) Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei der ÖVP.)

19.14


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Zu einer Stellungnahme zu Wort ge­meldet hat sich Herr Bundesminister Rauch. – Bitte sehr.


19.14.38

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Die einzelnen Punkte der Änderung des Gesetzes sind jetzt, glaube ich, hinreichend dar­gelegt worden.

Vielleicht noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen: Natürlich ist das auch ein Wunsch der Bundesländer gewesen, diese Verbesserungen im Gesetz zustande zu bekommen, weil sich einfach aus der Praxis heraus in den Bezirkshauptmannschaften, im Vollzug gezeigt hat, dass es notwendig ist, beispielsweise diese Härtefallklausel zu haben, denn sie ermöglicht, im Einzelfall abzuwägen, dort zu helfen, wo es besonders notwendig ist. Das ist eine deutliche Verbesserung, es schließt eine Lücke im sozialen Netz und war dringend notwendig.

Die Grundsatzgesetzgebung, die damals im Grundsatzgesetz gemacht worden ist, war 10 : 0. Diese zehn Tore oder Eigentore habe nicht ich geschossen, das sage ich gleich dazu. Natürlich würde die Änderung viel weitreichender ausfallen müssen (Bundesrätin Grimling: Genau!), keine Frage, das ist ja vollkommen klar in diesen Zeiten der Teuerung, in denen Menschen auf Unterstützung angewiesen sind, die bisher bei sozialen Einrichtungen nicht vorstellig geworden sind.

Ich habe eine Umfrage in den Ländern gemacht, und es ist jetzt so, dass dort mittlerweile Personen aus der Mittelschicht auch aufschlagen, weil sie es sich nicht mehr leisten können, Miete zu bezahlen, Stromkosten zu bezahlen und Ähnliches mehr. Das heißt, es ist sehr wohl auch so, dass die sozialen Notlagen, vorübergehende oder dauerhafte, dort ankommen, wo sie bisher nicht da waren. Das heißt im Klartext, es wird notwendig sein, Stichwort Teuerung, deutlich nachzuschärfen, Sozialleistungen zu valorisieren, die Beträge anzuheben und einfach eine Lebensgrundlage oder eine Mindestausstattung zu bieten, die es den Menschen ermöglicht, ein menschenwürdiges Leben zu fristen.

Es gibt ein zweites Thema, auch das ist mittlerweile angekommen: Pensionistinnen und Pensionisten, die ihr Leben lang gearbeitet haben, die kleine Pensionen haben, stehen jetzt im Alter vor der Situation, nicht mehr von ihrer Pension leben zu können, weil – und das ist Faktum – die Mieten in abenteuerliche Höhen gestiegen sind und auch Strom­kosten, Lebenserhaltungskosten deutlich gestiegen sind. Das heißt, Pensionistinnen und Pensionisten ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen ist ein Gebot der Stunde. Sie können sich sicher sein, es wird ein Antiteuerungspaket 3 geben. Wir arbeiten daran, und da wird genau für diese Personengruppe auch massiv etwas dabei sein. (Bundesrat Schennach: ... Hängematte!)

Herr Kollege Schennach, ich bin Sozialminister, mein Job ist es, in dieser Bundes­regierung dafür zu kämpfen, dass diese Menschen nicht vergessen werden. Ich tue das, genau deshalb ist dieses Gesetz zustande gekommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.) Es ist nämlich nicht im Regierungsprogramm gestanden, und es ist mir zu verdanken, das kann ich Ihnen sagen, und ich habe auf


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 179

Biegen und Brechen darum gekämpft, dass zumindest diese Verbesserungen zustande kommen. Sie können mir glauben, wenn ich mir etwas umzusetzen auf die Fahnen geheftet habe, dann tue ich das. Ich habe von Anfang an gesagt, ich will nicht nur Gesundheitsminister, sondern auch Sozialminister sein. Das ist ein Teil der Einlösung dieses Versprechens, und ich werde da fortsetzen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.18 19.18.28


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. Ich mache wiederum von meinem Stimmrecht Gebrauch. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundes­rätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

19.19.40 14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird (2488/A und 1481 d.B. sowie 10961/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (2489/A und 1482 d.B. sowie 10962/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­siche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbediens­te­tengesetz 1948 geändert werden (2491/A und 1483 d.B. sowie 10963/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz und das Sani­tätergesetz geändert werden (2492/A und 1484 d.B. sowie 10964/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 180

Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 14 bis 17, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu den Punkten 14 bis 17 ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um die Berichte.


19.20.46

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

Auch bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemie­gesetz 1950 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Auch bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.

Zu Punkt 17 bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesund­heits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz und das Sanitätergesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 31. Mai 2022 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile dieses.



BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 181

19.22.41

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich könnte es kurz und mir leicht machen und sagen, die SPÖ-Fraktion stimmt allen vier Punkten nicht zu, und die Sache wäre erledigt. Ich möchte jedoch ein bisschen in die Tiefe gehen.

Alle vier Gesetzesvorlagen enden mit Ende dieses Monats, mit 30.6.2022, anscheinend überraschend. Wenn man das Tohuwabohu im Nationalrat betrachtet, sieht man, dass es nicht einmal gelungen ist, bei den ersten zwei Bundesgesetzesvorlagen den richtigen Ausschuss einzuberufen, sodass es im Sozialausschuss statt im Gesundheitsausschuss behandelt wurde. Des Weiteren wurde anscheinend die Beschlussfassung im Bundesrat nicht miteinberechnet, man hat unter bestimmten Eventualitäten Angst, in zwei Wochen ein Gesetz nicht auf die Reihe zu bringen – anders kann ich mir den heutigen Zitterartikel in der „Presse“ nicht erklären.

Was uns schon verwundert hat, ist, dass bei den neuen Fristen – nachdem alle vier Ge­setzesvorlagen mit 30.6.2022 enden – jetzt drei verschiedene Daten auftauchen, einmal der 30.6.2023, einmal der 31.12.2022 und einmal der 31.12.2023, bei denen es eigent­lich immer um die gleichen Sachen geht. Warum da verschiedene Fristen zur Geltung kommen, haben wir auch im Ausschuss zu klären versucht, aber selbst die fachkundigen Beamten konnten kein Licht ins Dunkel bringen, daher erscheint uns das Ganze ein bisschen nebulos.

Außerdem wird hier so nebenbei für Drittstaatsangehörige im Gesundheits- und Kran­kenpflegegesetz eine Regelung geschaffen, mit welcher diese Personengruppe um eine Stufe unter ihrer Qualifikation bewertet wird. Das stellt aus unserer Sicht ein Lohn­dumping dar, und wir setzen uns immer dafür ein, dass es für die gleiche Leistung die gleiche Entlohnung geben soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir schon bei der gleichen Entlohnung für die gleiche Leistung sind: Dies war eigentlich das Thema und das Credo beim Umbau der österreichischen Kranken­ver­sicherungen. Herr Bundesminister, tatsächlich haben wir heute keine Leistungs­harmo­nisierung bei den Krankenkassen, sondern eine Dreiklassenmedizin. Wenn wir schauen, was da passiert ist: Eigentlich wird die Dreiklassenmedizin von Schwarz-Blau (Bundesrat Spanring: Na, na!) jetzt unter Grün-Schwarz weitergeführt und einzemen­tiert, die Leistungen zwischen der ÖGK, der SVS und der BVAEB unterscheiden sich immer noch signifikant und werden sich auch weiter auseinanderentwickeln. (Bundesrat Spanring: ... habt das die letzten 20 Jahre nicht ..., Freund der Berge!)

Anzuführen ist, dass es bei der BVAEB im Vergleich zu den anderen Versicherungs­trägern eine Reihe von besseren Leistungen gibt, beispielsweise die Sonderklasse­ge­bühren, Zahnimplantate, Zahnspangen, Psycho- und Physiotherapie und vieles mehr. Die BVAEB kann sich das leisten, weil sie höhere Beitragseinnahmen und eine exzel­lente Risikostruktur hat. Man ist nicht belastet mit Arbeitslosen, Notstands­hilfebe­zieherInnen, MindestsicherungsbezieherInnen, AsylwerberInnen, denn diese sind alle bei der ÖGK untergebracht. (Bundesrat Steiner: Darf man nicht so viele hineinlassen!)

Das Argument, dass die BVAEB finanziell besser dasteht, weil die Versicherten Selbst­behalte zu zahlen haben, geht bei der Gesamtbedeckung ins Leere, denn der Selbst­behalt bei der BVAEB ist lediglich ein zusätzliches, aber nicht entscheidendes Finan­zierungsinstrument.

Daher möchte ich im Zuge dieser Debatte folgenden Entschließungsantrag einbringen:


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 182

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bessere Gesund­heitsversorgung für unsere Bevölkerung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert,

1. die Voraussetzungen für eine Harmonisierung der Leistungen, orientiert am höchsten Leistungsniveau, über alle Krankenversicherungsträger hinweg und für alle Versicherten in Österreich sofort zu schaffen,

2. dem Nationalrat halbjährlich über die Fortschritte der Harmonisierung zu berichten,

3. einen Risikostrukturausgleich über alle Krankenversicherungsträger umgehend einzu­führen, sowie die

4. versprochene Patientenmilliarde (je“ 2 „Millionen Euro für fünf Jahre) auszuschütten, um damit auch einen Leistungsausbau zu ermöglichen“

*****

Wir hoffen, dass dieser Antrag die Mehrheit findet. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.27


Präsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Der Entschließungsantrag wurde so schnell vorgelesen. Haben Sie jetzt „je 2 Millionen Euro“ oder „je 200 Millionen Euro“ gesagt? Ich habe beim 4. Punkt „2 Millionen“ verstanden. (Ruf bei der SPÖ: 200 Millio­nen!) – 200 Millionen, okay.

Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Ent­schließungsantrag betreffend „bessere Gesundheitsversorgung für unsere Bevölkerung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. Ich erteile dieses.


19.28.35

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher! Tatsächlich schon am 25. Februar 2020, also vor mehr als zwei Jahren, wurden die ersten beiden Coronavirusinfektionen in Österreich registriert. Am 11. März 2020 wurde dann die weltweite Ausbreitung der Erkrankung von der WHO zur Pandemie erklärt.

Seitdem erkrankten in Österreich tatsächlich schon 4 293 027 Personen, von denen bedauerlicherweise fast 20 000 Menschen verstorben sind. In diesen nun mehr als zwei Jahren haben wir unglaublich viel dazugelernt, was eine Pandemie für einen Staat, für uns alle bedeutet. Wir haben gelernt, dass trotz sinkender Infektionszahlen die Pandemie noch nicht endemisch ist und wir daher weiter achtsam sein müssen. Wir haben auch gelernt, dass es wichtig ist, für zukünftige Infektionsereignisse gerüstet zu sein, insbesondere dann, wenn schneller Handlungsbedarf gegeben ist. Wir sehen aber auch, dass einige Maßnahmen, die ursprünglich in Bezug auf die Eindämmung der Pandemie gesetzt wurden, durchaus auch für Nichtpandemiezeiten sinnvoll sind.


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In Abwägung dieser Umstände gilt es heute, einige im Zuge der Pandemie entstandene gesetzliche Regelungen in die Verlängerung zu führen, eine Verlängerung mit durchaus verschiedenen, angepassten Ablaufdaten. Ich möchte die heutigen Beschlüsse hier nun kurz darstellen. (Vizepräsident Novak übernimmt den Vorsitz.)

Die Änderung im Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten berechtigt die Landesgesetzgebung für den Fall einer Pandemie oder sonstigen Krisensituation, vorzu­sehen, „dass durch Verordnung der Landesregierung Ausnahmen von bestimmten Anforderungen [...] ergangenen Ausführungsbestimmungen zulässig sind, wenn und solange dies auf Grund der besonderen Situation erforderlich ist und der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen gewahrt bleibt.“

Diese grundsatzgesetzliche Ermächtigung ist derzeit bis zum 30. Juni 2022 befristet und wird aufgrund der immer noch fortbestehenden Pandemie und den Notwendigkeiten der Praxis nun bis zum 30. Juni 2023 verlängert. Die Verlängerung im Epidemiegesetz geht insbesondere auf den Umstand ein, dass die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre gezeigt haben, dass niedrigere Temperaturen die Verbreitung von Sars-Cov-2 begüns­tigen, sodass jene Regelungen des Epidemiegesetzes, die mit 30. Juni 2022 auslaufen würden und sich bei der bisherigen Bewältigung der Covid-19-Pandemie bewährt haben, über den nächsten Winter hinaus, nämlich bis zum 30. Juni 2023, verlängert werden sollen.

Auch wird die Freistellung in Zusammenhang mit einem Covid-19-Risikoattest bis zum 31.12.2022 verlängert, sofern dieses aufgrund der epidemiologischen Gesamtsituation erforderlich ist. Wir haben zwar am Dienstag im Ausschuss auf Nachfrage die Infor­mation erhalten, dass die Zahl der Menschen in der Personengruppe, die dieses Risiko­attest braucht, aufgrund der Impfmöglichkeit erheblich gesunken ist, aber umso wichtiger ist es für jene Personen, dieses Attest zu bekommen, für die nach wie vor das Risiko besteht.

Wesentlich ist auch – und da geht es um die Vereinfachung von Nostrifikationen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz –: Künftig sollen diplomierte Fachkräfte aus dem Ausland, also nicht aus der EU und dem EWR-Raum, während des Nostrifikations­verfahrens arbeiten dürfen, und zwar eine Stufe unter den Qualifikationen, die sie in ihrem Heimatstaat erworben haben, aber immerhin dürfen sie arbeiten, sofern sie – das ist auch zu erwähnen – die weiteren arbeitsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Eine weitere Verbesserung in diesem Bereich betrifft auch Personen aus Drittstaaten, und zwar Personen mit einem PflegefachassistentInnenabschluss. Diese sollen nun wäh­rend des Verfahrens als PflegeassistentInnen arbeiten dürfen.

Durch diese Maßnahmen schaffen wir Verbesserungen auf beiden Seiten. Zum einen wissen wir, wie dringend es Pflegepersonal braucht – die Einrichtungen, die Kranken­häuser kommen schneller zu ihren Arbeitskräften –, und zum anderen können die Per­sonen, die nach Österreich kommen, eine Ausbildung haben und in Österreich arbeiten wollen, schneller auf den Arbeitsmarkt kommen. Es ist ja leider kein Geheimnis, dass es einen Pflegenotstand, einen Personalnotstand in der Pflege gibt. Wir brauchen bis 2030 tatsächlich – ich habe die Zahl noch einmal nachgelesen – 100 000 Pflegekräfte in Österreich. Mit diesem Schritt beschließen wir heute hier zumindest einige Erleichterun­gen, um diesen dringend benötigten Pflegekräften die Arbeitsaufnahme möglich zu machen.

Zusammenfassend sind all diese Änderungen in den Gesetzen mehr als notwendig. Das heute nicht zu beschließen führt schlussendlich zu Verwerfungen, die für die Bewäl­tigung der Pandemie kontraproduktiv sind. Daher noch einmal mein Appell an alle Kolle­ginnen und Kollegen von der Opposition: Ich bitte um Zustimmung. Ich erwähne es jetzt noch einmal, weil ich es wirklich so sehe: Nur gemeinsam kommen wir aus der Krise. –


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Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Nicht, nicht, nicht, nicht, nicht, nicht, nicht!)

19.34


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.


19.34.54

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Aus der Krise kommen wir nur gemeinsam. – Also ich hätte gesagt, aus dieser Krise kommen wir mit dieser Bundesregierung gar nicht mehr hinaus. (Beifall bei der FPÖ.) Das hat aber mit Corona nichts zu tun, sondern das hat einzig und allein mit dieser Bundesregierung etwas zu tun.

Wir sind ja heute schon wieder hier, um Gesetze, Notstandsverordnungen, Verord­nungsermächtigungen zu verlängern, und das ohne Not – ohne Not! Meine sehr geehrten Damen und Herren, das muss man schon klar dazusagen.

Ich rufe ein bisschen in Erinnerung, wie das Ganze entstanden ist: Man hat zuerst in den Medien Berge von Leichen und Särgen gemalt, damit sich das in die Köpfe der Bevölkerung einbrennt. Keiner hat, als er diese Bilder gesehen hat, gewusst, wohin die Reise geht.

Ja, es war richtig, zu Beginn rasch zu handeln und unsere Österreicherinnen und Öster­reicher zu schützen. Ich sage aber, jeder vernünftige, normal denkende Öster­reicher hat nach rund zwei Wochen gesehen, dass das Ganze nicht so tragisch ist. Die Einzigen, die es nicht gesehen haben, waren die Herren links und rechts von mir auf der Re­gierungsbank. Die haben es nicht gesehen, und ich glaube, Teile der ÖVP und der Grünen haben es auch nicht gesehen.

Dann habt ihr Maßnahmen verlängert, Maßnahmen weiter verlängert, Maßnahmen verschärft, die Zügel straffer gezogen, wie es unser gescheiterter Bundeskanzler Schallenberg einmal gesagt hat. Ihr seid aber aus dieser Spirale nicht mehr heraus­gekommen, weil ihr nicht gewusst habt, wie ihr den Leuten erklären sollt, was ihr da drinnen aufgeführt habt, und ihr kommt heute noch nicht aus dieser Spirale hinaus, obwohl die Pandemie in den meisten Ländern bereits beendet ist, nur nicht mit dieser Bundesregierung hier in Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Einen völlig sinnbefreiten Maskenzwang habt ihr eingeführt. Da frage ich mich, warum das in Wien geschehen ist. – Na einer muss immer der Dümmste sein, anscheinend ist das jetzt Wien. Aber warum sitzt denn kein einziger Wiener mit Maske hier herinnen? – Alle anderen müssen, wenn sie in ein öffentliches Verkehrsmittel einsteigen oder einen geschlossenen Raum betreten, eine Maske tragen. Anscheinend ist es sogar Kollegen Schreuder heute hier herinnen zu warm für die Maske. (Beifall bei der FPÖ.)

Einen Testzwang habt ihr eingeführt, obwohl ja inzwischen schon die Experten sagen, diese Tests beweisen rein gar nichts. Auch einen Impfzwang habt ihr eingeführt – ja, der ist eingeführt, nur in der Phase 2 sind wir noch nicht –, mit diesen Gesetzen, Verord­nungen und diesen Verordnungsermächtigungen, die wir heute für einen Gesundheits­minister Nummer 3 – aber es ist ja völlig egal, die sind ja austauschbar – wieder weiterverlängern sollen. Es ist ganz egal, ob das Anschober gewesen ist, ob das Kurz­zeitgesundheitsminister Mückstein gewesen ist oder ob es heute Gesundheitsminister Rauch ist. Da kann ich nur sagen: Ohne Rauch gehts auch! Das wäre uns das Liebere.

Was ist noch alles passiert? – Schulen habt ihr geschlossen, ihr habt unseren Kindern die Möglichkeit zur Bildung genommen. Betriebe habt ihr geschlossen, Menschen habt ihr in die Kurzarbeit geschickt, die heute nicht mehr wissen, wie sie sich das Leben


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finanzieren sollen. Dazu komme ich aber noch. Sportanlagen habt ihr geschlossen, ihr habt Menschen, jungen Menschen die Möglichkeit genommen, ihren Sport auszuüben.

Wissen Sie, wie sich jemand fühlt, der in der Stadt im sechsten Stock ohne Balkon wohnt und zu Hause eingesperrt ist, und das Einzige, was er tun darf, ist im besten Fall, die Schule zu besuchen? – Im schlechtesten Fall darf er nicht einmal das und ist wochen­lang im sechsten Stock eingesperrt. Viele Leute kommen zu mir ins Büro und reden mit mir darüber, wie es ihnen in dieser Zeit gegangen ist und wie es ihnen heute noch geht. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie es diesen Menschen da draußen wirklich gegangen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben all diese Menschen da draußen wortwörtlich in den Wahnsinn getrieben. Sie haben den Sport, den Nachwuchssport in diesem Land nahezu vernichtet. Schauen Sie einmal in die Vereine hinein, wie viele Mitglieder und Nachwuchstalente sie hatten, bevor diese Bundesregierung im Amt war und alles zugesperrt hat, und wie viele Nach­wuchssportler in diesen Vereinen heute noch übrig geblieben sind! Na ich bin gespannt, woher bei all diesen Maßnahmen, die Sie gesetzt haben, unsere Spitzensportler in Zukunft kommen werden.

Ihr habt nachweislich auch die Gesundheit der Österreicher geschädigt. Schaut einmal, wie viele Menschen es da draußen gibt, die heute wirklich schwere Impfschäden haben. Ich kenne einige, bei denen der Puls inzwischen so weit hinunterfällt, auf 30, 31, 32, dass sie sich hinsetzen müssen, weil ihnen schwarz vor Augen wird. Das sind sehr wohl Impfschäden, und das haben Sie mit Ihrer Propaganda: Nur die Impfung hilft!, zu ver­antworten.

Ich bin bis heute nicht geimpft. Ich habe Corona auch durchgemacht, und ich muss sagen, ich lebe noch, und ich habe es relativ gut überstanden. Ich weiß schon, dass es auch andere Folgeerscheinungen gegeben hat, aber: Wäre das mit Ihrer Impfung besser gewesen, wäre es ohne Ihre Impfung schlechter gewesen? – Das können auch Sie nicht beantworten. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Neue, was ich erst unlängst gelesen habe: Genesen zu sein zählt ja nicht mehr. – Da frage ich mich schon: Wofür muss man sich impfen lassen? – Um Antikörper aufzubauen. Und wenn man diese Krankheit durchgemacht hat, was hat man denn dann? – Antikörper hat man dann. Diese Regierung spricht aber nicht mehr von Anti­körpern.

Was mich auch interessieren würde – das war ja auch erst vor zwei Tagen in den Medien –: In der Steiermark werden 77 700 Euro pro Woche für geschlossene Impf­straßen ausgegeben, weitere 220 000 Euro pro Woche für geöffnete Impfstraßen. Am vergangenen Sonntag haben sich in ganz Österreich zwei Menschen impfen lassen. Das ist eine Geldvernichtung, die Sie eingeleitet haben. Da brauchen wir uns nicht mehr über eine Teuerungswelle aufgrund einer Ukrainekrise oder Russlands zu unterhalten, son­dern das ist etwas, das Sie schon ganz alleine zusammengebracht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Maßnahmen: Nicht für die Gesundheit wurde Geld ausgegeben, sondern zur Be­kämpfung der Maßnahmen, nämlich rund 70 Milliarden Euro. Das interessiert diese Regierung aber nicht und die ÖVP auch nicht.

Jetzt ist sie (in Richtung Bundesrätin Zwazl) gerade wiedergekommen. Ich habe da etwas gelesen, nämlich: 58 000 Euro hat die ÖVP für rund 90 Menschen zur Verab­schiedung der Frau Kollegin Zwazl ausgegeben. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Rund 58 000 Euro für eine Abschiedsfeier mit 90 Menschen! Da muss man aber schon wissen: Das war nicht hier in diesem Haus, sondern bei der Wirtschaftskammer, die sich aus Pflichtmitgliedsbeiträgen finanziert. Na, da werden sich die Leute draußen bedanken,


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die eine Pflichtmitgliedschaft haben und 58 000 Euro für eine Abschiedsfeier von Frau Kollegin Zwazl zu zahlen haben.

Diese ganzen Gesetzesverlängerungen, Verordnungsverlängerungen werden heute nicht unsere Zustimmung finden. Die einzige Zustimmung, die es von uns geben würde, wäre die Zustimmung zu Ihrem Rücktritt. Dann könnten Sie auch gleich das ganze Kasperltheater da links und rechts von mir (auf die Regierungsbank weisend) mitnehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.43


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. Ich erteile ihm das Wort.


19.43.20

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren, die eventuell noch via Livestream zugeschaltet sind! Ich würde vorschlagen: Kom­men wir mit den Emotionen ein bisschen herunter!, und vor allem: Kommen wir nach diesem Exkurs oder Ausflug zu irgendwelchen anderen Geschichten wieder zum eigent­lichen Thema zurück!

Worum geht es? – Es ist schon einiges gesagt worden. Es geht im Wesentlichen um Verlängerungen von Gesetzen, die es ja schon gibt. Ich möchte nur kurz punktuell noch einmal darauf eingehen. Das KAKuG, das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, soll gewährleisten, dass – sofern es epidemiologisch wieder notwendig ist – gewisse Einrichtungen jederzeit hochgefahren und betrieben werden können: Teststraßen, Impfeinrichtungen und so weiter und so weiter.

Es sollen die verschiedenen Sozialversicherungsgesetze novelliert werden, und das ist schon wichtig. Warum ist das wichtig? – Das ist für jene Menschen wichtig, für die Homeoffice aufgrund ihres Berufsbilds nicht möglich ist, die aber trotzdem aufgrund eines gesundheitlichen Gebrechens freigestellt werden müssen. Wenn dieses Gesetz heute nicht verabschiedet wird, dann gibt es eine zeitliche Lücke und dann ist das nicht möglich. Ich denke, das kann niemand hier – auch niemand von der Opposition – wollen.

Das Epidemiegesetz soll ebenso novelliert werden wie die diversen Gesundheits­berufe­gesetze. Da möchte ich schon kurz auf diesen Punkt, der gekommen ist, eingehen. Ich finde es gut – und man kann es quasi als kleinen Vorgriff auf die große Pflegereform sehen, die jetzt kommt –, wenn Pflegekräfte aus dem Ausland die Möglichkeit haben, auch während des Nostrifizierungsverfahrens bereits in Österreich pflegerisch tätig zu werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, warum braucht es das alles? – Es ist leider so – und ich weiß, wir können es alle nicht mehr hören und wir wollen es natürlich auch nicht mehr hören –, dass die Pandemie nicht vorbei ist. Kollegin Hauschildt-Buschberger hat einige eindrucksvolle Zahlen gebracht. Jetzt kann man hergehen und sagen: Na ja, es war alles halb so schlimm!, aber in den Jahren 2020 und 2021 war europaweit nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen Covid die zweithäufigste Ursache für das Versterben von Menschen. Deshalb war es wichtig, solche Maßnahmen zu setzen.

Es braucht sie auch, weil niemand von uns eine Glaskugel besitzt, weil niemand sagen kann, was im Herbst und im Winter passieren wird. Natürlich hoffe ich und hoffen wir, dass die Krankheit endemisch wird. Ich sage sehr offen – das ist eine persönliche Meinung –: Aufgrund der im Großen und Ganzen guten Immunitätslage bin ich auch zuversichtlich, was das anbelangt. Wissen können wir es aber nicht. Ich denke, es wäre verantwortungslos, wenn man nicht jetzt schon die Zügel wieder in die Hand nimmt und Maßnahmen ergreift, die später wirken sollen.


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Ich darf abschließend noch zu einem Punkt kommen. Ich denke, es ist wichtig, hier zu sagen, worum es abseits jeglichen politisch motivierten Abstimmungsverhaltens auch geht: Jeder, der heute diesen Gesetzen nicht die Stimme gibt, entzieht die Stimme auch seinem Bundesland, weil die Bundesländer massiv betroffen wären, würden diese Ge­setze heute nicht durchgehen. (Bundesrätin Schumann: Bundesrat Kornhäusl, über­treiben Sie es nicht!) – Frau Kollegin Schumann, es ist so. (Bundesrätin Schumann: Ja, ist schon gut, passt schon, ist schon gut! Übertreiben wir es jetzt nicht! Ist schon gut! Ja, ja!) Das betrifft zum Beispiel Refundierungen des Bundes an die Länder, die dann plötzlich nicht mehr fließen könnten. Davon wären auch Ihre Länder – Wien, Kärnten und Burgenland – betroffen, und daher würde es mich wundern, wenn die Zustimmung hier nicht stattfinden würde. Von den Freiheitlichen bin ich es nicht anders gewohnt, aber die Sozialdemokratie und auch die NEOS haben im Großen und Ganzen im Sinne ihrer Gesamtverantwortung hier immer sehr proaktiv die notwendigen Gesetzesvorhaben begleitet. (Bundesrätin Schumann: Ja, proaktiv waren wir! – Bundesrätin Grimling: Proaktiv! Genau!)

Der Artikel in der heutigen „Presse“ ist schon angesprochen worden. Auch Prof. Stöger – und der ist unbestritten einer der Medizinrechtsexperten in Österreich; ich kenne ihn selber – warnt davor, dass die Gültigkeit dieser Gesetze unterbrochen wird, weil es zu diffizilen Rechtsfragen kommen könnte, wenn es da zu einem rechtsfreien Raum käme.

In diesem Sinne darf ich noch einmal daran erinnern: Wir sind die Länderkammer, wir müssen im Sinne unserer Länder handeln. Ich bitte, das auch bei Ihrem Abstimmungs­verhalten entsprechend zu berücksichtigen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

19.48


Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte, Frau Vizepräsidentin.


19.48.43

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Kollege Leinfellner, ich muss da etwas richtigstellen, und zwar: Das ist etwas, das ich von der Wirtschaftskammer bekommen habe. Es geht um diese Kosten von 54 000 Euro, wie Sie gesagt haben. – Das stimmt nicht. Ich war 20 Jahre lang Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederöster­reich, und es war eine Veranstaltung mit über 300 Personen geplant, bei der man wirtschaftspolitische Perspektiven aufzeigen wollte, um diese zu diskutieren. Das war aber nicht möglich. Man hätte in diesem Rahmen auch meine Verabschiedung gemacht.

Pandemiebedingt ist die geplante Veranstaltung massiv reduziert worden. Wir haben sie in einem kleinen Rahmen mit 90 Personen gemacht. Bei der Verabschiedung beliefen sich die Kosten für die Technik mit den Drucksorten auf 18 000 Euro sowie auf 4 500 Euro für Catering. Ich denke, das ist schon eine Summe, die in Ordnung ist, wenn man nach 20 Jahren ein Abschiedsfest kriegt, bei dem man sich von seinen Kollegen verab­schie­den kann.

Das ist genau das, was die Journalisten bekommen haben. (Bundesrat Leinfellner: Na, da sind die 54 000 legitim! Da sage ich nichts!) – Ich habe das aber jetzt richtiggestellt.

19.50


Vizepräsident Günther Novak: Abschließend zu Wort gemeldet hat sich Herr Bun­desminister Johannes Rauch. Ich erteile ihm das Wort.


19.50.08

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! In aller Kürze – es


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 188

wurde eh schon ausgeführt –: Das ist die Vorsorge (Zwischenruf bei der SPÖ), die wir brauchen, um dann im Herbst allenfalls handlungsfähig zu sein. Wir bereiten uns da in unterschiedlichen Szenarien jeweils im Epidemiegesetz, im Gesundheits- und Kranken­pflegegesetz, im MTD-Gesetz, im Sanitätergesetz und im Krankenanstalten- und Kur­anstaltengesetz vor.

Wir hoffen alle, dass es so sein wird, dass wir diese Grundlagen nicht brauchen werden, wissen es aber nicht sicher. Genau deshalb ist es notwendig, diese Gesetze heute zu beschließen, sodass es keinen gesetzesfreien Zustand gibt. Ich wäre sehr dankbar für die Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.50


Vizepräsident Günther Novak: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Wortmeldung liegt vor. Ich erteile Frau Bundesrätin Schartel das Wort. – Bitte.


19.51.11

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Werte Kollegen! Ich muss jetzt doch die Gelegenheit nutzen, zu diesen Tages­ordnungspunkten das Wort zu ergreifen. Das Fachliche, Sachliche ist in vielen Bereichen schon erklärt worden. Wie gesagt, es ist keine Überraschung: Die Freiheitliche Partei wird diesen Gesetzesverlängerungen natürlich nicht zustimmen, aber nicht, weil wir sagen, wir sind so trotzig und sagen sowieso nur immer Nein, wenn die Regierung Vor­schläge macht. Sollte sie einmal gute, konstruktive Vorschläge machen, sind wir natür­lich die Ersten, die eine Zustimmung erteilen. Es ist aber wichtig: Die österreichische Bevölkerung braucht in den jetzigen Zeiten einfach dringend eine kritische Stimme, auf die sie sich verlassen kann, und das ist nun einmal nur die FPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch wenn die SPÖ heute interessanterweise auf einmal entdeckt, dass es nicht in Ordnung ist, all diesen Covid-Maßnahmengesetzen zuzustimmen, und wenn sowohl von Kollegin Hahn speziell heute als auch von Kollegin Pruner im Ausschuss zum Beispiel davon gesprochen wird, wie schlimm und tragisch all diese Maßnahmen – und es waren in erster Linie die Maßnahmen und die Entscheidungen – unsere Kinder und Jugend­lichen drangsaliert und getroffen haben: Man kann sich jetzt nicht hierherstellen, auch wenn es gut und sehr emotional wirkt, auf die Tränendrüse drücken und sagen: Um Gottes willen! Wie schlimm! Wie schiach!

Ihr (in Richtung SPÖ) habt es überhaupt erst möglich gemacht, dass Kinder 8 Stunden lang mit Masken in der Schule sitzen müssen, dass Kinder Angst hatten, ihre Großeltern zu besuchen, dass Kinder nicht haben spielen dürfen. Ihr habt das großteils überhaupt erst möglich gemacht (Beifall bei der FPÖ), und dann stellt man sich her und sagt: Wir brauchen! Wir fordern! Dort fordern wir etwas! Kinderpsychologen brauchen wir! In den Schulen brauchen wir dies und das!

Leider muss ich wirklich sagen, das zieht sich in meiner politischen Erfahrung mit der SPÖ durch (Bundesrat Reisinger: Leider!): Sie sind Menschen, die nichts von Präven­tion halten, sondern ihr wollt immer nur therapieren, Psychologen, agieren und reagie­ren. Es wäre viel vernünftiger gewesen, im Vorfeld darüber nachzudenken, welche Aus­wirkungen eure Zustimmungen zu diesen Maßnahmen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

19.53 19.53.39


Vizepräsident Günther Novak: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesord­nungs­punkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie die Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 189

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „bessere Gesundheitsversorgung für unsere Bevöl­kerung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Mai 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.56.35Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Günther Novak: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen, 4012/J-BR/2022 und 4013/J-BR/2022, eingebracht wurden.

Eingelangt ist die Petition 49/PET-BR/2022 betreffend „Schülertransport“ der Marktge­meinde Passail, überreicht von Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann, die dem Aus­schuss für BürgerInnenrechte und Petitionen zugewiesen wird.

Weiters eingelangt ist der Entschließungsantrag 338/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Start des Pflegestipendiums bereits mit 1. September 2022“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumenten­schutz zugewiesen wird.


BundesratStenographisches Protokoll941. Sitzung, 941. Sitzung des Bundesrats vom 2. Juni 2022 / Seite 190

Ebenfalls eingelangt ist der Entschließungsantrag 339/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „vorgezogene Anpassung des Pflegegeldes“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird.

Ebenso eingelangt ist der Entschließungsantrag 340/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bessere Gesundheitsversorgung für unsere Bevölkerung“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird.

Eingelangt ist auch der Entschließungsantrag 341/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“, der dem Umweltausschuss zugewiesen wird.

Weiters eingelangt ist der Entschließungsantrag 342/A(E)-BR/2022 der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung einer neuen StVO-Bestimmung als rechtliche Grundlage zur Realisierung von verkehrsberuhigenden Maßnahmen in urbanen Zentren“, der dem Ausschuss für Verkehr zugewiesen wird.

Außerdem eingelangt ist der Entschließungsantrag 343/A(E)-BR/2022 der Bundes­räte Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Probleme bei Schüler*innentransporten endlich beheben!“, der dem Ausschuss für Familie und Ju­gend zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, der 29. Juni 2022, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 27. Juni 2022, 14 Uhr, vorgesehen.

Kommen Sie gut nach Hause! Bleiben Sie gesund!

Die Sitzung ist geschlossen.

19.59.29Schluss der Sitzung: 19.59 Uhr

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