Stenographisches Protokoll

97. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 3. März 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Stenographisches Protokoll

97. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                 Donnerstag, 3. März 2005

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 3. März 2005: 9.02 – 21.12 Uhr

*****

Tagesordnung

Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2006 samt Anlagen

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 28

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen betreffend Anwesenheit des Vizekanzlers Hubert Gorbach zu Beginn der Debatte über die Dringliche Anfrage .......................... 113

Antrag des Abgeordneten Dieter Brosz im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Vizekanzlers Hubert Gorbach – Ablehnung .................................................  114, 114

Aktuelle Stunde (23.)

Thema: „10 Jahre EU-Mitgliedschaft – Bilanz und Ausblick .................................. 9

Redner/Rednerinnen:

Mag. Wilhelm Molterer .................................................................................................. 9

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik....................................................................... 12

Dr. Werner Fasslabend ................................................................................................ 14

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 15

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 17

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................... 18


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 2

Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................................................ 20

Peter Schieder .............................................................................................................. 22

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 23

Karl Öllinger .................................................................................................................. 24

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 9

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  26, 217

Auslieferungsbegehren

gegen die Abgeordnete Marialuise Mittermüller ......................................................... 26

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Tempo 160 als Symbol für das fortgesetzte verkehrs- und umweltpolitische Versagen von FPÖ und ÖVP (2718/J) ............................................. 109

Begründung: Dr. Eva Glawischnig ............................................................................. 114

Vizekanzler Hubert Gorbach...................................................................................... 119

Debatte:

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 125

Sabine Mandak (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 128

Werner Miedl ............................................................................................................... 128

Kurt Eder ..................................................................................................................... 131

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 133

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 136

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka...................................................................... 138

Dipl.-Ing. Hannes Missethon ..................................................................................... 140

Gabriele Binder .......................................................................................................... 142

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 143

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................................... 145

Vizekanzler Hubert Gorbach...................................................................................... 149

Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler ............................................................................... 152

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................... 153

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 154

Rudolf Parnigoni ........................................................................................................ 156

Werner Miedl (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 157

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 157

Karl Öllinger ................................................................................................................ 159

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringendes Maßnahmenpaket „Gesunde Luft statt Fein­staub-Atemnot“ – Ablehnung  147, 161

Verhandlungen

Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2006 samt Anlagen (830 d.B.) ........................................................................................................................ 29


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 3

Redner/Rednerinnen:

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ...................................................................................... 29

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 33

Josef Bucher ................................................................................................................. 37

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 41

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser................................................................. 45

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 49

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 51

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 54

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 57

Vizekanzler Hubert Gorbach........................................................................................ 60

Fritz Neugebauer .......................................................................................................... 62

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 64

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................... 66

Michaela Sburny ........................................................................................................... 67

Staatssekretär Dr. Alfred Finz..................................................................................... 69

Herta Mikesch ............................................................................................................... 70

Josef Broukal ................................................................................................................ 72

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 73

Dieter Brosz .................................................................................................................. 74

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 76

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ................................................................. 78

DDr. Erwin Niederwieser ............................................................................................. 78

Maximilian Walch ......................................................................................................... 79

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 81

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 81

Jakob Auer .................................................................................................................... 84

Rudolf Parnigoni .......................................................................................................... 86

Markus Fauland ............................................................................................................ 87

Karl Öllinger .................................................................................................................. 88

Dr. Ferdinand Maier ..................................................................................................... 90

Anton Gaál .................................................................................................................... 91

Marialuise Mittermüller ............................................................................................... 92

Sabine Mandak ............................................................................................................. 94

Doris Bures (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 95

Karl Donabauer ............................................................................................................ 96

Doris Bures ................................................................................................................... 97

Dr. Reinhard Eugen Bösch ......................................................................................... 99

Dr. Kurt Grünewald .................................................................................................... 100

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 102

Franz Eßl (tatsächliche Berichtigung) ......................................................................... 103

Mag. Johann Moser ................................................................................................... 104

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 105

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ......................................................................................... 107

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 108

Kurt Eder ..................................................................................................................... 161

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 162

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 163

Edeltraud Lentsch ...................................................................................................... 165

Renate Csörgits .......................................................................................................... 166

Klaus Wittauer ............................................................................................................ 168

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 170

Karl Freund ................................................................................................................. 172

Mag. Dietmar Hoscher ............................................................................................... 174

Mag. Terezija Stoisits ................................................................................................. 175

Wolfgang Großruck ................................................................................................... 176


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 4

Dr. Caspar Einem ....................................................................................................... 178

Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................................... 179

Ingrid Turkovic-Wendl ............................................................................................... 181

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 182

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 183

Johannes Zweytick .................................................................................................... 185

Ulrike Königsberger-Ludwig .................................................................................... 186

Ing. Josef Winkler ....................................................................................................... 187

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 188

Franz Eßl ..................................................................................................................... 190

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 191

Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer ..................................................................................... 192

Petra Bayr ................................................................................................................... 193

Martin Preineder ......................................................................................................... 194

Georg Oberhaidinger ................................................................................................. 195

Gabriele Tamandl ....................................................................................................... 196

Dr. Elisabeth Hlavac ................................................................................................... 197

Franz Glaser ................................................................................................................ 198

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................ 199

Hermann Gahr ............................................................................................................ 200

Mag. Johann Maier ..................................................................................................... 201

Ing. Norbert Kapeller .................................................................................................. 202

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 203

Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 203

Matthias Ellmauer ...................................................................................................... 204

Mag. Kurt Gaßner ....................................................................................................... 205

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 205

Heinz Gradwohl .......................................................................................................... 206

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 207

Dipl.-Ing. Werner Kummerer ..................................................................................... 208

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 208

Manfred Lackner ........................................................................................................ 209

Heidrun Walther ......................................................................................................... 210

Dr. Richard Leutner ................................................................................................... 210

Mag. Melitta Trunk ..................................................................................................... 211

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 212

Ing. Kurt Gartlehner ................................................................................................... 212

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 212

Rainer Wimmer .......................................................................................................... 213

Dr. Dieter Böhmdorfer ............................................................................................... 214

Franz Riepl .................................................................................................................. 214

Dr. Peter Wittmann .................................................................................................... 215

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 216

Zuweisung der Regierungsvorlage 830 d.B. an den Budgetausschuss ...................... 217

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 26

Petition betreffend „Österreichweite Schließung der AMS-BerufsInfoZentren“ (Ordnungsnummer 57) (überreicht von der Abgeordneten Erika Scharer)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 5

Regierungsvorlage ...................................................................................................... 27

831: Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung; Beitritt Bulgariens, Estlands, Lettlands und Litauens; Annahme durch Österreich

Anträge der Abgeordneten

Anton Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Verankerung der Wehr­dienstverkürzung (545/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbreiterung der Beitrags­grundlage zur Finanzierung des Gesundheitssystems (546/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der regionalen Vernetzung der Gesundheits- und Sozialdienste (547/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Festlegung von qualitativ und quantitativ messbaren Gesundheitszielen (548/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Regelungen für eine verstärkte Qualitätssicherung bei der Verwendung von Blut und Blutprodukten (549/A) (E)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz 1996, geändert wird (550/A)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reduktion der unsozialen Selbstbehalte und Harmonisierung des Beitrags- und Leistungsrechts im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (551/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestimmungen über eine Infrastrukturkompetenz des Bundes ergänzt wird (552/A)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Verbesserung der finanziellen Situation für BezieherInnen niedriger Pensionen (553/A) (E)

Mag. Dr. Magda Bleckmann, Fritz Grillitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übertragung der B 317 zwischen Scheifling und Klagenfurt in den Zuständigkeits­bereich der ASFINAG (554/A) (E)

Hermann Krist, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung der SchülerInnen­freifahrt auch auf InternatsschülerInnen (555/A) (E)

Mag. Andrea Kuntzl, Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (556/A)

Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Garantie der Schulgeldfreiheit (557/A) (E)

Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz durch Abschaffung des Erfor­der­nisses von Zweidrittelmehrheiten für Schulgesetze geändert wird (558/A)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung geändert wird (Änderung der Betriebsanlagen von Klein­betrieben) (559/A)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 6

Petra Bayr, Mag. Ulrike Lunacek, Mag. Karin Hakl, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verankerung eines Internationalen Gedenktages gegen weibliche Genitalverstümmelung (560/A) (E)

Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Mutterschutz­gesetzes hinsichtlich der Einführung einer Informationspflicht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin über das Ende der arbeitsrechtlichen Karenz (561/A) (E)

Sabine Mandak, Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderun­gen im Kinderbetreuungsgeldgesetz (562/A) (E)

Mag. Elisabeth Grossmann, Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz durch Einfüh­rung einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Jugendschutz geändert wird (563/A)

Dr. Michael Spindelegger, Mag. Kurt Gaßner, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiter (Parla­mentsmitarbeitergesetz) geändert wird (564/A)

Doris Bures, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ausarbeitung eines neuen modernen HausbesorgerInnengesetzes (565/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ratifikation des 12. und 14. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (566/A) (E)

Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Namensänderungsgesetz, BGBl. Nr. 195/1988, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 25/1995, und betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Personenstandsgesetz, BGBl. Nr. 60/1983, geändert wird (567/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Tempo 160 als Symbol für das fortgesetzte 7verkehrs- und umweltpolitische Versagen von FPÖ und ÖVP (2718/J)

Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend mögliche Schließung oberösterreichischer Bezirksgerichte, insbesondere des Bezirksgerichtes Mauthausen (2719/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 7

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Pharmakovigilanz – Vorstudie durch das ÖBIG – Ergeb­nisse" (2720/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Ungarisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2721/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Serbisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2722/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Tschechisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2723/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Russisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2724/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Polnisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2725/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Slowenisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2726/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Slowakisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2727/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bulgarisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2728/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Albanisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2729/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Rumänisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2730/J)

Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Erhaltung der Kaserne Aigen im Ennstal (2731/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Kinderspielwagen der ÖBB (2732/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend drohende Schließung der Frauenberatungsstelle Lilith (2733/J)

Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend „mittlerweile vierjährige Bedenkzeit des Minis­teriums bei Ernennung eines Abteilungsvorstands“ (2734/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Kroatisch: Fremdsprachenunterricht – „Ost­sprachen“ an Österreichs Schulen (2735/J)

Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Förderungen aus dem Bundes-Jugendförderungsgesetz (2736/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Schließung von Gerichts-Standorten im Burgenland (2737/J)

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend ÖBB-Haltestelle Aschbach (2738/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 8

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Amnestie 2005“ (2739/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „bedingte Entlassungen“ (2740/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Tagung „Sekten und Gesundheit“ bzw. Esoterik und Abgrenzung zu Gesundheitsberufen (2741/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Qualitätssicherung im Wirtschaftsbereich Esoterik (2742/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend „Gleichbehandlungsgesetz: Gremien noch immer nicht geschaffen“ (2743/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend „Frauenratgeberin – Beauftragung des Unter­neh­mens 3s“ (2744/J)

Heidrun Silhavy, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Tagung „Sekten und Gesundheit“ bzw. Esoterik und Konsumentenschutz (2745/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend mögliche Kasernenschließungen in Wiener Neustadt und deren Auswirkungen (2746/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen (2451/AB zu 2490/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2452/AB zu 2506/J)

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 9

09.02.00 Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweite Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich eröffne die 97. Sitzung des Nationalrates und begrüße Sie alle sehr herzlich.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Keuschnigg, Steibl, Keck, Mag. Posch, Heinisch-Hosek, Dipl.-Ing. Achleitner, Dr. Partik-Pablé, Rossmann, Mag. Wein­zinger und Mag. Scheucher-Pichler. – Die Grippewelle hat also auch bei uns zugeschlagen, meine Damen und Herren.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanz­leramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mit­gliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat wird durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein vertreten.

09.03.31 Aktuelle Stunde

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

 „10 Jahre EU-Mitgliedschaft – Bilanz und Ausblick“

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Molterer. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


9.03.48

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Guten Morgen, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Am vergangenen Wochenende – Freitag, Samstag – hat in Wien eine ganz bemer­kenswerte Veranstaltung stattgefunden, eine Veranstaltung auf Einladung unserer Außenministerin, Frau Dr. Ursula Plassnik, die sich mit dem Thema und der Frage­stellung der Bilanz „10 Jahre Österreich in der Europäischen Union“ beschäftigt hat. Diese Veranstaltung war auch ob der Präsenz und der Teilnehmer an dieser Dis­kussion bemerkenswert: EU-Kommissionspräsident Barroso, der deutsche Altbundes­kanzler Kohl, Altbundeskanzler Vranitzky, Vizekanzler a.D. Busek, Exkommissar Franz Fischler, Frau Benita Ferrero-Waldner, Österreichs Kommissarin in der Euro­päischen Union, und Alois Mock als der „Mister Europa“.

Diese Veranstaltung, meine Damen und Herren, diese Bilanz der Mitgliedschaft Öster­reichs bei der Europäischen Union (Abg. Murauer: Kann sich sehen lassen!) kann sich in einem Satz nach dieser Diskussion, die ich mitverfolgt habe, ganz kurz zusam­menfassen lassen.

Die Kurzfassung dieser Bilanz, meine Damen und Herren, lautet: Österreich steht heute insgesamt besser da als vor seinem Beitritt zur Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 10

Die Österreicher und Österreicherinnen haben im Jahr 1994 in eindrucksvoller Weise mit 66 Prozent in einer Volksabstimmung ja zur Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union gesagt.

Aber nicht nur dieses quantitative Ergebnis ist beeindruckend gewesen – Sie alle haben es ja miterlebt –, sondern auch die Emotion, die Stimmung, die herrschte, und auch die innere Bereitschaft der Österreicher und Österreicherinnen, diesen Schritt, diesen sehr großen Schritt für unsere Heimat nach Europa mitzugehen und mitzu­tragen.

Heute können wir sagen, meine Damen und Herren: Die Österreicherinnen und Öster­reicher haben im Jahr 1994 richtig entschieden! Dieser Schritt Österreichs, Mitglied der Europäischen Union zu werden, ihr beizutreten, war richtig und hat sich bewährt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich müssen wir den Menschen in Österreich, den Österreicherinnen und Österreichern, die damals diese Entscheidung mitgetragen haben, im Sinne dieser Bilanz auch Rede und Antwort stehen. Warum ist dieser Schritt richtig? Warum hat er sich bewährt?

Es gibt für mich, es gibt für uns eine ganz Reihe beziehungsweise eine Fülle von Argumenten, ich möchte nur die wesentlichsten herausgreifen. Die Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union hat für unser Land einen Wohlstandsgewinn gebracht, meine Damen und Herren. Österreich, die Österreicherinnen und Öster­reicher sind durch die Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union wohl­habender geworden, reicher geworden.

Warum? – Die Wachstumsraten sind durch diese Mitgliedschaft eindeutig höher als ohne Mitgliedschaft. Was heißt Wachstum? Wachstums heißt mehr Einkommen, Wachs­tum heißt mehr Beschäftigung. Wir haben mehr Menschen in Arbeit in Öster­reich als vor der Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union. Selbstver­ständlich hat uns diese Mitgliedschaft auch einen massiven Exportboom gebracht, hat sie der Wirtschaft und damit den arbeitenden Menschen Wohlstandsgewinn gebracht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Österreich hat durch die Mitgliedschaft bei der Europäischen Union an internationaler Bedeutung gewonnen, meine Damen und Herren. Unser Heimatland spielt eine wichtige Rolle in Europa.

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel nennen, warum das so ist. Ohne unser Enga­gement – das sage ich auch voller Selbstbewusstsein – wäre beispielsweise die Er­weiterung der Europäischen Union nicht zu dieser Erfolgsstory geworden. Warum? – Weil Österreich viel Wissen, viel historisches Wissen und Erfahrung eingebracht hat. Denken Sie beispielsweise an Kroatien! Kroatien steht kurz vor der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. Das ist aber auch deshalb so, weil Österreich unmissver­ständlich ja zu diesem Schritt gesagt hat, weil er richtig und für uns ein Sicher­heitsgewinn ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Apropos Sicherheit: Die Mitgliedschaft Österreichs bei der Europäischen Union ist ein Sicherheitsgewinn für die Menschen in unserem Land. Denken Sie nur daran, dass seit der EU-Erweiterung weniger Asylwerber zu uns kommen! Aber die EU-Mitgliedschaft Österreichs ist auch ein Freiheitsgewinn. Fahren Sie selbst in europäische Länder! Es gibt keine Passkontrolle mehr. Ich bin vor kurzem aus der Ukraine zurückgekommen. Es ist ungewöhnlich, wann man dann beim Zoll steht und wieder den Pass herzeigen muss. Für uns ist die Reisefreiheit in Europa völlig selbstverständlich geworden.

Die Erweiterung der Europäischen Union halte ich überhaupt für eine der unglaub­lichen Erfolgsgeschichten. Noch vor 20 Jahren – ein überschaubarer Zeitraum; noch


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 11

vor 20 Jahren! – war der Eiserne Vorhang Realität. 20 Jahre sind zeitlich gesehen eigentlich ein Nichts in der Geschichte, aber in diesen 20 Jahren hat sich Europa dramatisch verändert, grundlegend zum Positiven, weil die EU-Erweiterung endgültig einen Schlussstrich unter die Trennung gezogen hat und wir – das ist meine feste Überzeugung – erst mit dieser EU-Erweiterung unseren EU-Beitritt vollständig vollzo­gen haben. Jetzt können wir wieder sagen: Wir liegen wirklich im Herzen dieses Kontinents!

Weitere Punkte sind: Chancen für die Jugend, oder das große Projekt einheitliche Währung.

Aber diese Bilanz hat selbstverständlich nicht nur Sonnenseiten. Es gibt auch die eine oder andere kritische Frage, die wir beantworten müssen, weil sie uns die Menschen stellen. Natürlich sind wir nicht zufrieden mit dem, wie die Europäische Union mit unseren Anliegen – Stichwort „Transit“ – umgeht. Da müssen wir einerseits eine klare österreichische Haltung vertreten, aber auch Partner für die Lösung unserer Anliegen suchen.

Der Wettbewerb ist schärfer geworden; das stimmt. Wir stehen im Wettbewerb. Das bedeutet, dass es im Wettbewerb, wie immer, nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer gibt. Es ist unsere Aufgabe, auch für diese Menschen und für diese Unter­nehmen zu sorgen.

Die Menschen fragen auch: Was ist denn dieses Europa, das nicht immer mit einer Stimme spricht? – Das ist ein Problem. Manchmal ist Europa zerstritten.

Die Menschen haben mit Europa auch ein Problem deshalb, weil es nicht ausreichend durchschaubar und transparent ist. – Das ist die Diagnose. Aber was ist die richtige Therapie? Ich meine, dass zehn Jahre Bilanz auch Anlass sein sollten, um politisch in diesem Hohen Haus über diese Zukunftsstrategie zu diskutieren. Die Zukunft Europas ist Österreichs Zukunft! Daher ist es unsere Aufgabe, uns mit dieser Zukunftsfrage zu beschäftigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte einige Punkte erläutern, erörtern und diskutieren. Ich möchte dies nicht nur mit Ihnen tun, sonder auch mit der Öffentlichkeit und der Bevölkerung, weil wir die Menschen auf diesem Weg nach Europa brauchen. Meiner Meinung nach brauchen wir erstens in vielen Bereichen mehr Europa. Das traut sich in Österreich leider nie­mand oder viel zu wenige Leute, auch Politiker, zu sagen. In der Sicherheit, in der Verteidigung, in der Wirtschaftsstrategie und auch in der Verfassung brauchen wir mehr Europa!

Wir brauchen zweitens ein stärkeres Europa – ein Europa, welches das europäische Modell selbstbewusst international verteidigt und sich nicht in die Defensivrolle drängen lassen will. Wir brauchen ein Europa, das international mit einer Stimme spricht. Ich halte es – das sage ich offen – für durchaus diskussionswürdig, ob es richtig ist, dass sich ein Mitgliedsland der Europäischen Union für einen Ständigen Sitz in den Vereinten Nationen bewirbt. Wäre es nicht richtiger, dass sich die Europäische Union um einen derartigen Sitz bewirbt? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir brauchen drittens ein verstehbareres, ein transparenteres Europa. Ich meine jetzt damit nicht die Brüsseler Institutionen, denn auf diese beziehen wir uns immer. Denken wir lieber über uns selbst nach und über unsere eigene Rolle! Europäische Politik muss Teil der Innenpolitik werden. Wir haben hier im Parlament die Aufgabe, dazu beizutragen, dass Europa durchschaubarer und transparenter wird. Wir müssen uns selbst mehr mit dieser europäischen Dimension beschäftigen. Daher danke ich auch Herrn Präsidenten Khol, dass Sie die Initiative für die Europäisierung des


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 12

österreichischen Parlaments ergriffen haben. Das ist ein Beitrag zur Transparenz und zur Durchschaubarkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir brauchen viertens weniger Europa. So wie wir mehr Europa brauchen, brauchen wir auch weniger Europa. (Abg. Dr. Cap: Weniger ÖVP!) Europa muss nicht alles regeln. Denken Sie nur an die Natura-2000-Diskussion in den Regionen Österreichs! Niemand hat wirklich verstanden, warum die Europäische Union alles regeln will. Nein, wir brauchen auch weniger Europa. (Präsident Dr. Kohl gibt das Glockenzeichen.)

Wir brauchen auch ein klares Bekenntnis zum politischen Projekt Europa, zum Frie­densprojekt Europa. Der Schritt war richtig. Er hat sich gelohnt. Europa muss täglich erarbeitet werden, damit die Menschen Europa täglich erleben können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.14


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer einleitenden Stellungnahme gelangt Frau Bun­desministerin Dr. Plassnik zu Wort. – Bitte.

 


9.14.36

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union hat in den letzten zehn Jahren einen bemerkenswerten Wachstums- und Entwicklungsschub erlebt. Die Mitgliederzahl hat sich mehr als verdoppelt. Wir haben eine gemeinsame Währung eingeführt. Ja, wir haben sogar eine gemeinsame Europäische Verfassung für 455 Millionen Menschen ausgearbeitet. Österreich hat diese zehn Jahre mitgeprägt. Wir waren weder Zuschauer, noch Außenseiter, noch Nachvollzieher. Wir waren Teilhaber dieses Projekts, dieser Ent­wicklung. Wir haben sie mitgestaltet. Wir verantworten sie mit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mit einer Zweidrittelmehrheit haben die Österreicherinnen und Österreicher damals, im Jahr 1994, den Beitritt beschlossen. Es war das richtige Vorhaben, es war die richtige Entscheidung, und sie ist zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Wir dürfen nun das Friedensprojekt Europa mitgestalten. Wir dürfen in einem wiedervereinigten Europa leben. Unsere Generation hat den Eisernen Vorhang nicht nur durchschnitten, sondern wir arbeiten an seiner vollständigen Überwindung in der Wirtschaft und mit den Men­schen weiter. Österreichs Beitrag in Europa ist gefragt. Wir bringen auf der einen Seite unsere Fähigkeiten und Einsichten ein, und auf der anderen Seite stärkt die euro­päische Erfahrung unsere Identität. Gut für Österreich, gut für Europa! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unbestritten ist: Der Standort Österreich zählt heute zu den attraktivsten. Die Exporte wurden mehr als verdoppelt, die ausländischen Investitionen in Österreich mehr als verdreifacht. Die Forschungsausgaben wurden fast verdoppelt. Neue Arbeitsplätze, mehr Kaufkraft und Wohlstand wurden erreicht. Österreich ist heute das drittreichste Land in der Europäischen Union: Wir liegen hinter Luxemburg und Irland, knapp vor Dänemark und den Niederlanden. Europa bedeutet aber auch mehr Auswahl, weniger Hindernisse, bessere Chancen. Zuerst ist dies für die Konsumenten ersichtlich. Es gibt eindeutig ein besseres und größeres Warenangebot, und das nicht nur bei importierten Waren, sondern auch bei heimischen Produkten. Denken Sie an die Lebensmittel!

Es gibt weniger Hindernisse für die Touristen. Grenzkontrollen, Zollschikanen, Geld­wechsel: All das gehört in Europa der Vergangenheit an. Europa bietet aber auch Chancen für die Studenten, für die jungen Menschen.

Rund 78 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Für sie ist es besonders wichtig, was die Union für die ländliche Entwicklung tut. Gerade in


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 13

diesem Bereich holen wir die meisten Fördermittel aus Brüssel ab. Das macht fast 10 Prozent vom Gesamtanteil aus, bei einem budgetmäßigen Anteil von knapp einem Viertel.

Manche unserer Regionen zählen zu den dynamischsten in ganz Europa. Eine neue Studie über Standorteignung für Hightech-Unternehmen hat ergeben, dass fünf öster­reichische Regionen zu den besten 20 in der EU zählen: Rheintal-Bodenseegebiet, Linz-Wels, Steyr-Kirchdorf, Salzburg und Umgebung, Graz. Andere österreichische Regionen, etwa Zielgebiete und Grenzregionen, sind erst durch EU-Förderungen und durch den EU-Beitritt unserer Nachbarn aus ihrer Randlage befreit worden. Denken wir an das Burgenland, aber auch an das Waldviertel und an das Mühlviertel! Die EU sorgt für faire Chancen. Österreichs Bauern und Regionen nützen diese Chancen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Erst die gemeinsame Mitgliedschaft mit unseren Nachbarn ermöglicht auch eine neue Qualität der Nachbarschaft. Aus alten Nachbarn sind neue Partner in Europa gewor­den. Ein eigenes mitteleuropäisches Bewusstsein gewinnt neue Gestalt. Damit erfüllt sich langsam ein tief verwurzeltes LIFE-Leitmotiv der österreichischen Außenpolitik, wie es schon in der ersten Regierungserklärung der Nachkriegszeit enthalten war. Ich zitiere aus dieser Erklärung vom 27. April 1945: 

„Der Freistaat Österreich will in ungetrübter Freundschaft mit den Völkern des Donau­raumes sich selbst leben und mit sämtlichen Nachbarn in Friede und Freundschaft zusammenarbeiten zum Besten aller.“ (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Europa übernimmt aber auch Verantwortung in der Welt – sei es in der unmittelbaren Nachbarschaft, etwa am Westbalkan, im Mittelmeerraum, im Osten des Kontinents, aber auch in der Dritten Welt. Europa hat da mehr Mittel, mehr Werkzeuge als jeder andere. Dazu zählen Handelsabkommen, Entwicklungshilfe, humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe, aber auch die Unterstützung beim Aufbau von Demokratie und modernen staatlichen Strukturen.

Aber auch der Innenausbau der Europäischen Union schreitet voran. Der Bereich, in dem wahrscheinlich am meisten geschehen ist, ist der Bereich der inneren Sicherheit. In diesem Bereich liegen neben der Sorge um den Arbeitsplatz die tiefsten Ängste, aber auch die höchsten Erwartungen der Bürger an Europa. 85 Prozent wollen einheit­liche EU-Regeln für die Aufnahme von Asylwerbern. 71 Prozent meinen, dass gemein­sames Handeln der beste Weg sei, um die Kriminalität EU-weit zu bekämpfen.

Österreich nimmt dieses Thema sehr ernst: Wir arbeiten konsequent mit gleich gesinn­ten Partnern an verbessertem Grenzschutz und an der Terrorismus- und Kriminalitäts­bekämpfung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Innenausbau gehören aber auch Wirtschaft und Arbeit, also die Fragen: Wie sichern wir unsere Arbeitsplätze im globalen Wettbewerb? Wie entfernen wir Wachs­tumsbremsen? Wie verbessern wir Bildung, Forschung und Innovation? – Österreich gehört in diesem Reformprozess zu den führenden Ländern. Das hat Kommissions­präsident Barroso erst am vergangenen Wochenende hier in Wien gewürdigt, ebenso wie den Beitrag, den Österreich leistet, um das Umweltbewusstsein in Europa zu heben.

Europa ist natürlich nicht perfekt! Die Bürger Europas wissen ganz genau, was sie nicht wollen: Zentralismus, Einheitsbrei, Regulierungswut, sture Bürokratie, Verwaltung statt Verantwortung. Viel von diesem Verbesserungsdrang kommt aus unserem Wis­sen, wie es sein sollte, aus einer Art europäischem Heimatgefühl, das immer schon existiert hat, denn Europa war nie nur eine Kopfgeburt, sondern immer auch eine Herzenssache.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 14

Europa mobilisiert, motiviert, treibt an und gibt Zuversicht für die Zukunft. Europa ist auch voller Chancen für die Jugend. Ich nehme als Beispiel ERASMUS, ein Programm, das Studenten fördert und finanziell beim Auslandsstudium unterstützt. 1,2 Millionen junge Europäer haben dieses Angebot schon genützt. Allein im Wintersemester 2003 haben über 2 600 Europäer in Österreich studiert, und 2 800 junge Österreicher waren als ERASMUS-Stipendiaten an den europäischen Universitäten. Übrigens gibt es ein entsprechendes Angebot auch im Programm LEONARDO für Lehrlinge im Bereich der beruflichen Ausbildung.

Der europäische Traum wird in der nächsten Etappe von der Jugend konkret zu definieren sein: Ihre Erfahrungen, ihre Wünsche werden den Horizont des großen Friedens- und Einigungswerks bestimmen. Ich werde sie daher zu einem Europa-Kongress der Jugend einladen: Österreich morgen – Europa morgen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Angebot Europas an uns selbst und an unsere Partner in der Welt ist unverändert wirksam: Friedenssicherung, die Arbeit am europäischen Wirtschafts- und Sozial­modell, der Respekt vor der Vielfalt und die Freude an der europäischen Buntheit.

Ich möchte abschließend all denjenigen im Hohen Haus danken, die im letzten Jahrzehnt dieses Projekt, dieses Einigungswerk unterstützt haben. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.23


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Redezeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde beträgt 5 Minuten. Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


9.23.50

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Vor zehn Jahren ist Österreich der EU beigetreten. Das war damals ein Moment, der auf der einen Seite mit sehr vielen Ängsten, aber auf der anderen Seite auch mit sehr vielen Träumen und Vorstellungen über die Zukunft verbunden war. Wenn wir heute Bilanz ziehen, dann fällt sie sicherlich um einiges nüchterner aus.

Wenn ich mir selbst die Frage stelle: Was sind für mich die wichtigsten Errungen­schaften, die wichtigsten Vorteile und die wichtigsten Nachteile?, dann kann ich Folgendes sagen: Bezüglich der Vorteile steht an allererster Stelle die Frage des Wohlstandes und der Arbeitsplätze. Das berührt die Bevölkerung bei uns mit Sicherheit am stärksten. Dort haben wir ganz konkrete, messbare Erfolge aufzuzeigen.

Zweitens haben Österreich und Europa insgesamt in dieser Zeit ganz enorm an Sicher­heit gewonnen; ich werde bei meinen weiteren Ausführungen im Detail darauf ein­gehen. Dieser Sicherheitsgewinn ist zweifellos einer der stärksten Vorteile, den wir aus der Mitgliedschaft bei der Europäischen Union gezogen haben und auch in Zukunft ziehen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der dritte große Vorteil liegt meiner Meinung nach auf der einen Seite im Bedeu­tungsgewinn für unser Land, aber auf der anderen Seite auch darin, dass wir insge­samt als Gesellschaft, als Land weltoffener geworden sind und stärker in die Zukunft schauen. Das ist eine der ganz großen Dimensionen für die Zukunft.

Aber man soll auch die Frage stellen: Was ist eigentlich der Nachteil von Europa? – Natürlich kann man Einzelheiten anführen und über dieses oder jenes diskutieren. Im Wesentlichen betrifft dies den Bereich der zusätzlichen vierten Verwaltungs- und Regierungsebene. Das macht das Ganze sicherlich nicht einfacher. Wenn wir uns aber


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 15

vor Augen halten, dass wir damit auch in neue Dimensionen und Entscheidungsfelder gelangten, die bis dahin für uns nicht offen waren, dann relativiert sich wahrscheinlich selbst diese Frage.

Ich möchte aber jetzt einige Details zu den einzelnen Dimensionen anfügen. Zunächst spreche ich die Bereiche Wohlstand und Arbeitsplätze an: Es ist tatsächlich gigantisch, wie sich Österreich wirtschaftlich entwickelt hat! Wir haben innerhalb von wenigen Jahren unsere Exporte verdoppelt! Den Österreichern ist wahrscheinlich zu einem Gutteil gar nicht bewusst, dass heute mehr als jeder zweite Euro nicht innerhalb von Österreich, sondern im Ausland verdient wird. Das heißt, die Hälfte unseres Wohl­standes ist darauf zurückzuführen, dass wir in das Ausland exportieren können. Es ist seit dem Jahr 2002 etwas eingetreten, was früher keiner von uns für möglich gehalten hätte, nämlich, dass wir einen Exportüberschuss erzielen, dass wir eine positive Handelsbilanz haben. Jahrzehnte hindurch war der Ausgleich in der Zahlungsbilanz nur durch die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr möglich. Heute ist bereits eine Struktur vorhanden, wo wir allein aus dem, was wir verkaufen, eine positive Bilanz haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist nicht ausschließlich auf die EU zurückzuführen – das muss man sagen –, sondern da trugen die Reformen, die wir durchgeführt haben – von den Steuer­sen­kungen, dem Steuermodell bis zu den Anreizen für die Wirtschaftstätigkeit –, und die Ost-Öffnung dazu bei. Eines können wir mit Sicherheit sagen: Den Erfolg mussten wir uns selbst erarbeiten. Den Rahmen dazu lieferte die EU. Das ist das Wesentliche!

Ähnliches gilt für die Sicherheit. Denken wir nur daran, wie es vor zehn Jahren etwa am Balkan ausgesehen hat und welche Rolle die EU dort spielt! Denken wir auch daran, welche Rolle Österreich mit einem Botschafter Petritsch, mit einem Erhard Busek und mit einem Bundeskanzler Schüssel – der von der Europäischen Union gemeinsam mit den Amerikanern bei der letzten Konferenz dazu ausersehen wurde, vor dem amerikanischen Präsidenten Bush die europäische Sicherheitspolitik am Balkan zu präsentieren – spielt! Österreich spielt dort eine wichtige Rolle! Wir sind stolz darauf, Herr Bundeskanzler, und bedanken uns für Ihre Initiative und Ihre Tätigkeit in diesem Bereich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Europa hat darüber hinaus für die Bürger nicht nur Arbeitsplätze gebracht, sondern auch die Möglichkeit (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), ohne Pass und mit derselben Währung ins Ausland zu reisen. Vieles mehr könnte man aufzählen.

Wesentlich ist, dass wir jetzt nicht stehen bleiben, sondern an diesem zukünftigen Europa mitbauen. Die Europäische Union gibt uns den Rahmen dafür – wir sollten die Chance ergreifen. Dann haben wir die Möglichkeit, ein großes Österreich in einem großen Europa zu bauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.29


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

 


9.29.31

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es stellt sich die Frage: Warum jubeln meine Vorredner, aber warum ist in der Bevölkerung nicht solch eine Jubelstimmung? – Diese Frage sollten wir erörtern, weil uns Europa, die Europäische Union, dieses Friedens­projekt und – wie ich auch hoffe – Sozialprojekt ein echtes Anliegen ist.

Soweit wir dieses Projekt damals verstanden haben – Franz Vranitzky, Brigitte Ederer, Alois Mock und vielen andere haben damals für den Beitritt Österreichs zur Euro­päischen Union gekämpft –, wollten wir schon die europäischen sozialen Traditionen in die Auseinandersetzung über die Globalisierung einbringen. Es geht nicht darum, dass die Globalisierung bloß in Europa ihre Fortsetzung findet auf Kosten des Lohnniveaus,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 16

auf Kosten des Standards, auf Kosten der Arbeitsplätze und auf Kosten der Sicherheit. Das kann nicht das gemeinsame europäische Projekt sein, und dafür muss man etwas tun!

Ich denke, eine kritische Reflexion ist durchaus solidarisch, notwendig und auch angebracht. Man muss da auf zwei Ebenen ansetzen. Das eine ist die Frage, ob sich die Europäische Union im Moment in die richtige Richtung entwickelt. Wir haben 19 Millionen Arbeitslose in der Europäischen Union, 15 Prozent der Menschen in der EU leben unterhalb der EU-weiten Armutsgrenze. Das Ziel 2010, dass die Europäische Union der stärkste Wirtschaftsraum der Welt wird, ist auf Grund von EU-Studien nicht mehr erreichbar. Da muss etwas schief gelaufen sein.

Es hat Initiativen für mehr Wachstum in Europa gegeben. Nicht alle Regierungen, auch nicht die österreichische Bundesregierung, haben das vom ersten Moment an mit unterstützt. Diese Wachstumsperspektive wäre aber wichtig gewesen, wenn die EU der stärkste Wirtschaftsraum werden soll, wäre wichtig gewesen, wenn es zur Ab­sicherung von Arbeitsplätzen hätte kommen sollen. Dazu ist es nicht gekommen, und das muss man kritisch reflektieren, wenn einem die Europäische Union am Herzen liegt.

Es gibt noch viele andere Erscheinungen: die Kritik der Bürger an der Bürokratie, viel­leicht auch an mangelnder Demokratie, an so manchen Vorkommnissen im Euro­päischen Parlament, das zu Recht kritisiert wurde, an einer manchmal abgehoben agierenden Europäischen Kommission, auch wenn sich die Regierungschefs treffen und Entscheidungen gemeinsam beschließen, vollziehen und auch umsetzen wollen. Nicht immer war es dem Bürger einsichtig.

Denken wir an den gesamten Erweiterungsprozess! In vielen Ländern in Europa hat es Kritik am Tempo dieser Erweiterung, an der Größenordnung dieser Erweiterung gege­ben. Denken wir an die Entscheidung, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufzu­nehmen – das wurde gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung in der Europäischen Union beschlossen.

Wer diesen Weg geht, der muss wissen, dass das nicht die Skepsis gegenüber der EU abbaut. Da helfen dann keine Sonntagsreden, da helfen auch keine Jubelreden, sondern man muss die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger in Europa – und in diesem Fall in Österreich – ernst nehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scheibner.) – Dazu möchte ich in diesem Zusammenhang auffordern.

Vorhin habe ich gehört, Österreich hätte einen Bedeutungsgewinn erzielt. Ich bestreite das. Ich glaube, dass es Österreich nicht gelungen ist, dauerhafte Partnerschaften zu schließen und Bündnisse zu entwickeln, denn dann hätten wir österreichische Inter­essen in manchen Bereichen der Europäischen Union besser durchsetzen können.

Ich denke dabei an die Transitfrage. (Abg. Mag. Molterer: Klima!) – Ich sage das durchaus kritisch, egal welche Regierungskonstellation es gab, aber Sie stellen sich her und sagen mit viel Weihrauchfassschwenken: Die letzten Jahre waren der große Bedeutungsgewinn für Österreich in der Europäischen Union! – Ich sehe das nicht so! In der Transitfrage hat sich Österreich nicht durchgesetzt! In der Antiatomfrage hat sich Österreich nicht durchgesetzt! Jetzt findet gerade ein Abwehrkampf statt bezüg­lich Absicherung einer hochwertigen und für die gesamte Bevölkerung leistbaren Ver­sorgung mit Dienstleistungen, der öffentlichen Daseinsvorsorge, was eine ganz wich­tige Frage ist.

Wo hat sich Österreich in der Frage Wachstum einmal richtig positioniert und letztlich durchgesetzt? – Franz Vranitzky und die damalige Bundesregierung waren die letzten,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 17

die sich für Wachstum und Beschäftigung eingesetzt haben, obwohl das ebenfalls wichtige Zielsetzungen in der Europäischen Union sein sollten.

Da gibt es also sehr viel kritisch anzumerken, und es ist daher richtig und kein Zufall, dass es diese Skepsis der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Europäischen Union gibt.

In Österreich haben wir derzeit 8,9 Prozent Arbeitslosigkeit, 361 000 Personen in Österreich sind ohne Arbeit. Wenn wir uns ansehen, wo sich Österreich im Vergleich mit den vor der Erweiterung noch 15 Mitgliedern der Europäischen Union positioniert hat, wie wir eine Position nach der anderen verloren haben, dann ist eine kritische Reflexion auch seitens der Redner der beiden Regierungsparteien angesagt. Ich finde, es wäre notwendig, dass das auch eingesehen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

9.34


Präsident Dr. Andreas Khol: Nun kommt Herr Abgeordneter Dr. Bösch zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


9.35.05

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Außenministerin! Meine Damen und Herren! Zehn Jahre Europäische Union bedeuten auch zehn Jahre grundsätzlicher Umwälzungen.

Herr Kollege Cap, Sie haben schon Recht, dass man auch kritisch über diese zehn Jahre reflektieren sollte. Es ist geradezu seltsam, dass wir in diesem Jubiläumsjahr nicht nur das Jubiläum „10 Jahre Beitritt Österreichs zur Europäischen Union“, sondern auch die Jubiläen „60 Jahre Kriegsende“ und „50 Jahre Staatsvertrag“ mit verschie­densten Veranstaltungen in unserer Republik begehen und dieser Ereignisse geden­ken.

Es ist deshalb seltsam, weil das eigentlich einen großen Bruch darstellt, weil mit 1. Jänner 1995, mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, eigentlich für unser Land die Nachkriegszeit zu Ende gegangen ist und weil mit 1. Jänner 1995 auch der Staatsvertrag ein Dokument – ein sehr wichtiges Dokument – unserer Geschichte geworden ist.

Meine Damen und Herren! Ein Land, das einen so eindrucksvollen und souveränen Schritt gesetzt hat, wie das unsere Republik getan hat, braucht keine Signatarmächte mehr, sondern – Herr Kollege Cap, Sie haben das richtig gesagt – braucht Partner; Partner für diesen Weg in das neue Europa, und diesen Weg wollen wir Freiheitlichen kraftvoll mitgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Europäische Union, meine Damen und Herren, ist ein Experiment. Dessen müssen wir uns alle bewusst sein. Es gibt keinen historischen Präzedenzfall dazu. Noch nie hat dieser Kontinent versucht, auf friedlichem Wege eine Einigung herbeizuführen. Noch nie ist es gelungen, ohne die Dominanz eines machtvollen Staates in Europa diesen Weg zu beschreiten. Das tut jetzt diese Europäische Union. Deshalb ist die Euro­päische Union – man kann zu ihr in verschiedenen Aspekten stehen, wie man will – jenes Fahrzeug, mit dem wir, unsere Generation, diesen Weg befahren werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist auch Österreichs Teilnahme für uns Frei­heitliche eigentlich eine Selbstverständlichkeit geworden. Wir haben den EU-Beitritt kritisch betrachtet. Wir haben viele kritische Aspekte im Rahmen der Entwicklung ein­gebracht. Dennoch respektieren wir, glaube ich, das eindrucksvolle Volksabstim­mungs­ergebnis des Jahres 1994 und glauben, dass die Europäische Union auf einem guten Weg ist. Wir wollen, dass das Experiment Europäische Union gelingt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 18

Das Ziel dieser Union muss es sein – und meine Vorredner, wie zum Beispiel Abgeord­neter Molterer, haben es schon angesprochen –, Wohlstand und Sicherheit zu gewährleisten, Wohlstand und Sicherheit auch für die kommenden Generationen zu garantieren, und deshalb ist es auch wichtig, dass wir unsere Positionen in der künf­tigen europäischen Politik weiterhin kraftvoll einbringen.

Eine dieser Positionen heißt Vertiefung vor weiterer Erweiterung. Dieser Punkt ist von einer ganz besonderen Bedeutung. Es muss unser Ziel sein, dass all jene Elemente, die für das Funktionieren Europas wichtig sind – Kollege Molterer ist auf einige wichtige Aspekte eingegangen –, auch zum Leben erweckt werden, dass diese Mechanismen in der politischen Führung aller Mitgliedsländer der Europäischen Union auch imple­mentiert werden, dass Europa in jenen Bereichen, in denen es wichtig ist, zusam­menwächst, zum Beispiel im Bereich der Sicherheit, zum Beispiel in der Vertretung nach außen.

All diese Punkte müssen vor einer weiteren Erweiterung geschehen. Auf diesem Weg hat auch Österreich einige bemerkenswerte Dinge erreicht. Wir sollten da unser Licht nicht unter den Scheffel stellen.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie an die Zeit der Sanktionen, an das Jahr 2000, als von den anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union vertragswid­rig Sanktionen gegen unser Land ausgerufen worden sind und unser Land sozusagen über einen bestimmten Zeitraum aus der EU gedrängt worden ist, wenn auch nicht juristisch, so doch mental.

Österreich hat diese Zeit durchgekämpft, und wir alle können stolz darauf sein, dass wir hier Selbstbewusstsein gezeigt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt ist auch die Diskussion über den EU-Beitritt der Türkei, Herr Kollege Cap! Wissen Sie, gerade diese Bundesregierung hat in diesen Verhandlungen auf europäischer Ebene Wesentliches erreicht, Dinge, über die Sie hier in der Debatte noch gespottet haben, als wir davon sprachen. Es ist jetzt im Dokument festgelegt, dass die Verhandlungen offen sein werden, und es ist im Dokument festgelegt, dass dann, wenn es mit der Türkei zu keinem Beitritt kommt, andere vertragliche Regelun­gen festzuschreiben sind – und genau das wollen wir!

Wir wollen, dass mit der türkischen Republik ein Mustervertrag erstellt wird, der für alle anderen Länder gilt, die auch in die Europäische Union wollen, denen wir aber ehrlich und rechtzeitig sagen müssen: Ihr könnt niemals Mitglied werden! Das sind vor allem die Ukraine und Weißrussland, zwei Länder der ehemaligen Sowjetunion.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen beurteilen die letzten zehn Jahre als durch­aus positiv, erkennen auch die Notwendigkeit an, dass ein mittelgroßes Land wie Österreich in wichtigen Punkten seine Interessen konsequent vertreten muss – und das, meine Damen und Herren, werden wir auch weiterhin tun! – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.40


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek ans Rednerpult. Auch Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


9.40.52

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Außenministerin! Meine Damen und Herren! Ja, es stimmt, in diesen letzten zehn Jahren hat sich für Österreich sehr viel verändert. Wenn wir uns erinnern, wie es damals vor zehn Jahren war, dann müssen wir sagen: Es gab sehr viele Erwartungen, positive Erwartungen, aber auch sehr viele Ängste, und daran hat sich einiges geändert, aber lange nicht alles.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 19

Wir Grüne waren damals sehr skeptisch. Mittlerweile haben wir uns gewandelt zu einer Partei, zu Menschen, die für diese Europäische Union eintreten, aber für eine soziale, für eine ökologische und für eine Friedensunion, und dafür kämpfen wir auch, denn es ist leider noch nicht alles so. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Großruck: Wo?) – Herr Kollege Großruck fragt, wo. Wir sind die ersten, vor allen anderen, die letztes Jahr eine europäische Partei gegründet haben und die tatsächlich auf europäischer Ebene zusammenarbeiten. Lassen Sie sich das gesagt sein! (Abg. Großruck: Das ist sehr wenig, dürftig!)

Dieser Einsatz für ein soziales, für ein ökologisches Europa und für ein Friedensprojekt Europa bedeutet aber auch, dass wir uns zum Beispiel gegen sehr neoliberale Tendenzen zur Wehr setzen müssen. Jüngstes Beispiel ist diese Bolkestein-Richtlinie, die bedeutet, dass Dienstleistungen so bezahlt beziehungsweise so gehandhabt wer­den sollen wie im Herkunftsland. Das bedeutet ein Sozial- und Qualitätsdumping der besonderen Art.

Wissen Sie, wer einer der Vorreiter für diese Bolkestein-Richtlinie ist, wer sich dafür einsetzt? Minister Bartenstein! Er findet, dass wir da weitertun müssen. Das soll quasi zu einer Bartenstein-Richtlinie werden! (Abg. Mag. Molterer: Bleiben Sie bei der Wahrheit!) Gegen diese Tendenzen, meine Damen und Herren, setzen wir Grüne uns zur Wehr. Das würden wir uns auch von einer Bundesregierung erwarten, die sich ständig die Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen schreibt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Das stimmt nicht! Sagen Sie die Wahrheit!)

Was die parlamentarischen Debatten betrifft, so bin ich auch sehr froh, dass wir in Zukunft Mitglieder des Europaparlaments und auch die österreichische Kommissarin hier hören werden. Aber das ist nicht nur Herrn Präsidenten Khol zuzuschreiben, sondern ich möchte daran erinnern, dass das im Rahmen der Verfassungsdebatte und im Rahmen der Konferenz der Europa-Ausschüsse der nationalen Parlamente dis­kutiert wurde und dass das in allen Ländern jetzt sein wird, wobei ich es durchaus sinnvoll fände, auch Europaabgeordnete oder Kommissare oder Kommissarinnen, die nicht Österreicher oder Österreicherinnen sind, hier hören zu können. Vielleicht könnten wir das in Zukunft noch ändern.

Ich möchte einen Aspekt ansprechen, der vor allem von den Mitgliedern der ÖVP bisher nur zum Teil gestreift wurde. Ich war sehr erstaunt, dass weder vom Kollegen Molterer noch von Frau Ministerin Plassnik auch nur ein Wort über die österreichische Neutralität im Zusammenhang mit der Sicherheits- und Verteidigungs- und Außen­politik gefallen ist.

Frau Ministerin, Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit noch gesagt, wie wichtig Ihnen die österreichische Neutralität sei. Jetzt ist davon nichts mehr zu hören. Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die gemeinsame Außenpolitik haben Sie erwähnt. Aber wo bleibt der Hinweis darauf, dass Österreich und auch diese Bundesregierung immer noch auf dem Boden der Verfassung stehen, die österreichische Neutralität vertei­digen, eine aktive Neutralitätspolitik wollen und das auch im Rahmen der EU fest­schreiben? (Abg. Scheibner: Was ist das innerhalb der EU, eine aktive Neutralitäts­politik?)

Erst ganz spät hat sich während der Regierungskonferenz dann auch die öster­reichi­sche Bundesregierung mit anderen neutralen und bündnisfreien Staaten dafür eingesetzt, gemeinsam in der Verfassung zu verankern (Abg. Scheibner: Was be­deutet das in der Praxis, was ist das?), dass jeder Staat gemäß der eigenen Ver­fassung, des eigenen Verfassungsrechtes aktiv wird. Das bedeutet, dass wir immer noch auf dem Boden dieser Neutralität stehen. (Abg. Scheibner: Das hat mit der EU überhaupt nichts zu tun!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 20

Sie wissen genau, dass das eine aktive Friedenspolitik bedeutet und dass das auch eine Absage an jegliche Beteiligung und jegliche Planung, dass man vielleicht einmal der NATO beitreten könnte, bedeuten muss. Diese Worte haben wir vom Bundes­kanzler viel zu wenig deutlich gehört. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt immer noch einige in der ÖVP, die sagen: Die NATO wäre ja doch nicht schlecht, gerade nach dem letzten Gipfel mit Bush und mit der EU in Brüssel. (Abg. Scheibner: Puffblasen sind das!) Der Bundeskanzler hat selbst gesagt, dass er die Teilnahme Österreichs an der strukturierten Zusammenarbeit eines militärischen Kerneuropa wolle. Meine Damen und Herren! Dazu gibt es von uns ein ganz ein­deutiges Nein.

Deswegen finde ich es auch sehr interessant, dass sich in der Info-Broschüre über die EU-Verfassung, die von der Bundesregierung herausgegeben wurde, das Wort Neu­tralität nicht findet. Wir dürfen uns, meine Damen und Herren, daher nicht wundern, dass es in der österreichischen Bevölkerung große Skepsis gegenüber dieser Euro­päischen Union gibt, weil sie den Eindruck hat, dass diese Bundesregierung nicht ehrlich und richtig informiert und dass sie nicht immer alles, was sie im Hinterkopf vorhat, sagt. Wir fordern eine ehrliche Europapolitik!

Frau Ministerin, wenn Sie sagen, wir dürfen mitgestalten, dann formuliere ich das anders. Ich sage: Österreich soll, muss und will mitgestalten! Dafür muss man sich aber auch stärker einsetzen, als es diese Bundesregierung bisher getan hat. (Beifall bei den Grünen.)

9.46


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitter­leh­ner. – Bitte.

 


9.46.27

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stellvertretend für die kritischen Fernsehzuschauer sei Helmut Rechberger – das ist eine besondere per­sönliche Geschichte – begrüßt. Ich möchte, nachdem jetzt in sehr kritischer Form von Frau Lunacek angemerkt worden ist, dass wir uns zu bestimmten Themen wie Neutralität verschweigen, eines feststellen: Wer hier Verunsicherung betreibt, das sind Sie! Wir haben es nicht notwendig, zum Thema Neutralität zu betonen, dass wir auf dem Boden der Verfassung und auf dem Boden der Gesetze agieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was aber richtig ist und was ich hier auch ansprechen möchte, ist, dass wir nach der Euphorie der Jahre 1994 und 1995 nun in der Be­völkerung eine etwas andere Stimmung verspüren. In „Offen gesagt“ am Sonntag ist auch zum Ausdruck gekommen, dass die EU der Sündenbock ist. Viele unserer Bürger machen die EU für das, was sie verspüren, für die Bürokratie, für die teilweisen Wachs­tumsprobleme, direkt verantwortlich und machen sich es vielleicht auch etwas einfach, ohne sich die Fakten anzuschauen.

Deswegen ist dieses Jahr so wichtig, nämlich dass wir Bilanz ziehen, uns damit aus­einander setzen, was tatsächlich in den letzten zehn Jahren passiert ist, und dann auf dieser Basis entsprechend arbeiten und weiterarbeiten. Gerade was die Wirtschaft und den wirtschaftlichen Rahmen anlangt, haben wir in den letzten zehn Jahren die besten Voraussetzungen geschaffen. Es ist heute schon von einem Vorredner etwas sehr Wichtiges angesprochen worden: Wir spielen wirtschaftlich gesehen, was den Außen­handel anlangt, in einer anderen Liga. Wir spielen nicht mehr in der Bezirksliga, sondern wir spielen in der Champions League, und Sie sehen das an Hand der Raten.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 21

Wir haben in den letzten zehn Jahren unsere Exporte verdoppelt und haben nach Irland die beste Performance in der gesamten EU aufzuweisen. Irland hat eine jährlich durchschnittliche Steigerung in der Höhe von 11,2 Prozent und wir eine Steigerung im Ausmaß von 10,5 Prozent. Was aber noch wichtiger ist, als dass wir die Exporte gesteigert haben, ist, dass wir die Importe reduzieren konnten. Das heißt also, unsere Leistungsbilanz ist nach Jahren, in denen sie defizitär war, wieder ausgeglichen.

Warum das so ist, ist einfach erklärt: weil wir nämlich unsere Arbeitsproduktivität verbessert haben. Wir haben uns, was die Lohnstückkosten anlangt, im Jahr 1995 noch auf dem 11. Platz befunden und sind jetzt auf den 7. Platz vorgerückt. Wett­bewerbsfähigkeit hängt entscheidend von den Lohnstückkosten ab, und da haben wir uns wirklich sehr gut entwickelt. Das kommt auch im World Competitiveness Report entsprechend zum Ausdruck. Die Score card zeigt, dass wir im Jahr 1994 an 28. Stelle waren und uns in den letzten Jahren auf den 13. Platz vorgearbeitet haben. Das ist ein enormer Erfolg für die österreichische Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Es ist gerade in den Bilanzen, die jetzt immer wieder aus der EU-Mitgliedschaft gezogen werden, sehr oft von Frau Staats­sekretärin Ederer und ihren berühmten 1 000 S die Rede. – Wenn Sie es genau nehmen, dann schauen Sie sich einmal die Inflationsraten an: Wir hatten im Jahr 1993 und vorher immer mehr als 3 Prozent. Wir haben diese 3 Prozent in den gesamten zehn Jahren nie gehabt, haben jetzt vielleicht ein bisschen Probleme durch die steigen­den Ölpreise, aber im Großen und Ganzen immer Raten um 1 bis 2 Prozent, einmal, im Jahr 1999, waren es sogar nur 0,6 Prozent.

Was heißt das, meine Damen und Herren? – Das ist ja für die Fernsehzuschauer wirk­lich interessant! – Das heißt, auch nach Wifo-Studien, dass wir uns im Jahr 1,1 Milliar­den € ersparen. Umgerechnet auf die 1 000 S der Frau Staatssekretärin Ederer: Als Österreicher erspart man sich pro Person 145 €. – Das ist der Vorteil der EU!

Vielleicht der größte, der wirklich größte Vorteil, meine Damen und Herren, ist: Wir haben unsere Strukturen geändert, wir gehen langsam den Weg von der Grundstoff­industrie hin zur Technologieorientierung, hin zur Innovationsorientierung, so wie es international üblich ist, und da hat uns die EU geholfen. Warum die EU? – Weil in diesem Zusammenhang viele Forschungsmittel zu uns gekommen sind, weil es Rah­menprogramme der EU gab und auch von der Bundesregierung die richtigen Maßnah­men gesetzt wurden.

Wenn Sie sich die Betriebsgründungsstatistik und all die Maßnahmen anschauen, dann können Sie feststellen, dass es nicht so ist, dass es nur Große gibt. Wir haben pro Jahr 30 000 neue Betriebe, 1 000 Kleinbetriebe mehr! – Die EU ist daher ein guter Boden für uns, für unsere Betriebe und – denn Betriebe sind ja kein Selbstzweck – damit für die Arbeitsplätze in Österreich. Diese haben sich im EU-Vergleich positiv ent­wickelt, wir haben eine Spitzenstellung erreicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben die Chancen in der EU ergriffen. Ich glaube, Sie von der Opposition sollten auch sehen: EU ist kein Ergebnis, EU ist ein Prozess, und diesen Prozess müssen wir bestens mitgestalten, sonst werden wir gestaltet werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.52

Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte, Herr Kollege.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 22

9.52.04

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten uns be­mühen, bei einer Beurteilung dieser zehn Jahre Österreichs in der EU fair und ausbalanciert zu sein.

Es stimmt, dass es große Probleme in der EU gibt, und es stimmt, wenn es nicht gelingt, mehr Beschäftigung in Europa zu schaffen, dass all die richtigen und schönen Worte von der großen Idee und von dem Friedensprojekt abprallen werden, wenn die Menschen keine Arbeit haben. Aber es stimmt auch genauso, dass es für unser Land richtig und wichtig war, der EU beizutreten, und dass eine Rolle Österreichs außerhalb der EU heute weder wirtschaftlich noch politisch vorstellbar ist.

Es stimmt, meine Damen und Herren, dass sich Österreich gut eingefügt hat, es stimmt, dass man auf uns hört, es stimmt, dass unser Kommissar Fischler in diesem Jahrzehnt eine wirkliche Rolle gespielt hat, es ist so, dass die österreichischen Abgeordneten im Europäischen Parlament eine wichtige Rolle spielen – wenn ich von manchen Äußerungen, die nicht gerade hilfreich sind, absehe –, und es stimmt, dass nach anfänglichen Schwierigkeiten, wie auch auf Beamten- und anderen Ebenen, die Mechanismen der EU nützen.

Aber es stimmt auch, dass man nicht alles nur durch die rosarote Jubiläumsbrille betrachten sollte und dass es auch Fehleinschätzungen und Fehler gegeben hat. Ja, die richtige Überlegung, dass die kleinen Länder in der EU nur gemeinsam stark sein können und den großen Paroli bieten können, hat nur zögerlich und schwankend und zu lautstark in manchen Erklärungen österreichseits begonnen. Auch die diesbezüglich groß angekündigte Partnerschaft Österreichs mit den neuen zentral- und osteuro­päischen Beitrittsländern war anfangs mangelhaft ausgelotet und durch bilaterale Fragen zu stark belastet; aber wir sollten auch sehen, dass mittlerweile da gute Kon­takte bestehen und glücklicherweise nun Österreich immer stärker auch einen Platz als der Experte für Balkan- und osteuropäische Fragen in der EU einnimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

Beides ist richtig: die Fehler, die gemacht wurden, und die Fortschritte, die zu sehen sind.

Wir haben auch in anderen Fragen Fehleinschätzungen gehabt. Ich glaube, eine der großen Fehleinschätzungen war es – ich möchte das jetzt nur sehr kurz anreißen –, dass man in der Frage der Sicherheitspolitik glaubte oder dass die Regierung glaubte, dadurch behindert zu sein, dass wir neutral sind und nicht der NATO angehören können, und dass diese vermeintliche Behinderung dazu führte, dass wir uns selbst dabei behindert haben, aktiver in außenpolitischen Fragen eine Rolle zu spielen. Das hat glücklicherweise nun einer neuen Einschätzung Platz gemacht, und ich glaube, wir können jetzt auch eine Rolle als Neutraler in der EU und in der europäischen Politik spielen. Nur sollen wir diese Rolle dann auch beibehalten, Frau Bundesminister! Dass wir gleich in der Frage der Battle Groups wieder rückfällig werden und einem vermeint­lichen Druck sofort nachgeben, wäre falsch. Ich glaube, wir sollten auch da bei der Linie bleiben, und diese Linie heißt: Einsatz Österreichs außerhalb der EU nur auf Basis eines UNO-Mandates und eines Beschlusses der UNO selbst. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auch im Parlament hat es lange gedauert – das müssen wir auch fairerweise sagen –, und ich bin froh, dass es jetzt dazu kommt, dass wir uns stärker mit europäischen Fragen beschäftigen werden. Das ist auch eine Herausforderung an uns alle, und ich nehme meine eigene Fraktion nicht aus, das betrifft alle. Wir sind geneigt, die Hälfte der Aufgaben, die uns national noch geblieben sind, hier im Parlament mit derselben


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 23

Breite zu behandeln wie früher das andere, weil es innenpolitische Fragen sind, weil es eine Rolle für die Wahlkämpfe spielt, weil es im Wahlkreis eine Rolle spielt. Wir sollten auch die europäischen Fragen, die schon die Hälfte unserer Arbeit ausmachen, in der gleichen Zeitintensität nicht bloß im Unterausschuss, nicht bloß im EU-Hauptaus­schuss, sondern hier im Plenum auch für Fernsehübertragungen behandeln, denn dann würden auch die Menschen dieses Landes sehen, dass das eine neue Ebene, eine neue, wichtige Ebene unseres Handelns ist. (Allgemeiner Beifall.)

Wir müssen die EU als Ebene des politischen Handelns begreifen, als neue Ebene, wo wir auch für unser Land, für die Menschen unseres Landes und darüber hinaus auch für die Menschen in den anderen Ländern dieses Kontinents – und die EU ist ja nicht das gesamte Europa, das gesamte Europa ist größer –, für all diese Menschen han­deln können. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen.)

9.57


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


9.57.49

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Auch in dieser Debatte, wie auch sonst bei Europa-Diskussionen, wird immer die Frage gestellt: Warum ist denn die Skepsis in der Bevölkerung nach wie vor so hoch, obwohl doch alles so toll ist – in Österreich, in Europa, durch die Europäische Union und mit der Europäischen Union? – Ich glaube, dass mit ein Grund für diese Skepsis auch ein natürliches Empfinden in der Bevöl­kerung ist, dass in der Europäischen Union eine Differenz zwischen dem, was gesagt wird, dem, was geschrieben wird, auf der einen Seite und dem, was Realität ist, auf der anderen Seite besteht und dass es da einen Abstand, eine Lücke gibt zwischen den Räten und den Institutionen in Brüssel einerseits und den Menschen, den Bürgern, der Bevölkerung andererseits. Ich glaube, das ist ein Problem, mit dem wir uns auseinan­der setzen müssen, gerade wir als Volksvertreter. Die Menschen haben auch das Gefühl, dass nicht immer ganz ehrlich mit der Information umgegangen wird, aus den verschiedensten Gründen, und da müssen wir in Österreich uns doch auch an der Nase nehmen, wenn wir schon zehn Jahre EU-Mitgliedschaft Revue passieren lassen.

War das nicht auch immer ein bisschen ein Problem in der Informationspolitik, von Be­ginn an, auch vor der Volksabstimmung 1994? Hat man es nicht damals, 1994/1995, verabsäumt, einen nationalen Konsens in der Europapolitik herzustellen? Hat man nicht damals in der Informationspolitik alles schöngeredet und es verabsäumt, auf die Probleme – die selbstverständlich damals bestanden haben –, auf die Schwierigkeiten, auf die Nachteile, auf die Ängste der Bevölkerung einzugehen? (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Hätte man sich nicht auch aktiver vorbereiten müssen? Hätte man nicht das eine oder andere aktiver und konsequenter verhandeln müssen? Ich erinnere an den Transitver­trag, der uns heute noch solche Probleme macht, weil man damals nicht voraus­schauend auch auf die nächsten 10, 15, 20 Jahre die Verhandlungen geführt hat.

Herr Kollege Schieder, da Sie die Neutralität ansprechen – das ist ja auch so ein Thema und so signifikant –: Sie sagen heute, wir müssen unsere Neutralität – auch Frau Kollegin Lunacek hat das gesagt – hochhalten und in die Europäische Union einbringen. Nur: Sie wissen ganz genau, dass außerhalb der Grenzen Österreichs niemand mehr diese Frage, diese Problemstellung überhaupt noch versteht, dass das eine innerösterreichische Diskussion ist. Auch Sie, die Sie sich sehr intensiv mit Außenpolitik beschäftigen, wissen, dass das eine andere Realität ist. Sonst hätte man


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 24

doch nicht der Bevölkerung gesagt, wir werden als neutrales Land in die Europäische Union hineingehen. (Abg. Schieder: Herr Kollege, die ganze EU verhält sich immer mehr, als ob sie neutral wäre!)

Ja, hineingehen, Herr Kollege Schieder – und dann gleichzeitig einen Side letter mit der Europäischen Union vereinbaren, der dann nicht publiziert wird. In diesem hat sich Österreich schon damals voll und ganz und ohne Wenn und Aber zu den Zielen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bekannt!

Wenn man heute sagt: UNO-Mandat für militärische Einsätze!, dann weiß man ganz genau, dass das nicht geht. (Abg. Mag. Lunacek: Wieso denn nicht?) Sonst hätten nicht Sie, Herr Kollege, ... (Abg. Schieder: Den Side Letter zeigen Sie einmal her!)

Na, den zeige ich Ihnen gerne! (Abg. Schieder: Ich kenne ihn nicht!) Über diesen Side Letter haben wir auch schon damals diskutiert, den Sie verabschieden mussten, weil die Europäische Union Angst gehabt hat, dass da ein Trittbrettfahrer Mitglied wird. Andere Länder haben das gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Den zeigen Sie einmal her, den Side Letter!)

Sie wissen auch ganz genau, warum Sie 1998 die österreichische Bundesverfassung geändert haben, wo die Teilnahme Österreichs an militärischen Einsätzen verankert worden ist, auch ohne Mandat der Vereinten Nationen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Aha! Aha!) Das wissen Sie alles, nur sagen Sie in der Öffentlichkeit immer etwas anderes. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Realitätsverweigerung! – Das ist ja ein Zickzackkurs!)

Ich sage: Wir bekennen uns dazu, dass diese Europäische Union auch eine Sicher­heitsunion sein muss und dass sich unsere Neutralität grundlegend gewandelt hat, dass es nicht mehr darum geht, die Neutralität so wie 1955 zu interpretieren (Abg. Mag. Lunacek: Sie bekennen sich dazu, dass es kein UNO-Mandat braucht?), sondern dass es darum geht, nicht an Kriegen teilzunehmen – na selbstverständlich, da gibt es einen Konsens! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch – auf die SPÖ-Fraktion weisend –: Ein Zickzackkurs ist das! – Krisensitzung!) –, dass es keine dauernde Stationierung von fremden Truppen in Österreich geben soll – Konsens! –, dass es auch keine Mit­gliedschaft in einem reinen Militärbündnis derzeit gibt und wahrscheinlich auch auf absehbare Zeit nicht geben wird – auch darüber gibt es einen Konsens! Aber das ist etwas ganz anderes, als 1955 unter der Neutralität verstanden worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ehrlichkeit, Offenheit, Dynamik: Das wäre eine sinnvolle Europapolitik! Da gibt es noch einiges zu tun, denn die Sicherheitsunion besteht ja in weiten Bereichen erst auf dem Papier, genauso wie die Wirtschaftsunion oder die Sozialunion erst auf dem Papier besteht. Da hat Europa eine wichtige Aufgabe – und es gibt keine Alternative zur Europäischen Union, wenn man ja sagt zu Europa.

Aber man muss auch Kritik üben, denn nur dann wird dieses gemeinsame Projekt eines vereinten, eines friedlichen Europa auch ein Erfolgsrezept und eine Erfolgs­geschichte werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.03


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Öllinger. Seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.03.21

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa ist noch lange nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern ange­kom­men. Wenn Sie mich fragen: Diese Auseinandersetzung steht uns erst bevor. Schauen Sie sich quer durch Europa an, wie die europäischen Bürgerinnen und Bürger oder die Bürger der Nationalstaaten sich derzeit, wenn Europa auf der Tagesordnung steht,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 25

damit auseinander setzen! – Das ist kein Vorwurf an die Bürgerinnen und Bürger, sondern da hat die Politik noch einiges vor sich, was Transparenz betrifft, was Mit­entscheidung betrifft, was die Möglichkeiten betrifft, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Europa überhaupt als ihr gemeinsames Europa wahrnehmen können.

Schauen Sie sich doch an, wie auch Sie hier in diesem Saal diskutieren! Herr Kollege Molterer, ich habe bei Ihrer Rede gerne und sehr aufmerksam zugehört. Auf der einen Seite sagen Sie, der Wettbewerb, na gut, der ist schärfer geworden. (Abg. Mag. Mol­terer: Das ist so!) Ja, aber bitte, auf der anderen Seite beschwören Sie und be­schwören wir das gemeinsame Europa. Meine Kollegin Lunacek hat nicht zu Unrecht, sondern ganz richtig darauf hingewiesen, dass Sie als Regierung beispielsweise mit Herrn Minister Bartenstein, aber auch Europa mit dem ehemaligen Kommissar Bolke­stein eine Dienstleistungsrichtlinie planen, die für Österreich vorsehen würde, dass hier in Österreich Dienstleistungen zu 25 verschiedenen nationalstaatlichen Standards, zu 25 verschiedenen Lohnniveaus, zu 25 verschiedenen arbeitsrechtlichen Vorschriften (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt überhaupt nicht!), zu 25 verschiedenen Arbeitnehmer­schutzvorschriften angeboten werden können. Wissen Sie, was das mit einem Zusammenwachsen zu tun haben soll? – Gar nichts hat das mit einem Zusam­menwachsen zu tun! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das wäre ganz furchtbar, nicht nur für Österreich, sondern für Europa. (Abg. Mag. Mol­terer: Aber es stimmt nur nicht, was Sie sagen!)

Zweiter Punkt: Herr Fasslabend! Sie haben zu Recht gesagt, Österreich ist in den letzten Jahren „als Land weltoffener geworden“. – Mir hat diese Formulierung recht gut gefallen. Stimmt: Als Land sind wir tatsächlich weltoffener geworden. Was ich ver­misse, ist, dass die Regierung auch ein bisschen weltoffener in diesen letzten zehn Jahren geworden wäre. Wo sind wir denn weltoffen als Regierung, wenn es um den Umgang mit unseren eigenen Minderheiten geht? (Beifall bei den Grünen.) Ortstafeln – ich erinnere Sie! – Wo sind Sie denn weltoffen als Regierung, wenn es darum geht, mit sexuellen Minderheiten anders umzugehen? – Als Regierung nicht offen, als Bevöl­kerung sehr wohl. Die Menschen in diesem Land denken nämlich ganz anders über diese Fragen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

Stimmt: Auch für die Jugend – und ich bestreite das, was Europa gebracht hat, überhaupt nicht – ist es ein unglaublicher Vorteil, sich in diesem Europa frei bewegen zu können, auch irgendwo im Rahmen von ERASMUS oder anderen Programmen das Europa in den anderen Ländern mitschnüffeln zu können, wahrnehmen zu können. Richtig! Aber wir müssen – und das betrifft nicht nur diese Regierung, sondern natür­lich auch die europäische Regierung – dieser Jugend auch Zukunftschancen geben. Wenn Sie die aktuellen Arbeitsmarktdaten, nicht nur für die akademische Jugend, son­dern auch für die Nichtqualifizierten, lesen, dann wissen Sie, dass wir hier einiges zu erbringen haben, was in den letzten Jahren nicht erbracht wurde.

Die Österreicherinnen und Österreicher sind, sagt Herr Kollege Molterer, reicher geworden. (Die Abgeordneten Mag. Lunacek und Dr. Gabriela Moser: Welche?) – Stimmt nur zum Teil! Wenn wir den Sozialbericht, nicht nur den österreichischen, sondern auch den deutschen Sozial- oder Armutsbericht hernehmen, dann wissen wir, dass im Europa von heute auch die Klüfte zwischen Arm und Reich größer geworden sind, als sie es in den letzten zehn Jahren oder vor zehn Jahren waren. Der Reichtum, der Wohlstand, den Sie da beschworen haben, Herr Kollege Molterer, der ist nicht so verteilt, wie er hätte verteilt werden sollen.

Wenn Sie, Herr Kollege Molterer – und ich habe aufmerksam zugehört –, gesagt haben, wir bräuchten mehr Europa, dann stimme ich Ihnen zu, aber nicht in den Punk­ten, die Sie angeführt haben, nämlich in der Sicherheits-, Verteidigungs- und Wirt­schaftspolitik, sondern in der Umweltpolitik und in der Sozialpolitik. (Abg. Mag. Mol-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 26

terer: In der Sozialpolitik?) Doch da höre ich nichts von dieser Regierung, da höre ich nichts von Europa! (Abg. Mag. Molterer: Mehr Europa in der Sozialpolitik? – Da geht es aber nach unten!) Zu hören ist auch nichts in der Steuerpolitik, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Da geht es nach unten!)

Wir können uns diesen Steuerwettbewerb zwischen den europäischen Nationalstaaten nicht leisten. Die Politik braucht, egal ob in Österreich oder auf europäischer Ebene, dringend einen Richtungswechsel! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: In der Sozialpolitik? In der Sozialpolitik? – Da geht es nach unten, wie Sie wissen! – In der Sozialpolitik wollen Sie europäisieren? – Da sinkt das Niveau!)

10.08


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

10.09.05Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 2451/AB und 2452/AB.

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Immunitätsausschuss:

Ersuchen des Landesgerichtes Klagenfurt (19 Hv 2/05 t) um Zustimmung zur behörd­lichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Marialuise Mittermüller wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung nach § 310 Abs. 1 StGB;

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 57 betreffend „Österreichweite Schließung der AMS-BerufsInfoZentren“, überreicht von der  Abgeordneten Erika Scharer.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Budgetausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2005 geändert wird (BFG-Novelle 2005) (828 d.B.),

Budgetbegleitgesetz 2006 (829 d.B.);

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehörden­gesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden (819 d.B.);


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 27

Gesundheitsausschuss:

Antrag 532/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Möglichkeit der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen in allen öffentlichen Krankenanstalten;

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 540/A (E) der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung und Attraktivierung des Zivildienstes;

Justizausschuss:

Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte inter­nationaler Kindesentführung; Beitritt Bulgariens, Estlands, Lettlands und Litauens; Annahme durch Österreich (831 d.B.),

Antrag 533/A (E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend wirksame gesetzliche und andere Maßnahmen gegen Stalking,

Antrag 542/A (E) der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare und nachvollziehbare Mietzinsbegrenzungen;

Landesverteidigungsausschuss:

Antrag 538/A der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 2002, das Heeresgebührengesetz 2001, das Militärberufsförderungsgesetz 2004, das Militärstraf­gesetz, das Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Ent­sen­dung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland, das Militärauszeich­nungsgesetz 2002, das Zivildienstgesetz 1986 sowie das Finanzstrafgesetz geändert wird;

Umweltausschuss:

Antrag 536/A (E) der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Maßnahmenpaket zur Senkung der Emissionen von Feinstaub und Schwe­bestaub;

Unterrichtsausschuss:

Antrag 528/A (E) der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nachmittagsbetreuung für SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und außerordentliche SchülerInnen,

Antrag 530/A (E) der Abgeordneten Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einvernahme von SchülerInnen in Disziplinarverfahren,

Antrag 531/A der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Dr. Magda Bleckmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz hinsichtlich des Schulwesens geändert wird,

Antrag 543/A (E) der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Ergebnisse des Reformdialogs;

Verfassungsausschuss:

Antrag 539/A der Abgeordneten Mag. Norbert Darabos, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 28

Antrag 544/A der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird;

Verkehrsausschuss:

Antrag 529/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überarbeitung der „Pickerl“-Regelung (wiederkehrende Begutachtung von Kraftfahrzeugen nach § 57a KFG) hinsichtlich der derzeit insbesondere aus Verkehrs­sicherheitsperspektive zu großzügigen Prüfintervalle,

Antrag 534/A (E) der Abgeordneten Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bau des Bahnhofs Wien – Europa Mitte,

Antrag 535/A (E) der Abgeordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen betref­fend genaue Daten über in Personenkraftwagen verunglückte Kinder.

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen das Verlangen gestellt haben, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 2718/J der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Tempo 160 als Symbol für das fortgesetzte verkehrs- und umweltpolitische Versagen von FPÖ und ÖVP dringlich zu behandeln. Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung der heutigen Sitzung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestal­tung und Dauer der Debatte erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP und SPÖ je 158 Minuten, Freiheitliche 108 Minuten sowie Grüne 117 Minuten.

Weiters wurden folgende Redezeitvereinbarungen für die Debatte in der Zeit von 10.10 Uhr bis 13 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen: zunächst je eine Wort­meldung pro Fraktion mit je 15 Minuten, anschließend eine Wortmeldung eines Regie­rungsmitglieds mit 12 Minuten, sodann je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 10 Minuten, in weiterer Folge eine Wortmeldung eines Regierungsmitglieds mit 6 Minu­ten, danach je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten, ferner eine Wortmel­dung eines Regierungsmitglieds mit 6 Minuten und schließlich je eine Wortmeldung pro Fraktion mit je 5 Minuten.

Vor Beginn der letzten Runde wird die allenfalls verbleibende Redezeit vom vorsitz­führenden Präsidenten gleichmäßig auf die Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.

Weiters besteht darüber Einvernehmen, dass tatsächliche Berichtigungen und Wort­meldungen zur Geschäftsbehandlung erst nach 13 Uhr aufgerufen werden.

Darüber entscheidet das Hohe Haus. Wir kommen sogleich zur Abstimmung.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 29

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Vorschlag der Präsidialkonferenz beitreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das wird einstimmig beschlossen.

10.11.26 Erste Lesung der Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2006 samt Anlagen (830 d.B.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum einzigen Punkt der Tagesord­nung, zu dem sich bis jetzt 88 Redner zu Wort gemeldet haben.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Seine Redezeit beträgt 15 Minu­ten. – Bitte.

 


10.11.52

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Herren Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern hier im Hohen Haus vom Herrn Finanzminister eine sehr beeindruckende Bud­getrede gehört. (Abg. Dr. Cap: Jubel! Jubel! Jubel!) Er hat uns einen Budgetvor­anschlag vorgestellt, von dem ich überzeugt bin, dass er ein wichtiger Baustein für das ist, was in den letzten Tagen angesehene Zeitungen des Auslandes als „Erfolgsmodell Österreich“ bezeichnet haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich deshalb auf die Budget­beratungen, die wir in den nächsten Wochen hier in diesem Hohen Haus durchführen werden.

Meine Damen und Herren! Wenn ich sage, ich freue mich, dann weiß ich natürlich, dass ich mich als Vertreter einer Regierungspartei da ein bisschen leichter tue als Sie als Oppositionspartei. Aber schauen Sie, in der ganzen Welt ist es so: Je besser die Regierung, desto schwieriger ist es für die Opposition! Das ist das Los der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu Beginn meiner Rede möchte ich mich aber auch bedanken, und zwar bei der Beamtenschaft des Finanzministeriums, vor allem bei der Budgetsektion, beim Herrn Sektionsleiter Dr. Steger und seinen Mitarbeitern. Wir haben hervorragende budgetäre Unterlagen bekommen, die alle Voraussetzungen hinsichtlich Übersichtlichkeit, Korrekt­heit und Transparenz bieten. Wir können hier wirklich Budgetberatungen in voller Transparenz des Zahlenmaterials führen. Herzlichen Dank, Herr Sektionsleiter Steger, auch an Ihre Mitarbeiter! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Budget, dieser Bundesvoranschlag 2006, ist ein wichtiges Etappenziel im Rahmen einer bewusst längerfristig angelegten wirtschaftspolitischen Strategie.

Es waren die Regierungen Schüssel I und Schüssel II, die die Kritik an der Politik ernst genommen haben, die da jahrelang gelautet hat: Politiker denken nur in Legislatur­perioden!

Wir haben im Jahr 2000 gesagt: Wir wollen bewusst eine Konzeption machen, wo soll Österreich 2010 stehen?, und haben eine Strategie über zweieinhalb Legislatur­perioden gemacht, um Nachhaltigkeit und Konsequenz demonstrieren zu können. Dieses Budget 2006 ist ein wichtiges Etappenziel im Rahmen dieser längerfristigen Strategie, meine Damen und Herren (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), die ganz bewusst auf drei strategische Zielsetzungen abzielt.

Erstens: Stabilität im Staatshaushalt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 30

Meine Damen und Herren! Ohne Stabilität kann es kein Wachstum geben, kann es keine Beschäftigung geben. Stabilität heißt nicht Nulldefizit – das haben wir erfreu­licher­weise als Signal im Jahr 2001 erreicht –, sondern Stabilität heißt, über den Konjunkturzyklus einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu haben. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)

Jetzt gebe ich zu, Herr Kollege, dass ein Nettodefizit von 1,7 Prozent, isoliert in den Raum gestellt, eigentlich nicht sehr viel aussagt. Nur: Der Vergleich macht uns sicher! Lassen Sie mich daher einige Vergleiche anstellen!

25 Jahre lang, ein Vierteljahrhundert sozialdemokratischer Finanzminister, in der Periode 1974 bis 1999 gab es jedes Jahr ein Nettodefizit von mehr als 2 Prozent, meine Damen und Herren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.) Im Durchschnitt waren es 3,1 Prozent. Bei dieser Regierung sind es in sechs Jahren durchschnittlich 1,1 Prozent, meine Damen und Herren, ein Drittel dessen, was sozial­demokratische Finanzminister zusammengebracht haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.)

Lassen Sie mich einen zweiten Vergleich anstellen, meine Damen und Herren; zu Ihrem Zwischenruf komme ich noch, Herr Kollege.

Zweiter Vergleich – wir sind nicht isoliert; zuvor hatten wir hier eine Europadebatte –: Wir haben 1,7 Prozent Nettodefizit, der Euroraum, die zwölf wichtigsten EU-Staaten haben durchschnittlich ein Nettodefizit von 2,5 Prozent. Das heißt, wir sind besser als die Eurozone insgesamt, meine Damen und Herren. (Die ÖVP-Abgeordneten stellen auf ihre Bänke Tafeln verschiedenen Inhalts, wie etwa: „Budget 2006: Mehr für Arbeitsplätze“, „Budget 2006: Mehr für Bildung“, Budget 2006: Mehr für Infra­struktur“, „Österreichs Erfolg heißt Wolfgang Schüssel“ als Zeitungsschlagzeile, „Budget 2006: Mehr für die Umwelt“, und lassen sie dort einige Zeit stehen. – Im Gegenzug dazu wird in den Reihen der SPÖ eine Tafel in die Höhe gehalten mit dem Inhalt: „Bildungspleite! Schwarz-Blau am Ende! Österreich verdient Besseres!“)

Drittes Beispiel – und damit komme ich zurück auf Ihre Zwischenrufe –: Wir haben bewusst in den Jahren 2002, 2003, 2004 und 2005 mit einem Konjunkturpaket I, einem Konjunkturpaket II, einem Wachstums- und Standortpaket und einer Steuerreform in zwei Etappen signalisiert: Wir müssen eine Entlastungsstrategie fahren, um Wachstum und Beschäftigung anzureizen! (Abg. Riepl: Wo ist die Konjunktur?) Wir hätten heute in diesem Bundesvoranschlag 2006 einen leichten Überschuss, wenn wir nicht diese notwendige Entlastungsstrategie gefahren wären.

Zu Ihrem Zwischenruf: Ihr wart ja in den letzten Jahren auch dabei!, Herr Kollege, ich hätte an Ihrer Stelle diesen Zwischenruf nicht gemacht, denn Sie werden in den Bud­getunterlagen den Nachweis finden, dass wir, wenn wir, die wir 1986 wieder in die Regierung eingetreten sind, damals nicht den Schuldenberg von 16 Jahren sozialis­tischer Alleinregierung und von drei Jahren kleiner Koalition übernommen hätten, seither immer primär Überschüsse gehabt hätten. Im operativen Geschäft waren wir immer positiv. Sie können das nicht widerlegen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe es schon einmal gesagt: Ich bin nur ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Matz­netter.) – Herr Kollege Matznetter, ich bin nur an Hand ganz konkreter Fakten und Daten zu diskutieren bereit – und nicht an Hand noch so lauter Zwischenrufe, die bei Ihnen in Polemik ausarten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich darf noch eines sagen: Sie werden sicherlich in dieser Debatte und auch in den nächsten Wochen das berühmte kommende Sparpaket


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 31

thematisieren. (Abg. Gaál: Das ist eine peinliche Rede!) Für uns ist Sparen ein positiver Begriff, für uns ist Sparen keine einmalige Aktion, für uns ist Sparen ein kontinuierlicher Prozess, und für uns heißt Sparen – im Gegensatz zu Ihnen! – nicht Sparen zu Lasten der Bürger, sondern die Steuermittel des Bürgers möglichst effizient einzusetzen. Das heißt für uns Sparen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sparen heißt weiter Strukturreformen und straffe Disziplin im Budgetvollzug. Da haben Sie unsere volle Unterstützung, Herr Finanzminister. Das heißt Sparen für uns! (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch eines sagen: Wir Regierungsparteien werden nicht zulassen, dass, wenn der Herr Finanzminister – wie zum Beispiel gestern in seiner Budgetrede – die Frage der sozialen Treffsicherheit anspricht, das sofort als Sozialdemontage denunziert wird, meine Damen und Herren!

Ich bringe ein Beispiel: Wenn ein bekanntes Schauspielerehepaar von dieser Frage betroffen wird, dann regt dies das ganze Land auf, aber wenn das jemand Unbe­kannter ist, dann erfahren wir es gar nicht. Seien wir hier ehrlich, und seien wir hier fair! Diese Diskussion müssen wir so führen. (Abg. Heinzl: Das ist Ihr Parteigänger!)

Ich sage Ihnen noch etwas, Herr Kollege: Bei uns gilt Sparen für alle Zweige. Sparen gilt zum Beispiel auch für den Bereich der Gesundheit. Auch da geht Sparen nicht zu Lasten der Gesundheit der Bürger, sondern wir wollen den sparsamen und effizienten Einsatz der Mittel.

Ein Beispiel aus meinem Wahlkreis: Wir hatten vor Jahren in Allentsteig, Eggenburg und Horn drei Krankenhäuser. Heute haben wir ein Waldviertelklinikum mit drei Standorten. Es ist ein Riesenunterschied, ob man ein Spital mit drei Standorten hat oder drei Spitäler! Das heißt, es sind da die Zielsetzungen, nämlich höchste Qualität zu sichern, aber gleichzeitig die Kosten im Griff zu behalten, voll erfüllt, denn da gibt es nur einen Ärztlichen Leiter, nur einen Leiter des Pflegedienstes, nur einen Kaufmän­nischen Direktor und den ganzen Back-Office-Bereich, die ganze Verwaltung nur einmal. Das bedeutet höchste Qualitätssicherung, aber gleichzeitig Kostendämpfung. Das ist für uns moderne Gesundheitspolitik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Nächster strategischer Schwerpunkt: Entlastung der Bürger und Betriebe als zweites wichtiges strategisches Ziel neben der Stabilität im Staatshaushalt.

Sie wissen es, 1. Jänner 2005: die größte Steuersenkung in der Geschichte der Zweit­en Republik. Es wurde dabei bewusst in Kauf genommen, dass damit das Nettodefizit leicht ansteigt, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. (Ruf bei der SPÖ: Für die Wirtschaft!) Was heißt „Wirtschaft“? Wirtschaftsstandort heißt Arbeitsplätze, heißt Ein­kom­menschancen und heißt soziale Sicherheit, Herr Kollege. Das heißt Wirtschafts­standort! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben bewusst die Kaufkraft der Familien gestärkt. Wir sind eine Familienpartei. Diese Koalitionsregierung hat für die Familien ein offenes Herz. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Wir haben, Frau Kollegin, zusätzlich 300 000 Personen aus der Lohn- und Einkom­mensteuerpflicht herausgenommen. Es ist eine Tatsache, dass heute 40 Prozent aller Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen gar keine Lohn- und Einkommensteuer mehr zahlen. (Ruf bei der SPÖ: Es wird immer peinlicher!) 2,5 Millionen Menschen in Österreich zahlen überhaupt keine Lohn- und Einkommensteuer. Das soll kein Erfolg der Steuerpolitik sein, meine Damen und Herren? Das können noch so laute Zwi-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 32

schenrufe von Ihrer Seite nicht in Frage stellen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich auch in diesem Zusammenhang einen Vergleich bringen: Wir hatten eine Steuer- und Abgabenquote mit einem Höchststand von 44,8 Prozent, wir werden im nächsten Jahr eine solche von 40,7 Prozent erreichen. Ich weiß, dass diese zwei nackten Zahlen nicht sehr viel aussagen, aber was steckt dahinter? Dahinter steckt, dass wir in Summe heute 10 Prozent weniger Steuer zahlen als noch vor fünf Jahren. Das ist eine hervorragende Leistungsbilanz dieser Regierung und dieses Finanz­ministers, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dritter strategischer Schwerpunkt: Investitionen in die Zukunft. – Sie können viele Protokolle nachlesen und werden sehen: Ich habe jahrelang Kritik geübt an der Budgetpolitik und habe gesagt, dass wir viel zu wenig in die Zukunft investieren, denn Politik ist Zukunftsgestaltung. Wie sieht heute die Bilanz aus? (Neuerlich wird in den Reihen der SPÖ die Tafel mit dem Inhalt: „Bildungspleite! Schwarz-Blau am Ende! Österreich verdient Besseres!“ in die Höhe gehalten.)

Die Bilanz sieht folgendermaßen aus: Es wurde für den Bereich Forschung und Ent­wicklung in den sechs Jahren der Regierungen Schüssel I und Schüssel II um 35 Pro­zent mehr ausgegeben als sechs Jahre davor. Es wird um 60 Prozent mehr für Infrastruktur, Straße/Schiene, ausgegeben als sechs Jahre davor. Das ist eine hervor­ragende Bilanz der Politik als Zukunftsgestaltung!

Daher ist es kein Zufall, wenn der Internationale Währungsfonds sagt: Österreich ist ein Musterbeispiel für erfolgreiche Reformen in Europa. Es ist kein Zufall, wenn ange­sehene Zeitungen schreiben: „Erfolgsmodell Österreich“. Es ist kein Zufall, wenn die angesehene „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, diese politische Wende hat dem Land gut getan. Warum hat sie dem Land gut getan? – Hier sehen Sie es auf den Bänken (auf die vorhin erwähnten Tafeln in den Reihen der ÖVP zeigend).

Erstens: Mehr Wohlstand! – Die verfügbaren Einkommen sind heute um 16 Milliarden € höher als vor fünf Jahren.

Zweitens: Mehr soziale Sicherheit! – 9 Milliarden € mehr Sozialausgaben heute im Vergleich zu vor fünf Jahren.

Drittens: Weniger Schulden! – Wir haben uns allein durch die Konsolidierung des Staatshaushaltes jährlich 500 Millionen € an Zinszahlungen erspart. (Die Abgeordneten der ÖVP entfernen nach und nach die Tafeln von ihren Bänken.)

Der Herr Finanzminister hat gestern zu Recht gesagt, dieser Kurs wird in den nächsten Jahren fortgesetzt, es erfolgt eine Entlastung der Bürger und der Betriebe. Dabei ist die nachhaltigste Steuersenkung eine Schuldenbremse, denn erst eine Schuldenbremse schafft die Voraussetzung für weitere steuerliche Entlastungen für unsere Bürger.

Lassen Sie mich im Vorfeld der weiteren Debattenredner, auch im Hinblick auf den nächstfolgenden Redner Dr. Gusenbauer, Folgendes sagen: Ich glaube, wir sollten uns gemeinsam über diese Leistungsbilanz freuen. Es ist ja nicht nur eine Leistungsbilanz der Regierung, sondern es ist auch eine Leistungsbilanz des ganzen Landes. (Abg. Dr. Wittmann hält eine Tafel mit dem Inhalt „Milliardengrab Eurofighter! Schwarz-Blau am Ende! Österreich verdient Besseres!“ in die Höhe. – Als Reaktion darauf stellen einige ÖVP-Abgeordnete wieder Tafeln auf ihre Bänke.) Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen, aber letztlich sind es die Menschen in diesem Land, denen diese Leistungsbilanz Freude macht.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 33

Schauen Sie nicht so traurig drein, freuen Sie sich mit uns über diese hervorragende Leistungsbilanz! Stellen Sie Ihre negative Energie, würde ich fast sagen, zurück! Was könnten wir gemeinsam bewegen, wenn Sie die ausgestreckte Hand des Finanzminis­ters ergreifen würden?

Er hat sie gestern ausgestreckt, als er gesagt hat: Arbeiten wir gemeinsam für dieses Land! Arbeiten wir für dieses wunderschöne Land gemeinsam! Das wäre mein Appell für die Budgetberatungen der nächsten Tage: Arbeiten wir gemeinsam an einer Zu­kunftsstrategie für dieses Land!

Nehmen Sie diese Aufforderung mit, Herr Kollege Gusenbauer! Sie haben jetzt das Wort nach mir. Ich lade Sie ein: Machen wir konstruktive, sachliche, zukunftsorientierte Budgetberatungen im Hohen Haus! (Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Auch die übrigen Tafeln werden entfernt.)

10.24


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich sehe, dass wir jetzt wieder den „edlen Wettstreit“ beginnen werden: Wer hat die schöneren, bunteren und aussagekräftigeren Taferln? (Zwischenrufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei der ÖVP.) Ich habe in der Präsidialkonferenz festgehalten, dass wir nach einer gewissen Zeit die Taferln wegtun. Ich habe daher Herrn Klubobmann Molterer gebeten, dass er nach zehn Minuten die Taferln wegräumen lässt. (Rufe bei der SPÖ: Zehn Minuten waren das?) Das ist geschehen. Ich werde das bei den anderen Fraktionen genauso handhaben. Insgesamt glaube ich aber, dass wir uns die Taferlpraxis etwas überlegen sollten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Redezeit: 15  Minuten. – Bitte.


10.25.58

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundes­regierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn die ÖVP ihre wunderschönen Taferln noch eine Zeit lang auf den Bänken behält, denn wenn sie darauf fordert: „Mehr Geld für den Arbeitsmarkt!“, „Mehr Geld für Bildung!“, „Mehr Geld für Gesundheit!“ (Abg. Neudeck: Das ist keine Forde­rung, sondern eine Umsetzung! – Abg. Mag. Regler: Das ist Realität!), dann ist das nichts anderes als ein umfassender Misstrauensbeweis gegen die österreichische Bun­desregierung und gegen das Budget, das hier vorgelegt wurde, denn all das, was Sie hier fordern, findet sich im Budget nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Fasslabend hält ganz kurz eine Tafel in die Höhe mit einer Zeitungsschlagzeile des Inhalts: „Österreichs Erfolg heißt Wolfgang Schüssel“.)

Meine Damen und Herren! Es stellt sich eigentlich die Frage, ob wir heute die Budgetrede des Finanzministers diskutieren oder ob wir das Budget diskutieren, denn die Budgetrede des Finanzministers hat absolut nichts mit dem zu tun gehabt, was im Budget vorhanden ist. Das heißt, wir haben einen Finanzminister, der sich in einer virtuellen, von ihm selbst geschaffenen Realität befindet, die mit den Realitäten auf Mutter Erde relativ wenig zu tun hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: So weit zur ausgestreckten Hand!)

Die ausgestreckte Hand des Finanzministers besteht darin, dass der Finanzminister seinen Redeschwall an Propaganda, die nur mehr er selbst glaubt, gestern weiter fort­gesetzt hat. Wenn das Ihr Verständnis von ausgestreckter Hand ist, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, dann tun Sie mir wirklich Leid, dann haben Sie keine Ahnung von Kooperation! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Das ist Opposition pur! Gusenbauer pur!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 34

Nun zu ein paar Punkten des Budgets: Mir scheint, dass die Budgeterstellung irgend­wie etwas willkürlich verlaufen sein muss. Es stellt sich die Frage, ob da intensiv am Daumen gesaugt wurde, um gewisse Angaben in diesem Budget zu haben. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Ich weise Sie hin auf die Unterlage „Budgetbericht“. Es gibt im Budgetbericht zum Beispiel die Angabe, dass die Körperschaftsteuereinnahmen im Jahr 2006 3 250 Millionen € betragen sollen. Auf dem Korrekturblatt hingegen steht auf einmal, dass sie 3,8 Milliarden € betragen sollen. Das ist immerhin ein „kleiner“ Unter­schied, eine Differenz von 550 Millionen €! Das ist eine ganz substantielle Summe!

Da fragt man sich schon: Weshalb wird in letzter Minute solch eine Korrektur durch­geführt? Ist man vielleicht draufgekommen, dass sich das Budget nicht ganz ausgeht, und hat man sich gesagt: Da müssen wir bei den Schätzungen noch nachjustieren, Papier ist ja geduldig, man kann fürs Erste einmal hineinschreiben, was man will, am Ende wird sich dann ohnehin herausstellen, wie der Erfolg ist!?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist wirklich keine seriöse Budgetpolitik! Man kann sich schon irren, aber nicht um 550 Millionen € bei einer einzigen Steuer­kategorie. Meine Damen und Herren, wenn das seriöse Budgetpolitik sein soll, dann gute Nacht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben, Herr Finanzminister, in Ihrer gestrigen Rede vergessen, darauf hinzu­wei­sen, dass Sie sich beim Vollzug des Jahres 2004 – und das ist immerhin das letzte Budgetjahr, das abgelaufen ist – um satte 1,4 Milliarden € geirrt haben – ich betone: 1,4 Milliarden €! – und daher das Budgetdefizit um ganze 0,7 Prozentpunkte im Vollzug höher war, als Sie angenommen haben.

Also wenn man nun dieselbe Unschärfe bei dem Budget, das Sie uns gestern vor­gelegt haben, annimmt, dann stellt sich die Frage, wie der Vollzug im Jahr 2006 wirklich aussehen wird. Es gibt genügend Hinweise darauf, die die Qualifikation recht­fertigen, dass Sie bei dem Budget des Jahres 2006 geschummelt haben – dass Sie geschummelt haben, weil Sie dieses Budget in Bezug auf den Wahltermin vorbereitet haben und weil Sie ganz genau wissen, dass die Konsequenz dieses Schummel­budgets eine ganz massive Belastungswelle am Tag nach der Wahl sein wird. Das ist die Wahrheit dieses Budgets, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Das glauben nicht einmal die eigenen Leute!)

Ich nenne nur ein scheinbar kleines Beispiel aus Ihrem Budget. Sie nehmen im Bereich des Gesundheitssystems Defizite für das Jahr 2006 an, die sich von den offiziellen Angaben des Hauptverbandes immerhin um rund 150 Millionen € pro Jahr unter­scheiden, und im Budgetplan für das Jahr 2007 macht der Unterschied zu den Anga­ben des Hauptverbandes schon 300 Millionen € aus. Was, meine Damen und Herren, heißt das für die Betroffenen? Wenn Sie allein diese 150 Millionen € etwa durch eine Erhöhung der Rezeptgebühr ausgleichen wollen, dann heißt das nichts anderes als Erhöhung der Rezeptgebühr zum Beispiel um 50 Prozent auf 6,50 €, dann bedeutet das zum Beispiel die Einführung einer e-card-Gebühr im Ausmaß von 57 € pro Person.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die ganz konkreten möglichen Betroffenheiten, die in diesem Budget enthalten sind. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mol­terer.) Daher ist es nicht verwunderlich, dass heute einzelne Zeitungen hinter den Aussagen des Finanzministers von gestern vermuten, dass von dieser Regierung auch tiefe Einschnitte in das Sozialsystem geplant sind.

Herr Abgeordneter Stummvoll, Sie haben uns erklärt, was für Sie Sparen heißt. Ich sage Ihnen, in den letzten Jahren haben Sie klar aufgezeigt, was für die ÖVP Sparen heißt, nämlich: Steuern, Gebühren und Belastungen zu erhöhen und Sozialabbau in Österreich zu betreiben. Das ist der ÖVP-Steuerbegriff, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Stummvoll: 10 Prozent


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 35

weniger Steuern! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Immer dann, wenn die Wahrheit gesagt wird, werden Sie nervös, meine Damen und Herren!

Auch interessant gewesen ist, dass gestern der Finanzminister und schon am Tag davor der Bundeskanzler mehrfach betont haben, es werde kein Sparpaket geben, keine neuen Erhöhungen von Abgaben und so weiter. Wenn das jemand so deutlich betont, dann muss man sich die Frage stellen: Wie hat man es denn mit der Wahrheit in der Vergangenheit gehalten? (Abg. Schöls: D’rum sagt der Häupl, der Gusenbauer ist ... umstritten! Alles klar!)

Meine Damen und Herren, vor allem auch zu Hause vor den Fernsehschirmen! Sie werden sich daran erinnern können, dass Bundeskanzler Schüssel vor der Wahl ge­sagt hat, es werde keine Pensionskürzungen geben. Was ist 2003, 2004 einge­treten? – Die massivsten Pensionskürzungen, die es jemals in der Geschichte unseres Landes gegeben hat! (Rufe bei der ÖVP: Geh, geh, geh!)

Was hat der Bundeskanzler vor der Wahl zum Thema Abfangjäger-Ankauf gesagt? – Das wird den Steuerzahler keinen Euro kosten! (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitter­lehner.) Was ist nach der Wahl geschehen? – Die österreichischen Steuerzahler werden 28 Milliarden Schilling für den Ankauf von Abfangjägern bezahlen.

Und was haben Sie in Fragen der Steuerreform vor der Wahl versprochen? – Der Finanzminister und der Bundeskanzler haben versprochen, es werde 1 000 € Steuer­erleichterung für jeden geben. Was ist herausgekommen? – Eine Steuerreform, die im Durchschnitt 11 € Entlastung bringt. (Abg. Dr. Mitterlehner: Geh, geh!)

Meine Damen und Herren! Mit dieser Art, vor der Wahl immer das Gegenteil dessen anzukündigen, was Sie nach der Wahl machen, werden Sie beim nächsten Mal niemanden mehr überzeugen. Sie stellen sich hierher und sagen, es komme kein Sparpaket (Abg. Mag. Molterer: Genau! – Abg. Dr. Stummvoll: Jawohl!) – in Wirk­lichkeit haben Sie die Belastungslawine bereits vorbereitet. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Apropos Steuerreform: Es gibt dazu wunderbare Fernseheinschaltungen, Propaganda­maßnahmen der Bundesregierung, was man sich denn nicht so alles leisten kann auf Grund der Steuerreform. Wunderbar, man kann sich einen Italien-Urlaub leisten (Abg. Neudeck: Aber nicht in Ihrer Kategorie! – Abg. Dr. Stummvoll: Nicht in der Toskana natürlich!) – es stellt sich heraus: Es reicht für eine einfache Bahnkarte von Wien nach Gloggnitz!

Dann wird suggeriert, man kann sich ein neues Auto leisten. (Abg. Mag. Molterer: Aber den Wein des Gusenbauer nicht, das stimmt!) Was nicht dazugesagt wird, ist, dass sich bestenfalls ein Matchbox-Auto ausgeht, aber kein echter Personen­kraft­wagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann wird noch suggeriert, man könnte sich eine neue Trachtenbekleidung leisten. – Durch diese Steuerreform werden Sie nicht einmal einen Trachtenhut bekommen, angesichts dessen, was bei dieser Steuerreform herauskommt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie dürfen sich auch nicht darüber wundern, dass sich die Bevölkerung von Ihnen einigermaßen gefoppt fühlt, weil die Steuerreform natürlich bei den Menschen nicht ankommt. Worin besteht denn Ihrer Meinung nach die größte Steuerreform aller Zeiten?

Lohnsteuereinnahmen im Jahr 2004: 17,1 Milliarden €, Lohnsteuereinnahmen im Jahr 2005: 17,0 Milliarden € – also ganz substanziell weniger (Abg. Großruck: Den­selben Zettel hat er vor drei Jahren auch schon gehabt!) –, Lohnsteuereinnahmen im


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 36

Jahr 2006 bereits 17,7 Milliarden €. (Abg. Dr. Stummvoll: Mehr Beschäftigung! Mehr Einkommen!) Wenn man sozusagen immer mehr an Lohnsteuern einnimmt, dann darf man sich nicht wundern, dass Ihre vermeintliche Steuersenkung bei der Bevölkerung nicht ankommt. (Abg. Dr. Stummvoll: Wollen Sie nicht mehr Beschäftigung und mehr Einkommen?)

Es ist das wahr, was Rechnungshofpräsident Fiedler hier beim letzten Rechnungs­abschluss gesagt hat. Er hat gesagt, die Steuerreform für die Lohnsteuerbezieher sei nicht einmal die Abgeltung der kalten Progression. Daher sei es keine Steuerreform, sondern in Wirklichkeit nur ein Abgleichen der kalten Progression. – All das, was Sie der Bevölkerung hier suggerieren, tritt in der Realität nicht ein. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Wahrheit ist, dass die Menschen den Eindruck haben, dass alles ... (Abg. Mag. Molterer: Die Wahrheit ist, dass die Rede peinlich ist!) – Herr Molterer, ich weiß: Das, was Sie am wenigsten ertragen können, ist die Wahrheit, und das, was Sie am wenigsten ertragen können, ist die konkrete Betroffenheit der öster­reichischen Bevölkerung. Dafür werden Sie bei den nächsten Wahlen die Rechnung präsentiert bekommen, und zwar mit Recht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mol­terer: So wie beim letzten Mal? 42 Prozent das letzte Mal!)

Meine Damen und Herren! Wenn man all das betrachtet, dann muss man erkennen: Die Bevölkerung hat mit Recht den Eindruck, es wird alles teurer. Wir hatten im Jänner eine Inflationsrate von 2,9 Prozent, eine geschätzte Jahresinflationsrate von rund 2,1 Pro­zent. Was der Finanzminister gestern unterschlagen hat, ist, dass diese Teue­rungsrate bedeutend höher ist als der europäische Durchschnitt. Viele Menschen haben daher den Eindruck, dass sie heute nicht mehr Geld in der Tasche haben, sondern dass sie sich weniger leisten können. Und genau deswegen ist die Unzu­friedenheit mit Ihrer Politik so groß!

Ebenso wenig haben Sie sich den wirklichen Zukunftsherausforderungen im Budget gestellt. Der Finanzminister hat gestern gemeint, wir müssen gemeinsam die Arbeits­losigkeit bekämpfen. Er hat auch gleich gesagt, was er darunter versteht. Er hat gemeint, dass man die Flexibilisierung verstärken soll, was – übersetzt für die Fernseh­zuschauer (Abg. Großruck: Die wissen das eh!) – nichts anderes heißen soll, als dass man mehr arbeiten soll und als Dank dafür weniger Lohn bekommt. (Abg. Dr. Stumm­voll: Die Menschen sind nicht so dumm, wie Sie glauben, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren! Das hat überhaupt nichts mit einem Leistungsbegriff zu tun, denn wir sind der Meinung, diejenigen, die mehr arbeiten, sollen auch mehr Geld bekommen. Und wenn man diejenigen bestraft, die mehr arbeiten, indem man ihnen die Einkommen kürzt, dann bringt das weder Arbeitsplätze noch zusätzliches Ein­kommen. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesminister Gehrer hat in der Bildungsdebatte eine Reihe von Vorschlägen gemacht – nicht alles schlecht, nur: Im Budget findet sich keinerlei budgetäre Be­deckung für all diese zusätzlichen Maßnahmen! Nicht ein einziger Euro! Ganz im Gegenteil! Professor Van der Bellen hat auf die Kürzungen, die es bei den Pflicht­schulen gibt, hingewiesen. Bei den Universitäten werden die Mittel gekürzt. Sie plaka­tieren „Mehr Geld für die Infrastruktur“, und in Wirklichkeit werden über 200 Millionen € bei den öffentlichen Infrastrukturausgaben gekürzt. (Abg. Gahr: Es ist noch nie so viel ausgegeben worden wie jetzt!) Die Mittel für Wissenschaft und Forschung nach dem, was im Budget steht, werden weniger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der höchsten Arbeitslosigkeit in unserem Land 10 Millionen € mehr für die aktive Arbeitsmarktverwaltung vorzusehen – damit will man dem Problem der Arbeitslosigkeit beikommen? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 37

Sie haben sich bisher nicht um den Arbeitsmarkt gekümmert, und auch im Budget gibt es keinerlei Vorsorgen, wie man die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Österreich verbessern könnte.

Zum Schluss zur Sicherheit: Angesichts steigender Kriminalitätsraten, sinkender Aufklärungsquoten sieht das neue Budget weniger Geld für die innere Sicherheit vor! Meine Damen und Herren, Sie werden doch nicht wirklich glauben, dass Sie mit weniger Gendarmen und weniger Polizisten mehr Sicherheit bekommen werden! Dieser Weg hat sich schon in der Vergangenheit als falsch herausgestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Schlögl!)

Wenn der Finanzminister gestern eine ehrliche Budgetrede gehalten hätte, dann hätte er gesagt (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) – ich komme zum Schlusssatz, Herr Präsident –: Für Bildung gibt es nicht mehr Geld, es sei denn, ihr zahlt alle Schulgeld, der Arbeitsmarkt ist uns weiterhin egal, aber wählt uns als Dank dafür, dann kommt die Belastungswelle nicht vor der Wahl, sondern nach der Wahl! Herzliche Grüße – Wolfgang Schüssel und Karl-Heinz Grasser. (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Abg. Brosz.)

10.42


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. Seine Redezeit beträgt gleichfalls 15 Minuten. – Bitte.

 


10.42.21

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Parteivorsitzender Gusenbauer, ob Tafeln oder schwafeln – das Budget, das uns heute vorliegt, ist ein Zukunftsbudget, das Österreich konsequent weiter nach vorne bringen wird. Das können Sie uns glauben!(Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Haushaltsbudget, das uns der Finanzminister gestern vorgelegt hat, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch so etwas wie eine Standortbestimmung, ist so etwas wie ein Zukunftsprogramm. Es stellt so wichtige Fragen wie: Wo steht Öster­reich? Wo wollen wir mit Österreich hin? Welche Ziele stecken wir uns? Welche Maß­nahmen brauchen wir, damit wir Österreich als Arbeits- und Wirtschaftsstandort wett­bewerbsfähig erhalten, damit wir Arbeit schaffen, damit wir Wachstum in Österreich erzeugen und damit es den Österreicherinnen und Österreichern in Zukunft noch bes­ser geht?

Auch die Antworten darauf hat dieses Budget geliefert. Wir schaffen einen ausge­glichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus, wir werden bis zum Jahr 2008 wieder ein Nulldefizit erreichen, wir erzeugen mehr Wachstum und Beschäftigung durch Investitionen in die Infrastruktur, in die Forschung und Entwicklung und wir realisieren zwei ganz wichtige Maßnahmen, die Sie, Herr Gusenbauer, immer wieder in Frage stellen, nämlich: Im Gegensatz zu Ihrem Wirtschaftsprogramm senken wir die Steuern und wir investieren nachhaltig in die Infrastruktur, weil wir wissen, dass Investitionen in die Infrastruktur nachhaltig Arbeitsplätze schaffen. Das ist gut für Österreich, das wird Wachstum erzeugen, das wird jeder Österreicher auch verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe heute in der Diskussion in der „Aktuellen Stunde“ ein wenig den Eindruck gehabt, dass Europäisierung und Globalisierung oft miteinander vermengt werden und auch die Globalisierung vor Österreichs Grenzen nicht Halt macht. Unsere Unter­nehmen prosperieren, ihre dynamische Entwicklung zieht sich über die ganze Welt. Wir sind in Kontakt mit allen Wirtschaftsmärkten rund um den Globus, und daher müssen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 38

wir unsere Betriebe mit entsprechenden Rahmenprogrammen ausrüsten, damit sie erfolgreich sein können.

Daher ist es auch wichtig, dass wir uns ein wenig die globale Situation vor Augen halten, vor der wir dieses Programm, das Wirtschaftsprogramm, dieses Budgetpro­gramm erstellt haben. Wir sehen, dass sich der asiatische Raum nach wie vor sehr gut entwickelt, dass sich die USA wirtschaftlich auf einem sehr hohen Niveau weiter­entwickeln, dass wir aber in der Europäischen Union nach wie vor Defizite im Wachs­tum haben, dass wir am Tropf der USA hängen und dass wir selbst für Impulse sorgen müssen, damit wir ein Wirtschaftswachstum zustande bringen.

Wenn Sie einen Vergleich zu unserem wichtigsten Handelspartner, Deutschland, herstellen, dann werden Sie sehen, dass es in Deutschland strukturelle Probleme gibt, die wir – Gott sei Dank! – in Österreich niemals zu spüren bekommen: 5,2 Millionen Arbeitslose – Hartz IV lässt grüßen!

Meine Damen und Herren! Die Rahmenbedingungen für Österreich sind nicht überall gut, sodass wir selbst initiativ sein müssen, um Österreich in die Spitzenposition zu bringen; was zwischenzeitlich schon geschafft wurde, wir liegen mit unserem Wirt­schafts- und Arbeitsstandort auf Platz 3 in der Eurozone. Das zeigt aber auch, dass in Österreich noch nie so viele Menschen in Arbeit gestanden sind. Wir haben, Gott sei Dank, nur eine halb so hohe Arbeitslosenrate wie im Vergleich zur Europäischen Union. Wir haben eine relativ niedrige Inflation im Vergleich zu allen Mitgliedern der Eurozone. Wir haben ein hervorragendes Exportwachstum – dank der tüchtigen Unter­nehmerinnen und Unternehmer in unserem Land. Jedes Jahr 30 000 neue Unter­nehmensgründungen, das macht Hoffnung nicht nur für eine Exportsteigerung, son­dern das macht auch Hoffnung für die Zukunft auf gute, solide, abgesicherte Arbeits­plätze, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Jubiläumsjahr, das wir heuer begehen, ist auch ein Jubiläumsjahr für fünf Jahre ÖVP/FPÖ-Politik in unserem Land. Ich darf an dieser Stelle die „Neue Zürcher Zeitung“ zitieren, die schreibt: „Die neue Geschichte Österreichs ist eine Erfolgsgeschichte.“ – Dem, meine Damen und Herren, ist wirklich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir müssen uns schon auch immer wieder die Ausgangssituation vor Augen führen. Die Ausgangssituation im Jahr 2000 war so, dass wir von einer SPÖ-dominierten Finanzpolitik 130 Milliarden € Schulden geerbt haben, dass wir 7 Milliarden € jährlich an Zinsen zu zahlen haben; heute sind es natürlich schon 7,5 Milliarden €. Das sind die gesamten Sozialausgaben in unserem Budgethaushalt. Das hätten wir uns alles er­sparen können, wenn Sie rechtzeitig sorgsam mit der Zukunft unseres Landes umge­gangen wären, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Rückblickend: Sie haben in den achtziger und neunziger Jahren lange Zeit eine völlig falsche Finanz- und Budgetpolitik gemacht – Herr Kollege Stummvoll hat das heute schon ausgeführt. (Abg. Silhavy: Was war Kollege Stummvoll damals?) Sie haben im Durchschnitt über 2 Prozent Defizit pro Jahr produziert, während wir in den letzten fünf Jahren niemals über ein Defizit von 1,1 Prozent im Durchschnitt hinausgekommen sind.

Im Vergleich zu anderen Mitgliedern der Europäischen Union – ob das Deutschland oder Frankreich ist – mit einem Defizit von 3,7 Prozent liegen wir mit einem Defizit von 1,7 Prozent relativ gut und können noch dazu Reformen machen, eine Steuerreform mit 4 Milliarden € Entlastung, die sowohl zu gleichen Teilen die Arbeitnehmer und die Pensionisten als auch zu einem überwiegenden Teil die Wirtschaft trifft, meine Damen und Herren! Daran sehen Sie, dass unser Programm ein Zukunftsprogramm ist, das


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 39

Hand und Fuß hat und das Österreich wirtschaftlich nach vorne bringen wird. (Neuer­licher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Gusenbauer, wo ist denn Ihr Wirtschaftsprogramm? Sie haben ein halbes Jahr lang herumgerätselt, wir haben es immer wieder gefordert und darauf gewartet, aber es ist nie etwas gekommen. (Abg. Öllinger: Wo ist denn Ihr Programm?) Dann war die Rede davon: Das Nulldefizit muss in die Verfassung geschrieben werden. Dann haben wir von Ihren Wirtschaftsexperten gehört: 3 Prozent Defizit ist ja gar nicht so schlimm, das können wir uns noch leisten; in einer wichtigen Aufschwungphase der Wirtschaft müssen 3 Prozent drinnen sein. Das alles haben wir von Ihnen gehört. Wo ist denn da eine Geradlinigkeit im Wirtschafts- und Finanzkurs ersichtlich? – Für uns ist er nicht ersichtlich. Das ist ein Zickzackkurs, und die Einzigen, die wirklich in der Lage sind, das Regierungsschiff nach vorne zu bringen, ist diese Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Die FPÖ spricht vom Zickzack­kurs!)

Die Signale stehen günstig, sie stehen auf Aufschwung, sie stehen in Richtung Hoffnung für die Wirtschaft und für die Arbeitnehmer in unserem Land. Die Steuer­reform, die mit 1. Jänner dieses Jahres in Gang gesetzt wurde, meine Damen und Herren, wird sich positiv auswirken (Abg. Öllinger: ... betreibt Voodoo-Ökonomie!), wird sich konjunkturell positiv auswirken, denn eine Entlastung von 3 Milliarden € jähr­lich ist eine Motivation für mehr Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie ist eine Motivation für die Wirtschaft, mehr zu investieren, und das schafft wieder Arbeitsplätze und Wachstum. Meine Damen und Herren! Sie sehen auch an diesem Budgetprogramm, dass die Konjunkturpakete I und II, Wachstums-, Stabilitätspaket, dass die Investitionsoffensive, die Investitionszuwachsprämie, dass all diese Maß­nahmen wichtig waren in einer entscheidenden Situation, um Österreich wirtschaftlich nach vorne zu bringen.

Unsere Politik heißt: weniger Staat, weniger Steuern, mehr für die Bürgerinnen und Bürger! Meine Damen und Herren! Das stärkt die Massenkaufkraft, das sorgt wieder für mehr Wachstum, und das wird Österreich nach vorne bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es kann nicht ein Rezept für mehr Wachstum sein, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, wenn Sie darüber philosophieren, dass die Vermögenssteuern erhöht werden müssen; ob das die Sparbuchsteuer, die Grundsteuer ist oder auch die Gewerbesteuer, die Sie wieder einführen wollen, um die kleinen und mittleren Unternehmen zu belasten. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das kann ja nicht Ihr Ernst sein in einer Situation, in der rund um uns die Steuern nach unten gehen, die Wettbewerbssituation immer schärfer wird und die Unternehmen sich fragen, wo sie sich ansiedeln sollen, wo die günstigsten steuerlichen Rahmenbedingungen vorhanden sind. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, eine solche Wirtschaftspolitik hinauszu­plaudern, meine Damen und Herren! (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist ja unvorstell­bar!)

Ich würde dafür plädieren, dass Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sind, auch wenn Sie in der Opposition sind, denn das wird auch in den Zeitungen stehen (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wirtschaftliche Inkompetenz hat einen Namen!), und wir wollen nicht haben, dass ausländische Investoren solche Ansätze einer Wirtschaftspolitik zu lesen bekommen.

Meine Damen und Herren! Es kann nicht Ihr Ernst sein, so etwas zu machen!

Ich darf jetzt aus einem Buch von Herrn Bundesminister außer Dienst Caspar Einem zitieren: „Ein besseres Österreich – soziale Alternative“, in etwa so heißt es. In diesem


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 40

überlegen Sie ernsthaft, das 13. und 14. Monatsgehalt zu besteuern! (Abg. Scheibner: Na bravo!)

Meine Damen und Herren! Um Gottes Willen, wir sollten doch genau das Gegenteil diskutieren: Warum zahlen wir Krankenversicherung für das 13. und 14. Monatsgehalt, wenn wir doch nur zwölf Monate im Jahr krank sein können?! (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Überlegung sollten Sie gemeinsam mit uns anstellen, ob wir hier nicht eine Entlastung zustande bringen statt einer Besteuerung.

Es sind das für uns wirklich unverständliche Vorschläge, die hier von Seiten der SPÖ kommen, die sicher nicht dazu angetan sind, Österreich wirtschaftlich nach vorne zu bringen, sondern eher noch die Konjunktur, die jetzt im Aufbruch ist, abwürgen und ausländische Investoren von Österreich abschrecken. Das gefährdet aus unserer Sicht Arbeitsplätze und sorgt sicher nicht für den notwendigen Aufschwung.

Diese Bundesregierung weiß, dass sie wichtige Maßnahmen setzen wird, die in diesem Budget inkludiert sind. Wir werden in die Infrastruktur, in die Forschung und Ent­wicklung, auch in die Bildung investieren, weil wir heute wissen, dass die Investition von 1 Milliarde € in die Infrastruktur 15 000 bis 18 000 Arbeitsplätze bedeutet. Meine Damen und Herren! Es ist mir sehr wichtig, in diesem Zusammenhang auch die Koralmbahn zu erwähnen (Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser), weil sie nicht nur eine verkehrspolitische, sondern auch eine arbeitsmarktpolitische Investition ist (Abg. Eder: Falsche Investition!), weil 40 000 Arbeitsplätze mittelbar und unmittelbar damit in Zusammenhang gebracht werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Bundesregierung und wir als Regierungsparteien wissen, dass die Bevölkerung die Reformen wünscht, dass sie jene Dinge, die gut sind, behalten will und das Schlechte beiseite schiebt. Wir nehmen die heißen Eisen auf, schmieden sie, solange sie noch heiß sind. Wir haben die Pensionsreform unter Dach und Fach gebracht. Wir haben das Gesundheitssystem für lange Jahre saniert. (Zwischenruf des Abg. Heinzl. – Abg. Öllinger: Was haben Sie saniert? Das Gesundheitssystem? Sie sind ja ein Träumer!) Und wir sind dabei, im Bereich der Verwaltungsreform noch entschei­dende Erleichterungen und Maßnahmen zu setzen. Hier ist ein Einsparungspotential von 2 Milliarden € jährlich drinnen.

Ich darf also immer wieder daran erinnern, auch die Regierungsmitglieder, an der Verwaltungsreform anzusetzen, denn wenn wir dort Einsparungseffekte erzielen, dann kommt das der Wirtschaft und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Öster­reich positiv zugute. Dann können wir mit den Steuern herunterfahren und mehr Wachstum erzeugen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Österreich ist heute auf Grund einer sorgsamen und weitsichtigen Finanz- und Budget­politik eines der reichsten Länder dieser Welt. Und wir haben auch die Verpflichtung – da bin ich mit Herrn Parteivorsitzendem Gusenbauer einer Meinung –, für soziale Steuer­gerechtigkeit zu sorgen.

Wir haben auch die Verpflichtung, in unserem Steuersystem dafür zu sorgen, dass nicht jene durch den Rost fallen, die sich an der Grenze zur Armut bewegen. (Abg. Eder: Die sind schon durch!)

Wir haben die Verpflichtung, ein transparentes, nachvollziehbares, einfaches Steuer­system zu machen, sodass jeder Österreicher, jede Österreicherin das Formular aus­füllen kann; ein Steuerformular, mit dem man nicht zu einem Steuerberater gehen muss. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich darf Sie, Herr Matznetter, bitten: Nehmen Sie sich dieser Zielformulierung endlich einmal an! Wir haben uns Ihre Steuerberech-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 41

nungsmethode angeschaut – die stammt aus dem Kopf eines Steuerberaters. Dann braucht jeder Österreicher einen Steuerberater, damit er das, was Sie hier vor­geschlagen haben, einigermaßen verstehen kann. (Abg. Eder: Jetzt brauchen alle zwei!)

Wir wollen eine einfache Steuerberechnung, die jeder durchführen kann, die einfach, transparent und gerecht ist. Das muss die Zukunft in der Steuerpolitik Österreichs sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher vertrauen auf diese stabile Regierung, auf diesen stabilen Regierungskurs. Dieses Budget sorgt für Arbeit und Beschäftigung, für mehr Einkommen und für ein perspektivenreiches Österreich. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 15 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


10.56.38

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insbesondere der Budgetsektion des Finanzministeriums danken. Es ist keine Frage, dass die Unter­lagen besser werden, die schriftlichen Unterlagen, die Statistiken und so weiter, die Erläuterungen. Sie werden auch rascher zur Verfügung gestellt – auch das ist zu begrüßen, das war ja über Jahre unser Wunsch; das betrifft insbesondere den so genannten Budgetbericht und den Band mit dem Titel „Beilagen“.

Ich habe vorhin gesehen, dass Sektionschef Steger und Ministerialrat Fleischmann hier sind. Ich bitte sie, diesen Dank in ihrem Hause weiterzugeben. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ und der ÖVP sowie des Abg. Walch.)

Im Vergleich zur Qualität dieser schriftlichen Unterlagen war die so genannte Bud­getrede von Karl-Heinz Grasser verzichtbar. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Bundesvoranschlag 2006 hätte eine Verteilung der schriftlichen Unterlagen durchaus gereicht. In der Budgetrede selbst war vom Bundesvoranschlag 2006 sehr wenig die Rede, auch bei dem, was ich heute von Herrn Kollegen Stummvoll und Herrn Kollegen Bucher gehört habe. Und dort, wo vom Budget die Rede war, war das zum Teil falsch, zum Teil grob irreführend. Auf einige wenige Beispiele werde ich später eingehen.

Wir sind es schon gewöhnt, dass große Worte – der Herr Finanzminister hat ein, wie soll ich sagen, ich meine das gar nicht so negativ, flinkes Mundwerk – mit den konkreten Zahlen nicht übereinstimmen, die großen Worte den Zahlen nicht stand­halten. Ich werde heute aber nicht eingehen auf die Spekulationen für 2007, 2008 und was weiß ich, wie das auch Herr Stummvoll getan hat, denn für mich steht fest, dass für diese Zeit Karl-Heinz Grasser nicht mehr verantwortlich sein wird (Abg. Mag. Mol­terer: Keine falschen Hoffnungen!) und dass es sich deswegen heute nicht lohnt, darauf einzugehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Kollege Stummvoll und Herr Kollege Bucher von den Regierungsparteien und Herr Finanzminister Grasser! Ich würde mich schon freuen, wenn Sie bei der Diskussion über den Bundesvoranschlag 2006 nicht ständig mit den gesamtstaatlichen Daten argumentierten. Ich hoffe, das klingt nicht so kleinkariert, aber es geht mir etwas auf die Nerven. Vom Budgetdefizit zum Beispiel in der Maastricht-Abgrenzung, das Sie ständig im Munde führen, die berühmten 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, reden wir heute nicht. Wir reden vom Bundesbudget, und das Bundesdefizit in der Maastricht-Abgrenzung beträgt nach den Unterlagen 2,2 Prozent, wenn Sie die Sozialversiche-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 42

rung dazurechnen 2,3 Prozent. Das ist nicht irrrelevant, da geht es um Milliarden Euro. Das Bundesdefizit ist um 1,3 Milliarden € höher als das gesamtstaatliche Defizit; das liegt an den Überschüssen der Länder und Gemeinden. Aber wir debattieren hier nicht die Überschüsse der Länder und Gemeinden, da hat der Bund auch nichts mit­zureden – unser Thema ist der Bund und sonst nichts! (Abg. Scheibner: Den Finanz­ausgleich gibt es schon! Woher kommt denn das Geld der Länder?)

In einigen Punkten war die Budgetrede schon auch interessant, nämlich vor allem dort, wo sich der Finanzminister – und das ist sein gutes Recht – nicht an seinen Text ge­halten hat. „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Es ist Diebstahl an der Allge­meinheit.“ – Ja, das steht in der schriftlichen Budgetrede (Abg. Großruck: Das haben wir gestern schon gehört! – Abg. Mag. Kogler: Wir haben es eben nicht gehört!), der Herr Finanzminister hat es jedoch nicht für richtig gehalten, diese Worte zu wieder­holen. Das ist sein gutes Recht – auf dem Vorblatt steht ja auch immer: „Es gilt das gesprochene Wort!“ Also gelten diese zwei Sätze nicht, denn er hat sie ja nicht gesprochen. Schade! Sehr schade, Herr Finanzminister Grasser!

Wir wollen jetzt nicht darüber spekulieren, ob das heißt – da das ja nicht gilt –, dass Steuerhinterziehung eben doch ein Kavaliersdelikt ist und kein Diebstahl an der Allgemeinheit – im Zweifel wollten Sie sich nur vor dem demonstrativen Beifall der Oppositionsfraktionen schützen. Mit diesem Verdacht hatten Sie natürlich Recht, die­sen zwei Sätzen hätten wir gerne zugestimmt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn über­nimmt den Vorsitz.)

Aber, Herr Finanzminister – ich widerstehe jetzt der Versuchung, auf die Steuerpflicht, auf Fragen der Steuerhinterziehung, auf die staatsanwaltschaftliche Prüfung dieser Angelegenheit einzugehen; die Versuchung ist groß, aber ich widerstehe –, ich sage Ihnen ganz grundsätzlich zum Hintergrund auch Ihrer Weigerung, diese zwei Sätze zu wiederholen: Ein Finanzminister der Republik Österreich hat keine Spenden, Ge­schenke, Zahlungen – welcher Art auch immer – von einer Interessenvertretung anzunehmen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie nicht und auch kein anderer Minister der Bundesregierung! Auch kein Verein, der aus Ihren engsten Mitarbeitern besteht, hat eine Zahlung, ein Geschenk einer Inter­essenvertretung anzunehmen! (Abg. Dr. Fasslabend: Ein alter Hut ist das jetzt schon!) – Das ist ein alter Hut? – Das ist eine interessante Formulierung vom Herrn Kollegen von der ÖVP! (Abg. Dr. Fasslabend: Immer das Gleiche!)

Ein Finanzminister hat meiner Meinung nach auch für Vorträge von Banken, die sein Haus beaufsichtigt, keine Vortragshonorare zu nehmen, Herr Kollege von der ÖVP. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein Finanzminister hat sich – auch wenn es hier um sehr kleine Beträge geht, gemessen am Gehalt des Finanzministers – auch kein Flugticket von einer staatlichen Fluglinie schenken zu lassen, Herr Kollege von der ÖVP. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gaál.)

Um diese Dinge geht es! Und der Grat, den der Finanzminister hier geht, ist seit Jahren sehr schmal. (Abg. Mag. Molterer: Haben Sie das Not?) Und meines Erachtens fängt politische Korruption, Herr Kollege Molterer, nicht erst dort an, wo ein Staatsanwalt Grund sieht, aus der Sicht des Strafrechts tätig zu werden, sondern viel, viel früher. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Das Strafrecht steht aber schon noch im Gesetzbuch, oder geht das nach Gutdünken?)

Für dieses Problem, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien – ganz abgesehen von den steuerrechtlichen Fragen –, hat Karl-Heinz Grasser nie das geringste Verständnis gezeigt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 43

Im Übrigen rate ich jedem Steuerpflichtigen, der nicht Finanzminister ist, sich diese Konstruktion mit dem Verein, den Spenden und so weiter ja nicht zum Vorbild zu nehmen, ja nicht analoge Konstruktionen zu wählen, denn sonst sind Sie bei der Steuerprüfung durch das Finanzamt garantiert dran. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn wir schon bei den Steuern sind – weil es eben ein schönes Beispiel für Unfug und Unwahrheit ist –, nehmen wir Zitate zur Steuerreform, die am 1. Jänner 2005 in Kraft getreten ist.

Durch Wiederholung wird das auch nicht wahrer, nämlich: „Das bringt jedem österreichischen Haushalt mehr an Kaufkraft.“ – Herr Finanzminister! Sie wissen ganz genau, dass rund 2 Millionen Steuerpflichtige von dieser Steuersenkung nichts haben oder hatten, weil ihr Einkommen so gering ist, dass sie auch vorher schon keine Lohn­steuer und Einkommensteuer zu zahlen hatten. Das kann also nicht jedem österreichischen Haushalt mehr Kaufkraft bringen.

Und dann wird es echt lustig, denn dann sagen Sie, Herr Finanzminister Grasser: „Damit werden den österreichischen Steuerzahlern elf Tage mehr an Freiheit ge­schenkt.“ – Ich zum Beispiel bin solch ein österreichischer Steuerzahler. Ich habe meinen Kalender heute in der Früh akribisch überprüft und die elf Tage Freiheit, die mir die Republik oder der Herr Finanzminister persönlich geschenkt haben soll, nicht gefunden. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der Wähler wird es Ihnen schenken!)

Abgesehen davon – das gilt für alle Mitglieder der Bundesregierung, aber insbeson­dere für den Herrn Finanzminister –: Von Ihnen lasse ich mir nichts schenken! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Und zweitens: Selbst dann, wenn ich auf diesen Grundsatz vergessen sollte, würde ich, wenn Sie mir schon etwas schenken, ganz bestimmt dafür Schenkungssteuer zahlen – im Gegensatz zu bestimmten Mitgliedern dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Aber jetzt zu einer wichtigen Zukunftsfrage: Die Bundesregierung kürzt im Bereich eines der wichtigsten Zukunftsbudgets die Ausgaben, statt auf die Erfordernisse des Tages zu reagieren. Das verstehen Sie unter Zukunftsarbeit!

Meine Damen und Herren! Dass im Pflichtschullehrer-Budget – das betrifft in erster Linie die Volksschulen in Österreich, die Volksschulen und Hauptschulen – die Aus­gaben um 30 Millionen € zurückgehen – schon berücksichtigt die 12 Millionen plus im Finanzausgleich, minus 30 Millionen € –, das ist im Vergleich zum Gesamtbudget natürlich nicht viel, aber hier geht es über den Daumen gepeilt um rund 1 000 – plus/minus 100, sagen wir: rund 1 000 – Dienstposten für Pflichtschullehrer und Pflicht­schullehrerinnen. Und das machen Sie angesichts der Ergebnisse der PISA-Studie?

Noch einmal: Warum stößt mir und warum stößt den Grünen – ich glaube, auch den Sozialdemokraten – so sauer auf, was hier in einem relativ kleinen Budgetbereich passiert? Warum kriegst man – auf gut Deutsch – „an echten Zurn“? – Das war jetzt nicht Tirolerisch, sondern Wienerisch, aber es stimmt trotzdem.

Was war laut PISA-Studie – die ist ja zum Lesen erhältlich –, in der Kurzfassung, Executive Summary – man muss nicht Hunderte von Seiten studieren –, eines der bedrückendsten Ergebnisse? – Dass rund ein Fünftel der 15-Jährigen in Österreich unzureichende Lesekenntnisse hat, dass sie nicht sinnverstehend lesen können. In absoluten Zahlen sind das rund 18 000 Schüler und Schülerinnen pro Jahr – pro Jahr!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 44

Innerhalb weniger Jahre ist dieser Anteil von 14 Prozent auf 20 Prozent der Schüler angestiegen – dieser Anstieg ist der größte Anstieg weltweit innerhalb der Unter­suchungen der PISA-Studie.

Ich meine: Können Sie das lesen, oder gilt diese Tragödie der Tatsache von 20 Pro­zent mit nicht ausreichender Lesefähigkeit auch für Politiker und Politikerinnen der Regierungsfraktionen? – Das kann ich nicht glauben! (Abg. Dr. Fasslabend: Ich auch nicht! Ich glaube das auch nicht!) – Was glauben Sie nicht, die PISA-Studie glauben Sie nicht? Das Ergebnis glauben Sie nicht? – Dann wundert es mich nicht, dass Sie keine Konsequenzen daraus ziehen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Kollege Fasslabend von der ÖVP! 18 000 pro Jahr! Innerhalb von fünf Jahren haben Sie hier einen Bestand von – wie viel ist fünf Mal 18 000? – 90 000! 18 000 Menschen pro Jahr, die für die Erfordernisse des modernen Arbeitsmarktes keine Voraussetzungen haben! (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Das ist Ihnen Wurscht? – Das kann doch nicht wahr sein!

Jeder Euro Kürzung, meine Damen und Herren, in diesem Bereich, insbesondere im Bereich der Volksschulen, fällt uns später, in den kommenden Jahren, doppelt und dreifach und zehnfach auf den Kopf (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ): im Bereich der Arbeitslosen, im Bereich der Notstandsbezieher, der Sozialhilfe und natürlich im Bereich der Umschulungsmaßnahmen bei den Versuchen, diese armen Menschen – es ist wirklich eine Tragödie! – entsprechend nachzuschulen. Also selbst ökonomisch, von den Folgekosten her gesehen, ist das, was hier passiert, ein Wahnsinn!

Und wie wurde das argumentiert von Grasser, von Stummvoll gestern, und ich nehme an, auch von anderen Mitgliedern der Regierungsfraktionen? – Die sinkenden Schüler­zahlen. Na, soll sein! Ich bestreite gar nicht, dass die Schülerzahlen sinken. Nehmen wir an, die sinken sogar um 10 Prozent! Wenn sich am Schulsystem nichts ändert, dann haben wir dann eben nicht 18 000 pro Jahr, sondern um 10 Prozent weniger, also 16 200 pro Jahr.

Das nehmen Sie in Kauf? Statt zu sagen: Okay, wir haben hier ein echtes Problem, wir müssen etwas tun! Auch 16 000 in diesem untersten Bildungsbereich sind 16 000 zu viel, hier darf und kann nicht gekürzt werden! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Wir brauchen jetzt Maßnahmen für die individuelle Förderung, für die kleineren Schul­klassen, für – last but not least – stärkeren, besseren muttersprachlichen Zusatz­unterricht, für klassenübergreifendes Lernen und so weiter. – Auch in der Budgetrede findet sich irgendwo ein Passus, der von der Lesekompetenz und der Sprachkultur etwas sagt – im positiven Sinne selbstverständlich.

Und was passiert? – Sie kürzen die Zahl der Dienstposten in den Volksschulen? So werden Sie die Lesekompetenz und die Sprachkompetenz nicht nur, aber auch bei kleinen Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache erhöhen? (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.) Das ist personalintensiv, meine Damen und Herren, das geht nicht über den Computer, und es kostet Geld!

Diese Zukunftsinvestition, diese Investition in die Zukunft unserer Kinder, Frau Kollegin Brinek, das sollte es uns wert sein. Das sollte es uns wert sein, diese Investition sollten wir uns leisten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

So zieht sich das durch. Das sehen Sie, wenn Sie nicht die Budgetrede zur Hand nehmen, sondern die konkreten Daten betrachten.

In der Verschränkung zwischen Bildungspolitik und Frauenpolitik findet sich so gut wie nichts, jedenfalls habe ich es nicht gefunden. Zweifellos wird darauf heute noch einge­gangen werden. Wir müssen doch endlich einmal statt Kinder und Küche Karriere und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 45

Kinder zum Motto, zur Grundlage unseres politischen Tuns machen! Das sehe ich in diesem Budget nicht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Das haben die Frauen, die jetzt in der Küche stehen, genau gehört!)

Abschließend, damit wir nicht nur von den Volksschulen reden, zu den Universitäten. Ich sehe keine Erhöhung des Budgets der Universitäten, vielleicht kann mich ein Beamter des Finanzministeriums noch aufklären. Ich hoffe, ich irre mich.

Wohl aber findet sich ein Passus in der Budgetrede von Karl-Heinz Grasser, der lautet: „Mit der Elite-Uni nach dem Vorbild des MIT“ – damit wir es auch verstehen, findet sich in Klammern die Erklärung – „(Massachusetts Institute of Technology) wollen wir strukturell und thematisch weiter fokussieren.“

Super, Herr Finanzminister Grasser, ausnahmsweise bin ich ganz Ihrer Meinung. Nur, wissen Sie, worauf Sie sich da einlassen? – Das Budget des MIT – das ist eine Superuniversität, die Nobelpreisträger auf dem Fließband produziert – ist so groß wie das Gesamtbudget aller österreichischen Universitäten zusammengenommen. – Dan­ke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.12


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet ist nun Herr Finanzminister Mag. Grasser. – Bitte.

 


11.12.14

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Werte Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord­neten! Vielleicht darf ich kurz nochmals mit dem Budget 2006 beginnen. (Abg. Öllin­ger: Wieder das Gleiche sagen wie gestern!)

Meine Damen und Herren! Die Eckdaten des Budgets sind: Es sinkt das Defizit, es sinkt die Finanzschuld, es sinken die Steuern und Abgaben, das heißt, Entlastung kennzeichnet auch den Bundeshaushalt des Jahres 2006.

Ich kann nur sagen, es ist verantwortungsbewusst gemacht, es ist ein solides Rechen­werk. Wir sind, was die Defizite betrifft, die Nummer fünf in der Eurozone. Wir sind die Achtbesten in der Europäischen Union der 25 Mitgliedsländer. Und wir haben für das Jahr 2006 sehr klar Impulse gesetzt, weil die Entlastung um 1,5 Milliarden € höher ist als im Jahr 2005.

1,5 Milliarden € mehr an Entlastung ist ein wichtiger Punkt für den Aufschwung, ein wichtiger Punkt für mehr Beschäftigung. Damit stehen wir im europäischen Vergleich sehr gut da. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, ich habe gestern auch sehr klar gemacht, dass wir mit dem Erreichten nicht zufrieden sind, sondern dass wir sagen, wir müssen mehr tun. Wir versuchen, die Anstrengungen auch entsprechend zu verstärken. Wir haben die Zielsetzungen klar umrissen. Wir haben gesagt, wir müssen von diesen 1,7 Prozent Defizit wieder in Richtung eines ausgeglichenen Haushalts gehen.

Warum müssen wir das? – Weil wir sagen, unsere Zielsetzung ist es, auch in Zukunft die Steuern und Abgaben entsprechend weiter zu senken, weil wir die Menschen entlasten wollen, weil wir wollen, dass es mehr Eigenverantwortung gibt, weil wir wollen, dass es mehr Kaufkraft bei den Menschen gibt, weil wir wollen, dass der Ein­zelne mehr Freiheit hat und entscheiden kann, was er mit seinem Geld in der Brief­tasche tun will.

Und wir haben gestern gesagt, die größte Priorität für uns ist, kurzfristig – und da haben wir alle eingeladen, alle Parteien, die Sozialpartner – gemeinsam etwas zu tun, uns also zusammenzusetzen. Obwohl die Arbeitslosigkeit in Österreich im euro-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 46

päischen Vergleich niedrig ist, halb so hoch ist, haben wir gesagt, wir laden zu einer nationalen Kraftanstrengung zur Reduktion der Arbeitslosigkeit ein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist auch nicht so, dass wir im Budget 2006 keinen Schwerpunkt setzen würden, sondern selbstverständlich sind im Budget 2006 104 Millionen € mehr für den Arbeits­markt vorgesehen. (Abg. Mag. Kogler: Das ist Freiheitsentzug!) Wir investieren 1,5 Milliarden € für die aktivierende und die aktive Arbeitsmarktpolitik, und wir geben in Summe 4,9 Milliarden € für den Arbeitsmarkt aus. Ich sage nur, uns ist das wichtig.

Wir sehen die Familien, wir sehen die Betroffenen, wir sehen die Sorgen der Angehörigen. Unser größtes Anliegen ist es, die Arbeitslosen von heute wieder in Be­schäftigung zu bringen. Tun wir das gemeinsam! Das ist die Einladung, die ich gerne ausspreche. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu den Schwerpunkten. Meine Damen und Herren! Wir diskutieren nicht das erste Mal ein Budget. (Abg. Öllinger: Nein, leider!) Und ich denke, man sollte die Seriosität haben und sehen, was diese Bundesregierung seit dem Jahr 2000 getan hat. Es ist das siebente Budget, für das ich mit Staatssekretär Alfred Finz gemeinsam verant­wortlich bin. Da müssen Sie schon sehen, wo wir verstärkt haben, wo wir Prioritäten, wo wir Schwerpunkte gesetzt haben.

Meine Damen und Herren! Forschung und Entwicklung: Wir geben seit dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2006 10,1 Milliarden € für Forschung und Entwicklung aus, das ist ein Plus von 34 Prozent. Investitionen in Straße und Schiene: 17,7 Milliarden €, ein Plus von 60 Prozent im Vergleich zu Vorgängerregierungen. (Abg. Eder: Lauter zusätzliche Schulden!)

Die Bildung ist angesprochen worden, ein Plus von 1,1 Milliarden € in der Bildung, für die Familien, weil die Kinder die Zukunft des Landes sind. 1,1 Milliarden € mehr für die Kinder, für die Familien.

Das sind die Schwerpunkte, die wir setzen! Diese tun dem Land gut, sind wichtig, richtig gesetzt und notwendig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Glaubwürdigkeit, meine Damen und Herren! Man hinterfragt unsere Glaub­würdig­keit. (Zwischenrufe des Abg. Broukal.)

Ich darf ein bisschen erinnern! Meine Damen und Herren! Gehen Sie zurück ins Jahr 2000! Wir haben gesagt, wir machen ein Nulldefizit. Wissen Sie, wie die ersten Reaktionen waren? Erinnern Sie sich? – Außer Alfred Gusenbauer – er ist ein bisschen hin- und hergeschlenkert, er hat gesagt, schreiben wir das in die Verfassung, machen wir es doch wieder nicht; er hat sich nicht entscheiden können, was er will – haben die meisten gesagt, das erreichen wir nie. (Abg. Reheis: Alles verscherbelt!)

Mein Damen und Herren! Das erste Mal seit 27 Jahren haben wir es im Jahr 2001 erreicht. 2002 waren wir ganz knapp dran.

Zweiter Punkt: 40 Prozent Abgabenquote, meine Damen und Herren! Da hat man gesagt, nie schafft das diese Bundesregierung. 40 Prozent, nicht erreichbar.

Meine Damen und Herren! Nicht 2010, sondern 2006 haben wir das Ziel fast erreicht. Die Grünen haben gesagt, das geht nur mit großen sozialen Einschnitten, ist praktisch nicht zu machen. (Abg. Sburny: Ist ja auch so!)

Herr Professor Van der Bellen hat sich gerade verrechnet. Er hat vorgestern dem „WirtschaftsBlatt“ ein Interview gegeben und gesagt, wir brauchen, damit wir auf 40 Prozent kommen, 7 bis 8 Milliarden €.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 47

Jetzt wissen wir, wir stehen jetzt bei 40,7 Prozent Abgabenquote. Wir müssen um 0,7 Prozent herunterkommen. Wenn man rechnet und sich damit beschäftigt, kommt man darauf, dass das nicht 7 bis 8 Milliarden €, sondern 1,8 Milliarden € sind. – Nur so weit zur Seriosität der Debatte und zu den entsprechenden Zahlen. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Wenn ich bei der Seriosität und der Glaubwürdigkeit bin: Herr Professor, eher Herr Parteiobmann! Verzeihen Sie, ich habe es vom Argument her verwechselt. Wir haben gestern eine Auseinandersetzung geführt. Sie haben heute das Argument wiederholt. Ich verstehe es einfach nicht, weil es nicht sachlich und nicht seriös ist.

Sie haben heute wieder gesagt, wir sparen bei den Lehrern, im Landeslehrerbereich, bei den Volksschulen, wir tun nichts für die Bildung. Ich habe Ihnen gestern gesagt, wir sollten uns auf ein Prinzip einigen. Wir haben – und das sagen Sie nie dazu – in diesem Bereich der Landeslehrer 12 000 bis 13 000 Schüler weniger. Dass man bei um 12 000 bis 13 000 weniger Schülern weniger Lehrer hat, ist relativ klar, daher geben wir auch um knapp 30 Millionen € weniger aus. (Abg. Dr. Van der Bellen: Das habe ich heute gesagt! Sie hören nicht zu!)

Wir haben auf der anderen Seite im Bundesschulbereich, im Bereich der höheren Schulen 6 000 Schüler mehr. Wir geben um 57 Millionen € mehr in diesem Bereich aus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das heißt: weniger Schüler, weniger Lehrer, weniger Geld – mehr Schüler, mehr Lehrer, mehr Geld! Auf dieses Prinzip sollten wir uns verständigen.

Dann haben Sie die PISA-Studie erwähnt, also noch einmal dazu. Ich habe Ihnen gestern gesagt: Das Bekenntnis der Bundesregierung, von Bundesministerin Gehrer abwärts, auch aller anderen Mitglieder der Bundesregierung, ist höchstmögliche Qualität der Bildung für unsere Schüler. Das ist unser Anliegen, das ist unser Bekennt­nis.

Schauen wir uns an, wie viel Geld wir ausgeben! OECD-Statistik, vergleichbar gemacht alle Länder, die OECD-Mitglieder sind, alle westlichen Industrienationen. Österreich gibt im Volksschulbereich 6 500 Dollar pro Schüler aus. (Abg. Öllinger: Da sind ja die Pensionen eingerechnet! Das stimmt ja nicht!) Finnland, der PISA-Gewinner, die bes­ten Ergebnisse bei PISA, gibt 4 700 Dollar aus. Höhere Schulen: Österreich gibt 8 500 Dollar pro Schüler aus, Finnland 6 500 Dollar pro Schüler.

Meine Damen und Herren! Wir geben um 30, 40 Prozent mehr aus, das heißt, es liegt nicht vor allem am Geld. Also ändern wir das System! Schauen wir, dass wir zur besten Qualität kommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, Sie sprechen von willkürlicher Budgeterstellung (Abg. Öllinger: Ja!) und argumentieren das mit dem Budgetbericht 2006, mit der Über­sicht 10, wo es einen Zahlensturz gibt. Und Sie sagen dazu, wir irren uns um 550 Millionen € bei der Körperschaftsteuer. (Abg. Dr. Gusenbauer: Genau!)

Meine Damen und Herren! Etwas lasse ich sicherlich nicht zu: dass Sie mein Haus schlecht machen, dass Sie meine Experten schlecht machen, dass Sie das Bun­desministerium für Finanzen und meine Beamten in den Schmutz ziehen! Das geht sicherlich nicht, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen auch, warum es ein wirklich völlig unseriöses Argument ist und Sie sich offensichtlich nicht einmal mit den Budgetunterlagen auseinander gesetzt haben. Wir drucken in etwa 2 500 Seiten an Budgetunterlagen. Herr Van der Bellen hat gesagt, wir stellen mehr Unterlagen zur Verfügung, und zwar in aller Transparenz und früher, als das bisher der Fall war. (Abg. Mag. Molterer: In besserer Qualität!) Wir haben bei


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 48

2 500 Seiten einen Ziffernsturz gehabt. Das war auf Seite 82 im Budgetbericht. (Abg. Mag. Kogler: Leider auf der wichtigsten!) Wir haben diesen Ziffernsturz selbst erkannt, brauchen Sie also nicht dazu. Wir haben die neue Seite beigelegt, haben diese neue Seite schon durch den Ministerrat gebracht und dort auch beschlossen und das so in das Hohe Haus geliefert. Wir haben also diesen Ziffernsturz selbst entsprechend korrigiert und Ihnen die richtigen Unterlagen geliefert.

Wenn Sie, Herr Gusenbauer, sagen, ein Budget sei willkürlich erstellt, wenn uns ein Druckfehler passiert, den wir selbst richtig stellen, dann fehlt Ihnen die Sachlichkeit. (Abg. Scheibner: Unseriöse Argumentation!) Das ist Polemik, das hat nichts mit Budget­politik zu tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn ich bei der Glaubwürdigkeit bleiben darf. (Abg. Schieder: Ach so, im Ziffernsturz sollte man den Kassasturz machen!) Meine Damen und Herren! Herr Gusenbauer und Herr Matznetter haben eine Pressekonferenz gemacht und damals gesagt: Senken wir die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent! – Die Regierung hat es gemacht. Dann haben sie gesagt: Entlasten wir die Einkommen der Arbeitnehmer um 1,5 Milliarden €! – Die Regierung hat es gemacht. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt ja nicht!) Die Sozial­demo­kratie hat gegen die Entlastung gestimmt, gegen die Steuerreform gestimmt, genauso wie die Grünen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Weil Sie es nicht gemacht haben!) Offen­sichtlich sind beide für Steuererhöhungen, die Grünen sprechen es aus. Das unter­scheidet uns. Das ist gut. Arbeiten wir das heraus! Wir wollen die Steuern und Abgaben senken! Wir wollen entlasten! Wir wollen die Kaufkraft der Menschen erhöhen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sie sind der Belastungsminister!)

Sie sagen, die Steuersenkung sei nicht groß genug, gleichzeitig sagen Sie aber, das Defizit sei viel zu hoch, und machen Vorschläge. Wir haben einmal gerechnet, was Sie in den letzten Monaten vorgeschlagen haben: 19 Milliarden € an Mehrausgaben würden die Vorschläge der Sozialdemokratie, über die letzten Monate beziehungs­weise Jahre gerechnet, bedeuten. Also das heißt, wie man es finanziert, ist Ihnen völlig Wurscht. Das ist mein Eindruck, meine Damen und Herren, verzeihen Sie, wenn ich das so direkt sage.

Ich muss sagen, die Alternative: Wie machen wir es besser? Wie beschäftigen wir uns mit den Staatsfinanzen? Wie kommen wir zu mehr Beschäftigung? Wie reduzieren wir die Arbeitslosigkeit? Was tun wir wirklich für die Bildung? Wie schaffen wir mehr Forschung und Entwicklung? Wie reduzieren wir die Steuern?, die Sachlichkeit, die Auseinandersetzung in der Sache sind uns die Parteiobmänner der beiden Oppo­sitionsfraktionen heute wirklich schuldig geblieben.

Wir versuchen, wirklich ganz seriös, verantwortungsbewusst einen Weg für dieses Land zu gehen. Die Budgetdaten lassen sich herzeigen. Wir sind das Land in Europa, das in den letzten Jahren die Steuern am stärksten gesenkt hat. Und damit ist das ein sehr seriöser, sachlicher Kurs mit guten Ergebnissen für das Land, die bestätigt werden. Schauen Sie sich das an: Einkommen der Bevölkerung: 27 Milliarden € mehr, Sparguthaben: 12 Milliarden € mehr, 100 000 mehr Beschäftigte – eine Bilanz, die für uns spricht! Wir warten auf Ihre Alternativen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

11.24


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Grillitsch. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten, Herr Abgeordne­ter. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 49

11.24.55

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundes­minister! Meine Herren Staatssekretäre! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie bin ich enttäuscht ob dieser Diskussion heute (Abg. Dr. Gusenbauer: Nach dem Finanz­minister sicher! – demonstrativer Beifall bei der SPÖ) – nein, warten Sie einmal, Herr Dr. Gusenbauer, warten Sie einmal! –, und zwar enttäuscht aus folgendem Grund: Der Herr Finanzminister hielt gestern eine wirklich solide, seriöse Budgetrede. (Abg. Dr. Gusenbauer: Waren Sie gestern nicht da?) Herr Dr. Gusenbauer! Die Budget­sprecher der Regierungsparteien Stummvoll und Bucher strecken Ihnen die Hand entgegen, und Ihre Antwort ist polemisieren, polarisieren, diskriminieren. Das ist nicht der Stil. (Abg. Dr. Gusenbauer: Oh ja!) Das ist ein Verunsicherungsprogramm für die Menschen, und das lehnen die Menschen in Österreich ab. Ich kann Ihnen sagen, Sie werden das auch am nächsten Wahltag wieder erleben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Gusenbauer, Hand aufs Herz, wirklich Hand aufs Herz: Hätte Herr Finanz­minister Grasser diesen Ziffernsturz nicht mit Beilagenzettel korrigiert, hätten Sie den Fehler wahrscheinlich nicht einmal bemerkt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Abg. Mag. Kogler: Was heißt „Ziffernsturz“?)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die vordringlichen Ziele gehört. Wir wollen Arbeitsplätze sichern, wir wollen Beschäftigung sichern, wir wollen die Schulden abbauen, wir wollen den Menschen Sicherheit geben. (Abg. Mag. Kogler: Sie wissen ja schon wieder nicht, was Sie beschließen!) Herr Dr. Gusenbauer! Wir wollen den Menschen Sicherheit geben, wir wollen einen ausgeglichenen Haushalt über den Zyklus. Wir wollen die Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent bis zum Jahr 2010. Wir wollen Wachstumsanreize durch Investitionen in Bildung, Forschung, Entwicklung und Infrastruktur. Und wir wissen, dass wir zudem vor großen Herausfor­derungen stehen. Wir brauchen Antworten auf die Globalisierung, auf die Liberalisie­rung, wir brauchen Antworten auf die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, wir brauchen Treffsicherheit im Sozialsystem.

Und wir haben bereits Antworten gegeben (Abg. Dr. Gusenbauer: Ah ja?!) mit der Steuerreform, mit dem Budget. (Abg. Eder: Falsch!) Wenn Sie die Steuerreform kriti­sieren und meinen, das sei nur eine Steuerreform für ein paar Industrielle und für ein paar Traktorfahrer, dann, das muss ich Ihnen ehrlich sagen, haben Sie den Sinn und Zweck dieser Steuerreform nicht kapiert. (Abg. Mag. Kogler: Bravo! – Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Herr Dr. Gusenbauer, da geht es um die Siche­rung des Wirtschaftsstandortes, um die Sicherung von Arbeitsplätzen für die Men­schen, damit sie ein Einkommen haben und Investitionen tätigen können, sodass die Wertschöpfung in der Region bleibt. Und da geht es um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich. Dazu gehört natürlich auch die Landwirtschaft. Auch Schwerpunkte für die Familien und für die Pendler sind mit dabei.

Es ist natürlich keine angenehme Entwicklung in Österreich, wenn man sich trotz Mehr­beschäftigung in der Größenordnung von nahezu 100 000 auch mit steigenden Arbeits­losenzahlen auseinander setzen muss. Keine Frage! Aber ich glaube, da ist es auch erlaubt, einen Vergleich mit Deutschland anzustellen. (Abg. Eder: Der Vergleich hinkt!) Wie geht es der rot-grünen Regierung in Deutschland, und was machen wir? – In Deutschland ist die Arbeitslosenrate mit 12,1 Prozent dreimal so hoch wie jene in Österreich, die bei 4,5 Prozent liegt. Sie hören richtig, die Zahl der 15- bis 19-jährigen Arbeitslosen ist bei uns um 3,7 Prozent zurückgegangen, während sie in Deutschland um 62 Prozent gestiegen ist.

Man könnte noch viele andere Vergleiche anstellen, meine Damen und Herren. Letztlich sind wir aber, wie ich meine, alle dazu aufgerufen, Herr Dr. Gusenbauer, auch


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 50

Sie, nicht weiter Ihr Verunsicherungsprogramm in Österreich zu fahren, sondern das Angebot der Zusammenarbeit aufzunehmen, weil wir diese Fragen lösen müssen.

Und zu diesem Mosaik gehört auch die Landwirtschaft, Herr Dr. Gusenbauer. (Abg. Dr. Gusenbauer: Die ist eh gut bedient worden!) Auch die Landwirtschaft ist für die Wirtschaftsstandortsicherung in Österreich von Bedeutung. Wir sind durch den EU-Beitritt vor großen Herausforderungen gestanden. Wir haben die Agenda 2000 mehr oder weniger bewältigt, wir stecken mitten in der GAP-Reform und stehen vor WTO-Verhandlungen.

Nichts ist notwendiger, als auch unseren bäuerlichen Familien Sicherheit und Planbar­keit und Kontinuität in den Programmen zu geben, und eben das passiert mit dieser Regierung. Wir haben uns durch nationale Aufstockung von 4,9 Millionen € wieder unser 3-Milliarden-€-Paket gesichert, in Kofinanzierung mit Bund und Land, und schauen so, dass wir für unsere Bauern alle Mittel aus Brüssel abholen können, damit sie diese auch entsprechend nutzen können. Wir haben das den Bauern versprochen – und gehalten!

Es steht die Förderung der ländlichen Entwicklung an. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) – Sie haben außer Arbeitsplatzvernichtung nichts im Kopf, Herr Krainer, das haben wir gestern gesehen! – Die Förderung der ländlichen Entwicklung ist, glaube ich, eine österreichische Erfolgsgeschichte, wo wir 10 Prozent der Mittel von Brüssel für Öster­reich sichern konnten. Und das gilt es jetzt auch für die Zukunft, bis zum Jahr 2013, für den ländlichen Raum, für die österreichischen Bauern abzusichern, denn wir wissen, dass gerade diese Programme, die wir da zur Verfügung stellen, etwa ein Umweltprogramm oder eine Ausgleichszulage für die Bergbauern, ganz wesentlich dafür sind, dass unsere Bauern diese Höfe auch im gesellschaftlichen Auftrag weiter bewirtschaften können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Freiheitsentzug!)

Es ist das nicht nur wichtig für die Landwirtschaft, sondern auch für die Infrastruktur.

Es gibt natürlich die Diskussion unter den Nettozahlern – und ich spreche das hier ganz offen an –, die meinen, es müsste weniger Geld ausgegeben werden, damit sich ihre Beiträge verringern würden. (Abg. Mag. Kogler: Sie entziehen die Freiheit für die, die das zahlen müssen!) Die Kommission legt in ihrem Haushaltsvorschlag fest, ins­gesamt zirka 1,14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Mitgliedstaaten bean­spruchen zu wollen, während sich eine Allianz von Nettozahlern gebildet hat, die sich für eine Begrenzung auf 1 Prozent des BIP stark macht.

Meine Damen und Herren! Das würde bedeuten, dass sich die zur Verfügung stehen­den Geldmittel für die ländliche Entwicklung um 37 Prozent, im Extremfall sogar um 61 Prozent verringern würden. Das heißt, uns muss klar sein, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mehr EU mit weniger Geld kann es nicht geben! Und das ist die große Herausforderung, vor der wir alle stehen und vor der vor allem die bäuerlichen Familien und der ländliche Raum stehen.

Wir brauchen einen ländlichen Raum, der auf sechs Säulen aufbaut. Eine davon ist das Thema Infrastruktur. Bitte, setzen wir uns intensiv damit auseinander! Da gibt es strukturelle Veränderungen, da haben wir mit Informationstechnologie die Chance, die Welt ins Dorf zu bringen. Schaffen wir ein entsprechendes Bildungsangebot auch im ländlichen Raum!

Herr Finanzminister! Finanzausgleich: Ich möchte fast sagen, es war ein Jahrhun­dertereignis, vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel wegzugehen, hin zum aufgaben­orientierten. Dadurch können gerade auch die kleinen Gemeinden, die immer mehr Aufgaben zu erfüllen haben, entsprechende Vorteile lukrieren.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 51

Meine Damen und Herren! Wir brauchen auch eine Wertediskussion in Österreich im Zusammenhang mit Lebensmitteln. Es kann nicht angehen, dass wir dafür immer weniger ausgeben, aber immer höhere Ansprüche stellen, dass wir nur mehr 11 Pro­zent für Lebensmittel ausgeben. Es ist nicht in Ordnung, dass man für Fleisch im Supermarkt in den letzten 20 Jahren um 30 Prozent mehr gezahlt hat, während der Bauer dafür um 30 Prozent weniger bekommen hat. Führen wir auch diese Diskussion, meine Damen und Herren, und schaffen wir eine soziale Absicherung!

Regionalität und Saisonalität der wirtschaftlichen Unternehmungen im ländlichen Raum – Gewerbetreibende, Wirtschaftstreibende, Bauern – verlangen nicht Konkur­renz­denken, sondern verlangen zunehmend mehr Kooperationsdenken, um in diesem globalisierten, konzentrierten Markt auch entsprechend bestehen zu können. (Abg. Silhavy: Wie viel kriegen denn die Bauern aus dem Budget mehr?) – Frau Silhavy, helfen Sie hier mit, denn da geht es auch um Arbeitsplätze, für die auch Sie sich einsetzen sollten, und da geht es auch um die entsprechende Emotionalisierung unserer Produkte.

Was wir tun müssen, meine Damen und Herren – zum Abschluss wieder ein Vergleich mit Deutschland –: Wir müssen unseren Menschen im ländlichen Raum und vor allem den bäuerlichen Familien entsprechende Investitionsprogramme zur Verfügung stellen. Wir sind hier in Österreich auf einem guten Weg, im Gegensatz zu Deutschland. In Deutschland sind in den letzten vier Jahren die Investitionen in der Landwirtschaft um 90 Prozent zurückgegangen. Das heißt, pro Jahr wurden 30 000 bis 40 000 Arbeits­plätze – pro Jahr! – vernichtet, weil die deutschen Landwirte nicht investiert haben. Wir in Österreich investieren pro Betrieb zweieinhalb Mal so viel.

Schaffen wir diese Sicherheit, diese Planbarkeit für unsere bäuerlichen Unterneh­mungen, für den ländlichen Raum! Alle, die wir hier leben, alle, die wir Sehnsüchte haben, werden davon Vorteile haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


11.35.27

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Herren auf der Regierungsbank, besonders Herr Mag. Grasser! Hohes Haus! Leicht hat er es ja nicht, unser Finanzminister. Allein der heutige Tag in der Presse ist nicht leicht für ihn. Herr Dinkhauser meint, dass jetzt sogar schon der „Schwieger­mutter-Bonus“ weg sei. Interessant ist auch die Aussage: Schüssel muss sich fragen, ob er Grasser noch braucht. Er ist wohl unvermittelbar. – Also durchaus interessante Zitate hochrangiger ÖVP-Funktionäre.

Aber auch die Auseinandersetzung mit dem Budget ist schwierig. Der Bogen spannt sich von „Gürtel enger schnallen“ über „tiefe soziale Einschnitte“ bis zu „unsichere Pro­gnosen“. Der Herr Zankel sagt in der „Kleinen Zeitung“, von dem man ja nicht wirklich sagen kann, dass er zum harten Oppositionskern gehört: „Der Finanzminister orientiert sich nicht an der Konjunktur, sondern an Wahlterminen.“

Also leicht hat er es nicht. (Abg. Dr. Fekter: Aber er ist gut!) Verteidigt wurde er hier auch nicht wirklich. Seine gestrige Rede war, obwohl er 10 Minuten eingespart hat, auch nicht mehr geeignet, dass wenigstens Herr Präsident Khol sagt: Eine gute Rede, Karl-Heinz! – So hat es ja noch vor einiger Zeit geheißen. – Also alles rundherum ein bisschen nicht ganz so, wie er es sich erwartet hat!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 52

Vor diesem Hintergrund kann man dem Finanzminister ja gar nicht vorwerfen, dass er mit sehr viel Eigenlob arbeitet, wenn auch dafür der Anlass nicht allzu groß ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Aber wirklich selbstkritisch sind Sie auch nicht!)

Aber gehen wir einmal das durch, was wirklich als richtig und gut zu erwähnen ist.

Erste Feststellung: Das Bundesministerium für Finanzen hat wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Übrigens: Es ist nicht so, Herr Finanzminister, dass die Zahl auf dem Einlageblatt auf Seite 82 auf einen „Ziffernsturz“ zurückzuführen wäre. Das schaut nämlich ganz anders aus. Wer sich die gedruckte Ausfertigung und das Einlageblatt genau anschaut, der sieht, dass es sich um eine komplett andere Tabelle handelt – und die Damen und Herren im Finanzministerium machen eine sorgfältige Arbeit. Sie haben nämlich in ihrer ursprünglichen Berechnung bei der Körperschaftsteuer zu Recht angenommen, dass das Aufkommen an Körperschaftsteuer im Lichte dessen, dass zwei Drittel der drastischen Senkung erst im Jahr 2006 wirksam wird, von 3,6 Milliar­den auf 3,250 Milliarden sinken wird. (Abg. Scheibner: Sind Sie jetzt dafür oder dagegen?)

Jetzt aber plötzlich gibt es eine Tabelle als Einlageblatt, in der die 3,8 Milliarden stehen. Das ist kein Ziffernsturz, es zeigt nur etwas anderes. (Bundesminister Mag. Grasser: Haben Sie die Seite 46 gelesen?) – Nein, Sie haben ein anderes Problem: Was Ihnen hier passiert ist, ist, dass die aus dem Herbst stammende wahre Berechnung der voraussichtlichen Abgabenaufkommen noch in der Druckfahne enthalten war (Bundesminister Mag. Grasser: Unglaublich!) und die Berichtigungen, die Sie vorgenommen haben, dann in Form eines Einlageblattes gemacht werden mussten. (Zwischenbemerkungen von Bundesminister Mag. Grasser und Vizekanzler Gorbach.)

Wenn Sie Ihre Tratschrunde hinter mir ein bisschen weiterführen, können Sie uns ein paar weitere Dinge aufklären, Herr Bundesminister für Finanzen:

Ich komme zur Kernfrage, wem die Steuersenkung etwas gebracht hat. Weil wir gerade bei der Körperschaftsteuer sind, möchte ich gerne über die Unternehmensseite sprechen. Sie behaupten ja, dass jetzt alle Österreicherinnen und Österreicher mehr Kaufkraft haben. Dass dem nicht so ist, wurde Ihnen, glaube ich, ziemlich klar am Beispiel der Fahrkarte nach Gloggnitz durch den Bundesparteivorsitzenden Dr. Gusen­bauer dargestellt.

Hochinteressant ist die jüngste Körperschaftsteuer-Statistik, die das Statistische Zentralamt herausgebracht hat. Dort findet man nämlich auf Seite 34 eine Aufstellung, wer bisher 78,3 Prozent der Körperschaftsteuer gezahlt hat. Das waren genau 1 584 Großunternehmungen, und die bekommen diese 80 Prozent, die Sie als Stärkung der österreichischen Wirtschaft verkaufen wollen! Das sind genau 1 500 der bestverdienenden Betriebe des Landes. (Abg. Dr. Bleckmann: Wie viel Arbeitsplätze sind das?) Und der Rest, nämlich 57 500 Fälle mit Mindestkörperschaftsteuer, so genannte Nullfälle, bekommt von Ihnen genau nichts. Nein, Sie bekommen auch noch die letzte Investitionsbegünstigung, die Investitionszusatzprämie, gestrichen. Das ist Steuerpolitik Marke ÖVP samt Beiwagerl FPÖ und heißt nichts anderes als: Wir fördern große internationale Konzerne statt die österreichische Wirtschaft. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das wird Ihnen diese Wirtschaft natürlich auch anrechnen, denn Sie haben ja auch noch eine weitere Möglichkeit geschaffen: die Gruppenbesteuerung. Da ist zum Bei­spiel interessant, was Karl Bruckner dazu sagt. Das ist justament jener Steuerexperte, den die ÖVP noch letztes Jahr zum Hearing über die Steuerreform eingeladen hat. Er sagt heute: Gruppenbesteuerung wird den Fiskus noch teuer zu stehen kommen. Warum? – Weil Sie aus der Körperschaftsteuer eine Beliebigkeitssteuer bei inter-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 53

nationalen Konzernen gemacht haben, weil die nach Belieben Verlustkonzerne, Verlustbetriebe ansiedeln können, nur unterhalb anhängen müssen – und schon die österreichische Körperschaftsteuer auf null stellen können. Es wird ein Vielfaches kosten, die Lücken werden kaum zu schließen sein, und das, was Sie heute in dem Budget 2006 hier vorlegen, ist daher Makulatur. Es werden nicht 200 Millionen Mehr­ertrag sein, sondern es werden deutlich größere Löcher sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber jetzt kommen wir zum Hauptpunkt – und ich möchte auf diesen Punkt deswegen eingehen, weil sich die über 317 000 Arbeitslosen in einer der unangenehmsten Situationen des Landes befinden, aber nicht nur diese, sondern alle Österreicherinnen und Österreicher finden heute eine deutlich schlechtere Arbeitsplatzsituation vor als vor fünf Jahren. Und sie finden sie nicht nur deswegen schlechter vor, weil die Weltwirt­schaft zurückgegangen ist, das auch, aber nicht nur, und das konzedieren wir gerne, Arbeitsplatzprobleme gibt es in ganz Europa. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Wir haben jedoch neue Dinge kennen gelernt: zum Beispiel 47 000 Jugendliche ohne Arbeit. Wir kannten vor der Regierung Schüssel eine Jugendarbeitslosigkeit in diesem Land nicht!

Das ist etwas Neues, und zwar deshalb, weil der falsche Weg in diesem Land gegan­gen wird. Wir haben es in der Vergangenheit geschafft, die Geißel der Jugendarbeits­losigkeit von diesem Land fern zu halten. Unter Ihrer Regierungsführung ist es jetzt erstmals so weit.

Wenn Sie mir das Beispiel Deutschland erlauben (Abg. Dr. Fekter: Ja, permanent!): Die Bundesrepublik Deutschland hat eine katastrophale Arbeitsplatzsituation mit heute 5 Millionen Arbeitslosen. Vor fünf Jahren waren es noch knapp über 4 Millionen, 4,2 Millionen im Jänner 2000. (Abg. Dr. Fekter: Schröder hat das ganze Land abge­wirtschaftet!) Nur sollten Sie sich den Anstieg, bevor Sie zwischenrufen, anschauen, Frau Kollegin. Der Anstieg – 317 000 plus jene in Schulung, 57 000, wie es im Jänner der Fall war – ist nämlich bei uns deutlich schärfer als in Deutschland. Sie sollten daher nicht auf Deutschland schimpfen, sondern die Herren Bartenstein, Schüssel und Grasser dafür belangen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Aber kommen wir zur Frage, wie man die Politik besser machen könnte. Der Herr Bundesminister lädt ein zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung zur Bekämpfung des Problems. Nur: Dafür ist es sehr spät. Wir waren bereit zu jeder Mitarbeit, wir wollten an der Steuerreform mitarbeiten – sie wäre dann deutlich besser ausgefallen –, aber Sie haben unsere Vorschläge nie angenommen.

Es gibt eine Möglichkeit, wie man es besser machen kann: Machen Sie Platz für Neuwahlen, dann gibt es ein besseres Budget und eine bessere Politik im Lande, eine, mit der die Einkommen steigen und nicht fallen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn Sie mich den Zwischenruf vielleicht quittieren lassen: Der Rechnungshof hat in seinem Einkommensbericht 2003 das Medianeinkommen für das Jahr 2003 dargestellt. Vergleicht man dieses mit dem Jahr 2000, so kommen Sie bei den unselbständig Erwerbstätigen, wenn Sie die Inflation herausrechnen, bei 15 001 € pro Jahr im Jahr 2000 auf einen Rückgang auf 14 608 € – netto gerechnet!

Das heißt, in der Zeit, als die Verantwortung für die Finanzpolitik bei den Herren Schüssel, Bartenstein und Grasser lag, haben wir sinkende Realeinkommen, und das spüren die Menschen, weil sie weniger im Geldtaschel haben (Abg. Silhavy: Das merkt der Stummvoll natürlich nicht!), das spürt die Wirtschaft, weil die Kaufkraft nicht da ist, das spürt das gesamte Land, weil sich das Wachstum nur mehr im Rahmen des Durchschnitts der Union bewegt anstatt darüber.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 54

In Summe also eine Politik, die man deutlich besser machen könnte, besser jedenfalls, als wenn die Verantwortung bei der ÖVP liegt!

Aber vielleicht hören wir dann eines Tages, vielleicht vom Herrn Staatssekretär Finz, der sich dann vielleicht als Abgeordneter in ein paar Jahren herstellt und sagt: Wissen Sie, das war halt eine ganz schlechte Politik in diesen Jahren 2000 bis 2005. Wir konnten damals leider keine gescheite Politik machen, die Schulden sind gewachsen, die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, aber jetzt wollen wir es besser machen! – So ähnlich, wie Kollege Stummvoll über die Regierungszeit von 1988 bis 1991 gesprochen hat.

Danke für das Eingeständnis: Die ÖVP kann es nicht so gut! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.46


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


11.46.52

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Jetzt ist ja, Kollege Matzenetter, von Ihnen endlich einmal Klartext gesprochen worden. (Abg. Mag. Trunk: PISA!) – Nicht PISA! (Abg. Mag. Trunk: Matznetter!) – Ja, von mir aus, Matznetter, alles klar! Wichtig ist der Inhalt, den er hier gebracht hat.

Matznetter hat gesagt, das einzige Konzept, die einzige Alternative sei: Gehen Sie, und lassen Sie uns wieder in die Regierung! Wir wollen endlich wieder an die Macht kommen, und dann werden wir uns schon überlegen, was wir machen können. – Herr Kollege Matznetter! Wir hätten uns erhofft, dass Sie jetzt Ihre Alternativen auf den Tisch legen und uns hier darlegen. Aber dazu ist nichts gekommen.

Es ist aber auch kein Wunder, dass nichts kommt, denn Sie haben ja außer Ihrer uralten Politik der Steuererhöhungen und der Defiziterhöhung nichts einzubringen. Und dann haben Sie ja sehr viel zu tun, um genau diese Konzepte wieder zu kaschieren, wie das bei Ihrem Wirtschaftsprogramm der Fall war. Sie verabschieden sich ja schon wieder von Ihrem Wirtschaftsprogramm. Nichts haben Sie hier präsentiert. (Zwi­schen­ruf des Abg. Dr. Matznetter.) Sie haben drei Anläufe gebraucht, bis Ihnen Ihre Spin-Doktoren klarmachen konnten, dass es nicht wirklich gescheit ist, in der Opposition zu sein und dauernd von Steuererhöhungen als einzigem wirtschaftspolitischem Konzept zu reden. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) – Geh, bitte, vielleicht kannst du das dem Kollegen Matznetter sagen, der sich da hinten alteriert. Es ist leider so: Wir warten die ganze Zeit auf Ihre konstruktiven Ansätze, und es kommt nichts!

Ich darf Ihnen sagen, was mir ein Oppositionsabgeordneter gesagt hat, der mich gebeten hat, seinen Namen nicht zu nennen. Nachdem Kollege Gusenbauer auch so „sachlich“ die Einnahmen bei der Einkommensteuer real mit den Beträgen verglichen hat, habe ich diesen Oppositionsabgeordneten gefragt: Was sagen Sie als Experte dazu? – Da hat er mich angeschaut und gesagt: Ich habe nicht zugehört. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist vielleicht auch eine Möglichkeit, auf die Vorschläge und Programme der Oppo­sition zu reagieren, meine Damen und Herren. Aber es ist jedenfalls kein Marken­zeichen dafür, dass Ihre Politik, Ihre sozialdemokratische Wirtschafts- und Steuerpolitik auch nur in irgendwelchen Ansätzen besser sein könnte als jene Politik, die FPÖ und ÖVP seit dem Jahr 2000 für Österreich umgesetzt haben, nämlich weitsichtig, klar, deutlich und nachvollziehbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie sagen, ein Sparpaket drohe nach der nächsten Wahl, dann ist das auch von der Hoffnung getragen, dass die SPÖ nach 2006 wieder in der Regierung ist, denn


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 55

dann, und nur dann, droht ein Sparpaket, weil bei Sparpaketen sind Sie ja Weltmeister gewesen. Aber Sie haben nicht Sparpakete geschnürt, um irgendwelche Struktur­änderungen zu machen, zu finanzieren, um zukunftsorientierte Politik zu machen, nein, sondern bestenfalls um Wahlzuckerln zu finanzieren.

Die Vergleiche, die Sie halt immer scheuen, Herr Kollege Gusenbauer, meine Damen und Herren von der SPÖ, liegen ja auf dem Tisch. (Abg. Mag. Kogler: Sie sind dauernd unter dem Tisch!) Kollege Matznetter spricht hier davon, was vielleicht irgendwann einmal ein Abgeordneter Finz hier sagen wird. Sie als Abgeordneter haben ja seit fünf Jahren das Problem, dass Sie hier dauernd etwas verteidigen müssen, was Sie nicht verteidigen können, nämlich Ihre schlechte Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Jahren bis 2000. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben ja den Vergleich mit 1998: 1998 gab es ein Rekordwirtschaftswachstum von 4 Prozent! Und was haben Sie daraus gemacht? – Ein Rekorddefizit von 2,3 Prozent, eine Rekordabgabenquote von über 44 Prozent und eine ähnlich hohe Arbeitslosigkeit, wie wir sie jetzt bei gleichzeitig wesentlich schlechteren Wirtschaftsdaten haben.

Was machen hingegen wir? – Für 2006 wird ein Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent prognostiziert. Hoffentlich springt die Wirtschaft wieder an! Die Lage ist jetzt gesamt­wirtschaftlich gesehen aber jedenfalls wesentlich schlechter als zu Ihrer Zeit. Das Defizit erreicht jedoch nicht die Rekordhöhe von 2,3 Prozent wie zu Ihrer Zeit, sondern liegt bei 1,7 Prozent, meine Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznet­ter.)

Und – jetzt kommt’s, und das ist für die Bevölkerung wichtig, denn da geht es um die Steuer- und Abgabenquote –: Damals musste die Bevölkerung Ihre falsche Politik mit einer Rekordabgabenquote von über 44 Prozent finanzieren, wir haben sie auf 40 Prozent gesenkt, das Geld geht zurück zu den Steuerzahlern! Sie aber waren – und sind – leider gegen diese Entlastungsoffensive! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, wenn Sie sagen, die Bevölkerung spüre diese Steuer­senkung nicht, all das sei nichts, dann möchte ich wirklich einmal die Gegenfrage stellen. Die zweite Etappe der Steuerreform ist nämlich im Jänner dieses Jahres in Kraft getreten. (Abg. Mag. Trunk: Und die Strompreise!) – Danke schön, vielen Dank, Frau Kollegin! Sie sind zwar aus Kärnten, aber schauen Sie sich einmal die Strom­preisentwicklung im sozialistisch geführten Wien an! Dort haben sie es wirklich geschafft: Obwohl es eigentlich eine Senkung geben müsste, wurden dort zu Lasten der Kleinsten die Strompreise und die Gaspreise erhöht. Man hat allerdings den Verrechnungsmodus geändert, damit das nicht so auffällt. Das ist Ihre Art und Weise, wie Sie die Bevölkerung belasten, Frau Kollegin Trunk! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Wir haben die Bevölkerung entlastet: 4 Milliarden € Entlastung für die Wirtschaft und für den Steuerzahler!

Die Körperschaftsteuersenkung, die Sie zuvor gefordert haben – jetzt sind Sie dage­gen –, war eine goldrichtige Maßnahme, um nach der EU-Erweiterung den Standort Österreichs zu sichern, meine Damen und Herren.

Man kann natürlich sagen: 4 Milliarden sind noch immer zu wenig, und tatsächlich mag dieser Betrag im Vergleich zu dem, was wir für Ihre Schulden an Zinsen zahlen müssen, nämlich 7,5 Milliarden € pro Jahr, gering sein. Dennoch handelt es sich hiebei jedenfalls um die größte steuerliche Entlastung in der Geschichte der Zweiten Republik, trotz der Schuldenlast, die Sie uns hinterlassen haben. Ich wiederhole: 7,5 Milliarden € allein an Zinsen pro Jahr müssen für die Schulden aus der Ära der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 56

sozialdemokratischen Steuer- und Wirtschaftspolitik bezahlt werden, meine Damen und Herren.

Sie sehen also, was wir mit Ihrem Erbe gemacht haben: Wir haben eine Sanierung vorgenommen und trotzdem Freiräume geschaffen, um Entlastungen zu bringen und auch zukunftsorientierte Strukturmaßnahmen zu setzen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Johann Moser.) – Sie sind immer dagegen! Sie waren gegen die Pensions­reform, obwohl schon Dallinger vor 30 Jahren gesagt hat, dass wir für künftige Generationen ein harmonisiertes Pensionssystem schaffen müssen. Wir haben es geschafft – Sie waren dagegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Gradwohl.)

Zum Gesundheitssystem, meine Damen und Herren: Wir haben gesagt, wir müssen in alternative Formen gehen, Gesundheit muss erhalten und Präventionsmaßnahmen müssen gesetzt werden, anstatt ein defizitäres Krankensystem weiter zu finanzieren. Sie haben als Alternative, auch von Ihren Ländern unterstützt, jedoch weitere Maß­nahmen für Beitragserhöhungen geschaffen. Wir haben das Gesundheitssystem auf lange Zeit in dieser hohen Qualität garantiert, und es war ein freiheitliches Verdienst, dass diese Belastungen ebenfalls verhindert werden konnten. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben die Familien im Pensionssystem und mit dem Kinderbetreuungsgeld finanziell, aber auch strukturell unterstützt. Sie waren dagegen. Das ist halt Ihre Alternative zu unseren Maßnahmen: Dagegen sein, dagegen sein, dagegen sein. Das ist allerdings ein bisschen wenig, selbst für eine Oppositionspartei, und viel zu wenig für eine Partei, die irgendwann wieder einmal Regierungs­verant­wortung übernehmen möchte! (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Meine Damen und Herren! Der Finanzminister hat es gestern klar und deutlich gesagt: All diese Maßnahmen sind gut, richtig und wichtig gewesen. Aber das ist noch zu wenig, denn Österreich und Europa selbst laufen Gefahr, international ins Hintertreffen zu geraten. Wir sind im Europavergleich sehr gut, aber Europa ist im globalen Ver­gleich nicht mehr so gut, wie es noch vor wenigen Jahren war.

Wir laufen Gefahr, dass andere Räume, vor allem in Asien, uns den Rang ablaufen. Daher müssen wir den Wirtschaftsstandort Österreich und den Standort Europa mit weiteren Entlastungsoffensiven für den Steuerzahler und für die Wirtschaft noch attraktiver machen! (Zwischenruf des Abg. Mag. Johann Moser.) Herr Kollege! Wir müssen die Qualitätskriterien erhöhen. Auch in die Bildung müssen wir mehr inves­tieren als bisher. Es soll in Zukunft keine ideologisierte Schule mehr geben, daher sollten wir als erste Maßnahme einmal die Zweidrittelmehrheit in diesem Bereich abschaffen. Eine Initiative wird, so wie es der Vizekanzler gemacht hat, in Richtung Forschung und Entwicklung und Hochtechnologie gesetzt. – Da sollten wir uns doch finden, meine Damen und Herren! Sie sollten wirklich Ihr Njet, Ihre Nein-Politik aufgeben und gemeinsam mit uns in diese zukunftsorientierte Politik gehen. Aber davon hören wir leider nichts von Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun noch eine – leider schon fast übliche – Kritik von mir, auch zur Budgetrede, Herr Finanzminister, ein kleines Sätzchen zur Sicherheitspolitik: Sie sagen, die Verkür­zungen für unsere jungen Leute beim Heer und beim Zivildienst sind die Vorsorge im Sicherheitsbereich für die Zukunft. – Gott sei Dank weiß ich, dass das nicht so ist, denn mit den Verkürzungen, die hier in den Raum gestellt wurden, werden wir die Sicherheit nicht verbessern. Vielmehr geht es darum, dass wir im Bereich der inneren, aber auch der äußeren Sicherheit auf die neuen Gefährdungen und Bedrohungen und auf die steigende Kriminalität mit den entsprechenden Maßnahmen reagieren. Personalein-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 57

sparungen können dort vorgenommen werden, wo es um die Verwaltung geht, aber nicht dort, wo es um die Sicherheit der Bevölkerung in Österreich geht.

Diesbezüglich sollten klare Schwerpunkte gesetzt werden, und wir werden darauf achten, dass dieser eine Satz nicht Politik der Bundesregierung bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.56


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


11.56.26

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Wenn es um die Budgetrede einerseits und ums Budget andererseits geht, dann hat man ja seine liebe Not, das Ganze überhaupt in Verbindung zu bringen: Aber wir wollen den Versuch wagen!

Zunächst zur Budgetrede. Diese zeichnet sich aus meiner Sicht durch vier Dinge aus: Die Werbesprüche sind diesmal weggeblieben – und damit ist es ohnehin schon relativ dünn geworden –, ein Zitat von Sir Karl Popper, eine Überschrift und eine bezeich­nende Auslassung. Das war das Auffälligste an dieser Budgetrede.

Zum Philosophen Popper: Ich glaube, man muss nicht gerade Popper bemühen, um zu wissen, dass das, was wir jetzt tun, Auswirkungen auf die Zukunft hat! Aber offen­sichtlich haben Sie das in Ihr NLP-Programm so eingespeichert, dass nur mehr dann ein Satz wirklich ein Satz ist, wenn mindestens einmal „Zukunft“ darin vorkommt. Diese philosophische Erkenntnis haben wir sicherlich gelernt. Es haben sich dem dann auch andere Redner angeschlossen, fünf Mal „Zukunft“ gesagt, möglichst kurz hintereinan­der, und sonst nichts! So wird es aber eben nicht gelingen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Sie haben Popper nicht verstanden!)

Die einzige Frage, die wirklich inhaltliche Substanz hätte, findet sich in der Überschrift, dann aber in der Rede nicht mehr, und schon gar nicht im Budget. Die Überschrift lautet: Arbeit schaffen, Zukunft gewinnen“. – Schon wieder der Begriff „Zukunft“! Darauf wird noch einzugehen sein!

Aber zunächst noch einmal zur Auslassung.

Was die Strafjustiz und die Anklagebehörden tun, ist eine Sache. Wir haben schon gestern in der Nacht darüber diskutiert, dass man diesbezüglich auch einmal Nach­schau halten könnte. (Abg. Dr. Fekter: Es geht um die Unabhängigkeit der Justiz, Herr Kollege!) Aber das ändert nichts an dem Vorgang, den wir uns noch einmal vor Augen führen müssen: Der Vorgang ist, dass sich in der Republik Österreich die Industriel­lenvereinigung einen Finanzminister hält, und sei es auch, dass ein Verein als Zwischenkonstruktion gewählt wird. – Das ist doch der Punkt! (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Was interessiert da die Schenkungssteuerpflicht, wenn sich der Finanzminister dieser Republik von der Interessenvertretung, der Industriellenvereinigung, Geld zustecken lässt? Und da hilft es auch wenig, wenn er darauf hinweist, dass es in Österreich ja üblich ist, dass auch die Parteien bedient werden. (Abg. Dr. Fekter: Nehmen Sie eine OLG-Entscheidung zur Kenntnis, Herr Kollege Kogler!) – Rufen Sie nicht so viel dazwischen, gehen Sie in sich! Ich halte es tatsächlich für ein Problem, dass die Indus­triellenvereinigung, ohne dass das in den entsprechenden Statistiken der „Wiener Zeitung“ ausgewiesen werden muss, regelmäßig Geld auch an Ihre Partei überweist, ohne dass das irgendwie transparent wird.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 58

Das muss rasch geändert werden! Möglicherweise ist in der Dimension der Finanz­minister nur ein Klacks dagegen. Trotzdem bleibt das Problem, und das sollten wir angehen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich darf nur an die Antikorruptionsbroschüre erinnern. Herausgeber ist nicht nur Staats­sekretär Finz – nein! –, sondern auch Karl-Heinz Grasser. „Schon kleine Geschenke sollten einen stutzig machen“, steht dort wortwörtlich. (Abg. Eder: Da schau her!)

Was ist bei Ihnen ein kleines Geschenk? – Beantworten Sie das bei Gelegenheit!

Nun zum Budget, zu den Zahlen: Ich muss feststellen, Herr Finanzminister, dass Ihr Heranziehen von Statistiken, die Sie immer wieder bemühen, um Ihre Linie – wenn eine erkennbar sein sollte – zu rechtfertigen, doch von sehr, sehr subjektiver Natur ist. Ich möchte es einmal in dieser Art und Weise vorsichtig formulieren, beginne mit ein paar Beispielen und von hinten:

Sie sprechen jetzt dauernd von irgendwelchen Managementbefragungen. Das sind keine Studien, gemäß welchen Österreich laut Lebensqualitätindikator oder anderen Kriterien sehr weit vorne liegen würde. Ich muss Ihnen sagen: Bis jetzt haben Sie immer das „World Economic Forum“ zitiert. – Das ist auch nicht unser Verein, sondern eher Ihrer, aber bei denen sind wir bei den Wettbewerbsindikatoren beharrlich auf Platz 17, das viel gescholtene Deutschland liegt hingegen beharrlich aber doch auf Platz 13. Die 13 ist in diesem Fall ein Glück gegen Österreich.

Das ist meinetwegen auch subjektiv beziehungsweise nicht objektivierbar: Aber hören wir doch auf mit diesen leidigen Zuweisungen, die hier immer vorgenommen werden, und beschränken wir uns auf ein paar halbwegs verfügbare und vergleichbare Zahlen!

Es ist mir auch diese Häme nicht nachvollziehbar, die hier von ÖVP-Seite dauernd ausgestreut wird, wenn es um die Bundesrepublik Deutschland geht. Ich sage Ihnen etwas – und das ist banal, und die Leute werden das verstehen –:

Wo stünde denn Österreich heute, hätten wir vor nicht allzu langer Zeit mit der Slo­wakei wirtschaftlich fusionieren müssen? (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Entschul­digen Sie diesen politisch eigenwilligen Ausdruck, aber ich wiederhole meine Frage: Wo stünden wir denn? Das ist doch die Vergleichsfrage! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie verstehen offensichtlich überhaupt nicht, was das für ein Problem für Österreich ist, wenn es so läuft! Allerdings gibt es noch größere Probleme, auch in den konservativ regierten Ländern. Notieren Sie sich das vielleicht einmal! Frankreich und Italien haben mindestens solche Probleme wie Deutschland. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Ich weiß gar nicht, was das soll! Einigen wir uns darauf, dass wir uns einmal um unsere Budgetvergleiche kümmern, denn da haben wir genug zum Nachschauen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich darf mit diesen eigenwilligen Vergleichen beziehungsweise dieser Zahlenwelt fort­fahren (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), die auch dazu geeignet ist, eine fiktive zu werden, wenn man Herrn Grasser folgt. Manchmal hat man das Gefühl, er verkleidet sich nur als Finanzminister, er ist gar keiner, denn sonst könnte ihm Folgendes nicht passieren:

Ausgeglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus – ist nicht unser Thema! (Abg. Mag. Molterer: Ein Thema hat ein Ziel! Da gibt es einen Unterschied!) Sie haben Millionen hineingesteckt und Steuergeld hinausgeschmissen, um das zu verkünden. Konjunkturzyklus? – Da wird einmal vom Nulldefizit gesprochen, dann sind da dauernd Defizite, dann gibt es wieder – vielleicht, mit oder ohne Sparpaket – ein Nulldefizit, und am Schluss haben wir über die gesamte Etappe in diesen sieben Jahren satte 7 Pro-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 59

zent des BIP an Defizit angehäuft. (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Das ist ja in Milliarden gar nicht mehr ohne weiteres ausdrückbar, um es nachvollziehbar zu machen.

Was Sie sagen, stimmt also überhaupt nicht! Sie halten nicht einmal die Versprechun­gen ein, die Sie in Ihrer eigenen, eigenwilligen ökonomischen Welt konstruieren! Wenn es nämlich am Anfang und am Schluss ein Nulldefizit und zwischendurch dauernd ein Defizit gibt, wo besteht denn da Ausgeglichenheit über den Zyklus? Erklären Sie doch bitte einmal Ihre Zyklusdefinition! – Aber so lange wird der Zyklus ja hoffentlich nicht dauern, dass Sie dann noch Finanzminister sind! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Die Republik hätte sich wahrlich Besseres verdient.

Zur Steuer- und Abgabenquote. (Bundesminister Mag. Grasser: Das stimmt einfach alles nicht!) Angeblich ist das mit den 40 Prozent so wichtig. Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, dass Sie jetzt davon reden, dass es plötzlich 40,7 sind. Sie wissen aber ganz genau – oder Sie sollten es zumindest wissen –, dass wir im Vorjahr oder im Übergang vom Vorvorjahr auf das Vorjahr eine statistische Bereinigung hatten, die gut 1 Prozent ausmacht. – Heften Sie es sich halt an, tun Sie, wie Sie glauben! Aber verwirren Sie bitte die Abgeordneten nicht noch weiter, als jene auf der konservativen Seite offensichtlich ohnehin schon sind! (Abg. Grillitsch: Wer ist verwirrt?)

Nächster Punkt, die OECD-Statistik, die Sie im Zusammenhang mit den Lehrern wie­der zitiert haben: Wir haben es Ihnen schon ein paar Mal gesagt, es stehen dort die Pensionen ... (Abg. Grillitsch: Herr Kollege! Wer ist verwirrt?) – Ich behaupte, dass diejenigen, welche die lautesten Zwischenrufe machen, immer noch am meisten verwirrt sind, und dabei bleibe ich auch! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Von 30 Prozent Pensionsanteil ist in dieser OECD-Studie die Rede. Bildungssprecher Brosz, der heute noch zu Wort kommen wird, wird Ihnen das genauer erklären. Es ist dies nur ein Beweis mehr dafür, wie Sie mit Statistiken umspringen. Das ist kein Privileg von Ihnen, das stimmt, aber in dieser Art und Weise passt es natürlich hervorragend zu Ihrem sonstigen Umgang mit solchen Dingen!

Gehen wir kurz auf die angekündigten Schwerpunktsetzungen ein. – Bei der Bildung wird es offensichtlich weniger und nicht mehr, und dasselbe gilt auch für die Uni­versitäten. Es gab jedoch keinen Versuch einer Widerlegung! Professor Van der Bellen hat doch all das klar dargelegt. Sie haben zehn Minuten verstreichen lassen, ohne das auch nur im Ansatz widerlegen zu wollen.

Die Investitionen – Stichwort Zukunft, jetzt kommt es wieder! – gehen zurück, selbst bei den Ausgegliederten! Das geht aus Ihren eigenen Tabellen hervor! Rühmen Sie nicht immer nur Ihre Mitarbeiter – das tun wir auch –, sondern lesen Sie die Tabellen und die Statistiken, die diese Ihnen geben, denn diese Zusammenstellungen sind vermutlich noch richtiger als jene, mit denen Sie hier herumwacheln. (Abg. Öllinger: Mit Sicherheit!) Das könnten Sie daraus zumindest mitnehmen! (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Es war gestern geradezu ein tragisches Zusammentreffen: Sie kommen hierher und verkünden in einer Überschrift: „Arbeitslosigkeit bekämpfen beziehungsweise Zukunft gewinnen.“ Laut einer APA-Meldung zur gleichen Zeit waren die Arbeitslosenzahlen noch nie so hoch wie jetzt. – Auch diesbezüglich sollten Sie nicht mehr mit dem Nebelwerfer durch die Lande reiten!

Nächster Punkt – Entlastung für alle: Da kann man sich aus meiner Sicht tatsächlich noch empören. Wenn wir zusammenrechnen, was es seit 2000 an Belastungen und an Entlastungen gegeben hat, dann werden wir feststellen, dass die Belastungen 1 Mil-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 60

liarde mehr ausmachen als die Entlastungen. Und das Tragische dabei ist, dass die Belastungen völlig unterschiedlich wirken. Auf die PensionistInnen und auf die ArbeitnehmerInnen entfallen sehr viele dieser Belastungen. Unter dem Strich und inklusive Steuerreform bleibt eine Belastung von 2,6 Milliarden € in Ihren fünf Jahren beziehungsweise wie viele es jetzt noch sein sollen. Das ist eine Nettobelastung. Wer aber wird entlastet? – Die Unternehmerseite, und dort wieder die Großen, wie wir wissen! (Abg. Mag. Molterer: Es lebe der Klassenkampf!) Das wollen Sie offensichtlich gar nicht widerlegen, weil Sie es nicht widerlegen können! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bleibt am Schluss ein Zahlenwerk, von dem Sie dann sagen: Da ist uns ein Zettel hineingerutscht, Zahlensturz. – Ich sage Ihnen: Das ist kein zufälliger Zahlensturz! Sie haben ein paar politische Vorgaben zu diesen Zahlen gemacht, und das Budget ist in dieser Art und Weise unhaltbar! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glocken­zeichen.)

Wir sollten das außerdem wie jedes seriöse Land im Herbst beschließen und nicht im Frühjahr ohne Not eine Budgetdebatte abführen. Das sollte im Herbst geschehen, wenn wir entsprechende Konjunkturprognosen haben und nicht auf Ihre Wunder warten müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Gorbach. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


12.07.05

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Präsident! Geschätzte Regierungskollegen! Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wir diskutieren heute den zweiten Teil des Doppelbudgets 2005/2006, und die Bundesregierung hält dabei an ihrem bisherigen Kurs fest.

Meine Damen und Herren! Dieser Kurs verfolgt das Ziel, einerseits einen konsolidierten Haushalt vorzuschreiben, der Schluss macht mit der Schuldenpolitik, welche die Regierungen vor dem Jahr 2000 betrieben hat. Diese Schuldenpolitik vor 2000 hat auch zu einer Verschuldung geführt. Herr Kogler! Sie haben zusammengezählt und ab 2000 von schwierigen Umständen gesprochen. Ich blicke ein bisschen weiter zurück, und zwar auf die Schuldenpolitik, die eine Verschuldung verursacht hat, an der wir nicht nur heute noch nagen, sondern an die noch zukünftige Generationen unange­nehm erinnert werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap.)

Herr Cap! Es waren übrigens SPÖ-Finanzminister, die letztlich Schulden in der Höhe von sage und schreibe 154 Milliarden € auf dem Rücken der jungen Menschen ge­macht und verursacht haben. Irgendwann – das wissen sicherlich auch Sie – müssen Schulden aber auch beglichen werden, und Jahr für Jahr belasten Zinsen für diese Schulden die jetzige Tätigkeit der verantwortungsvollen Bundesregierung und damit die Bevölkerung. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.)

Es wurde schon gesagt: Die Steuerzahler müssen allein 7,5 Milliarden € jährlich für die Zinsenrückzahlung aufbringen. Meine Damen und Herren! Das sind 7,5 Milliarden €, die uns heute fehlen, wenn es darum geht, noch mehr Investitionen vorzunehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln, um Arbeitsplätze zu sichern, um das soziale Netz abzu­sichern. (Abg. Mag. Johann Moser: Jedes Unternehmen hat Schulden!) Diese 7,5 Milliarden € fehlen uns heute, wenn es darum geht, die Bevölkerung noch mehr von der Steuerlast zu entlasten, die unter früheren sozialdemokratischen Regierungen aufgebaut wurde. Und diese 7,5 Milliarden € fehlen uns heute auch, um die soziale


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 61

Absicherung optimal zu gewährleisten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir sagen deshalb klar und deutlich nein zu dieser Schul­denpolitik, wie wir sie vor 2000 gewohnt waren. Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat in Hinblick darauf ein Budget vorgelegt, das den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht, gleichzeitig aber auch Maßnahmen beinhaltet, um die Wirt­schaft anzukurbeln, um die Unternehmer zu entlasten, um der Bevölkerung ein Mehr an Kaufkraft zu geben und damit auch Arbeitsplätze zu sichern.

Österreich hat durch die Steuerreform 2005/2006 im Vergleich zu anderen EU-Ländern die Abgaben am deutlichsten senken können, und das unter den erwähnten schwie­rigen Umständen. Meine Damen und Herren! Es ist uns gelungen, mit dieser Stabili­tätspolitik, mit dieser guten, vorausschauenden Steuerpolitik vom Nimbus eines Hoch­steuerlandes weg zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort, ja mit zum attraktivsten Wirtschaftsstandort in Europa zu werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Sie können hier rufen, wie Sie wollen (Abg. Mag. Gaßner: Es hat niemand etwas gesagt! – Abg. Öllinger: Wir haben gar nichts gerufen!): Diese Politik bewirkt, dass wir auch in internationalen Medien Schlagzeilen bekommen wie etwa in der „Neuen Zürcher Zeitung“: „Die Wende hat dem Standort gut getan“, oder in der „Süddeutschen Zeitung“: „Erfolgsmodell Österreich“, oder in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Ist Österreich das bessere Deutschland?“

Solche Schlagzeilen kommen nicht von ungefähr. Und wenn man weiß, dass die beiden Etappen der Steuerreform auch 3 Milliarden an Entlastung bedeuten, wird deutlich, dass das die größte Steuerreform ist, die Österreich je erlebt hat.

Angesichts der Offensivmaßnahmen dieser Regierung wird auch die Kaufkraft für Familien, Unternehmen und jeden einzelnen Steuerzahler in Österreich gestärkt. Meine Damen und Herren! Das kommt den Menschen zugute. Das stärkt die Wirtschaft. Das sichert Arbeitsplätze. Das stärkt den Standort Österreich. – Wir sollten stolz darauf sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich als Forschungsminister bin stolz darauf (Abg. Öllinger: Sie sind stolz auf sich!), dass es in dieser Zeit des Stabilitätskurses auch einen klaren Wachstumspfad für Forschung und Entwicklung gegeben hat. (Abg. Dr. Cap: Warum haben Sie die Hand in der Hosentasche? – Abg. Öllinger: Können Sie außer Sprech­blasen noch etwas anderes machen?) Es wurde heute schon erwähnt: Wir geben mehr denn je für diesen Bereich aus. Und es wurde heute schon erwähnt, dass wir für Forschungs- und Entwicklungsoffensive wiederum ein Offensivprogramm im Ausmaß von 220 Millionen € in diesem heute zu diskutierenden Budget vorgesehen haben. Das sind 20 Millionen € mehr als noch im Budgetvoranschlag 2005. Das sind plus 10 Prozent in einem sehr wichtigen Bereich.

Meine Damen und Herren! Das bewirkt, dass wir mit 2,27 Prozent Forschungsquote nicht nur die bisher höchste Quote in Österreich überhaupt haben, sondern dass wir damit auch erstmals deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegen. Das heißt, wir sind auch in diesem wichtigen Zukunftsbereich auf dem Weg zur europäischen Spitze.

Meine Damen und Herren! Und wenn die Investitionen in die Infrastruktur ebenfalls so hoch sind wie nie zuvor, dann sind das nicht nur eine Sicherung in Richtung Arbeits­plätze in der Bauwirtschaft, dann bringen diese Investitionen nicht nur allgemeinen Aufschwung, nein, dann ist das auch ein Standort-Wettbewerbsvorteil in einer globa-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 62

lisierten Zeit, der sehr entscheidend sein kann. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Ich könnte noch zur Erhöhung des Bundespflegegeldes reden, ich könnte noch viele positive Maßnahmen erwähnen, tue dies aber aus zeitökonomischen Gründen nicht.

Abschließend möchte ich betonen, dass man an dieser guten Politik festhalten wird: ausgeglichener Haushalt bis 2008 (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen), Arbeitslosenrate zu diesem Zeitpunkt auf 4 Prozent reduzieren (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt wiederholt das Glockenzeichen – Abg. Heinzl: Und tschüss!), 40 Prozent Abgabenquote nur noch bis 2006. – Wir sind also insgesamt auf dem richtigen Weg, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.13


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neugebauer. – Bitte.

 


12.14.06

Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bun­desregierung! Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Dr. Cap: „Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer“!) Liebe Kollegen aus dem Bundesministerium – herzlich begrüßt und auch bedankt für die sehr qualifizierte Arbeit bei der Erstellung der Unterlagen!

Es haben sich ja schon viele diesem Dank angeschlossen. Dem steht gegenüber der Vorwurf an den Finanzminister, er hätte geschummelt. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, in seiner Naivität aber schon fast herzig.

Herr Finanzminister, jetzt gib einmal den Schummelzettel her! Ich hätte gerne gewusst, von welchen Nachbarn du abgeschrieben hast. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Italiener können es nicht sein, weil mit diesen Zahlen hättest du dich da gar nicht hereingetraut. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Deutschen können es auch nicht sein. Da bin ich aber beim Kollegen Kogler: Das ist nur teilweise vergleichbar. Wer eine Wiedervereinigung verkraften muss, hat andere Rahmenbedingungen. Aber die Deutschen fahren mit Hartz IV ungebremst in die Mauer. Also auch dort kannst du nicht abgeschrieben haben.

Ich weiß daher nicht, ob der Vorwurf des Schummelns wirklich aufrechtzuerhalten ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die größte Steuerreform der Zweiten Republik mit einer Entlastung der Arbeitnehmer (Abg. Parnigoni: Welcher Arbeitnehmer?) und der Sicherung der Standorte, gemeinsam mit einer stabilen Absicherung der Familien­leistungen, während man gleichzeitig das Defizit senkt, die Finanzschuld vermindert und dabei auch die Abgabenquote gegen 40 bringt – da können die anderen zu uns hereinschauen und schummeln und uns über die Schulter schauen, denn das ist beispielhaft in Europa. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Ja, ja, ja!)

Für uns ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig, und ich denke, dass doch auch ein Satz dazu gesagt werden soll, was in der vergangenen Woche auf der Sozialpartnerebene klargestellt worden ist. (Zwischenrufe der Abgeordneten Marizzi und Dr. Cap.) – Danke für Ihre Mitarbeit, aber ich kann nur eine Stimme registrieren!

Es wurde betont, dass Arbeitszeitflexibilisierung nicht nur eine Sache der Sozialpartner ist, und dass wir uns dieser Frage natürlich offensiv nur dann stellen, wenn die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer etwas davon haben. Und da bin ich mit Gusenbauer


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 63

einer Meinung: Es macht wenig Sinn, wenn man im Hinblick auf eine Stärkung der Massenkaufkraft Überstundenzuschläge oder Sonstiges in den Keller fährt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Thema aber ist zu behandeln: Dort, wo es in einem hohen Maß Dauerüberstunden gibt, haben wir dafür zu sorgen, das in ent­sprechende Arbeitsplätze umzumünzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich rede nicht gern über Abwesende, muss es aber dennoch sagen, weil es mich ein wenig betroffen gemacht hat, dass sich ein immerhin Universitätsprofessor, ein Professor der Hohen Schule, der sich der Wissenschaft­lich­keit in seinem Beruf verpflichtet hat, hierher stellt und meint, Budgets der Länder und der Gemeinden hätten mit unserer heutigen Debatte nichts zu tun.

Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass der Anspruch der Wissenschaftlichkeit offen­sichtlich für die Politik, in dem einen Fall, bei Herrn Professor Van der Bellen nicht mehr gegeben ist. An ihm ist vorbeigegangen, dass es einen innerösterreichischen Stabilitätspakt vom vergangenen Herbst, Einstieg 1. Jänner 2005, gibt. Van der Bellen hat den offensichtlich – zu sagen verschlafen wäre respektlos. (Abg. Mag. Kogler: Den haben wir eh im Herbst diskutiert! Sie haben das verschlafen!) Da sind Länder und Bund – und da sind bekanntlich Repräsentanten aus allen Parteien auch in Lan­desregierungen vertreten – verantwortlich, dass es 2008 einen ausgeglichenen gesamt­staatlichen Haushalt geben soll.

Herr Finanzminister! Ich möchte dich dringend bitten – und ich nehme Bezug auf eine Passage, die du angesprochen hast, weil mir die Aktion der Bundesregierung an sich wichtig erscheint: Finanz, Zoll; auch was KIAB betrifft und dergleichen mehr, in Verbindung mit der Wirtschaftskammer, mit den Sozialversicherungen –, die Bekämp­fung der Schwarzarbeit zu intensivieren. Es muss ein positives Signal für die ehrlichen Wirtschaftstreibenden geben, und es muss ein deutliches Signal gegen Schwarz­unternehmer auch von der Politik ausgehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vor der Rede des Herrn Kollegen Matznetter gemeint – im Vergleich zur Rede des Parteivorsitzenden –, dass er eigent­lich in Fragen des Budgets zur „eisernen Ration“ der SPÖ gehört. Nach der Rede stelle ich fest, dass man eiserne Rationen offensichtlich nur im äußersten Notfall in Anspruch nehmen sollte. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mittelfristige Planungen – Herr Kollege Kogler hat das schon angesprochen – haben ihre Tücken. Und es gibt außerhalb der Öffentlichkeit Ge­spräche darüber, wie man damit umgehen kann, Vor- und Nachteile abzuwägen. Die Unwägbarkeiten eines Budgets in der Perspektive Ölpreis, Wechselkurs Euro, Entwicklung in der Nachbarschaft sind bekannt.

Aber Folgendes möchte ich zum Schluss noch sagen: Ich glaube, wenn wir gemein­sam festhalten, dass wir zu hohe Arbeitskosten haben, und wenn wir gemeinsam festhalten, dass wir den hohen Standard der Sozialsysteme absichern wollen und dies Konsens bedeutet, dann müssen wir auch den nächsten Schritt zur Verbreiterung der Finanzierungsbasis tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auf eine qualifizierte Debatte. Bei manchen Beiträgen hatte ich allerdings den Eindruck – und ich möchte der Opposition nicht zumuten, was ich einmal in einem anderen Parlament gehört habe –: Die Opposition benimmt sich wie eine Ziege, die den ganzen Tag nur meckert. Man kann


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 64

daher auch nicht erwarten, dass sie noch gute Milch gibt. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abge­ordnete Silhavy zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.19.57

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herren auf der Regierungs­bank! Sehr geehrte Damen und Herren! – Herr Kollege Neugebauer! Faktum ist, dass Polemik natürlich auch eine Möglichkeit ist, von diesem Pult aus zu agieren. Nur denke ich, es zählen letzten Endes Taten, nicht Worte. Und Ihr Verhalten bei der Pensions­reform hat Ihre Taten gezeigt. Da würde ich mit „Ziegen“ und „meckern“ keine Ver­gleiche ziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben gestern die Budgetrede des Herrn Bundesministers gehört. Es war im Wesentlichen eine Aneinanderreihung von Plattitüden. Im heutigen „Standard“ – vielleicht verlassen Sie sich auf die öffentliche Meinung – heißt es:

„Der versprochene Gestaltungswille ... ist auf den Ausbau der eigenen Macht begrenzt. Die Visionen ... beschränken sich lediglich auf den nächsten Wahlsieg und den Macht­erhalt. Und es gilt nicht mehr das gesprochene Wort. Sondern das gebrochene.“ (Abg. Scheibner: Haben Sie auch eine Meinung? – Abg. Neudeck: Worüber reden Sie, wenn einmal keine Zeitung herauskommt?)

Genau das ist es, meine Damen und Herren! So waren auch die gestrigen Rede und teilweise auch Ihre heutigen Debattenbeiträge. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist uns hier die größte Steuerreform aller Zeiten verkün­det worden. Beweihräuchert haben Sie Ihre eigenen Reformen, und Sie haben gesagt, elf Tage müssten wir in Zukunft weniger für den Staat arbeiten. Herr Professor Van der Bellen hat Ihnen schon gesagt, was es mit den elf Tagen Freiheit auf sich hat: Die gibt es für die arbeitenden Menschen in diesem Staate nicht.

Tatsache ist, dass die Menschen, die durch Arbeit ihr Brot verdienen und durch Arbeit zur Wertschöpfung und zum Wohlstand dieses Landes beitragen, durch Ihre Steuerreform nicht einmal jenes Geld zurückbekommen, das Sie ihnen durch die Steuerprogression und durch die Gebührenerhöhung weggenommen haben. Und das ist eine Schande, das muss man ehrlich sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Profiteure in Österreich sind die Unternehmen mit hohen Gewinnen und jene Unternehmen, die defizitäre Auslandstöchter und Auslandsfirmen haben.

Herr Kollege Neugebauer, der Punkt ist, wie es den Menschen in diesem Land geht, und die meisten Menschen in diesem Land können sich nach fünf Jahren Schwarz-Blau weniger leisten als je zuvor. Den meisten Menschen geht es subjektiv schlechter als zuvor (Abg. Scheibner: Subjektiv!), und das ist etwas, wonach diese Bun­desregierung zu beurteilen ist, und das ist keine gute Beurteilung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Ihrer Steuerreform. – Auch wenn Sie es mir nicht glauben, Herr Präsident Dink­hauser – er wird ja wohl in den Reihen der ÖVP bekannt sein, da er einer Ihrer Funktionäre ist, und zwar einer der höheren Funktionäre – sagt zur Steuerreform:

Das sind doch Taschenspielertricks. Die wissen ganz genau – nämlich die Men­schen –, dass das, was ihnen bei Steuerentlastungen rechts in die Hosentasche hineinkommt, durch Abgaben, Gebühren und Selbstbehalte von Grasser aus der linken Tasche wieder herausgezogen wird. – So die Beurteilung eines ÖVP-Funktionärs, meine Damen und Herren. Das sollte Ihnen zu denken geben!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 65

Auf der anderen Seite heißt es immer wieder – Sie haben es gestern gesagt und heute wiederholt –, wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung gegen die Arbeitslosigkeit. Ja, was tun Sie denn dagegen?

Zuerst wollten Sie keinen Arbeitsmarktgipfel, aber dann haben Sie dem Druck nach­gegeben. Wer war denn dann beim Arbeitsmarktgipfel? Waren Sie dabei, Herr Minister Gorbach? – Nein, Sie waren nicht dabei. War die Frau Bildungsministerin dabei? – Sie war auch nicht dabei. Waren Sie dabei, Herr Minister Grasser? (Bundes­minister Mag. Grasser: Nein, weil wir einen Super-Wirtschaftsminister haben! Wir haben einen tollen Wirtschaftsminister!)

Hat Infrastruktur nichts mit Arbeitsmarktpolitik zu tun? Hat es, ob Geld dafür zur Verfügung gestellt wird, nichts mit Arbeitsmarktpolitik zu tun? Hat Bildung nichts mit Arbeitsmarktpolitik zu tun? Ja, was für ein eingeschränktes Denkvermögen haben Sie denn in dieser Bundesregierung? Das ist Österreichs und Ihrer nicht würdig. (Die Rednerin hat die letzten Sätze in Richtung Bundesminister Mag. Grasser, vom Redner­pult abgewandt, gesprochen, sodass ihre Ausführungen im Plenum nicht gut zu hören sind. – Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Reden Sie zu uns! – Abg. Grillitsch: Sie müssen zu uns reden! Sie sind nicht zu verstehen!)

Herr Kollege Grillitsch, dass Sie außer von Bauern nichts verstehen, das ist mir schon klar. Es ist ein Problem, dass die Bundesregierung da hinten sitzt. Sie sollte seitlich sitzen, das wäre besser von der Anordnung her. (Beifall bei der SPÖ.) Aber wahr­scheinlich fühlen sich die Regierungsmitglieder da hinten sicherer, weil man die Mimik und Gestik nicht ablesen kann, wenn man am Rednerpult steht. (Abg. Neudeck: Wenn ich Ihnen sage, was ich mir denke, krieg’ ich einen Ordnungsruf!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch zu einem Punkt kommen, weil Sie so gerne das Wort „Zukunft“ in den Mund nehmen: Lehrlinge. Sie haben großartig die Lehrlingsprämie eingeführt und uns allen hier verkündet, damit werde das Lehrlingsproblem in Österreich geregelt werden!

Und was liest man in der Budgetrede? – Mit dieser Lehrlingsprämie hat man es ge­schafft, die Lohnnebenkosten für Lehrlinge für die Unternehmen zu senken. – Na wunderbar, das haben wir Ihnen bereits vorher gesagt! Es gibt aber nicht mehr Lehr­linge, im Gegenteil: die Lehrstellenlücke wächst von Jahr zu Jahr. Was tun Sie denn, damit Lehrlinge eine Lehrstelle finden? – Sie tun nichts, und genau das ist das Prob­lem! (Bundesminister Mag. Grasser: 1 800 im öffentlichen Dienst!)

Herr Bundesminister! Gerade Sie sollten hier den Mund nicht aufmachen, weil Sie bei der schriftlichen Anfragebeantwortung (Abg. Scheibner: Was reden Sie denn da?! Nehmen Sie das zurück, diese Ausdrucksweise! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen) gesagt haben, Ihnen sei das Nulldefizit mehr wert als Lehr­stellen in Österreich. Es ist ein Skandal, wenn ein österreichischer Bundesminister so etwas sagt! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.) Rufen Sie nicht immer von hinten hinein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wollen Sie uns den Mund verbieten? – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Zuerst alles „hinunterfahren“ und dann wieder etwas vergeben – das ist Ihre Methode. Das ist aber die falsche Politik, und diese Politik wird eine Abfuhr erleiden. Das sage ich Ihnen heute schon. (Beifall bei der SPÖ.)

12.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Neudeck – in Richtung der Abg. Silhavy –: Sie haben Angst vor der Diskussion! – Abg. Silhavy: Der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 66

Herr Bundesminister kann sich ja zu Wort melden! Er muss nicht immer von hinten hineinschreien!)

 


12.25.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Finanzminister! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf ganz kurz auf meine Vorrednerin eingehen. Frau Kollegin Silhavy, ich hatte an sich ja die Hoffnung, dass nun einmal den mehrfach geäußerten Aufforderungen, seitens der Oppositionspartei einen konstruktiven Beitrag zu leisten, Rechnung getragen wird. (Abg. Silhavy: Stimmen Sie mit unseren Anträgen mit!)

Wir haben in den kommenden Tagen unsere Debatten, unsere Verhandlungen zu führen. Da wäre es doch angebracht, nachdem Sie ja vorgeben, es offensichtlich ganz gut, ja besser zu wissen als die Bundesregierung, Ihre Vorschläge rechtzeitig ein­zubringen. Darum würde ich Sie ersuchen. Ich war bitter enttäuscht, feststellen zu müssen, dass Sie nichts anderes als leere Sprechblasen vom Rednerpult in den Raum strömen lassen. Das ist der Beitrag, den Sie geliefert haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Reheis: Wissen Sie, was mit den Vorschlägen passiert? – Sie werden vertagt!)

Geschätzte Damen und Herren! Bei der Betrachtung eines Budgetentwurfes ist es nahe liegend, ja bietet es sich geradezu an, Vergleiche anzustellen, einen Vergleich von Indikatoren über einen bestimmten Zeitraum etwa, also eine Entwicklung aufzu­zeigen. Dieser Vergleich stimmt mich, stimmt uns sehr, sehr positiv. Es ist daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass wir mit unserer Haushaltspolitik auf dem richtigen Weg sind.

Eine zweite Vergleichsmöglichkeit ist, die Indikatoren Österreichs mit den Indikatoren der Euro-Zone zu vergleichen. Auch dieser Vergleich, geschätzte Damen und Herren, stimmt mich, stimmt uns positiv, genauso, wenn wir einen Vergleich mit unseren Haupthandelspartnern, Deutschland und Italien, anstellen. Die SPÖ-Kollegen brauchen keine Angst zu haben: Ich werde den Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland und der rot-grünen Regierung, der natürlich sehr zum Vorteil für diese Darstellung genutzt werden könnte, nicht wiederholen. Es ist bereits aufgezeigt worden.

Letztlich können wir auch einen Vergleich zwischen den österreichischen Eckdaten, den österreichischen Kennwerten und jenen der Schweiz anstellen, auch über einen bestimmten Zeitraum betrachtet, um diese Entwicklung aufzuzeigen. Auch das führt uns letztlich zu einem sehr, sehr positiven Ergebnis.

Die Schlussfolgerung lautet: In Österreich geht es uns gut, in Österreich geht es uns hervorragend! Man könnte sagen: Wir sind auf einer Insel der Glückseligen. Tatsache ist: Es geht uns wirklich gut, und dafür möchte ich an dieser Stelle jemandem Dank sagen, nämlich der Wirtschaft unseres Landes. Es sind die Unternehmer und die enga­gierten Mitarbeiter in unseren Betrieben, die diesen Erfolg letztlich möglich machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Politik gibt Rahmenbedingungen vor. Sie schafft sozusagen das Umfeld, um diese positive Entwicklung zu ermöglichen. Die Politik ist es, die durch diese Rahmen­bedingungen eine positive Entwicklung verstärken kann oder, wie es in der Zeit vor dem Jahr 2000 war, eine positive Entwicklung hemmt oder sogar verhindert.

Und die Politik, geschätzte Damen und Herren, kann noch etwas machen: Sie kann die Stimmung beeinflussen, eine positive Stimmung vermitteln. Und da, geschätzte Damen und Herren, lässt sich natürlich auch der qualitative Unterschied zwischen der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 67

Opposition und der Bundesregierung, zwischen der Regierungskoalition und den Oppo­sitionsparteien aufzeigen.

Während die Oppositionsparteien ständig Zahlen anzweifeln – ich betone ausdrücklich, dass das Hinterfragen von Zahlen durchaus angebracht ist (Abg. Öllinger: Ja! Da sind wir aber froh!) –, krankjammern, verunsichern (Ruf: Da müssen Sie sogar ...!), haben es wir als Regierungskoalition etwas leichter. (Abg. Sburny: Mehr Geld für die Propa­ganda!) Wir können nämlich anhand der Fakten, anhand der Kennzahlen auf die Erfolge der vergangenen vier Jahre verweisen und somit all jene, die das Gegenteil behaupten, Lügen strafen, geschätzte Damen und Herren.

Diese Regierung kann Politik machen und die Zukunft gestalten! Das vorliegende Budget weist dies einmal mehr aus: Diese Bundesregierung gestaltet die Zukunft positiv. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.30


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sburny zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

 


12.30.42

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Hofmann: die Zahlen! – Ich nehme jetzt einfach Zahlen, die heute schon genannt wurden, nämlich genannt vom Kollegen Mitterlehner, der zwar im Moment nicht anwesend ist, ich tue es aber trotzdem, um zu zeigen, wie Sie von den Regierungsparteien mit Zahlen umgehen, die Sie selbst hier am Rednerpult stehend hervorgekramt haben.

World Competitiveness Report: Kollege Mitterlehner hat gesagt, Österreich sei darin von Platz 14 auf Platz 13 aufgestiegen. – Super-Ergebnis! (Rufe bei der ÖVP: Er hat gesagt, von 24!) – Ja, auf lange Zeit; im letzten Jahr aber von 14 auf 13. (Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.)

Zum Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit: Wenn Sie den ganzen Report lesen – ich weiß schon, dass das oft nicht vorkommt; diese Debatte haben wir ja immer wieder –, sehen Sie, dass puncto gesamtwirtschaftliche Performance Österreich von Platz 15 auf 21 zurückgefallen ist! (Rufe bei den Grünen und der SPÖ: Hört, hört!) Das liegt zum Beispiel daran, dass Österreich bei der IT-Standortqualität – wissensbasierte Wirt­schaft und so; Sie wissen, IT – in den letzten zwei Jahren, also eindeutig unter Blau-Schwarz beziehungsweise Schwarz-Blau, von Platz 9 auf Platz 21 abgestürzt ist! (Abg. Dr. Stummvoll: Haben Sie das „manager magazin“ gelesen?) Das sind die Zahlen, die Sie völlig sinnentstellt verwenden und die man irgendwann doch einmal klarstellen muss! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Kollege Neugebauer hat uns ja mit „netten“ Tiervergleichen bedacht. Ich finde das – sagen wir einmal so – grenzwertig und werde mich ähnlicher Grenzwertigkeit bedie­nen, nämlich in Bezug darauf, wie sich die Regierung derzeit verhält: Das ist wie der Elefant im Porzellanladen! – Was nämlich Sie alles zerstören mit Ihrer Art, wie Sie Politik machen, mit dieser Sprechblasen- und Werbesloganpolitik, das wird sich in den nächsten Jahren, glaube ich, ziemlich negativ auswirken.

Das war auch das Problem bei der Budgetrede von Minister Grasser: Diese allge­meinen Floskeln sagen überhaupt nichts über die Realität aus – weder über die Realität des Budgets, das ja Ihre eigenen Zahlen sind, noch hat es etwas – und vor allem das nicht – mit der Realität der österreichischen Bevölkerung zu tun. Der Herr Finanzminister hat nämlich gestern gesagt: „Unsere Vision von Österreich ist


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 68

Wohlstand und Gerechtigkeit für alle.“ – Ich kann Ihnen sagen, das ist genau das, was Ihnen im Moment ganz sicher nicht gelingt!

Außerdem finde ich es einigermaßen befremdlich, wenn Sie das immer wieder zu Heiterkeitsausbrüchen veranlasst, sobald irgendjemand darauf hinweist, dass wir innerhalb der österreichischen Gesellschaft auf mehreren Gebieten, auf mehreren Ebenen eine große Kluft haben. Mir ist nicht ganz klar, was es zu lachen und zu kritisieren gibt, wenn man das feststellt. (Abg. Mag. Molterer: Wer lacht?) – Sie hätten die heutige Debatte verfolgen sollen, wir haben das schon ein paar Mal gehabt.

Wir gehören zu den reichsten Ländern, das ist richtig, wir gehören aber auch zu jenen Ländern, in denen die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Männern und Frauen, mittlerweile auch zwischen kleinen und großen Unternehmen schnell größer wird – und das können Sie sich auf Ihre Fahnen heften! Ich weiß nicht, ob Sie darauf stolz sein sollten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zu Arm und Reich, es ist heute schon angesprochen worden: Die Vermögen wachsen, die Einkommen sinken. Das sind ganz klar nachvollziehbare Zahlen, die wir vor einigen Wochen im Armutsbericht vorgelegt bekommen haben.

Die Schere bei den Einkommen von Frauen und Männern geht auseinander: Frauen in Österreich verdienen nach wie vor durchschnittlich um ein Drittel weniger als Männer – und darin sind die Aspekte um Teilzeitbeschäftigung und prekäre Beschäftigungs­verhältnisse noch gar nicht eingerechnet; diese führen noch zu einem zusätzlichen Auseinanderklaffen der Gehälter.

Die Schere zwischen denen, die Arbeit haben, und denen, die keine haben, geht auseinander. Unter den Jugendlichen zwischen 20 und 24 Jahren, die eine abge­schlossene Lehrausbildung haben, haben 16 900 keine Arbeit. Ich weiß nicht: Ist Ihnen das egal? Ich finde in Ihrem Budget keinen Hinweis darauf, dass Sie dagegen etwas unternehmen wollen, keinen Hinweis darauf, dass diese Scheren geschlossen werden sollen. Ihre Steuerreform begünstigt nach wie vor die großen Unternehmen – und das ist das, was mich wirklich befremdet!

Da Sie auch immer wieder behaupten, die Opposition habe keine Vorschläge, im Fol­genden einmal nur zwei kleine – vielleicht ersparen wir uns dann diese Art von Hickhack –:

Die Grünen haben vor langer Zeit einen Vorschlag für eine ökologische und soziale Steuerreform vorgelegt, mit der man Arbeitskosten senkt – was Kollege Neugebauer angesprochen hat –, die Sie mit Ihrer Fraktion offenbar aber nicht in der Lage waren, bei der letzten Steuerreform einzubringen: dort ist nämlich keine Rede von einer Senkung der Arbeitskosten! (Bundesminister Mag. Grasser: Und Sie erhöhen gleich­zeitig die Mineralölsteuer dramatisch!) Dann stellen Sie sich hierher und fordern es aber. Dabei könnten Sie es einfach tun. Wir wollen das seit langem und haben das in einem klaren Konzept vorgelegt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glocken­zeichen.)

Ein zweites unserer Konzepte bezieht sich auf die Kleinstunternehmer und –unter­neh­merinnen, wir haben auch hier ein Paket vorgelegt. Es wäre schön, einmal ernsthaft darüber zu reden. Aber wenn Sie die Augen zumachen (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen) und das Problem nicht einmal erkennen wollen, wird eine Diskussion darüber schwierig sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

12.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte. (Ruf: Muss das sein?)

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 69

12.36.17

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Vizekanzler! Sehr verehrter Herr Minister! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Herr Abgeordneter Matznetter (Rufe bei der SPÖ: Sehr verehrter Herr Abgeordneter!), Sie haben mich heute enttäuscht, wirklich enttäuscht! Ich hätte geglaubt, vom Budgetexperten der großen Oppositionspartei erfährt man nun endlich, wie man ein richtiges Budget macht (Abg. Dr. Gusenbauer: Im Gegensatz zu Ihrem Budget!), also kein Defizit zu haben und trotzdem in allen Bereichen mehr auszugeben – denn so ist ja Ihre Politik: Für alles fordern Sie mehr Ausgaben, und dann kritisieren Sie unser Defizit. Wie machen Sie es denn anders? Sagen Sie es doch bitte! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Heinzl: Herr Finz, sagen Sie uns, wie man einen Persilschein ausstellt!)

Was mich natürlich etwas kränkt, ist, dass Sie als Budgetexperte nicht einmal unsere schönen Unterlagen lesen. Nehmen wir doch den Druckfehler her! Sie haben kritisiert, dass man „hinten herum“ noch geschwind ein paar Einnahmen hineingetan hat. (Abg. Dr. Matznetter: Das war falsch! Ja!) Wenn Sie den Textteil angeschaut hätten, und zwar Seite 46, dann hätten Sie gesehen, dass dort die Abgabentabelle völlig korrekt steht, nur bei den Anlagen hinten war sie falsch. Es ist also nichts am Schluss geschwind eingefügt worden, sondern es war von Anfang an das Richtige da. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Richtig falsch!)

Meine Damen und Herren! Mit dem gestern präsentierten Budget für das Jahr 2006 beweisen wir Folgendes: Erstens, der Grundsatz der stabilen Finanzen gilt weiter – Absenkung des Budgetdefizits gegenüber 2005 bis hin zum Nulldefizit im Jahr 2008. Zweitens, der Kurs der Entlastung und damit, und das ist ganz wichtig, die Absicherung unseres Wirtschaftsstandortes gegenüber der internationalen Konkurrenz geht weiter. Drittens gilt weiterhin der Schwerpunkt „Investitionen in die Zukunft“, F & E-Bereich. (Abg. Dr. Niederwieser: Oje! Bildung hat er schon gestrichen!)

Mit einem gesamtstaatlichen Abgang von 1,7 Prozent haben wir ein Defizit, von dem sozialistische Finanzminister nur träumen konnten! Welches Defizit hatten denn sozialdemokratische Finanzminister lange Jahre? – Über 3 Prozent, also fast das Doppelte! Erst seit dem Jahr 2000 haben wir ein Defizit, das sich um die 1,1 Prozent bewegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Matz­netter: Der letzte „sozialistische Finanzminister“ war der Hannes Androsch!)

Vergleichen wir weiter: Wie hoch war das Volumen der Steuerreformen unter sozial­demokratischen Finanzministern? Wie hoch? – Zwischen 800 Millionen und 1,1 Milliar­den €! Wenn wir jetzt das Dreifache bewegen, dann sagt man daher zu Recht, dass das die größte Steuerreform aller Zeiten ist.

Herr Abgeordneter Gusenbauer jedoch behauptet, diese größte Steuerreform decke nicht einmal die kalte Progression ab. Na, da möchte ich aber wissen, was dann die anderen Steuerreformen von Lacina oder Edlinger abgedeckt haben! Gar nichts! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: ... mehr Gebührenerhöhungen! So weit können wir auch noch rechnen!)

Apropos Edlinger: Unter Edlinger betrug die Abgabenquote 43,7 Prozent. Der Ver­gleich macht uns sicher: Unter Finanzminister Grasser beträgt die Abgabenquote in Hinkunft 40,7 Prozent. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Matznetter: Für McDonald’s, wo der Herr Winkler herkommt! Für MAGNA, wo der Herr Finanzminister ...!)

Zur Erreichung eines ausgeglichenen Budgets ist der bisher eingeschlagene, erfolg­reiche Weg der Reformen weiterhin notwendig. Vor allem in der öffentlichen Verwal-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 70

tung zeigen wir seit dem Jahre 2000, wie durch neue Organisationsformen, Ablauf­änderungen und vor allem im IT-Bereich, den Sie, Frau Abgeordnete Sburny, angesprochen haben – gerade im IT-Bereich, E-Government, da gewinnen wir inter­nationale Preise, da zeigen wir Musterprojekte her (Abg. Öllinger: Ah! Echt?) –, eine öffentliche Verwaltung effizient und leistungsfähig gestaltet werden kann. (Abg. Sburny: ... wir von Platz 9 auf 19 abgestürzt!) – Die haben es eben noch nicht; ich weiß nicht, aus welch altem Bericht Sie da zitieren. (Abg. Sburny: Der ist nicht alt! Der ist neu!)

Mit über 130 Reformvorhaben, die zum Teil schon umgesetzt sind oder im heurigen oder nächsten Jahr abgeschlossen werden, werden wir insgesamt – kumuliert gerech­net – 7,5 Milliarden € einsparen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wer’s glaubt, wird selig! – Ruf bei der SPÖ: Ist das Ihre letzte Rede?)

Denken Sie nur an die großen Projekte, von denen sozialdemokratische Innenminister nicht einmal zu träumen wagten, wie etwa die Zusammenführung der Wachkörper: Wir machen sie! (Abg. Dr. Matznetter: 50 Prozent ...!)

Denken Sie an die Reform der Finanzverwaltung! Denken Sie an die Einführung des elektronischen Aktes – wieder: IT-Anwendungen –: Das sind unsere Schwerpunkte. (Abg. Silhavy: Dann reden Sie einmal mit der ARGE Breitband über Ihre Politik! – Abg. Dr. Gusenbauer – eine Ausgabe des „Kurier“ in die Höhe haltend –: Im „Kurier“ von gestern: „Österreich droht Absturz als IT-Standort“!)

Wir starten in diesen Tagen mit Vertretern von Ländern und Gemeinden eine Dis­kussion darüber, wie wir die öffentliche Verwaltung des Bundes, der Länder und der Kommunen noch besser aufeinander abstimmen können (Abg. Dr. Gusenbauer: Ein Jammer, dieser Staatssekretär!), wie wir Synergiepotentiale nutzen können, was da und dort schon gelungen ist, wo wir voneinander lernen können. (Abg. Marizzi: Das hören wir jedes Jahr!) Wir hatten bereits einen erfolgreichen Prozess Nummer 1 (Präsi­dent Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen), darum haben die anderen Gebietskörperschaften gerne zugesagt (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer), die­ses Gespräch fortzusetzen (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glocken­zeichen) – und wir werden diesen erfolgreichen Weg fortsetzen!

Daher lade ich Sie ein: Stimmen Sie dem Budget zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Wittmann: Das war Ihre Rede aus dem Jahre 2004, oder?)

12.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Für die verbleibende Zeit bis zum Ende der Fernsehübertragung setze ich die Redezeit pro Fraktion mit 4 Minuten fest und bitte um genaue Einhaltung.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mikesch zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


12.42.55

Abgeordnete Herta Mikesch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Verlässlichkeit und Kontinuität sind die wich­tigsten Faktoren für die Sicherung des Standortes Österreich, die Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und unserer Betriebe.

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung verfolgt eine Budget- und Wirt­schaftspolitik, die verlässlich, sparsam und zukunftsorientiert ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, fahren zickzack! In einem aber sind Sie konsequent: Budget- und wirtschaftspolitisch treten Sie von einem Fettnäpfchen in das


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 71

andere. Zuerst präsentieren Sie ein Wirtschaftsprogramm, das es noch gar nicht gibt, dann verlangen Sie Steuererhöhungen und eine Mehrbelastung für unsere Unterneh­mungen, dann wollen Sie ein höheres Defizit in Kauf nehmen und dann wollen Sie schließlich wieder ein Nulldefizit. – Heute hü, morgen hott – wer so reitet, fällt leicht vom Pferd! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Matznetter: Wieso kritisieren Sie den Finanzminister? Das finde ich mutig!)

Diese Bundesregierung schafft es, durch eine verantwortungsvolle Budgetpolitik einer­seits die Maastricht-Schuldenquote auf 62,8 Prozent bis ins Jahr 2006 laufend zu senken und gleichzeitig die größte Steuerreform der Geschichte umzusetzen und die Steuerquote auf 40,7 Prozent zu reduzieren. Das ist eine nachhaltige Budgetpolitik, die auf dem richtigen Weg ist!

Wir brauchen uns mit unseren Daten nicht zu verstecken! Vier österreichische Re­gionen finden sich unter den Top 10 aller 1 207 EU-Regionen, die attraktivste deutsche Region kommt erst auf Platz 443 – kein Wunder, dass sich viele Betriebe aus Deutsch­land bei uns in Österreich ansiedeln wollen! (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Um das zu erreichen, braucht ein Land eine gesunde Wirtschaft, denn nur gesunde Unter­nehmen schaffen und erhalten Arbeits- und Ausbildungsplätze. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Deshalb ist heute ein guter Zeitpunkt, danke zu sagen: Danke den vielen Unterneh­merinnen und Unternehmern, die durch ihren großen persönlichen Einsatz, ihre Tatkraft (Abg. Dr. Cap: Danke, Karl-Heinz!) und ihr großes persönliches Engagement den Standort Österreich sichern, Arbeit schaffen (Abg. Dr. Matznetter: Trotz falscher Regierungspolitik!) und damit den Menschen Sicherheit geben. – Vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Matznetter: Trotz widriger ... des Finanzministers!)

Das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft sind unsere Klein- und Mittelbetriebe in den Städten und in unseren Regionen. (Abg. Dr. Matznetter: Sie haben Recht, Frau Kollegin, trotz widriger Bedingungen!) Herr Matznetter! Diese waren Ihnen in Ihrer heutigen Rede keinen Satz wert!

Diese Bundesregierung hat mit ihrer Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre und der Steuerreform 2004/2005 wirtschaftspolitische Meilensteine für unsere Unternehmun­gen geschaffen (Abg. Dr. Matznetter: Leider nicht für die mittleren ..!) – und das bei sinkendem Defizit! Das kommt allen Menschen zugute, denn: Gehts der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, sagt: Eines ist sicher: Einen Finanz­minister Grasser und seine Politik hätten wir in Deutschland gern! (Abg. Dr. Matz­netter: Frau Präsidentin Zwazl sollten Sie zitieren!)

Ich finde es geradezu beschämend, dass der Wirtschaftssprecher der SPÖ ständig versucht, durch seine Äußerungen Klein- und Mittelbetriebe gegen große Unternehmen aufzuhetzen. Das tägliche Leben zeigt uns ein anderes Bild (Abg. Dr. Matznetter: Ja, dass die Kleinen zusperren müssen!): Mit einem gesunden Miteinander ist es natürlich möglich, dass Klein- und Mittelbetriebe von Leitbetrieben und Konzernen in der Region profitieren. (Abg. Dr. Matznetter: Hat sie jetzt von Leitl-Betrieben gesprochen?)

Auch die Äußerungen, die Körperschaftsteuersenkung sei nur für die Großen, stimmt nicht! – 70 Prozent aller Kapitalgesellschaften haben weniger als 10 Mitarbeiter, 83 Pro­zent aller GmbHs haben weniger als 20 Mitarbeiter. Aber natürlich: Die Steuer­reform entlastet auch die Großen und die Konzerne, und wir hoffen auf eine gute Zusammenarbeit mit ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 72

Die SPÖ versucht auf allen Ebenen, die Wirtschaft schlechtzureden, und erklärt auch immer, dass sie keine Lehrlinge ausbildet. Derzeit werden 120 000 Lehrlinge (Prä­sident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt neuerlich das Glockenzeichen) in unseren Unter­nehmungen ausgebildet! (Rufe bei der SPÖ: Und tschüss!)

Aber Sie haben sich heute deklariert: Sie wollen Wahlkampf – wir wollen arbeiten. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Broukal zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


12.47.30

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): An dieser Stelle beginnt bei der ersten ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Seid friedlich! Grüß euch, guten Morgen!

An dieser Stelle der Budgetbesprechungen beginnt ja traditionellerweise ein „Bil­dungsradl“, nicht? Diesmal wird es nur ein halbes sein, weil Sie, Herr Amon, oder Sie, Frau Brinek, oder auch Frau Dr. Bleckmann gar nicht mehr vorhaben, während der Zeit der Fernsehübertragung hier herauszugehen und zu erklären, welche Katastrophe Ihre Bildungspolitik ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Ah, für Sie ist die Fernsehzeit relevant!)

Stattdessen müssen wir uns jetzt absurdeste Dinge anhören! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben zuletzt Ende Dezember in diesem Saal über Bildung gesprochen – damals kam zur Krise der Universitäten auch die Krise der Gehrer-Schule: PISA war in aller Leute Mund. Und das alarmierende Ergebnis, dass 20 Prozent der 15-Jährigen nach neun Jahren in der Gehrer-Schule nicht ordentlich lesen können, hat uns, glaube ich, doch alle zu Recht bewegt. (Rufe bei der ÖVP: In Wien!) 20 Prozent! (Abg. Freund: In den Bundesländern nicht!)

Dann war eineinhalb Monate lang Funkstille, danach gab es einen Bildungsdialog in der Hofburg, bei dem uns Dinge erzählt wurden, die wir seit Jahren wissen – aber was wir an diesem Tag und bis heute und auch im Budget des Herrn Finanzministers nicht erfahren haben, das war die Antwort auf die wichtigste Frage: Was wird am ersten Schultag im Jahr 2006 besser sein? Was wird am ersten Schultag im Jahr 2006 anders sein? Welche Verbesserungen wird es geben, beim Leseunterricht, in Mathematik, bei der kostenlosen Nachhilfe an der Schule selbst, bei der Betreuung am Nachmittag für die Kinder von Hunderttausenden Eltern, die das dringend brauchen und seit Jahren gebraucht hätten? – Die Antwort darauf steht im Budget 2006: Am ersten Schultag im Jänner 2006 passiert an Verbesserungen in diesen Bereichen nichts.

Gehen wir es einzeln durch: Förderungen für Kindergärten – Sie haben die Unterlagen, bitte lesen Sie mit! –, in denen vor allem die Kinder der Zuwanderer ganz früh Deutsch lernen sollen: kein einziger Euro mehr. (Ruf: Geh sicher! – Abg. Dr. Lopatka: Lernen Sie lesen!)

Fünf-Tage-Woche an den Schulen: kein einziger Euro für ganztägige Angebote in Haupt- und Volksschulen, an den höheren Schulen kein einziger Euro für zusätzliche Lehrer – auch wenn der Herr Finanzminister vor zwei Stunden hier fälschlicherweise das Gegenteil behauptet hat. (Bundesminister Mag. Grasser: Ja, aber nicht fälsch­licherweise!)

Mehr Förderunterricht (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser) – jetzt rede ich, dann wieder Sie: Aufzeigen, zum Wort melden, passt! –, mehr Förder­unterricht, nicht nur für schwächere Schüler, sondern auch für die guten: im


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 73

Budget 2006 kein einziger Euro! (Abg. Scheibner: Ein „höflicher“ Mensch! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aktion LESEFIT: im Budget 2006 – Sie ahnen es bereits – kein einziger Euro mehr!

Mehr Lehrerfortbildung, mehr Pflicht zur Lehrerfortbildung: im Budget 2006, Frau Kollegin, kein einziger Euro mehr! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.) Wenn Sie ihn entdeckt haben, dann kommen Sie herunter, ich lasse mich gerne korrigieren.

Die Antwort auf die Frage, was am ersten Schultag im Jahr 2006 neu sein wird, ist also: Nichts wird neu sein, weil Frau Gehrer sich wieder einmal beim Finanzminister nicht durchsetzen konnte, und dem ist die Bildung bekanntlich kein sonderliches Anlie­gen.

Über die Universitäten und die Wissenschaft möchte ich ganz kurz sprechen. Hier prolongiert sich die seit Jahren bekannte Katastrophe. Ich bin besonders betroffen davon, dass es jetzt schon Universitäten in diesem Lande gibt, die ihre Stromrech­nungen nicht bezahlen können. (Abg. Dr. Brinek: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Eine davon hat die Adresse Wien 1, Karl-Lueger-Ring 1, und Sie selbst sind dort Lehrerin. Ja, das ist Ihnen gleichgültig! Aber glauben Sie, dass die Universität Wien die Stromrechnung absichtlich nicht bezahlt, oder nur, weil sie zu wenig Geld hat, um sie fristgerecht bezahlen zu können? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie, meine Damen und Herren, haben abgedankt bei Bildung, bei Wissenschaft, bei Forschung! Die Universitäten waren dem Herrn Finanzminister in der Budgetrede 2005 noch sieben Zeilen wert, diesmal ist es eine halbe Zeile. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber es dauert nicht mehr lange: Wir machen’s besser! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.51


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

 


12.51.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Herren Staatssekretäre! Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Kollege Matznetter, Sie sind heute hier heraußen gestanden und haben gesagt – ich habe es mir aufgeschrieben –, Sie bitten förmlich um Neuwahlen, denn das ist der Garant für ein besseres Budget. (Abg. Gradwohl: So ist es!)

Das müssen massive Selbstzweifel sein, die Sie haben. Denn Neuwahlen werden eine schwarz-blaue Mehrheit bringen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), und nur eine schwarz-blaue Mehrheit ist ein Garant für ein besseres Budget, auch für die Zukunft dieser Republik. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Sie können sich nicht einmal die Meinungsumfragen mehr leisten! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dieses wirklich nicht mehr erträgliche Krankjammern und Schlechtreden dieser Republik, ich muss sagen, das ist für einen normalen Staatsbürger, der mit beiden Füßen im Leben steht, der in der Wirtschaft draußen ist, der weiß, wo und wie er sein Geld verdient, nicht mehr erträglich! Deshalb habe ich mir ein „Format“ von vor ein paar Wochen herausgesucht, vom 4. Feber 2005. Dort sind 24 Bereiche abgecheckt worden, 24 Bereiche verschiedenster Natur: Was hat sich gewandelt in den fünf Jahren dieser Regierungsmehrheit, einmal Blau-Schwarz, jetzt Schwarz-Blau? – Steigendes Durchschnittseinkommen, steigender Wohlstand, weniger Beamte, mehr Studien­anfänger, steigende Bildungsausgaben, höhere Ausgaben für Forschung und Entwick­lung, mehr Studienabsolventen! Ich glaube, all das sind gute Beispiele dafür, dass


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 74

diese Regierung sehr gut arbeitet, dass das Budget in der Vergangenheit sehr gut eingesetzt war und in der Zukunft sehr gut eingesetzt ist. (Abg. Dr. Cap: Falsche Rede!)

Aber es gibt auch Verschlechterungen in dieser Studie; auch die habe ich mir heraus­geschrieben: Wir sind im FIFA-Ranking schlechter geworden, wir haben mehr Ord­nungsrufe im Parlament bekommen, und die Lebensqualität in Wien hat sich massiv verschlechtert. Kurze Analyse: Mehr Ordnungsrufe, das ist die in Wirklichkeit hoff­nungslose Opposition, die nur dagegen schreien kann, weil sie sonst nichts zusam­menbringt. (Zwischenruf des Abg. Riepl.) Die Lebensqualität in Wien zu beurteilen obliegt, glaube ich, auch der linken Reichshälfte. Und im Fußball – okay, ich gebe das zu –, im Fußball haben wir versagt. (Rufe bei der SPÖ: Schweitzer! Euer Staats­sekretär!)

Abschließend, weil, als heute der Herr Klubobmann hier heraußen gestanden ist, Frau Kollegin Trunk sich wieder einmal über Kärnten affichiert hat – das muss ich jetzt wirklich einmal sagen, und ich habe es gestern schon gesagt –: Es ist wirklich unerträglich, dass permanent die Abgeordneten des eigenen Bundeslandes sich über ihr Bundesland affichieren, über ihr Bundesland schimpfen, ihr Bundesland krank­jammern und, obwohl wir dort gemeinsam in der Regierung sitzen, nichts Besseres zu tun haben, als sich über Kärnten aufzuregen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gestern habe ich bezüglich einer Bezeichnung der Frau Kollegin Trunk einen Ord­nungsruf vom Herrn Präsidenten bekommen, weil sich diese Bezeichnung nicht gehört. Ich habe mir deshalb heute, um einem Ordnungsruf zu entgehen, eine Zeitung heraus­gesucht und zitiere daraus – Herr Präsident, ich zitiere wörtlich –: „Würschl“ – für die­jenigen, die es nicht wissen, das ist der sozialistische Landesgeschäftsführer –, „Würschl bezeichnet Trunk als landesweit bekannte Intrigantin“.

Ich möchte das heute wörtlich zitieren, weil ich nicht wieder einen Ordnungsruf bekommen möchte. (Abg. Mag. Kogler: Sagen Sie etwas zum Budget! Zum Bud­get 2006!) Aber das ewige Schlechtjammern, das ewige Schlechtreden, sei es eines Bundeslandes oder der Republik, das hat sich, glaube ich, niemand hier verdient. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. (Abg. Parnigoni – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Dipl.-Ing. Scheuch –: Gut affichierte Rede! Die kann man wirklich affichieren!)

 


12.55.22

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Finanz­minister, Sie haben heute mehrfach versucht zu erklären, dass es nicht notwendig sei, dass für Österreichs Pflichtschulen de facto mehr Personal zur Verfü­gung gestellt wird, weil ja die Schülerzahlen zurückgehen.

Ich bin in letzter Zeit sehr oft unterwegs gewesen und habe über das Bildungssystem mit vielen Eltern, Lehrern, SchülerInnen diskutiert. Die haben mir immer wieder eine Frage gestellt, nämlich: Gibt es das wirklich, dass wir in Österreich so viel Geld für Bildung ausgeben, bei dem, was wir in den letzten drei, vier Jahren erlebt haben? (Abg. Dr. Brinek: Was machen die mit dem Geld?) Wir haben Klassenzusam­men­legungen bekommen; wir haben Sprachgruppen, in denen wir zu dreißigst sitzen, und keinen geteilten Unterricht mehr; wir haben keine unverbindlichen Übungen; so etwas wie musischer Unterricht, wie Zusatzunterricht, all das ist in den letzten Jahren massiv gestrichen worden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 75

Dann hören sie immer wieder von Ihnen oder von der Frau Bildungsministerin: Öster­reich gibt so viel Geld für Bildung aus!, und sie fragen: Wo ist es? – Versuchen wir, uns dem zu nähern, was Sie getan haben: seriöse Beantwortung.

Sie schreiben in Ihrer Rede, und Sie haben es gestern auch gesagt: Für Landeslehrer gibt der Bund 12 Millionen mehr aus. (Bundesminister Mag. Grasser: Kapitel Finanz­ausgleich, müssen Sie dazusagen!) – Im Kapitel Finanzausgleich.

Jetzt gehe ich eine Wette mit Ihnen ein. (Abg. Neudeck: Moment, wir haben keine Wettkonzession da!) Wenn Sie im Kapitel Finanzausgleich für 2006 diese 12 Mil­lionen € finden, dann werden wir garantieren, dass in Österreich 12 Millionen € mehr für die Schulen zur Verfügung gestellt werden. (Abg. Neudeck: Für Wetten ist der Matznetter zuständig mit seinen Firmen!) Wenn es nicht drinnen ist, wenn Sie im Kapitel Finanzausgleich diese 12 Millionen nicht haben, dann werden Sie garantieren, dass die 12 Millionen zusätzlich sind. Diese Wette schauen wir uns an. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.)

Sie finden es nämlich ganz klar im Kapitel der Pflichtschulen, und dort sind diese 12 Millionen in den Betrag eingerechnet. Diese 12 Millionen sind drinnen. Die Kürzung beträgt de facto 43 Millionen € seit dem letzten Jahr. Lesen Sie bitte Ihr eigenes Budget, wenn wir von Seriosität reden, Herr Finanzminister! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber vielleicht noch einmal ganz langsam, damit Sie mitbekommen, wie unsere Argumentation ist (Abg. Scheibner: Langsam geht es, aber die Redezeit ist gleich aus!): Österreich hat in den letzten Jahren ein massives Problem bei den Bildungs­vergleichen bekommen mit den Geldern, die bisher zur Verfügung standen – es sagt niemand, dass die letzten zwei, drei Jahre für die PISA-Ergebnisse verantwortlich waren –, mit dem, was in den letzten Jahren passiert ist. Wir sagen: Offenbar war das nicht genug.

Sie sagen jetzt: Wenn es weniger Schüler gibt, dann kürzen wir im gleichen Ausmaß. Es hat niemand bestritten, dass es in den Volksschulen weniger Schüler gibt. (Zwi­schenruf der Abg. Dr. Brinek.) Ja, es gibt weniger Schüler und Schülerinnen. Übrigens ist eines interessant, das Budget 2006 betrifft ja das Schuljahr 2006/2007: Wissen Sie, welche SchülerInnen dann in die Schulen kommen werden? – Die, die 2000 geboren sind. Das ist schon interessant: Ihre Familienpolitik hätte doch dazu führen sollen, dass die Kinderzahl in Österreich steigt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber jetzt sagen Sie: Katastrophe, wir haben sinkende Schülerzahlen bis zum Gehtnichtmehr! Das ist im Übrigen Ihre Familienpolitik, die hier auch durchschlägt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Da müssen Sie zumindest neun Monate dazurechnen! So schnell geht das nicht! – Weitere Zwischenrufe.)

Aber wenn da weniger Schüler sind, dann ist es unverantwortlich – und das ist das, was ich Ihnen nahe legen kann –, es ist unverantwortlich, im gleichen Ausmaß weiter­zukürzen, wie Sie das seit drei, vier Jahren machen! Diese Situation ist nicht neu, wir haben sie seit mehreren Jahren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dann kommen wir noch zu diesem wunderbaren Vergleich, den Sie präsentieren. Ich nehme an, es ist diese Studie, aus der Sie zitieren. (Der Redner zeigt eine Broschüre in Richtung Bundesminister Mag. Grasser.) Ich weiß nicht, ob Sie die ganze haben, mit den Finnland-Vergleichen, 2004. Haben Sie einmal hineingeschaut? (Bundesminister Mag. Grasser: Natürlich!) Haben Sie einmal darauf geschaut, aus welchem Jahr die Daten stammen? – Aus welchem Jahr stammen die Daten? (Bundesminister Mag. Grasser: Die Untersuchung stammt aus 2004 und ist die letzte Untersuchung!) Nein, aus welchem Jahr die Daten stammen! (Bundesminister Mag. Grasser: Ist es die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 76

Letzte oder nicht?) Aus welchem Jahr stammen die Daten? – Aus dem Jahr 2001, Herr Finanzminister! (Bundesminister Mag. Grasser: Ist es die letzte Untersuchung?) Sämtliche Sparmaßnahmen, die Sie in den letzten drei Jahren gemacht haben, können hier nicht drinnen sein, denn die stammt aus dem Jahr 2001! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesminister Mag. Grasser: Haben Sie etwas Jüngeres?)

Zum Thema Seriosität, abschließend: Sie glauben uns nicht, dass diese Daten über­höht sind, stimmt’s? Sie glauben, die sind korrekt – ist das richtig? (Bundesminister Mag. Grasser: Ja, natürlich, ist eine OECD-Studie!) Okay, gut. Ich zitiere Ihnen den zuständigen Sektionschef Wolfgang Stelzmüller – er ist Ihnen vielleicht ein Begriff, Sektionschef im Bildungsministerium – in der „Presse“ vom 11. Feber:„Die tatsäch­lichen Aufwendungen pro Schüler und Jahr liegen um etwa 30 Prozent unter der von der OECD für Österreich ausgewiesenen Summe.“ – So Wolfgang Stelzmüller, zustän­diger Sektionschef. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Herr Finanzminister, Seriosität ist bei Ihnen nicht zu Hause! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Er legt die Begründung nicht offen!)

12.59


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


12.59.46

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor den letzten Nationalratswahlen ist SPÖ-Chef Alfred Gusen­bauer mit einem „Kabinett des Lichts“ angetreten: mit vier Leuchtraketen; zwei haben es geschafft, hierher ins Parlament zu kommen: Broukal, und der Zweite war Matz­netter. Mit der Vorstellung, die Sie heute geboten haben, sind Sie endgültig verglüht und abgestürzt, meine Damen und Herren! Vom „Kabinett des Lichts“ ist überhaupt nichts mehr da. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Denn hier überhaupt keine Alternativen aufzuzeigen, die Zeit der Opposition nicht zu nützen, um Alternativkonzepte zu entwickeln, das ist schon zu wenig. (Abg. Dr. Pus­wald: Machen Sie sich um uns keine Sorgen!) Nein, ich mache mir keine Sorgen. Solange wir in der Regierung sind, können Sie gerne so weitermachen. Da mache ich mir keine Sorgen, und auch nicht die Österreicher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Solange Sie auf der Oppositionsbank sitzen, müssen wir uns keine großen Sorgen machen. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Denn Sie sind so widersprüchlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es gut ist, dass es diese Fernsehübertragungen gibt. (Abg. Schieder: Ist eh schon weg!) Einerseits machen Sie sich große Sorgen um die Zukunft Österreichs, was die Budget- und Finanzpolitik betrifft, bei 1,7 Prozent Budgetdefizit. Sie wissen, da sind wir euro­paweit, innerhalb der EU der 25, vorne dabei. (Abg. Riepl: Überall hinten!) Vorne dabei: Fünf sind vor uns (Abg. Parnigoni: Bei der Arbeitslosigkeit sind Sie vorne!), wir sind da an sechster Stelle, 19 EU-Staaten sind hinter uns. (Abg. Parnigoni: Bei der Kriminalität sind Sie inzwischen weit vorne!)

Sie versuchen aber, hier eine Stimmung zu erzeugen, dass man glauben könnte, es wäre in Hinkunft ein Sparpaket notwendig. Mit uns ganz sicher nicht! Aber wissen Sie, wann ein Sparpaket notwendig wäre? – Wenn man nur das umsetzt, was ein Interview von Ihrem Budgetsprecher Matznetter kostet, gerade jetzt in der Vorwahlzeit zu den Wirtschaftskammerwahlen. Ich nehme nur ein Interview her, das noch keine Woche alt ist. Im Magazin „Format“ fordert Matznetter in einem Interview letzten Freitag: 4 Milliar­den für den Ausbau von Straßen und Schienen zusätzlich, 1,5 Milliarden für weitere


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 77

Steuersenkungen – Wirtschaftskammerwahlen, daher nur für Klein- und Mittelbetriebe (Abg. Parnigoni: Bravo!) –, 800 Millionen verlangt er zusätzlich für Forschung und Entwicklung (Abg. Parnigoni: Bravo!), und 300 Millionen für ein Bildungskonto.

Wenn ich diese Beträge zusammenzähle: Die 1,7 Prozent – und diese Rechnung müssten auch Sie nachvollziehen können – haben wir bei etwas mehr als 5 Milliarden an Defizit. Gebe ich zu diesen 5 Milliarden diese Beträge von Matznetter dazu, dann komme ich – nur mit diesem einen Interview! – auf 12,4 Milliarden € an Defizit, das sind 3,65 Prozent! (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Dann bin ich genau dort, wo sozialdemokratisch regierte Länder sind und wo Ihre Finanzminister immer waren, nämlich jenseits von 3 Prozent Budgetdefizit!

Der Redakteur konfrontiert in diesem Interview vom letzten Freitag Matznetter mit seinen Forderungen und meint: „Das sind zusammen“ – zusätzlich! – „fünf Milliarden Euro, das Defizit würde deutlich über drei Prozent liegen, und Brüssel würde Ihnen einen blauen Brief schicken.“ Wissen Sie, was die Antwort von Matznetter ist? – Er widerspricht gar nicht, sondern meint: „Natürlich muss da auch der Stabilitätspakt geändert werden, und zwar so, dass man Investitionen nicht einfach als Ausgaben verbucht.“ (Heiterkeit bei der ÖVP.) Na bitte, Matznetter wortwörtlich! Alte sozialistische Schuldenpolitik! (Ruf bei der ÖVP: Ist das nicht ein Steuerberater?) Nein, danke, sage ich Ihnen zu dieser Politik, nein, danke! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Lentsch: Das ist ein Steuerberater!)

Meine Damen und Herren! (Abg. Mag. Kogler: Sie können ja nicht einmal Investitionen und laufende Ausgaben auseinander halten! Das versteht ja kein Mensch, dass Sie sich da so aufplustern!) Na schon! Wissen Sie, warum? (Abg. Mag. Kogler: Sie kennen den Unterschied offensichtlich nicht!) – Weil in unserem Budget natürlich die Investitionen vorgesehen sind, Herr Kollege Kogler. Bitte, die sind ja nicht außer­budgetär! (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Ihre Rechenkünste kennen wir. Das Beste war überhaupt Broukal vorhin, als er ge­meint hat: Wo sind denn die Kosten für die Kindergärten verbucht? (Abg. Mag. Kogler: Sie können ja überhaupt nicht ...!) – Jetzt ist er mehr als zwei Jahre hier im Parlament und weiß noch immer nicht, dass für die Kindergärten eigentlich die Länder und Gemeinden zuständig sind und nicht der Bund. Wenigstens das hätte er wissen kön­nen. Herr Kollege Broukal, wenigstens das! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Broukal: Das weiß ich schon! Ich weiß aber auch, wie viel die Wiener dort zahlen!) Ja, ich weiß, wie viel sie zahlen: In Wien viel mehr als in Niederösterreich, in Wien zahlen sie am meisten, Kollege Broukal! Nur damit Sie es wissen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Broukal: In Wien gehen 87 Prozent ...! In Niederösterreich sperren die Kindergärten zu Mittag! Erst lernen, dann sprechen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Unterschied zwischen Ihnen und uns in der Budget- und Finanzpolitik ist wieder einmal sehr deutlich geworden. Wir werden konsequent, im Interesse der Menschen dieses Landes, diese Budgetpolitik fortsetzen. (Abg. Broukal: ... wieder 5 Milliarden neue Schulden!) Sie mögen mit altsozialistischen Konzepten, wonach man den Stabilitätspakt aufheben möchte, eine Alternative bieten. Die Österreicherinnen und Österreicher werden sich ihre Meinung dazu bilden. (Ruf bei der SPÖ: ... Schmutzkampagne!) Das ist keine Schmutzkampagne, sondern unsere Politik ist zukunftsorientiert, Ihre ist in den siebziger Jahren stecken geblieben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Krainer zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 78

Bestimmungen: 2 Minuten, zunächst den zu berichtigenden, dann den berichtigten Sach­verhalt. – Bitte.

 


13.05.30

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Abgeordneter Lopatka hat soeben gemeint, dass die Kindergärten in Wien die teuersten wären. (Ruf bei der ÖVP: Ja, ist auch so!) – Das ist unrichtig!

Wahr ist vielmehr, dass der Beitrag in den Kindergärten in Wien sozial gestaffelt ist. Für 40 Prozent ist er am billigsten, nämlich null Euro, ein Drittel zahlt den Vollpreis, und etwa ein Drittel dazwischen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

13.05


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Niederwieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


13.06.00

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In 4 Minuten kann man hier nur ein paar Streif­lichter aufblinken lassen. (Abg. Neudeck: Aber das ist der Stellenwert in deiner Fraktion! Das hat mit uns nichts zu tun!) Lassen Sie mich beginnen mit Lopatka und Broukal, Kinderbetreuungseinrichtungen: Wir wüssten nicht, dass das nichts mit dem Bund zu tun hat. (Abg. Scheibner: Scharfe Kritik an der Klubführung!) Nehmen Sie dieses Heft und schlagen Sie Seite 100 auf. Sie werden dort finden (Abg. Mag. Don­nerbauer: Ist die SPÖ schon so weit, dass sie ...?), dass in den Jahren zwischen 1998 und 2001 Zuschüsse für Kinderbetreuungseinrichtungen, die Kindergartenmilliarde, drinnen war, die Sie damals mit uns beschlossen hatten.

Die Vertreter des Gemeindebundes und der Städte haben dazu, dass man ein solch großes Programm starten möchte, nämlich die ganztägige Betreuung massiv aus­bauen will, bei diesem Bildungsgipfel gesagt: Das muss eine gemeinsame Anstren­gung aller Gebietskörperschaften sein. Sie sagen mit diesem Budget: Der Bund verab­schiedet sich. – Es ist skandalös, dass Sie sich aus diesem Projekt verabschieden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Sie können nicht auf der einen Seite sagen, wir wollen das ausbauen, aber keinen Groschen dafür zur Verfügung stellen.

Das Zweite: Das Budget für Bildung steigt um insgesamt 23 Millionen Schilling. Wenn ich diese Zahlen hier genau nehme ... (Abg. Dr. Brinek: Mehr!) Nein, es sind 23 Millio­nen Schilling, Kollegin Brinek (Abg. Dr. Brinek: Mehr!), das sind 0,25 Prozent. (Abg. Dr. Brinek: Beim Schwindeln ...!) Allein der Mehraufwand bei den Pensionen ... (Abg. Mag. Molterer: Euro!) Euro, selbstverständlich. Entschuldigung, Euro! – Allein der Mehraufwand bei den Pensionen steigt von 926 Millionen auf 975 Millionen € bei den Landeslehrern. Insgesamt 23 Millionen € mehr, Pensionsaufwandssteigerung 49 Mil­liarden € mehr, daran sehen Sie sehr klar, dass für die Schulen selbst und für die Bildung wirklich nichts mehr übrig bleibt. (Abg. Dr. Brinek: Das stimmt nicht!)

Herr Finanzminister (Abg. Broukal: Er ist schon gegangen! Fernsehen ist weg, und er geht!), Sie haben in Ihrem Debattenbeitrag gesagt: Dort, wo es mehr Schülerinnen und Schüler gibt, gibt es auch mehr Lehrer. Das haben Sie hier wiederholt. (Abg. Dr. Brinek: Zum Beispiel in Wien mehr Planstellen! Finanzausgleich!) Daher bitte ich Sie, zeigen Sie mir in diesem Heft, Bildung und Kultur, anhand der Stellenpläne, wo es beispielsweise bei den berufsbildenden höheren Schulen eine Stelle mehr gibt. Sie haben die Zahlen im anderen Heft drinnen, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler steigt. Sie haben bei den Stellenplänen der Handelsakademien, der HTLs und so weiter exakt dieselben Zahlen wie im Jahr 2005, keine einzige Stelle mehr!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 79

Der Mehraufwand reicht gerade einmal dazu, die Biennalsprünge und diese Dinge abzudecken, aber nicht für mehr, für keine einzige Stelle mehr. Doch Sie stellen sich hierher und behaupten, dass es mehr Stellen gibt. Wie soll ich das bezeichnen? Wollen Sie uns zum Narren halten, Herr Finanzminister? Oder glauben Sie, wir können Ihre Zahlen nicht nachprüfen, die Sie selbst uns hier vorlegen? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Diese Art von Umgang mit der Wahrheit finde ich wirklich skandalös, was Sie hier mit dem Parlament aufführen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Dass im Budget nichts enthalten ist für all die Maßnahmen, die beim Bildungsgipfel groß angekündigt wurden – zehn Punkte –, das beweisen Sie ja selbst. Sie wissen es selbst am besten, Kollegin Brinek und Kollege Amon. Was hätte es denn sonst für einen Sinn, dass Sie mit Datum 2. März 2005 dem Parlament einen Entschließungs­antrag vorlegen, in dem steht, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, diese Maß­nahmen des Bildungsgipfels endlich umzusetzen? – Weil eben nichts im Budget drinsteht (Abg. Scheibner: „Endlich“ steht nicht dort! Zitieren Sie exakt!), müssen Sie Ihre eigene Bundesregierung dazu auffordern, endlich das zu tun, was man ankündigt. (Abg. Dr. Brinek: Das ist aber auch billig!)

Wie soll man so etwas bezeichnen? – Das habe ich ja überhaupt noch nie erlebt. Da gibt es eine Bundesregierung, die ein Programm ankündigt, und die eigenen Regie­rungsfraktionen im Nationalrat müssen eine Aufforderung beschließen, dass das umzusetzen ist. Das, was Sie hier aufführen mit einer solchen Vorgangsweise, ist ja beinahe politisch pervers.

Das ist keine solide Grundlage für ein Budget. Im Wesentlichen ist das Budget des Jahres 2006 das Budget des Jahres 2005. Für Innovationen gibt es keinen Spielraum. An Ihnen ist PISA und alles andere spurlos vorübergegangen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Walch. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.11.00

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Lieber Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! An die Oppositionsadresse bitte: Lesen – denken – sprechen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das ist kein Budget von Edlinger, das ist kein SPÖ-Budget, hier geht es um ein Budget von FPÖ und ÖVP, zusammengestellt von Finanzminister Grasser. (Abg. Eder: So schaut es aus! – Abg. Dr. Einem: Das merkt man auch!)

Eigentlich müsstet ihr euch heute hier heraus stellen und euch bei der österreichischen Bevölkerung entschuldigen für die verfehlte Finanz- und Wirtschaftspolitik, die ihr in den letzten 30 Jahren der österreichischen Bevölkerung hinterlassen habt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Ja, so ist es!)

154 Milliarden € Schulden, 7 Milliarden € Zinsen pro Jahr gehen auf das Konto der SPÖ. Normal müsstet ihr hergehen und euch entschuldigen oder einen Solidaritäts­beitrag zahlen. Leider gibt es das nicht, dass man die Verantwortlichen heranzieht. Aber ihr stellt euch her und spielt hier den großen Mann, dabei seid ihr hauptsächlich oder hundertprozentig verantwortlich, denn ihr habt den Finanzminister gestellt.

Jetzt bitte an die Adresse der Opposition – egal, ob Grün oder Rot, es ist eh alles in einem: In diesem Budget heißt es: Arbeit schaffen, Wohlstand sichern, Steuern entlas­ten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber bitte – redet mir nicht drein“ –, wieso habt ihr einer Steuerentlastung nicht zugestimmt? Wieso habt ihr der großen vorgezogenen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 80

Steuerreform 2004 und 2005 nicht zugestimmt? Wieso behauptet ihr fälschlich in der Öffentlichkeit, dass diese Steuerentlastung dem Bürger nichts bringt? 2,66 Millionen Menschen in Österreich sind steuerfrei gestellt. Redet mit den Leuten! Ich weiß, ihr redet zu wenig mit ihnen. (Zwischenruf der Abg. Bures.) Die Bezieher kleiner und mittlerer Pensionen bekommen bis zu 40 € pro Monat mehr. Fragen Sie! Lesen Sie! Denken Sie! Sprechen Sie! (Abg. Neudeck: Sprechen brauchen sie nicht!) Nehmt euch einen Pensionsauszug eines Pensionisten vom Dezember 2004 und vom Jänner. Viele kommen zu mir, denn wenn sie ein Problem haben, gehen sie halt zu einem Arbeitnehmervertreter, der wirklich noch einer ist und der sich auskennt. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Arbeitnehmer bekommen bis zu 50 € oder mehr pro Monat mehr. Das stimmt, aber das dürft ihr nicht wahrhaben. Ich weiß schon: Oppositionsarbeit – schwere Arbeit, nur, man müsste sie entsprechend verteidigen können. (Abg. Neudeck: Ja, sie wollen eine Schwerarbeiterregelung haben!)

Allein diese Regierung gibt für aktive Arbeitsmarktpolitik 4,9 Milliarden € aus. Gut aufpassen! 4,9 Milliarden €, die Arbeit schaffen. Das sind um 1,5 Milliarden € mehr, als im Jahr 1999 unter einem SPÖ-Finanzminister ausgegeben wurden. (Abg. Öllinger – auf dem Weg zum Präsidium –: Das werden wir gleich berichtigen!) Uns sind die österreichische Bevölkerung beziehungsweise die Arbeitnehmer doppelt so viel wert als der alten Regierung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lehrlingsproblem: Wir wissen, dass wir mit den Jugendlichen ein entsprechendes Problem haben, aber wir können in der Politik nur die Rahmenbedingungen machen, das andere muss die Wirtschaft tun. Nur sie kann Arbeitnehmer einstellen. Kollege Öllinger, du wirst wahrscheinlich keinen einstellen können, außer du hast einen Betrieb. Und da setzen wir die Rahmenbedingungen. Zusätzlich bekommt jeder Unter­nehmer 1 000 € Freibetrag, 1 000 € pro Jahr und pro Lehrling, und vieles mehr.

Wir bekämpfen auch die Armut. Zusätzlich zu den Sozialtransfers gibt es noch einmal 2 872 Millionen €.

Zur Errichtung einer Forschungsstiftung gibt es über 3 Milliarden €. Ihr müsst das Budget lesen! Lesen müsstet ihr es.

Infrastruktur – eine besondere Freude –: Für die Infrastruktur in Österreich gibt es – ich muss wirklich sagen, der Infrastrukturminister und Vizekanzler Gorbach ist der Freund der Bauwirtschaft – eine Steigerung von 60 Prozent. (Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Ja, er ist der Freund der Bauwirtschaft! Da seid ihr neidig!) Die Bauwirtschaft ist der Motor der Wirtschaft. Wenn die Bauwirtschaft floriert, dann floriert die gesamte Wirtschaft.

Deshalb gibt es auch ein entsprechendes Konjunkturbelebungsprogramm. (Abg. Eder: Genau darauf käme es an! – Abg. Neudeck: Da sollten Sie mitschreiben von der SPÖ!) Zuhorchen, zuhorchen, bitte!

Familienentlastung: zusätzlich 1,1 Milliarden €. Wisst ihr überhaupt, wie viel das ist? 1,1 Milliarden € mehr für die Familien. Wieso hat die Opposition gegen das Kindergeld gestimmt? Wieso hat die Opposition gegen den Kinderzuschlag gestimmt? Wieso hat die Opposition gegen die Regelung betreffend Mehrlingsgeburten gestimmt? Wieso hat die Opposition gegen die Pensionsharmonisierung gestimmt, wodurch Kinder­erzie­hungszeiten für diese Frauen pensionsbegründend sind? Wieso? Welche Antwort bekomme ich diesbezüglich? Keine!

Zur SPÖ muss ich ehrlich sagen: Ihr müsst euch ein bissel etwas Besseres einfallen lassen. Lest dieses Budget! Lest es, das ist kein Edlinger-Budget, das ist ein Grasser-Budget.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 81

Ich bedanke mich recht herzlich. Die Zukunft Österreichs schaut sehr positiv aus! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmungen. – Bitte. (Staatssekretär Dolinschek: Jetzt bin ich aber gespannt!)

 


13.16.34

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Walch hat in seinen Ausführungen behauptet, dass das Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung 4,9 Milliarden € ausmachen würde. – Das ist völlig unrichtig!

Herr Kollege Walch, Sie haben den Fehler gemacht, das nachzureden, was der Fi­nanz­minister gesagt hat. (Abg. Fauland: Das war eine wertfreie Aussage!) Die Zah­len schauen anders aus.

Die Gesamtausgaben für den Bereich Arbeitsmarktpolitik inklusive Arbeitslosen­ver­sicherung, Notstandshilfe et cetera betragen tatsächlich 4,9 Milliarden €. (Abg. Scheibner: Na also! Das ist ja eine tatsächliche Bestätigung!) Das ist aber nicht aktive Arbeitsmarktpolitik, das sind passive Leistungen. Wenn Sie so großen Wert darauf legen, dass Sie sich auskennen, so wäre das das Minimum, das man wissen müsste (Abg. Fauland: Was reden Sie für einen Blödsinn daher!), denn das sind Ver­sicherungsleistungen der Versicherten, aber nicht aktive Arbeitsmarktpolitik. (Abg. Scheibner: Das ist eine tatsächliche Bestätigung! Melden Sie sich zu Wort! Das ist keine tatsächliche Berichtigung, sondern ein Debattenbeitrag!)

Im Bereich aktiver Leistungen geht aus dem Budgetbericht hervor – lesen Sie diesen –, dass die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik tatsächlich gesunken sind. Sie können das im Budgetbericht auf Seite 95 nachlesen, Herr Kollege Walch. Aber tatsächlich lesen, denken, sprechen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Neudeck: Und tatsächlich berichtigen, nicht bestätigen!)

13.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abge­ordnete.

 


13.18.09

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Meine Damen und Herren! Meine Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Finanzminister hat uns gestern ja wieder eine Neuauflage einer, man kann sagen, Neujahrsansprache präsentiert, denn wir haben schon gehört, kon­krete Budgetaussagen waren eigentlich eher Fußnoten, allgemeine Bekenntnisse waren sozusagen der Grundtenor. Ich möchte von Ihren allgemeinen Bekenntnissen ein paar herausgreifen und auf konkrete Daten und Fakten hinterfragen.

Herr Finanzminister! Zuerst zum Hauptproblem, mit dem wir derzeit zu kämpfen haben, zur Frage der Arbeitslosigkeit. Sie haben gestern gesagt: Zukunft ist unser Programm. Ich möchte wissen, was Sie jetzt wirklich – mein Vorredner hat es zum Teil auch angesprochen – an aktiver Arbeitsmarktpolitik hier budgetär unternehmen. Das, was hier im Budget steht und was in Ihrer Rede genannt worden ist, ist für mich viel zu dünn. Da müssen wir viel tiefer hineingehen, da dürfen wir nicht nur bildungs- und for­schungsmäßig ansetzen, sondern da brauchen wir auch eine andere Investitionspolitik in die Infrastruktur. Ich betone: eine andere Investitionspolitik.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 82

Denn schauen Sie sich die Investitionen, die zum Beispiel auch Kollege Walch genannt hat, an. Da ging es um die Bauindustrie. Herr Vizekanzler Gorbach, der auf diese 7,5 Milliarden € hingewiesen hat, die jetzt an Zinsen für Schulden gezahlt werden müssen und die eigentlich seines Erachtens auch für Infrastrukturinvestitionen verwendet werden sollen, hat auch über die Bauindustrie gesprochen. Aber schauen Sie es sich konkret an – es wird ja eigentlich gekürzt. Schauen Sie sich die Zahlen an, im Infrastrukturbereich wird ja eigentlich gekürzt.

Ich kann es Ihnen genau vorlesen: Übersichtstabelle Seite 99, Infrastruktur­inves­titionen, Budget plus Ausgliederung 2006 gegenüber 2005 um 223 Millionen € Rück­gang. Ich sage es auch ehrlich dazu, das ist im Straßenbaubereich. Das ist mir ja durchaus recht, dass dort weniger investiert wird, denn dort schaffen wir natürlich Minimalarbeitsplätze. Dort geht es nicht um die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern um die Sicherung von Baumaschinen. Genauso ist es bei all den Tunnelprojekten, die Sie am Semmering, teilweise am Brenner oder bei der Koralm protegieren. (Abg. Fauland: Das sind Zigmillionen, Frau Kollegin!) Das sind Beschäftigungsprogramme für Baumaschinen. Das, was wir brauchen, ist Beschäftigung für Menschen, ist Be­schäftigung für Jugendliche, ist Beschäftigung auch für Menschen, die im fortge­schrittenen Alter stehen. Da greift Ihre Investitionspolitik zu kurz.

Wir wollen in den öffentlichen Verkehr investieren. Wir wollen dort Arbeitsplätze schaf­fen. Da geht es um Qualität, da geht es um Personal, da geht es um eine bessere ÖBB, da geht es um bessere Nahverkehrsbedingungen. Die sind arbeitsintensiv, weil es um Qualität geht. Wir wollen in ein Kyoto-Programm investieren. Wir wollen bessere, wärmegedämmte, energiesparende Bauten haben.

Was ist aber im Budget, Herr Finanzminister? – Das Investitionsvolumen im Bundes­hochbau geht zurück. Weitere 5 Millionen € werden sozusagen zurückgenommen. Gebäude und so weiter sind im Bundesbudget nicht mehr in dem Ausmaß zur Sanierung vorgesehen, wie dies notwendig wäre.

Herr Umweltminister Pröll verabschiedet ein Klimaschutzprogramm nach dem anderen, eine Studie nach der anderen wird vorgestellt, nur real, im Budget fehlen mir die Zahlen für diese arbeitsplatzschaffenden, energiesparenden und zukunftsichernden Millionen und Milliarden. Das fehlt mir hier. Dort gehören die Gelder investiert und nicht in Tunnelprojekte, wo es nur um Maschinen geht.

Ein weiterer Aspekt, der auch immer mit Arbeitsplatzsicherung in Zusammenhang steht und natürlich auch mit der Lebensqualität der Bevölkerung eng verknüpft ist, ist die Frage der Abgabenquote. Herr Minister, Sie haben uns gestern mit einfachen Sätzen klarmachen wollen: Die Zukunft liegt mehr oder weniger in niedrigen Steuern. Ja, ich bin gerne dabei, niedrigere Steuern hat jeder gern. Nur, Sie müssen gleichzeitig sagen, dass niedrige Steuern auch niedrige Leistungen bedeuten, dass zum Beispiel die Krankenversicherungsbeiträge dann in die Höhe gehen, wenn niedrige Steuern sind, dass die Pensionsbeiträge in die Höhe gehen, wenn niedrigere Steuern sind, dass möglicherweise Schulgeld eingeführt werden muss, weil die Bildungsausgaben ja auch bestritten werden müssen und niedrigere Steuern weniger Einnahmen bringen.

Sie verschweigen, dass eine niedrige Abgabenquote eine niedrige Leistungsquote ist, dass Lebensqualität minimiert wird, dass Beschäftigung gesenkt wird, dass insgesamt das Niveau, das Österreich glücklicherweise erreicht hat, dann auch sinkt.

Schauen Sie sich das woanders an. Sie machen ja gerne Benchmarking, Sie bewegen sich ja in dieser internationalen Finanzwelt, kennen also Kollegen und Finanzminister aus anderen Ländern. Schauen Sie sich an, wie die skandinavischen Länder dastehen. In Finnland gibt es plus 2,2 Prozent Überschuss im Budget, in Dänemark plus 1,7 Prozent Überschuss im Budget, in Estland plus 0,1 Prozent Überschuss, in


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 83

Schweden, das eine hohe Abgabenquote hat, plus 0,8 Prozent Überschuss im Budget. (Abg. Zweytick: Das ist wenig!) Und die Leute dort haben eine hohe Lebensqualität. Sicher, sie zahlen Steuern, aber ich muss ehrlich sagen, mir ist es lieber, nicht weniger Steuern, sondern ein bisserl mehr Steuern (Abg. Zweytick: Na hallo! Sie sind für höhere Steuern?), und dafür habe ich eine gesicherte Welt, eine gesicherte Umwelt.

Ihr Steuersparprogramm läuft ja darauf hinaus, dass man bei der Justizwache kürzt, dass man bei der Polizei kürzt, dass man beim Bundesheer kürzt, dass man im Bildungsbudget kürzt, dass man bei der Forschung kürzt. All das sind Leistungen, die die öffentliche Hand zum Wohle der Bevölkerung erbringen soll und muss. Und da darf man nicht kürzen, denn das nützt wenig, wenn ich weniger Steuern zahle, wenn ich auf der anderen Seite eine unsichere Lebensumwelt habe, was Beschäftigung und auch was persönliche Sicherheit anlangt. (Abg. Wittauer: Wenn ich Doppelverdiener bin, ist das nicht so schwer, aber viele Menschen haben das nicht! – Abg. Zweytick: Da dürfte man in Deutschland überhaupt keine Steuern mehr zahlen!) – Darüber können wir extra einmal reden, was die deutsche Einigung gekostet hat, was die Globali­sie­rungsfolgen sind et cetera. (Abg. Zweytick: Aber das kann doch nicht die Antwort sein!)

Ich messe ja den Herrn Finanzminister nur innerhalb seiner KollegInnenschaft, inner­halb der Finanzminister in europäischen Ländern, und da steht er zwar nicht ganz schlecht da, aber andere stehen besser da, und wir sollen uns ja an anderen orien­tieren. Der Herr Finanzminister hat ja immer eine sehr ehrgeizige Herangehensweise. Wobei ich durchaus befürworte, dass man ehrgeizig ist, aber dann soll man sich wirklich auch an den Qualitätsaspekten eines Budgets in anderen Staaten orientieren. (Abg. Wittauer: Viele Menschen in Europa wären froh, wenn sie in Österreich leben könnten!)

Jetzt der nächste Aspekt, den Sie in Ihren Budgetreden immer als sozusagen Qua­litätsmerkmal der österreichischen Lebenswelt hinstellen. Sie haben gestern gesagt, wir haben in Österreich um 200 000 Fahrzeuge mehr; auf Seite 3 ist das nachzulesen. Also ich war fassungslos, dass Sie eine Zunahme von PKWs als Zunahme von Lebensqualität, Lebensstandard et cetera hinstellen. (Abg. Fauland: Na sicher! Mobilität!) Wir brauchen Mobilität. Wir brauchen nicht mehr PKWs, sondern wir brauchen bessere Mobilitätsangebote, und ich bin für beschäftigungsintensive Mobi­litätsangebote. (Abg. Wittauer: Das ist eine Frechheit gegenüber vielen Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, weil es die Infrastruktur nicht gibt!)

Herr Kollege Wittauer, ich bin für den öffentlichen Verkehr. Ich bin dafür, dass man hier in die Nahverkehrsverbindungen investiert. (Abg. Fauland: Aber nicht einseitig, Frau Kollegin!) Das wäre wirklich ein Offensivkonzept. Da könnten wir uns finden, Herr Kollege Wittauer. Da gibt es sicherlich eine gemeinsame Ebene, da sollten wir wirklich verstärkt gemeinsam ansetzen, aber nicht in der Zahl der PKWs dem Herrn Finanzminister eine Latte legen, die meines Erachtens lächerlich ist.

Ein zweiter für mich ganz wesentlicher Aspekt. Es geht wirklich um das sinnvolle Spa­ren. Leider ist Kollege Stummvoll nicht hier – ich bin durchaus einer Meinung mit ihm: Es geht auch ums Sparen.

Lesen Sie in den heutigen „Salzburger Nachrichten“ nach. Da schreibt eine Wifo-Expertin, die auch vorschlägt, dass man durchaus ambitioniert sparen könnte, die Budgetexpertin Margit Schratzenstaller, falls ich es richtig gelesen habe. Sie schlägt vor, dass wir wirklich endlich einmal die Verwaltungsreform effizient angehen sollten. Herr Finanzminister, da laufe ich bei Ihnen vielleicht sogar offene Türen ein. Aber wo sind Sie angestanden? Wo kritisierten wir beim Konvent? Wo sind wir einer Meinung


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 84

mit dem Herrn Expräsidenten Fiedler beim Konvent? Da wäre die Möglichkeit gewesen, Verwaltungsreform effizient voranzutreiben. (Abg. Wittauer: Da müssen einmal die Länder ihre Hausaufgaben machen!) Da wäre es möglich gewesen, durch die Aufgabenreform, durch die Verteilung der Kompetenzen mit den Ländern endlich einmal sparend ans Werk zu gehen, sparend in Ihrem Sinn, zu Gunsten der Gemein­den Geld erwirtschaften, das wir so in eine Verwaltung stecken, die doppelgleisig, ja teilweise dreigleisig ist.

Ich bin da ganz der Meinung Ihres Kollegen Präsidenten Leitl. Der sagt immer, wir sollen sparen und bei der Verwaltungsreform mehr Geld hereinholen. Dieses Budget hat zwar eine Schlagzeile Verwaltungsreform, aber Sie versagen im ureigensten Sparbereich: bei der Verwaltungsreform, bei der Neuordnung der Kompetenzen. Da hat der Konvent wirklich die Fahnen gestrichen vor den Landeshauptleuten, vor Ihren Kollegen in den Bundesländern, wo es um reine Machtpolitik geht.

Deshalb, Herr Finanzminister, war Ihre gestrige Rede für mich mehr oder weniger eine Absage an die Zukunft und nicht „Zukunft ist unser Programm“. Wir brauchen den Richtungswechsel, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.28.00                                                                                                                                                                                  

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Matznetter ist jetzt nicht hier, aber er hat zu Recht gemeint, Herr Bundes­minister Grasser habe es nicht leicht. Da hat er völlig Recht, wenn er an die Schulden, an die Zinsenzahlungen denkt, die unser Bundesminister mit seinem Staatssekretär und diese Regierung aus dem früheren Erbe zu verkraften haben. Da hat er Recht, der Matznetter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber tatsächlich nicht leicht hat es der Matznetter selbst. (Abg. Eder: Alle haben wir es schwer!) Ich denke an seine Budgetpolitik, seine Wirtschaftspolitik. Da hat es, glaube ich, auch einmal ein Programm gegeben, aber das wurde selbst von den eigenen Leu­ten vergessen (Abg. Freund: Die haben es wieder eingegraben!), begraben oder als nicht tauglich umsetzbar klassifiziert. Der durchaus erfolgreiche Finanzminister Androsch hat ihm die Leviten gelesen – das kann man überall nachlesen –, dass es unbrauchbar wäre. Seine Prognosen, die er 2000, 2001, 2002 und 2003 über Budgeterfolge und so weiter von sich gegeben hat, haben sich als unwahr erwiesen, als danebenliegend.

Man könnte sagen, der Matznetter ist ein hervorragender Attrappenbauer. Er stellt eine Fassade auf, sagt, er würde alles besser, umfangreicher, schneller, effizienter machen, aber dann – auf die Frage „Wie?“ – ist er weg. Das Kartenhaus ist zusammengestürzt, meine Damen und Herren!

Ich möchte mich auch nicht immer gerne mit Rot-Grün, Deutschland und so weiter beschäftigen, aber wenn er uns nicht sagt, wie er es tatsächlich umsetzen würde, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit einem Beispiel von Rot-Grün oder auch mit jenem Thema zu beschäftigen, wo vielleicht einige Misserfolge der SPÖ sichtbar wurden.

Zur Verstaatlichten-Politik, meine Damen und Herren! – In der neuesten Ausgabe der „Kom­munal-Zeitung“, im Blatt der Bürgermeister, äußert sich auch ein erfolgreicher SPÖ-Bürgermeister, nämlich Bernd Rosenberger aus Bruck an der Mur, in einem bemerkenswerten Interview wie folgt – ich zitiere –: Wir liegen im Herzen der ehe­maligen verstaatlichten Industrie. Hier hat es gewaltige Umstrukturierungen gegeben.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 85

Es war notwendig, sich völlig neu zu orientieren und neue Wirtschafts­schwerpunkte zu sichern. Es war auch notwendig, den Menschen wieder Zuversicht und Optimismus zu geben. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Noch besser könnte man das Verstaatlichtendesaster nicht umschreiben – dieser Bürgermeister ist ein SPÖ-Bürgermeister! –, dem ist nichts hinzuzufügen. (Abg. Gaál: Jeder kann einmal einen Fehler machen!) In den letzten 20 Jahren wurde zu wenig gebaut – auch das gibt er hier von sich.

Meine Damen und Herren! Das ist wohl eindeutig. Ich möchte ja nicht auf eure Wirtschaftskompetenz hinweisen beziehungsweise auf die euch nahe stehender Leute. Da fällt mir Sallmutter ein, da fällt mir Hobl ein, und da waren andere, die einmal im „Konsum“ tätig waren. Na ja, ich habe mich nie über den „Konsum“-Flop gefreut.

Meine Damen und Herren! Mir fällt auch ein, wie kritisch man die Voest-Privatisierung gesehen hat, sogar von einem Waterloo wurde gesprochen. Es ist gar nicht so lange her, dass Kollege Broukal eine hervorragende Roadshow, eine Voest-Propaganda­maschinerie in Gang gesetzt hat, im Betrieb selber mit 5 000 Mitarbeitern großartige Feiern abgehalten, hervorragend durchs Programm geführt hat – das kann er durch­aus, das muss man ihm lassen. (Abg. Lentsch: Das hat er ja auch gelernt!) Der Erfolg wurde gefeiert. Die Mitarbeiter freuen sich auf Grund der Mitarbeiterbeteiligung, dass dieser Betrieb so gut dasteht. Wer hat denn diese Privatisierung zuwege gebracht, meine Damen und Herren? Nicht Sie! Sie haben dagegen gestimmt, Sie haben alle Register gezogen und die Menschen populistisch verunsichert, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Eckpunkte dieses Budgets sprechen für sich: Das Maastricht-Defizit sinkt, die Finanz­schulden sinken, die Abgabenquote wird 2006 bereits nur mehr bei knapp über 40 Prozent liegen, und das trotz einer großen Steuerreform, trotz Schwerpunkt­maß­nahmen, meine Damen und Herren.

Liebe Kollegin Moser, nur einen Satz zu Ihren Ausführungen, in denen Sie den Norden Europas, die nördlich gelegenen Länder als besser gepriesen haben. Sie sollten aber beispielsweise bei Schweden doch auch dazusagen – da weiß ich es genau, weil ich es mir selber angeschaut habe –: Pensionsantritt für Mann und Frau 65 Jahre und nicht früher. Und wenn hier eine Pensionsreform in der Weise gemacht wird, dass das Pensionsantrittsalter in die Nähe von 60 Jahren kommt, treten Sie hier ans Rednerpult und reden von sozialer Ungerechtigkeit. Sie sollten beides erwähnen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gibt einen schönen Vergleich im „manager magazin“ zum Standort-Wettbewerb, um das auch noch zu erwähnen: Österreich mit seinen Regionen schlägt sich da hervor­ragend. Ich persönlich freue mich, dass meine Region, Wels, in einem Zug mit Linz an dritter Stelle genannt wird, wegen ihrer hervorragenden Anbindung und Infrastruktur. Das ist etwas Wesentliches, Frau Kollegin Moser, gerade auch im eher ländlichen Bereich, dass die Infrastruktur ausgebaut ist. Nahverkehr ist uns zu wenig.

Wenn Sie zu Recht auf die Probleme der Stadt hinweisen, sollten Sie aber auch auf die Probleme des ländlichen Raumes nicht vergessen, denn auch dort leben sehr viele Menschen. Die haben sich genauso eine Anbindung an öffentliche Verkehrsnetze, eine Verbesserung der Infrastruktur verdient. Gerade in diesem Sektor sichert das Budget wesentliche Bereiche. Ich danke dem Herrn Bundesminister für Finanzen, dass er ein klares Bekenntnis zu einem Finanzausgleich abgegeben hat, dem jeder Bürger gleich viel wert sein muss.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 86

In diesem Sinne bin ich mir sicher, dass dieses Budget 2006 in exzellenter Weise Schwerpunkte setzt und eine Sicherung der Zukunft gewährleistet. Wir stimmen ihm daher gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Gaál: Leider nein!)

13.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Par­nigoni zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abge­ordneter.

 


13.34.10

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Lieber Jakob Auer, dein Beitrag ist natürlich interessant gewesen. Tatsache ist allerdings, dass die Umstrukturierung der Verstaat­lichten in Kapfenberg in der Zeit von 1985 bis 1991 stattgefunden hat. Meiner Erinne­rung nach hat es da zwar eine Mitbeteiligung – zum Teil! – der ÖVP gegeben, aber es ist nicht in dieser Regierungsperiode passiert. Daher hat auch der Bürgermeister aus Bruck völlig Recht: Es war eine erfolgreiche Sanierung, eine erfolgreiche Umstruk­turierung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und daher, lieber Jakob, meine Damen und Herren, war das wieder ein Schuss ins Knie.

Bei der ATW fällt die Umstrukturierung in eure Regierungszeit. Deren Ergebnis ist, dass die ATW heute verscherbelt ist und ein Standort nach dem anderen zugesperrt wird. Das ist Verstaatlichten-Politik à la ÖVP – sie ist negativ für die Bevölkerung und für die Arbeitnehmer! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie sollten überhaupt nicht jubeln über Ihre „Glanzleis­tungen“, die Sie da im Budget vollbringen, denn wie heißt es beispielsweise in den „Salzburger Nachrichten“? –: Einschnitte im Sozialsystem sind zu erwarten. Und was schreibt das „WirtschaftsBlatt“? –: Budget: Was jetzt auf uns zukommt. Erstens Gürtel enger schnallen, zweitens soziale Einschnitte, drittens Betriebe bitte warten.

Das wirft doch ein bezeichnendes Bild auf Sie, vor allem auf die so genannten Christlich-Sozialen unter Ihnen, wenn der Haupttenor dieses Budget ist, den Gürtel enger zu schnallen. Meine Damen und Herren! Daran wird deutlich, wie es um Sie steht.

Sie haben heute selbst mit Ihren Taferln massiv mehr Geld für die Sicherheit gefordert. Da gebe ich Ihnen ja auch völlig Recht. Das schreibt übrigens auch der „Standard“: Grasser spart bei Schulen, Justiz und Sicherheit. – Auch das ist richtig. Meine Damen und Herren! Wenn man sich das im Budgetentwurf 2006 anschaut, sieht man, dass es für die innere Sicherheit um keinen Cent mehr gibt. Im Gegenteil: Für die öffentliche Sicherheit gibt es um 8 Millionen € oder 110 Millionen Schilling weniger als im Vorjahr. Und schon 2005 war keine Erfolgsstory, denn da ist der Anteil der inneren Sicherheit an den Staatsausgaben auf unter 3 Prozent, nämlich auf 2,94 Prozent gesunken. Jetzt ist er sogar noch auf den historischen Tiefststand von 2,85 Prozent abgesunken.

Den Stellenwert, den der Finanzminister der inneren Sicherheit in Wirklichkeit zuweist, kann man ja an seiner Rede ablesen: Es war nicht einmal ein ganzer Satz, es waren genau fünf Wörter – ich zitiere –: Zusammenlegung von Polizei, Gendarmerie und Zollwache“ – sechs Wörter, Entschuldigung, um eines habe ich mich vertan. Das ist die gesamte Perspektive, die dieser Finanzminister für die innere Sicherheit im Blick hat. Angesichts dessen zwingt sich natürlich schon die Frage auf: Haben Sie von Schwarz-Blau, hat diese Regierung noch nicht erkannt, wie unsere Sicherheitslage ist, dass wir in den letzten fünf Jahren ein dramatisches Ansteigen der Delikte um 30 Prozent haben, dass die Aufklärungsquote im selben Zeitraum von über 50 auf 38 Prozent abgesunken ist? Die Bevölkerung spürt das ja schon am eigenen Leib. Es gibt ja kaum mehr jemanden, der nicht in seiner Verwandtschaft jemanden hat, der in letzter Zeit


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 87

durch einen Diebstahl oder durch einen Einbruch zu Schaden gekommen ist. Jetzt wird auf der einen Seite der Bevölkerung das Geld von dieser Politik, von Schwarz-Blau, aus der Tasche gezogen, und immer häufiger wird ihnen jetzt auch noch das Börsel aus dem Rock gezogen, nämlich von denen, die durch das Versagen der Regierung nicht dingfest gemacht werden konnten.

Meine Damen und Herren! Da haben Sie enorm versagt. Ich erinnere daran, was Sie der Bevölkerung immer versprochen haben: Wir geben der Exekutive moderne Ermitt­lungsmethoden in die Hand. Das ist in Ordnung, da haben wir auch mitgestimmt, aber ich halte fest: Sie haben um 800 Mitarbeiter weniger. Wie werden Sie unter diesen Umständen die neuen Instrumente wirklich einsetzen können, die Überwachung mit Videokameras, die Schutzzonenüberwachung und so weiter und so fort?

Was Sie auf diesem Gebiet bereitstellen, bietet in Wirklichkeit keine Zukunftsorien­tierung für die innere Sicherheit, und die Menschen werden sich weiter mit der unsäg­lich hohen Kriminalität in diesem Land herumschlagen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fauland. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.38.56

Abgeordneter Markus Fauland (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf den Bereich Sicherheit werde ich dann im zweiten Teil meiner Ausführungen zu sprechen kommen, denn ganz so, wie es jetzt vom Kollegen Parnigoni dargestellt worden ist, ist es natürlich nicht.

Aber einleitend zunächst einmal: Nicht von ungefähr hat sich Österreich unter einer blau-schwarzen und dann schwarz-blauen Regierung zum drittreichsten Land in Europa entwickelt. Das ist einmal zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Gradwohl: Und das war in den letzten fünf Jahren? Seit wann sind Sie denn auf der Welt?) Ich komme schon noch auf Ihre Ausführungen zu sprechen!

Das geplante Defizit für das Jahr 2006 beträgt 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Es ist das eine bewusste Inkaufnahme dieser verhältnismäßig geringen Neuver­schuldung, die aber einerseits für die österreichischen Haushalte eine Steuerreform mit sich bringt, die es in dieser Art und in dieser Höhe noch nie gegeben hat, und andererseits auch wichtige Impulse für unsere österreichische Wirtschaft setzt.

Das angepeilte Ziel, 2008 schon wieder das Nulldefizit zu erreichen, entspricht der visionären Sicht des Finanzministers, und man sieht und erkennt auch seine langfristige Zielsetzung, nämlich Österreich nach Jahrzehnten der SPÖ-Vorherrschaft in diesem Ressort wieder zu sanieren. Diesen Weitblick, Österreich nicht immer nur von einer Legislaturperiode in die andere zu führen, sondern auch über Legislatur­perioden hinaus zu denken, dieser Weitblick, Herr Kollege, war bei Ihren Ministern nicht erkennbar, denn in Zeiten der Hochkonjunktur Schulden einzufahren, das muss man erst einmal zusammenbringen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Gradwohl: Eure Regierungsperioden werden halt auch immer kürzer!) Denn Ihnen war im Endeffekt, um Kreisky zu zitieren, ein Arbeitsloser weniger wichtiger als eine Milliarde Schilling Schulden.

Auf die Sicherheitskapitel werden wir dann in den Ausschüssen noch genauer einge­hen, aber es entspricht sicherlich auch nicht ganz meinem Wunsch, dass wir gegen­über dem Budget 2005 keine Erhöhung haben. Beim Rückgang im Innenressort; wie von Abg. Parnigoni angesprochen; handelt es sich jedoch um eine Planstellenreduktion und nicht um Arbeitsplätze, wie dies dargestellt worden ist. Die Planstellenreduktion ist


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 88

eine theoretische Größe. Fakt ist, dass es durch die Zusammenlegung der Wachkörper zu einer Verschiebung von Arbeitsplätzen kommen wird, von Menschen also, vom Verwaltungsbereich hinein in den operativen Arm der Exekutive, in jenen Bereich also, wo vor Ort, auf der Straße mehr Exekutive vorhanden sein wird. Und dies wird sicherlich dazu beitragen, dass sich alle Österreicherinnen und Österreicher dann auch wieder sicherer fühlen können in unserem doch so geliebten Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend möchte ich noch auf eine Position eingehen, die gerade der Frei­heitlichen Partei ein sehr großes Anliegen ist, und zwar den Ansatz für das Asyl- und Fremdenwesen, der auch im Jahr 2006, wenn man dem Anschlag folgt, in einer Höhe von 106,7 Millionen € liegen wird. Daraus ist schon erkennbar, dass alle bis dato ge­setzten Maßnahmen die Treffsicherheit bei der Abhandlung der Asylanträge nicht unbedingt optimiert haben. Deswegen ist es zwingend erforderlich, das Asylgesetz jetzt sehr schnell zu optimieren, zu novellieren, um es lückenloser zu gestalten, denn vor allem die missbräuchlich eingebrachten Asylanträge binden über Gebühr finanzielle und personelle Ressourcen, die wir anderswo dringender bräuchten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.42

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

 


13.42.55

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Ich weiß nicht, ob Sie das aus früheren Jahren kennen: Es gab und gibt eine Tradition, Politiker in Comics und Cartoons darzustellen. Den doch einigermaßen vor Ihrer Zeit tätigen Präsidenten Nixon hat man zu Zeiten des Vietnam-Krieges, wenn ich mich recht erinnere, als Besenverkäufer dargestellt, und die Leute, die bei ihm Besen gekauft haben, waren in dem Cartoon die Angeschmierten.

Es gibt auch außerhalb von Cartoons Dinge, die bis heute nicht vergessen sind, Präsident Bush beispielsweise – aufpassen, Kollege Großruck! –, der gesagt hat: read my lips – keine Steuererhöhungen! Und was hat er gemacht? Wir wissen es alle, und darum ist es auch in die Annalen eingegangen: Nachdem er gewählt worden war, hat er sofort die Steuern erhöht.

Es fällt mir zwar schwer, das, was Sie da machen, in dieser Tradition zu klassifizieren, aber Sie gehören dennoch sicherlich dazu. Das ist Sprechblasen-, Bubblegum-Politik, was Sie da betreiben. Sie führen uns mit der Budgetrede hier etwas vor, was tat­sächlich – ich glaube, Kollege Gusenbauer hat das angesprochen – in die Sphäre der Fiktionalität gehört. Das, was Sie charakterisieren, ist jenseitig. Ich versuche Ihnen das an ein paar Beispielen zu belegen.

Herr Bundesminister, Sie behaupten, es gäbe seit 1999 um 100 000 Beschäftigte mehr. Wissen Sie, warum das ein Trick ist? Sie fallen auf Ihre eigenen Statistiken herein. Es gibt eine Statistik, da zählt man zu den Beschäftigten auch die Kindergeld-Bezieherinnen, ganz egal, ob sie vorher oder nachher jemals beschäftigt waren oder sein werden. Nur durch den Umstand, dass sie Kindergeld beziehen, werden sie als Beschäftigte ausgewiesen. Sie wissen, ich weiß, dass das mit Beschäftigung nichts zu tun hat. Sie bekommen Geld, Kindergeld, Kinderbetreuungsgeld, aber beschäftigt sind sie nicht. Auch Zivildiener werden in dieser Statistik geführt, unabhängig davon, ob sie vorher oder nachher beschäftigt sind. Präsenzdiener werden da drinnen geführt, unabhängig davon, ob sie vorher oder nachher beschäftigt sind.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 89

Deshalb gibt es eine zweite Statistik – die hätten Sie verwenden müssen, die gibt es auch –, die die Zahl der aktiv unselbständig Beschäftigten ausweist. Und da schaut es dann schon ganz anders aus. Da gibt es nicht ein Plus von 100 000 zwischen 1999 und 2004, sondern, wenn ich das Jahr 1999 nehme und das Jahr 2004, also jeweils den gemittelten Durchschnitt, so gibt es konkret 41 318 Arbeitsplätze mehr. (Rufe bei der ÖVP: Schlecht?)

Gut! Schauen wir uns das weiter an, es geht nämlich noch weiter. Wenn ich dann die Anzahl der zwischen 1999 und 2004 gestiegenen Teilzeitarbeitsplätze hernehme und das umrechne in Vollzeitäquivalente, dann verschwindet Ihr Plus von 41 000 komplett. Nichts bleibt, das verdampft! (Bundesminister Mag. Grasser: Was haben Sie gegen Teilzeitarbeit?)

Nein, ich bin nicht gegen Teilzeitarbeit, selbstverständlich nicht, aber wir müssen das doch irgendwie auch berücksichtigen. Schließlich merken Sie das doch auch an den Einnahmen für die Sozialversicherung, weil das selbstverständlich auch sinkende Einnahmen bedeutet. Es handelt sich um ein fiktives Mehr an Beschäftigung, das nur korrekt gerechnet werden müsste, zum Beispiel in Vollzeitäquivalenten, um sich voll­ständig in Luft aufzulösen. Es sind also nicht 100 000, wie Sie schreiben, sondern es sind 41 000. Berücksichtige ich auch die Teilzeitbeschäftigung, dann sind es null mehr. Das ist tragisch genug. Ich will mich aber gar nicht dabei aufhalten, denn wir sollten uns auch noch über die Rekordarbeitslosigkeit unterhalten, ein Thema, dem Sie schon mehr Interesse widmen sollten.

Was sagen Sie noch? Österreich wird zum Unternehmerland. – Im letzten Jahr wurden mehr als 30 000 neue Unternehmen gegründet, heute gibt es um 70 000 Unternehmen mehr als 1999. Okay. Haben Sie auch die Zahlen der Insolvenzen erwähnt? Seit 1999 gibt es 30 000 Insolvenzen, 30 000! Wir haben im Jahr 2004 ein All-time-High bei den Insolvenzen. Der KSV spricht sogar von einem Insolvenzdebakel in Österreich. Wir sind europaweit – EU-weit – das Land mit den höchsten Insolvenzzahlen bezogen auf die Gesamtzahl der Betriebe. Und da stellen Sie sich her und sagen: Super, es geht vorwärts!?

Das ist die andere Seite der Realität, die Sie mitzuverantworten haben. Allein der Um­stand, dass es mehr Gewerbebetriebe gibt, sagt noch überhaupt nichts darüber aus, ob die lebensfähig, überlebensfähig sind und ob sie ausreichend Einkommen erzielen. Das sollten vor allem Sie doch etwas besser wissen.

Sie sagen, Herr Bundesminister, und das ist überhaupt ein schöner Satz, den man zitie­ren müsste: Wir investieren in unseren Arbeitsmarkt 4,9 Milliarden €. – Sie inves­tieren überhaupt nichts in den Arbeitsmarkt, Herr Bundesminister! Das Bundes­ministerium gibt keinen Cent, keinen Groschen. (Abg. Hornek: Sie aber auch nicht!) Richtig, ich auch nicht! Die Versicherten zahlen sich ihre Versichertenbeiträge. Das zahlen Sie nicht und auch der Finanzminister nicht, und er darf sich deshalb nicht hierher stellen und sagen: Wir investieren. Die Versicherten beziehungsweise die Unternehmen zahlen diese Beiträge. Der Finanzminister zahlt davon überhaupt nichts, stellt sich aber her und sagt: Wir investieren 4,9 Milliarden €. Das ist Zynismus pur, Herr Finanzminister! So kann man nicht Politik betreiben. (Abg. Donabauer: Und was ist mit der Steuerreform?)

Sie, Herr Finanzminister, sagen, es gebe 104 Millionen € mehr für aktive Arbeits­marktpolitik. Stimmt überhaupt nicht! Ich habe mir die Zahlen aus dem Budgetbericht herausgesucht: 2003 waren es 765 Millionen €, 2004 – 754, 2005 – 725, und 2006 werden es 722 Millionen €. Lesen Sie es nach im Budgetbericht, wenn Sie es mir nicht glauben! Das bedeutet eine Senkung von Mitteln für aktive Arbeitsmarktpolitik. Und dann kommt auch noch Kollege Walch heraus und phantasiert irgendetwas von


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 90

4,9 Mil­liar­den € für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Also, bitte sehr, so geht es sicherlich nicht!

Herr Bundesminister, es gibt ernsthafte Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Die werden Sie mit Ihrer Staubsaugervertreter-Politik nicht wegreden können, und genau das ist das Problem, über das wir diskutieren sollten. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

13.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Hornek – in Richtung des Abg. Öllinger –: Das ist eine Frechheit! „Staubsaugerpolitik“ machen Sie! Lauter Staub und Dreck! Vorne Wirbel, hinten Wirbel!)

 


13.50.20

Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Hinweis auf diese Karikatur mit Nixon und Vietnam habe ich nicht ganz verstanden. (Abg. Öllinger: Macht nichts! Ich zeige es Ihnen!) Auch wenn man zu Nixon stehen mag, wie man will: Immerhin ist gerade in seiner Amtszeit der Vietnamkrieg beendet worden. Das ist eines seiner Verdienste, auch wenn er wegen Watergate, wie Sie wissen, am 4. August 1974 zurücktreten musste.

Aber lassen Sie uns zum Budget kommen! Ich glaube ja, dass eine Budgetdebatte dazu dient, die Wirtschaftspolitik im Land ein wenig zu vergleichen. Somit möchte ich mit einem Zitat beginnen:

Wien ist der Wirtschaftsmotor Österreichs, behauptet der amtierende Vizebürger­meister Rieder bei der jüngsten SPÖ-Klausur in Rust, und er meint dann: Denn im Gegensatz zur Bundesregierung setzen wir unsere Wachstumsstrategie fort mit dem Ziel, maximale Beschäftigung mit größtmöglicher Wertschöpfung und Wirtschafts­wachstum zu verbinden. – Zitatende.

Ich erlaube mir jetzt, ein wenig auf den 26. November 2003 zurückzublicken und eine kurze Jubelmeldung zu verkünden:

„Die Entscheidung von Baxter International am Standort Muthgasse, mehrere seiner bestehenden sowie neue Forschungs- und Entwicklungskapazitäten im Bereich BioScience zusammenzulegen, bestätigt unseren Weg, Wien verstärkt als Hochtech­nologiestandort zu positionieren. Damit steigen wir in die nächste Gewichtsklasse der Biotechnologie auf und legen so die Basis für rund 2 000 neue hochqualifizierte Jobs.“ – Bürgermeister Häupl und Sepp Rieder damals.

Sie fahren damit noch fort und meinen:

„Vorausgegangen war die Entscheidung von Baxter International Inc. (USA), am zu errichtenden Standort Muthgasse (...) rund 500 bis 600 Mitarbeiter von Baxter ein­zusetzen. Damit entsteht neben dem Vienna Biocenter ein weiterer Nukleus der europäischen Biotechnologie in Wien, der ab 2007 in Betrieb gehen wird und rund 2 000 Mitarbeiter in dieser Hochtechnologiebranche beheimaten wird.“

Ich habe jetzt leider Gottes die traurige Pflicht, die Hiobsbotschaft zu überbringen, dass zwar die Damen und Herren von Baxter hier waren und sich umgesehen haben, dann jedoch wieder abgezogen sind, weil sie sich von der Wiener Stadtverwaltung verschau­kelt gefühlt haben. (Ah-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Brinek: Armutszeugnis!)

Herr Bürgermeister Häupl war auch mit Sepp Rieder in Amerika und hat damals ein Angebot gemacht, die Grundstücksmiete beziehungsweise die Miete für diese Immobilie mit rund 20 € pro Quadratmeter zu beziffern. Als die Damen und Herren von


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 91

Baxter dann hier waren, hat das plötzlich ein Vielfaches gekostet; die Miete war weit mehr als 20 Prozent höher, als Häupl es zugesagt hat. Das hat dazu geführt, dass die Repräsentanten von Baxter gesagt haben: Pflanzen lassen wir uns nicht! Somit besteht der berechtigte Verdacht und die Sorge, dass dieses Projekt nicht zustande kommt, wobei gleichzeitig – und das war die Aussage der Verantwortlichen – nicht nur Baxter, sondern auch die Universität für Bodenkultur zusätzliche Forschungsplätze hätte errichten sollen.

Das heißt, aus diesem europäischen Biotechnologie-Cluster wird nichts. Außer Spesen nichts gewesen! Der Herr Vizebürgermeister hat bei der schon zitierten SPÖ-Klausur davon sicherheitshalber nichts gesagt, und seine Standortoffensive 2005, wie er es genannt hat, ist in Wirklichkeit reine Makulatur.

Ich glaube aber – und das ist die Gefahr, wenn es zu dieser Absage von Baxter kom­men sollte, wovon ich leider ausgehen muss –, dass wahrscheinlich auch Sandoz seine Forschungszentrale von Wien nach München verlegen wird. (Abg. Mag. Kogler: Wieso? Jetzt habt ihr uns immer erzählt, dass alles aus Deutschland nach Österreich kommt!) Meine Damen und Herren! Da ist eine unglaubliche Gefahr! Was die Wiener Stadtverwaltung anbelangt, wäre es notwendig, aus einer Lose-lose-Situation, nämlich aus einer hilflosen Stadtentwicklungspolitik und aus einer überforderten Wirtschafts­politik, endlich eine Offensive zu starten und diese Unternehmen auch wirklich ins Land zu holen beziehungsweise hier zu halten. (Abg. Mag. Kogler – auf die Reihen der ÖVP weisend –: Es ist überhaupt keiner da! Ich weiß nicht, was ihr habt!)

Meine Damen und Herren! Es darf einen nicht wundern, wenn es unter jenem Team, das den BA/CA-Deal gemacht und das an die HVB verkauft hat, jetzt zu solch einer Entwicklung kommt und man dabei weiterhin so dilettantisch vorgeht.

Jakob Auer hat kurz die Standortstudie angesprochen und hat sich gefreut, dass seine Region auf einer sehr guten Position zu liegen kam. Ich sage Ihnen, das Bedauerliche ist, dass Wien in dieser Studie am 22. Platz von 35 liegt. Somit kann ich nicht ganz nachvollziehen, dass die Wiener Sozialdemokratie immer verkündet, wie toll Wien doch sei.

Wenn es in diesem „manager magazin“ heißt: Österreich – das bessere Deutschland, müssten wir in Wirklichkeit sagen, Wien – das schlechtere Österreich, wenn man es wirtschaftlich sieht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Jetzt hören Sie aber auf mit diesen selbst gestrickten Befragungen! Wir zitieren heute die Studien, die ihr voriges Jahr zitiert habt!)

13.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.55.38

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wir sind hier, um über ein Bundesbudget zu diskutieren. Nur einen Satz, lieber Dr. Ferry Maier: Du weißt sehr wohl, wenn du die Statistiken über Wien anschaust, dass Wien das einzige Bundesland mit sinkender Arbeitslosigkeit ist. (Abg. Hornek: Weil sie so hoch ist!) Das ist nachweisbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Und Wien investiert mehr finanzielle Mittel in die Wiener Wirtschaft, als der Bund für Gesamtösterreich ausgibt. Deshalb wir sind sehr wohl führend. (Beifall bei der SPÖ.)

Alle internationalen Umfragen, was Lebensqualität, was Arbeitsplätze angeht, zeigen, dass wir weltweit immer die Plätze drei bis fünf einnehmen. Das ist eine sehr erfolg­reiche Stadtpolitik, die da betrieben wird – im Gegensatz zu dem, was wir hier auf Bundesebene erleben, Herr Bundesminister. Das Budget ist die in Zahlen gefasste


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 92

Politik. Wenn man sich Ihre gestrige Rede in Erinnerung ruft, muss man sagen, da ist viel Wunschdenken dabei gewesen (Abg. Mag. Kogler: Mehr Wünsche als denken!), Absichtserklärungen und oftmals auch gut klingende Worthülsen, die im Vordergrund gestanden sind.

Denken wir nur an die Pensionsharmonisierung! Herr Bundesminister! Diese Pen­sionsreform verdient nicht einmal den Namen Reform, hat mit Harmonie überhaupt nichts zu tun, sondern ist ein reines Sparprogramm. Es wird da ein sehr brutaler Sparkurs weitergefahren, bei dem vor allem den mittleren und kleineren Einkom­mensbeziehern tief in die Tasche gegriffen wird. Das ist spür- und merkbar und tut weh. Daher besteht kein Grund zu Optimismus. Mit diesem Budget verlieren Sie wirklich den letzten Rest an Glaubwürdigkeit.

Der Bereich Sicherheitspolitik, Verteidigungspolitik – das ist hier schon gesagt worden, Herr Bundesminister – war Ihnen kaum zwei Zeilen wert. Damit bestätigen Sie, dass Sie sehr wenig für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik übrig haben. Der vorlie­gende Budgetvoranschlag – das ist richtig – ist ein Anschlag auf die Sicherheit Österreichs und seiner Bevölkerung und findet daher nicht unsere Zustimmung.

Herr Bundesminister, für Sie besteht die Sicherheits- und Verteidigungspolitik nahezu ausschließlich im Ankauf dieser sündteuren Eurofighter, dieser Kampfflugzeuge, die­ses Kriegsgeräts, was Sie richtigerweise als solches bezeichnet und immer wieder gesagt haben, das sei nicht leistbar und nicht finanzierbar. Daher sind Sie uns heute noch die Begründung für diesen Sinneswandel schuldig, der dazu geführt hat, dass Sie sich für die teuerste Variante entschieden haben.

Die Kosten für diesen Kauf sind nicht abschätzbar. Wir sind mit explodierenden Produktionskosten konfrontiert, mit gravierenden sicherheitstechnischen Mängeln und mit einer ständig wachsenden Fehlerliste. Und nicht nur die Einsatzfähigkeit ist fraglich, sondern mehr denn je sind es auch die nicht abschätzbaren Kosten für Betrieb und Instandhaltung. Diese Kampfbomber, Herr Bundesminister, sind nicht zu finanzieren. Sie haben keine finanziellen Vorsorge dafür im Budget getroffen. Bis heute gibt es kein schlüssiges Finanzierungskonzept. Sie haben alles nur hinausgeschoben, und das heißt, das sind enorme Schulden für die Zukunft, ohne später die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Herr Bundesminister, ich kann Ihnen nur empfehlen: Nützen Sie diese Ausstiegs­klausel! Die Kaufbedingungen wurden nicht eingehalten. Die Vergaberichtlinien, die Ausschreibungskriterien waren regelwidrig. Da gibt es eine nicht endende Liste an Mängeln und Versäumnissen. Wir haben immer wieder gesagt, dieser Eurofighterkauf, diese sündteure Beschaffung wird sich als Fass ohne Boden erweisen. Daher wäre es richtig und wichtig, sofort auszusteigen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Toni, das glaubst du gar nicht! Das willst du nicht sagen!)

Eine Politik, die auf der einen Seite das Nulldefizit verspricht, während sie auf der anderen Seite enorme Schulden für die Zukunft macht, ist unseriös. Diese Politik brauchen wir nicht. Daher findet dieses Budget nicht unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mittermüller. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.00.21

Abgeordnete Marialuise Mittermüller (Freiheitliche): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 93

Starke familienpolitische Akzente, die ihren Niederschlag im Bundesbudget 2006 finden, interessierten mich sehr im Hinblick auf meine künftige Arbeit in diesem Haus.

„Der Fokus Familie zieht sich durch alle Maßnahmen der Regierung.“ – Das waren gestern Worte in der Budgetrede unseres Herrn Bundesministers für Finanzen. Hier darf man wohl sagen, dass die familienpolitische Ansage der letzten Zeit das Kinderbetreuungsgeld war. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es war ganz sicher ein Meilenstein der Familienpolitik.

Dieser Budgetansatz ist für mich deshalb interessant, weil ich selbst als freiheitliche Kommunalpolitikerin in Kärnten auf der Straße Unterschriften für dieses Kinder­betreuungsgeld gesammelt habe, als noch alle anderen politischen Parteien an der Umsetzung zweifelten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich erinnere ganz kurz an die Zweifel und die Aussagen vom „ungedeckten Kinder­scheck“. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ungeheuerlich war das!) Diese haben sich nicht bewahrheitet. Im Jahr 2001 wurde dieses Kinderbetreuungsgeld in Kärnten eingeführt. Das war ein Jahr bevor es die Bundespolitik übernahm. Das Kinderbetreuungsgeld hat in der Gesellschaft – und das war höchst notwendig – das Bewusstsein für die Familie und die Familienarbeit gestärkt. Familienarbeit hat wieder Wertschätzung empfangen. Ich glaube, das war höchst an der Zeit.

Heute freuen sich, so glaube ich, alle politischen Parteien. Es freuen sich aber vor allem alle Familien, dass das Kinderbetreuungsgeld Eingang gefunden hat und dass es etabliert, unumstritten und fest verankert auch im Bundesbudget 2006 seinen Nieder­schlag gefunden hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Kinderbetreuungsgeld macht eine beachtliche Größenordnung von zirka 1 Milliar­de € aus. Wenn man das Gesamtfamilienbudget mit zirka 5,6 Milliarden € betrachtet, dann ist das eine großartige Größenordnung. Das darf man wohl sagen.

Im Idealfall können also Kinder in Österreich in der wichtigsten Entwicklungszeit ihres Lebens, in der Zeit von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr, von ihren Familien, von ihren Müttern betreut werden.

Wir haben aber mit diesem Kinderbetreuungsgeld – und das hat auch die Bundespolitik getan – eine freie Gesellschaft geschaffen. Es heißt nicht mehr: Kinder oder Beruf. Es lässt sich beides vereinbaren. Ich erinnere an die hohe Zuverdienstgrenze, die es Müttern möglich macht, beide Dinge zu vereinbaren. Diese Maßnahme war höchst an der Zeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Erfolg des Kindergeldes – vorher wurden die Geburtenzahlen angesprochen – kann nicht nur in Geburtenzahlen gemessen werden. Der Erfolg ist, so glaube ich, in ganz anderen Werten zu messen. Wir alle kennen die Fehlentwicklungen, die gerade Kinder in der Zeit von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr erfahren können, wenn die Betreuung nicht familienentsprechend ist. Das ist ein Wert, der sich gar nicht in Geld messen lässt. Ich erinnere dabei auch an die hohen Kosten, die entstehen, wenn man diese Fehlentwicklungen reparieren muss.

Ich glaube aber, dass die künftige Kinderbetreuung auch eine Weiterentwicklung erfah­ren muss. Ich denke, dass die Gesellschaft und ihre Lebensformen ganz individuelle Bedürfnisse haben. Ich erinnere an allein erziehende Mütter oder an das Berufsbild der Tagesmutter. Das Berufsbild der Tagesmutter muss verstärkt werden. Ausbildung und Betreuung der Tagesmutter müssen zu einem guten Berufsbild führen. Auch in diesem Bereich haben wir im Bund Handlungsbedarf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schließen möchte ich mit dem Gedanken, dass die Politik dann eine gute Politik ist, wenn sich Zahlen im Budget so niederschlagen, dass man erkennt, dass die Menschen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 94

im Mittelpunkt des Handelns der Politiker stehen. In diesem Fall sind es unsere Fami­lien und unsere Kinder. Wir sollten diesen Weg, so glaube ich, gemeinsam fortsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Man­dak. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.06.53

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Kollegin Mittermüller! Sie haben die Diskussion sofort nachhaltig beein­flusst, als Sie sagten, Sie waren damals von Anfang an dafür, dass das Kinder­betreuungsgeld eingeführt wird. Sie sagten, es wäre ein völlig unberechtigter Vorwurf gewesen, den die Kritikerinnen und Kritiker erhoben hatten, indem sie gesagt hatten, dieser Scheck wäre ungedeckt.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass im vorliegenden Budget eine Summe von genau 434 600 000 € vorgesehen ist, die vom Budget in den Familienlasten­ausgleichs­fonds fließen werden, damit das Kinderbetreuungsgeld überhaupt zu finanzieren ist. Der Familienlastenausgleichsfonds ist längst ausgeblutet und muss vom laufenden Budget unterstützt werden. Das sind also Finanzmittel, die jetzt im sonstigen Budget fehlen. Sie sind nicht mehr vorhanden, sie sind nicht mehr verfügbar. Im Bildungs­bereich beispielsweise, wo wir sie dringend bräuchten, fehlen diese Mittel und werden nicht eingesetzt. Insofern war die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes doch ein ungedeckter Scheck, dessen Kosten jetzt andere Bereiche zu zahlen haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Finanzminister Grasser! Herr Klubobmann Van der Bellen hat heute befunden, dass Ihre Rede von gestern entbehrlich war. Ich schließe mich dem an. Trotzdem dachte ich darüber nach, was Sie uns gestern so sagten. Ich möchte zum Beispiel Familie kommen, dass Sie in Ihrem Statement erwähnten. Ich möchte Sie gerne zitieren. Sie sagten: „Der Fokus Familie zieht sich durch alle Maßnahmen der Regierung.“ – Das ist interessant.

Als Beispiele nannten Sie: „Wertmäßige Verdoppelung der Anrechnung der Kinder­erziehung bei der Pensionsreform (...)“. – Das stimmt, da gebe ich Ihnen Recht. Da erzielten Sie Verbesserungen. Die andere Seite der Medaille sieht jedoch so aus, dass Sie den Durchrechnungszeitraum von 15 Jahren auf einen lebenslangen Durchrech­nungszeitraum verlängerten und damit genau den Frauen, die zu Hause bei den Kindern bleiben, viel größere Nachteile verschaffen, als Sie die Situation mit Ihren bes­seren Anrechnungszeiten überhaupt verbessert haben. Ich bitte Sie, das endlich zur Kenntnis zu nehmen oder uns das Gegenteil zu beweisen! Sie sind es uns bis heute schuldig geblieben. (Abg. Donabauer: Das Gegenteil werden wir Ihnen zeigen!)  – Nein, Sie beweisen es ja nicht. Die Frau Ministerin hat das schon vor vielen Monaten angekündigt. Sie werden es mir nicht zeigen können, außer Sie haben einen ent­sprechend phantasievollen Umgang mit Zahlen. Den hat ja die Regierung. Da wird Ihnen auch das noch gelingen. Da bin ich mir sicher! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben als weiteren Punkt die Erhöhung der Familienbeihilfe angegeben. Wenn man sich die Prozentsätze der Erhöhung ansieht und die gerade vor zwei Tagen veröffentlichten Steigerungen im Ausgabenbereich des täglichen Bedarfs, dann decken diese Erhöhungen bei weitem nicht das, was das Leben mit Kindern tatsächlich mehr kostet.

Sie sagen, Sie heben die Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbeträge an. Das haben Sie getan. Sie bestraften damit aber genau jene Familien – und tun das weiter-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 95

hin –, die sich die Familien- und Erwerbstätigkeit gerecht aufteilen. Dies ist eine ganz klare Familienmaßnahme, die Sie hier getroffen haben; sie geht auf Kosten jener, die das tun.

Das Kinderbetreuungsgeld wird immer als Antwort genannt, wenn es darum geht, was Sie für die Familien getan haben. Das ist der Hauptpunkt. Ich frage mich, wie sieht denn die Realität dieser Familien aus, seit es das Kinderbetreuungsgeld gibt. In den Zahlen, die ich Ihnen sage, ist es bereits berücksichtigt. Es gab nach dem neuen Sozialbericht innerhalb der letzten zwei Jahre eine eklatante Verschlechterung für die Familien. Wir haben 535 000 Menschen, die in Familien leben, die akut armuts­gefährdet sind. Das betrifft nicht nur die Alleinerzieherinnen, das betrifft nicht nur Familien mit nicht österreichischer Herkunft, sondern das betrifft auch Ihre ganz traditionellen Familien. Das sind die Familien, in denen der Mann erwerbstätig und die Frau zu Hause ist. Hier haben Sie ein Armutsrisiko, das zweieinhalb Mal so hoch ist wie das aller anderen Österreicherinnen und Österreicher.

Und das alles gibt Ihnen überhaupt nicht zu denken? Sie schließen bei Ihrer Politik, die Sie derzeit machen, einfach die Augen.

Ich habe mir noch eine Reihe von Zitaten des Ministers angestrichen: Wir „arbeiten hart und konsequent an einer Verbesserung der Lebensbedingungen unserer Bevöl­kerung“.

Herr Minister! Sie schauen ja nicht einmal hin, wie es der Bevölkerung geht! Sie wollen es doch gar nicht sehen! Wie wollen Sie denn da etwas verbessern? Sie sind nicht bereit, zu sagen: Ja, wir haben heute ein doppelt so hohes Armutsrisiko in den Familien wie vor zwei Jahren. Da müsste, genauso wie jetzt diese Lampe hier blinkt, bei Ihnen die Alarmglocke läuten. Sie setzen keine Maßnahmen! Sie ignorieren das einfach! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das bildet keine Basis, dass Sie eine Politik machen können, die wirklich zukunfts­trächtig ist und die den kommenden Generationen etwas bringen wird, so wie Sie es in sehr wohl formulierten und schön ausgeschmückten Sätzen tun. Ihre Sätze sind Rauch, der verpufft. Machen Sie eine gescheite Budgetpolitik, die sich wirklich in den Zahlen niederschlägt, für all jene, die es dringend brauchen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Bures gemeldet. Sie kennen die Bestimmungen: 2 Minuten Rede­zeit. Zunächst den zu berichtigenden und dann den berichtigten Sachverhalt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.12.05

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Dr. Maier hat hier am Rednerpult behauptet, dass die Gespräche mit dem Konzern rund um die Errichtung eines Biotechnologie-Clusters in Wien gescheitert sind. – Wahr ist vielmehr, dass diese Gespräche gerade stattfinden und dass es Mitte März ein Gespräch mit der Konzernspitze der Firma Baxter über die Errichtung eines Biotechnologie-Clusters geben wird und dass daher diese Gespräche nicht gescheitert sind. Ganz im Gegenteil: Sie sind im Laufen, und wir hoffen, dass sie gut ausgehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 96

14.13.57

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren, auch auf der Galerie! Zu Ihrer Orientierung möchte ich anmerken, dass wir heute nicht die Spezialdebatte, sondern die General­debatte zur Budgetrede des Herrn Finanzministers, also die erste Lesung, führen. Deshalb werden viele Themen angeschnitten. Wenn ich die Beiträge anhöre, möchte ich eines festhalten: Es wird kein Land geben, in dem die Politik die Wünsche aller Parteien und aller Bürger erfüllen kann. Das ist ganz normal. (Abg. Mandak: Eine halbe Million Menschen ...!) Ich halte es aber für sehr bedrückend, dass Sie sich hierher stellen und einfach sagen, die Rede des Herrn Finanzministers sei entbehrlich.

Wissen Sie, was ich darauf sage? – So manche Fundamentalkritik oder, wenn Sie wollen, sklavische Kritik, die Sie hier anbringen, wäre entbehrlich! (Abg. Mandak: Dass Sie das nicht gerne hören, das wundert mich nicht!) Auch Sie als Opposition sind eingeladen, konstruktive Vorschläge zu machen, mitzudiskutieren und mitzudenken. Sie können ohne weiteres sagen, dass der eine oder andere Ansatz anders darzustellen wäre. Keine Frage. (Abg. Mag. Kogler: Ein Budget in der Budgetrede wird man sich wohl wünschen dürfen!) – Aber die Gesamtausrichtung, Herr Mag. Kogler, das wissen Sie, ist in Ordnung!

Wenn wir heute einen Abgang von 1,7 Prozent nach Maastricht aufweisen, dann schauen Sie doch nach Europa und zeigen mir Länder, die es besser machen! Es gibt angeblich zwei. Das sind aber kleine Staaten. Mit denen vergleichen wir uns auch. (Abg. Mag. Kogler: Finnland plus 2,2 Prozent! Das ist doch nicht klein!) Wir sind hier gut unterwegs. Lassen Sie doch endlich ein bisschen Patriotismus aufkommen! Haben Sie doch einmal ein bisschen Freude mit Ihrem eigenen Land! Sie sind auch Parla­men­tarier dieses Landes. Sie sollen nicht nur kritisieren! Sie haben auch die Pflicht, das eine oder andere anders darzustellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Punkt zwei: Sie kritisieren alles und jedes. – Jawohl, dieses Budget und diese Regie­rung hat sich aufgemacht, wichtige Fragen, wie zum Beispiel die Beschäftigungspolitik, anzudiskutieren, anzugehen und zu verändern. Arbeitslosigkeit ist für niemanden eine angenehme Sache. Sie ist nicht angenehm für denjenigen, den sie betrifft, und auch nicht für die Politik. Ich denke, Beschäftigung zu schaffen ist eine gesellschafts­poli­tische und politische Herausforderung. Da muss man entsprechende Rahmen­bedin­gungen herstellen, und die sind geschaffen worden.

Sie haben uns bei der Diskussion zur Steuerreform 2004/2005 laufend unterstellt, wir würden mit der Absenkung der KöSt ein Unternehmenssponsoring machen. – Was ist wahr?

Wahr ist, dass wir dadurch eine Wettbewerbssituation geschaffen haben, die es uns hier in Österreich ermöglicht, dass bestehende Arbeitsplätze gehalten werden und dass neue nach Österreich kommen. Ist das nicht ein toller Ansatz? Können wir nicht alle miteinander einmal arbeiten und nachdenken, wie man das vielleicht noch verbes­sern könnte? – Wir haben Beweise, dass Betriebe hergekommen sind.

Wissen Sie: Arbeit ist wichtig – nicht nur deshalb, dass wir keine Arbeitslosenunter­stützung zahlen müssen, sondern auch deshalb, dass Erträgnisse erwirtschaftet wer­den. So können wir unseren Aufgaben in der Bildungspolitik, in der Sicherheits­politik und natürlich auch in der Sozialpolitik nachkommen.

Wir handeln zeitgerecht. Schauen Sie sich Länder an, wo das nicht geschehen ist! Ich kann Ihnen ein Beispiel aus Deutschland nennen. Dort ist zu lange zugewartet worden, dort hat man die Menschen mit den Sozialreformen in die Situation gebracht – und das ist das Problem –, dass sie mit der Hälfte oder mit einem Drittel ihres Einkommens,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 97

wenn sie arbeitslos sind, auskommen müssen. Das sind Schicksale! Diese wollen wir unseren Bürgern dadurch ersparen, dass wir zeitgerecht handeln.

Wenn heute und hier über die Pensionsharmonisierung diskutiert wird, dann ist das gut, aber erkennen wir, dass dieses Modell oder dieser Veränderungsprozess eigent­lich von allen Experten für gut befunden wird! Auch Marin hat vor kurzem gesagt: Das ist eine tolle Sache. Nur ein einziges Problem gibt es dabei: Um zehn Jahre zu spät!

Diese Regierung hat das gemacht, was die alten Regierungen nicht schafften. (Abg. Gaál: Schaden für Österreich!) Diese Regierung sichert die Zukunft unseres Landes und der Bürger. Das, so glaube ich, ist eine wichtige Sache, ein wichtiges Thema, dem wir uns stellen sollen.

Warum diskutieren wir nicht über die Neuausrichtung im Finanzausgleich? – Jakob Auer und auch Präsident Grillitsch haben so treffend gesagt, dass wir durch die Neu­aufteilung der Finanzmittel an die 100 Millionen € mehr Geld auch in die kleinen Gemeinden „hinausgebracht“ haben. Ist das nicht auch ein Fortschritt? Ist das nicht auch eine Verbesserung? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das sind Themen! Nicht, dass wir sklavisch sagen: Alles ist schlecht. – Selbst wenn die Wahrheit in der Mitte läge, liegen Sie noch weit daneben. Und wir werden Ihnen beweisen, so wie bisher, dass die Grasser-Budgets in Ordnung sind. Ein Grasser-Budget hat Qualität. Das wissen wir seit Jahren, und wir werden es Ihnen auch diesmal sehr deutlich zeigen. Ich denke, wenn man so eine Ausrichtung hat, braucht man Persönlichkeiten mit Weitblick, braucht man Persönlichkeiten, die auf die Entwicklung Bezug nehmen, und Menschen, die sich auch mit den ganzen Entwicklungsprozessen ernstlich auseinander setzen.

Ich darf Sie bitten: Kehren Sie in sich! Überdenken Sie Ihre Kritik, Ihre Zurückweisung! Stimmen Sie vielleicht doch diesem Budget 2006 oder wenigstens einigen Bereichen zu! Ich glaube, dass es ein gutes Budget für das Land und seine Bürger ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.19


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


14.19.57

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Donabauer, ich kann Ihnen versichern, dass wir große Freude an unserem Land haben und auch die Zukunft mit Zuversicht sehen. (Abg. Lentsch: Da merkt man aber nichts davon!) Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass Ihre Politik des sozialen Kahlschlags und des Drüberfahrens das ist, was uns traurig stimmt und was viele Menschen in diesem Land spüren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Der Herr Finanzminister beginnt in seiner Budgetrede mit einem Zitat von Sir Karl Popper, das folgendermaßen lautet: „Wir sind jetzt verantwortlich für das, was in der Zukunft geschieht!“

Ich denke, dem ist so, aber, Herr Finanzminister, Sie sind seit fünf Jahren dafür ver­antwortlich! Ich glaube, dass eine Budgetdebatte auch da sein sollte, um Bilanz zu ziehen und zu fragen: Wie geht es denn den Menschen heute, fünf Jahre nach Ihrer Regierungsverantwortung? Viele sagen natürlich, Zukunft ist auch heute!

Diese Bilanz – ich möchte sie gar nicht politisch werten, sondern nur auf die Fakten eingehen – sieht folgendermaßen aus:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 98

Erstens: Es gibt einen österreichischen Armutsbericht, der aufzeigt, dass seit dem Jahr 2000 unter Ihrer Verantwortung um 114 000 Menschen mehr von Armut bedroht sind. Dieser österreichische Armutsbericht zeigt auf, dass 170 000 Menschen mehr akut arm sind – und das sind die Auswirkungen Ihrer Politik, Herr Finanzminister! Ich sage Ihnen auch: Ganz besonders sind von dem sozialen Kahlschlag Frauen, Allein­erzieherinnen und PensionistInnen betroffen.

Zweites Faktum: Es gibt den Einkommensbericht des österreichischen Rechnungs­hofes, der auch hier im Haus liegt. Wir konnten in diesem Einkommensbericht lesen, dass die Einkommen der Österreicherinnen und Österreicher auf Grund Ihrer Politik in den letzten vier Jahren gesunken sind, insbesondere ganz dramatisch die Einkommen der Frauen.

Wenn weibliche Angestellte auf Grund Ihrer Politik in den letzten vier Jahren minus 2 Prozent an Einkommen haben, während alles andere gestiegen ist – die Mieten und sonstigen Belastungen, für die Sie die Verantwortung tragen –, wenn in diesem Einkommensbericht klar herauskommt, dass Arbeiterinnen im Jahr 2000 11 Prozent verloren haben, ein Minus von 11 Prozent an Einkommen haben, dann ist das zurück­zuführen auf Ihre Politik, die Sie zu verantworten haben. (Abg. Dr. Brinek: Wer macht die Kollektivverträge?) – Frau Kollegin, die Einkommens-Verlierer sind die Frauen! Das muss Sie doch betroffen machen! Ihre Politik ist schuld daran! (Abg. Dr. Brinek: Wer macht die Kollektivverträge?)

Drittes Faktum: Schauen wir uns die Pensionsentwicklung an! Nicht nur dass Sie eine Politik gemacht haben, die zu massiven Pensionskürzungen führt, lagen auch die Anpassungen immer unter der Inflationsrate. Das heißt, die ältere Generation kann sich Jahr für Jahr in Österreich weniger leisten, und das haben Sie zu verantworten. – Ich fordere schlicht und einfach mehr Respekt von dieser Regierung gegenüber der älteren Generation! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der vierte Punkt, der heute zu Recht im Mittelpunkt der Debatte gestanden ist, ist die Entwicklung des österreichischen Arbeitsmarktes und die Frage, wie sich die Arbeitslosigkeit entwickelt. – 361 000 Menschen in Österreich suchen einen Job. Ihre Bilanz sieht folgendermaßen aus: Wir haben einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in den letzten fünf Jahren um 25 Prozent. Und wir haben folgende Situation der Jugend-Arbeitslosigkeit: 47 000 Jugendliche unter 25 Jahren finden keinen Job.

Wissen Sie, dass die Jugendarbeitslosigkeit während der Regierungsverantwortung Schüssel/Grasser um 57 Prozent gestiegen ist?! – 57 Prozent mehr junge Menschen finden in Österreich keine Arbeit. Das ist die Bilanz Ihrer Regierung, und das ist beschämend und menschenverachtend, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie reagieren Sie im Budget darauf? – Sie reagieren gar nicht. Es gibt kein Geld für Bildung, es gibt kein Geld für Investitionen. Bezüglich aktive Arbeitsmarktförderung ist Österreich europäisches Schlusslicht. Vor dem Hintergrund dieser Arbeitslosigkeit budgetmäßig nichts für die aktive Arbeitsmarktpolitik zu machen ist beschämend! Wir zeigen mit unserem Wirtschaftsprogramm, wie es besser gehen würde, und ich sage Ihnen: Österreich hat sich auch eine bessere Politik verdient. (Abg. Donabauer: Wo ist das?)

Diese Regierung kann eigentlich der Bevölkerung nur noch einen guten Dienst erweisen, nämlich den Weg für eine soziale, innovative Politik frei zu machen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Surprise, surprise!)

14.23



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 99

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Bösch. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeord­neter.

 


14.23.47

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Bures, diese Bun­des­regie­rung hat in den letzten Jahren gerade in Bezug auf die Arbeitsmarktpolitik eindrucks­volle Maßnahmen gesetzt! Wie es anders geht, das können Sie im rot-grünen Deutsch­land sehen. (Abg. Dr. Grünewald: Wir sind in Österreich!) So, meine Damen und Herren, wird es in Österreich mit der Arbeitsmarktpolitik nicht sein, weil diese Bundesregierung garantiert, dass rechtzeitig die richtigen Maßnahmen gesetzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Lassen Sie mich als Obmann des Landesverteidigungsausschusses kurz auf die Kapitel zur militärischen Landesverteidigung eingehen, weil – mein geschätzter Klub­obmann hat das schon kurz erwähnt – das natürlich in der Rede des Herrn Finanz­ministers nur einen ganz kleinen und bescheidenen Anteil eingenommen hat.

Es ist, Herr Kollege Gaál, natürlich nicht so, dass sich die militärische Sicherheitspolitik dieser Bundesregierung im Ankauf von Eurofightern erschöpft! Die Vorwürfe, die Sie hier wieder kurz skizziert haben, konnten wir schon in längeren Debatten hier be­sprechen, und Sie wissen ganz genau, dass die Grundvorwürfe von unabhängigen Staatsanwälten bereits ad acta gelegt worden sind, auch der Rechnungshof Ihre grundsätzlichen Vorwürfe geprüft hat und in wesentlichen Bereichen nichts davon übrig geblieben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung und auch wir Freiheitlichen bekennen uns natürlich zur Sicherstellung einer Luftraumüberwachung – das ist eine Notwendigkeit! Man kann sich davon nicht absentieren, wenn man eine staatstragende Partei sein will. Die SPÖ war das einmal in diesem Punkt, Herr Kollege Gaál, und sie wird es vielleicht wieder einmal werden. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Wann war denn das?)

Wir werden in Bezug auf die militärische Landesverteidigung wieder ein Budget von zirka 1,8 Milliarden € zur Verfügung haben. Im Wesentlichen ist es dasselbe Budget, das wir auch im laufenden Jahr, also heuer, zur Verfügung haben. Mit diesem Budget wird die Reform des österreichischen Bundesheeres umgesetzt werden müssen.

Wir Freiheitlichen haben darauf geachtet – das war auch Ziel unserer Bemühungen in den letzten Wochen –, dass im Rahmen der Reform, im Rahmen der Umgestaltung des Bundesheeres von einer großen Mobilmachungs-Armee zu einer kleinen, effizien­ten Einsatz-Armee auch die Grundpfeiler, die dafür notwendig sind, erhalten bleiben. Dazu zählt auch die Fähigkeit des österreichischen Bundesheeres, im Heimatschutz aktiv zu sein, das heißt, zur Verfügung stehen zu können bei Elementar-Ereignissen wie Lawinenabgängen, Hochwasser und Ähnlichem, aber auch zur Verfügung stehen zu können bei der Sicherung der – jetzt nicht mehr EU-Außengrenze – Ostgrenze der Republik hin zu den neuen Mitgliedern der Europäischen Union.

Das war auch das Ziel unserer Bestrebungen in Bezug auf die Verkürzung der Wehr­dienstzeit! Wir waren und sind der Ansicht, dass es leichter gewesen wäre, diese Problematik zu bewältigen, wenn man nicht zu schnell die Wehrdienstzeit auf diese sechs Monate verkürzt, sondern sich – der Klugheit folgend – noch ein wenig Zeit gegönnt hätte, das zu überlegen und zu organisieren (Beifall bei den Freiheitlichen), weil ja für eine solche Aufgabe nicht nur Geld, sondern auch Personal notwendig ist.

Dasselbe betrifft den Zivildienst: Auch da bin ich der Ansicht, dass man sich angesichts einer Bevölkerung, die ständig überaltert und in der der Pflegenotstand ein dringender,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 100

ein immer dringenderer wird, überlegen sollte, bevor man den Zivildienst überraschend und zu stark kürzt, wer denn die Pflegedienste in Zukunft in dieser Gesellschaft leisten können wird. – Wir Freiheitlichen sind deshalb dafür eingetreten, dass sowohl die Kürzung des Wehrdienstes als auch die damit zusammenhängende Kürzung des Zivildienstes in dieser Form, wie sie jetzt durchgeführt werden, einfach zu früh kommen, weil die Grundlagen dafür noch nicht gegeben sind. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Im Wesentlichen aber wird dieses Budget in der Höhe von 1,8 Milliarden €, das knapp, aber ausreichend ist, sicherstellen, dass das österreichische Bundesheer seine beiden Hauptaufgaben, nämlich die Sicherung im Inneren, den Heimatschutz, und seine internationalen Aufgaben im Rahmen der Europäischen Union und vor allem auch im Rahmen der neuen Strukturen, die dort jetzt beschlossen worden sind und mit der neuen Verfassung auch umgesetzt werden, erledigen wird können.

Wir Freiheitlichen werden darauf achten, dass die Aufgaben des Bundesheeres auch weiterhin erfüllbar bleiben und dass das notwendige Budget zur Verfügung steht, dass aber auch die Organisation überhaupt ermöglicht wird. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.28.47

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Geschätzte Gäste auf der Galerie! Mir kommt vor, als ob die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien jetzt mehr über die Opposition gesprochen haben als über das Budget.

Ich versuche, mich jetzt zu erinnern: Ich glaube nicht, dass Sie oder wir bei der Angelobung im Parlament versprochen hätten, bei jeder Budgetrede nur mit offenem Mund da zu sitzen, bei jeder Sprechblase stramm zu stehen oder zu applaudieren – das kann es nicht sein! Erlauben Sie mir schon, dass ich über diese Kapitel, die die Regierung als Schwerpunkt immer vor sich herträgt, nämlich Bildung und Wissen­schaft, einige Worte verliere. (Abg. Neudeck: Ich kann Gutes gut finden und Schlechtes schlecht!)

Es war natürlich schon interessant, dass heute Vormittag Regierungsparteien Taferln vor sich hergehalten haben (Abg. Neudeck: Eine Regierungspartei!), auf denen sie mehr für Bildung fordern, mehr für Gesundheit fordern und mehr für Forschung fordern. Ich frage mich nur: Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht und Ihren Glauben? Haben Sie den Budgetbericht, die gesamten Zahlenkolonnen nicht gelesen? – Ich glaube, es ist sinnlos, die Zahlenreihen für die ZuhörerInnen jetzt auf oder ab zu summieren, zu addieren, zu subtrahieren, zu dividieren oder zu deklinieren. Es fällt auf, dass das gesprochene Wort anders ausschaut, anders klingt als das, was in den Zahlenreihen zu finden ist.

Alles ist mehr, so spricht Grasser. Es gibt mehr für die Forschung und mehr für die Bildung. Wie schaut die Realität aus? Ich frage mich, wer im Elfenbeinturm lebt. Ist das der Herr Finanzminister oder sind das die Universitäten? – Schauen wir uns einmal die Realität an.

An den Universitäten wird die Zahl der Studienplätze eingeschränkt, weil es keine Finanzierung gibt. Viele Universitäten versuchen sogar, Studienrichtungen, ganze Studien um 10 bis 15 Prozent zu reduzieren, weil sie es sich nicht mehr leisten können.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 101

Glauben Sie, dass sie das machen, dass sie Leistungen zurücknehmen, weil sie vor lauter Geld zählen keine Zeit mehr haben? – Der Grund dafür sind keine steigende Budgets, das sind stagnierende bis sinkende Budgets.

Herr Bundesminister Grasser weiß sehr wohl, dass Schwerpunkte immer am Gesamt­budget des Staates beziehungsweise am BIP gemessen werden sollen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Aufwendungen für Universitäten gesunken, und zwar von 1,22 Prozent auf knapp über 1 Prozent. Der OECD-Schnitt für Universitäten liegt bei 1,6 Prozent, das ist die Realität.

Was ist weiter passiert? – Die Mittel für die großen Forschungsfonds und Forschungs­förderungsinstitutionen, FWF, wurden gekürzt. Die Akademie der Wissenschaften klagt, dass ihnen letztes Jahr 22 Millionen € gefehlt haben. Was höre ich heute von Gorbach? – Es gibt eine Steigerung der Forschungsförderung um satte 20 Millionen. Das ist allein das Geld, was der Akademie der Wissenschaften fehlt. Ist das ein Schwerpunkt? – Ich glaube nicht.

Der klinische Mehraufwand in den medizinischen Universitäten wird gesenkt und ist gesunken. An der medizinischen Universität werden 10 bis 15 Prozent des Personals, also Ärztinnen und Ärzte, eingespart. Stört das niemand? Ist das mit Schwerpunkten und Profilbildung vertretbar? – Ich glaube nicht.

Wissen Sie, wie sich die Kosten pro Kopf einer Studentin oder eines Studenten in den letzten 30 Jahren entwickelt haben? – Die Ausgaben pro Kopf einer Studentin/eines Studenten sind in Österreich um zwei Drittel gesunken. Das sagt niemand, weil man es nicht gerne hört, aber so ist es. Die Zahl der Studierenden, Kollege Neugebauer, hat sich knapp vervierfacht, die Zahl der BetreuerInnen aber nicht einmal verdoppelt. Da stimmt etwas nicht. Jetzt spricht man schon davon, dass das Baccalaureat das Regelstudium der Zukunft ist. Dazu möchte ich jetzt Eltern, Väter und Mütter, hören. Was sollen ihre Kinder in sechs Semestern lernen? Haben sie dann noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt, oder sind sie nur Kandidaten für das Millionenquiz mit solch einer Ausbildung? – Ich glaube, das ist fatal.

Herr Finanzminister! Der große Zauberer Frascati hat nicht Karl-Heinz geheißen, aber er hat es auch verstanden, aus seinem Zylinder laufend Kaninchen herauszuziehen. Ich sage Ihnen eines: Ein Kaninchen nach dem anderen, eine Sprechblase nach der anderen, Versprechen über Versprechen und letztlich Phrasen wie bei einer Wasch­mittelreklame können bei Universitäten und Bildungsinstitutionen nicht ankommen.

Das heißt, bitte verlassen Sie den Elfenbeinturm! Schauen Sie, welche Mängel es in Forschung und Universitäten gibt! Der Rat für Forschung und Technologie, der von der Regierung eingesetzt wurde, von der Regierung bestellt wurde, stellt gemeinsam mit den Rektoren fest, dass 600 Millionen € nur für Bauten und Sanierungsmaßnahmen an den Universitäten fehlen. 600 Millionen € sind in diesem Budget auch für die nächsten sieben, acht Jahre nicht herauszulesen. (Abg. Dr. Brinek: Wir machen nur für 2006 das Budget!)

Registrieren Sie, dass eine Hilfe für die Universitäten mehr kostet als eine Homepage der Industriellenvereinigung! Vielleicht könnte die Industriellenvereinigung etwas spen­den. Sie werden dieses Haus verlassen, Ihren Zylinder aufsetzen, während die Uni­versitäten den Scherben aufhaben. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Matznetter.)

14.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Dr. Brinek. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 102

14.35.00

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Wortmeldung meines Vorredners gibt mir die Gelegenheit, einiges richtig zu stellen. Zur Metapher, den Scherben aufhaben, fiele mir eine adäquatere ein, aber ich will nicht weiter anstreifen.

Universitäten dürfen Schwerpunkte setzen, das haben wir ihnen Gott sei Dank mit dem UG 2002 ermöglicht, und sie nützen das auch. Das heißt, nicht alle werden alles anbieten.

Es stimmt, die ÖAW bekommt mehr Geld, und zwar um 20 Millionen. Bei Ihnen und bei mir waren die Betriebsräte, die bloß mit der internen Aufteilung nicht zufrieden sind. Nennen wir also die Dinge beim Namen.

Weiters: Das IHS hat nachgewiesen, dass die Ausgaben pro Studierenden in Österreich – über den Studienverlauf gesehen – gut liegen. Verknappe ich die Stu­dienzeit, die insgesamt länger ist als im EU-Durchschnitt, dann liegen wir noch auf einem besseren Platz. Also lassen wir bitte die Kirche im Dorf!

Um bei dieser Metapher zu bleiben: Vergleichen Sie bitte auch die BIP-Ausgaben für Universitäten mit den Ländern, die ebenfalls diese Schulungen, diese Bildungs­angebote im universitären Rang haben. Andere Länder, die mehr universitär ausbilden, müssen daher für die Schule weniger und mehr für die Universität ausgeben. Vergleichen wir nicht Äpfel mit Birnen, das habe ich nicht als Statistikerin, aber als Bildungsforscherin gelernt.

Ich will Ihnen noch ein paar Zahlen sagen, damit es protokollmäßig festgehalten ist. Wir haben im Bildungsbereich insgesamt ein Plus von 52,8 Millionen €. Diese setzen sich wie folgt zusammen: Laut Meldung der Bundesländer werden wir im Schul­jahr 2006/2007 um 13 700 weniger Pflichtschüler haben und ein Schuljahr später um weitere 14 000 Schülerinnen und Schüler weniger. – Das möchte ich vor allem Herrn Brosz ins Stammbuch schreiben.

Gleichzeitig, wie der Herr Minister gesagt hat, werden wir mehr investieren in die AHS-Lehrer-, BHS-Lehrer-Planstellenentwicklung. Auch hiezu kann ich Ihnen die Zahlen und auch noch die zusätzlichen Schwerpunktausgaben nennen. Nachmittags­betreu­ungs­angebote: 8 Millionen €, spezielle Förderangebote zum Erhalt von Kleinschulen und Integrationsmaßnahmen – je nachdem, welches Land was wo investiert –: 12 Millionen €. Das ist eine ganz beachtliche Summe.

Ich sage Ihnen die Steigerungen für die AHS: Es gibt um 27,38 Millionen € mehr, das ist ein Plus von 2,76 Prozent. Und für die BMHS sind es plus 2,78 Prozent oder 27,46 Millionen € mehr als im Jahr 2005. Dort gibt es eine Steigerung der Zahl der Schüler, daher auch eine Steigerung im Budget.

Wer immer noch von einer bloß naiven, gießkannenartigen Fortschreibung träumt, der wird nie imstande sein, ein differenziertes Budget zu lesen. Das liefert mir ein Stich­wort, um Kollegen Broukal auch von hier aus noch einmal aufzuklären; ich habe das über die Medien gemacht: Bilanzverlängerung – ich bin auch keine Expertin, aber so weit haben wir uns schon im Vorjahr verständigt – ist ein Umbuchungsvorgang. Ich darf daher die in Pension gehenden Beamten an der Universität nur einmal zählen. Und wenn ich das mache, dann habe ich allein im Universitätsbudget eine Steigerung um 9 Millionen €.

Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bitte blamieren wir uns doch nicht selbst, indem wir um der Ideologie willen das Rechnen-Können auf­geben!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 103

Meine Damen und Herren! Noch ein paar Richtigstellungen zum Thema Forschung. Ich wiederhole gerne, was der Herr Finanzminister am Vormittag gesagt hat. Es ist gelungen, in den letzten Jahren 10,1 Milliarden € – bitte lassen Sie sich das auf der Zunge oder im Gehörgang zergehen – für Forschung und Entwicklung auszugeben. Das ist ein Plus um 34 Prozent. Und wenn ich höre, dass für weitere Maßnahmen, und zwar nicht im Sinne der alten Gießkanne, sondern im Sinne von Schwerpunktsetzung und im Sinne von weiteren, zusätzlichen Investitionen für weitere Projekte, Geld andiskutiert wurde, Summen andiskutiert und in Aussicht gestellt wurden, dann beruhigt mich das.

Längst kann man in der klassischen Verwaltung nicht mehr linear arbeiten und muss Projekte in Angriff nehmen, muss diskontinuierlich arbeiten, muss diskontinuierlich Projekte entwickeln. Das muss man sicher auch im Bereich Universität, Bildung, Wissen­schaft und Forschung tun.

Zum Abschluss: Kollege Broukal hat gefragt: Was wird denn ab 1. September 2006 in den Schulen anders? – Wenn Wien zum Beispiel mit den zusätzlichen Planstellen für den Volksschulbereich etwas Vernünftiges anfängt, also Integrations- und Förder­auf­gaben ernst nimmt, dann wird es in den Schulen, vor allem in den Volksschulen, besser werden. Taferlklassler können, wie jüngst die Direktoren festgestellt haben, zu 44 Prozent nicht das nötige Deutsch, um dem Unterricht zu folgen.

Was wird noch besser? – Die Förderung der Guten hat er eingemahnt. – Ja, wenn wir dabei bleiben, dass wir das österreichische gute differenzierte Schulsystem aufrecht­erhalten, dann werden die Guten gefördert! Das musste jüngst auch Broukal bei einer SPÖ-Veranstaltung im 19. Bezirk hören.

Ja, es wird besser, wenn die 10 000 von der Ministerin angebotenen Nachmittags­betreuungsplätze auch abgerufen werden.

Ja, es wird besser, wenn die in einer informellen Vorausinformation des IHS festge­stellten Verwaltungsaufgaben der Länder – und da schauen wir uns die einzelnen Bundesländer an – für den Schulbereich auch heruntergefahren werden, auch auf ein internationales Niveau kommen.

Wir haben also Arbeit genug. Aber lesen wir die Dinge ernsthaft, und betreiben wir nicht Ideologiekritik auf Kosten der Rechenkünste! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Eßl zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestim­mungen: 2 Minuten Redezeit; zunächst den zu berichtigenden Umstand, dann die Berichtigung. – Bitte.

 


14.41.08

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine ge­schätzten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Grünewald hat behauptet, dass die ÖVP-Abgeordneten heute Vormittag Taferl vor sich hingehalten haben (Abg. Mag. Jo­hann Moser: Das stimmt!), auf denen sie mehr für Umwelt, mehr für Bildung, mehr für Forschung fordern. – Das ist falsch! (Abg. Dr. Grünewald: Ja, leider! – Abg. Reheis: Leider!)

Tatsache ist, dass die ÖVP-Abgeordneten heute Vormittag Taferl gezeigt haben, auf denen sie darauf hingewiesen haben, dass für diese Bereiche im Budget 2006 mehr vorgesehen ist. – Es ist also keine Forderung, sondern eine Feststellung, dass dies


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 104

bereits erfüllt ist! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Grünewald: Dann ist die Feststellung falsch!)

14.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Moser zu Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abge­ordneter.

 


14.42.00

Abgeordneter Mag. Johann Moser (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister! Sie hatten im letzten Jahr im Herbst für das Budget 2005 noch das Motto: „Aufschwung durch Entlastung“. – Wo ist dieser Aufschwung? Diese Frage müssen wir stellen: Wo ist dieser Aufschwung? – Hier handelt es sich eigentlich um ein „Warten auf Godot“: Er kommt nicht. (Bundesminister Mag. Grasser: 2 Prozent Wachstum!) – Wenn Sie ein Wachstum von 2 Prozent als Aufschwung bezeichnen, dann verstehe ich auch Ihre „wirtschaftspolitischen Erfolge“.

Vielmehr haben wir anstatt eines Aufschwunges eine Rekordarbeitslosigkeit, die heute schon sehr oft diskutiert wurde (Abg. Lentsch: Aber es stehen mehr Menschen in Arbeit!): Fast 400 000 Österreicherinnen und Österreicher haben keine Arbeit. Das nennen Sie Aufschwung?! (Abg. Wittauer: Die meisten Arbeitsplätze!)

Wir haben als zweiten Punkt eine Rekordinsolvenzstatistik. Auch das bezeichnen Sie als Aufschwung. – Das ist ökonomisch nicht nachvollziehbar. (Abg. Wittauer: Die meisten Arbeitsplätze, Herr Abgeordneter!)

Und wir haben auch eine Rekord-Pro-Kopf-Verschuldung. – Sie haben uns gestern sehr lange mit Zeitreihen von 1999 bis 2006 belästigt. 1999 hatte jeder Österreicher beziehungsweise jede Österreicherin eine Verschuldung von 16 625 €. Wissen Sie, wie hoch sie im kommenden Jahr sein wird? – Jeder Österreicher wird dann 20 000 € Schulden haben! – Das ist Ihre Politik, und dafür sind Sie auch verantwortlich, Herr Minister. (Abg. Wittauer: Unglaublich, dass das ein Sozialdemokrat sagen kann, der uns so viele Schulden hinterlassen hat!)

Was ist denn das Motto für 2006? – Das Motto für 2006 lautet: „Arbeit schaffen – Zukunft gewinnen!“ Ich habe die Budgetrede sehr genau gelesen. Ich habe keinen einzigen Hinweis gefunden, wie viele neue Arbeitsplätze Sie durch dieses Budget 2006 schaffen werden. (Abg. Dr. Mitterlehner: ... doch die Wirtschaft!) Diese Zahl wäre sehr interessant, Herr Minister. Sagen Sie uns das, wenn Sie dieses Motto wählen, denn dann können wir uns orientieren und sehen, ob Sie das eingehalten oder nicht einge­halten haben.

Sie bemühen interessanterweise auch Standortstudien, in denen Österreich sehr gut dargestellt wird – das ist Ihr Recht. Es handelt sich dabei um die so genannte Contor-Studie. Der Inhaber dieser Gesellschaft ist ein Immobilienunternehmen beziehungs­weise eine Bauträgerorganisation, und man vergleicht Österreich in der Spitzenposition mit Estland, Polen, Irland und Tschechien. Allein dieser Vergleich zeigt aus meiner Sicht ja schon, wohin es in diesem Bereich führt.

Was ist eigentlich die Realität, Herr Minister? – Wenn dem so wäre, wenn wir so ein Superstandort wären, dann müsste sich der von Ihnen angekündigte Ansiedlungs­boom, den Sie noch im Herbst hier großartig verkündet haben, in den Realitäten niederschlagen. Ich habe mir die Zahlen angeschaut: Im Jahr 2000 hat die Austrian Business Agency 132 Projekte angesiedelt. Und wissen Sie, wie viele es im Vorjahr waren? – Es waren 107. Und das Dramatische in diesem Zusammenhang ist, dass es im Vergleich zur Zahl von 2003 eine dramatische Verringerung der Arbeitsplätze und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 105

des Investitionsvolumens gegeben hat. – Hier wird also etwas aufgeblasen, was nicht stimmt.

Wenn man sich die Förderungsmaßnahmen im Budget anschaut, dann sieht man, dass diese für die Industrie und für den Arbeitsmarkt gleich bleiben, aber für die Land­wirtschaft sehr stark steigen.

Warum versuche ich diesen Zusammenhang herzustellen? (Abg. Großruck: Wollen Sie die Bauern umbringen? – Wenn Sie das wollen, dann sagen Sie es gleich! Sagen Sie, dass Sie die Landwirtschaft umbringen wollen! Sagen Sie, die Landwirtschaft brauchen Sie nicht! – Das ist ganz einfach!) – Sie sprechen immer von großer öko­nomischer Freiheit, und dann nehmen Sie einen Bereich, der sehr stark subventioniert, gefördert wird, und das nehmen Sie auch in Ihre Aussagen mit hinein. 55 Prozent der gesamten monetären Förderung gehen in die österreichische Landwirtschaft! (Ruf bei der ÖVP: Das ist gut angelegt, das Geld!)

Sie haben gestern einen meiner Ansicht nach sehr bemerkenswerten Satz gesagt, Sie haben vom „Austro-Kapitalismus“ gesprochen. (Bundesminister Mag. Grasser: Ich habe es zitiert!) – Sie haben es zitiert, ja, Sie haben es in den Mund genommen – Jetzt frage ich die Christlich-Sozialen von der ÖVP: Wie ist das mit der ökosozialen Marktwirtschaft der ÖVP vereinbar? (Bundesminister Mag. Grasser: Das ist ein Zitat aus dem deutschen „manager magazin“!) Das würde mich sehr, sehr stark inter­essieren! (Bundesminister Mag. Grasser: Das ist ein Zitat aus dem deutschen „manager magazin“!) Das kann schon sein, Herr Minister. Aber denken Sie nach! Oder koppelt sich hier Grasser bereits auch vom ÖVP-Wirtschaftsmodell nachhaltig ab? (Abg. Lentsch: Keine Sorge!)

Sie haben gestern noch einen zweiten Punkt genannt: Sie haben sehr oft den Begriff der ökonomischen Freiheit verwendet. Da möchte ich auf etwas hinweisen: Im Wallstreet Journal Index of Economic Freedom 2005 rangiert Österreich an 19. Stelle. Und das Interessante dabei ist, dass sich dieser Index, diese ökonomische Freiheit seit 2000 bis 2005 deutlich verschlechtert hat. Jetzt treten aber Sie für diese ökonomische Freiheit ein. Also die externe Beurteilung Ihrer Politik kommt zu einem anderen Ergebnis (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser), als Sie selbst es uns hier weismachen wollen. – Ich würde mir an Ihrer Stelle diese Studie sehr genau anschauen und dann daraus die Schlüsse für Ihre Politik ziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Mag. Dr. Bleckmann zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.47.22

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Moser, ich habe das Krankjammern, das seitens der SPÖ hier stattfindet, schön langsam satt, vor allem wenn es um die Schulden geht. Sie haben mit Ihrer Partei, mit Ihren Finanzministern wirklich lange genug Zeit gehabt zu zeigen, wie man gute Finanzpolitik macht – und Sie haben es ja gezeigt mit dem Schuldenberg, den Sie uns hinterlassen haben. Dieser Berg muss jetzt erst abgebaut werden. Das waren vielleicht nicht Sie per­sönlich, aber es war Ihre Partei, Herr Kollege. Deshalb habe ich auch dieses Krank­jammern seitens der SPÖ satt.

Wenn Sie in der Früh Ihre Kollegin Silhavy gehört haben, dann wissen Sie, dass sie gesagt hat: Lieber mehr Schulden als einen arbeitslosen Lehrling mehr! – Sie kriti­sieren jetzt hier und sagen, die Pro-Kopf-Verschuldung ist so hoch! – Na was wollen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 106

Sie jetzt? Wollen Sie jetzt mehr Schulden machen oder weniger Arbeitslose? Sie können sich nicht in der Früh und am Nachmittag mit Ihren Wortmeldungen wider­sprechen. Sie sollten sich innerhalb Ihrer Fraktion besser akkordieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Johann Moser: ..., das ist kein Widerspruch!)

Herr Kollege, es ist ein Widerspruch, wenn Sie sagen, es darf keine so hohe Pro-Kopf-Verschuldung geben, und Ihre Kollegin in der Früh sagt, es sollen ruhig mehr Schulden gemacht werden. Das ist ein Widerspruch, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, wenn Sie rechnen können. – Insofern ist dieses Krankjammern sicherlich hier nicht richtig am Platz, denn es geht um eine positive Zukunft für Österreich.

Kollege Broukal ist ja jetzt von seiner Partei dazu auserkoren, dieser in den Bereichen Bildung und Wissenschaft mehr Profil zu geben beziehungsweise dieses Profil zu schärfen. Es ist ja interessant, dass er nur zur Fernsehzeit da ist (Abg. Großruck: Ist eh gut, dass er da ist, denn die Leute haben sich aufgeregt über ihn! Ja, ja: Er sitzt da und tut Kaugummi kauen!) und dann, wenn es um dieses Thema geht, nicht hier ist. Er weiß eben, wie wichtig das Fernsehen ist, weil er aus diesem Bereich kommt, und er hat nun einmal das Glück, diese Fernsehzeit auch nützen zu können. Aber für uns, für mich – weil er mich als Ausschussobmann angesprochen hat – und den Kollegen Amon, ist es nun einmal wichtig, auch während der anderen Zeit zu arbeiten, im Aus­schuss ordentlich zu arbeiten und dann zu arbeiten, wenn keine Fernsehzeit ist und es das Fernsehen und die Bürger nicht sehen, dass wir im Bereich Wissenschaft und im Bereich Bildung sehr viel für die Bevölkerung machen und in diesem Budget für diesen Bereich auch vieles gemacht haben. Es sind nämlich im Bildungs- und Kulturbereich die Ausgaben gestiegen, wir machen hier mehr!

Auch im Wissenschaftsbereich, Kollege Grünewald, gibt es vielleicht nicht mehr Geld, aber es ist jetzt wichtig für die Universitäten, dass sie die Umstrukturierung und die Probleme, die es dabei gibt, endlich auch einmal hinter sich bringen und lernen, nicht immer, wenn wo ein bisschen Geld fehlt, gleich zu schreien: Das muss jetzt der Staat zahlen!, und, wie jeder andere in der Privatwirtschaft auch, für sich selbst die Frage zu beantworten: Wo kann ich denn dieses Geld herbekommen, wo kann ich umschichten, wo kann ich einsparen, damit ich dann woanders mehr ausgeben kann?

Das ist nun einmal der Lernprozess, in dem sich die Universitäten jetzt befinden. Es ist nun einmal so, dass es Umstrukturierungsprobleme gibt, deren Lösung derzeit ansteht. Auf dem Weg in die Autonomie ist offenbar ein großer Lernprozess zu durchlaufen. Aber das bringen nun einmal Selbständigkeit, Eigenverantwortung und eben auch Selbst­verantwortlichkeit für das Budget mit sich, dass man lernt, in diesem Bereich auch ordentlich zu wirtschaften.

Auch im Forschungsbereich – den ich auch erwähne, weil dieser auch zu meinem Bereich gehört – haben wir in den letzten Jahren mit einem Finanzminister unter schwarz-blauer Regierung sehr viel mehr an Ausgaben getätigt. Wir führen das auch 2006 weiter und werden es auch bis 2010 weiterführen, um das gemeinsame Ziel, die 3 Prozent des BIP, zu erreichen. Ich denke, da sind Sie ja auch alle dafür, dass wir gemeinsam diesen Weg gehen, und wir sagen: Sie können, wenn Sie wollen, seitens der Opposition alles krankjammern, wir arbeiten an der positiven Zukunft für Öster­reich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Zinggl zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abge­ord­neter.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 107

14.51.41

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der letzten Budgetdebatte vor einem halben Jahr habe ich Kollegen Broukal zitiert, der damals kritisiert hat, dass Sie, Herr Finanz­minister, in Ihrer Rede für die Wissenschaft nur sieben Sätze bereit gehabt hätten, und ich habe damals daran angeschlossen und gesagt: Für die Kultur waren es nur zwei Sätze, und die waren falsch!

Heute hat Kollege Broukal kritisiert, dass aus diesen sieben Sätzen für die Wis­senschaft nur mehr ein Satz geworden ist, und ich kann da natürlich auch gleich wieder anschließen, denn für die Kultur gibt es nicht einmal gescheit ein Wort, es ist nur ein Adjektiv – „kulturell“ –, das irgendwann einmal so zwischendurch vorkommt und eigent­lich mit dem Budget nichts mehr zu tun hat. (Bundesminister Mag. Grasser: Wir brauchen mehr Geld für Bildung und Kultur, habe ich gesagt! – Das ist ein Substantiv gewesen!)

Auch Ihre Taferln auf Seiten der ÖVP – ganz egal, ob Sie mehr für die Kultur fordern oder ob mehr für die Kultur vorgesehen wäre – haben gefehlt. Es gibt keine einzige Tafel zur Kultur, und das sagt eigentlich alles darüber aus, welchen Stellenwert Sie der Kultur zuordnen. (Abg. Mag. Molterer: Weil wir sie haben!)

Ich werde sicher jetzt kein Kulturgejammere starten, das brauchen wir gar nicht. (Abg. Zweytick: Wir leben die Kultur! – Abg. Mag. Molterer: Wir haben sie!) Sie haben völlig Recht, Sie haben die Kultur, es kommt immer nur darauf an, was man darunter versteht, denn kulturlos kann man praktisch gar nicht sein. Sie aber haben so etwas wie eine Jux- und Repräsentationskultur, das haben wir ja im letzten Jahr an den zusätzlichen Budgets für das Jubiläumsjahr gesehen. Und auch in diesem Jahr, also für das Jahr 2006, gibt es eine Verschiebung: Da gibt es 0,7 Prozent Erhöhung – also wesentlich unter der Inflationsrate –, und wofür wird das wieder ausgegeben? – Für das barocke Mozart-Jahr! Na fein. Da haben wir im heurigen Jahr Geld für Selbst­inszenierungen und Peinlichkeiten. Sie wissen ja, dass Direktor Lorenz vom ORF, 3sat-Chef, gemeinsam mit dem Chef der Bundestheater-Holding mit dem Geld so lustige Sachen wie „Wiederaufbau-Menüs“ finanziert – wobei diese Menüs mit weniger als 900 Kalorien in großartigen Restaurants, wie zum Beispiel im „Sacher“ oder in den „Drei Husaren“, angeboten werden –, um daran zu erinnern, dass man auch in der Nachkriegszeit mit weniger als 900 Kalorien auskommen musste. Das sind so frivol-zynische Jux-und-Tollerei-Geschichten, die dann aber nicht so dargestellt werden, sondern da heißt es: Damit wird der Dialog im Land und in Europa gefördert.

Und es gibt jedes Jahr einen Anlass für Jubiläen, auch im nächsten Jahr: da gibt es Mozart. Es sind manchmal 50 Jahre, dann 100 Jahre, dann 250 Jahre – und es ist immer das Geld aus dem Bereich der Kultur und der Kunst, das dafür verwendet wird, um Rückschau zu halten, und nicht für die gegenwärtigen Aktivitäten.

Vom Kunstbudget kommen wir jetzt gleich zum Kulturbudget. Da wird nämlich über­haupt nichts erhöht, da wird nur umgeschichtet, und auch diese Umschichtung ist ganz interessant, denn dieses Geld wird nämlich für die Sicherheit der Museen ausgegeben: na ja klar, weil Sie sagen, dass Ihnen die Kulturgüter sehr viel wert sind und dass solche Dinge wie der Diebstahl der „Saliera“ nicht mehr vorkommen sollten.

Nun, da möchte ich schon etwas dazu sagen: Es liegt nicht an den Sicherheits­vor­keh­rungen, sondern an Ihrer völlig falschen Politik der Ausgliederung, dass diese „Saliera“ verschwunden ist. (Abg. Großruck: Ach so!) Diese falsche Politik der Ausgliederung hat ja fast jede Woche einen ähnlichen Skandal zur Folge (Abg. Großruck: Sie sind ein kleiner Abenteurer!) – ich brauche jetzt gar nicht auf diese ganzen „Hoppelhasen-Sachen“ zurückzukommen, die Sie tagtäglich in den Zeitungen lesen. Ich habe auch


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 108

prognostiziert, als ich vor einem halben Jahr den Rücktritt des Direktors Seipel gefor­dert habe, dass es so weitergehen wird, und ich prognostiziere Ihnen jetzt, dass es auch weiterhin so weitergehen wird, wenn an dieser Ausgliederung nicht etwas Sys­tematisches geändert wird. Da nützt es überhaupt nichts, dass Sie mehr Geld in die Sicherheitsvorkehrungen und Schlösser investieren.

Ich sage Ihnen noch ein Beispiel dafür: Im Jahr 2002 ist neben dem Gerüst, das am Kunsthistorischen Museum befestigt war und über das bekanntlich die Diebe, die die „Saliera“ gestohlen haben, eingestiegen sind, auch noch ein anderes Gerüst am Kunst­historischen Museum angebracht gewesen, und das hatte nichts zu tun mit den Restaurierungen, sondern war lediglich Träger eines ÖVP-Plakats, und die Fachleute haben damals darauf hingewiesen, dass über dieses Gerüst genauso hätte eingestie­gen werden können.

Sie ersparen der Republik auch Geld für zusätzliche Sicherheitsschlösser (Abg. Groß­ruck: Die Phantasie ...! ..., dass ein Gerüst am Kunsthistorischen Museum steht, das ist sein Beitrag!), wenn Sie sich besser auf das Aufpassen und auf das Wertschätzen der Kulturgüter insofern konzentrieren, als Sie die Ausgliederung und die Vollrechts­fähigkeit noch einmal überdenken und bessere Gesetze dafür entwickeln. Dann können Sie auch die „FAZ“ und die „Neue Zürcher Zeitung“ und die spanischen Zeitun­gen und die mexikanischen Zeitungen zitieren, die uns allen in Österreich Schlampig­keit im Umgang nicht mit dem österreichischen Kulturgut, sondern mit dem Weltkultur­erbe ankreiden. Und das wollen Sie dann als gute Kultur- und Kunstpolitik darstellen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Hakl zu Wort. Frau Abgeordnete, ich mache Sie darauf aufmerksam: Ich gebe Ihnen jetzt noch 3 Minuten Redezeit. (Abg. Mag. Hakl – auf dem Weg zum Redner­pult –: Dann höre ich auf!) Gut, Sie werden pünktlich Schluss machen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.57.35

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben über die Forschung geredet, und ich finde es schon bemerkenswert, dass von Seiten der Opposition niemand eingeräumt hat, dass wir in absoluten Zahlen die Forschungsausgaben des Bundes, des Staates um 40 Prozent gesteigert haben. 40 Prozent, das ist beinahe die Hälfte, das ist nichts, was man so im Handumdrehen einfach wegwinken kann! 40 Prozent seit 1999 – das ist auch etwas, worauf wir, glaube ich, gemeinsam stolz sein können.

Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Warum ist es denn dieser Bundesregierung und uns allen so wichtig, dass wir tatsächlich für Forschung und Innovation mehr Geld als bisher einsetzen? – Wenn wir uns die internationale Entwicklung anschauen, sehen wir, dass es in Zukunft Arbeitsplätze und damit ein funktionierendes Staatsganzes, den Erhalt sozialer Systeme für uns in einem gut ausgebildeten, reichen Mitteleuropa wohl vor allem dort geben wird, wo Unternehmen mit neuen, innovativen Produkten Chan­cen in anderen Teilen der Welt wahrnehmen und Unternehmen ihre Exportquoten stei­gern können. Denn nur auf Inlandsnachfrage zu setzen in einem Land, wo fast jeder schon fast alles hat und wo darüber diskutiert wird, ob jemand ohne DVD-Player bereits unter die Armutsgrenze fällt oder nicht, wäre, glaube ich, zu kurz gegriffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Grünewald, Sie haben heute betreffend die Budgets für Forschung und Entwicklung bemerkt, es sei ein lächerlicher Beitrag, die Mittel für Forschung und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 109

Entwicklung um „nur“ 20 Millionen € in einem zusätzlichen Aktionsprogramm von 200 auf 220 Millionen € anzuheben.

Ich möchte dazu erwähnen, dass das ja bei weitem nicht alle Forschungsmittel sind, die uns zur Verfügung stehen, auch nicht alle Mittel, die unmittelbar für die Grund­lagenforschung zur Verfügung stehen! Allein die Forschungsförderungsgesellschaft vergibt jedes Jahr 352 Millionen € direkt auch an kleine und mittlere Unternehmen. 352 Millionen € wurden letztes und dieses Jahr jeweils von der FFG für K-plus-Zentren, für Zuschüsse zu den EU-Förderrahmenprogrammen und für direkte Bottom-up-For­schung ausgegeben. 72 Prozent aller Anträge konnten tatsächlich bezuschusst wer­den. Nach Auskunft der Geschäftsführung konnten daher alle Anträge, die wirklich förderungswürdig waren, berücksichtigt und dotiert werden. Darüber hinaus haben wir steuerliche Rahmenbedingungen geschaffen, die es auch kleineren und mittleren Unternehmen ermöglichen, einen Beitrag zu leisten. Wir sind wesentlich besser, als Sie uns darstellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die erste Lesung zum Budget 2006, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.00Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Tempo 160 als Symbol für das fortgesetzte verkehrs- und umweltpolitische Versagen von FPÖ und ÖVP (2718/J)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 2718/J. Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Vizekanzler und Verkehrsminister Gorbach hat es kürzlich gegen jede verkehrssicher­heitspolitische und umweltpolitische Logik für nötig befunden, Tempo 160 auf Teilen des österreichischen Autobahnnetzes zu fordern. In den letzten Wochen hat er diese Forderung trotz vehementer fachlicher und politischer Kritik nachdrücklich verteidigt und auf bestimmte zweispurige Strecken erweitert. BM Gorbach wurde dabei unter anderem von der ÖVP Steiermark, die diese Forderung bereits seit längerem vertritt, ÖVP-Verkehrsstaatssekretär Kukacka und ÖVP-Verkehrssprecher Miedl unterstützt.

In den entsprechenden Äußerungen von Regierungsseite war zwar vielfach von einer sachlichen und seriösen Diskussion die Rede, die zu führen sei. Bei der Unter­mauerung der Forderung nach Tempo 160 ließen die Befürworter aus ÖVP und FPÖ diese Sachlichkeit und Seriosität jedoch überwiegend vermissen.

Die Grünen haben aus diesem Grund als tatsächlichen Beitrag zur Versachlichung eine Untersuchung zu den Auswirkungen von Tempo 160 auf Verkehrssicherheit, Um­welt und Verkehrskosten beauftragt. Die Untersuchung liegt mittlerweile vor und kommt zu folgenden zentralen Aussagen:

mindestens ca. 50 zusätzliche Unfälle mit Personenschaden, ca. 120 zusätzliche Ver­letzte pro Jahr

mindestens 5 zusätzliche Unfalltote pro Jahr


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 110

vorsichtige Schätzung, denn: über 15% der Lenker würde über 160 fahren; die als Garantie für „160 und nicht mehr“ angekündigte „Section Control“ wäre dafür kein Hindernis, weil sie nur die Durchschnittsgeschwindigkeit kontrolliert

auf den für Tempo 160 vorgesehenen dreispurigen Abschnitten: Unfallrisiko +46%, Verletzungsrisiko +77%, Risiko eines tödlichen Unfalls +116% (Verdopplung!)

Tempo 160 ist für viele Autofahrende ein Signal, auch dort 160 zu fahren, wo dies nicht erlaubt ist

zusätzliche Unfallkosten: ca. 20-35 Mio €/Jahr

massive Mehrbelastung durch Lärm: 1 PKW mit 160 verursacht Lärm wie 2 PKW mit 130, Belastungszunahme insgesamt um 21%

Mehrkosten für Lärmschutz: ca. 20-25 Mio €

massiver Mehrausstoß von Schadstoffen:

fast ein Drittel mehr klimaschädliches CO2 (+30.000t/Jahr),

fast zwei Drittel mehr Stickoxide,

+ 41% mehr Feinstaub

zusätzliche Erkrankungen und Todesfälle durch Schadstoffe und Lärm

teuer für Steuerzahler wegen der Folgekosten im Gesundheits- und Umweltbereich

teuer für Autofahrer wegen Fahrzeugverschleiß, Treibstoffverbrauch (+27%!), Lärm­schutz­mehrkosten aus Vignettengeldern ...

theoretische Fahrzeitersparnis von z.B. 4,5 Minuten bei einer Fahrt Wien-Graz reduziert sich unter realistischen Bedingungen (Tempo 160 nur bei bestimmten Witte­rungs- und Verkehrsbedingungen sowie Tageszeiten) auf durchschnittlich 12 Sekun­den!

Tempo 160 steht im Widerspruch zu den Zielen Österreichs und der Bundesregierung in der Verkehrssicherheit.

Zusammengefasst bedeutet dies: Die Erhöhung des Tempolimits auf bestimmten Autobahnabschnitten schädigt Mensch und Umwelt massiv und kostet die Volks­wirtschaft viel Geld. Angesichts der Jahr für Jahr erschreckenden Unfallbilanz und des großen und weiter wachsenden Beitrags des Straßenverkehrs zu Luftverschmutzung, Lärmbelastung und negativer Klimabilanz ist ein derartiger Vorstoß daher nicht zu verantworten. Die Verkehrspolitik dieser Regierung würde damit endgültig zum Sicherheits- und Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung.

Auch die angekündigte weitere „sachliche“ Diskussion über Tempo 160 ist angesichts dieser mehr als eindeutigen Bilanz völlig entbehrlich. Dies auch angesichts der jüngsten Aussagen von BM Gorbach (Nationalrat, 2.3.2005), dass „das Vermeiden von Toten und Verletzten parteiübergreifender Konsens sein müsste“. Es sei denn, die Regierung will sehenden Auges die zahlreichen negativen Konsequenzen ihres Vor­schlags wie zusätzliche Tote und Verletzte in Kauf nehmen.

Die Bubenträume von Tempo 160 (renommierte Medienvertreter haben dafür weitere treffende Begriffe wie „Faschingspolitik“ geprägt) sind aber auch ein Symbol für eine Verkehrspolitik von ÖVP und FPÖ, die auf die Interessen der Menschen, der Umwelt und des Klimaschutzes keine Rücksicht nimmt, z.B.:

Unfallbilanz – katastrophal,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 111

Verkehrssicherheitsziele – weit verfehlt,

Klimaziele – Österreich entfernt sich statt sie einzuhalten,

Transit – desaströses Versagen,

innerstaatliche Maßnahmen gegen die LKW-Lawine – völlig halbherzig,

Pro-LKW-Maßnahmen wie die aus dem direkten Sympathisantinnenkreis von BM Gorbach angestoßene Klage Vorarlbergs gegen Tirols LKW-Fahrbeschränkungen aus Umweltgründen,

Nahverkehr – Preissteigerungen, Budgetkürzungen, Reformverweigerung.

null Maßnahmen zur Stärkung des Stellenwerts von Radfahren und Zufußgehen.

Tempo 160 entpuppt sich somit als Fortsetzung des verkehrs- und umweltpolitischen Generalversagens der Regierung, das auch durch die aktuelle Aufweichung des UVP-Gesetzes zum Ausdruck kommt.

Mehr noch: Luftblasen- und Biertischpolitik wie diese soll offensichtlich von den skan­dalösen Zuständen im Verantwortungsbereich von Vizekanzler BM Gorbach ablenken: Das BMVIT ist durch enorme Aufblähung des BMVIT-Apparats durch Mehrfach-Staats­sekretäre, zwei völlig überdimensionierte Ministerbüros sowie parteipolitische Posten­besetzungen im Ministerium geprägt, bei den Unternehmen im BMVIT-Einflussbereich grassieren hemmungsloser Postenschacher und Freunderlwirtschaft. Dazu kommen verkehrspolitische Serien-Niederlagen auf EU-Ebene, eine Scheinpolitik mit Luf­tschloss­projekten bei der Bahn und eine einseitige den Individualverkehr statt den Umweltverbund fördernde Grundlinie der Regierungspolitik.

Unter dem Strich haben sich durch dieses Versagen von ÖVP und FPÖ gewaltige Probleme in Verkehrssicherheit und Luftreinhaltung angehäuft. Es ist unzumutbar, dass die Vertreter der Regierungsparteien zu diesen Problemen nichts anderes als populistische Biertisch-Forderungen zu bieten haben: Forderungen wie Tempo 160 (BM Gorbach und die steirischen ÖVP-Vertreter), wie die Anhebung der Fein­staubgrenzwerte (wie die steirische ÖVP) oder wie das Vorantreiben von zusätzlichen Transitstraßen zulasten von Gesundheit und Natur (wie durch ÖVP und FPÖ in Niederösterreich – Stichworte Brücke Traismauer, Klosterneuburg, Nordautobahn – und in der Steiermark – Stichwort Fürstenfelder Schnellstraße)

Derartigen kontraproduktiven Maßnahmen muss angesichts von hunderten Toten und zehntausenden Verletzten pro Jahr durch Verkehrsunfälle und angesichts von tausenden Toten und zehntausenden zusätzlichen und schwereren Erkrankungen durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung wie etwa Diesel-Feinstaub umgehend ein Riegel vorgeschoben werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Tatsache, dass Tempo 160 auf be­stimmten Autobahnabschnitten mindestens 50 zusätzliche Unfälle mit Personen­scha­den, mindestens 120 zusätzliche Verletzte und mindestens 5 zusätzliche Unfalltote pro Jahr verursachen würde?

2. Im aktuellen Verkehrssicherheitsprogramm  der Bundesregierung ist als Grundsatz der österreichischen Verkehrssicherheitspolitik festgehalten, dass jeder Tote und Schwerverletzte im Verkehr einer zuviel ist. Wie können Sie Ihren Vorschlag für Tempo 160 verantworten, wo dieser diametral sogar Ihren eigenen Grundsätzen widerspricht?


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 112

3. Was würden Sie jenen Familien, über die bei Umsetzung Ihres Vorschlags für Tempo 160 durch zusätzliche Tote und Verletzte unermessliches Leid kommen würde, erklären?

4. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus Studienergebnissen, die belegen, dass sich auf den geplanten dreispurigen Tempo-160-Abschnitten das Unfallrisiko um die Hälfte, das Verletzungsrisiko um drei Viertel und das Risiko eines tödlichen Unfalls auf das Doppelte erhöhen würde?

5. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Studienergebnissen, wonach sich die theoretische Fahrzeitersparnis von 4 Minuten auf der Strecke Wien-Graz unter realistischen Bedingungen auf durchschnittlich 12 Sekunden verringern würde?

6. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass diese kaum wahrnehmbare Zeitersparnis in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu 120 zusätzlichen Verletzten und 5 zusät­zlichen Todesopfern pro Jahr stünde?

7. Da Tempo 160 nachgewiesener Maßen keine nennenswerte Zeitersparnis für die Autofahrer bringt, welche andere Vorteile von Tempo 160 auf Autobahnen sind Ihnen bekannt?

8. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Studienergebnissen, wonach durch Ihren Vorschlag für Tempo 160 zusätzlichen Unfallkosten von bis zu 35 Mio. Euro pro Jahr entstehen würden? Sind sie nicht auch der Meinung, dass diese Mehrausgaben der Volkswirtschaft schaden?

9. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Studienergebnissen, wonach durch Ihren Vorschlag für Tempo 160 die Lärmbelastung für die Bevölkerung  um 21% zunehmen würde?

10. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Untersuchungen, die belegen, dass die dadurch anfallenden zusätzlichen Kosten für Lärmschutzmaßnahmen 20 bis 25 Mio. Euro betragen würden?

11. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Studienergebnissen, wonach Ihr Vor­schlag für Tempo 160 eine massive Zunahme der Schadstoffbelastung zur Folge hätte, und zwar fast um ein Drittel mehr klimaschädliches CO2, fast zwei Drittel mehr gesundheitsgefährliche Stickoxide, und sogar um 41% mehr gesundheitsschädlichen Feinstaub?

12. Haben Sie eigene Untersuchungen, wie sich Ihr Vorschlag betreffend Tempo 160 auf Autobahnteilstrecken auf die Entwicklung der Unfallbilanz, auf die Bilanz bei Unfallverletzten und Todesopfern, auf die Feinstaubbelastung, auf die Treibhaus­gasemissionen, auf die Lärmbelastung der Bevölkerung und bei den volkswirtschaft­lichen Kosten auswirkt? Wenn ja, zu welchen Ergebnissen kommen Ihre Untersuchun­gen? Wenn nein, warum haben sie solche Untersuchungen nicht erarbeiten lassen?

13. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass die derzeit in weiten Teilen Österreichs enorm hohe Feinstaubbelastung jenseits der gesetzlichen Grenzwerte der Bevölkerung nicht mehr zumutbar ist und dringender Gegenmaßnahmen bedarf? Falls ja, wie können Sie vor diesem Hintergrund Ihren Vorschlag für Tempo 160 rechtfertigen? Falls nein, wieso ignorieren Sie die hohe Gesundheitsgefahr durch Feinstaub insbesondere für Kinder und alte Menschen?

14. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Tatsache, dass sich die laut WHO- und EU-Untersuchungen erschreckende Zahl von Krankheitsfällen und zusätzlichen Todes­fällen infolge verkehrsbedingter Luftverschmutzung wie Feinstaub durch den massiv wachsenden Schadstoffausstoß bei Tempo 160 stark erhöht statt wie dringend erforderlich gesenkt würde?


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 113

15. Im aktuellen Verkehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung ist zum Thema „Geschwindigkeit“ festgehalten, dass die österreichischen Geschwindigkeitslimits im internationalen Vergleich vergleichsweise hoch sind, dass nicht-angepasste Geschwin­digkeit die mit Abstand wichtigste Unfallursache darstellt und dass eine mittlere Geschwindigkeitssenkung um 1% eine Unfallreduktion von 3% mit sich bringt. Wie können Sie Ihren auch in diesem Sinne kontraproduktiven und gefährlichen Vorschlag für Tempo 160 rechtfertigen?

16. Die Bundesregierung ist von ihrem erklärten Ziel, die Zahl der Unfalltoten im Verkehr zu halbieren, meilenweit entfernt. Warum wollen Sie durch die Umsetzung Ihres Tempo-160-Vorschlags Österreich noch weiter von diesem wichtigen Ziel wegführen?

17. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Tatsache, dass aufgrund seriöser wissenschaftlicher Schätzung über 15% der Lenker bei einem Tempolimit von 160 schneller als 160 fahren würden und dass die von Ihnen als Gegenmittel gepriesene Section Control keinerlei Handhabe dagegen bietet, dass Lenker z.B. auf der Hälfte der jeweiligen Strecke Tempo 200 und auf der Reststrecke Tempo 120 fahren?

18. Haben Sie weiterhin vor, trotz der einstimmigen Ablehnung von Tempo 160 in der Oberösterreichischen Landesregierung am 28.2.2005 Tempo 160 auch in Oberöster­reich versuchsweise einzuführen?

19. Was sagen Sie zu der Tatsache, dass sich der steirische FPÖ-Verkehrslandesrat LHStv Schöggl klar ablehnend zu Tempo 160 ausspricht?

20. Unterstützen sie generell Überlegungen, das Tempolimit z.B. auf Autobahnen den in der Praxis gefahrenen Geschwindigkeiten anzupassen, und falls ja, auf welcher sachlichen Grundlage?

21. Werden Sie angesichts der Tatsache, dass der Feinstaubausstoß bei höheren Geschwindigkeiten beträchtlich überproportional zunimmt, z.B. bei Tempo 160 gegenüber Tempo 130 um 41%, Ihre einseitig transportwirtschaftsfreundliche und gesundheitsfeindliche Position zum Immissionsschutz überdenken und sich bei den dringend erforderlichen Verschärfungen und Vollzugsverbesserungen des Immissions­schutzgesetzes-Luft (IG-L) statt als Bremser künftig als Motor engagieren, wenn nein, warum nicht?

22. Halten Sie weiterhin an Ihrem Plan fest, Tempo 160 versuchsweise einzuführen?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage gem. § 93 Abs. 1 GOG verlangt.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Glawischnig als erster Fragestellerin zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort. Ihre Rede darf gemäß § 93 Absatz 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten. (Abg. Dr. Glawischnig bleibt auf Ihrem Platz.)

Frau Abgeordnete, Sie sind die erste Fragestellerin und haben damit auch als erste Rednerin das Wort. (Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Geschäftsbehandlung!)

Herr Klubobmann Van der Bellen, zur Geschäftsordnung. – Bitte.

 


15.02.00

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Die Dringliche Anfrage richtet sich an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, und es wäre natürlich höchst angebracht, wenn


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 114

er physisch hier anwesend wäre. Wie ich höre, ist er unterwegs. Vielleicht können wir die ein, zwei Minuten warten, bis er kommt.

15.02


Präsident Dr. Andreas Khol (den Vorsitz übernehmend): Herr Klubobmann! Der Minister ist vollinhaltlich durch seine Staatssekretäre vertreten. Das steht in der Ver­fassung. Wir können nicht warten, wir müssen um 15 Uhr beginnen. Das ist noch nie der Fall gewesen.

Zum Wort kommt jetzt als Erstantragstellerin Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. (Abg. Brosz: Zur Geschäftsbehandlung!)

Noch einmal zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.

 


15.03.20

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Dann stelle ich den Antrag, den Verkehrsminister zu dieser Debatte beizuziehen.

15.03


Präsident Dr. Andreas Khol: Über diesen Antrag lasse ich sofort abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist nicht die Mehrheit. (Demonstrativer Beifall des Abg. Scheibner.) Der Antrag ist abgelehnt.

(In diesem Moment betritt Vizekanzler Gorbach den Sitzungssaal und nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Inzwischen ist der Herr Vizekanzler da. (Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Jetzt bitte ich, dass wir mit der Behandlung der Dringlichen Anfrage beginnen können.

Frau Abgeordnete Glawischnig, ich erteile Ihnen das Wort. Sie kennen die Geschäfts­ordnung: 20 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.03.59

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Die Freiheitlichen freuen sich offensichtlich sehr, wieder einmal ihren Minister zu sehen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Wir haben diese Dringliche Anfrage heute eingebracht, Herr Verkehrsminister, weil Sie Mitte Jänner mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen sind, der jeder verkehrssicherheits­tech­ni­schen, aber auch umweltpolitischen Logik eigentlich fundamental widerspricht, näm­lich 160 km/h zumindest versuchsweise auf bestimmten Autobahnstrecken einzu­führen.

Es hat dann einige sehr fundierte sachliche Stellungnahmen gegeben, aber die waren allesamt negativ. Sie wollten darüber eine seriöse Debatte abgeführt haben. Ich denke, diejenigen, die eine seriöse Debatte eigentlich haben vermissen lassen, waren vorwiegend die Kollegen Ihrer eigenen Fraktion. Ich möchte da ein paar Vorschläge und ein paar Kommentare dazu zitieren.

Franz Schwager, der FPÖ-Verkehrssprecher aus Kärnten, meint Folgendes – ich zitiere –: „Es gibt viele Gründe, die Einführung eines Tempolimits von 160 km/h auf Autobahnen gut zu heißen.“

Er begründet das mit den Worten: „Seit den 70er Jahren gab es keine Erhöhung des Tempolimits.“ In der Zwischenzeit ist „der Großteil der Kraftfahrzeuge mit Servolen­kung, ABS und vor allem Airbag ausgestattet“.

Ich frage mich, was das für ein Argument ist! Tempolimits sind nicht etwas, was man wie die Inflationsrate oder die Löhne in bestimmten Zeitabschnitten anzupassen hat, sondern Tempolimits hängen in erster Linie von der menschlichen Reaktionsfähigkeit und von der Fähigkeit, ein Fahrzeug zu beherrschen, ab, und das hat sich, denke ich,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 115

seit den siebziger Jahren bis zum heutigen Tag null verändert. So schnell ist die Evo­lution nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Max Walch, FPÖ, hat gemeint: „Ich begrüße den Vorschlag von Verkehrsminister Hubert Gorbach, dass Tempolimit auf den Autobahnen auf 160 km/h zu erhöhen. Dass sich die Unfallzahlen dadurch erhöhen, glaube ich nicht. Der Großteil der Autofahrer ist vernünftig genug, die Geschwindigkeit an die Verkehrssituation anzupassen.“ (De­monstra­tiver Beifall und Bravoruf des Abg. Walch.)

Sie wissen, was gestern passiert ist: ein schrecklicher Unfall! Hier heißt es (eine Zeitungsseite in die Höhe haltend): „Im Nebel ungebremst in den Tod“, „Raser ignorie­ren Warnungen und Blaulicht“. Es gab zwei Tote, elf Verletzte – das ist er­schütternd! –, trotz Warnungen und Aufforderung, die Geschwindigkeit zu drosseln. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das hat doch damit nichts zu tun! Das ist unseriös, einen Nebelunfall damit in Zusammenhang zu bringen!)

Herr Walch, Sie glauben, dass sich durch die Erhöhung des Tempolimits die Unfall­zahlen nicht erhöhen? Das widerspricht jeglicher Logik. Wir haben uns bemüht, eine sachliche Diskussion darüber zu führen, und haben dazu eine Studie erstellen lassen, und ich möchte Ihnen jetzt ein paar bemerkenswerte Details aus dieser zitieren. Es ist faszinierend, wie die Gesetze der Physik und der Naturwissenschaft im Verkehr wirken. Es darf vor allem nicht in Vergessenheit geraten, welche Kräfte auf einen einwirken – auch dann nicht, wenn man den Fuß am Gaspedal hat.

Ein paar Zahlen dazu: Herr Minister Gorbach, stellen Sie sich vor, Sie fahren auf der Autobahn mit 160, ich fahre neben Ihnen mit 130. Wir sitzen beide in einem Fahrzeug, ich in einen kleinen Fahrzeug, Sie auch in einem kleinen Fahrzeug, in einem spar­samen, ökologischen Fahrzeug. 125 Meter vor uns taucht ein Hindernis auf. Ich beginne zu bremsen. Sie beginnen zu bremsen. Ich schaffe es mit 130 km/h vor dem Hindernis zum Stehen zu kommen. Sie stehen bei diesem Hindernis – und jetzt möchte ich Sie fragen, ob Sie wissen, mit welcher Geschwindigkeit Sie jetzt fahren: Fahren Sie mit 30 km/h, mit 60 km/h oder mit mehr km/h? (Abg. Neudeck: Das ist keine Führer­scheinprüfung!)

Die Gesetze der Physik nicht außer Acht zu lassen, wenn man den Fuß am Gaspedal hat, das ist ganz wichtig. Man darf die Gesetze der Logik der Physik nie außer Acht lassen!

Sie stehen vor diesem Hindernis mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h und knallen in dieses Hindernis mit 100 km/h. Mit 100 km/h in ein Hindernis zu fahren, überlebt man nicht. (Abg. Neudeck: Jetzt sagen Sie nicht, Sie wünschen das dem Vizekanzler!) Mit 130 km/h steht man vor diesem Hindernis. Der Anhalteweg verändert sich drama­tisch. Das geht in exponentiellen Kurven.

Weitere Beispiele, die sehr interessant sind, und zwar betreffend die Lärmerzeugung: Ein Fahrzeug mit 160 km/h verursacht genau denselben Lärm wie zwei Pkw mit 130 km/h. Im Übrigen: Ach international ist das lange diskutiert worden. In ganz Europa gibt es eigentlich nirgendwo – außer in Deutschland – höhere Geschwindigkeitslimits als bei uns.

Auch historisch gesehen ist das sehr interessant – ich habe das selber nicht mehr so genau gewusst; ich war damals erst vier oder fünf Jahre alt –: Vor 1973/74, also bevor in Österreich Tempolimits eingeführt worden sind, gab es auf den österreichischen Straßen fast 3 000 Verkehrstote. Ich betone: fast 3 000 Verkehrstote! Nach Einführung des Tempolimits 130 auf der Autobahn und 100 auf Freilandstraßen hat sich die Zahl der Verkehrstoten innerhalb sehr kurzer Zeit drastisch reduziert, nämlich auf unter 2 000 Verkehrstote.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 116

Länder, die die Geschwindigkeitslimits erhöht haben, wie zum Beispiel die USA die Speedlimits auf den Interstate Highways, haben eine Zunahme der Verkehrstoten von über 20 Prozent. Die Schweiz, die einen anderen Weg gegangen ist, nämlich eine Reduzierung der Limits von 130 km/h auf 120 km/h konnte um 10 Prozent oder 12 Prozent, um präzise zu sein, die Anzahl der Verkehrstoten reduzieren. Das würde bei uns über hundert Verkehrstote weniger bedeuten.

So, Herr Walch, sagen Sie jetzt immer noch, dass Sie nicht glauben, dass die Ge­schwindigkeit in irgendeinem Zusammenhang mit den Unfallzahlen steht?!

Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, und die Ergebnisse sind eigentlich sehr deutlich, sehr dramatisch. Auf einer Strecke, wo 160 gefahren wird, gibt es ein Ver­letzungsrisiko, ein Unfallrisiko und vor allem ein Risiko eines tödlichen Unfalls, das 77 Prozent über dem auf einer Normalstrecke liegt. Beim Risiko „tödlicher Unfall“ sind es sogar über 116 Prozent, also eine Verdoppelung. Das würde im Jahr mindestens fünf zusätzliche Verkehrstote, mindestens 50 zusätzliche Unfälle mit Personenschaden und zirka 120 zusätzliche Verletzte in Österreich bedeuten. Das ist eine dramatische Bilanz, die man sehenden Auges eigentlich nicht riskieren dürfte.

Jetzt frage ich Sie: Wer will denn eigentlich von Ihnen 160 km/h fahren und warum überhaupt? (Die Abgeordneten Neudeck, Bucher und Fauland heben die Hand.) Da zeigen jetzt mehrere auf. Sie glauben vielleicht an Zeitersparnis. Ich weiß es nicht. Aber ist es Ihnen wert, für, im Idealfall, sage und schreibe 10 Minuten Zeitersparnis auf der Strecke von Wien nach Salzburg durch Schnellfahren zusätzliche Menschenleben, zusätzliche Verletzte, zusätzliche auseinander gerissene Familien zu riskieren?

Ich sage Ihnen: Zehn Minuten gewinnen Sie im Idealfall. Wenn Sie von Wien mit 160 km/h losfahren und mit dieser Geschwindigkeit bis Salzburg durchfahren, gewin­nen Sie bei normalen Bedingungen, wie örtlichen Tempolimits, Beschleunigungszeit, denn Gas geben muss man auch noch, abzüglich der Zeit, die man braucht bei nasser Fahrbahn und Dunkelheit, wenn 160 km/h nicht möglich sind, und abzüglich des Zeitverlustes durch Verkehrsbelastung – was schätzen Sie? (Abg. Neudeck: Sind wir hier bei der Millionenshow? Dann möchte ich den Publikumsjoker! – Abg. Großruck: Der Assinger ist besser!) –, eine halbe Minute. Für diese halbe Minute sind Sie bereit, all diese Konsequenzen in Kauf zu nehmen?

Ich glaube, jeder von uns kennt Familien, wo ein Familienmitglied durch einen Ver­kehrsunfall ums Leben gekommen ist. Ich glaube, man kann das einfach nicht ver­antworten. Jede Maßnahme, die die Verkehrssicherheit in Österreich verschlechtert, ist abzulehnen, Herr Minister! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Gusenbauer.)

Es gibt noch ein paar interessante Daten, außer diesem angeblichen Zeitgewinn. Die Studienautoren haben das recht zynisch verglichen: Im Durchschnitt, wenn man das auf die gesamte österreichische Lebenszeit umrechnet, wäre es effizienter und nützlicher, statt Schnürsenkel Klettverschlüsse bei Schuhen zu verwenden. Das bringt den Österreicherinnen und Österreichern mehr Zeitersparnis als Tempo 160 auf Autobahnen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Gusenbauer.)

Ich komme nun zum ökonomischen Aspekt, zum volkswirtschaftlichen Aspekt. – Ich glaube, ich brauche Ihnen nicht vorzurechnen, dass zusätzliche Verkehrstote und zusätzliche Verkehrsverletzte auch eine ökonomische Belastung für die Volkswirtschaft sind – bei aller Tragik, die das in den Familien anrichtet. Sie müssen auch berück­sichtigen, dass genau bei jenen Strecken, auf welchen Sie das Tempolimit 160 einführen wollen, nämlich auf den dreispurigen Ausbauten rund um die großen Städte, also im suburbanen Bereich, auch sehr viele Siedlungen sind, Menschen wohnen und dass dort daher die Lärmschutzmaßnahmen, die dafür dann unzureichend sind, ver­stärkt werden müssten. Das würde laut der Studie, die wir in Auftrag gegeben haben,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 117

bis zu 30 Millionen € für zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen bedeuten, die auf Grund der Mehrbelastung durch Lärm notwendig wären. Also es gäbe nicht nur zusätzliche Unfallkosten, sondern auch zusätzliche Kosten für Lärmschutzmaßnahmen, denn die österreichischen Autobahnen sind von der Konzeption her, von der gesamten Anlage her auf Tempo 130 ausgerichtet. Ich würde mir das also an Ihrer Stelle gut überlegen.

Ich frage mich noch immer, wie Sie logisch oder nachvollziehbar begründen, dass Sie trotz vehementer sachlicher Gegenstimmen, trotz fundierter Kritik von vielen Seiten diesen Ihren Vorschlag aufrecht erhalten.

Wir möchten von Ihnen heute eine klare Aussage! Sie fordern Tempo 160 und können das mit Verordnung, mit einem Federstrich in Österreich einführen, Sie können das durchsetzen, ganz alleine, Herr Verkehrsminister. Ich möchte nun von Ihnen wissen: Haben Sie das vor? Wenn ja, warum? Sagen Sie uns auch, wann! Wenn Sie jetzt nein sagen, dann hoffe ich, dass das auch für die Zeit nach der nächsten Wahl gilt, sollte der unglückliche Fall eintreten und Sie weiter Verkehrsminister sein.

Es gibt ja auch noch den Koalitionspartner ÖVP, und dieser ist vor zwei Jahren mit dem steirischen ÖVP-Klubobmann aufgefallen, der damals schon Tempo 160 gefordert hat. Tempo 160 fordern ja auch der ÖVP-Staatssekretär Kukacka und der Verkehrs­sprecher Miedl, auch diese beiden Politiker wollen Tempo 160.

Auch von Ihnen, Herr Staatssekretär, möchte ich eine klare Aussage haben: Wollen Sie das tatsächlich? Wenn ja, warum? Werden Sie das auch durchsetzen? Wie erklären Sie den Familien und den Menschen, die sich davor fürchten, dass es zusätz­liche Unfälle, zusätzliche Tote und zusätzliche Verletzte geben wird?

Ich komme zu einem weiteren Punkt, nämlich zur Umweltpolitik, die da im Hintergrund auch eine Rolle spielt.

Auch Sie, Herr Verkehrsminister Gorbach, sind mittlerweile an Kyoto gebunden. Nicht nur ganz Europa, alle Wirtschaftsminister, die Europäische Union, sondern auch Sie sind an Kyoto gebunden. Der Verkehrsbereich ist einer der schlimmsten, was CO2-Emissionen und deren Zunahme betrifft. Der Verkehrsbereich ist auch einer der schlimmsten, was Luftverschmutzung betrifft, die vor allem für die Kinder eine große Gesundheitsbelastung darstellt. Stichwort: Dieselruß, Stichwort: Feinstaub. Diese sind insbesondere für Kinder und ältere Menschen eine massive Belastung, vor allem entlang der Autobahnstrecken. In Salzburg wird jetzt Tempo 100 auf der Tauern Auto­bahn wegen der überhöhten Belastung durch CO2 und der Gesundheitsbelastung für die Menschen, die dort leben, verordnet.

Spielt das für Sie überhaupt keine Rolle? Wissen Sie überhaupt, was Kyoto ist? Wissen Sie auch, dass Kyoto völkerrechtlich verbindlich ist? Machen Sie sich über­haupt Gedanken darüber, was man im Verkehrsbereich besser tun kann? Wissen Sie auch, um wie viel sich der CO2-Ausstoß bei Tempo 160 erhöht? Macht das irgendeinen Sinn für Sie? Anstatt darüber nachzudenken, wie man die CO2-Emissionen reduzieren könnte und was Sie im Verkehrsbereich besser tun könnten, denken Sie über eine Maßnahme nach, die das ganze Desaster mit Kyoto in Österreich nur noch schlimmer machen würde. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Herr Vizekanzler! Sie haben zu Ihren Vorschlägen auch sehr zynische Kommentare von einzelnen Zeitungskommentatoren erhalten. Da war von „Faschingspolitik“ die Rede und davon, dass das ein reines Ablenkungsmanöver sei, weil im verkehrspolitischen Bereich sehr viele Probleme vorhanden seien und weil gerade im Verkehrsbereich viele FPÖ-nahe Personen Posten erhalten hätten, es also einen blauen Postenschacher gäbe. Sie täten dies, um das in den Hintergrund zu drängen. Das alles wäre ein reines taktisches Manöver.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 118

Wir haben diesen Ihren Vorschlag eigentlich ernst genommen, und ich möchte von Ihnen heute eine klare Antwort auf die Frage haben: Werden Sie das tun, oder werden Sie das nicht tun? Werden Sie entgegen allen Signalen, allen Studien, allen wirklich fundierten Gegenargumenten, Tempo 160 auf bestimmten Autobahnstrecken einfüh­ren? Welche Konsequenzen ziehen Sie überhaupt aus all diesen Studien? Welche Konsequenz hat es für Sie, dass es mindestens 50 zusätzliche Verletzte, mindestens fünf zusätzliche Verkehrstote geben wird?

Das steht fundamental im Widerspruch zu dem, was Sie immer sagen, nämlich, dass jeder Verkehrstote, jeder Schwerverletzte, jede Verletzte und jeder Verletzte eine/einer zu viel ist.

Sie selbst haben ein Verkehrssicherheitsprogramm erarbeitet, wo Sie die Halbierung der Zahl der Verkehrsopfer anstreben. Das steht fundamental im Widerspruch zu die­sem Ihrem Vorschlag. Welche Konsequenzen ziehen Sie persönlich daraus?

Was bedeutet es für Sie, dass die Eigenverantwortung durch solche Unfälle wie jenen von gestern massiv in Frage gestellt wird? (Abg. Großruck: Das hat mit diesem Punkt nichts zu tun! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)

Da geht es nicht darum, dass man etwas mit sich selber macht, sondern Verkehr ist etwas, wo man in organisierter Weise auf andere massiv Rücksicht nehmen muss. Die meisten der Verkehrsopfer sind nicht die, die 160 gefahren sind. Welche Konsequen­zen ziehen Sie aus einem solchen Verhalten?

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den zusätzlichen Belastungen für die Volks­wirtschaft? Wie wollen Sie das rechtfertigen, die 25 Millionen, 30 Millionen mehr für Lärmschutzmaßnahmen?

Wenn Sie unsere Studienergebnisse anzweifeln, dann würde mich interessieren, ob Sie vielleicht selber eine gemacht haben. Vielleicht haben Sie schon selber einmal unter­sucht oder fachlich fundiert untersuchen lassen, was Tempo 160 tatsächlich für die Verkehrssicherheit bedeutet.

Wenn Sie solch eine Studie noch nicht gemacht haben, dann frage ich Sie: Warum haben Sie noch keine in Auftrag gegeben? Werden Sie es tun? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Gusenbauer.)

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Besorgnis erregenden Studien, vor allem jener der Weltgesundheitsorganisation, die in Österreich im Vergleich zu anderen Staaten festgestellt hat, dass wir in Österreich zahlreiche Todesfälle und zahlreiche Asthmaerkrankungen bei Kindern ausschließlich auf Grund der Luftschadstoffe, die aus dem Verkehr kommen, haben.

Was sagen Sie dazu – Sie haben, glaube ich, auch selbst Kinder, sofern ich mich nicht irre –, dass das tatsächlich etwas ist, das man ändern könnte, und Sie es nicht tun und damit provozieren, dass Kinder zusätzlich krank werden, weil Sie nicht fähig sind, für LKWs zum Beispiel Dieselrußpartikelfilter zu verordnen. Die können weiterhin Diesel­ruß ausstoßen, wodurch weiterhin Jahr für Jahr zusätzliche Kinder krank werden und auch viele Jahre lang krank bleiben. Wie können Sie das verantworten?

Sie haben gestern sehr beleidigt reagiert, als unsere Verkehrssprecherin Gabi Moser gesagt hat, dass sie Ihnen dieses Engagement für die Kinder nicht abnimmt. Ich kann es Ihnen auch nicht abnehmen, denn die Fakten sprechen eine andere Sprache. Wenn Ihnen das nur irgend etwas bedeuten würde, dann würden Sie gemäß Ihrer Worte, dass jedes kranke Kind eines zu viel ist, auch handeln. Sie hätten die Möglichkeit, das zu ändern. Warum tun Sie es nicht? (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 119

Halten Sie auch dann an dem Plan fest, wenn die betroffenen Bundesländer, wie zum Beispiel Oberösterreich, sich mit Händen und Füßen dagegen wehren. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Sie müssen nicht 160 fahren! Das ist eine Kann-Bestimmung!) Ober­österreich hat sehr, sehr fundiert dargelegt, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Vergangenheit tatsächlich eine Trendwende bei den Toten erreichen konnten, und sie weisen auch dezidiert darauf hin, dass das besonders in ihrem Gebiet zu massiven Lärmbelastungen führen würde, und zwar bei oberösterreichischen Siedlungen rund um die dreispurigen Autobahnen. Werden Sie über dieses Bundesland einfach drüber­fahren und das einfach dort verordnen? Oder werden Sie solche Bedenken, die formal durch Beschluss einer Landesregierung vorgebracht worden sind, ernst nehmen?

Was sagen Sie dazu, dass es auch einen FPÖ-Verkehrslandesrat gibt, Herrn Schöggl, der eindeutig ablehnend zu Tempo 160 steht? Halten Sie das für unvernünftig? Wie bewerten Sie diese Einstellung dazu?

Es gibt sehr viele massive Probleme im Verkehrsbereich. Es gibt zu wenig finanzielle Mittel für den Ausbau der Bahninfrastruktur. Wir haben in Österreich ein massives Sicherheitsproblem. Wir haben in ganz Österreich keine einheitlichen Strafen. In Öster­reich kann man zweieinhalb Jahre lang betrunken Auto fahren, bis man ein einziges Mal kontrolliert wird. Wir haben in Österreich ein massives Kontrolldefizit. Warum kümmern Sie sich nicht um diese Probleme, sondern kommen jetzt mit einer – ich zitiere jetzt meinen Parteichef – „Schnapsidee im Fasching“?

Wir haben ernsthaft versucht, es zu entkräften, wir haben uns ernsthaft mit dieser Idee auseinander gesetzt. Ich möchte von Ihnen heute klare Antworten haben, ich möchte von der ÖVP klare Antworten haben: Werden Sie das tun: ja oder nein? Sind Sie bereit, all diese negativen Auswirkungen zu riskieren, all diese zusätzlichen Belastun­gen zu riskieren – nur für ein paar Raser, denen, wenn sie den Fuß am Gaspedal haben, naturwissenschaftliche Gesetze und Rücksicht auf Mensch und Umwelt einfach abhanden kommen? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.20


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Gorbach zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundes­minister.

 


15.20.37

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Präsident! Geschätzte Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen dafür entschuldigen, dass ich nicht punktgenau um 15 Uhr hier sein konnte. Das hat einen guten Grund: Ich habe mit Bürgermeister und Landeshauptmann Dr. Häupl und Stadt­rat Schicker wichtige Verkehrsthemen für unsere Bundeshauptstadt besprochen.

Es ging, wie Sie vielleicht den Medien schon entnommen haben, um die Donau­que­rung im Bereich Lobau – ein Thema, das auch Ihre Fraktion beschäftigt und interes­siert –, und es ging auch um den „Bahnhof Wien – Europa Mitte“ – zwei große, verkehrspolitisch wichtige Themen, die wir nicht nur gut haben vorbereiten lassen, sondern heute auch sehr gut besprochen haben, sodass wir im Prinzip auch Einigung erzielen konnten; Einigung vielleicht auch ein bisschen deshalb, weil wir schon unter einem besonderen Druck standen. Ich hatte vor, persönlich an dieser wichtigen Dis­kussion hier teilzunehmen.

Damit habe ich schon ein Stichwort gegeben: Diskussion, meine Damen und Herren! Ich muss Sie leider enttäuschen, Frau Abgeordnete Glawischnig! Wenn Sie von mir –


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 120

und Sie haben das jetzt mehrmals wiederholt – immer klare Antworten, ja oder nein, einfordern, dann können Sie diese zu vielen Themen haben – aber zum richtigen Zeitpunkt!

Ich habe diese Diskussion als solche sehr bewusst gestartet, weil es sich um ein sehr sensibles Thema handelt, das ich auch sehr sensibel bearbeite. Um es vorweg­zunehmen: Da werde ich auch voreilig nichts über das Knie brechen, und da werde ich auch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, denn ich bin erfreut darüber, dass jetzt zumindest zum Teil eine sachliche Diskussion stattfindet, in der Experten, Fachleute, Praktiker zu Wort kommen sollen und wir dann am Ende dieser Diskussion hoffentlich auch die richtige Entscheidung treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

So einfach, wie Sie das formulieren, wenn Sie sagen: Sie können das mit einem Feder­strich verordnen, und dann sind halt 160 km/h in Österreich erlaubt!, ist es erstens nicht, und zweitens: Wäre es so, würde ich das als verantwortungsvoller Politiker, der die Verkehrssicherheit zum Schwerpunkt seiner Verkehrspolitik gemacht hat und auch weiterhin machen wird, nicht tun. Ich gehe diese Thematik sehr bedacht an.

Sie haben mir jetzt aber ermöglicht, zu dieser ganz wichtigen Frage in der Verkehrs­po­litik auch einmal öffentlich ausführlich Stellung zu nehmen, und dafür danke ich Ihnen.

Ich betone noch einmal, dass Verkehrssicherheit auch weiterhin Thema bleiben wird. Sie haben selbst das Verkehrssicherheitsprogramm bis 2010 angesprochen. Ich habe gestern schon gesagt, dass das auch international große Anerkennung und Beachtung gefunden hat, und selbstverständlich wird es weiterhin Grundlage unserer Verkehrs­politik sein.

Ziel dieser Regierung und meiner persönlichen Politik in diesem Bereich ist es, „Tempo 160“ auch als Begriff für das Phänomen zielorientierte Geschwindigkeitsbe­schränkungen klarzumachen (Abg. Öllinger: Das darf ja nicht wahr sein!), als einen Bestandteil, den es zu diskutieren gilt. (Abg. Brosz: Zielorientierte Geschwindig­keits­beschränkungen?) Ja, es ist Ziel, Geschwindigkeitsbeschränkungen orientiert zu dis­kutieren und auch zu verstehen. Ich hoffe, Sie haben mich gestern verstanden, als ich gesagt habe, Gebote und Verbote – es ist fast überall so, im Straßenverkehr ganz besonders – werden dann am wirkungsvollsten, wenn sie Akzeptanz finden, wenn sie vom Betroffenen verstanden werden. Das ist mir auch in dieser Frage sehr wichtig.

Gleich oder noch bedeutender sind alle anderen Maßnahmen zur Steigerung der Ver­kehrssicherheit – das möchte ich auch betonen –, die unter meiner Ressortführung bereits gesetzt wurden und die ich Ihnen gerne noch einmal in Erinnerung bringen darf; ich habe sie auch gestern im Zusammenhang mit der Diskussion Vormerksystem schon schlagwortartig erwähnt. Da wäre eben das Vormerksystem als solches zu erwähnen, das jüngste Kind zum Thema Verkehrssicherheit, erst gestern beschlossen. Ich bin sehr froh darüber, es ist ein Freudentag der Verkehrssicherheitspolitik Öster­reichs. Potential, wie Sie wissen: bis zu 75 Tote weniger pro Jahr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nächster Punkt: Bewusstseinsbildung durch gezielte Kampagnen, eindringliche Werbe­spots, insbesondere gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch am Steuer und für die Verwendung von Sicherheitsgurten. Auch das ist eine sehr positive Sache.

Nächster Punkt: Sicherheitsaktionen in Verbindung mit privatwirtschaftlichen Unterneh­mungen, Verkehrssicherheitscharta.

Nächster Punkt: Austausch Aluleitschienen – ein vielfältiges Programm, 1 700 Kilo­meter Leitschienen werden ausgetauscht, Investition: 214 Millionen €, um auch einmal ein Gefühl dafür zu vermitteln.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 121

Ein weiterer Punkt ist die Tunnelsicherheit: zweite Röhren durch Katschberg und Tauern, die wir mit Elan angegangen sind und angehen, Ambergtunnel, Roppener Tun­nel, Bosrucktunnel oder was auch immer. Auch da im hochrangigen Straßennetz gilt es, die Sicherheit zu erhöhen, Staus zu vermeiden, der Sicherheit zu dienen und auch der Umwelt zu dienen, weil es keinen Stop-and-go-Verkehr mit starken Schadstoff­ausstößen mehr geben kann, Baustellensicherheit zu erhöhen. Es freut mich, dass vorletztes Jahr zum ersten Mal im Baustellenbereich auf hochrangigem Straßennetz keine Toten mehr zu verzeichnen waren, weil wir dort die Vorkehrungen sehr gezielt in Richtung Sicherheit deutlich verbessert haben, auch mit enormem materiellem Aufwand.

Verkehrsbeeinflussungsanlagen – auch ein Projekt in der Größenordnung von 260 Mil­lionen €, das, wie ich gestern schon erklärt habe, im April mit der Eröffnung des ersten Abschnittes in Tirol gestartet wird.

Einführung der „Section Control“ – auch eine wichtige Sache zur Erhöhung der Sicher­heit; funktioniert wunderbar.

Der Mehrphasenführerschein wäre noch zu erwähnen, ebenso die Einführung ver­pflichtender Drogentests und Alkoholvortestgeräte, und schlussendlich sollte auf legis­tischer Basis auch das Unfalluntersuchungsgesetz seinen Beitrag leisten.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, die Verkehrssicherheit ist und bleibt die oberste Prämisse dieser Bundesregierung und ist und bleibt auch mein persönliches Anliegen.

Es ist nie gut, wenn man in öffentlichen Diskussionen das Gesagte zu sehr auf sich bezieht, aber zu dem, was Sie gemeint haben, Frau Abgeordnete Glawischnig, muss ich doch sagen: Es betrifft mich wirklich, wenn mir jemand – mit dem ich an sich gerne sachlich diskutiere – vorwirft, verletzte oder gar tote Kinder seien mir sozusagen egal; sinngemäß ist das beinahe so rübergekommen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Ungeheuer­lich!) Das hat mich gestern betroffen und deshalb habe ich mich (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Der Vorwurf ist ungeheuerlich!) – ja – diesbezüglich zu Wort gemeldet. Ich wiederhole noch einmal: Zehn Jahre war ich als Baureferent in meinem Heimatland tätig, und ich war dafür bekannt, dass ich gerade die schwachen Verkehrsteilnehmer und die Kinder immer sehr im Auge hatte, wenn es galt, Verbesserungsmöglichkeiten nicht nur aufzuzeigen, sondern eben auch umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wo ist nun das Problem bei Geschwindigkeitsbeschränkungen? – Wir alle wissen auch aus eigener Erfahrung, aus unserem Umfeld, dass Tempolimits neben der Frage der objektiven Notwendigkeit – die natürlich unbestritten ist – auch eine subjektive Seite haben, nämlich die des der Norm unterworfenen Autofahrers oder der der Norm unter­worfenen Autofahrerin, die diese Notwendigkeit auch aus Einsicht mittragen müssen, weil er oder sie sich sonst trotz Gebot oder Verbot nicht daran halten. – Das ist ein Fakt!

Ab und zu muss man einfach die Augen offen lassen und darf sie nicht vor der Realität verschließen (Abg. Öllinger: Ja, das stimmt!), und ab und zu muss man neben den vielen Gutachten der Experten, die als Entscheidungsgrundlage schon wichtig sind, auch den so genannten Hausverstand einschalten (Abg. Öllinger: Da wird es schon gefährlich! Das mit dem Hausverstand kann ins Auge gehen!) oder zumindest nicht ganz abschalten und dann politisch vorgehen und eine Sache ganz emotionslos und nüchtern angehen.

Diese Einsicht, eben die Einsicht bezüglich Geschwindigkeitsbeschränkungen, ist der­zeit, wie die Vielzahl der Verkehrsdelikte wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen be­weist, nur sehr bedingt gegeben, und das wissen Sie auch. Daher ist es gesamtheitlich


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 122

durch eine Vielzahl von Maßnahmen, wie bereits ausgeführt, notwendig, vor allem die Akzeptanz und das Verständnis für notwendige Regelungen zu schärfen und gleich­zeitig – und das ist mir ganz besonders wichtig – die Selbstverantwortung zu stärken.

Erklärtes Ziel ist es daher, beispielsweise auch die Länder, auch die ASFINAG anzuhalten, bestehende temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen etwa im Bereich von Baustellen, bei denen es bekanntlich immer sehr viele Unfälle gibt, so zu gestalten, dass bei wirklichen Gefahrenstellen noch mehr Kontrollen und damit mehr Verkehrs­sicherheit erfolgen, während bei bereits abgeschlossenen Bautätigkeiten an Wochen­enden die Tempolimits auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen sein werden.

Meine Damen und Herren! Wir wollen eine breite Diskussion unter Einbeziehung von Praktikern, unter Einbeziehung von Experten über die sachliche und subjektive Bedeutung von Geschwindigkeitsbegrenzungen führen. Dieser Prozess kann aber natürlich, wie ich meine, die Frage der Höchstbeschränkung von derzeit 130 km/h auf Autobahnen nicht einfach ausklammern und außer Acht lassen, insbesondere dann nicht, wenn in anderen Ländern – wir reden immer von der Globalisierung und von europaweitem Denken –, wie beispielsweise eben in Deutschland, in einem Nachbarland, andere Regelungen bestehen, die den Autofahrern europaweit bekannt sind und von diesen mit hoher Akzeptanz mitgetragen werden. (Abg. Öllinger: Das ist das einzige Land!) In Deutschland werden, wie Sie wissen, Geschwindigkeits­beschrän­kungen dort, wo sie aus Verkehrssicherheitsgründen notwendig sind, bewusster und auch effektiver eingehalten.

Es muss aber selbstverständlich sein, bei einer möglichen Erhöhung des Tempolimits auf bestimmten Teilstrecken und unter gewissen Voraussetzungen parallel dazu auch eine Verschärfung der Straftoleranz zu diskutieren. Daher würde eine Annäherung an bestehende höhere Tempolimits – neben Deutschland hat übrigens auch Italien bereits 150 km/h auf ausgewählten Autobahn-Streckenabschnitten gesetzlich ermöglicht – nur mit einer konsequenten und effizienten Kontrolle einhergehen.

Ich habe schon die „Section Control“ erwähnt, die sich sehr bewährt hat. Wenn also auf einer Pilotstrecke Tempo 160 erlaubt ist und diese auch noch mittels „Section Control“ überwacht wird, kann gewährleistet werden, dass etwa der Führerscheinentzug – der auch gestern Diskussionsthema war – auch bei 180 km/h erfolgt. Die Toleranz geht dann nicht von 130 bis 180 km/h, sondern eben nur von 160 bis 180 km/h.

Das sind begleitende Maßnahmen, die ich selbstverständlich auch mit überlege und im Kopf habe, wenn eine solche Maßnahme dann auch wirklich umgesetzt bezie­hungs­weise möglich gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist übrigens auch nicht richtig, wie Sie in der Präambel Ihrer Anfrage schreiben, dass bei „Section Control“ ausschließlich die Durchschnittsgeschwindigkeit gemessen wird, sodass jemand 200 km/h fahren kann, dann auf 120 km/h reduziert und im Schnitt dann die richtige Geschwindigkeit hat, um ohne Strafe durchzukommen. Natürlich sind wir so schlau, das zu erkennen, und haben deshalb auch die Möglichkeit der punktuellen Radarmessung mit einfließen lassen. Wenn also jemand 170 km/h fährt, aber doch die richtige Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht, so bekommt er trotz­dem eine entsprechende Strafe. Genau das soll ja abgestellt werden, dass man einmal schnell, dann wieder langsam fährt, was übrigens der Verkehrssicherheit auch alles andere als dienlich wäre. (Abg. Dr. Glawischnig: Sagen Sie was zur Anfrage!)

Klarstellen möchte ich, dass durch „Section Control“ in einem sehr kritischen Bereich am Semmering lediglich 0,5 Prozent der Verkehrsteilnehmer die vorgeschriebene Geschwindigkeit nicht eingehalten haben, und das bei rund 50 000 Fahrzeugen pro Tag. – Ein gutes Beispiel, wie ich meine. Das heißt, diszipliniertes Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer ist die Folge, und das wollen wir schließlich und endlich ja auch.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 123

Niemand soll rasen oder undiszipliniert, unkontrolliert auf Österreichs hochrangigem Straßennetz durch die Gegend brausen.

Die „Section Control“ im Streckenabschnitt Kaisermühlentunnel belegt ebenfalls die verkehrssicherheitsfördernde Wirkung. Es hat zum Beispiel seit deren Start im Frühjahr des vergangenen Jahres keinen einzigen tödlichen Unfall in diesem Streckenabschnitt mehr gegeben. – Eine erfreuliche Bilanz, und auch das sollte in diesem Zusammen­hang und in dieser Diskussion einmal erwähnt werden. (Abg. Dr. Glawischnig: Was reden Sie da? – Abg. Dr. Van der Bellen: Frage 1!)

Frau Abgeordnete Glawischnig! Klarstellen möchte ich ausdrücklich, dass es bereits jetzt bei besonders gefährlichem Fahrverhalten – Stichwort: Drängeln – auch unterhalb der bestehenden Toleranzgrenzen einen Führerscheinentzug geben kann. Dies hat auch für den Pilotversuch zu gelten. Zusätzlich zur bereits erwähnten „Section Control“ werden daher die betroffenen Streckenabschnitte unter diesem Gesichtspunkt ganz besonders streng zu kontrollieren sein.

Zu der von Ihnen zitierten Studie des VCÖ, die ich erst gestern erhalten habe, darf ich nach einer ersten Durchsicht Folgendes feststellen: Diese Studie wird selbst­verständ­lich bei der Beurteilung und Beratung zu diesem wichtigen Thema auch eine Rolle spielen. Sie wird natürlich umfassend analysiert, studiert, und deren Ergebnisse wer­den mit in die Entscheidungsgrundlagen einfließen. Aber Sie werden auch verstehen, dass ich nicht eine Studie als Maß aller Dinge hernehme und dann sage, es geht halt nicht, sondern wir werden da verschiedene Experten befragen und zu Wort kommen lassen und dann in Summe beurteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Ich möchte auch feststellen, dass wir jetzt nicht so tun dürfen, als hätte ich 160 km/h als Möglichkeit für ganz Österreich gefordert. Ich habe von Beginn an erstens gesagt, wir werden das diskutieren, die Ergebnisse in Ruhe beurteilen und dann entscheiden – wenn Sie so wollen, auch ich, ich will da gar keine Verantwortung abgeben.

Zweitens: Das wird nur auf gut ausgebauten, speziellen Strecken möglich sein; gut ausgebaute zweispurige, insbesondere aber dreispurige Strecken.

Einige andere Voraussetzungen werden ebenfalls mit eine Rolle spielen. Ich darf solche beispielhaft aufzählen: Die baulichen Gegebenheiten habe ich schon erwähnt, also gut ausgebaut, zweispurig oder gar dreispurig als Voraussetzung, gerader Streckenlauf, gute Sichtverhältnisse.

Weiters müssen flexible Geschwindigkeitsanzeigen vorhanden sein. Ich habe das im Zusammenhang mit der Vorstellung der Verkehrsbeeinflussungsanlage auch laut angedacht. Das ist ein wichtiger Punkt. Es wird nicht nur möglich sein, bei guter Sicht, optimalen Straßenverhältnissen und wenig Verkehrsaufkommen eine Anhebung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h vorzunehmen, sondern es wird auch möglich sein – und das möchte ich ausdrücklich festhalten –, etwa bei Nebel, bei schlechter Sicht, bei rutschiger Fahrbahn, bei Unfallsituationen oder ähnlichen Bedin­gungen eine Reduzierung eben dieser erlaubten Höchstgeschwindigkeit herbeizufüh­ren. Das heißt, ich bin davon ausgegangen, wenn ich nach unten reduziere, wenn es notwendig ist, könnte ich doch auch nach oben öffnen, wenn es möglich ist. Das ist der Grundgedanke zu der aktuellen Situation.

Hand in Hand müssen selbstverständlich, wie bereits angeführt, auch verschärfte Kon­trollen stattfinden. Daneben sollte auch der Umgang mit einer höheren Geschwin­digkeit zum Beispiel bereits in der Führerscheinausbildung ein Thema sein, dort einfließen, und es sollten auch spezielle Kurse von Autofahrerklubs angeboten werden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 124

Nunmehr aber zu Ihren konkreten Fragen, die ich im Folgenden zusammengefasst beantworten möchte.

Die Fragen 1, 4, 8, 9, 10, 11, 12, 14 und 18 kann ich Ihnen wie folgt beantworten:

Ein generelles Tempo 160 auf Autobahnen stand für mich noch nie zur Diskussion. Ich habe immer ganz klar eingeschränkt, wie bereits ausführlich dargelegt, dass Tem­po 160 nur unter ganz besonders günstigen Bedingungen sektoral gelten kann. Obers­tes Ziel meiner Verkehrspolitik bleibt Verkehrssicherheit. Daher gehe ich dieses Thema, wie Sie meinen Ausführungen bisher auch entnehmen konnten, auch meinen öffentlichen Aussagen, mit einer besonderen Sorgfalt an und habe vor längerer Zeit eine Arbeitsgruppe, die sich mit dieser Thematik beschäftigt, ins Leben gerufen.

Diese Arbeitsgruppe wird auch die Ergebnisse verschiedener Studien – auch der Studie, die von Ihnen zitiert wurde – als Entscheidungsgrundlage aufnehmen. Es ist aber ohnedies notwendig, für jede der Teilstrecken, die konkret in Betracht gezogen werden, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Ich habe noch keine Teilstrecke konkret in Betracht gezogen! Das sei gesagt, um auch das Gerücht zu widerlegen, das da herumgeistert und dass da lautet, dort gebe es eine Strecke und dort werde jetzt gearbeitet, weil der böse Verkehrsminister das als Teststrecke ausbauen will. – Dem ist nicht so! Bevor eine derartige Teilstrecke sozusagen in Betrieb genommen wird und bevor ich eine Verordnung erlasse, gibt es ein so genanntes Ermittlungsverfahren. Sie wissen, dass am Ende dessen ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen steht. Erst dann wird es eine Teststrecke geben.

Noch einmal: Es wird kein generelles Tempo 160 zulässig sein, sondern Tempo 160 eben nur dort, wo es die Verkehrssicherheit und andere schon erwähnte Umstände zulassen.

Unabhängig davon möchte ich aber schon erwähnen, dass die Zahl der Unfälle sowie die Zahl der Unfalltoten auf Autobahnen im Vergleich zu anderen niederrangigen Straßen relativ gering ist. So betrug zum Beispiel die Zahl der Unfälle auf den Autobahnen im vergangenen Jahr in den ersten drei Quartalen nur 5,3 Prozent. Es waren 1 704 Unfälle von insgesamt 31 948 Unfällen im hochrangigen Straßennetz. Die Zahl der Getöteten betrug zum Beispiel 13,1 Prozent, 79 von 602 Toten.

Liebe Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig! Wenn, dann müssen Sie über die unteren Bereiche diskutieren. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Dann werden Sie mir jetzt aber wahrscheinlich vorschlagen, dass wir generell statt zum Beispiel 80 km/h im Freiland auf 60 km/h gehen müssen, dort, wo Tempo 100 ist, auf 70, dort, wo 50 ist, auf 30 (Abg. Dr. Glawischnig: Sagen Sie mir, warum Sie es überhaupt wollen!), und dort, wo 30 ist, darf man dann gar nicht mehr fahren, oder ich weiß nicht, wie das dann gehen soll, aber so ähnlich kommt mir Ihre Argumentation vor. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Fragen 3, 6, 13 und 19 bilden keinen Gegenstand der Vollziehung im Sinne des Artikels 52 B-VG. Ich bin gerne bereit, meine private Meinung beziehungsweise meine persönlichen ethischen Prinzipien dazu in einem Gespräch, zu dem ich Sie hiemit ein­lade, darzulegen, aber das kann nicht Gegenstand dieser Dringlichen Anfrage und deren Beantwortung sein.

Die Fragen 2, 5, 7, 15, 16 und 17 beantworte ich wie folgt:

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit besagt nicht, dass diese auch ausgeschöpft wer­den muss, also gefahren werden muss. Es ist grundsätzlich jedem Kraftfahrzeuglenker, jeder Kraftfahrzeuglenkerin selbst überlassen, ob er beziehungsweise sie die in Öster­reich geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit in vollem Umfang nützt oder nicht.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 125

In der Vergangenheit ging man immer häufiger dazu über, die Österreicherinnen und Österreicher durch Überreglementierungen zu überfordern. Dies führte zu einer Ab­stumpfung gegenüber einzelnen Bestimmungen (Abg. Öllinger: Von da her weht der Wind!), weil oft der Sinn dieser Bestimmungen nicht mehr erkannt beziehungsweise nachvollzogen werden konnte.

Tempo 160 soll daher, vernünftig eingesetzt, dazu beitragen, dem Autofahrer zu zei­gen, dass unter optimalen Bedingungen, wie eben klarer Sicht, breiter Fahrbahn, wenig Verkehr, eine höhere Geschwindigkeit gefahren werden kann, aber nicht gefahren werden muss. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser.) Gleichzeitig wird er aber auch eine Reduktion der Geschwindigkeit bei ungünstigen Verhältnissen akzeptieren müssen, dann aber auch besser verstehen.

Hohe Geschwindigkeit ist überall dann gefährlich, wenn sie den Verhältnissen nicht angepasst ist. Eine höhere Akzeptanz der geltenden Tempolimits wird die Verkehrs­sicherheit erhöhen und somit die Zahl der Unfälle und der Unfallopfer weiter redu­zieren.

Meine Damen und Herren! Ich darf an dieser Stelle sagen, dass ich überhaupt meine, wir sollten ein Deregulierungsprogramm starten. (Abg. Öllinger: Weg mit den Ampeln!) Wir müssen aufhören, zu meinen, dass wir jeden Bereich, alles und jedes bis ins letzte Detail regulieren, vorschreiben, exakt vorschreiben müssen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Die Eigenverantwortung des einzelnen Menschen geht damit verloren, und das will ich nicht. Im Gegenteil: Der Einzelne soll selbst, eigenverantwortlich innerhalb eines bestimmten Rahmens entscheiden können, wie schnell er fährt, was er tut und was nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich beantworte Ihre Fragen 20 und 21 wie folgt:

Ich habe weder generelle Überlegungen angestellt, das Tempolimit der in der Praxis gefahrenen Geschwindigkeit anzupassen, noch mich je als Bremser des Immissions­schutzgesetzes-Luft engagiert.

Die Frage 22 kann so beantwortet werden:

Selbstverständlich halte ich weiterhin an meinem Plan fest, eine seriöse und breite Diskussion über ein Anheben des sektoralen Tempolimits in Österreich zu führen – immer natürlich unter den Aspekten, dass die Verkehrssicherheit nicht darunter leidet und dass die Autofahrer in Österreich nicht dümmer oder unklüger oder unvorsichtiger sind als etwa jene in Deutschland. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Kein Redner darf länger als 10 Minuten sprechen, jeder Klub insgesamt 25 Minuten.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich auch eine Abgeordnete zu Wort gemeldet, und zwar Frau Mandak, sie wird nach Eröffnung der Debatte, also nach der Rede der Frau Abgeordneten Moser aufgerufen werden.

Als erste Rednerin kommt jetzt Frau Dr. Gabriela Moser zu Wort. Redezeit: 8 Minuten. Dann kommt die tatsächliche Berichtigung von Frau Abgeordneter Mandak. – Bitte, Frau Kollegin Moser.

 


15.44.16

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­te Mitglieder der Bundesregierung! Herr Vizekanzler, das, was Sie uns heute geboten haben, war ja wirklich eine Offenbarung. (Abg. Scheibner: Ja, das ist richtig!) Es geht um einen Vorschlag Ihrerseits, der wirklich kontra jegliche Verkehrssicherheitspolitik


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 126

ist. (Vizekanzler Gorbach: Das sagen Sie!) – Ja, aber nicht nur ich sage das, alle Expertinnen und Experten sagen das. Darum geht es.

Sie aber stellen sich her und erzählen uns groß und breit genau das, was Sie gestern beim Punkteführerschein-Vormerksystem erzählt haben. Herr Minister und Vizekanzler, entschuldigen Sie, haben Sie noch nie etwas von themenbezogenem Sprechen gehört? Sie reden jetzt von – wie heißt Ihr neues Wort? – zielorientierter Geschwindig­keitsbeschränkung, Tempo 160 als zielorientierter Geschwindigkeitsbeschränkung. (Abg. Scheibner: Das themenbezogene Sprechen gilt aber für alle!) Herr Vizekanzler, ich würde Ihnen einmal eine themenorientierte Diskussionsführung vorschlagen, das wäre doch etwas! (Beifall bei den Grünen.)

Nachdem Sie in Ihrer langen Einleitung am Thema vorbeigeschrammt sind, haben Sie dann auch noch einen Großteil unserer Fragen überhaupt nicht beantwortet. Wo sind wir denn? Entweder haben Sie noch nicht bemerkt, dass Sie jetzt sozusagen hinter statt vor dem Arlberg zu Hause sind (Zwischenrufe bei der ÖVP) und dass im Par­lament Rede und Antwort gestanden werden muss – bei einer parlamentarischen Diskussion über eine Anfrage muss auf jeden Fall konkret geantwortet werden. Da nützt es nichts, wenn Sie auf die Fragen 1 bis 18 in Bausch und Bogen irgendetwas antworten, was sich nicht gezielt auf die Fragestellung bezieht. (Abg. Scheibner: Das sind themenbezogene Antworten!)

Für mich ist vor allem sehr bezeichnend, Herr Vizekanzler, dass Sie die Themen Feinstaub, Gesundheitsbelastung, Schadstoffbelastung in Ihrer Antwort völlig links liegen gelassen haben. Es ist Ihnen auch das egal. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wittauer: Das muss man den Umweltminister fragen, der ist da zuständig!)

Herr Vizekanzler! Ich entschuldige mich für meine Aussage betreffend Vorarlberg; die möchte ich gleich zurücknehmen, das war einfach aus der Emotion heraus.

Nun ganz konkret in die sachliche Auseinandersetzung: Sie haben durch Ihre Dar­stellung auch deutlich gezeigt, dass Sie sich bei Ihrem Vorstoß betreffend Tempo 160 sehr unsicher sind. Das, was Sie gebracht haben, war ja schon mehr oder weniger der Rückzieher. Sie haben gesagt: sowieso keine generelle Einführung (Zwischenbemer­kung von Vizekanzler Gorbach), sachliche Diskussion. – Ich weiß, Sie haben sie sowieso nie gewollt, das ist schon klar. Sie wollten immer nur Versuchsstrecken. Ich erinnere aber gerade an die Versuchsstrecken, die Sie vorgeschlagen haben: Wiener Neudorf – Wiener Neustadt, bei Guntramsdorf ein Aufschrei der Bevölkerung, ein Aufschrei des Bürgermeisters, ein Widerstand, der sich sofort bei Ihrer Ankündigung gezeigt hat. Wie wollen Sie überhaupt einen Versuch durchführen, wenn die Leute dagegen sind?

Eine andere Teststrecke, die Sie genannt haben, wäre zwischen Sattledt und Haid im Großraum Linz, wo ausgebaut wurde, weil dort ein hohes Verkehrsaufkommen ist. Genauso in Niederösterreich – die dreispurige Autobahn hat ja den Sinn und Zweck, dass mehr Verkehr aufgenommen werden kann. Wenn Sie Tempo 160 erlauben, dann müssen sich die Abstände vergrößern, und dann wäre der Ausbau völlig kontra­produktiv. Das wären ja, verkehrspolitisch betrachtet, Investitionsverluste sonder­gleichen. (Abg. Wittauer: Haben Sie es nicht begriffen, Frau Abgeordnete Moser?) Nicht nur, dass die Umsetzung Ihrer Tempo-160-Vorschläge höhere Unfallkosten brin­gen würde, mehr volkswirtschaftliche Schäden anrichten würde, durch die Fein­staub­belastung mehr gesundheitliche Schäden verursachen würde – das alles kann man ja auch in Budgetzahlen umrechnen –, nein, Sie fahren auch noch über die Anrainer drüber, über die Leute, die dort unter Lärm leiden, über die Bürgermeister!

In Oberösterreich gibt es einen einstimmigen Beschluss der Landesregierung, mit dem man sich dezidiert dagegen wehrt, dass dieses Bundesland Schauplatz Ihrer Testver-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 127

suche in Richtung zielorientierter Geschwindigkeitsbeschränkung wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Öllinger: Was sagt da der Kukacka zu Oberösterreich?) Das wird ja wahrscheinlich das Unwort des Jahres werden.

Ich möchte Ihnen jetzt nur noch einmal deutlich machen: Ich habe Ihnen – gutmütig, wie ich das Ganze zuerst aufgenommen habe – unterstellt, dass Ihnen der Vorschlag Tempo 160 einfach bei einer Pressekonferenz nur so über die Lippen gekommen ist, dass Sie gar nicht konkreter darüber nachgedacht haben und einfach irgendwie einen Versprecher gehabt haben. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Gorbach.) Aber nein. Heute sagen Sie, dass das ein ganz bewusster Versuch war, jetzt eine Dis­kussion über Verkehrssicherheit anzufachen. (Abg. Öllinger: Deregulierung!) Da frage ich mich wirklich! Verkehrssicherheit heißt doch kontrolliert fahren, Rücksicht nehmen, sozusagen auch daran denken, dass ein Unfallrisiko besteht – aber genau das Gegenteil ist bei 160 km/h der Fall!

Und wenn ich eine Verkehrssicherheitsdiskussion haben will, Herr Vizekanzler, dann mache ich es wie Ihr konservativer Kollege Jacques Chirac in Frankreich. Die konser­vative französische Regierung hat gleich bei ihrem Regierungsantritt, Jacques Chirac höchstpersönlich, gesagt, das oberste Staatsziel – Herr Vizekanzler, ich sage es extra an Sie gerichtet – der französischen Regierung sei die Reduktion des Blutzolls auf der Straße. Das war eine ambitionierte Ansage, und dieser folgte ein ambitioniertes Pro­gramm: Geschwindigkeitssenkung – Senkung des Tempos! –, Kontrollverschärfung, Strafeffizienz, auch der ganzen organisatorischen Abwicklung der Strafmandate. Das hat Früchte getragen, und das sollten wir diskutieren, Herr Vizekanzler. Diesen Vorschlag hätte ich mir erwartet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In Frankreich hat sich das innerhalb eines Jahres rentiert! Ergebnis: 21 Prozent Verun­glückte im Straßenverkehr weniger; 16 Prozent Unfalltote weniger. Das konnte binnen eines Jahres in Frankreich – unter einer konservativen Regierung – erreicht werden. Das sollte doch ein europäisches Vorbild sein, das sollte auch uns in Österreich ein Vorbild sein – nicht jedoch eine Verkehrssicherheitsdiskussion, wie Sie es nennen; ich sage dazu: Verkehrsunsicherheitsdiskussion, die Sie mit Ihrem Vorschlag Tem­po 160 km/h ausgelöst haben!

Kurz möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf die Fragen Umwelt und ökolo­gische Auswirkungen eingehen, ein Thema, das Sie sträflich vernachlässigen. In Österreich haben wir einen exponentiellen Anstieg der Schadstoffquote. Bei einer Erhöhung des Tempolimits um 30 km/h, nämlich von 130 auf 160 km/h, kommt es zu einer Steigerung der Emissionen um 47 Prozent! Das geht massiv hinauf!

Herr Kollege Bucher, da wir zuvor sozusagen privat von Bank zu Bank gesprochen haben: Meiner Ansicht nach ist das vor allem auch eine Frage der Mentalität: Auch seitens unserer Bundesregierung sollte doch auf ein Verkehrssicher­heitsbewusst­sein hingearbeitet werden, sodass man Rücksicht nimmt – und das erreicht man sicherlich nicht durch Rasen, durch schneller irgendwo sein, durch Überholen, Drän­geln, kurzum: mit einem gesteigerten Jagdtrieb sozusagen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Vizekanzler, mit einem Tempo von 160 km/h geht es doch genau in die falsche Richtung, eben auch in Mentalitätsfragen. Denken Sie daran: In Frankreich hat man diesbezüglich auf Bewusstseinsbildung gesetzt (Abg. Großruck: ...Deutschland!) – und konnte damit diesen Erfolg erzielen. In Frankreich gab es öffentliche Werbespots, Fernsehsendungen; die Medien berichteten jeden zweiten Tag über verheerende Unfälle. Abschreckung wurde sozusagen öffentlich vorangetrieben. Und was machen Sie, Herr Bundesminister? – Mehr oder minder nichts anderes als eine Lobhudelei über Tempo-Raserei!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 128

Ich habe jetzt ein bisschen übertrieben, Herr Vizekanzler, das gebe ich schon zu, aber: In einer solchen Situation muss man Ihnen das ganz klipp und klar sagen. (Abg. Groß­ruck: Der Joschka Fischer hat keine Freude mit dieser Rede!) Ich glaube, persönlich haben Sie, Herr Vizekanzler, es womöglich noch gar nicht begriffen, dass Sie mit Ihrem Vorschlag eine völlig falsche Verkehrsmentalität unterstützen. (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Scheibner: Sie rasen ordentlich über das Ziel mit dieser Rede!)

Ich hoffe aber, Herr Vizekanzler, dass ich in Ihnen durchaus einen Partner dafür finden könnte – und darum werden wir uns hoffentlich gemeinsam bemühen –, dass es in Österreich zu einer richtigen Verkehrsmentalität kommt, das heißt: zu einer lebens­rettenden. Und das geht nur mit weniger Geschwindigkeit.

Denken Sie, meine Damen und Herren, an Skandinavien, denken Sie an die Vereinig­ten Staaten, wo es vergleichsweise wenig Verkehr auf den Überlandstraßen sowie auf den Autobahnen gibt; teilweise begegnet man an einem Tag vielleicht zehn Autos. Dort könnte man das Gefühl haben, die Bahn ist sozusagen frei, da kann man so richtig drauflos fahren, ein Unfallrisiko ist nicht gegeben, weil es ja nur geringes Verkehrs­aufkommen gibt. – Dem ist aber nicht so: In diesen Staaten ist eine Verkehrsmentalität, eine Verkehrsdisziplin vorherrschend, wo trotz freier Straße, wo trotz freier Fahrbahn Rücksicht genommen wird und jeder damit rechnet, dass ihn irgendein unvorher­gesehenes Ereignis zu einem plötzlichen Bremsmanöver zwingt.

Deshalb gibt es eben in diesen Ländern Geschwindigkeitsbeschränkungen, die einge­halten werden, und deshalb gibt es dort andere Unfallstatistiken als bei uns und eine Senkung der Zahl der Verkehrstoten. Schweden hat sich zum Ziel gesetzt – damit möchte ich schließen –: null Verkehrstote.

Das sollte doch auch in unserem Lande unser aller Ziel sein, Herr Vizekanzler! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wittauer: Dann müssen wir die Autos abschaffen!)

15.53


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mandak zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. Sie kennen die Ge­schäftsordnung, Frau Abgeordnete. – Bitte.

 


15.54.03

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Vizekanzler Gorbach hat hier behauptet, er habe in den Minuten, die er zu spät gekommen ist, wichtige Verhandlungen mit Bürgermeister Häupl geführt. – Diese Aus­sage ist unrichtig!

Wahr ist vielmehr, dass der Herr Vizekanzler bereits um 14.58 Uhr mit Journalistinnen und Journalisten in der Säulenhalle gestanden ist und offenbar Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache betrieben hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Vizekanzler Gorbach: Also das ...! – Abg. Großruck: Na geh, bitte! Kindergarten!)

15.54


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


15.54.43

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Großruck: „Liebe Kinder!“, musst du noch sagen!) Ich kann mich wirklich nur wundern darüber, was von manchen hier, meine Damen und Herren, zum Gegenstand tatsächlicher Berichtigungen be­zie-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 129

hungsweise Dringlicher Anfragen gemacht wird. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.)

Frau Kollegin Glawischnig, eines gleich vorweg: Die ÖVP wird nichts tun, wird nichts unternehmen, was die Sicherheit der Menschen oder ihre Gesundheit auch nur in irgendeiner Weise gefährden würde; da werden wir schon auf der Hut sein! (Zwi­schenruf der Abg. Dr. Gabriela Moser.) Sagen möchte ich Ihnen aber auch: Es kann nicht so sein, dass Sie das Wort „Verkehrssicherheit“ immer dann, wann es Ihnen passt, in den Mund nehmen, dass Sie aber dann, wenn es darum geht – wie das gestern beim Vormerksystem der Fall war –, etwas zu beschließen, was wirklich ein Meilenstein in Sachen Verkehrssicherheit ist, mit vielen gescheiten Aussagen und Ausreden dem nicht zustimmen. (Abg. Mag. Molterer: Wieso „gescheiten“?) Das ist eine Haltung, die ich persönlich nur sehr schwer akzeptieren kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir von der ÖVP stehen natürlich für individuelle Mobilität, stellt diese doch eine wesentliche Säule unserer Gesellschaft dar. Ich erinnere in die­sem Zusammenhang an die Neustrukturierung der Österreichischen Bundesbahnen. Das war bei Gott eine schwierige Diskussion; das alles war nicht leicht.

Jetzt wollen wir die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs in Angriff neh­men, denn auch das gehört zur Mobilitätsfrage. Frau Kollegin Moser, wir erneuern jetzt die Straßen und Autobahnen Österreichs. In den Lärmschutz wurden von uns Millionen von Euro investiert; so viel ist noch nie investiert worden! (Abg. Dr. Gabriela Moser: Ja, wir bräuchten weniger, wenn wir nicht so schnell fahren!) Die Leitschienensysteme werden gleichfalls neu gemacht. Das alles sind Dinge, die enorm viel zur Verkehrs­sicherheit beitragen.

Gleichzeitig – auch das darf ich erwähnen – hat Herr Umweltminister Pröll die Bei­mischung von Bio-Sprit durchgesetzt, was zu einer Reduktion von jährlich 1 Million Tonnen Schadstoffe führt. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Wir könnten es billiger haben mit weniger Tempo!) Umweltminister Pröll plant weiters, Sprit sparendes Fahren sozu­sagen en vogue zu machen. Bundesminister Pröll möchte das forcieren, möchte, dass eine solche Einstellung praktisch in den Köpfen der Menschen verankert ist.

Allerdings kann – und das war uns von jeher klar – Freiheit im Verkehrsgeschehen nicht grenzenlos sein; das wissen wir längst. Selbstverständlich muss auch da auf die Auswirkung auf die Umwelt und auf die Gesundheit der Menschen Rücksicht ge­nommen werden.

Da Sie, Frau Kollegin Moser, mich jetzt so herzerweichend anschauen, muss ich Ihnen schon sagen: Da Sie gestern bei einer solch wichtigen Sache nicht mitgestimmt haben, sind Sie für mich nicht glaubwürdig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Sind Sie jetzt für oder gegen Tempo 160? Sagen Sie jetzt etwas dazu!)

Hier heraußen zu sagen, dass Sie für Verkehrssicherheit sind, dann aber bei jeder Gelegenheit dagegen zu sein, wenn wir etwas machen, das kann ich nicht akzeptieren. Auch nicht, wenn Sie das machen, Frau Kollegin Glawischnig. Sie haben gestern auch nicht mitgestimmt!

Ich sage Ihnen auch noch ein paar andere Dinge, wo Sie nicht mitgestimmt haben. Was war bei der Sicherheitsweste? Beim Vormerksystem? Beim Lenken von Fahr­zeugen unter Drogeneinfluss? Wo waren Sie, als wir das beschlossen haben? Wo waren Sie, als wir jetzt im Zuge des Vormerksystems die Strafe für Alkolenker erhöht und verschärft haben? Wo waren Sie da, Frau Kollegin Moser? (Abg. Dr. Gabriela Moser: Ich war hier und wollte etwas Besseres! Wir wollten Besseres!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 130

Wir haben jetzt beschlossen, dass das Rasen im Zuge des Vormerksystems stärker bestraft wird, und wollten damit ein ganz deutliches Signal geben. Ihre Zustimmung zu all diesen Punkten hat gefehlt!

Verkehrssicherheit ist unteilbar – entweder ist man dafür oder dagegen, und bei Ihnen kenne ich mich nicht aus. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Wir haben extra einen Antrag eingebracht!) Das ist eine Verwirrung, die Sie da bewirken. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Diesen Eindruck habe ich auch.

Es gibt einen Grundsatz, Frau Kollegin Moser: Verkehr ist Realität. Wir, die ÖVP, wollen die Mobilität erhöhen, wo dies möglich ist. Das ist aber nicht überall möglich und auch nicht überall sinnvoll. Das wissen wir, und das ist ein Grundsatz. Wir werden aber eine Diskussion darüber führen müssen und führen dürfen. (Abg. Dr. Glawischnig: Wieso müssen wir?) Wir lassen uns das von niemandem verbieten. Das heißt, auch Diskussionen zu führen kann beim Verkehrsteilnehmer bewusstseinsbildend wirken, meine Damen und Herren – das wissen auch Sie ganz genau. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Sagen Sie uns Argumente, die für 160 sprechen!)

Und weil Sie, Frau Kollegin Glawischnig, den gestrigen Verkehrsunfall erwähnt haben: Jeder Verkehrsunfall mit Verletzten und Toten berührt mich unheimlich, weil ich weiß, was das bedeutet, welches Leid dahinter steckt. Aber ich sage Ihnen: Möglicherweise hätte dieser Verkehrsunfall mit einer Verkehrsbeeinflussungsanlage ... (Abg. Dr. Ga­brie­la Moser: Da war ja eine!) – Passen Sie auf, da gibt es einen wesentlichen Unterschied. (Vizekanzler Gorbach: Nebelwarnanlage!) Genau auf diesen Einwand habe ich gewartet, Frau Kollegin Moser, denn jetzt ist es klar: Sie kennen sich nicht aus!

Eine Verkehrsbeeinflussungsanlage, wie sie der Minister fordert, hätte diesen Unfall entweder verhindert oder in seinen Folgen deutlich reduziert. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Da war ja eine Anlage!) Eine Verkehrsbeeinflussungsanlage sagt nämlich nicht, dass Nebel ist, sondern hätte gleichzeitig auch eine Geschwindigkeits­reduzie­rung verordnet und zur Folge gehabt. Genau darum geht es. (Abg. Sburny: So viel zur Vernunft der Leute, die Sie immer beschwören!)

Wir brauchen ein möglichst flexibles System. Und ich sage Ihnen, im Regelfall werden diese Verkehrsbeeinflussungsanlagen ein niedrigeres Tempo vorschreiben als 130, was bisher zur Gänze gegolten hat. Frau Kollegin Moser! Wenn Ihre Argumente stim­men, dann beantworten Sie und Frau Kollegin Glawischnig mir zwei Fragen. Wieso ist dann in Deutschland die Zahl der Toten und Verletzten auf den Autobahnen geringer als bei uns? – Erste Frage. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Weil es seit sieben Jahren einen Punkteführerschein gibt!) Zweite Frage: Gibt es einen Antrag der Grünen in Deutschland, das Tempo auf den Autobahnen zu reduzieren? – Das sind Fragen von mir an Sie. Mir ist Derartiges nicht bekannt. (Abg. Öllinger: Das ist kein Argument!) – Das ist schon ein Argument, denn in Deutschland haben sie eine relativ gute Unfalls­entwicklung pro Kopf. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Punkteführerschein!) Wir wollen dorthin, ja wir wollen noch viel weiter hinunter, meine Damen und Herren. Aber ich erwarte mir auch, dass Sie dann mit dabei sind, Frau Kollegin. Also wir könnten da einiges an Unsicherheit von nicht geübten Autofahrern durchaus reduzieren.

Verkehrsbeeinflussungsanlagen sind eine neue Technik und beinhalten völlig neue Strategien.

Und ich sage Ihnen auch, im Bereich von Städten, im Nahbereich von Städten, wie Wien, Graz oder Linz, ist jetzt Tempo 100 verordnet – und selbstverständlich wird das so bleiben, wird das so bleiben müssen wegen der hohen Verkehrsdichte zum einen und wegen der hohen Schadstoffbelastung zum anderen. Es denkt doch gar niemand daran, da anders vorzugehen!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 131

Frau Kollegin Glawischnig, eine Geschichte hat mich auch geärgert, weil Sie da aus meiner Sicht auch sehr stark manipulieren. Sie zitieren Umfragen – Sie haben jetzt selbst eine solche Umfrage in Auftrag gegeben – und sagen, von Salzburg nach Wien wären lediglich ein paar Sekunden Einsparung möglich. – Na selbstverständlich! Wenn man es genau durchrechnet, sind es 29 Minuten und etliche Sekunden, also fast eine halbe Stunde, wenn ich von Salzburg nach Wien mit Tempo 160 anstatt mit 130 fahren würde. (Abg. Dr. Glawischnig: Das kann nicht sein!)

Das ist so nicht okay. Daher sind wir für eine Diskussion, die wir umfassend führen. Wir wollen diese Diskussion im Sinne und Interesse der Verkehrssicherheit in Österreich führen, und wir werden uns das nicht verbieten lassen. Nach dieser Diskussion wird es eine Entscheidung geben, und da werden wir die Umwelt und die Verkehrssicherheit natürlich in erster Linie beherzigen und berücksichtigen, seien Sie sich dessen sicher.

Unser Ziel ist es, den Verkehr sinnvoll zu steuern und einen Ausgleich zwischen dem berechtigten Wunsch nach Mobilität und der erträglichen Belastung für die Menschen und die Umwelt zu finden. Vielleicht ist mit diesen Grundsätzen eine Antwort auf Ihre Fragen gegeben. Wir als ÖVP stehen dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

16.02


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Eder. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.02.41

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine beiden Her­ren Staatssekretäre! Ich darf vielleicht vorweg noch etwas Erfreuliches aus meiner Sicht sagen. Ich freue mich, dass es Herrn Bürgermeister Häupl gelungen ist, in Verhandlungen mit dem Herrn Vizekanzler für Wien ganz wichtige Verkehrsprojekte wie Europa-Bahnhof Wien, Nordost-Umfahrung, Tunnellösung, Bahnverbindung Bratis­lava zu verhandeln. Und aus meiner Sicht verzeihe ich Ihnen die paar Minuten Zuspät­kommen, denn das sind für mich wichtigere Dinge als die Frage, ob Sie pünktlich sind oder sich um zwei Minuten verspäten. Es ist, wie ich meine, da wirklich etwas weiter­gegangen, und das ist sehr, sehr erfreulich! (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP sowie bei den Freiheitlichen.)

Ich komme damit zu dem Thema, das wir jetzt diskutieren, und komme auf das zurück, was der Herr Vizekanzler vorhin gesagt hat. Er meinte, er wolle hier eine breite Dis­kussion in dieser Frage, und ich finde das auch richtig. Nur, Herr Vizekanzler, ich finde, der Zeitpunkt ist etwas verfrüht. Wir haben jetzt 2005, und wenn ich Sie richtig ver­standen habe, werden die Voraussetzungen, um überhaupt über so etwas diskutieren zu können, erst ab 2008/2009 gegeben sein, weil es bisher keine Strecke gibt, wo es auf Grund der derzeitigen technischen Voraussetzungen – all der Voraussetzungen, die Sie genannt haben – überhaupt möglich ist, dieses Tempo zu fahren.

Ich könnte natürlich jetzt ein bisschen einen Witz machen und sagen, ich könnte mir als erste Teststrecke für Tempo 160 die Strecke Wiener Neustadt – Wien vorstellen, denn dort steht sowieso jeden Tag alles, also da kann dann keiner etwas anstellen, aber ich glaube, das ist nicht in Ihrem Sinne, sondern Sie haben das ja anders ge­meint.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube aber, hinter dieser ganzen Dis­kussion steckt eher eine sehr starke politische Überlegung des Herrn Vizekanzlers. Er ist ja ein politischer Fuchs und weiß und sieht ja ganz genau, wie der Freiheitlichen Partei die Wähler davonlaufen. Daher kann man sich irgendwelche politische Felder suchen, wo man hofft, wieder Wählerstimmen zurückzubekommen, und da wäre


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 132

natürlich Tempo 160, was natürlich ein bestimmter Personenkreis in Österreich durch­aus will, als ... (Abg. Öllinger: Da müsste Tempo 250 kommen!) Aber da müsste er das Tempo erhöhen! 160 werden wahrscheinlich nicht ausreichen.

Ein zweites Argument geht nämlich auch in diese Richtung. Es sollen auch die Motor­radfahrwünsche mittelalterlicher Herren befriedigt werden, die einen B-Führerschein haben und relativ leicht zu einem A-Führerschein kommen sollen. Auch hier kann sich der Herr Vizekanzler vorstellen, dass Prüfungserleichterungen bei nachträglichem Er­werb eines Motorradführerscheins denkbar wären. – Auch darüber kann man disku­tieren!

Aber wenn ich das zusammengefasst betrachte, kommt mir das so vor, als stünden wir, was auch Zeitungen so schreiben, vor baldigen Neuwahlen. Daher versucht man, bis in den Herbst hinein jetzt einmal über Tempo 160 zu diskutieren, aber es fehlt der Hintergrund. Es ist überhaupt nicht notwendig. Daher wundert es mich auch, warum die Grünen dieses Thema heute so vehement aufgewärmt haben. Vielleicht ist man dieser politischen Überlegung sogar ein wenig auf den Leim gegangen, denn hätte man das Thema heute gar nicht behandelt, wäre es wahrscheinlich sowieso wieder eingeschlafen und das Wählersuchprogramm wäre eben nicht aufgegangen. So wer­den wir das eben jetzt ein paar Tage länger in den Medien haben. – Wobei ich schon dafür bin, dass hier inhaltlich argumentiert wurde, aber ob es politisch gar so gescheit war, ist eine andere Sache.

Ich glaube aber auch, dass der Herr Bundesminister und Vizekanzler – und das ist eine seiner Hauptzielrichtungen – eigentlich ablenken will. 160 ist eine Super-Diskussion! Wo immer man hinkommt, reden die Leute über die Geschwindigkeit. Jeder fährt Auto, jeder weiß, was das heißt. Somit lenkt man von den wirklichen verkehrspolitischen Fragen ab, die uns eigentlich alle bewegen und über die wir diskutieren sollten. Vieles ist ja schon von meinen Vorrednern gesagt worden.

Sogar Kollege Miedl hat einiges in dieser Richtung nicht ganz unrichtig insofern gesagt, als es um Verkehrssicherheit geht. Für Verkehrssicherheit sind wir alle, das hat ja auch der Herr Vizekanzler bestätigt. Aber wenn wir so für Verkehrssicherheit sind, warum überlegen wir uns nicht zum Beispiel Wintersicherheitsprogramme, Ausrüstung für LKW, die alle Augenblicke quer auf den Autobahnen stehen, wenn es ein bisschen schneit, wodurch der ganze Verkehr zum Stehen kommt? Ich glaube, solche Dinge sollte man auch überlegen, und da sollte man mehr „Hirnschmalz“ hineinstecken, als man das zurzeit so gerne bei Tempo 160 macht.

Und ablenken, meine sehr geehrten Damen und Herren, will man natürlich von dem Debakel um den Generalverkehrsplan, wo absolut nichts weitergeht, ablenken will man von dem organisatorischen und finanziellen Desaster bei den Bundesbahnen, ablen­ken will man von der Unfähigkeit der Bundesregierung, die Postämter in Österreich in ausreichender Anzahl aufrechtzuerhalten. Die einen sind für die Postuniversaldienst­verordnung, andere in der Regierung sind dagegen. Es gibt da keine klaren Aussagen, Herr Bundesminister. Das wären Themen, zu denen Sie meines Erachtens klare und deutliche Worte finden sollten. 160 ist ein schönes Thema, aber das löst die wirklichen Probleme unseres Landes nicht.

Dazu kommt eine Reihe von weiteren größeren und kleineren Katastrophen, wie die Streitereien mit dem ASFINAG-Management. Da wird der Generaldirektor der ASFINAG in die Wüste geschickt – kein Mensch weiß eigentlich, warum. Oder hängt das doch mit Europass zusammen, wo man hier kaufen will und wo der Herr General­direktor nicht kaufen wollte beziehungsweise nicht so viel kaufen wollte, als man eben vielleicht mit anderen Freunden schon besprochen und überlegt hat?


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 133

Oder reden wir über die misslungene Linienprivatisierung bei den Postbussen – auch dort geht es drunter und drüber – oder über die ausständige Nahverkehrsreform, über die wir eigentlich reden sollten, damit die Leute in der Früh rechtzeitig in die Arbeit kommen. Die Westbahn fährt nämlich heute schon 160, während die Südbahn 60 fährt. Das sind die Themen, über die man natürlich reden sollte. Oder über die Konsumen­tenfragen im gesamten Verkehrsverbund Ostregion: 5 Prozent Preiserhöhungen haben wir da gehabt! – Herr Bundesminister! Wir hätten viele, viele andere Themen, über die wir hier sprechen sollten.

Kommen wir wieder zurück zu Tempo 160. – Die ASFINAG hat in einer Stellungnahme auch auf die mögliche Schadenersatzpflicht im Falle erlaubter erhöhter Fahrgeschwin­digkeiten hingewiesen, da die so genannte Ausbaugeschwindigkeit der österreichi­schen Autobahnen 130 betrage. Das heißt, wenn einer schneller fährt und etwas pas­siert, wer trägt dann die Haftung? Tragen Sie sie dann, Herr Minister, der Bund oder die ASFINAG? Wer wird da zur Kasse gebeten?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja auch nichts Neues, was wir hier diskutieren. Bereits vor eineinhalb Jahren gab es einmal den Vorschlag vom Klub­vorsitzenden der ÖVP-Steiermark, mit 150 einen Vorstoß zu machen. Wir haben damals auch diesen Vorschlag ernst genommen – es war so ein bisschen ein Sommer­loch, eine Sommerdiskussion –, haben auch hinsichtlich 150 mit überlegt, ob das Sinn machen könnte oder nicht Sinn machen könnte. Nach reiflicher Überlegung sind wir natürlich auch zu dem Schluss gekommen, dass die Flexibilisierung der Geschwin­digkeitslimits in aller Zukunft ein Ansatz ist. Die Telematik wird das mit ermöglichen und dabei helfen.

Aber wir sind noch nicht so weit, daher halte ich diese Diskussion für verfrüht. Es sagt niemand, dass man nicht Telematik für mehr Flexibilität in der Verkehrssicherheit ein­setzen soll und kann. Ich glaube aber nicht, dass wir vor 2008, 2009 ernsthaft darüber reden können.

Die so genannte Section Control ist an und für sich ein teures Vergnügen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den bis 2010 geplanten Strecken macht allein die Section Control bereits 250 Millionen € aus. Wer zahlt denn das? – Das zahlen wieder die Autofahrer über ihre Vignette oder über die Maut, die man da bezahlen muss. Das zahlen die Autofahrer alle selber. In diesem Zusammenhang stellt sich für mich schon auch die wirtschaftliche Frage. Flächendeckend würde die Section Control mehr als 1 Milliarde € kosten. Das muss man doch alles finanzieren!

Daher glaube ich, dass wir noch lange nicht so weit sind. Wir sollten meines Erachtens viel mehr auf Verkehrssicherheit, auf Sicherheitsprogramme setzen – Sie haben auch einige in Ihrem Ministerium liegen, wir haben einige Ergänzungen dazu gemacht –, als uns über 160 km/h zu unterhalten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.11


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wittauer. 7 Minuten Redezeit. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


16.11.42

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Her­ren Staatssekretäre! Hohes Haus! An die Grünen: Willkommen im 21. Jahrhundert! Es ist eben so, dass sich vieles verbessert. Wir werden darauf noch zurückkommen.

Frau Abgeordnete Moser, Sie haben hier immer gerne Albert Einstein zitiert. Albert Einstein hat einmal gesagt, dass sich durch die technische Entwicklung die eigene Geschwindigkeit verhundertfacht, wenn nicht vertausendfacht hat, aber das Gehirn des Menschen im gleichen Zeitraum dadurch nicht in derselben Geschwindigkeit wächst.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 134

Frau Abgeordnete Glawischnig, Ihr Antrag oder Ihre Anfrage beweist dies. Man denke nur an den Beginn der Eisenbahnstrecken. Bei der ersten Eisenbahnstrecke, die gebaut worden ist, hat sich keiner vorstellen können, dass ein Zug darauf schneller als mit 40 km/h fahren könnte. Heute: Hochgeschwindigkeitsbahnen, man fliegt auf den Mond. Wenn man die heutigen Autos mit jenen der Vergangenheit vergleicht, dann sieht man, dass diese miteinander nichts mehr zu tun haben. ABS, Allrad, die Reifen, die Straßen sind besser geworden.

Dann macht sich der Verkehrsminister Gedanken über den Verkehr. Wenn es nach mir ginge, würde ich ihm eher den Namen „Verkehrssicherheitsminister“ geben, weil ge­rade unter ihm in Fragen der Sicherheit am meisten geschehen ist. Unser Verkehrs­minister sagte: Diskutieren wir über 160 und schauen wir uns an, wo dies möglich ist und unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist!

Was machen die Grünen? – Die halbe Nation glaubt, auf allen Autobahnen wird 160 km/h erlaubt. Ich habe gerade vorhin von der Frau Abgeordneten Moser – da weiß ich, wie gut sie informiert ist – gehört, dass ein Kollege sie gefragt hat: Bedeutet das auch 160 plus 50? Dann haben wir 210!

Ich glaube, Sie hören nicht einmal dem Verkehrsminister zu. Er hat ganz klar gesagt, 180 ist die Obergrenze. Alles, was über 180 ist, wird auf der Autobahn sofort mit Führerscheinentzug sanktioniert. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Klar, man muss sich schon mit den Inhalten auseinander setzen. Sie schreien, jammern, hören aber nicht zu, was derjenige, der diesen Vorschlag gemacht hat, sagt. Es ist nicht einmal ein Vorschlag gewesen, sondern er hat nur gesagt, diskutieren wir darüber, es wäre sinnvoll. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van der Bellen: Wozu überhaupt?)

Wenn ich dann die Argumente höre, muss ich sagen, es ist auch falsch, ich bin nicht da herausgegangen, um etwas tatsächlich zu berichtigen. Frau Abgeordnete Moser! Dreispurige Autobahnen in Italien, wenn es trocken ist und wenn das Wetter es zulässt, 150 km/h erlaubt. (Abg. Dr. Glawischnig: Italien nicht! – Abg. Dr. Van der Bellen: Wo denn?) Nicht nur in Deutschland, wo ein Drittel aller Autobahnen ohne Geschwindig­keitsbegrenzung ist. Das ist schon wieder eigenartig: Wenn wir eine Verkehrssicher­heitsdiskussion haben, dann wird Deutschland von Ihnen zum Vergleich heran­gezogen!

Herr Abgeordneter Van der Bellen! Deutschland hat weitaus weniger Verkehrstote. Wir sind da Schlusslicht. Deutschland hält immer dann bei Ihnen her, wenn es um irgend­welche positiven Zahlen geht. Auf einem Drittel der Autobahnen dort gilt keine Ge­schwindigkeitsbegrenzung. (Abg. Dr. Van der Bellen: Jetzt plötzlich ist Deutschland Vorbild?)

Wenn man die Strukturen anschaut, dann sieht man, dass sie bei uns mindestens gleich gut wie in Deutschland sind. Warum sollte man das nicht auf gewissen Strecken, dreispurig, gerade, keine Kurven, erlauben? (Abg. Dr. Van der Bellen: Wegen CO2, der Unfallgefahr, dem Lärm!) Ich weiß, es geht um die Raser, wie Sie die Autofahrer bezeichnen. Alles, was über 30 km/h fährt, ist bei Ihnen schon Raserei. Am besten wäre es, wenn die Autobahnen begrünt würden, damit bei 80 schon jeder das Gefühl hat, dass er rast. Das ist Ihre Politik!

Wir geben Milliarden und Abermilliarden aus, um gute Straßen zu haben, um ein gutes Verkehrsnetz zu haben. Das Verkehrsnetz wird bei Ihnen nur genutzt, um ein bisschen darüber zu reden und immer dort zu kritisieren ... (Zwischenruf des Abg. Öllinger.)

Herr Abgeordneter Öllinger! Sie sind nicht einmal im Verkehrsausschuss, Sie kennen sich im Verkehr überhaupt nicht aus. Ich weiß nicht, welchen Verkehr Sie betreiben, aber den auf alle Fälle nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 135

Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich gerade fahre, schönes Wetter habe, keinen Verkehr. Frau Abgeordnete Moser! Zweimal haben Sie sich widersprochen. Ein Beispiel: Wenn man 160 fährt, muss der Abstand größer sein, dann können nicht so viele Autos fahren, da müsste man mehr Stau haben. – Das ist ein totaler Blödsinn! (Abg. Öllinger: Na, na!) Danach haben Sie gesagt, ganz zu Recht, dass eigentlich bei 160 gar kein Verkehr oder sehr wenig Verkehr sein muss. Deshalb hat auch der Minister gesagt: Verkehrsbeeinflussungsanlage, Verkehrsleitsystem, Überbalken ... (Abg. Öllinger: Oh je!)

Wenn viel Verkehr ist, Geschwindigkeit runter, wenn wenig Verkehr ist, Geschwindig­keit hinauf.

Wenn ich heute darüber diskutiere und die Verkehrssicherheit betrachte – vom letzten Jahr auf dieses Jahr 50 Tote weniger –, dann muss ich sagen: Das Ziel, das die Sozial­demokraten einmal definiert haben, nämlich Halbierung der Zahl der Verkehrstoten, erreichen wir unter dieser Regierung allemal! Davon bin ich überzeugt, und zwar auf Grund der engagierten Umsetzungen und der Tatsache, wie viel Geld da investiert wird.

Abgeordneter Eder hat von Section Control in ganz Österreich gesprochen. – Das will doch gar keiner! Wir wollen nur dort Section Control, wo wirklich gefährliche Stellen sind, wo viele Unfälle passieren. Der Kaisermühlentunnel hat es bewiesen: Senkung auf null. Da sagen Sie nichts! Kommen Sie heraus, sagen Sie einmal, das sind gute Leistungen! Man hat dort, wo Gefahr droht, sofort reagiert.

Auch Abgeordneter Miedl hat gesagt, nicht allein die ÖVP sorgt dafür, dass die Sicher­heit hochgehalten wird, sondern wir alle. Unter unserem Verkehrsminister ist etwas weitergegangen!

In Tirol werden 30 Millionen € investiert, auf einer Strecke, wo die Anrainer belastet sind, wo wir über Transit nicht nur reden, sondern uns tagtäglich damit beschäftigen, weil wir dort wohnen, wo wir viel Geld investiert haben in den Brenner-Basistunnel, um dies auch zu regeln. Dort diskutiert keiner über 160. Dort haben wir die Geschwindig­keitsbegrenzung mit 100, wegen Lärm und wegen vieler Umweltfaktoren, aber es reicht nicht.

Wenn Sie heute die Geschwindigkeit dafür verantwortlich machen, dass die Umwelt belastet wird, dann sage ich Ihnen: Wissen Sie, wodurch wir die größte Verkehrs­steigerung haben? – Es ist einfach der Beitritt der neuen Länder. Das ist ein Faktum. Wir haben das immer kritisch beurteilt. Wenn ich bei uns auf der Autobahn fahre, dann sehe ich, es ist jedes zweite oder dritte Auto schon polnisch, ungarisch oder eben eines aus den neuen Beitrittsländern.

Als Sie zugestimmt haben, haben wir das kritisch gesehen. Ich habe das auch im Wahl­kampf gesagt: Keine Zustimmung zu dieser Erweiterung, wenn der Transit nicht geregelt ist! Sie haben gesagt: Natürlich öffnen, die Probleme kann man in Europa lösen.

Jetzt haben wir den europäischen Verkehr auf unseren Straßen, und Sie beklagen sich dann, dass 20 000 Kinder Bronchitis haben. Ich kenne das Problem, wir leiden darun­ter. Glauben Sie mir, die FPÖ unter Verkehrsminister Gorbach wird es nie zulassen, dass in Ballungszentren 160 gefahren wird! Da denkt doch keiner daran. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Reden wir über die Voraussetzungen: flexible Geschwindigkeitsanzeigen. Das ist bei Nebel ein Problem gewesen. Nebel allein hat die Menschen anscheinend nicht abge­halten, mit zu hoher Geschwindigkeit zu fahren. Flexibel heißt, dass die Geschwin­digkeit sofort dort reduziert oder erhöht wird, wo es wichtig und sinnvoll ist.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 136

Die Ziele und Vorstellungen des Vizekanzlers können wir somit nur unterstützen. Wir werden das tun, auch ohne Ihre Unterstützung und ohne die Jammerei, die Sie ver­breiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Wunsch­redezeit: 7 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.20.00

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Hohes Haus! Irgendein alter Schlager lautet: „Zwickt’s mi, i’ man, i’ tram!“ – So etwas Ähnliches fühle ich jetzt. (Heiterkeit bei den Grünen. Abg. Scheibner: Das geht weiter: „Des derf net woar sein, wo san ma daham!“)

Man lernt natürlich unheimlich viel. Herr Abgeordneter Miedl konfrontiert uns mit der Weisheit: Verkehr ist – raten Sie! – Realität. – So weit waren wir schon einmal, glaube ich. Mein Vorredner bringt die Richtgeschwindigkeit oder Zielgeschwindigkeit mit dem Mondflug in Zusammenhang. (Abg. Scheibner: Bei dem Lied geht es aber um Alko­holismus und nicht um Geschwindigkeit!)

Es ist natürlich eigenartig, dass all diese Vorschläge meiner Meinung nach so inter­essant sind wie eine Fliege im Kaffe und dass sie von einer Regierungspartei kommen, die ich bis jetzt eigentlich eher im Rückwärtsgang erlebt habe. (Abg. Dipl.-Ing. Misse­thon: Jetzt sind wir auf Sie neugierig!)

Wenn ich die einzige Vorwärtsbewegung einer Regierungspartei auf Autobahnen reduziere, so wäre das vielleicht ein ganz guter Vorschlag, aber nicht sehr gesund. (Abg. Sburny: Aber nicht so schnell!)

Apropos Rückwärtsbewegung: Es kommen ja ohnehin schon Einschränkungen. Das Wetter muss passen, die Sicht muss passen, heißt es. (Abg. Dr. Glawischnig: Ziel­orientierung ist wichtig! Man muss etwas Wichtiges vorhaben!)

Es hat ja einmal den Film „Hinterholz 8“ gegeben. Mir fällt jetzt eine Szene ein, die würde ich dann eben „Hinterbolz 160“ nennen. – Bild: Fahrer streift sich genüsslich ein paar Rehlederhandschuhe über die Hände, umklammert zärtlich das Lenkrad. Seine Beifahrerin gibt ihm Anweisungen: Sichtweite – 100 Meter, Seitenwind – 5 Meter pro Sekunde von rechts, Sonneneinstrahlung – Südsüdwest nach Nordnordost, Fahrbahn­temperatur – 17 Grad, nächste Nebelbank über dem Golf von Biskaya. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Hurra! Rasch streckt sich sein rechter Spielfuß, und ein zärtliches Stöhnen quillt aus seinen Lippen. Nach drei Minuten: Section control. – Oh, Scheibe, sage ich jetzt nur mehr.

Also wenn das der Sinn der Sache sein soll! Vielleicht dann noch eine Grün-Forderung: Links und rechts Sturzräume von je 200 Metern, über eine Umweltver­träglichkeits­prüfung, dass die Autos auch ausrollen können. – Das kann es wohl nicht gewesen sein! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Ich persönlich hätte ja lieber Züge, die vielleicht schneller als 130 fahren. Da soll man 160 fahren können, auch 180! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Bei langsamen Zügen wie auf der Südbahnstrecke – Koralm hin oder her – wäre vielleicht einmal ein Speisewagen nicht übel. Das wäre vielleicht Innovation und Weltoffenheit! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es gibt natürlich zahlreiche Einwände gegen 160 km/h. Ich glaube, nur deshalb, weil einem Spielberg genommen wird, soll man sich nicht Spielwiesen auf der Autobahn errichten. (Heiterkeit bei den Grünen.) Was ich natürlich schon interessant finde, ist,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 137

dass es einerseits dieses unendliche Feindbild Rot-Grün in diesem „bösen“ Deutsch­land gibt, dass es jetzt aber heißt: Ach, deutsche Verhältnisse müssten wir haben, die dürfen einmal so richtig draufsteigen auf die Tube, bis sie leer ist.

Ja, aber was passiert dann? – Dass der Lärm stärker wird, hat Ihnen Abgeordnete Gla­wischnig erklärt. Darüber, dass die Unfälle häufiger werden, gibt es Studien. Es sind nicht alle Leute und ExpertInnen dumm, die Studien erstellen. – Davon würde ich nicht ausgehen. Amerika hat, glaube ich – Meilen umzurechnen ist schwieriger – von 90 km/h auf 110 km/h eine Zuwachsrate an Unfällen zwischen 19 und 34 Prozent gehabt, die Schweiz aber mit einer Reduktion um nur 10 km/h 12 Prozent weniger.

Dass der Lärm steigt, hat natürlich auch gesundheitliche Konsequenzen. Sie wissen, Lärm macht nervös. Man merkt es ja auch hier herinnen. Es ist selten still. (Abg. Scheibner: Sind Sie schon so nervös?) Lärm kann bei längeren Phasen der Einwir­kung Bluthochdruck bis zum Magengeschwür erzeugen. Wollen Sie das? – Ich glaube, nein, also fahren Sie langsamer!

Worauf ich mich konzentrieren möchte, ist das, was Kollege Miedl gemeint hat: dass in Österreich Feinstaub und Ruß ohnehin schon nahezu tonnenweise reduziert wurden. Aber die Zahl, die Sie genannt haben, ist genau das, was sich verkehrsbedingt ohnehin erhöht hätte. Das heißt, Sie verringern die Werte nicht, sondern Sie bewahren letztlich den Status quo.

Dass Bremswege natürlich auch kürzer werden, könnte der Mensch spüren. Auch wenn Wittauer meint, wir können zum Mond fliegen: Es genügen 20 km/h, um uns einen Fuß zu brechen, und bei 160 km/h passiert entsprechend mehr.

Ich komme kurz zum Feinstaub. Sie wissen, dass diese kleinen Partikel, die etwa so groß sind wie eine menschliche Zelle, bis in die tiefsten Lungenabschnitte geraten kön­nen, über die Bronchien hinaus bis in die Alveolen, und sich dort – als Dieselrußpartikel zum Beispiel – niederlassen. Auch über diese Auswirkungen gibt es ExpertInnen­mei­nungen.

Ich weiß schon: Natürlich ist Gott sei Dank nicht ganz Österreich eine Autobahn, und man fährt nicht überall 160. Wenn aber in 8 von 11 Messstellen in Tirol die Fein­staubgrenzwerte an mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten werden, würde ich alles vermeiden, das diese Feinstaubpartikelkonzentration erhöht. 160 km/h wird sich darauf nicht positiv auswirken. – Das sollte Ihnen auf jeden Fall hundertprozentig klar sein.

Wenn die WHO – und das ist nicht irgendein Verein! – für Europa feststellt, dass bis zu 13 000 zusätzliche Todesfälle bei Kindern im Alter von null bis vier Jahren durch solche Ruß- und Feinstaubpartikel verursacht werden – zugegeben: in allen 52 Staaten Euro­pas –, so ist das schon ein Ärgernis, und gar kein kleines, wenn man weiß, dass sich diese Partikel vorwiegend in Bodennähe aufhalten. – Kinder haben halt ihren Kopf logischerweise – das dürfte Ihnen auch einleuchten – bodennäher als wir, die wir über 1,60 Meter groß sind.

Dass dadurch Asthmaanfälle provoziert werden, auch ein chronisches Asthma bis zur Rechtsherzbelastung, Herzkreislaufbelastung bis zu kardiologischen Beschwerden, ist auch noch klar. Das Heimtückische ist – das sage ich Ihnen zum Schluss –, dass diese Rußpartikel natürlich nicht durch die Nase gefiltert werden – auch wenn man noch so viel Haare in ihr hätte –, auch nicht von den Bronchien, sondern die kommen an Stellen, an denen sie liegen bleiben.

Das heißt, die Folgen dieser Rußpartikel sind zum Beispiel lokale Tumore, sprich Lungen­krebs. Diese Folgen werden wir erst nach einer Latenzzeit von zehn, 15 oder 20 Jahren erleben. So lange möchte ich nicht warten, bis da wirklich innovativ und klug gehandelt wird.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 138

Lassen wir es also dabei: „Zwickt’s mi, i’ man, i’ tram!“ – Ich glaube, dieses Thema kann man so gut wie abhaken. (Abg. Dr. Bleckmann: Wieso haben Sie dann eine Dringliche Anfrage eingebracht?) – Um Ihnen zu helfen, das abzuhaken. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Dringliche Hilfe, keine Dringliche Anfrage!) Ob es etwas nützt, werden wir sehen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.27


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Staatssekretär Mag. Ku­kacka. Seine Redezeit beträgt maximal 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Öllinger: Das war eine Vorgabe, Herr Staatssekretär! Ruf bei den Grünen: ... aber das Niveau auch um mindestens 50 Prozent ...!)

 


16.28.06

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Wenn Sie mich nicht allzu lange unterbrechen und provo­zieren, werde ich mich sicher daran halten! – Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute eine Dringliche Anfrage zu diesem Thema be­handeln, dann ist mir ein Punkt besonders wichtig: Zuallererst ist mir wichtig, dass wir dieses Thema offen mit der notwendigen Sachgerechtigkeit und nicht primär unter dem Aspekt der persönlichen Emotion diskutieren. (Abg. Brosz: Deshalb hat der Gorbach auch zu den Schadstoffen nichts gesagt!)

Es ist auch sicher nicht klug, bei einem politischen Vorschlag sofort auf Konfrontation zu gehen, noch bevor alle Kriterien dazu gründlich überlegt worden sind. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Wir haben Überlegungen angestellt! Abg. Dr. Glawischnig: Das war ein guter Vorschlag, zuerst zu überlegen!)

Deshalb, meine Damen und Herren, muss im Entscheidungsprozess, ob auf gewissen Strecken unter gewissen Rahmenbedingungen auch schneller als 130 km/h gefahren werden darf, vor allem natürlich auch geklärt werden – und da stimme ich ja der Opposition zu –, ob dadurch zusätzliche Gefährdungen in puncto Verkehrssicherheit entstehen, ob allenfalls zusätzliche ökologische Belastungen verursacht werden (Abg. Öllinger: Das ist auch wahr!) oder ob andererseits – auch das muss natürlich ent­sprechend berücksichtigt werden – die Leistungsfähigkeit der Autobahnen und die Verkehrsflüssigkeit verbessert werden kann. Auch das muss selbstverständlich in die Überlegungen mit einbezogen werden.

Ich muss auch ganz deutlich festhalten, dass ich genau den eben genannten Stand­punkt immer vertreten habe und nicht – wie hier von der Frau Abgeordneten Gla­wischnig oder in der Einleitung der Dringlichen Anfrage behauptet – eine Forderung nach 160 km/h unterstützt habe. Eine solche Feststellung werden Sie von mir nicht hören, aber andererseits auch keine undifferenzierte Ablehnung. – Auch das möchte ich klar festhalten. (Abg. Dr. Van der Bellen: ... differenzierter!)

Meine Forderung und mein Anliegen war es immer, dass dieses Thema sachlich und unaufgeregt mit allen Pros und Kontras diskutiert und verhandelt werden soll. (Abg. Öllinger: Warum eigentlich? Ist Ihnen fad?) – Nein, mir ist nicht fad, sondern ich bin der Meinung, dass man ein wichtiges Thema, das auch die Bevölkerung bewegt – wie Sie das ja selbst auch gesagt haben –, selbstverständlich auch sachlich und umfas­send mit allen Vor- und Nachteilen diskutieren können soll. (Abg. Mandak: Was hat das für Vorteile? Abg. Öllinger: Wo liegt der Vorteil?)

Wenn wir die grundsätzliche rechtliche Möglichkeit für eine Erhöhung der erlaubten Höchst­geschwindigkeit betrachten, dann sehen wir, dass sie rein rechtlich bereits gegeben ist, denn in der StVO-Novelle des Jahres 2002 normiert der Gesetzgeber, dass die Behörde – bei Autobahnen eben der Bundesminister – durch Verordnung eine


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 139

solche höhere Geschwindigkeit – höher als die jeweilige gesetzliche Höchstgeschwin­digkeit – festlegen kann, wenn die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs es erfordern und wenn es die Verkehrssicherheit zulässt. (Abg. Dr. Gabriela Moser: „Erfordern“! Abg. Öllinger: Das gibt es nicht!)

Und genau darum geht es: diese Fakten entsprechend objektiv zu prüfen. Dieser Auf­gabe und dieser Zielsetzung sollen ja auch die bereits erwähnten Verkehrsbeein­flus­sungsanlagen dienen. Die ASFINAG hat ja die Investition für ein Verkehrsmanage­ment- und Informationssystem beschlossen, in das zukünftig jährlich 40 Millionen € investiert werden sollen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Ziele dieses Projektes Verkehrsleitsysteme von unmittelbarem verkehrspolitischen, aber auch verkehrssicherheitstechnischen Nutzen sind, denn damit wird nach den uns vorliegenden Untersuchungen die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Verkehrsflusses um bis zu 10 Prozent, eine Erhöhung der Verkehrssicherheit um bis zu 30 Prozent, die Reduktion der Unfallzahlen um bis zu 35 Prozent und eine Verringerung der externen Kosten – also der Staukosten und auch der Umweltkosten – möglich sein.

Weiters soll dadurch eine Verringerung der Störungen im Straßenbetrieb durch früh­zeitige Warnung vor Rückstau und vor ungünstigen Witterungs- und Fahrbahn­ver­hältnissen erreicht werden. (Abg. Sburny: Wenn Sie die Leute dazwischen schneller fahren lassen, gibt es mehr Stau! Das wissen wir seit 20 Jahren!)

Meine Damen und Herren! Wir schaffen also die Voraussetzungen dafür, dass der Verkehr sowohl sicherer als auch besser, effizienter und flüssiger abgewickelt werden kann. (Abg. Öllinger: Ziehharmonikaeffekt! Haben Sie davon schon einmal etwas gehört?)

Wo wären denn 160 km/h grundsätzlich möglich, meine Damen und Herren? Der Herr Vizekanzler hat darauf hingewiesen (Abg. Öllinger: Zwei Spuren hat er auch gesagt! Ich passe auf!): Nur dort, wo es ausgebaute dreispurige und ausreichend lange Ab­schnitte gibt. (Abg. Öllinger: Nein, zwei Spuren hat er gesagt! Also im städtischen Bereich!) Das gibt es nur auf der A 1 und auf der A 2 – der Süd Autobahn –, meine Damen und Herren!

In diesen Abschnitten wird nach den derzeitigen ASFINAG-Beschlüssen dort, wo auch dreispurig ausgebaut wird (Abg. Öllinger: Im städtischen Bereich!) – also nur zwischen dem Knoten Haid und dem Knoten Voralpenkreuz –, eine Verkehrs­beeinflussungs­anlage errichtet. Diese soll nach meinen Informationen erst bis zum Jahr 2007 fertig gestellt werden.

Die oberösterreichische Landesregierung hat außerdem erklärt, dass sie gegen eine entsprechende Tempoerhöhung in diesem Bereich ist. (Abg. Öllinger: Eben!) Natür­lich – und auch darauf hat der Herr Vizekanzler hingewiesen – wird man da auch mit den Landesregierungen das Gespräch suchen und gemeinsam zu einer Entscheidung kommen.

Meine Damen und Herren! Man wird dabei auch die europäische Perspektive berück­sichtigen müssen. Wenn wir kurz einen Blick auf die Tempolimits auf den Autobahnen der EU 25 werfen, dann stellen wir fest, dass in neun Staaten 130 das Tempolimit ist, wobei in Italien bei trockener Fahrbahn auch 150 gefahren werden darf. (Abg. Öllin­ger: Dürfte!)

In Deutschland – unter rot-grüner Regierung – gibt es überhaupt kein gesetzlich fest­gelegtes Tempolimit, sondern nur eine Richtgeschwindigkeit. In den übrigen EU-Län­dern liegt das Tempolimit auf Autobahnen bei 110 und 120, außer in Norwegen, wo die 90-km/h-Grenze gilt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 140

Die europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung 2003 festgehalten, dass zur He­bung der Verkehrssicherheit der Faktor Geschwindigkeit selbstverständlich in die politische Überlegung miteinbezogen werden soll. Nähere, genauere Festlegungen dazu hat die Europäische Union bisher aber nicht getroffen.

Auch diese europäischen Überlegungen und Perspektiven müssen natürlich ent­sprechend berücksichtigt werden, aber ich halte auch fest: Autobahnen sind sieben Mal sicherer als das niederrangige Straßensystem. (Abg. Dr. Van der Bellen: Nimmer lang!) – Auch das hat die Verkehrsstatistik gezeigt und wird Ihnen auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit bestätigen. (Abg. Öllinger: Mit Ihrer Politik nicht!)

Wir müssen daher alle entsprechenden wissenschaftlichen Daten und Fakten beson­nen und sachorientiert prüfen und evaluieren (Abg. Öllinger: Ihnen ist wirklich fad!), um entscheiden zu können, ob überhaupt und unter welchen Voraussetzungen auf welchen Strecken schneller als bisher erlaubt gefahren werden kann (Abg. Öllinger: Ihnen muss wirklich fad sein!), ohne unsere eigenen Zielsetzungen von mehr Ver­kehrssicherheit und ökologischer Verträglichkeit zu gefährden. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Sie haben wirklich keine anderen Probleme!)

Die ÖVP wird daher auch eine entsprechende Verkehrssicherheit-Enquete abhalten (Abg. Sburny: Was kostet das wieder? Wozu?), und zwar am 16. März, wo Experten von Siemens, des ÖAMTC, der ÖMV (Abg. Öllinger: Die ÖMV ist sicher dafür!), der Grazer Universitätsklinik, der ASFINAG, des Instituts für Fahrzeugsicherheit und des Kuratoriums für Verkehrssicherheit genau diese Faktenlage entsprechend sichern und auch die wissenschaftliche Grundlage für eine sichere und effiziente Verkehrspolitik dis­kutieren werden. (Abg. Öllinger: Die haben wir schon!)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich trete also dafür ein, dass dann, wenn ausreichend fachliche Informationen vorliegen, die als Grundlage einer gewissenhaften Entscheidung über die Einführung eines Feldversuches zum Tempo 160 und über die möglichen und geeigneten Autobahnstrecken und den richtigen Zeitpunkt herangezo­gen werden können, die weitere Vorgangsweise bei diesem Thema beraten und endgültig entschieden wird. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Öllinger: Warum eigentlich nicht Tempo 200?)

16.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Misse­thon. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.38.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Staatssekretäre! „Zwickt’s mi, i man i tram!“ – Jetzt weiß ich, was heraus­kommt, wenn grüne Gesundheitspolitiker über Verkehrspolitik diskutieren. (Abg. Scheibner: Keiner weiß, wie das Lied weitergeht!) Zwickt’s mi, i man i tram: Da kann es ganz schön philosophisch werden, Herr Professor, aber bei der ganzen Debatte kam nichts Inhaltliches, und das ist vielleicht auch der Unterschied. (Abg. Dr. Van der Bellen: Sind Sie für mehr Feingefühl? Abg. Dr. Grünewald: ... die geistige Gesund­heit, wissen Sie? Ruf bei den Grünen: Lungenkrebs!)

Ich möchte Sie ja verteidigen, Herr Professor, weil Herr Kollege Eder gesagt hat, wir sollten Diskussionen in diesem Haus nur führen, wenn sie quasi parteipolitisch und taktisch etwas bringen. (Abg. Binder: Das hat er nicht gesagt!) – Dieser Meinung bin ich nicht.

Ich halte die Diskussion für richtig, und ich halte es für sinnvoll, dass wir über Verkehrs­sicherheit hier heute eine Debatte führen. (Abg. Sburny: Das ist keine Diskussion über Verkehrssicherheit, sondern über Unsicherheit! Abg. Öllinger: Unsicherheit!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 141

Ich möchte auch den Ball, den Frau Kollegin Glawischnig aufgespielt hat, aufnehmen. Sie hat ja den Einstieg über die siebziger Jahre gewählt. Wir hatten damals natürlich eine völlig andere Situation. Ich kann mich erinnern: Es hat diese berühmt-berüchtigte Gastarbeiterroute durch das Palten- und Liesingtal gegeben, und in Leoben war die berühmt-berüchtigte Umfahrung, wo jedes Wochenende Dutzende Unfälle passiert sind.

Ich bin damals einen VW-Käfer gefahren, der 15 Liter gebraucht hat. Damals hat man seine Tagesrouten nach den erreichbaren Tankstellen konzipiert. Eine Reise nach Wien ist damals so verlaufen, dass man im Mürztal die Orte quasi komplett durchquert hat, dann ist man über den Semmering gefahren, und damals hat es noch die berühm­te Neunkirchner Allee gegeben. Schließlich hat man sich über Spinnerin am Kreuz hineingestaut. (Abg. Dr. Glawischnig: Das ist sehr interessant, aber was hat das mit dem Thema zu tun?) Ich sage das deshalb dazu, weil ich glaube, dass es, wenn wir uns die heutige Situation anschauen, sehr plakativ ist, wie sich die gesamte Verkehrs­situation in diesem Land verändert hat.

In der ersten Phase haben sich die Technologien der Autos unglaublich verändert. Wir müssen bedenken, welche Sicherheitssysteme heute in die Autos eingebaut sind und wie sehr die ökologischen Komponenten wie Benzinverbrauch oder Lärm verbessert wurden. Ich kann mich erinnern, dass man in meinem VW-Käfer bei 70 km/h kein Radio mehr gebraucht hat, weil man ohnedies nichts mehr verstanden hat. Da war der Lärm drinnen gleich groß wie draußen.

Das hat sich massiv verändert. Die Straßen-Infrastruktur wurde wirklich modernst aus­gebaut, und gerade die Steiermark hat mit dem Automobil-Cluster sehr viel zu dieser Technologieentwicklung bei den Autos beigetragen. Firmen wie Magna, AVL und Pankl sind weltweite Technologie-Driver in Sachen Verkehrssicherheit und in Sachen Ökologie. Die hellen Köpfe in der Steiermark, Herr Professor, haben dieses Land zu einem der begehrtesten Plätze weltweit in dieser Branche gemacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Van der Bellen: Obwohl kein Tempo 160?)

Ich komme jetzt zu dieser Perspektive. – Es wurde also dafür gesorgt, dass die Autos beziehungsweise die Verkehrsträger sicherer geworden sind, wir haben dafür gesorgt, dass das, was sich quasi rundherum befindet, sicher ist, also die Autobahnen, die Leit­schienen und so weiter. Ein aus meiner Sicht wichtiges Entwicklungspotential besteht in der Frage der Verkehrsleitsysteme. (Abg. Dr. Van der Bellen: Wozu brauchen wir die 160?) Ich sage Ihnen heute: Diese Diskussion hinsichtlich Tempo 160: ja oder nein? ist mir persönlich zu einfach, denn es gibt Situationen auf der Autobahn, in welchen 80 zu viel ist. (Abg. Dr. Van der Bellen: Ja eh!) Da ist 80 zu viel! In diesem Zusammenhang handelt es sich um die Frage der Technologien der Verkehrsleit­systeme, und diese Frage hat aus meiner Sicht sehr wohl etwas mit Verkehrssicherheit und mit Umweltaspekten zu tun. (Abg. Öllinger: Darüber brauchen wir jetzt aber nicht zu diskutieren!) Diese Frage, Herr Professor, auf 160: ja oder nein? zu verkürzen, ist mir persönlich in dieser Debatte zu wenig! (Abg. Öllinger: Das verlangen Sie aber!)

Die Fragen, die sich stellen, sind: Wie steuern wir die Verkehrsströme insgesamt in den nächsten Jahren? (Abg. Dr. Van der Bellen: Mit Tempo 160?) Wie entschleunigen wir in gewissen Situationen den Verkehr? (Abg. Dr. Van der Bellen: Sicherlich nicht mit 160!) Und, Herr Kollege: Wie beschleunigen wir möglicherweise in bestimmten Situationen den Verkehr?

Ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir diese Diskussion weiterführen, weil die Ver­kehrsströme zunehmen werden. Darüber brauchen wir uns gar nichts vorzumachen! Die Verkehrsströme werden durch die Erweiterung der Europäischen Union weiter


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 142

zunehmen. Daher bin ich dafür, dass wir die Diskussion betreffend Geschwindig­keits­steuerung aus meiner Sicht sehr intensiv weiterführen. Ich bin aber auch dafür, dass wir eine intensivere Diskussion über die Umweltaspekte führen.

Wir hatten gestern hier im Hohen Haus eine sehr interessante Diskussion über die Umweltverträglichkeitsprüfung, und ich möchte ein Stück auf den gestrigen Tag zurückkommen, weil sich in der Steiermark etwas sehr Interessantes entwickelt hat. Herr Kollege Voves hat am 22.2. massiv gegen diese Novellierung gewettert, und seine Kollegen aus der Steiermark haben hier massiv mitgewettert. Dann ist das Ganze so gelaufen: Frau Kollegin Fleckl war noch nicht einmal auf ihrem Platz, sie hat sich erst dann hingesetzt. Herr Kollege Voves hat aber bereits um 14.07 Uhr eine Pres­seaussendung hinausgelassen und hat diese Novelle begrüßt, geschätzte Damen und Herren. (Abg. Grillitsch: Unvorstellbar! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Im Chaos liegt die Kraft!)

Frau Kollegin Fleckl, es ist Ihr Problem, wie Sie mit der Sache umgehen. Ich warne Sie nur, Frau Kollegin Fleckl: Sie sollten vielleicht ein bisserl vorsichtiger mit Ihrem Partei­vorsitzenden umgehen! (Abg. Fleckl: Lesen Sie richtig!) Das war gestern ein ordent­liches „Legerl“, das er da für Sie produziert hat! Trauen Sie ihm nicht, Frau Kollegin! Trauen Sie ihm nicht! Die Halbwertszeit seiner politischen Linie in dieser Frage war genau acht Tage und 23 Stunden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.45


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Binder. Wunsch­redezeit: 5 Minuten. – Frau Kollegin, Sie sind am Wort.

 


16.45.25

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Ich möchte dieses Thema 160 km/h auf der Autobahn sehr pragmatisch behandeln, denn im Prinzip sind jeder Autofahrer und jede Autofahrerin in diesen Bereichen im Zusammenhang mit Tempolimits absoluter Experte bezie­hungs­weise absolute Expertin, Pro und Kontra werden sehr eifrig ausgetauscht, es wird sehr eifrig diskutiert, und persönliche Eindrücke und Befindlichkeiten werden erläutert.

Laut einer „profil“-Umfrage lehnen knapp 51 Prozent der Österreicher eine Erhöhung von 130 auf 160 km/h ab. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Laut „Krone“ sind 73 Prozent dafür!) Ruhig Blut, Herr Kollege! Rund 43 Prozent können sich mit dem Vorschlag anfreunden. Männer stehen einem höheren Tempolimit positiv gegenüber, Frauen sprechen sich mit 37 Prozent zu 56 Prozent klar gegen den Vorschlag aus. (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Scheuch.) Man merkt es an der Diskussion der Männer!

Pro-Argumente für 160 sind, dass man mit 160 km/h etwas schneller unterwegs sein kann – der Zeitgewinn ist meiner Meinung nach jedoch sehr minimal –, und vor allen Dingen die Möglichkeit, die absolute Stärke, je nach Auto, auszuprobieren und auszu­schöpfen.

Meine Damen und Herren! Die Frage in diesem Zusammenhang ist nur, ob diese Stär­ke auch den Gegebenheiten und Bedingungen auf der Straße angepasst wird. Solche Bedingungen sind zum Beispiel die Dreispurigkeit, die Verkehrsdichte und die Witte­rungs­verhältnisse, denn all das spielt eine maßgebliche Rolle. In diesem Zusam­menhang sind vor allem – jetzt bin ich wieder einmal bei dem berühmten Wort – Eigen­verantwortung, Disziplin, Besonnenheit und vor allen Dingen auch Rücksichtnahme notwendig.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 143

Die Ergebnisse von Mittwoch haben gezeigt, dass zu hohe Geschwindigkeit, zu ge­ringe Sicherheitsstandards und vor allen Dingen die Witterungseinflüsse zu ver­hee­renden Unfällen führen können. Diese Kriterien sind in diesem Zusammenhang sehr, sehr wichtig. ExpertInnen meinen, dass auch bei guten respektive optimalen Bedin­gungen ein höheres Tempo auf Autobahnen deutlich mehr Auffahrunfälle verursacht, 2004 war überhöhtes Tempo für 40 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle verant­wortlich.

Österreich liegt mit 110 Verkehrstoten pro Million Einwohner im EU-Vergleich im Mittelfeld, bezogen auf die Einwohnerzahl in Österreich sterben doppelt so viele Men­schen bei Verkehrsunfällen wie in den sichersten Ländern, zum Beispiel in Schweden und in den Niederlanden.

Wie schaut der internationale Vergleich aus? – In 15 EU-Ländern sind weniger als 130 km/h auf Autobahnen erlaubt, acht EU-Länder haben Tempolimit 110 km/h, sechs EU-Länder haben erlaubte 120 km/h, und das niedrigste Limit in Europa hat das Nicht-EU-Land Norwegen mit 90 km/h auf Autobahnen. In Deutschland und Italien darf schneller als 130 gefahren werden.

Meine Damen und Herren! Eine weitere Berechnung gibt es auch über den Anhalte­weg, der sich natürlich steigert, wenn man mit 160 statt mit 130 fährt, vor allen Dingen sind die optimalen Gegebenheiten dann ausschlaggebend.

Ein letzter Aspekt, der auch zu berücksichtigen ist, sind die fehlenden technischen Einrichtungen wie zum Beispiel Überkopfbalken-Kontrollsysteme, Verkehrsbeein­flus­sungsanlagen und Wettersensoren. – Es gibt in diesem Zusammenhang viele offene Fragen und Probleme, die noch diskutiert werden müssen. Die vielen Risken, welchen jeder einzelne Verkehrsteilnehmer und jede einzelne Verkehrsteilnehmerin ausgesetzt sind, dürfen nicht außer Acht gelassen werden.

Im heutigen „Kurier“ ist zu lesen, dass Herbert Hufnagl im Zusammenhang mit einer ganz bestimmten Gruppe von den „lackierten Kampfhunden“ sprach, also jenen Men­schen, die mit ihren Autos andere, disziplinierte und umsichtige Verkehrsteilneh­merInnen gefährden und bedrängen. – Im Hinblick darauf kann nur vor dem Hinter­grund von klaren Regelungen, technisch einwandfreien und funktionierenden Verkehrs­systemen und einem flächendeckenden Kontrollsystem eventuell einmal über eine Flexibilisierung gesprochen werden.

Die gemeinsamen Ziele müssen weiterhin Verkehrssicherheit, Reduzierung der Ver­kehrs­unfälle und Senkung der Zahl der Verkehrstoten sein, und es darf nicht er­mög­licht werden, dass – wie es das Kuratorium für Verkehrssicherheit bezeichnet – Lustgewinn und Leichtsinn des einzelnen Autofahrers andere gefährden. (Beifall bei der SPÖ.)

16.51

Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Dr. Bleck­mann. – Wunschredezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


16.51.25

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Verehrte Staatssekretäre! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen seitens der grünen Fraktion! Da auch Kollegin Glawischnig in ihrer Rede ein kleines Fragespiel gemacht hat, bitte auch ich jetzt diejenigen von Ihnen auf­zuzeigen, die noch nie mit einem Auto 160 km/h auf der Autobahn gefahren sind, bei denen der Zeiger auf dem Tachometer nie 160 erreicht hat. – Es haben nicht viele von Ihnen aufgezeigt! (Abg. Sburny: Mein Auto fährt gar nicht so schnell!) Sie waren


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 144

wenigstens ehrlich! Und ich glaube, darum geht es doch auch! Wer von uns ist noch nie 160 km/h auf der Autobahn gefahren?

Wenn Kollegin Moser sagt, dass hier themenorientiert gesprochen werden soll, dann scheint sie diesen Raum mit der Wirkungsstätte ihrer Profession verwechselt zu haben. Wenn das Thema nur dann getroffen ist, wenn es ihrer grünen Meinung entspricht, dann tun mir die Schüler leid, die unter solch einer Lehrerin zu leiden haben, wenn man nur dann themenorientiert spricht, wenn es ihrer Meinung entspricht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie schon so etwas sagen, dann hören Sie bitte genau zu, was der Vizekanzler sagt, denn er hat sich noch auf keine Teststrecke festgelegt. Das scheint Ihnen ent­gangen zu sein! Wenn hier schon themenorientiertes Sprechen verlangt wird, dann auch themenorientiert zuhören von Ihrer Seite! Es wurde bisher keine Teststrecke festgelegt.

Sie haben auch von Kyoto gesprochen, und darum bitte ich Sie: Erklären Sie mir bitte, wie es sein kann, dass das Kyoto-Ziel, wenn das kleine Land Österreich – Kyoto betrifft ja doch einen großen Teil der Welt! – eine Teststrecke von vielleicht 20 km macht, auf einmal nicht erreicht ist! (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Erklären Sie mir das bitte! Ich glaube, es gibt andere, viel wichtigere Dinge, bei welchen man ansetzen sollte, um das Kyoto-Ziel zu erreichen, als bei einer kleinen, 20 km langen Teststrecke!

Wenn Sie vom Feinstaub sprechen: Davon sind wir in Graz ohnehin auch besonders betroffen. Aber dort gibt es Tempo 30. (Abg. Dr. Glawischnig: Von Salzburg und der Tauern Autobahn haben Sie noch nichts gehört?) Für Feinstaub ist das dann sicherlich auch ein großes Problem, und diesbezüglich wäre etwas zu tun! Aber es ist mir neu, dass die Kinder auf der Autobahn vom Feinstaub betroffen sind. Dass sie in Graz betroffen sind, ist leider traurig, aber wahr. Dass Kinder aber auf der Autobahn bei 160 vom Feinstaub betroffen sind, diesen Zusammenhang haben Sie mir wirklich nicht nachhaltig nachweisen können! (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.)

Kollegin Glawischnig, wenn Sie jetzt schon hineinrufen, dann bitte ich Sie auch, seriös über dieses Thema zu diskutieren, denn der Vergleich zwischen einem Nebelunfall und der sektoralen Einführung von Tempo 160 ist schon sehr, sehr weit hergeholt! Dort ist nämlich sicherlich nicht 160 gefahren worden, sondern dort herrschte Nebel, und man ist sicherlich mit 80 km/h oder weniger gefahren. Insofern kann man das nicht mit dieser sektoralen Tempolimit-Einführung vergleichen! Diesbezüglich tun Sie genau das, was Sie sonst immer kritisieren, nämlich Äpfel mit Birnen vergleichen! So sind Sie mit diesem Ihrem Beispiel verfahren!

Wenn es nach Ihnen ginge, dann würden wir wahrscheinlich sowieso alle Autobahnen aufgeben und begrünen, und dann hätten wir das, was Sie sich wünschen! Allerdings gäbe es dann auch keine Mobilität mehr in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Ich finde es auch ungeheuerlich, dass man unterstellt, dass es hier Personen oder Parteien darum geht, dass es mehr Unfälle und mehr Tote gibt! Es ist ungeheuerlich, dass es hier solche Unterstellungen gibt! Wenn wir seriös diskutieren wollen, dann müssen wir über diese Teststrecke reden, und dann schauen wir uns die Ergebnisse an! Aber wenn gerade denjenigen, die mit den Projekten und Programmen, die sie durch­geführt haben und in Österreich endlich umgesetzt haben, sehr viel zur Ver­kehrssicherheit in Österreich beigetragen haben, unterstellt wird, dass es auch deren Absicht ist, dass es sozusagen mehr Unfälle und Tote gibt, dann ist das einfach unge­heuerlich!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 145

Es sagen auch Psychologen – aber das ist Ihnen offenbar auch entgangen –, dass es sehr wichtig ist, dass, wenn man Tempolimits einführt, diese Maßnahme für die Betrof­fenen auch nachvollziehbar ist. Und das bedeutet, dass es, wenn teilweise Limits herabgesetzt werden müssen, weil es sich jeweils um Unfallsstellen handelt, an­dererseits genauso möglich sein muss, diese Limits in anderen Bereichen nach oben hin zu öffnen, wenn die entsprechenden Kriterien erfüllt sind.

Genau darum geht es: Wenn es klare Sicht gibt, wenn es eine breite Fahrbahn gibt, wenn es weniger Verkehr gibt, dann muss es auch möglich sein, höhere Geschwin­digkeiten sektoral einzuführen. Unter optimalen Bedingungen muss das wohl möglich sein! Das soll ja keine generelle, sondern eine sektorale Lösung sein! Es wird auch niemand gezwungen, dieses Tempo auch wirklich auszunutzen und die Höchstge­schwin­digkeit zu fahren. Das muss ja nicht ausgeschöpft werden!

Es wäre auch ein Beitrag dazu, dass die Akzeptanz für Temporeduzierungen – also für verringerte Tempolimits – steigt, wenn man in einzelnen Bereichen auch höhere Ge­schwindigkeiten zulässt. Genau darum geht es hier: Die Akzeptanz bei den Auto­fahrern für die eine oder andere verkehrssichernde Maßnahme zu erhöhen. Das würde in Zukunft sicherlich zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit und im Zusam­menhang mit den Unfallstatistiken und Totenstatistiken führen.

Schauen wir uns doch gemeinsam die Ergebnisse einer Teststrecke, die, wie gesagt, noch nicht feststeht, an! Wozu? – Damit wir sehen, dass das, was aus Ihren Studien hervorgeht, nicht stimmt, damit wir beweisen können, dass die Studien, die Sie haben, nicht stimmen. Mit einer Teststrecke wird man nachweisen können, dass es nicht zu mehr Unfällen und nicht zu mehr Todesopfern kommt, sondern dass es weniger Staus geben und zu einer Verbesserung der Verkehrsqualität kommen wird. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Genau deshalb sind wir dafür. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Sburny.)

16.57


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rest-Hinter­seer. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


16.58

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herren Staatssekretäre! Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringendes Maßnahmenpaket „Gesunde Luft statt Feinstaub-Atemnot“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dringend einen 6-Punkte-Katalog „Gesunde Luft statt Feinstaub-Atemnot“ umzusetzen und in den kommenden Monaten zu einem zentralen Schwerpunkt der Regierungsarbeit und der Zusammenarbeit mit den Län­dern zu machen.

Dieser Katalog muss im Hinblick auf mehr Sicherheit, mehr Gesundheit und mehr Um­weltschutz folgende Punkte beinhalten:

1. Verbindliches Nein zu Tempo 160 auf Autobahnen: Jede/r Tote, jede/r Verletzte ist eine/r zuviel.

2. Maßnamen-Paket zur Reduktion der Feinstaubbelastung mit Verkehrs-Schwerpunkt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 146

3. Keine UVP-Aushöhlung bei verkehrserregenden und somit umwelt- und gesund­heits­belastenden Großprojekten.

4. Öffentlicher Verkehr: Umsetzung einer Qualitäts- und Angebotsoffensive, Rück­nahme der Mittelkürzungen der letzten Jahre.

5. Infrastruktur: Vorrang für die Schiene und wirksame Prioritäten beim Ausbau.

6. Verkehrssicherheit: Effiziente Kontrolle der geltenden Regeln, um der Eigen­verant­wortung auf die Sprünge zu helfen.

*****

Ich habe das jetzt mit dem entsprechenden Nachdruck verlesen, weil ich noch einmal auf diese Inhaltsverfehlung aufmerksam machen wollte:

Wir haben kein einziges Wort dazu gehört, wie bei einer Erhöhung des Tempos eine gezielte Feinstaub-Verminderung erfolgen soll.

Wir haben kein Wort dazu gehört, wie die Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann. Jeder Tote und jedes tote Kind ist ein Mensch zu viel, der im Straßen­verkehr gestorben ist. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Freiheitlichen.)

Verzeihen Sie, aber ich muss schon sagen, dass ich mich eigentlich hier als Parla­mentarierin missachtet fühle, Herr Vizekanzler, wenn Sie hier Reden schwingen, die wir schon im Verkehrsausschuss gehört haben, gestern im Nationalrat schon gehört haben, und mit keinem Wort auf diese Problematik eingehen. Da fühle ich mich miss­achtet, und ich möchte nicht wissen, wie es Eltern von Kindern geht, die wegen überhöhter Geschwindigkeit ein Todesopfer zu beklagen hatten, wenn sie diese Reden von Ihnen hören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wie wäre es denn, wenn wir statt dieser volltönenden Reden wie zum Beispiel vom Finanzminister, der immer sagt: Arbeit schaffen, Zukunft gewinnen, vom Schlusslicht weit nach vorne!, auch einmal von Ihnen die Ansage hören würden: Keinen Toten mehr im Straßenverkehr!? Da können Sie sogar einen Rap daraus machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich muss Ihnen etwas sagen. Im Verkehrsausschuss ist es zu folgender Aussage gekommen, allerdings nicht vor Publikum, sondern so nebenbei: Als die Rede darauf kam, dass es immer wieder gefährdete Stellen gibt, wo mehr Todesopfer zu beklagen sind, hat derjenige gesagt: Ja, von irgendwo müssen die Toten ja herkommen! – Das ist offensichtlich eine innere Meinung von Ihnen, dass Verkehr ohne Tote gar nicht auskommt. Was soll das eigentlich bedeuten? Das heißt, wir nehmen in Kauf, dass es hier Menschenopfer gibt. Wir nehmen das wissentlich in Kauf.

Darf ich Ihnen dazu etwas Philosophisches zitieren: Am Menschenopfer ist nach einem Religionsphilosophen nur das „do, ut des“ verständlich: „Ich gebe (dir), damit du gibst.“

Herr Vizekanzler! Soll das heißen, dass Sie davon ausgehen, ich gebe etwas Wert­volles her, damit nicht ich, der ich mir wertvoller bin als alles andere, selbst genommen werde? Das ist nämlich der innere Sinn eines Menschenopfers.

Und bei Theophrastus steht: „Erst in Zeiten ungewöhnlicher Not unseres Geschlechtes weihte man Lebendiges zum Opfer.“ – Es muss schon ganz schlecht bei Ihnen ausschauen, dass Sie zu solchen Mitteln greifen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. (Beifall bei den Grünen.)

17.02

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 147

Präsident Dr. Andreas Khol: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend dringendes Maßnahmenpaket „Gesunde Luft statt Feinstaub-Atemnot“ ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde betreffend dringendes Maßnahmenpaket „Gesunde Luft statt Feinstaub-Atemnot“

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Gla­wischnig, Moser, Freundinnen und Freunde betreffend Tempo 160 als Symbol für das fortgesetzte verkehrs- und umweltpolitische Versagen von FPÖ und ÖVP

Die Forderung nach Tempo 160 ist typisch für den Umgang von ÖVP und FPÖ mit  verkehrs- und umweltpolitischen Fragen größter Tragweite: Statt bestehende Probleme zu lösen, werden Maßnahmen gesetzt oder vorbereitet, die die Probleme vergrößern. Ähn­liches ist im Bereich Feinstaub/Luftbelastung zu beobachten, wo als Antwort auf die Gefährdung von Leben und Gesundheit von Kindern die Lockerung der Grenzwerte gefordert wird. In vielen Themenfeldern könnten jedoch rasche, gezielte Maßnahmen Verbesserungen in verkehrs- und umweltpolitischer Hinsicht zugleich bringen.

Ein solches Maßnahmenpaket im Hinblick auf mehr Sicherheit, mehr Gesundheit und mehr Umweltschutz müsste folgende Punkte beinhalten:

1. Verbindliches Nein zu Tempo 160 auf Autobahnen

Eine Anhebung der in Österreich im europäischen Vergleich ohnedies hohen Tempo­limits ist für Verkehrssicherheit, Gesundheit und Umwelt unverantwortlich und strikt zurückzuweisen. Die Maßnahme würde auch allen Festlegungen der Regierung in Sachen Verkehrssicherheit/Unfallbilanz (zB Österreichisches Verkehrssicherheits­pro­gramm 2002-2010, Regierungsübereinkommen) krass widersprechen.

Stattdessen: „Mehr Tempo“ für regionale Senkung der Geschwindigkeitslimits zuguns­ten von Lärmschutz und Luftreinhaltung. Entsprechende Maßnahmen müssen bei anste­henden Gesetzesvorhaben (zB Umgebungslärmschutz-Gesetz) und im Bud­get 2006 Priorität haben, nicht zuletzt hinsichtlich der Dotierung der zur Durchsetzung nötigen ernsthaften Kontrollen.

2. Maßnamen-Paket zur Reduktion der Feinstaubbelastung

Täglich gibt es Grenzwertüberschreitungen und neue alarmierende Erkenntnisse zu den Gesundheitsfolgen der Feinstaub-Belastung. Kinder und Risikogruppen sind vom Diesel-Feinstaub besonders betroffen. Alibi-Maßnahmen wie nicht kontrollierte Tempo­limits, PR-Appelle oder Ankündigungen ohne Budgetdeckung (wie bei der ÖVP Steier­mark beliebt) sind zuwenig, die von der ÖVP Steiermark angeregte Lockerung der Grenzwerte wäre überhaupt völlig kontraproduktiv. Bund und Länder müssen hingegen vor allem beim Hauptverursacher Verkehr raschest vom Ankündigen zum Handeln kom­men:

Partikelfilter bei LKW (und Bussen, Bau- und Zugmaschinen, ...)

stärkere Anreize im Bereich Partikelfilter für Neu-PKW (stärkere NoVA-Spreizung)

Nachrüstung von Alt-PKW


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 148

Verschärfung und wirksamere Gestaltung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L): im Feinstaub-Krisenfall müssen Fahrbeschränkungen und Tempolimits rasch um­setzbar sein

massive, rasche Verbesserung des Öffentlichen Nahverkehrs als einzige breite Alter­native zB für Berufsverkehr; signifikantes Umlenken von Infrastruktur-Geldern in diese vorrangige Aufgabe

Regierung muß auf EU-Ebene mit mehr Nachdruck für deutliches Vorziehen und Verschärfen der Schadstoffgrenzwerte, insbesondere bei LKW, eintreten.

3. Keine Aushöhlung der UVP für Großprojekte

Die UVP-Aushöhlung bei bestimmten Großprojekten ist nicht nur ein Drama für Umweltschutz und BürgerInnenrechte. Die Erleichterungen für Flugplatzausbauten und verkehrserregende Großprojekte (Freizeitparks, Sportstadien, Golfplätze, Schipisten etc.) sind gerade im Hinblick auf die zunehmende Feinstaubbelastung und andere gesundheitsschädliche Schadstoffe sowie die Lärmbelastung unverantwortlich. Auch aus diesem Grund sind ÖVP und FPÖ dringend zur Rücknahme der zuletzt durch­gedrückten UVP-Demontage aufgefordert.

4. Öffentlicher Verkehr: Qualitäts- und Angebotsoffensive

Während die Ballungsräume im Feinstaub-Nebel versinken, sind ÖVP und FPÖ seit Jahren mit den im Regierungsübereinkommen angekündigten und vom Rechnungshof geforderten Reformen beim Nahverkehr säumig. Auch eine Rückführung der seit 2000 anhaltenden Budgetkürzungen beim Nahverkehr ist unumgänglich.

Stattdessen endlich verlässliche Qualität für die Fahrgäste zu zumutbaren Kosten durch entsprechende Vorgaben und Ausschreibungen von Bund und Land. Und neben diesem Effizienzsprung eine Angebotsoffensive bei Bahn und Bus, mit Vertaktung und Modernisierung nach Schweizer Muster. Auch budgetär müssen Bund und Länder endlich einen Nahverkehrs-Schwerpunkt setzen.

5. Infrastruktur: Vorrang für die Schiene und wirksame Prioritäten

Infrastrukturgeld darf nicht weiter für Autobahnen oder Tunnel-Prestigeprojekte ver­schwendet werden. So wie der GVP insgesamt enthält auch der neue „Infrastruk­tur­rahmenplan“ der ÖBB keine Prioritäten. Ergebnis: Alles soll gebaut werden, aber nichts wird fertig und verkehrswirksam.

Grüne fordern: Schwerpunkt Schiene statt Straße, bei der Schiene Schwerpunkt nicht auf Riesenprojekte, die nur der Tiefbauindustrie und den finanzierenden Großbanken nützen, sondern auf Projekte, die die Verkehrsprobleme treffsicher und möglichst rasch lösen (insbes. Nahverkehr, Ballungsräume)

6. Verkehrssicherheit: Ausweitung und Verschärfung der/Schärfere und vermehrte Kontrollen

Das wahre Sicherheitsproblem Österreichs ist die Verkehrssicherheit. Die Regierung arbeitet hier unprofessionell und viel zu langsam. So ist der nach zehnjähriger Ver­zögerungstaktik der ÖVP nun endlich kommende Punkteführerschein („Vormerk­modell“) wieder eine Schmalspur-Lösung, die um die häufigsten Unfallursachen wie Schnellfahren, Alkohol und Handy am Steuer einen großen Bogen macht, weil die Regierung auf potente Lobbies Rücksicht nimmt. Die durch Personalabbau bei der Exekutive mitverschuldeten Kontrolldefizite werden erst gar nicht angesprochen. Ergebnis: Österreichs Unfall- und Opferzahlen sind europaweit bei den höchsten. Anstelle der halbherzigen und oft (siehe Tempo 160) widersprüchlichen Maßnahmen ist ein umfassendes Verkehrssicherheitspaket ohne falsche Zurückhaltung bei soge-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 149

nannten Kavaliersdelikten umzusetzen. Mit effizienter Kontrolle der geltenden Regeln muss der Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer auf die Sprünge geholfen werden. Das wird – siehe den schweren Massenunfall auf der A1 am 2.3.2005 mit 2 Toten und 11 Verletzten durch überhöhte Geschwindigkeit bei Nebel trotz Nebel­warnanlage! – den Verantwortlichen keine Telematik und keine Verkehrsbeeinflus­sungsanlage der Welt ersparen. Jede/r Tote und jede/r Verletzte auf den Straßen ist eine/r zuviel.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dringend einen 6-Punkte-Katalog „Gesunde Luft statt Feinstaub-Atemnot“ umzusetzen und in den kommenden Monaten zu einem zentralen Schwerpunkt der Regierungsarbeit und der Zusammenarbeit mit den Län­dern zu machen.

Dieser Katalog muss im Hinblick auf mehr Sicherheit, mehr Gesundheit und mehr Umweltschutz folgende Punkte beinhalten:

1. Verbindliches Nein zu Tempo 160 auf Autobahnen: Jede/r Tote, jede/r Verletzte ist eine/r zuviel.

2. Maßnamen-Paket zur Reduktion der Feinstaubbelastung mit Verkehrs-Schwerpunkt.

3. Keine UVP-Aushöhlung bei verkehrserregenden und somit umwelt- und gesund­heitsbelastenden Großprojekten.

4. Öffentlicher Verkehr: Umsetzung einer Qualitäts- und Angebotsoffensive, Rück­nahme der Mittelkürzungen der letzten Jahre.

5. Infrastruktur: Vorrang für die Schiene und wirksame Prioritäten beim Ausbau.

6. Verkehrssicherheit: Effiziente Kontrolle der geltenden Regeln, um der Eigen­verant­wortung auf die Sprünge zu helfen.

*****

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Gorbach. Rede­zeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


17.02.49

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach: Herr Präsident! Geschätzte Regierungskollegen! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, auf einige Äußerungen und Feststellungen, die zuletzt gefallen sind, doch noch zu replizieren – wenn Sie wollen, so etwas wie eine tatsächliche Berich­tigung, obwohl ich nicht weiß, ob ein Regierungsmitglied das auch darf. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Zu Ihrer tatsächlichen Berichtigung, Frau Abgeordnete Mandak, darf ich schon sagen, Sie haben natürlich Recht, ich habe zwischen 14.55 Uhr und 14.59 Uhr am Weg von meinem Büro hier im Parlament, wo die Besprechung mit Dr. Häupl stattgefunden hat, hierher die wartenden Journalisten etwa drei bis dreieinhalb Minuten über den Aus­gang und die Ergebnisse informiert und darauf verwiesen, dass Details der Herr Kolle­ge Häupl bekannt geben wird. Aber es freut mich, dass Sie sich so sehr für mich interessieren, dafür, wo ich mich gerade bewege, ja geradezu minutiös nachvollziehen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 150

wollen, wie das gewesen ist. Ich kann eigentlich dazu nur sagen: Ihre Sorgen möchte ich haben, Frau Kollegin Mandak! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Moser, damit das ein für alle Mal klar ist: Die generelle Einführung von 160 km/h Höchstlimit auf dem hochrangigen Straßennetz habe ich nie angedacht und auch nicht gefordert, weil ich mir bewusst bin, dass das in Österreich schon auf Grund der Topographie, der Anlage der hochrangigen Straßennetze gar nicht möglich ist und auch keinen Sinn macht. Das wäre auch im Widerspruch dazu, was ich als Bedingungen, als begleitende Bedingungen immer wieder genannt habe, und zwar vom ersten Augenblick an. Auf die werde ich später noch einmal kurz zurückkommen.

Was die Versuchsstrecken betrifft, möchte ich die Ergebnisse nicht vorwegnehmen, und deshalb habe ich auch nie – damit das auch einmal klar und deutlich gesagt ist – eine bestimmte Strecke, weder in Oberösterreich noch in der Steiermark, genannt, die ich als Versuchsstrecke im Auge habe. Nein, ich habe gesagt – wenn ich das noch einmal wiederholen darf –, es findet jetzt in der Expertengruppe, die ich eingesetzt habe, so etwas wie ein Fact Finding statt. Da werden wir alle Argumente, alle Meinun­gen mit einfließen lassen, da werden wir auch Gutachten über Auswirkungen auf die Umwelt, über Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, auf alles Mögliche mit berück­sichtigen. Das, stelle ich mir vor, wird ein halbes Jahr dauern, man soll die Dinge nicht übers Knie brechen, und dann kann, wenn die ersten Verkehrsbeeinflussungsanlagen in Betrieb sind, sich auch schon bewährt haben – die erste geht im April in Betrieb –, im Jahr 2006 auf einer Versuchsstrecke sozusagen ein Feldversuch stattfinden, ob sich das, was wir in der Theorie als richtig und weiter verfolgenswert empfunden haben, auch in der Praxis bewahrheitet. Es gibt also keine festgelegte Teststrecke, ich habe auch keine bestimmte im Auge. (Abg. Sburny: Das heißt, nach dem ersten Toten stellen Sie das wieder ein!?)

Vielmehr habe ich gesagt, und das sage ich Ihnen auch, und da ist überhaupt keine Unsicherheit dabei, weil ich mir sehr sicher bin, dass das laute Andenken und die dadurch entstandene Diskussion eine gute Sache sind (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen): Ich bin hier nicht für starre Grenzen. Wenn ich die Verkehrsbeein­flus­sungsanlage flächendeckend in Österreich habe, dadurch vermutlich öfters die Höchst­geschwindigkeit reduziert wird, dann sehe ich überhaupt nicht ein, warum nicht bei optimalen Verhältnissen Flexibilität auch nach oben bestehen soll. Eine starre Hand­habung von solchen Regeln ist meine Sache eben nicht.

Ich glaube auch, dass die Diskussion rund um 160 km/h keine Debatte zum falschen Zeitpunkt ist, sondern vielmehr eine Überlegung im richtigen Moment. Ich habe den Terminfahrplan schon gesagt – und das hat auch nichts mit Wahltaktik zu tun, Herr Kollege Eder, wie Sie mir unterstellen.

Das Ablegen des Motorradführerscheines zu erleichtern ist eine meines Erachtens auch berechtigte Diskussion. Jetzt ist es nämlich so, dass jemand, der den B-Führer­schein hat und den A-Führerschein macht, die volle Länge Theorie auch absolvieren muss. Versetzen Sie sich einmal in die Situation, er würde im theoretischen Teil durchfallen. Nehme ich ihm dann auch den B-Führerschein? Müsste ich das? Eine gute Diskussion wäre das.

Ich meine, man sollte diese Zeit und diesen Aufwand eher in die spezielle Ausbildung des Motorradfahrers, in der auf die Gefahren hingewiesen wird, stecken, als noch ein­mal in der Theorie herumzuschwirren, die er eigentlich auf Grund seiner Praxis ohne­hin schon beherrschen müsste.

Sie haben mich ertappt, Herr Eder, ich habe tatsächlich permanent Wahlen im Auge. Ich habe sie auch im Herbst im Auge, aber im Herbst 2006 und nicht 2005, wie Sie mir unterstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 151

Herr Kollege Grünewald, so schön es ist, und es hat auch humoristisch geklungen, das mit Ihrer Beifahrerin – ich habe auch nichts gegen Beifahrerinnen –, aber Sie haben hoffentlich schon etwas von Verkehrstelematik, von Verkehrsbeeinflussungsanlagen ge­hört. Genau die machen das dann möglich – deshalb habe ich das auch ge­kop­pelt –, dass ich eben angesagt bekomme, dass 120 zu viel sind und deshalb jetzt auf 80 reduziert worden ist oder ob 130 eventuell überschritten werden kann, ohne dass ich ein Sicherheitsrisiko eingehe, weil Schönwetter, weil es trocken, weil alles paletti, weil nicht viel Verkehr ist und so weiter. Also das macht nicht die Beifahrerin, sondern eben dann die Verkehrsbeeinflussungsanlage oder die Verkehrstelematik. (Abg. Sburny: Aber wer weiß, welche Tagesverfassung ich habe?)

Und, Herr Kollege Grünewald, eines möchte ich Ihnen auch sagen: Diese Phrasen, die da verwendet wurden, sind ja nicht lustig: Testversuche mit Menschenleben würde ich machen, oder „Hölle am Highway“ und Ähnliches mehr. Es ist nicht von Ihnen gekommen, aber das ist von einigen angeführt worden, immer wieder, und genau das ist die falsche Diskussion, nämlich unseriös aufgezogen. Ich möchte sie in Ruhe, seriös, alle Fakten berücksichtigend abgeführt wissen.

Die Schadstoffmenge bringen Sie zu Recht hier in die Diskussion ein, und diese WHO-Studie verwende ich auch in Brüssel, wenn es um Transitfragen geht. Die Schad­stoffmenge an die Verkehrsbeeinflussungsanlage zu koppeln, das war meine Idee, und zwar nicht letzten Sommer, sondern vorletzten Sommer schon, 2003. Ich habe damals in Tirol gesagt, ich ziehe euren Bereich vor, damit man die Schadstoffmessstellen mit der Verkehrsbeeinflussungsanlage koppeln kann. Und wenn das etwas bringt – das muss allerdings auch noch untersucht und bewiesen werden –, das Tempo zu redu­zieren, wenn eine gewisse Schadstoffbelastung vorhanden ist, ein Grenzwert erreicht ist, dann werden wir das über die Verkehrsbeeinflussungsanlage auch tun. Also diesen Gedanken haben wir offensichtlich gemeinsam.

Wenn Herr Eder gemeint hat, Sie haben sich im SPÖ-Klub Gedanken gemacht und könnten sich vorstellen, über 150 km/h zu diskutieren, dann sage ich dazu nur, auch schön, auch recht, eine Annäherung an mein lautes Denken ist es zumindest. Herzlich willkommen im Klub derjenigen, die keine Tabus kennen und die auch bereit sind, über Dinge, die halt immer schon so waren, nachzudenken und darüber, ob man es nicht auf Grund der Entwicklung und neuer Gegebenheiten in Zukunft anders und dadurch besser machen könnte. Also diskutieren wir das unaufgeregt und ohne Tabus!

Zusammenfassend: Wenn die Bedingungen passen, dann soll die Möglichkeit  natür­lich kein Zwang –, mehr als 130 fahren zu können, auch in Österreich, nicht nur in Italien und Deutschland, gegeben sein. Jetzt findet sechs Monate lang ein Sammeln aller Argumente, aller Facts statt. Die Entscheidung, wo eine Teststrecke im Jahr 2006 sein soll, ist noch nicht gefallen. Ich nehme keine Entscheidungen vorweg, die noch keine Grundlagen haben. Dann werde ich selbstverständlich mit Entscheidungsträgern vor Ort sprechen, mit Landeshauptmännern, allenfalls auch mit Bezirkshauptleuten oder politisch Verantwortlichen.

Ich würde überhaupt meinen: Gehen wir doch diese Diskussion nicht so aufgeregt an! Auch Sie von der grünen Fraktion sind eingeladen, Ihre Argumente einzubringen. Die SPÖ tut das sicherlich auch, und es wird auch noch andere geben, die das machen. Dann bin ich überzeugt, wir kommen zu einem guten Ergebnis. Ich meine, es soll auch in Österreich möglich sein, zumindest streckenweise schneller fahren zu können als 130, und ich will das möglich machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

17.11



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 152

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Dipl.-Ing. Mag. Regler. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.11.42

Abgeordneter Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! An die Kolleginnen und Kollegen von der grünen Fraktion möchte ich den Appell richten, die Alarmglocken bitte wieder abzustellen. Es muss nicht Alarm geschlagen werden. Wir haben heute ganz eindeutig festgestellt, es gibt keine gesetzliche Neu­regelung. Sowohl die ÖVP als auch die FPÖ haben sich heute ganz klar dafür aus­gesprochen: Die jetzt in der StVO verankerten Tempolimits bleiben aufrecht.

Was steht nun in der Straßenverkehrsordnung? Im § 20 Abs. 1 haben wir die Eigen­verantwortlichkeit jedes Autofahrers festgelegt. Es heißt, der Lenker hat die Fahr­geschwindigkeit den gegebenen Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen. Also auch wenn 130 auf der Autobahn gefahren werden darf und es ist Nebel, darf er sie nicht fahren. Er hat seine Fahrgeschwindigkeit anzupassen.

Zweitens: Es gibt generelle Normen. Wir haben 130 auf Autobahnen, 100 auf sons­tigen Freilandstraßen und 50 im Ortsgebiet. Das ist im Jahre 1975 aus anderen Gründen festgelegt worden. Damals nach dem Ölpreisschock waren Energiegründe dafür verantwortlich. Und das hat sich sicherlich bewährt.

Auf der anderen Seite haben wir im § 43 auch zwei wichtige Absätze. Laut § 43 Abs. 1 hat die Behörde, wenn es die Sicherheit erfordert, die generell zulässige Geschwin­digkeit herabzusetzen, und das geschieht auch sehr oft. Denken wir nur an all die 30er-Zonen in den Ortsgebieten, oder wenn Sie auf den Autobahnen fahren, sehen Sie sehr oft ein Tempolimit von 80 oder 100. Also da kommt die Behörde ihrem Auftrag nach, aus Gründen der Verkehrssicherheit die zulässige Höchstgeschwindigkeit herabzu­setzen.

Laut § 43 Abs. 4 kann die Behörde – früher stand dort „hat die Behörde“; wie Staats­sekretär Kukacka schon gesagt hat, bei der Novelle 2002 wurde das in ein „kann“ umgeändert –, wenn die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs es erfordern und aus Gründen der Verkehrssicherheit keine Bedenken bestehen, auch eine höhere Ge­schwindigkeit zulassen. Das soll nun geprüft werden, ob es einzelne Strecken gibt, wo dies der Fall ist.

Wir haben das übrigens in ganz großer Zahl, Sie brauchen nur im Ortsgebiet zu schauen: Sehr oft sind 60 oder 70 km/h in Ortsdurchfahrten erlaubt. Darüber regt sich niemand auf. Da hat die Behörde geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dort kann man 60 oder 70 fahren, obwohl generell in der Straßenverkehrsordnung 50 km/h für das Ortsgebiet vorgesehen sind.

Die Behörde kann und darf nicht willkürlich vorgehen. Nach der Straßenverkehrs­ord­nung hat sie alle Interessen abzuwägen. Sie darf auch nicht untätig sein. Sie hat eben auf Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, auf die Entwurfsgeschwindigkeit der Autobahn, auf die Kurvenradien, auf die Neigungen Bedacht zu nehmen. Das ist alles selbstverständlich bei einem verantwortungsbewussten Vorgehen der Behörde.

Sicherlich hat Frau Dr. Glawischnig Recht, wenn sie sagt, dass die Gesetze der Physik nicht außer Kraft gesetzt werden können. Wir wissen, Energie ist mv2, Quadrat der Geschwindigkeit! Wenn ich bei einem Unfall einen Aufprall habe, wird diese Energie im Augenblick vernichtet, sonst muss ich sie abbremsen. Da ist für den Verkehrstechniker der Kraftschluss auf der Fahrbahn entscheidend, weil ich die Energie über die Fahr­bahnreibung entsprechend vernichten muss. Also auch das muss überlegt sein, wenn es um Verkehrssicherheit geht. Und wir wissen auch, dass die Verkehrssicherheit dann


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 153

besonders groß ist, wenn eine gleichförmige Bewegung der Fahrzeuge stattfindet. Also ein Fahrzeug, das ein besonderer Herausreißer ist, gefährdet wesentlich mehr. Das ist auch ein Punkt, der von der Behörde entsprechend verantwortungsbewusst geprüft werden muss.

Herr Vizekanzler Gorbach hat heute schon gesagt, was jedenfalls die Voraussetzun­gen für solch eine Verordnung wären. Erstens eine flexible Geschwindigkeitsanzeige. Das ist ganz wesentlich, denn es kann sicherlich nicht sein, dass 160 km/h dort steht, und dann glaubt jemand, er kann auch bei Nebel oder bei Schnee so schnell fahren. Hier muss es eine entsprechende Änderung der Signalisierung geben.

Es müssen zweitens die baulichen Voraussetzungen gegeben sein. Wie gesagt: Fahr­streifenanzahl, Entwurfsgeschwindigkeit und so weiter.

Es muss drittens eine bessere Kontrolle geben: 160 muss 160 sein! Optimal wäre natürlich, wenn der Tatbestand des Führerscheinentzuges mit 180 auch dann aufrecht­erhalten bliebe und nicht die 50 auf die 160 draufgeschlagen werden.

Und der Punkt vier: keine Lärmbeeinträchtigung der Bevölkerung. Es muss Lärm­schutzwände geben, oder es muss in einer Gegend sein, wo eben niemand wohnt.

Damit komme ich zum Schluss. Ich persönlich habe das volle Vertrauen in die zustän­dige Behörde, in Herrn Vizekanzler Gorbach, dass er die Verfahren, die hier notwendig und in der StVO vorgeschrieben sind, korrekt abwickelt und dass er dann verantwor­tungsbewusst entscheidet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

17.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Becher. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.17.26

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zuerst kurz zu dem soeben eingebrachten Entschließungsantrag von Dr. Gla­wischnig, Gabi Moser und FreundInnen Stellung nehmen. Unsere Fraktion wird diesem Antrag zustimmen, und zwar deshalb, weil all diese Forderungen, Punkt eins bis sechs, auch Forderungen unserer Fraktion sind.

Ich möchte aber dazusagen, dass wir uns von der Begründung zum fünften Punkt distanzieren, weil wir nicht grundsätzlich für einen Stopp des Autobahnbaus sind, weil wir nicht gegen jegliche Tunnellösung sind, sondern weil wir für den Bau des Lainzer Tunnels, für die Unterquerung der Donau mit einem Tunnel oder auch für den Ausbau des Semmering-Basistunnels sind. Aber dem Antrag selbst stimmen wir zu. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Vizekanzler, ich möchte jetzt zurückkommen zu dem Vorschlag, den Sie gemacht haben, was für mich aus Ihrer Sicht verständlich ist, da die FPÖ durch die ständigen Umfaller nicht mehr zu sehen und zu hören ist und Ihnen solch eine Aussage dazu verhilft, wieder in den Medien zu sein und dass sich die FPÖ mit dieser Frage wieder öffentlich darstellen kann. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das klingt ja wahnsinnig glaub­würdig!)

Ist mir Wurscht, ich sehe es so. Schauen Sie, ich glaube auch, dass Ihre Redebeiträge in Wirklichkeit, wenn Sie hier belehrend alles runtermachen, was an inhaltlichen Dingen hier vorgebracht wird, keine ehrliche Diskussion sind. Und wenn Kollegin Bleckmann dann noch sagt, dass Sie das Ganze nach den Erfahrungen auf der Teststrecke bewerten werden, verstehe ich das überhaupt nicht, denn ich denke, man muss sich vorher die Dinge ansehen und überlegen und Pro und Contra abwiegen, und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 154

dann kann man seine Schlüsse daraus ziehen. So stelle ich mir eine ordentliche Dis­kussion vor. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass viele Bereiche in der Verkehrspolitik im Argen liegen, sieht man auch daran, dass zum Beispiel im Vorjahr unser Verkehrssprecher einen Initiativantrag eingebracht hat, der bis heute auf Eis liegt, nicht behandelt wurde, wo ein Bundesamt für den Güter­verkehr gefordert wurde, das auch umfassende Kontrollaufgaben wahrzunehmen hätte, nämlich die gesamte Überwachung des Güter- und Personenverkehrs. In diesem Bereich wären alle Konzessionsfragen, die sozial- und arbeitsrechtlichen Bestimmun­gen und auch die technischen Erfordernisse der Fahrzeugflotte zu kontrollieren.

Weiters gibt es bis jetzt keine rechtlichen Einschränkungen für Klein-Lkws unter 3,5 Tonnen. Die Zahl der Unfälle bei diesen Lkws steigt ständig an. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben, vor allem wenn man weiß, dass diese Klein-Lkws auch gefährliche Güter transportieren. Die Auswirkungen bei einem Unfall wären katastro­phal. Und man kann sich vorstellen, dass auch diese Fahrzeuge dann 160 km/h auf der Straße fahren dürften.

Wichtig wäre auch eine weitere Entflechtung von Güter- und Individualverkehr, zum Beispiel in der Form, dass man die dritte Spur für Lkws sperrt. (Abg. Neudeck: Ahnungslosigkeit ist keine Schande, aber man sollte dann nicht reden darüber!) In diese Trennung von Güter- und Individualverkehr fällt zum Beispiel auch die Ferien­reiseverordnung, die immer wieder ein Flickwerk ist, weil sie jedes Jahr neu erstellt wird. Sie sollte flexibel, für ganz Österreich an die Schulferien angepasst sein und sollte vielleicht auch die Nachbarländer beinhalten.

Die Semesterferien sind da überhaupt nicht mit einbezogen. Es waren heuer überhaupt nur zwei Straßen in die Winterreiseverordnung mit einbezogen.

Bei der Ferienreiseverordnung ist es besonders auffällig, dass in Vorarlberg, Herr Vize­kanzler Gorbach, keine einzige Straße erfasst ist. Das ist doch ein besonderer Zufall.

Abschließend verweise ich auf die Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, die besagt, dass viele österreichische Autofahrer doch sehr undiszipliniert fahren. Das heißt auch, dass aus erlaubten 160 wahrscheinlich auch 180 km/h werden. Daher meine ich, dass Sie gut beraten wären, wenn Sie die Lust auf Geschwindigkeit eher drosseln und nicht noch mehr anheizen würden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


17.22.41

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Herren Staatssekretäre! Geschätzte Damen und Herren! Frau Kollegin Becher, wenn Ihnen „Wurscht“ ist, was Sie sagen – jetzt habe ich Ihren Originalton gebraucht –, sollte Ihnen das zu denken geben. Ich glaube, man sollte sich schon überlegen, was man hier am Rednerpult sagt, denn im Endeffekt vertritt man hier ja auch die Meinung einer Partei, einer Fraktion, oder zumindest sollte man das versuchen.

Frau Dr. Moser, Sie haben in Ihren Ausführungen zu Beginn der Behandlung der Dringlichen Anfrage versucht, uns etwas vorzurechnen. Ich habe mir in der Zwi­schenzeit überlegt, was Sie gemeint haben. Sie haben gesagt: Man muss sich ja vorstellen, dass, wenn man jetzt auf Grund der erhöhten Geschwindigkeit die Abstände erhöhen muss, auf den Autobahnen nicht mehr Autos Platz haben, und die Inves­titionen wären falsch.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 155

Frau Dr. Moser, PISA lässt grüßen, denn der erhöhte Abstand ist durch die erhöhte Geschwindigkeit bedingt. Wenn man jetzt mehr Platz braucht, die Autos aber schneller durchfahren, bleibt die Anzahl der Autos immer genau gleich, Frau Dr. Moser. (Abg. Öllinger: Völlig daneben!) PISA lässt grüßen (Beifall bei den Freiheitlichen), denn der Abstand – und das sollten Sie, auch wenn Sie keine aktive Autofahrerin sind, wissen – ist von der Geschwindigkeit abhängig. 2 Sekunden ist der Mindestabstand. Das heißt, einmal haben wir 72 Meter, einmal haben wir 88 Meter. Es haben immer noch gleich viele Autos Platz auf dieser Straße, zumindest passieren gleich viele Autos in der gleichen Zeit die Straße.

Die Investitionen, die unser Vizekanzler – Gott sei Dank! – im Bereich Straßen­infra­struktur tätigt, sind gut, und auch mit 160 km/h werden sie sich auszahlen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Du kannst es ihr aber mit dem Radl erklären!) Das ist auch mit dem Fahrrad gleich, Herr Kollege Neudeck!

Und eine zweite Sache – und damit kommen wir wieder zu etwas Ernsterem –: Sie stellen sich hier heraus, Frau Dr. Moser, und deuten, direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst, an, dass dem Herrn Vizekanzler Verkehrstote – Sie haben sogar gesagt: tote Kinder! – egal sind. – Das weise ich im Namen meiner Fraktion auf das Schärfste zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es können niemandem in diesem Hohen Haus, egal ob Grün, Rot, Schwarz oder Blau, die Verkehrstoten egal sein. Und wenn man hier eine sachliche Diskussion über eine Erhöhung der Geschwindigkeit führen möchte, Frau Dr. Moser, dann ist das nicht das Thema dieser Diskussion.

Noch einmal: Ich verwahre mich dagegen, dass Sie behaupten, dass unserem Vize­kanzler Verkehrstote egal seien. Sie sind ihm nicht egal – genauso wenig wie irgend­einem anderen Abgeordneten der blauen oder der schwarzen Regierungsfraktion. Nie­mandem sind Verkehrstote – egal, ob Kinder oder Erwachsene – egal. Das kann und darf nicht sein!

Ich gebe aber zu, ich finde die Diskussion sehr gut. Ich bin wenigstens so ehrlich – genau so, wie Sie es vielleicht ehrlich meinen, dass Tempo 130 richtig wäre und 160 schlecht. Da sage ich Ihnen ganz offen: Mir gefällt die Diskussion um 160 km/h, und zwar nicht deshalb, Herr Kollege Brosz, damit ich 3 Minuten schneller in Kärnten bin, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass es in der heutigen Zeit, unter den gegebenen Voraussetzungen und bei der gegebenen Straßenlage, vernünftig und gut ist, darüber nachzudenken, Geschwindigkeiten zu erhöhen.

Ich würde es aber auch für gut halten – und das möchte ich auch dem Herrn Vize­kanzler hier an dieser Stelle mitgeben –, wenn man sich einmal die eine oder andere Verordnung näher ansehen würde, zum Beispiel betreffend eine Beschränkung durch zu viele Schilder auf der Straße, und das vielleicht einmal durchforsten würde. Wenn Sie einmal mit offenen Augen durch das Land fahren, merken Sie, dass da vielleicht das eine oder andere Schild zu viel ist, dass man hier vielleicht Vereinfachungen schaf­fen könnte und dass man nicht permanent versuchen sollte, durch Beschränkungen und durch Maßregelungen den Staatsbürger einzuschränken, wo es nicht nötig ist.

Herr Vizekanzler, von mir aus könntest du die 160 km/h per Weisung schon morgen unterschreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parni­goni. 5 Minuten Redezeit, 6 Minuten Restredezeit, Herr Abgeordneter. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 156

17.27.18

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Meine Damen und Herren! Ich möchte eingangs schon klarstellen, dass die Kollegin Becher natürlich nicht gemeint hat, dass das, was sie sagt, ihr „Wurscht“ ist, sondern – und da gebe ich ihr völlig Recht – manche Ihrer Wortmeldungen, Herr Kollege Scheuch, können einem wirklich Wurscht sein. Davon können Sie ausgehen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn man die Debatte jetzt verfolgt hat, vor allem auch den Beitrag des Staats­sekretärs Kukacka, wird deutlich, dass es sich hier um ein klares Ablenkungsmanöver handelt, nämlich um ein Ablenkungsmanöver davon, dass die Verkehrspolitik der hinter mir sitzenden drei Herren – nein, zwei, einer steht – natürlich versagt hat. Ich denke da an das Finanzdesaster bei der ÖBB, ich denke daran, dass es keine Konzepte für einen Nahverkehr in peripheren Regionen gibt, ich denke daran, dass man nicht in der Lage ist, eine Post-Universaldienstverordnung zustande zu bringen, mit der man die Postämter schützen kann.

Meine Damen und Herren! Jetzt sucht man ein Thema, von dem man glaubt, damit punkten zu können, dann wirft man flapsig dieses Thema in die Diskussion und meint, damit schafft man es. Da kann ich Ihnen nur empfehlen, meine Herren auf der Regie­rungsbank, sich doch auch ein bisschen über die Situation der Exekutive zu infor­mieren, denn eines steht fest: Diese fünf Jahre unter einer schwarz-blauen Regierung haben natürlich dazu geführt, dass es Tausende Exekutivbeamte weniger gibt, und das Ergebnis ist eben Personalknappheit. Daher kommt die Exekutive ihren präventiven Aufgaben nicht mehr nach. Wenn von 23 000 im Außendienst befindlichen Exekutiv­beamten nur mehr 2 000 für die Verkehrsüberwachung zur Verfügung stehen, wird es schwierig sein, diese neuen Bestimmungen, die neuen Möglichkeiten, schneller zu fahren, entsprechend zu kontrollieren. Das wird aber notwendig sein. Oder wollen Sie das nicht?

Ich sage Ihnen: Diese Beamten haben Sie nicht! Die haben Sie abgebaut, und daher haben Sie hier einen falschen Weg gewählt.

Das zweite Argument, das mir wichtig erscheint, ist, meine Damen und Herren: Es ist natürlich nicht erwiesen, dass eine Auflockerung dieses Tempolimits automatisch dazu führt, dass sich die Autolenker dann sozusagen apodiktisch an dieses neue Tempolimit halten werden. In Wirklichkeit wird es dazu kommen, dass vor allem die kleine Gruppe der Hochrisikolenker diese neuen Möglichkeiten ausnutzen wird und es da zu enormen Geschwindigkeiten kommen wird. Sie werden dazu ja geradezu ermuntert, und das ist in meinen Augen ein falscher Anreiz.

Mich würde überhaupt interessieren, Herr Bundesminister und Vizekanzler, wie Sie das sehen. Wie ist das denn dann eigentlich bei 160 km/h auf der Autobahn?

Nehmen wir einmal an, da gibt es einen Fahrer mit einem blauen Porsche, der dann 160 km/h fahren darf: Wenn man jetzt die 160 nimmt und 50 dazurechnet – das ist ja noch erlaubt –, sind wir bei 210 km/h. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Das hat er hier aber erklärt! – Abg. Murauer: 180 sind die Grenze! – Keine Ahnung! – Abg. Scheibner – in Richtung des Redners –: Wo warst du denn?) Und weitere 10 kommen noch hinzu; das ist die Toleranzgrenze, nicht wahr, 5 Prozent. Das heißt, ein Führerscheinentzug käme dann erst bei 220 km/h in Frage. (Abg. Neudeck: Das ist aber ein Armutszeugnis, Herr Kollege!)

Das ist eine sehr eigenartige Vorgangsweise! Dafür gibt es dann natürlich nur eine Geldstrafe. Das ist auch hochinteressant. Das heißt, der, der sich einen blauen Porsche leisten kann, kann sich natürlich auch seine Geldstrafe für das Rasen leisten.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 157

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass der Zustand des Fuhrparks der Exekutive vor allem im Bereich der Verkehrsabteilungen sehr dra­matisch ist. Wir haben im April 2004 eine Anfrage gestartet, und dabei hat sich heraus­gestellt, dass von 197 Einsatzfahrzeugen für die Verkehrsüberwachung 99 zwischen 100 000 und 200 000 km am Tacho haben, 43 zwischen 200 000 und 300 000, elf zwischen 300 000 und 400 000 und zwei sogar über 400 000 km. Wie Sie dann einen Raser mit 200 oder 220 oder noch mehr km/h stoppen wollen, das schau’ ich mir an! (Abg. Scheibner: Das hat aber auch nichts mit 160 zu tun!)

Aber, Kollege Scheibner, verantwortungsvolle Verkehrspolitik braucht natürlich sub­stantielle Strategien; das ist keine Frage. Wir brauchen in Zukunft sicher flexiblere und selektivere Geschwindigkeitsregelungen, und wenn es da im Rahmen der Diskussion zu einer Verbesserung von Telematikmaßnahmen, zum Ausbau von effizienten Ge­schwindigkeitsleitsystemen und vor allem zu einer Verbesserung der Infrastruktur kommt, dann muss man darüber diskutieren. Dazu sind wir auch bereit. Allerdings hat, wenn es so weitergeht mit der Verkehrspolitik, Pelinka in „NEWS“ natürlich Recht, wo er – das kann ich jetzt nicht zitieren, das würde zu lange dauern – als Conclusio meint: In Wirklichkeit wird sich das alles aufheben, denn wenn es immer mehr Verkehr gibt – und ein Redner der ÖVP hat das ja deutlich gemacht –, dann werden wir 30 km/h auf den Autobahnen fahren und nicht 160. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Parni­goni, Sie sind ein Verkehrsproblem!)

17.33

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Miedl zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen die GO-Bestimmungen. – Bitte.

 


17.33.24

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Parnigoni hat zwei Tatsachen behauptet. Erstens hat er von „Toleranzgrenzen“ gesprochen, die das Gesetz nicht kennt, und zweitens hat er behauptet, dass nach Gorbachs Modell erst bei 220 km/h ein Führerscheinentzug mög­lich wäre. – Beides ist unrichtig!

Bundesminister Gorbach hat ausdrücklich festgestellt, dass die Entzugsgrenze nach wie vor bei 180 km/h bleiben würde. Und zur zweiten Feststellung, meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Parnigoni: Wenn wir als Gesetzgeber dazu beitragen, dass Gesetze fälschlich ausgelegt und interpretiert werden, dann verstehe ich die Welt nicht mehr! Wir haben in der StVO ganz klar beschlossen, dass es Höchstgrenzen gibt, und das Gesetz spricht von keinen Toleranzgrenzen. Ich bitte Sie, das hinkünftig zur Kenntnis zu nehmen: Es gibt keine Toleranzgrenze im Gesetz! Das ist nicht richtig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wittauer: Der kennt sich nicht aus!)

17.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klub­obmann Scheibner. 5 Minuten Redezeit, Gesamtrestredezeit: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.34.32

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin durchaus froh über diese Dringliche Anfrage und auch über die Debatte in diesem Zusammenhang, denn ich glaube, es ist wichtig und richtig, dass man immer wieder über Verkehrssicherheit, über die Verstärkung der Verkehrssicherheit diskutiert. (Abg. Dr. Gabriela Moser: Aber weil wir es wollen!) – Frau Kollegin Moser, jetzt lobe ich Sie, also schreien Sie nicht da auch noch dazwischen – das heißt, nicht Sie


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 158

persönlich, auch nicht wegen Ihrer Wortmeldung, aber dafür, dass wir jetzt auch im Zusammenhang mit Ihrer Dringlichen Anfrage über dieses Thema diskutieren können.

Ich bin auch sehr dafür, dass wir über die Vermeidung von unnötigen Verkehrsströmen diskutieren, über die Reduzierung von Schadstoffen; überhaupt keine Frage. Und dass es da verschiedene Wege geben kann, auch das muss man akzeptieren. Zumindest das verlange ich aber auch von Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen.

Ich verstehe schon, dass man der Meinung sein kann, je geringer die Geschwindigkeit, desto weniger Unfälle, desto weniger Tote, desto weniger Schadstoffe et cetera. Da gibt es Leute, die sind für 100 km/h auf den Autobahnen und 80 km/h auf den Bun­des­straßen. Das ist alles in Ordnung, darüber kann man diskutieren, aber wenn jemand anderer Meinung ist, dann akzeptieren Sie das auch und versuchen Sie, das mit Argumenten zu entkräften, und sagen Sie nicht gleich: Das sind Luftblasen, das ist Biertischpolitik, man trägt die Schuld für den Tod von Kindern.

Man verwechselt da Tempo 160 mit Nebelunfällen, wo 50 km/h auch noch zu viel sind. Wenn gerade Sie immer die intellektuelle Redlichkeit einmahnen, dann, bitte, halten auch Sie selbst sich daran bei Ihren Debattenbeiträgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und es ist ja nicht so, wie Sie hier suggerieren, dass sich jetzt alle zu 100 Prozent an das 130-km/h-Tempolimit halten und ab dem Zeitpunkt, wo Hubert Gorbach die 160 km/h auf Teilstrecken ermöglicht, plötzlich alle die Geschwindigkeit auf 160 km/h anheben würden. Dann wäre vielleicht diese Milchmädchenrechnung, die Sie ange­stellt haben, richtig, dass sich Schadstoffe erhöhen et cetera. Tatsache ist doch, meine Damen und Herren, dass auch heute 140, 150 und 160 km/h auf den Autobahnen gefahren werden.

Ich habe auch mit einem Kollegen von Ihnen gesprochen und ihn gefragt: Fahren Sie nie 150 km/h auf der Autobahn? Und er hat mir ehrlich gesagt: Ja, aber immer mit Bauchweh. – In Klammer: Wahrscheinlich, weil er Angst hat, erwischt zu werden.

Zur Argumentation von Herrn Grünewald, der gesagt hat, es werden alle krank, wenn sie 160 km/h fahren: Ich meine, dauernd 160 km/h zu fahren mit Bauchweh, weil man Angst hat, erwischt zu werden, ist auch schlecht, denn vom dauernden Bauchweh kann man ein Magengeschwür bekommen. Also, wenn ich mich Ihrer Argumen­tations­linie annähere, wird deutlich, man könnte auch von einem anderen Argument ausge­hen. Das möchte ich aber nicht tun.

Eingemahnt war ein Argument für diese flexiblen Tempolimits. Ich glaube – aber ich kann mich irren; ich behaupte nicht, dass ich die Weisheit gepachtet habe –, gerade weil diese Tempolimits heute nicht beachtet werden, weil sie oft auch als nicht relevant und nicht nachvollziehbar angesehen werden, könnte ein derartiges flexibles Tempo­limit mit scharfen Kontrollen, mit den entsprechenden Telematikanlagen – das ist eine Grundvoraussetzung dafür – auch dazu führen, dass Tempolimits dort, wo sie verordnet sind, auch in einem größeren Ausmaß eingehalten werden. Das wäre ein echter Beitrag zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit auf allen Autobahnen und auf allen Bundesstraßen und nicht nur dort, wo die flexiblen Tempolimits gelten, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da gäbe es viele Diskussionen, wie etwa: Wenn ich am Wochenende auf Autobahnen Baustellen sehe, auf denen nichts passiert, wo man nur vergessen hat oder nicht in der Lage ist oder einem die Arbeit zu viel ist, dass man die 80-km/h-Tempolimit-Schilder, die Tafeln mit den Beschränkungen umdreht, wenn auch in der Nacht entsprechende Tempolimits gelten et cetera.

Ich glaube, solche Diskussionen wären sinnvoll. Da geht es nicht in erster Linie darum, die 160 km/h einzuführen, sondern darum, diese Verkehrsbegleitmaßnahmen einzu-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 159

richten, die Telematikanlagen einzurichten. Sie sehen ja in der Praxis, dass dort, wo diese Anlagen schon bestehen, wo mit diesen elektronischen Schildern dann plötzlich statt 130 km/h 100 oder 80 verordnet werden und vielleicht noch mit einer zweiten Information auch dazugeschrieben wird, warum dieses Tempolimit verordnet wird, das auch in einem wesentlich größeren Ausmaß eingehalten wird als das generelle Tempo­limit, das derzeit gilt.

Was die Schadstoffe anlangt: Selbstverständlich überlegen wir uns alternative Maßnahmen zur derzeitigen Verkehrsplanung, zur derzeitigen Raumplanung. Die meisten Schadstoffe im Transit gibt es dort, wo der Transitverkehr durch dichtest verbaute Gegenden geführt wird, wie etwa in Wien auf der Südosttangente, dem Gürtel oder anderen Hauptverkehrsstraßen.

Aber warum waren es gerade auch Ihre Vertreter, die sich so sehr dagegen gewehrt haben, dass man die Verkehrsströme dort, wo man sie nicht von der Straße auf die Schiene bringt, zumindest von diesen dichtest verbauten Gebieten der Großstadt herausbringt und über Umfahrungen eine Verbesserung herbeiführt, oder dass man auch in alternative Wege des Gütertransits investiert bei Forschung, bei Unter­suchungsmaßnahmen? All das sind interessante Dinge, über die man diskutieren könnte. Aber Sie hängen das jetzt alles an dieser einen Maßnahme auf, dass man einmal überprüft, ob man nicht flexible Tempolimits einführen kann.

Herr Bundesminister, Herr Vizekanzler! Auch ich glaube, dass es nicht sinnvoll ist, lange Tests zu machen, Teststrecken einzurichten, sondern: Volle Investition in diese Verkehrsüberwachungsmaßnahmen, in die Telematik-Einrichtungen, um dann dort, wo das möglich und notwendig ist und auch eine Verbesserung bringt, flexible Tempolimits einzuführen – das können da und dort mehr als 130 km/h, aber da und dort auch weniger als 130 km/h sein!

Das heißt nicht: Freie Fahrt für freie Bürger!, sondern vernünftige Regelungen, die dann auch akzeptiert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. Herr Abgeordneter, Sie haben eine Gesamtrestredezeit von 4 Minu­ten. – Bitte.

 


17.41.04

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum, werte Damen und Herren von den Regierungsparteien, treten Sie eigentlich nicht für Tempo 200 ein oder überhaupt für eine Aufhebung jedes Tempolimits? (Abg. Scheibner: Das habe ich Ihnen ja wohl erklärt jetzt, oder?) – Ich frage Sie das deshalb, weil Sie außer einem Argument nichts gebracht haben, was auch nur ansatzweise rechtfertigen würde, dass man Tempo 160 haben will.

Dieses eine Argument, das Sie gebracht haben, war – der Herr Vizekanzler hat es vorexerziert, ein paar Mal wurde es nachgebetet –:

Alte Regeln – sprich: Tempo 130 – taugen aus sich heraus nichts mehr, müssen neu überprüft werden. Deregulierung: Jede neue Regel ist sozusagen besser als eine alte Regel, darum machen wir es, und darum probieren wir es einmal auf einer Teststrecke mit Tempo 160 aus. – Aber einen Grund dafür, warum Sie ausgerechnet 160 km/h nennen und nicht 200 oder 250, oder überhaupt sagen: Schluss, aus mit jedem Tempolimit!, haben Sie nicht gebracht.

Was wir hingegen gebracht haben, waren gute Gründe, denke ich – gut argumen­tierbare Gründe! –, warum man nicht für eine Erhöhung von Tempo 130 eintreten kann. Und diese Gründe liegen auf der Hand: Es ist die Verkehrssicherheit! Wenn Sie


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 160

von 130 auf 160 erhöhen, dann verdoppelt sich das Risiko für tödliche Verkehrsunfälle, für Unfälle – es verdoppelt sich! Das ist kein Blödsinn, sondern das können Sie in den Studien nachvollziehen! Es ist so!

Wenn Sie von 130 auf 160 erhöhen, dann steigt die Lärmbelastung nicht geradlinig, sondern exponentiell an. (Abg. Neudeck: Das ist nicht nur ...!) Wo vertreten Sie die Interessen der Anrainer!? Was ist genannt worden? – Eine Strecke im Vorfeld der Stadt Linz, auf der Tempo 160 gefahren werden soll. Na, Herr Kukacka – da Sie ja nicht dort wohnen –, diese Auseinandersetzung nehmen wir gerne auf! (Beifall bei den Grünen.)

Die Anrainer und wir auf der einen Seite, und Sie als Staatssekretär, der den Leuten dann erklärt, warum dort 160 gefahren werden soll – auf diese Auseinandersetzung freue ich mich. Erzählen Sie das den Anrainern: Freie Fahrt für freie Bürger!, und so weiter. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Kann mir jemand sagen, warum ich immer mit 160 identifiziert werde? Können Sie mir das einmal sagen? ... unglaublich!)

Abgase: Klar ist, dass die Abgasbelastung, das Feinstaub-Risiko exponentiell steigt. – Trotzdem, das hindert Sie nicht daran! Sie sagen: Denken wir doch einmal darüber nach, mit all dem können wir fertig werden!

Treibstoffverbrauch: Der Treibstoffverbrauch steigt exponentiell. – Das hindert Sie nicht daran (Abg. Wittauer: Meiner braucht von 80 bis 160 gleich viel!), Sie sagen trotzdem: Nein, das bekommen wir schon mit der Telematik in den Griff.

Den Treibstoffverbrauch, die Abgase, den Lärm, all das bekommen Sie nicht mit der Telematik in den Griff! (Beifall bei den Grünen.)

Flüssigkeit des Verkehrs: Wunderbar! Ja? – Wir alle kennen es: Ziehharmonika-Effekt: Da wird 160 gefahren, dort darf dann nur mehr 100 oder 130 gefahren werden; es kommt zu einem schönen Aufstau, der sich in die Tempo-160-Zone fortsetzt. (Abg. Scheibner: Das ist aber reine Theorie!) Ich beglückwünsche Sie zu dieser Argu­mentation und zu der Freude, die Sie damit für alle Verkehrsteilnehmer, die sich dermaßen auf den Autobahnen bewegen, verursachen.

Zehn Mal besser wäre: gleichmäßige Geschwindigkeit und die Verkehrsteil­nehmerIn­nen dazu zu erziehen, dass sie diese gleichmäßige und ruhige Verkehrsgeschwin­digkeit einhalten – dann sind sie nämlich wesentlich schneller unterwegs! So widersin­nig das auch klingen mag, aber das ist tatsächlich logisch. (Beifall bei den Grünen.)

Noch ein letztes „Schlaucherl“-Argument, das Kollege Scheuch gebracht hat (Abg. Scheibner: Also bitte! Was ist das?) – das war das „Über-Schlaucherl“-Argument! (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) –: Wenn wir die Geschwin­digkeit erhöhen, dann wird der Durchsatz höher. – Mit diesem Argument ... (Rufe bei den Freiheitlichen: Schlusssatz!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, bitte den Schlusssatz!

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Mit diesem Argument, Herr Kollege Scheuch, sind Sie für Tempo 260 – nur, stimmen tut es trotzdem nicht! Es ist ein fal­sches Argument, und das lässt sich gut belegen. (Abg. Wittauer – in Richtung Präsi­dentin Mag. Prammer –: Was ist das?)

Mitnichten haben Sie irgendein Argument gebracht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 161

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringendes Maßnahmen­paket „Gesunde Luft statt Feinstaub-Atemnot“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

17.46.24Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die Verhandlungen über den Tages­ordnungspunkt wieder auf.

Als nächster Redner kommt Herr Abgeordneter Eder zu Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


17.46.45

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir setzen jetzt – nach dieser etwas aufregenden 160-km/h-Debatte – die Budgetdebatte fort. Ich möchte beim Budget gleich auf der Einnahmen­seite, die ja eine wichtige Seite des Budgets ist, beginnen und mich mit einmaligen Einnahmen des Bundes beschäftigen.

Dazu stand gestern in der „Wiener Zeitung“ ein ganz interessanter Artikel, wonach der Anwalt Rudolf Fries bei vielen Betrieben „günstig zuschlagen“ konnte. Ich zitiere aus „Bund verkauft Familiensilber oft äußerst unvernünftig“ – das sagt der Herr Anwalt selbst, der kauft und lächelt über die Preise –: Vom Bund konnte er zum Beispiel 25,65 Prozent von Böhler-Uddeholm kaufen.

„Ein Schnäppchen war für ihn jedoch das Immobilien-Paket der Bundesim­mobilien­gesellschaft, das er vor 2 Jahren zum Preis von 138 Mio. Euro übernehmen konnte. ,Was der Bund verkauft, verkauft er äußerst unvernünftig, so der Anwalt ...“

Also wenn das schon jemand, der kauft, sagt, Herr Staatssekretär Finz, dann müssten bei Ihnen ja die Alarmglocken läuten, wie Sie da Volksvermögen verschleudern! Das ist ja wirklich ein Skandal, der da in einem eher kleinen, bescheidenen Zeitungsartikel steht.

Wissen Sie, was noch in diesem Artikel steht? – „Bis auf das Arsenal und die Salz­burger Anlage will Fries alles verkaufen.“ Mit so einem Verkauf kann man nämlich sehr hohe Gewinne machen! Ja, seid ihr zu ungeschickt gewesen, um solche Gewinne zu machen, Herr Staatssekretär Finz? Das macht jetzt ein Zwischenhändler für Sie? – Das zeugt wirklich nicht von hoher Wirtschaftskompetenz und wundert mich schon sehr! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu einem weiteren Punkt, der in der Budgetrede genannt wurde, möchte ich einiges sagen. Darin sagt nämlich der Herr Finanzminister, er hat „Österreich in Bewegung gebracht“. – Wir haben soeben am Beispiel Fries gesehen, wohin sich Österreich bewegt. – In der Budgetrede also heißt es:

„Denken Sie an die ÖBB-Reform mit einer neuen Unternehmensstruktur, einem neuen Dienstrecht, klaren Einsparungszielen und einer Qualitätsverbesserung für die Bevöl­kerung.“

Na, das ist ja ein ganz flotter Satz, der hier steht, nur: Wenn ich mir die Schlagzeilen der Zeitungen der letzten 14 Tage hernehme, sehe ich, dass das nichts mit der Rede des Finanzministers und der Realität dieses Inhaltes zu tun hat, denn da steht dann:

„Eisenbahner drohen mit Streik“, „ÖBB: Personalabbau in vollen Zügen“, „ÖBB: ,Infra­struktur ist 2007 konkursreif“, „Haberzettl: Streik ist wieder möglich“, „ÖBB in vier Jah-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 162

ren wieder mit 10 Milliarden verschuldet“, „Milliardengrab Brenner-Basistunnel“, „Bahn-Ausbaupläne sind veränderbar“, sagt Herr Staatssekretär Kukacka. Der Herr Minister sagt: Kosten für Brenner-Basistunnel werden nach oben revidiert. ÖBB-Chef Huber sagt: Der Generalverkehrsplan ist so quasi „zum Krenreiben“, er müsse jetzt einen neuen Bahnausbau überhaupt erst einmal verhandeln – und so geht das weiter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Realität hat mit dem Inhalt der Budgetrede überhaupt nichts zu tun! Und es ist schon sehr, sehr bedenklich, wenn der Herr Finanzminister meint, in einer völlig irrealen Welt zu leben.

Oder: Asfinag – Vorstandschef Hecke nimmt vorzeitig seinen Hut. Herr Vorm Walde bei der ÖBB nahm vorzeitig seinen Hut. Das kostet alles Hunderttausende Euro, die zu bezahlen sind, und zwar für Leistungen, die nicht mehr erbracht werden!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist das die „neue Art des Regierens“? Ist das die Zukunft? Wenn das die Zukunft ist, Herr Staatssekretär, dann sagen wir auf gut Wienerisch: Da schau ma liab aus! (Beifall bei der SPÖ.)

17.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Rosenkranz zu Wort. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


17.51.02

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Ich nehme Bezug auf den familienpolitischen Aspekt des Budgets und vor allem auf die Aussage der Kollegin Mandak, die das Kinderbetreu­ungs­geld betreffend gemeint hat, dieser Scheck sei eben doch ungedeckt.

Abgesehen davon, dass damit zu suggerieren versucht wird, es würde jemand, der einen Anspruch hat, dem man den Anspruch zugestanden hat, dieses Geld nicht bekommen, wovon überhaupt nicht die Rede sein kann, ist dieser Scheck aber auch insofern nicht ungedeckt, als ja der Flaf jahrzehntelang als Puffer für das Budget missbraucht wurde. Wenn man nun allein diese Gelder, die über viele Jahre aus dem FLAF entnommen wurden, um Budgetlücken zu decken, gegenrechnet, kann noch lange keine Rede davon sein, dass im FLAF nicht genug Geld vorhanden wäre.

Außerdem kommt der Familienlastenausgleichsfonds – das hat sich traditionellerweise und bedauerlicherweise ebenso eingeschlichen – für Leistungen auf, die andere Bud­gets finanzieren. So gehört zum Beispiel die Schulbuchaktion eigentlich zur Bildung. Die Schülerfreifahrt stellt eine gute Dotierung, eine überaus reichliche Dotierung der Verkehrspolitik dar. Und die Beitragszahlungen für jene, die in Karenz sind, kommen den Pensionsversicherungsanstalten zugute.

Angesichts dessen kann man also nicht dann, wenn für eine ganz spezifische und enge Kernaufgabe Geld aus dem Budget zur Verfügung gestellt wird, davon reden, dass der FLAF eigentlich bankrott sei, dass da leider das Budget herangezogen wer­den müsse und – darüber möchte ich doch ganz kurz reden – dass das Geld für wichtige Sachen fehle, da es offenbar, wie dargestellt wurde, für Unwichtiges ver­wendet werde.

Ich bedauere sehr, dass es offensichtlich stimmt, was in der „Frankfurter Allgemeinen“ in den letzten Tagen ganz stark betont worden ist, nämlich dass nach wie vor ein absolutes Unverständnis für die Bedeutung der Demographie herrscht, wobei ich feststelle, dass es in der Bundesrepublik Deutschland offenbar ein bisschen besser ist. Vor zirka zehn Tagen wurde in der „FAZ“ mit einer Artikelreihe zu diesem Thema begonnen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 163

Unter dem Titel „Grundkurs für Staatsbürger. Dreißig Jahre nach zwölf“ leitet Feuille­ton-Chef Schirrmacher eine Serie des Bevölkerungswissenschaftlers Birg ein, der versucht, klarzulegen, dass die demographischen Entwicklungen, die sich schon lange abgespielt haben, deren Auswirkungen aber erst jetzt vor uns liegen, so stark sein werden, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Birg appelliert an die Politiker und sagt, diese verhielten sich wie jemand, der weiß, dass er dann, wenn die Wir­kungen seiner Entscheidungen zutage treten, nicht mehr im Amt ist. Das ist eine Unterstellung, von der ich gar nicht glaube, dass sie in Österreich bereits gilt – mög­licherweise trifft das auf Deutschland zu. Bei uns gilt eigentlich vielmehr, dass die Diskussion nicht in dem Maße fortgeschritten ist, dass eingesehen werden kann, was passiert.

Ein Beispiel aus der Statistik: Wenn ein Teich in einem kleinen Eckerl einen Quadrat­zentimeter Algen hat und sich dieser Algenbesatz jeden Tag verdoppelt, dann ist er am nächsten Tag zwei Quadratzentimeter groß, dann vier Quadratzentimeter, am 25. Tag ist die Hälfte des Teiches voll. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.) Was ist am nächsten Tag? – Der Teich ist kaputt! Und so verhält sich auch mit der Demographie!

Es wird aber nicht eingesehen, dass wir hier mit vielen Belangen, die wir hier machen, zwar ein bisschen etwas tun, aber in Wirklichkeit noch viel mehr tun müssten. Dass in den Sozialbereichen die Auswirkungen stark sein werden, haben mittlerweile doch viele schon festgestellt, allerdings glaube ich, nicht in dem Ausmaß, wie es tatsächlich stattfindet, sonst könnte man nicht auf die sehr naive Idee kommen, uns die eigenen Kinder zu ersparen und stattdessen durch Einwanderung zu kompensieren, denn – nur kurz dazu –: Es wandern keine Babys ein, es wandern im besten Fall Babys mit Eltern ein. Das heißt, der Altenquotient, der für die Soziallast verantwortlich ist, wird sich dadurch nur sehr geringfügig verringern.

Für die Bundesrepublik Deutschland wurde ausgerechnet, wie stark diese Ein­wan­derung sein müsste, wenn der Altenquotient bis 2050 gleich bleiben soll, nämlich geradezu – wir brauchen es für Österreich nur durch 10 zu dividieren – unglaubliche 188 Millionen Menschen! Dies ist ein Konzept, dass überhaupt nicht funktioniert; das kann man schon einmal lassen.

Meine Redezeit ist knapp, es wird sich aber im Rahmen dieser Budgetverhandlungen hier im Nationalrat ohnehin noch die Zeit ergeben, das ausführlich zu besprechen.

Um die Situation aufzufangen, muss man jedenfalls zwei Dinge bedenken: Ein Viertel­jahrhundert falscher demographischer Entwicklungen bedarf drei Vierteljahrhunderte, um sie zu korrigieren. Das heißt: Wenn wir jetzt anfangen, mit riesigem Kraftaufwand alles richtig zu machen, dann müssen wir uns trotzdem auf mehr als 50 Jahre schlech­ter Entwicklung einstellen; das ist das Erste. Und das Zweite ist, es wird uns aber dennoch nicht erspart bleiben, denn wenn wir nichts tun, dann wird kein Stein auf dem anderen bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.56


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeord­nete Haidlmayr zu Wort. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Ab­geordnete.

 


17.56.23

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein bisschen komisch, jetzt mit Herrn Finanzminister über seine Budgetrede zu diskutieren, obwohl er gar nicht da ist. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Der Staatssekretär ist da!) Das ist schon eine eigenartige G’schichte. Aber bitte, es soll anscheinend so sein, dass wir über ein Budget diskutieren, ohne dass der zuständige Herr Minister, der ja die Budgetrede gehalten hat, anwesend ist.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 164

(Abg. Neudeck: Sie sind ja auch nicht Finanzsprecher ...!) – Herr Staatssekretär Finz hat, wenn Sie sich erinnern können, die Budgetrede nicht gehalten, das war der Herr Finanzminister selber. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Und wir stellen uns der Diskussion mit dem Herrn Finanzminister, denn dieser hat die Budgetrede gehalten. Herr Wittauer, Sie dürften das von gestern auf heute vergessen haben, deshalb bringe ich es Ihnen noch einmal in Erinnerung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war ja von der Budgetrede des Herrn Ministers nicht einmal enttäuscht. Ich sage es Ihnen ganz offen, ich habe mir nichts anderes erwartet. Ich habe mir wirklich nichts anderes erwartet!

Ich habe mir nicht erwartet, dass der Herr Finanzminister im Zusammenhang mit sozialen Aspekten in Österreich und deren Verbesserung wirklich auf die Situation von Menschen mit Behinderungen eingeht.

Ich habe mir vom Herrn Finanzminister auch nicht erwartet, dass er auf die Situation von Zivildienstleistenden eingeht, jetzt, nachdem die Zivildienst-Reformkommission abge­schlossen und klar festgestellt worden ist, dass die Pauschalvergütung ent­sprechend den Grundwehrdienern angepasst und auch das Verpflegungsgeld auf 13,60 € pro Monat angehoben werden muss. Ich habe es mir nicht erwartet: weder von seiner Rede noch, dass der Herr Finanzminister persönlich das vielleicht auch möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mich jedoch schon überrascht hat, ist, dass es im Budget null – ich betone: null Cent – an Mitteln gibt, um diese Vorhaben umsetzen zu können.

Herr Staatssekretär, ich sage jetzt nicht: Richten Sie es dem Herrn Minister aus, weil das ohnehin nicht passiert und ihm das wahrscheinlich sowieso egal ist, aber war denn nicht geplant, dass es im Jahre 2006 zumindest zu einer Abgeltung beim Pflegegeld, sprich, zu einer Valorisierung kommt, dass das nicht nur eine einmalige Geschichte für das Jahr 2005 war, sondern dass klar war, dass es auch im Jahre 2006 eine Evalu­ierung gibt?

Im Budget, Herr Staatssekretär Finz, finde ich davon nichts. – Sie nicken mit dem Kopf, das heißt: Das wird es nicht geben. Wenn es das aber nicht geben wird, dann frage ich mich, warum sich dann der Herr Finanzminister gestern hierher gestellt und gesagt hat: Mit mir keine Kürzungen, mit mir kein neues Belastungspaket! – Also wirklich, das hält man einfach nicht für möglich!

Wenn Sie das Pflegegeld im Jahre 2006 nicht valorisieren, dann ist das natürlich eine Kürzung, weil einfach die Realitäten anders sind! Ich brauche Ihnen jetzt gar nicht zu sagen, wie hoch die Indexsteigerung in dem Bereich ist, sondern wenn der Wertverlust nicht ausgeglichen wird, dann ist es selbstverständlich eine Kürzung. Beim Pflegegeld wird es auch im Jahre 2006 wieder eine Kürzung geben, nämlich dadurch, dass es eine Nicht-Valorisierung des Pflegegeldes gibt.

Ich habe es wirklich satt! Ich habe es satt, mir vom Finanzminister anhören zu müssen, wogegen er sich eigentlich verwahrt, es zu tun – aber im Endeffekt macht er es! Er war für mich noch nie glaubwürdig, aber dass er die Menschen für so dumm hält, dass sie das nicht kapieren, das ist wirklich überzogen. Herr Staatssekretär, das geht so nicht, das geht so absolut nicht mehr!

Was machen Sie denn jetzt – und ich frage Sie, Herr Staatssekretär, weil Sie auch an dem Budget mitgewirkt haben –, wie soll es denn jetzt im Bereich der Zivildienst-Novellierung weitergehen, wenn dafür kein Cent vorgesehen ist? Aus welchen Mitteln werden die Erhöhungen der Pauschalvergütungen finanziert, wenn sich im Budget nichts findet? Mit welchen Mitteln ... (Staatssekretär Dr. Finz: Aus dem Ressort-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 165

budget!) Bitte? (Staatssekretär Dr. Finz: Aus dem Ressortbudget und nicht aus unserem!) So? Dort habe ich aber auch nichts gefunden.

Ich sage Ihnen, es ist im Budgetansatz des Innenministeriums nichts drinnen. Halten Sie mich nicht für so dumm, dass ich nicht Budgetlesen kann! (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Da ist nichts drinnen! Ich kann Ihnen jetzt das Heftl auch bringen, und dann zeigen Sie es mir! Beziehungsweise Sie haben das Heftl ein­gesteckt, zeigen Sie es mir gleich! Sagen Sie nicht „ja, das ist so“, wenn es nicht so ist. Halten Sie mich nicht für dümmer ... (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Was immer Sie annehmen, da ist nichts drinnen.

Genauso wenig ist etwas drinnen zur Erhöhung des Verpflegungsentgeltes. Wo steht denn das? Herr Staatssekretär, wo steht das, vielleicht haben Sie es auch im Kopf? Die Erhöhung ... (Zwischenruf des Abg. Gaál.) Nein, die kennt er nicht einmal, aber Hauptsache, wir bekommen eine Zivildienst-Novellierung. Die Auswirkungen sollten eigentlich ab Mitte 2005 in Kraft treten.

Herr Staatssekretär! Ich meine, auf so ein Budget kann man wirklich verzichten! Ich garantiere Ihnen: Wenn ich heute in meinem Unternehmen so kalkuliert hätte, wie Sie es uns hier unterbreiten, ich schwöre Ihnen, ich hätte meinen Job, glaube ich, gar nicht übertaucht! Das hätte ich nicht durchgestanden! – Sie haben aber eine größere Verantwortung; da geht es um ein Staatsbudget, Herr Staatssekretär. Wie Sie damit umgehen und wie Sie die Leute hinters Licht führen (Abg. Dr. Mitterlehner: Na, he! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), Herr Staatssekretär, das geht so nicht!

Sie brauchen sich hier gar nicht aufzuregen, wenn ich „hinters Licht führen“ sage, weil diese Zahlen, die mir der Herr Staatssekretär jetzt gesagt hat, ja in dem Budget drin­nen sind. (Abg. Murauer: Redezeit ist einzuhalten!) Die sind dort nicht drinnen, also ist es ein Hinters-Licht-Führen, und das geht ganz einfach nicht. (Abg. Dr. Brinek: Rede­zeit!) Das sollten die Menschen auch wissen, weil Sie immer von Ihrer Glaubwürdigkeit gesprochen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Aber Ihre Glaubwürdigkeit ist nichts wert, weil Sie nämlich keine mehr haben – und am Anfang auch nur eine sehr geringe hatten. Doch die ist schon lange weg. Ich garantiere Ihnen: Die Leute haben das kapiert, und Sie bekommen die Rechnung! Auf diesen Tag freue ich mich heute schon. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Großruck: Die Freude wird lange dauern!)

18.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lentsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.03.26

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Das kommende Jahr, das Jahr 2006, wird ein wichtiges Jahr für Österreich: In der ersten Jahreshälfte 2006 wird Österreich den EU-Vorsitz übernehmen und somit im internationalen Rampenlicht stehen, und in der zweiten Hälfte des Jahres 2006 wird es, allen Unkenrufen zum Trotz, Nationalratswahlen in Österreich geben. Wir werden Herrn Matznetter sicherlich nicht die Freude machen und die Wahlen vorverlegen, worum er ja von dieser Stelle aus geradezu gebeten hat, damit er Minister werden kann.

Herr Matznetter, ein Tipp von mir: Vor vielen, vielen Jahren gab es in Deutschland einen jungen Mann, der vor dem Bundeskanzleramt gestanden ist, an der Tür gerüttelt und geschrieen hat: „Ich möchte da hinein!“ Ich glaube, er hat Schröder geheißen. Wenn Sie jetzt schon beginnen, bei den verschiedensten Ministerien an der Tür zu


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 166

rütteln und zu rufen: „ich möchte da hinein“ (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter), vielleicht öffnet sich irgendeine Tür in 30 oder 40 Jahren, und es wird gesagt: „Jetzt kannst du kommen“. Nur leider werden Sie dann in Pension sein. (Abg. Dr. Puswald: Sie sind ja witzig! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Ja, wenn er so gerne möchte, dann habe ich ihm jetzt einen Weg gezeigt.

Geschätzte Damen und Herren! Umso wichtiger ist das Budget für das kommende Jahr, das uns unser Finanzminister Karl-Heinz Grasser gestern präsentiert hat. Auf europäischer Ebene kämpfen nämlich immer noch viele Länder mit den Stabilitäts­kriterien für den Euro. Vor allem die großen Länder, wie Deutschland, Frankreich oder Italien, kämpfen noch immer mit ihrem Defizit, das nicht so leicht unter die 3-Prozent-Hürde zu bekommen ist. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass sie noch lange kämpfen werden. Ich sage das ganz ohne Häme. Das Defizit dieser Länder ist unser Wirtschaftswachstum, und würden die Deutschen noch mehr sparen, dann würde das in Österreich viele Arbeitsplätze kosten. Beim Tourismus spüren wir das sehr schmerzlich.

Wir haben daher aus österreichischer Sicht das einzig Richtige gemacht und haben in den letzten fünf Jahren zunächst die größten Ausgabenbrocken eingegrenzt und uns damit einen Spielraum verschafft. Diesen Spielraum nützen wir jetzt, wie versprochen, zur Entlastung der Österreicherinnen und Österreicher, zur Entlastung der Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer und zur Entlastung der Betriebe. Das ist wichtig für den Wirtschaftsstandort Österreich, denn viele Unternehmer zieht es in Länder, in denen die Löhne niedriger als bei uns sind. (Abg. Dr. Matznetter: Was sagen Sie zu ...?)

Aber die Steuerreform wirkt bereits in Österreich. Alle Arbeiter und Angestellten spüren das persönlich oder, genauer gesagt, in ihrem Geldbörsel. Die Steuerreform spüren wir auch in den Betrieben. Nur ein Beispiel: Der fünftgrößte Erdölproduzent Russland verlegt seinen Hauptsitz von einer Karibikinsel nach Österreich. Das heißt, es wird hier neue Arbeitsplätze geben beziehungsweise dieser Konzern schafft hier neue Arbeits­plätze (Zwischenrufe bei der SPÖ) und wird auch Steuern in Österreich zahlen. – Früher, zu Ihrer Zeit, haben wir noch neidvoll in unsere Nachbarländer gesehen, wie beispielsweise in die Schweiz. Jetzt kommen diese Länder zu uns und holen sich Tipps von uns.

Das zeigt alles in allem, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Reformen der letzten Jahre waren ebenso wichtig wie die Entlastungen, die jetzt zu greifen beginnen. Wenn die Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und von Grünen ehrlich sind, müssen sie anerkennen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass es keine Alternative dazu gibt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

18.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Csörgits. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.08.05

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir haben im Laufe der Diskussion und der Debatte heute schon öfters gehört, dass die Budgetrede ein Aneinanderreihen von Floskeln war. Dem ist an sich nichts hinzuzufügen, das war so.

Aber was mich als Frau ganz besonders geärgert hat, war der Umstand, dass der Herr Finanzminister durchgehend immer nur die männliche Form gewählt hat. (Zwischen­rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich habe ganz genau aufgepasst, er sprach


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 167

zum Beispiel ausschließlich von „älteren Arbeitnehmern“, als gäbe es nicht auch in Österreich genügend ältere Arbeitnehmerinnen, die mit vielen Problemen behaftet sind, auch dank der Auswirkungen Ihrer Politik, sehr geschätzte Damen und Herren! Der geschlechtsgerechte Sprachgebrauch ist dem Herrn Finanzminister – und wie ich sehe, auch den Herren hier in den Bänken der Abgeordneten von ÖVP und FPÖ – völlig unbekannt, und so sieht natürlich auch das Budget aus. (Abg. Großruck: Hätten Sie dem Budget zugestimmt, wenn ...? – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Für die Frauenangelegenheiten und für die Gleichstellungspolitik sind gerade einmal, so wie auch im Vorjahr, 6 Millionen € im Vor­anschlag; das entspricht nicht einmal 1 Prozentpunkt des Bereiches Gesundheit und Frauen. Wenn man sich das Gesamtbudget anschaut, dann kommt man höchstens auf einen Hundertstel Prozentpunkt. Breche ich das herunter auf die Anzahl der Frauen, so bedeutet das pro Frau 1,48 €, sehr geschätzte Damen und Herren! 1,48 €, und wir haben eine hochrangige, „rasante“ Erhöhung gegenüber dem Vorjahr, nämlich um 2 Cent. Das ist diese Bundesregierung! Da sieht man ganz deutlich, was die Frauen dieser Bundesregierung eigentlich wert sind: nicht allzu viel! (Abg. Großruck: So viele Ministerinnen hat es noch nie gegeben wie jetzt!) Das glauben Sie ja wohl selber nicht, was Sie da jetzt gesagt haben – aber soll so sein. (Abg. Großruck: Ach so? Können Sie rechnen?)

Ich komme zurück zu den 6 Millionen €, und jetzt schauen wir uns die Verteilung an. Von den 6 Millionen € entfallen 3,6 Millionen auf Förderungen. Und schaue ich mir da wieder an, was das für Frauen bedeutet, dann sind das pro Frau nur noch 75 Cent, also nicht einmal 1 € – sehr geschätzte Frauen, ich glaube, das sollten Sie sich merken! Noch dazu ist festzuhalten, dass die Frauenförderung eingefroren wurde; sie ist von Herrn Grasser eiskalt auf Eis gelegt worden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mit­terlehner.) Nicht einmal die Inflationsrate, Herr Kollege Mitterlehner, ist damit abge­deckt worden! Das sollten Sie sich merken! Vielleicht wäre das eine Anregung, dass Sie in Ihren Betrieben etwas mehr für die Frauen tun können, das wäre ja nicht schlecht! (Beifall bei der SPÖ.)

Was mich in diesem Zusammenhang besonders ärgert, ist der Umstand, dass Frau Rauch-Kallat mit diesem Budget einverstanden war, obwohl sie eigentlich die Anliegen der Frauen in dieser Republik zu vertreten hätte. Skurril ist in diesem Zusammenhang auch, wenn man sich anschaut, was man mit diesen 3,6 Millionen € machen möchte: Man möchte Maßnahmen zur Schließung der Einkommensschere setzen, man möchte Maßnahmen zur Integration der Migrantinnen setzen, man möchte eine Mentorin­nenoffensive im öffentlichen Dienst machen.

Ja, es interessiert mich schon sehr, auch wenn Sie jetzt ein bisschen gelangweilt dreinblicken, Herr Staatssekretär: Wie wollen Sie denn das machen? – Erklären Sie mir das einmal! Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit diesem Betrag auch nur ein bisschen etwas für Frauen in die richtige Richtung tun können. Ich kann mir das nicht vorstellen. Es zeigt sich wieder ganz deutlich, dass auch da ein wirkliches Schummel­budget vorliegt.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler und die Frau Frauenministerin haben wieder einmal bewiesen, dass die Frauen hier in Österreich für diese Regierung nichts zählen. Sie stehen wirklich für eine sehr konservative Frauenpolitik. (Abg. Neudeck: Darum haben wir so viele Frauen in der Regierung?)

Ich kann Ihnen sagen, dass sich die Frauen in Österreich das nicht gefallen lassen werden! Die Frauen wollen erstens einmal Beruf und Familie vereinbaren, sie wollen tatsächliche Gleichstellung haben, und sie wollen nicht von Ihnen wieder zurück hinter den Herd geschoben oder vielleicht nur zum Dazuverdienen verurteilt werden. (Zwi-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 168

schenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das wollen die Frauen nicht mehr, und Sie werden sehen, sehr geschätzter Herr Kollege, bei der nächsten Wahl werden sich die Frauen dafür rächen. Die Frauen sind die Mehrheit in diesem Lande, und sie sind ganz entscheidend auch dafür verantwortlich, wie eine Wahl in unserem Lande ausgeht.

Ich komme zum Schluss. – Man kann etwas festhalten: Seit Sie von ÖVP und FPÖ in der Regierung sind, ist es sehr kalt geworden in Österreich, nicht weil wir draußen ständig Minusgrade haben, sondern weil Sie eine Sozialpolitik machen, die die Armen in diesem Lande noch ärmer macht und den Frauen noch weniger Chancen gibt, zum Beispiel Beruf und Familie zu vereinbaren. (Abg. Neudeck: ... nach 30 Jahren sozial­demokratischer Regierung ...!) Die Kälte draußen, sehr geschätzter Herr Kollege, wird in einigen Wochen vergehen, es wird Frühling werden. Nehmen Sie sich daran ein gutes Beispiel und gehen Sie auch! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Aber jetzt gehen ja gerade Sie! Warum sollen dann wir gehen?)

18.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Wittauer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.13.33

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich bin mit Staatssekretär Finz sehr zufrieden, denn wir reden heute über das Budget – und nicht allein über die Budgetrede des Finanzministers. Ich glaube, wir sollten über Inhalte reden und nicht so vorgehen wie, sage ich jetzt, Frau Abgeordnete Haidlmayr. Sie hat zunächst einmal 2 Minuten darüber diskutiert, ob der Finanzminister hier ist oder nicht.

Es sind Fakten, es dies ist im Budget 2006 festgeschrieben. Ich glaube, dass alle Men­schen, die das Privileg haben, bei uns in Österreich zu leben, eigentlich zu den glück­lichen Menschen gehören. Diese Regierung macht gute Umweltpolitik, gute Verkehrs­politik, gute Sicherheitspolitik (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) – und vor allem, Frau Abgeordnete, eine gute Familienpolitik. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Es ist inter­national anerkannt, dass gerade Österreich in der Familienpolitik, seit wir Freiheitliche drinnen sind, vorbildlich arbeitet. 30 Jahre lang haben Sie Gelegenheit gehabt, Sie haben nichts zusammengebracht; wir sind fünf Jahre da, und wir haben sehr viel zustande gebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Abgeordnete Mittermüller hat Ihnen noch einmal ganz genau erklärt, wie Sie beim Kindergeld vorgegangen sind und wie wir, vor allem die freiheitlichen Frauen, diesen Weg weiterhin gegangen sind, obwohl Sie es verunglimpft haben, obwohl Sie gesagt haben: ein ungedeckter Scheck, und weiß Gott, was noch alles. Es ist dann doch so gekommen, und das ist eben Durchsetzungsvermögen. Das haben wir; da können Sie sagen, was Sie wollen.

Wir könnten jammern. Jammern ist normalerweise eine Oppositionsgeschichte, aber eigentlich müssten wir jammern, wenn ich mir das vorstelle: 30 Jahre verfehlte Finanz­politik! Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber wenn ich mir vorstelle, wie frech die rote Fraktion da heraußen den Finanzminister und die Budgetpolitik geißelt; wenn ich mir vorstelle, was wir übernommen haben: 7,4 Mil­liarden € an Zinsen, die wir zurückzahlen; wenn ich mir den über 130 Milliarden € großen Schuldenberg vorstelle: und dann macht diese Regierung so eine super Bud­getpolitik, dass wir den Berg, den ihr angehäuft habt, noch mitschleppen und auch abtragen werden! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.) Bis Sie von der SPÖ wieder drankommen, wird es sehr, sehr lange dauern, weil die Menschen das nicht vergessen werden, wofür Sie die Verantwortung gehabt haben.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 169

Vor allem – was ja viel schändlicher ist – sind Sie auch heute nicht einmal bereit, hierfür die Verantwortung zu übernehmen. Sie schieben sie weg, als wäre es niemals so gewesen. In den letzten fünf Jahren haben wir Politik gemacht, aber Sie tun so, als wäre der gesamte Schuldenberg, den Sie verursacht haben, von uns gemacht worden. Den haben Sie zu verantworten! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kummerer.) Stehen Sie dazu, sagen Sie da heraußen auch, dass die Österreicher und Österreicherinnen jedes Jahr noch 7 Milliarden € an Zinsen zu zahlen haben! Da ist nichts weggekom­men.

Das haben die Österreicher damals erkannt, und sie haben einen Wechsel vollzogen zu einer Regierung, die viel zustande bringt und die etwas geschafft hat. Das ist etwas, glaube ich, wo auch Substanz drinnen ist. Österreich zählt zu den sichersten Ländern, zu den sozialsten Ländern, vor allem aber auch zu den reichsten Ländern. Ich glaube, wenn man das zusammenfasst ... (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Was habt ihr geschafft?)

Da können Sie schreien, wie Sie wollen, das sind Fakten! Blicken wir doch nur auf unsere Nachbarstaaten. Mit Ihrer Finanzpolitik wären wir heute dort, wo die Italiener sind, oder auch dort, wo die Griechen sind. Dann müssten wir wahrscheinlich ein Budget erschwindeln, dass wir die EU-Kriterien einhalten. Dann wären wir vielleicht noch dort, wo Deutschland ist. Also bleiben Sie bei den Fakten, Herr Abgeordneter!

Das ist es, was wir geschafft haben: Wir haben dieses Land im Ranking nach oben gebracht, wir bekommen internationale Anerkennung für diese Arbeit. Daher danke ich auch dem Finanzminister und dem Staatssekretär für diese gute Arbeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist ja gleichgültig, welche Maßnahmen gesetzt werden. Ich erinnere mich noch gut an das Nulldefizit, was gab es da für ein Geheul: Nulldefizit, ein Wahnsinn, wir müssen Ausgaben machen, wir müssen in Österreich investieren, es muss dort einiges um­gesetzt werden; das Nulldefizit brauchen wir nicht! Dann sind schwierige Zeiten gekommen, es gab auch bei uns ein Umdenken. Wir haben ja diese Steuerreform immer gefordert, und dann machen wir die Steuerreform: für die Menschen, Entlastung für jeden, Kleinbetriebe, Industrie, für die Bauern, für die Pensionisten, eigentlich für alle Menschen. Wir sichern auch die Arbeitsplätze mit der Senkung der KESt, den Wirtschaftsstandort Österreich stärken wir damit, es geht nicht nur um Arbeitsplatz­sicherung, sondern auch darum, Arbeitsplätze zu schaffen.

Und was tun Sie? – Schon wieder fangen Sie zu heulen an! (Abg. Dipl.-Ing. Kum­merer: Also mich wundert es nicht, dass ...!) Jetzt auf einmal ist es so, dass Sie den Finanzminister jeden Tag daran erinnern, dass er einmal das Nulldefizit versprochen hat. Wenn Sie über die Grenze dorthin schauen, wo Rot-Grün am Werk ist: Bitte, das wollen wir wohl nicht, dass wir über 3 Prozent kommen und nicht mehr wissen, wo wir hin wollen! Und wenn man sich die Arbeitslosenzahlen anschaut, allein in Deutschland, sieht man die Schlagzeile: Deutschland weiß nicht mehr, wohin! Mit der Politik von Rot-Grün wäre es hier das Gleiche, da würden wir heraußen stehen und sagen (Zwischen­ruf der Abg. Hagenhofer): Österreich weiß nicht mehr, wohin – wenn Sie die Verant­wortung hier im Land hätten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Kum­merer: 350 000 Arbeitslose ...!)

Ich darf Sie auch daran erinnern, es hat einmal einen Finanzminister Edlinger gege­ben, 1999, da war ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da war die Abgabenquote 3 Prozent höher, als das heute der Fall ist. Auch dort haben wir etwas gemacht. Was Sie eigentlich immer nach oben gebeten und wo Sie immer gesagt haben „Das machen wir!“, das haben wir in vielen Bereichen umgesetzt. Sie haben es versprochen, haben aber nicht gewusst, was Sie tun. – Wir wissen, was wir tun, und wir setzen es auch um. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 170

Ich gebe Ihnen etwas mit auf den Weg. Natürlich, ich weiß, es ist sehr bitter, auf der Oppositionsbank zu sitzen. Wir machen sowohl in der Opposition als auch in der Regierung unsere Arbeit. Wir haben nicht die Verbitterung, wir haben nicht die Jammerei gepflegt. Wir haben auch in der Oppositionszeit immer konkrete Themen behandelt, und wir haben das, was wir in der Oppositionszeit gefordert haben, in der Regierung umgesetzt.

Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, machen Sie konstruktive Politik: auch in der Opposition! Glauben Sie mir, die Menschen werden es Ihnen vielleicht lohnen. So, wie Sie hier drinsitzen, und so, wie Sie Politik betreiben – da nehme ich die Grünen mit dazu –, kann man Sie gar nicht wählen. Deshalb wird 2006 wieder eine große Enttäuschung für Sie werden, und es wird hier wieder gleich sein: Sie werden es fordern, aber wir werden die Dinge, die wir versprechen, umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

18.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dipl.-Ing. Dr.  Pirklhuber. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.20.25

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Kollege Wittauer – wo ist er? (Abg. Wittauer: Da!) – hat sich offensichtlich die Budgetrede von Finanzminister Grasser als Vorbild genommen: Sprechblasen, Sprechblasen, Sprechblasen! (Abg. Fauland: Das haben wir heute schon gehört! Das ist nicht neu! – Abg. Neudeck: Das war bei der ersten Rede schon nicht gut und ist es jetzt auch nicht!)

Was war neu bei der Rede des Finanzministers gestern? – Meine Damen und Herren, er hat vielleicht nicht mehr ganz so dick aufgetragen wie beim Budget davor, also ein halbes Jahr vorher, aber wenn man es sich genauer anschaut – und das möchte ich schon tun, und es ist notwendig, auf diese Budgetrede einzugehen –, zeigt sich, welche Worthülsen da verwendet wurden. Bundesminister Grasser spricht von einer „Kultur des Denkens“, und dieses Denken dieses Finanzministers ist schon wirklich bezeichnend.

Es spricht an sich für sich, wenn man hier einige Zitate herausgreift. Ich nenne hier nur das Beispiel am Schluss, wo Bundesminister Grasser schrieb, dass „jeder die Chance hat, seine Träume zu erfüllen“. – Bei diesem visionären Träumeverwirklichen wird Minister Grasser wahrscheinlich an seine eigene Homepage denken, an seine Urlaube oder was immer, aber dass es in diesem Land soziale Unterschiede, soziale Miss­stände, Probleme für die Armen und für die Ärmsten gibt, denen geholfen werden muss, davon können wir nichts lesen. (Abg. Amon: Das stimmt ja gar nicht!)

Ich werde Ihnen sagen, wie Minister Grasser konkret darauf eingeht, was diese Steuer­reform bringt. Ich zitiere: „Damit werden den österreichischen Steuerzahlern elf Tage mehr an Freiheit geschenkt.“ – Meine Damen und Herren, das ist ein Gestus der Herablassung, eine Art und Weise der Formulierung, die meiner Ansicht nach einfach unakzeptabel ist! Auch die Formulierung „elf Tage weniger Arbeit für den Staat“ drückt irgendwie ein ganz eigenartiges Verhältnis aus. Was bedeutet denn das: weniger für den Staat? – Das klingt doch so, als wäre der Staat eine Art Gefängnis, und wenn man aus diesem Gefängnis herauskommt, dann hat man wieder mehr Freiheit, dann hat man wieder mehr Lebensqualität.

Der Staat als unser gesellschaftliches Gemeinsame, diese Verantwortung für das Gemeinwohl, das der Staat ausdrückt, die wir auch gemeinsam tragen müssen, das ist


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 171

für Grasser offensichtlich kein Thema. (Abg. Zweytick: Das muss er schon vorlesen, das kann er auswendig nicht sagen!)

Diese „Kultur des Denkens“ findet ihren besonderen Niederschlag darin – das wurde ja immer wieder angesprochen –, wenn Bundesminister Grasser beim Sprechen, beim Reden und beim Lesen dieser Budgetrede an einem ganz essenziellen Punkt, nämlich an der Stelle, wo es um die Steuerhinterziehung geht, wo es heißt, dass Steuerhinter­ziehung kein Kavaliersdelikt, sondern Diebstahl an der Allgemeinheit ist, so etwas wie eine Leerstelle erzeugt, quasi einen Ausfall hat, diese schriftliche Passage beim Reden, beim Lesen überspringt. Das ist doch bezeichnend! Offensichtlich fühlt sich Grasser gerade von diesen Sätzen massiv angezogen.

Bezeichnend und interessant finde ich auch, wenn ein Finanzminister am Eingang der ganzen Rede einen Philosophen zitiert und sich auf diesen Philosophen, nehme ich an, irgendwie auch inhaltlich bezieht beziehungsweise diesen als nahe stehend empfindet. Wenn man sich das aber genau anschaut – wie immer man zu Karl Popper stehen mag, jedenfalls war er ein Realist, der die Falsifizierbarkeit von Theorien und Pro­gnosen zu einem ganz zentralen Element in seinen Theorien und in seiner wissen­schaftlichen Forschung gemacht hat –, dann, muss ich sagen, ist auch das ein Fauxpas schlechthin, wenn man einfach irgendetwas an den Beginn stellt, nur weil es ein Zitat ist, und eigentlich mit der Philosophie, mit dem Gedankengang wenig am Hut hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen hier aus der Beck’schen Reihe ganz kurz zu Karl Popper einiges vorlesen, das, wie ich meine, bezeichnend ist: Poppers Vermächtnis kann nicht in einem System, nicht in einem Kanon fertiger Erkenntnisse bestehen. Es liegt im nicht endenden Prozess des Hinterfragens. Kritik ist eine Aktivität, die den verantwortlichen Bürger braucht, jemand, der bereit ist, gegen herrschende Ansichten anzugehen und gegen die eigenen liebsten Überzeugungen eine skeptische Haltung einzunehmen. – Zitatende.

Das ist die Geisteshaltung von Karl Popper gewesen, und diese vermissen wir in aller Form bei unserem Finanzminister, der sich in keiner Weise entsprechend skeptisch, kritisch, selbstkritisch zu seinen Thesen und Prognosen geäußert hat.

Das ist auch die Kritik an vielen Reden, die hier heute gehalten worden sind. Es wurde immer nur lamentiert, wir sind auf dem richtigen Weg, es gibt keine Alternative, aber: Auf kritische Argumente der Opposition – und es waren wirklich gute Argumente, die heute gefallen sind – wurde nicht eingegangen.

Ich möchte jetzt auf etwas eingehen, das konkret im Bereich der gesamten Agrarpolitik zu finden ist. Kollege Grillitsch war meiner Meinung nach einer der Wenigen der Regierungsfraktionen, der hier Kritik geübt hat, es haben nur viele Rednerinnen und Redner der ÖVP diese Kritik, glaube ich, nicht gehört. Wenn man ihm genau zugehört hat, weiß man schon, was er gesagt hat, nämlich: Mehr EU mit weniger Geld kann es nicht geben. Und da gebe ich ihm im Prinzip Recht. Wir sind dafür, dass die EU entsprechend mit Mitteln ausgestattet wird und weiterhin bleibt. Kollege Grillitsch hat dann auch argumentiert, warum das für ihn so ist. (Abg. Neudeck: Was heißt das konkret? – Abg. Fauland: Mehr Nettozahlung!) Konkret heißt das, den EU-Finanzie­rungsrahmen von 1,27 Prozent durchaus aufrechtzuerhalten. Wir brauchen den Finan­zierungsrahmen für die Europäische Union, um Zukunftsprojekte abwickeln zu können.

Dann, wenn es um die eigenen Interessen geht, nämlich um die ländliche Entwicklung, um das Programm der ländlichen Entwicklung, dann ist auch die ÖVP bereit, dass Steuern gezahlt werden müssen. Das sind nämlich Steuermittel, die von EU-Ebene an Österreich refundiert werden, die wieder der ländlichen Entwicklung zugute kommen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 172

Meine Damen und Herren! Auf eines hat der Finanzminister auch in keiner Weise Bezug genommen, nämlich auf die Aussage von Bundesminister Pröll in den letzten Monaten, und zwar vom 15. Februar dieses Jahres den „Salzburger Nachrichten“ gegenüber, dass 640 Millionen € für die ländliche Entwicklung für das Jahr 2006 noch immer offen sind. Das können Sie auch auf der Homepage des Landwirtschafts­minis­ters nachlesen.

Ich habe mir erwartet, dass in der Budgetrede des Finanzministers auch dieser Aspekt geklärt wird, dass es klar ist, dass diese Mittel von der EU zur Verfügung gestellt werden, denn wenn das nicht so wäre, stimmte dieses Budget ja hinten und vorne nicht. – Wir werden aber in der Detaildebatte sicherlich noch darauf zu sprechen kommen.

Abschließend, damit Sie sehen, dass wir Visionen und Konzepte haben – und wir haben viele schon in den Ausschüssen diskutiert –: Wir Grüne wollen eine ökologische und soziale Steuerreform sowie eine gerechte Verteilung der Steuerlast, denn Inves­titionen in Bildung, Forschung und Umwelttechnologie, meine Damen und Herren, sichern, und zwar langfristig, den Wohlstand in unserem Lande und dienen daher auch der Bevölkerung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.28


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Freund. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.28.20

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Österreich ist auf dem richtigen, ist auf einem erfolgreichen Weg. Ein Vergleich mit anderen EU-Ländern macht uns sicher und beweist uns das. Vergleiche sollte man anstellen.

Die Politik unserer Bundesregierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel macht Österreich wettbewerbsfähiger, moderner, sozialer, nachhaltiger und gerechter. Das Budget für 2006, das uns gestern Finanzminister Grasser vorgestellt hat, beweist dies. Die Steuerreform und Konjunkturpakete haben Österreich wettbewerbsfähiger ge­macht.

Als eines von vielen positiven Beispielen möchte ich meinen Wahlkreis die Region Innviertel erwähnen. Es gibt im grenznahen Raum viele Unternehmensansiedlungen aus dem benachbarten Bayern. Das gefällt zwar den Bayern nicht besonders, bringt uns aber im Innviertel mehrere hundert Arbeitsplätze. Die Herabsenkung der Körper­schaftssteuer auf 25 Prozent und die schnellen Verfahrensabwicklungen durch weniger Bürokratie und natürlich auch unsere fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Österreich zu einem beliebten Wirtschaftsstandort gemacht. Aus dem benach­barten Deutschland, von dessen Wirtschaft Österreich stark abhängig ist, blickt man mit Neid nach Österreich. Der bayrische Ministerpräsident Stoiber und inter­nationale Medien bezeichnen die österreichische Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik als vor­bildlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Dass Österreich für Unternehmen als Wirtschaftsstandort deutlich attraktiver ist als unser Nachbar, zeigt uns eine Standortanalyse des deutschen „manager magazin“ – es wurde schon darauf hingewiesen –: 1 207 Regionen in allen 25 EU-Ländern wurden analysiert: mit dem Ergebnis, dass alle österreichischen Regionen vor den besten deutschen Regionen liegen. Vier österreichische Regionen schafften es sogar, unter die Top 10 zu kommen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 173

Auch mit dem Budget 2006 wird die Wirtschaft angekurbelt. Trotz einer Steuer­entlastung von 2,5 Milliarden € in den Jahren 2005 und 2006 sinkt das Defizit im kommenden Jahr von 1,9 auf 1,7 Prozent. Diese Bundesregierung hat die größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik gemacht und dabei das Defizit klein gehalten, während die Verschuldung in verschiedenen anderen europäischen Staaten rasant anwächst. In Deutschland gab es im vergangenen Jahr ein Defizit von 3,7 Prozent – und das schon drei Jahre hintereinander.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Die Arbeitslosigkeit steigt in Österreich leider zwar leicht, ist aber im Vergleich zu unseren Nachbarn immer noch gering.

Im Jahre 2004 wurden um 13 Prozent oder 10,2 Milliarden € mehr Waren exportiert als 2003. Die Nachfrage nach österreichischen Gütern im Ausland steigt rasant an.

Österreich zählt mit einer Arbeitslosenrate von 4,5 Prozent zu den besten Ländern Europas. Der EU-Schnitt beträgt 8,9 Prozent, in Deutschland sind es sogar 12 Prozent oder 5,2 Millionen Menschen, die arbeitslos sind. Und wer regiert in Deutschland? – Wir alle wissen es: Rot-Grün.

Das zeigt, dass unsere aktive Wachstums- und Beschäftigungspolitik die richtige Politik ist. (Beifall bei der ÖVP.) Da kann die Opposition noch so wettern gegen diese Bun­desregierung: Die Zahlen sprechen eindeutig für sich. Die Zahl der Beschäftigten in Österreich steigt weiter: Gegenüber dem Februar 2004 ist sie um 31 000 Personen gestiegen, in Oberösterreich stieg sie sogar um 8 800 Personen.

Beim Budget für 2006 steht die Zukunftssicherung im Mittelpunkt. Wir investieren in Bildung und Forschung, denn qualifizierte Arbeitskräfte garantieren uns, dass Öster­reich auch in Zukunft ein wettbewerbsfähiger und innovativer Wirtschaftsstandort bleibt.

Die Ausgaben für Bildung und Kultur steigen um 62 Millionen €. Für Fachhochschulen werden im kommenden Jahr um 15 Millionen € mehr ausgegeben; noch heuer starten sieben neue Fachhochschul-Studiengänge.

Österreich muss auch in Zukunft ein attraktiver Standort für hochtechnologische Industrieunternehmen bleiben. Ganz wichtig dabei sind viele neu gegründete HTLs, so zum Beispiel bei uns im Innviertel die HTL für Maschinenbau beziehungsweise Werk­stofftechnik.

Besonders hervorheben möchte ich auch die Investitionen in der Landwirtschaft. Im Sinne der Nachhaltigkeit gibt es im Budget für 2006 um 62,1 Millionen € mehr an Ausgaben für die Kofinanzierung zu EU-Programmen, für Umweltprogramme und Aus­gleichszahlungen.

Besonders wichtig ist, dass dadurch das 3-Milliarden-€-Paket auch weiterhin gesichert bleibt. Das schafft Sicherheit, Vertrauen und Arbeitsplätze. Der ländliche Raum ist uns ganz besonders wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit der Steuerreform und mit verschiedenen anderen Maßnahmen haben wir die Bevölkerung Österreichs wesentlich entlastet.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir alle sehen, dass diese Bundes­regie­rung Österreich erfolgreicher, wettbewerbsfähiger und innovativer macht. Dieser Weg wird mit diesem Bundesvoranschlag für 2006 fortgeführt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Hoscher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 174

18.34.09

Abgeordneter Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die erste Lesung eines Budgets gibt ja auch Gelegenheit, sich etwas mit der Budgetrede des Finanzministers und auch mit dem Budgetentwurf auseinander zu setzen. Das macht es allerdings schon ein bisschen schwerer, weil sich der Herr Finanzminister ja gestern in seiner Rede selbst kaum mit dem Budgetentwurf 2006 beschäftigt hat, sondern es gab lediglich eine Aneinanderreihung von Gemeinplätzen.

Wenn man sich das Ganze anschaut, sieht man aber doch zumindest einen Grund­gedanken, der sich erkennbar durch diesen Budgetentwurf zieht, nämlich das Prinzip Hoffnung. Wir Ökonomen wissen, dass das gemeinhin ein schlechter wirtschaftspoli­tischer Berater ist, aber: Dieser Grundgedanke zieht sich, wie gesagt, dennoch durch diesen Entwurf. (Abg. Dr. Stummvoll: Aber Pessimismus auch!) – Darauf kommen wir gleich zu sprechen, Herr Stummvoll.

Wenn zum Beispiel angeführt wird, die angeblich – ich zitiere – „klare finanz- und wirt­schaftspolitische Strategie“ – Zitatende – der Bundesregierung basiere unter anderem auf der Säule mehr öffentliche Investitionen, mehr Wachstum durch öffentliche Inves­ti­tionen, kann doch letztlich nur das Prinzip Hoffnung regieren, denn bei den öffentlichen Investitionen liegt Österreich mittlerweile bei 50 Prozent der Europäischen Union, und zwar der Union der 25. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Herr Staatssekretär, diese Zahlen sind offizielle Zahlen, die können Sie nicht wegdis­kutieren, auch wenn Sie noch so skeptisch sind und daran zweifeln!

Beschworen wird zum Beispiel auch die erforderliche optimistische Grundstimmung der Wirtschaft, Herr Kollege Stummvoll. Und wiederum ist das vom Prinzip Hoffnung getragen, denn offensichtlich ist der neueste Wifo-Konjunkturbericht noch nicht in die Budgetrede des Herrn Finanzministers eingeflossen, wie auch nicht ins Budget, das ja auch auf alten Zahlen beruht, denn im Jänner 2005 wurde beispielsweise die Auftrags­lage in der Industrie von der Industrie selbst wesentlich schlechter beurteilt als noch Ende 2004.

Auch die Zuversicht bezüglich der längerfristigen Geschäftserwartungen ist gesunken, und zwar deutlich gesunken. (Abg. Dr. Stummvoll: Das baut auf den Wifo-Prognosen auf!) Das ist der Konjunkturbericht des Wirtschaftsforschungsinstitutes, das Sie unter anderem mitfinanzieren. Da können wir von der Opposition nichts dafür.

Gemeinhin wäre die Binnennachfrage ein wesentlicher Stabilisator der Konjunktur, aber was das Konsumentenvertrauen angeht, erstellt das Wifo überhaupt einen vernichtenden Befund, wenn man sich ein bisserl auseinandersetzt mit der vorsichtigen Diktion, die das Wifo anwendet. Das Wifo schreibt – ich zitiere –: Bislang sind die Anzeichen für eine Beschleunigung des Wachstums der Binnennachfrage schwach. – Zitatende. Und das bitte nach fünf Jahren schwarz-blauer oder blau-schwarzer – je nachdem, wie Sie es haben wollen – Wirtschaftspolitik!

Da nützt es dann auch wenig, wenn im ORF mit teuren Kampagnen den Steuerzahlern zu suggeriert versucht wird, die Steuerreform würde ihnen einen zusätzlichen Urlaub, ein zusätzliches Auto, zusätzliche teure Einkäufe bringen. (Abg. Bucher: Elf Tage mehr Freiheit!) Das fällt vielmehr unter das so genannte Gloggnitz-Syndrom, für das wir im Tourismus ja durchaus dankbar sind – übrigens kommt der Tourismus auch nur mit einem einzigen Wort vor in dieser Budgetrede, aber das sind wir ja bereits gewohnt –, aber die Wahrheit sieht auch da anders aus. Die erforderliche Gegenfinan­zierung der Steuerreform wie auch der Budgets 2005 und 2006 wird eine erhebliche Belastungslawine lostreten; unabhängige Wirtschaftsexperten beziffern die Lücke bereits mit 9 bis 10 Milliarden €. Auch keine Kleinigkeit.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 175

Und da glaube ich, ehrlich gesagt, in der Tat dem Finanzminister, wenn er sagt, er denkt an kein Sparpaket, denn das, was auf die Bevölkerung da zukommt, ist schon lang kein Paket mehr, sondern ein ganzer Paketdienst.

Ich glaube auch, dass die Steuerzahler diese berühmt-berüchtigten „elf Tage mehr Freiheit“, die zitiert wurden, gerne wieder zurückgeben und eintauschen würden gegen die 354 Tage Gefangenschaft in dieser Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

Meine Damen und Herren! Die Budgetrede stand unter anderem unter dem Motto „Zukunft gewinnen.“ – Ich glaube, es wäre gescheiter, Sie würden an der Zukunft arbeiten, als sich der Hoffnung hinzugeben, dass Sie die Zukunft gewinnen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ihr habt sie verloren!)

18.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Mag. Stoisits. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.38.28

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Frau Präsidentin! Poštovane dame i gospodo! Jetzt habe ich nicht genau aufgepasst beim Kollegen Hoscher, ob er gesagt hat, dass das Wort „Tourismus“ gar nicht vorgekommen ist oder nur einmal. (Abg. Mag. Hoscher: Einmal!) Aha, einmal. – Das Wort „Sicherheit“ ist mehrfach vorge­kommen. Viermal habe ich es gefunden beim Suchprogramm und dann beim Durch­lesen, allerdings immer im Zusammenhang mit „sozialer Sicherheit“, aber niemals ist es in der gestrigen Budgetrede des Finanzministers im Zusammenhang mit „öffent­licher Sicherheit“ vorgekommen, also über die „Pensionssicherungsreform“ hinausge­hend, wie es Bundesminister Grasser genannt hat.

Das, worum es mir jetzt bei meinem Redebeitrag geht, ist die Frage, wie diese Bun­desregierung – wir müssen uns ja immer vorstellen, dass dieses Budget bis zum Ende 2006 geplant ist – das umzusetzen und zu realisieren gedenkt, was Sie zum Teil vor einigen Monaten gesetzmäßig ja zum Faktum gemacht haben, beispielsweise die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie.

Ich sehe in jenen Bereichen, denen ich quasi mein Schwergewicht in der Durchschau der Unterlagen gewidmet habe, nämlich in den Ressorts Inneres und Justiz, nur eines: Überall wird abgebaut!

Meine Damen und Herren! Im Innenressort wird es, obwohl das der Herr Minister gestern in der Budgetrede – jetzt weiß ich ja auch warum – geflissentlich verschwiegen hat, denn dazu hätte er dann ja doch etwas sagen müssen, im Jahre 2006 um 952 Stellen weniger geben. Dass man so etwas in einer Budgetrede nicht sagt, ist vielleicht menschlich nachvollziehbar, politisch ist es jedenfalls ein krasses Fehlver­halten, denn es war Täuschung, wie die Rede gestern gestaltet war. (Beifall bei den Grünen.)

Im Justizressort schaut es nicht anders aus. Noch nie waren die Häftlingszahlen in Österreichs Gefängnissen so hoch, aber das Budget für das Jahr 2006 sieht um 124 Stellen weniger vor – und das konkret auch in den Justizanstalten. (Abg. Zwey­tick: Weil ohnehin kein Platz ist im Häfn!) Ich frage mich: Was ist dem Herr Bundesminister für Finanzen und dem ihm zugeordneten Staatssekretär Finz, was ist dieser Bundesregierung insgesamt die öffentliche Sicherheit wert? Eine Erwähnung in der Budgetrede nicht, aber die Zahlen des Budgets – und das ist ja heute auch schon gesagt worden, in den Zahlen kommt ja die Politik zum Ausdruck – zeigen ganz deutlich: Die öffentliche Sicherheit ist ein Stiefkind der Budgetpolitik!

Wenn ich mich jetzt auf einen ganz kleinen Teilbereich beziehe, für den es von Vertretern just dieser Bundesregierung öffentliche Ankündigungen gegeben hat, dort


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 176

sozusagen eine Misere zu lösen, die Betroffene auf vielerlei Seiten verursacht, nämlich im Bereich des Strafvollzugs mit den überfüllten und damit gefährlichen Gefängnissen und in der Frage der Beschleunigung der Asylverfahren, so kann ich – selbst bei Nachsicht aller Taxen – keinerlei Ansatz entdecken, wie das bewerkstelligt werden könnte. Und das widerspricht völlig den Ankündigungen von Frau Ministerin Miklautsch und Frau Ministerin Prokop.

Meine Damen und Herren! Ich rede jetzt noch gar nicht von solchen Dingen wie Ver­brechensprävention. Das Wort „Prävention“ kommt in dem Absatz der Rede des Herrn Ministers vor, was dadurch besondere Bedeutung bekommen hat, weil er dort einige Dinge weggelassen hat. Dort kommt also das Wort „Prävention“ schon vor – und insofern auch so etwas wie Justizpolitik oder Politik der öffentlichen Sicherheit. Es ist dies die einzige Stelle!

Bundesminister Grasser schrieb: „Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, die Präven­tion zu erhöhen und fairen Wettbewerb sicherzustellen.“ Sowie: „Die Redlichen und Tüchtigen brauchen unseren Schutz und unsere volle Unterstützung.“ Es kommt jetzt immer darauf an, von welchem Blickwinkel aus man das sieht. Die „Redlichen und Tüchtigen“, ja, sehr wohl, und die Redlichen und Tüchtigen sind, wenn ich die öffentliche Sicherheit im Auge habe und dieses Wortbild übernehme, ja wohl jene, die durch Kriminalität gefährdet sind, die geschützt werden sollten, und die, die das, was man als öffentliche Dienstleistung im Bereich der Sicherheitsverwaltung und der Exe­kutive bezeichnet, auch in Anspruch nehmen. Wie das mit diesem Budget zu bewerkstelligen sein wird, das wage ich mir gar nicht vorzustellen, denn das wäre eine gefährliche Vorstellung.

Als Allerletztes noch etwas, da unsere Frauensprecherin wie auch ihre Kolleginnen der anderen Fraktionen bei dieser ersten Lesung nicht dabei sind, eine Kuriosität des Innenressorts, wenn es darum geht, den Gender-Aspekt in den Unterlagen zu beschreiben. Unter Gender-Aspekt versteht man im Innenressort offenbar – man kann ja schreiben, was man will, aber worüber schreibt das Innenressort hinsichtlich des Gender-Aspekts –: Interventionsstellen gegen Gewalt.

Meine Damen und Herren! So ein Missverständnis darüber, was wir Gender-Aspekt bei der Budgetierung nennen – und das noch dazu in einem Ressort, das von einer Frau geleitet wird! –, das lässt mich nichts Gutes vermuten. Frau Ministerin Prokop hat aber noch die Chance, das zu korrigieren. Sie soll das einfach streichen lassen, denn der Finanzminister ist männlich. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Einem.)

18.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Großruck. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.45.15

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minis­ter! (Abg. Mag. Kogler: Was sind drei Vierzeiler in Euro?) Lieber Herr Kogler! (Abg. Dr. Einem: Bitte, gar keine!) Meine Damen und Herren! Kollege Krainer war vorhin hier heraußen und hat sich darüber mokiert, dass die Regierung viel Geld „für Propaganda“ ausgebe. – Herr Krainer, ich darf Sie korrigieren, das ist nicht für Propaganda, sondern für Werbung, denn die Propaganda machen andere für uns, und die ist kostenlos.

Wenn ich Ihnen jetzt aus der „Frankfurter Allgemeinen“ ein paar Zitate bringe, dann hat die Regierung dafür nichts bezahlt, sondern es haben objektive Journalisten fest­gestellt, worin wir uns in Österreich beispielsweise von Deutschland unterscheiden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 177

Zitat: „Als finanzpolitisches Vorbild für Deutschland taugt das Land derzeit allemal.“– Da ist nicht Luxemburg gemeint, nicht die Niederlande, sondern Österreich.

Die „FAZ“ schrieb weiters: Österreich befindet sich, verglichen mit Deutschland, in recht komfortabler Lage. Zwar wird die Neuverschuldung im nächsten Jahr mit 1,9 Pro­zent des Bruttoinlandsproduktes die höchste sein seit Amtsbeginn der Mitte-Rechts-Regierung, damit wird die kleine Volkswirtschaft aber im Euro-Raum noch immer zu den weniger schlechten Haushältern gehören. Man hat sich vom kleinen Anhängsel, vom Trittbrettfahrer der allgemeinen deutschen Nachkriegswohlfahrt, zum autonomen Erfolgsmodell gemausert. – Zitat Ende. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das ist die Beurteilung, die nicht von der Opposition, die nicht von der Regierung kommt, sondern von – ich sage das jetzt noch einmal – objektiven deutschen Beob­achtern.

Die „FAZ“ lobt auch ganz besonders unsere Steuerreform – ich zitiere –: Zweifellos ein großer Wurf ist die infolge des verstärkten Standortwettbewerbs mit den neuen EU-Mitgliedern dringend notwendig gewordene Senkung der Körperschaftssteuer von 34 auf 25 Prozent. Im Gegensatz zu Deutschland werden Unternehmen in Österreich nicht zusätzlich mit Gewerbesteuer belastet. Lob verdient auch die neue Gruppen­besteuerung. Damit hat Österreich das für europäische Verhältnisse wohl modernste Konzernbesteuerungsrecht, das Investoren nicht nur wegen der vorteilhaften geographischen Lage des Landes als Drehscheibe zwischen West- und Osteuropa zu schätzen wissen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Genau das wollte die Bundesregierung mit der Steuer­reform. Wir werden im Ausland so beurteilt, wie wir es verdienen, nämlich positiv. Dass die Opposition dagegen ist, liegt in der Natur der Sache. Es wäre aber angesichts von objektiven Beurteilungen auch einmal angebracht, dies anzuerkennen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall!

Herr Matzenetter hat heute wieder gesagt: Die Steuerreform bringt nur den Reichen etwas, den Armen nichts! – Herr Matzenetter ... (Abg. Dr. Einem: Sein Name ist Matz­netter!) Entschuldigung: Herr Matznetter, spricht hier wider besseres Wissen – oder er kennt sich nicht aus. Als Firma würde ich mir jedenfalls, wenn ich höre, was Matznetter sagt, überlegen, ob ich ihn als Steuerberater nehmen würde. Er behauptet, wir würden die Reichen fördern, dabei weiß er ganz genau, dass wir uns mit dieser Steuerreform einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, mit dem wir ausländische Investoren herein­werben und damit Arbeitsplätze schaffen!

Darum geht es dieser Bundesregierung: das Schaffen, das Erhalten, das Ausbauen von Arbeitsplätzen! Das ist das große Ziel – und nicht, angeblich irgendwelche Unternehmer noch reicher zu machen! Das ist doch ein kindisches „Argument“! Seien Sie mir nicht böse, das muss einmal gesagt werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich kann jetzt aus Zeitgründen auf die Budgetreden der Herren Van der Bellen und Gusenbauer nicht eingehen. (Abg. Mag. Kogler: Das geht sich leicht aus!) Es war heute aber wirklich jämmerlich. Bei Herrn Van der Bellen habe ich Verständnis, dass er etwas aggressiv gegen den Herrn Finanzminister war, denn wenn Sie gestern in der „Zeit im Bild 2“ die Diskussion gesehen haben, wo Herr Van der Bellen nicht den geringsten Funken einer Chance hatte, so war er vielleicht heute etwas in Revanche­stimmung Minister Grasser gegenüber und hat das hier herinnen angebracht. (Abg. Mag. Kogler: Sagen Sie etwas zur Sache! – Abg. Brosz: Was haben Sie sich gestern angeschaut? Die „Biene Maja“?)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 178

Gusenbauer wird heute im „Kurier“ so beurteilt: „Alfred Gusenbauer offenbarte ziem­lichen Kleingeist, als er den Ziffernsturz ...“ – und so weiter. (Abg. Mag. Kogler: Worum geht es? Keine Ahnung!)

Also, meine Damen und Herren! Die Reden der Oppositionsführer sind sehr schlecht beurteilt worden; sie waren’s auch. Lesen Sie es nach!

Ich komme schon zum Schluss. Frau Csörgits hat vorhin den Frühling angesprochen und gesagt, dass es wieder wärmer wird und so weiter. – Jawohl, das wollen wir alle, dass es wärmer wird draußen. Ich kann mir vorstellen, dass Herr Zweytick, unser Weinbauer, mit Herrn Gartlehner, der ja bei ihm einen Zweitwohnsitz hat, ein lieber Freund von mir und Bienenfachmann, durch den Weingarten gehen – Herr Kogler passen S’ auf! –, schauen, wie das Ganze blüht, und dass beide ein Wunschgebet zum Himmel schicken – wenn zwei das Gleiche wollen, muss es nicht immer dasselbe sein –, und das könnte vielleicht heißen:

Oh Herr, mach unsern Wein nicht sauer –

und erhalt’ uns den Gusenbauer!

(Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pirklhuber: Das war jetzt aber nur ein Zweizeiler!)

18.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

 


18.50.45

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dieser doch mehr halblustigen Rede des Kollegen Großruck darf ich sagen, in wenigstens einer Hinsicht möchte ich Sie voll anerkennen, Herr Abgeordneter: Sie wissen wenigstens, welche Zeitungen Sie lesen müssen, die dieselben Standpunkte vertreten wie Sie. Das ist gescheit von Ihnen, da können Sie sich immer freuen. Sie sollten nur nicht glauben, das sei die Wahrheit. Es ist nur Ihre Meinung. Das ist auch schön, wenn Sie das haben, aber es ist doch nicht die Wahrheit, sondern eben vor allem Ihre Meinung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, nachdem heute schon sehr viel geredet worden ist, mich zum Thema Budget zurückzubegeben und damit im Übrigen den Pfad von Großruck zu verlassen, der sich mit dem Budget ja überhaupt nicht auseinander gesetzt hat, und ein paar Fragen zu stellen. (Abg. Mag. Kogler: Das ist meine Rede!) – Danke, Herr Kollege Kogler! – Ich möchte den Herrn Staatssekretär bitten, mir seine Aufmerksamkeit zu gönnen, weil es um Fragen geht, bei denen ich mich frage, wie Sie sie eigentlich beantworten würden.

Ich möchte, um es leichter zu machen, durchaus eine Aussage des Finanzministers in seiner gestrigen Budgetrede einmal hypothetisch ernst nehmen und sagen: Gehen wir doch einmal davon aus – und Sie dann an zwei Beispielen befragen, was Sie denn dazu konkret sagen.

Der Herr Finanzminister hat gestern gesagt: Unter dieser Bundesregierung und unter ihm als Finanzminister wird es kein Sparpaket in Konsequenz des Budgets geben, das Sie uns jetzt vorgelegt haben. – Gut.

Frage Nummer eins: Darf ich Sie einladen, mir zu sagen, ob Sie das auch etwas allge­meiner bestätigen würden, nämlich einfach bestätigen würden, dass eine Bundes­regierung, die 2007 im Amt ist, oder ein Finanzminister, der 2007 im Amt ist, kein Sparpaket für notwendig halten würde gemäß dem, was Sie zurücklassen nach dem Jahr 2006. Würden Sie das in dieser allgemeinen Form auch noch bestätigen? (Staats-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 179

sekretär Dr. Finz: Ja, sicher! – Rufe bei der SPÖ: Mutig! – Abg. Dr. Stummvoll: Das war keine Frage!) – Gut. Das freut mich sehr. Ich glaube jedoch nicht, dass Sie sehr gut beraten sind mit diesem Einverständnis.

Frage zwei: Nehmen wir ein Beispiel. Wenn wir das Budget anschauen, dann stellen wir fest, dass die Investitionen für Infrastruktur-Investitionen zurückgenommen wurden, insoweit sie aus dem Budget kommen. Es ist andererseits festzustellen, dass dort, wo investiert werden soll, also beispielsweise in die Schieneninfrastruktur, die Kreditauf­nahme durch die Bahn erhöht werden soll. Ich halte das für ein interessantes Vorge­hen, möchte Sie aber nur fragen: Ist eigentlich in Ihren Augen vorgesehen, dass die ÖBB diese Schulden irgendwann zurückbezahlt? Und darf ich Sie fragen, falls das nicht der Fall ist: Wer soll es eigentlich dann bezahlen? Können Sie mir sagen, wer es dann am Schluss bezahlt? (Staatssekretär Dr. Finz: ...Staatshaftung!) Ich habe ge­fragt: Wer zahlt?

Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel bringen. Mit diesem Budget zeigen Sie, dass Sie erwarten, dass die Krankenkassen im nächsten Jahr einen Abgang von 250 Millionen € produzieren werden. Sie sind heute Vormittag schon darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Hauptverband damit rechnet, dass es 409 Millionen € sein werden. Das ist immerhin eine Differenz von etwas mehr als 150 Millionen €, also grob gesprochen: 2 Milliarden Schilling alter Geldrechnung. In den Folgejahren wird sich das fortsetzen.

Die Frage ist: Rechnen Sie damit, dass die Gesundheitsentwicklung der Österreiche­rinnen und Österreicher einen Verlauf nehmen wird, dem gemäß künftig die Ausgaben der Krankenkassen sinken werden? (Staatssekretär Dr. Finz: Die Schätzungen der Krankenkassen sind zu hoch!) Sie nehmen die Schätzungen der Krankenkassen als „zu hoch“ an. Aber die Frage ist doch – nehmen wir einmal an, ihre 250 Millionen € würden stimmen –, dass das auch nach ihren Zahlen steigen wird!

Glauben Sie, das wird von selber wieder gut, weil die Leute plötzlich nicht mehr krank werden? Glauben Sie, dass das am Schluss irgend jemand wird bezahlen müssen? Glauben Sie, es wird jemand bezahlen müssen? (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist keine Frage!) Darf ich Sie fragen: Wer? (Staatssekretär Dr. Finz: Die Gesundheitsreform!) Und darf ich fragen, wann gezahlt wird. – Herr Staatssekretär Finz, ich finde es „wunderbar“, was Sie dazu sagen.

Ich darf Ihnen noch eine letzte Frage stellen: Glauben Sie, dass Sie 2007, falls Sie hier im Nationalrat sind, von der Zeit sprechen werden, in der die Freiheitlichen die Regierung geführt haben? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

18.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rest-Hinterseer. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


18.55.19

Abgeordnete Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, die noch ausharren! Ich möchte ein bisschen querbeet durch die Budgetrede und auch übers Budget gehen, weil ich für mehrere Angelegenheiten zuständig bin beziehungsweise mich zuständig fühle.

Das Thema Tourismus hat schon Kollege Hoscher angesprochen; ich habe gar nicht ge­schaut, ob das Wort „Tourismus“ im Budget vorkommt. Ich habe nur gesehen, dass die Budgetdaten fortgeschrieben werden, und wir haben schon im letzten Jahr anläss­lich der Budgetdebatte – das war ja gerade erst im November – nachgefragt, wie es mit dem nachhaltigen Tourismus, wie es mit dem Ökotourismus ausschaut. Wir haben


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 180

damals im Budgetausschuss lapidar beschieden bekommen, dass die Budgetansätze fortgeschrieben werden.

Meine Damen und Herren, Sie dürfen raten, wie hoch die Budgetansätze für die Förderung des nachhaltigen Tourismus sind. – Es sind genau 100 000 €.

Dazu passt auch gut, dass der Tourismusbericht 2003, der bereits seit einem Drei­vierteljahr vorliegt, im Wirtschaftsausschuss noch nicht besprochen wurde. Das wirft ein sehr bezeichnendes Licht auf die „Wichtigkeit“, die diesem Wirtschaftszweig vom Ministerium beigemessen wird, ein Wirtschaftszweig, der in Österreich immerhin einer der größten ist.

Das ist also für diese Regierung ein „Orchideen-Thema“ und dementsprechend schaut es dann auch aus. Es gibt einen Förderdschungel, Geld für alles Mögliche und Unmög­liche, aber es gibt keine gebündelten Maßnahmen, keine Maßnahmen für die neuen Märkte im ehemaligen Osten, die jetzt stiefmütterlich behandelt werden, auch nicht für Gäste aus ferneren Ländern, die bei uns immer noch wie Gäste „zweiter Klasse“ be­handelt werden.

Im Übrigen ist es so, dass diese Nichtbeschäftigung mit dem Tourismus uns mindes­tens so viel schadet wie uns vielleicht – ich sage: vielleicht – Großveranstaltungen nützen könnten, die jetzt so sehr beworben werden. Ich muss dazu sagen, dass die Schi-WM 2001 in St. Johann für den Tourismus durch den enormen Ausfall „normaler“ Gäste eigentlich mehr Schaden als Nutzen gebracht hat, einmal ganz abgesehen von der ökologischen Nachhaltigkeit.

Zur ökologischen Nachhaltigkeit: Das Thema Umwelt war in der Budgetrede des Herrn Ministers diesem genau einen Satz wert, und zwar steht hier: „Ökologie und nach­haltiges Wirtschaften ist uns wichtig. Wir geben um 30 Millionen € mehr für den in Kyoto vereinbarten Klimaschutz aus.“

Das ist genau das, was seit drei Jahren versprochen wird. Warum das nicht wirkt, wird nicht untersucht. Immerhin sind wir mit 30 Prozent über dem vereinbarten Ziel himmel­hoch weit weg davon, dieses Ziel 2012 erreichen zu können.

Noch schlimmer ist aber, dass das Thema Klimaschutz in den Visionen des Finanz­ministers überhaupt fehlt. Es gibt überhaupt kein Vorhaben im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes. Das schlägt sich dann natürlich auch nieder im Vorgehen des Ministers Pröll beim UVP-Gesetz und in der Umwelt-Ignoranz bei der Budgeterstellung für das Jahr 2006. Da kommt das schlicht nicht mehr vor.

Zum Thema Finanzausgleich, Regionen und Gemeinden: Da werden uns schöne Zah­len gezeigt. Den finanzschwachen Gemeinden wird mehr an Bedarfszuweisungen ver­sprochen, bei Gemeinden unter 10 000 Einwohnern schlägt das auch tatsächlich massiv zu Buche. Ich muss Ihnen allerdings berichten, dass ich in der letzten Gemein­devertretungssitzung in Dorfgastein erfahren habe, dass ungefähr der gleiche Betrag, den wir jetzt an erhöhten Bedarfszuweisungen bekommen, praktisch in gleicher Höhe wieder hinausgeht: zu einer Einnahme auf Seiten des Bundes für die Krankenan­stal­ten­finanzierung wird. Daher fühlt man sich ein bisschen geneppt in den Gemeinden.

Wir haben immer mehr Aufgaben zu bewältigen – und haben dafür immer weniger Geld zur Verfügung. Der Getränkesteuerstreit, den ich jetzt gar nicht lange ansprechen will, ist prolongiert und wird mit 1,2 Milliarden € zu Buche schlagen. Diese 1,2 Milliar­den € fehlen im Budget vollständig. (Beifall bei den Grünen.)

19.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Turkovic-Wendl zu Wort gemeldet. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 181

19.00.27

Abgeordnete Ingrid Turkovic-Wendl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen im Hohen Haus! – Zwei, drei Herren sind noch da. – Wir haben eine Menge, pro und contra zum Budgetvoranschlag gehört, Ideen, die man aufgreifen oder auch verwerfen kann.

Ich möchte zum Budget reden, aber auch zu Ideen, die das Budget unterstützen, die kreativ sind. Wenn wir einen Geburtstag feiern, ein neues Jahr beginnen, ein Jubiläum begehen – was wird uns zuerst gewünscht? – Gesundheit. Es soll dir gut gehen. Du sollst gesund bleiben.

Gesund zu sein und zu bleiben, das liegt bei den Österreichern an erster Stelle, wenn man sie nach ihren Wünschen fragt. Und sie sind Spitzenreiter in Europa, wenn es um die Zufriedenheit mit ihrem Gesundheitssystem in Österreich geht. 83,4 Prozent der Österreicher halten dieses System für ausgezeichnet. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

Die Gründe dafür sind klar. Wir alle haben freien Zugang zu den Möglichkeiten, die die Medizin heute bietet, zu unserer Heilung, zu den Untersuchungen und zu den For­schungen, damit wir gesund bleiben können. Es gibt keine Zweiklassenmedizin – und das trotz der steigenden Kosten für diese medizinische Entwicklung und trotz der größeren Zahl der Menschen, die dieses Gesundheitssystem in Anspruch nehmen können. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat hat mit der Gesundheitsreform die Weichen dazu gestellt. Der Voranschlag für 2006, der in diesem Kapitel 628,260 Millionen € vor­sieht, garantiert, dass das System auch erhalten bleiben kann. Es basiert auch auf guten Säulen. Die Idee dazu sind die Gesundheitsförderung, die Qualitätssicherung, die Innovationen, Strukturreformen und die Finanzen.

Dazu einige Beispiele, die einen größeren Teil abdecken: zum Beispiel der Bundes­zuschuss für die Krankenanstaltenfinanzierung mit 411 Millionen €, für die Gesund­heits­vorsorge mit 60 Millionen € und für die Leistungen zu den Kranken- und Sozial­versicherungen mit 33 Millionen €.

Aber lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Idee aufgreifen und besonders hervorheben, nämlich die Idee zur Gesundheitsprävention, die auf jeden Fall helfen wird; das ist die Initiative „Fit für Österreich“ von Staatssekretär Karl Schweitzer.

Dieses Projekt des Bundeskanzleramtes und der Österreichischen Bundes-Sportor­ganisation wird auch im Jahr 2006 mit 700 000 € im Budgetvoranschlag bedacht. Das ist großartig, denn dieses Projekt wird unter dem Motto des lebenslangen Sport­ausübens gesehen. Sport also als Dienstleister im Gesundheitssystem! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es soll den Menschen in allen Lebensaltern, in allen Lebensphasen zugute kommen: im Vorschulalter, ganz wichtig, in der Schule, im Sportverein, beim Sport im Betrieb, ein ganz wichtiger Punkt, bis hin zum Sport in der zweiten Lebenshälfte.

Noch etwas Neues: Mit diesem Projekt werden die Dachverbände zusammengeführt. Die Aktivitäten in den Sportvereinen orientieren sich jetzt mit diesem Projekt weniger an den Wettkämpfen, sondern mehr an der Prävention, an der Gesundheitsförderung. Somit wird mit der Aktion „Fit für Österreich“ und der entsprechenden budgetären Unterstützung ein weiteres wichtiges Element im Rahmen der Gesundheitsstrategie unserer Gesundheitsministerin erfüllt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bucher.)

19.04



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 182

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Ich erteile es ihr.

 


19.04.31

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Thematisch geht es weiter bunt durcheinander. Ich möch­te beim stolzen familienpolitischen Bekenntnis des Finanzministers in der Budgetrede anknüpfen. Er hat gemeint, dass die Familie der Kern unserer Gesellschaft sei und dass die Kinder die Zukunft unseres Landes seien. Diese Aussage werde ich noch vor dem Hintergrund dieses Budgets auf ihren Wahrheitsgehalt abklopfen. Er sagte auch, dass 1,1 Milliarden € mehr für die Familien ausgegeben werden.

Der folgende Satz lautete: „900 Millionen € mehr geben wir an Arbeitslosengeldern und Notstandshilfe aus.“ – Dazu muss ich als kleine Fußnote anmerken, dass ich über­haupt nicht verstehe, warum man das so stolz in einer Budgetrede anmerkt. Das ist doch der Beleg für fatales Versagen Ihrer Politik und ein makabres politisches Ver­ständnis, das hier stolz auszuweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber eigentlich möchte ich mich mit den Schwerpunktsetzungen Ihrer Familienpolitik auseinander setzen. Jawohl, Sie geben mehr Geld aus. Die Frage ist: Wie setzen Sie es ein? Und: Ist es richtig eingesetzt?

Dies sei an zwei Beispielen erläutert. Erstes Beispiel: die Zukunft unserer Kinder. Sie geben zwar mehr Geld aus, aber Sie haben empfindlich Gelder gestrichen, nämlich die frühere Schilling-Kinderbetreuungsmilliarde, mit der die wichtige Schaffung neuer Kinder­betreuungseinrichtungen angekurbelt wurde. Hier steht zu lesen: „Die Kinder sind die Zukunft unseres Landes.“

Was allerdings investieren wir in die Zukunft der Kinder, also in die Zukunft der Zukunft unseres Landes? – Zu wenig, würde ich sagen. Nach wie vor fehlen 90 000 Kinder­betreuungsplätze. Sie machen außer statistischer Verrenkungen nichts! Internationale Vergleiche konnten Sie nicht davon überzeugen, dass es sinnvoll ist, in die ent­sprechende Infrastruktur zu investieren, um die Geburtenrate zu erhöhen.

Nun haben Sie anderes auf dem Tisch, nämlich die Ergebnisse der PISA-Studie, be­züg­lich deren das ganze Land diskutiert, wie wichtig es wäre, vorschulische Einrich­tungen auszubauen. Allerdings sind hier wiederum keine Impulse vorgesehen. Also: zentrales Versagen, wenn es um die Zukunft der Kinder unseres Landes geht.

Zweites Beispiel: Kinderbetreuungsgeld. Da geben Sie viel mehr Geld aus. – Ja, Belege liegen auf dem Tisch. Das Wifo sagt, es wird zwar mehr Geld ausgegeben. Allerdings: Wie sieht die Entwicklung, die Auswirkung dieser Maßnahme aus? – Diese sieht so aus, dass nach Einführung des Kindergeldes die Arbeitslosigkeit bei Frauen nach der Babypause um ungefähr 40 Prozent angestiegen ist. Ich würde sagen: Zwar viel Geld eingesetzt, aber so, wie Sie das Kindergeld konstruiert haben, falsch einge­setzt. Das heißt, wir müssen beim Kinderbetreuungsgeld überdenken, wie wir durch Änderungen Maßnahmen setzen, um keine Anreize in Richtung lange Berufsunter­brechung zu bieten, um diese Entwicklung nicht weiter fortzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zuletzt möchte ich Sie noch ganz kurz auf den Sozialbericht verweisen, der ja eigent­lich ein Armutsbericht geworden ist. Darin ist ganz zentral der Verweis darauf, dass die Armutsgefährdung in Familien mit kleinen Kindern zunimmt und dass ein enger Zusammenhang damit besteht, dass die Frauen in diesem Erwerbsalter nicht berufs­tätig sind und es nicht sein können, weil die entsprechenden Kinderbetreuungs­ein­richtungen fehlen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Das Instrument Kinder­betreuungsgeld, das Sie so gerne als Instrument gegen die Armutsgefährdung


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 183

darstellen, ist in Wirklichkeit eine Falle und ein Wegweiser in Richtung Armut. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.08


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Ich erteile es ihr.

 


19.08.24

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mein Konnex zur Rede meiner Vorrednerin ist, würde ich jetzt sagen, unter den Begriff „Armut“ zu reihen. In meiner Rede wird es aber unter anderem um die Entwicklungszusammenarbeit und um das außenpolitische Budget gehen.

Es gibt ja in diesem Ressort eine neue Ministerin, seitdem wir das letzte Budget be­schlossen haben. Ich habe zu Beginn schon einmal die Frage gestellt, ob sie es denn gegenüber dem Finanzministerium schaffen werde, für das Budget 2006 noch einige der zu erwartenden Kürzungen zu beheben und tatsächlich ihr politisches Gewicht in diese Regierung und auch gegenüber dem Finanzministerium dahin gehend einzu­bringen, dass auch Verbesserungen im auswärtigen Bereich vorzusehen sind.

Als ich mir das Budget angesehen habe, habe ich mir gedacht, gut, in zwei Punkten, in zwei kleineren Punkten, aber dennoch, könnte ich sagen, da ist der Außenministerin etwas gelungen. Da war das Finanzministerium bereit, doch ein wenig nachzugeben.

Der eine Punkt war, dass es im Jahr 2006 eine geringere Kürzung von Planstellen im Außenministerium geben wird als geplant, auch eine geringere als von 2004 auf 2005. Damals gab es ein Minus von 29 Posten, von 2005 auf 2006 ist nur ein Minus von drei Posten geplant, im Gegensatz zu einigen mehr, die ursprünglich vorgesehen waren. Ich hoffe, dass das nicht nur auf die EU-Präsidentschaft zurückzuführen ist, die Öster­reich nächstes Jahr im ersten Halbjahr innehat, und dann eventuell im nächsten Bud­get geplant ist, in diesem Bereich weiter zu kürzen. Jedenfalls das wurde erreicht: Nur minus drei Posten für 2006 ist ein kleiner Fortschritt. Dennoch möchte ich hier noch einmal anmerken, wie schon einige Male zuvor: Wenn ich die Zahl der Planstellen, die das österreichische Außenministerium hat, mit einem vergleichbaren europäischen Land, etwa mit Schweden, vergleiche, so muss ich sagen, dass wir doch einen sehr geringen Personalstand haben. Österreich hat laut Budget 2006 nun 1 425 Posten, Schweden, durchaus vergleichbar, hat um 1 000 mehr, nämlich es sind rund 2 500 Beamte im außenpolitischen, entwicklungspolitischen Bereich beschäftigt. Ich denke, da wird wohl auch der Stellenwert gemessen, den die Außenpolitik und die Ent­wicklungspolitik in Schweden hat. In Österreich ist er leider geringer. Ich bedauere das sehr, hoffe aber doch, dass es in Zukunft diesbezüglich Verbesserungen und nicht weiterhin nur Kürzungen geben wird. (Beifall bei den Grünen.)

Ein zweiter Punkt, bei dem es erfreulicherweise im Gegensatz zum Budget 2005 doch etwas an Erhöhung gibt  gesamt nur 1,5 Millionen €, aber immerhin: mühsam ernährt sich das Eichhörnchen –, betrifft die internationalen Organisationen. Diese sind es ge­wohnt mühsam, dort, wo es freiwillige Beiträge gibt, Zuwächse zur Kenntnis zu nehmen. Vielleicht haben doch die Besuche bekannter und wichtiger UNO-Vertreter wie von Kofi Annan, aber auch von Mark Malloch Brown vom UNDP oder von Evelyn Herfkens, die jetzt als Koordinatorin der UN-Millenniumskampagne die Ziele sozu­sagen auch in den Industrieländern weiter vorantreiben will, dazu beigetragen, dass die freiwilligen Beiträge an die internationalen Organisationen, wie etwa zum UNO-Ent­wicklungsprogramm, zum UNO-Bevölkerungsprogramm, zur UNICEF, aber auch in geringerem Ausmaß zum UNO-Frauenfonds, doch gestiegen sind.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 184

Aber das sind leider nur zwei kleine Lichtblicke. Allgemein gesehen muss ich sagen, es gibt einen großen Schatten auf diesem außenpolitischen Budget. In der Rede des Herrn Finanzministers kam diesbezüglich die Außenpolitik unter dem Titel „Eine Welt: Armut geht uns alle an!“ vor. – Das ist grundsätzlich lobenswert. Aber das würde auch heißen, dass es für das, was Österreich an operativem Budget, an dem, wo es Pro­jekte und Programme in Ländern des Südens und auch des Ostens umsetzt, tatsäch­lich mehr Budgetmittel gibt. Tatsache ist, dass die Österreichische Entwicklungs­agen­tur, die ADA, gerade einmal 3,5 Millionen € mehr für das Jahr 2006 bekommt. Von 2004 auf 2005 waren es 2,3 Millionen € mehr, das ergibt insgesamt 5,8 Millionen € mehr für diesen operativen gestaltbaren Bereich im Außenministerium.

Da frage ich mich schon, warum diese Entwicklungsagentur denn überhaupt so schnell gegründet werden musste. Die Begründung war immer, es wird sehr viel mehr Geld geben, das dann sozusagen bearbeitet werden muss. Also angesichts insgesamt 5,8 Millionen € für zwei Jahre, meine Damen und Herren, kann mir niemand erzählen, dass diese rasche Umstrukturierung, bei der es durchaus auch Schwierigkeiten gege­ben hat und noch gibt, tatsächlich notwendig war.

Der Finanzminister hat gestern auch betont, dass es Österreich jetzt schafft, im Jahr 2006 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für öffentliche Entwicklungszusam­menarbeit zu erreichen. Das sei sogar etwas mehr, als die europäischen Staaten beim so genannten Barcelona-Gipfel im Jahr 2002 festgelegt haben. Da kann ich nur sagen: Ja, das stimmt, aber für diejenigen, die sich näher damit befassen, ist klar, das ist einmalig.

Das heißt, es wird im Jahr 2006 ein Mal – und wir hoffen, es wird stattfinden – eine Entschuldung für das Land Kamerun geben. Das hängt aber nicht von Österreich ab. Wir haben zwar gesagt, wir machen da mit, aber ob der Pariser Klub tatsächlich fest­stellt, dass Kamerun zu dem Zeitpunkt entschuldbar ist oder nicht, wird nicht von Österreich abhängen. 2005 wird es auch noch eine hohe Entschuldung für den Irak geben. Wir finden das durchaus in Ordnung. Wir haben das auch befürwortet. Aber das sind auch Faktoren, die, wenn, dann überhaupt nur indirekt dem Land zugute kommen, denn das ist eine rein budgetäre Maßnahme, die es nicht ermöglicht, dass Armut zum Beispiel im Irak oder auch in afrikanischen Ländern oder anderswo bekämpft wird.

Tatsächlich operativ gestaltbares Budget ist nicht vorhanden oder fast nicht vorhanden, denn 5,8 Millionen € sind nicht ganz nichts. Aber um dieses Ziel wirklich zu erreichen, dafür ist es viel zu wenig.

Da halte ich es schon wirklich für sehr übertrieben, wenn der Finanzminister meint, dass diese Gelder im Jahr 2006, wobei für die ADA 3,5 Millionen € und für die inter­nationalen Organisationen 1,5 Millionen € mehr zur Verfügung gestellt werden, Maß­nahmen zur schrittweisen Annäherung an das Barcelona-Ziel des EU-Rates sind. (Abg. Dr. Jarolim: Ist das nicht geradezu grotesk?) Insgesamt werden etwa, wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe, 226 Millionen € benötigt. Mit den 3 oder 4 Millionen €, die für 2006 vorgesehen sind, meine Damen und Herren, wenn Österreich da schrittweise so weitermacht, werden wir dieses Ziel zu unser aller Lebzeiten nicht mehr erreichen. In der Form wird die Armutsbekämpfung durch Finanzminister Grasser nicht funktionie­ren.

Ein Letztes noch zur Frage von Vorhaben, die für die Bearbeitung der Tsunami-Katastrophe vorgesehen sind. Der Katastrophenfonds für Katastrophen im Ausland, wobei wir es durchaus sinnvoll finden, dass dieser im Außenministerium eingerichtet wird, kommt mir so vor wie ein anderes Stückwerk, nämlich jenes, wozu gestern das Datenschutzgesetz novelliert wurde: Immer ein paar Stückchen, aber ein gesamter


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 185

Krisenplan, wie mit Krisen, Katastrophen im Ausland umzugehen ist, liegt nicht vor. Das ist auch diesem Budget nicht zu entnehmen.

Dieser Katastrophenfonds ist sinnvoll. Eine Frage taucht hier für mich auf: Wie soll die begleitende Kontrolle aussehen? – Vielleicht können Sie mir etwas dazu sagen, Herr Staatssekretär! Es geht um die begleitende Kontrolle für diesen Auslands­katastrophen­fonds, der ja im Außenamt angesiedelt werden soll, der dann über ein Ermächtigungs­gesetz, je nachdem, ob solch eine Katastrophe eintritt oder nicht – das ist natürlich sinnvoll –, auch gefüllt werden soll. Wir hoffen, er wird nicht gebraucht werden, aber wenn er gebraucht wird, stellt sich die Frage: Wie wird das kontrolliert werden? Von wem? Wird es unabhängige Personen oder Stellen geben, die das machen? Oder wird die Regierung sich selber kontrollieren? Sinnvoll wäre es gerade in diesem Bereich, dass das von unabhängigen Stellen kontrolliert wird.

Insgesamt betrachtet gibt es ein paar kleine Fortschritte im Bereich des Außenressorts als Gesamtes. Ich bin auch froh darüber, dass es eines jener Ressorts ist, wo es im Ganzen ein bisschen mehr Geld gibt. Die Befürchtung ist natürlich, dass, wenn die österreichische EU-Präsidentschaft vorbei ist, diese Erhöhungen nicht gehalten werden können. Aber im Sinne einer österreichischen Präsenz sowohl innerhalb der EU als auch in anderen Teilen der Welt halte ich es doch für sinnvoll, daran zu denken, auch in Zukunft das Budget des Außenamtes und gerade der Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen, und nicht nur mickrige, kleine Fortschritte einzubauen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.18


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte.

 


19.18.21

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde schon viel über das Budget gesagt. Ges­tern hat unser Finanzminister dieses Budget vorgestellt – aus meiner Sicht sehr demonstrativ und auch sehr eindrucksvoll, auch wenn es in einer gekürzten Form war. Umso besser ist die Aufbereitung zum Nachlesen, die ja auch schon von allen Parteien gelobt wurde. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)

„Wir haben Grund zu Optimismus!“, steht in der Einleitung auf Seite 3. Ich bin auch der Meinung, dass wir Grund zu Optimismus haben, wenn man die Daten vergleicht, wenn man die Zahlen kennt und wenn man auch den Standort evaluiert – evaluiert im Ver­gleich mit jenen, die um Österreich herum sind – näher oder weiter entfernt –, mit Ländern, die ähnliche Probleme haben, wo dieses Thema aber wirklich zum Problem geworden ist, die mit größten Kraftanstrengungen versuchen, da herauszukommen. Diese Länder haben selbstverständlich unsere Solidarität, sie anerkennen auch unsere Zahlen, diese Art der Finanzpolitik und auch dieses Budget sowie alles, was dazu­gehört.

Internationales Lob hört man ja überall. Ich denke, man sollte da auch etwas über den Tellerrand hinaus schauen. Es wäre auch in unserem ureigensten Sinne und Interesse, wenn es auch Deutschland besser ginge. Das wäre sehr wichtig, weil wir nicht nur daran mitpartizipieren, sondern in erster Linie sehr stark von Deutschland abhängen. (Ruf bei der SPÖ: Die Rede, bitte!)

Angesichts dieser Situation ist so eine Leistung, wie sie Österreich mit seinem Budget und seinen Zahlen geschafft hat, wirklich eine besondere Leistung, sonst würde ja nicht von überall Lob kommen. Woher kommt kein Lob? – Sie wollen es nicht hören, Sie wollen es nicht sehen, Sie wollen es nicht sagen: Das ist die Opposition hier im


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 186

Haus. Das verstehe ich nicht. Der Herr Kollege von „Tipp 3“, Hoscher, redet von 354 Tagen Gefangenschaft. Das ist kein Ratespiel, das ist kein Fragespiel, Herr Kolle­ge Caspar von Einem, und das ist auch kein Wettspiel. Man muss das anerkennen, und man muss das auch im internationalen Vergleich sehen. – Es wurde schon vieles gesagt, und ich bin froh darüber.

Ich bleibe dabei, was Finanzminister Grasser einleitend gesagt hat: Wir haben Grund zu Optimismus – und nicht mehr und nicht weniger. Auf diesen Optimismus bauen wir. Wir bauen auf eine gute Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, mit der Konjunktur, aber natürlich auch mit allen in dem Land vertretenen repräsentativen Parteien. Die Gesetzgebung trägt indirekt Ihres dazu bei, ob man sich wohl fühlt in diesem Land – das ist auch sehr wichtig – und ob man eine Zukunftsperspektive hat. Die Menschen orientieren sich vergleichsweise an anderen Zahlen, und da können wir Zahlen liefern, auf die wir stolz sein müssen.

Ich will jetzt nicht Karl-Heinz Grasser kritisieren, weil er einen Philosophen erwähnt hat, ich möchte nur zum Schluss noch einmal sagen: Ich finde es gut und auch richtig, dass wir zum Handeln verpflichtet sind. Das fängt eigentlich in der Familie an, geht über die Gemeinde bis hierher, an diese höchste Stelle.

Ich praktiziere das! Meine Damen und Herren, ich weiß, was es heißt, einen ausge­glichenen Haushalt zu machen! Ich weiß, wie schwierig es ist, wenn man nicht aus­gleichen kann. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Das macht nicht meine Frau, lieber Freund!

Es geht mir darum, Arbeit zu schaffen und Zukunft zu gewinnen. Ich möchte an dem Arbeitsprogramm dieser Regierung festhalten und bin optimistisch und zuversichtlich für die Zukunft. Ich wünsche das aber auch vor allem unseren Nachbarländern, weil eine Insel der Seligen in diesem Europa können und werden wir auf Dauer nicht blei­ben und auch nicht sein können. Wir sind ein wichtiger Teil von Europa und hängen auch davon ab.

Unsere Einstellung gegenüber der Zukunft muss sein: Wir sind jetzt verantwortlich für das, was in Zukunft geschieht. Ich denke, Karl-Heinz Grasser hat Recht. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Wir sollten auch nicht zu einer Insel der ...! – Abg. Grillitsch: Zu welcher Insel? – Abg. Dr. Jarolim: ... der Unehrlichen werden! – Abg. Grillitsch: Herr Präsident! Haben Sie das gehört? Er bezeichnet uns als „Unehrliche“! Das bedarf eines Ordnungsrufes!)

 


19.22.30

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an den Beginn meiner Rede auch ein Zitat stellen – allerdings eines von mir –, das lautet: Wir schauen hin, Sie schauen weg. – Und so würde ich die Budgetrede des Finanzministers und auch viele Debattenbeiträge des heutigen Tages zusammenfassen, denn Sie sprechen nur das an, was auf den ersten Blick gut ausschaut, ohne dahinter zu schauen, was es in Österreich noch alles gibt. Ich möchte das an Hand von ein paar Zitaten aufzeigen.

Herr Bundesminister Grasser hat gesagt: „Österreich ist zurzeit das drittreichste Land Europas und das zwölftreichste Land der Welt.“ – Leider spüren das immer weniger Menschen, denn die Zahl der armutsgefährdeten Menschen ist seit dem Jahr 2000 um über 114 000 angestiegen. Es sind erstmals in Österreich über 1 Million Menschen –


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 187

und das im drittreichsten Land der EU – von Armut gefährdet. Ich finde, das ist eine Schande! (Beifall bei der SPÖ.)

460 000 Menschen leben derzeit in akuter Armut, das sind um 170 000 Menschen mehr als im Jahr 2000, also ein Anstieg von fast 60 Prozent. Das ist unglaublich, das ist ein Armutszeugnis für Ihre Politik! Frauen sind davon leider besonders betroffen.

Diese Armutsgefährdung, geschätzte KollegInnen, schlägt sich auch dramatisch beim Anstieg der Privatkonkurse und der Verschuldung nieder. 400 000 Haushalte sind in Österreich zurzeit hoch verschuldet, und es ist für 40 Prozent von diesen Haushalten ein Problem, wenn die Waschmaschine kaputt wird, denn die Menschen können sich beinahe keine neue leisten.

Der Kreditschutzverband von 1870 erwartet für 2005 4 500 Privatkonkurse, das sind doppelt so viele wie im Jahr 2002. Das ist doch alarmierend! Das ist nicht Krank­jammern, wie die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP und der Freiheitlichen immer sagen, sondern das ist auch Realität und Alltag in Österreich. Wir schauen hin, Sie schauen weg – das unterscheidet uns. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zweite Zitat, das ich bringen möchte, lautet: Die Österreicher können sich mehr leisten. „Wir freuen uns, dass die Einkommen der österreichischen Bevölkerung um 27 Milliarden € gestiegen sind ...“ – Der Bundeskanzler hat sogar behauptet, dass jeder Österreicher und jede Österreicherin um 2 500 € brutto mehr Einkommen hat als noch vor fünf Jahren.

Ich frage Sie: Wo ist denn das Mehr an Einkommen? Wer von Ihnen kennt Menschen, die tatsächlich um 2 500 € mehr haben als vor fünf Jahren? – Ich kenne sehr wenige! Tatsache ist doch, dass die Einkommen stagnieren! Zurzeit erreichen 1,5 Millionen ArbeitnehmerInnen in Österreich nicht einmal das Median-Einkommen des Jahres 2000 – und auch da sind Frauen wieder besonders betroffen. Frauen-Einkommen sind um 5,3 Prozent gesunken! Das ist kein Grund zum Jubeln, das ist ein Grund zum Tatensetzen! – Wenn wir das aufzeigen, sagen Sie, wir jammern krank. Wir jammern nicht krank, sondern das ist auch Realität, und das ist auch Alltag in Österreich. Wir schauen hin, Sie schauen weg – das unterscheidet uns.

Leider habe ich keine Zeit mehr, ich hätte noch zwei Zitate, aber vielleicht kann ich diese ein anderes Mal bringen.

Ich möchte abschließend nur sagen, ohne viele Probleme aufgezeigt zu haben, die es zurzeit in Österreich noch gibt: Die Politik von den Regierungsparteien ist falsch. Sie machen Politik nach dem Motto: Rückenwind für die Reichen, Gegenwind für alle anderen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Ing. Winkler. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Spricht Herr Finz noch über die Schenkungssteuer, oder ist das nicht im Programm?)

 


19.26.29

Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich darf in meiner Rede zur ersten Lesung des Bud­gets kurz auf das Kapitel Verkehr eingehen und auf die damit verbundene Finan­zierung der Infrastruktur in Österreich zu sprechen kommen.

Erfreulich ist die Tatsache, dass das Verkehrsbudget Investitionen in der Höhe von 2,3 Milliarden € vorsieht, was einem Anstieg von 34,8 Millionen € gegenüber dem Bud­get 2004 entspricht. Die wesentlichsten Ausgaben betreffen außer den Personal-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 188

ausgaben den öffentlichen Personen- und Nahverkehr, insbesondere die Verkehrsver­bünde mit rund 63,6 Millionen €.

Besonders positiv schlägt sich auch die Budgetierung der Eisenbahn-Infrastruktur mit rund 1,02 Milliarden € zu Buche. Auch die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der ÖBB beziehungsweise der Privatbahnen sind mit 621 Millionen € dotiert. Ich darf in diesem Zusammenhang auch dies als wichtigen Beitrag zur Erhaltung der ländlichen Infra­struktur erwähnen und hervorheben.

Die budgetäre Entwicklung für Verkehrs-Infrastrukturvorhaben ist sehr positiv zu be­werten, vor allem wenn man bedenkt, dass jährlich rund 3 Milliarden € in die gesamte österreichische Verkehrs-Infrastruktur investiert werden, und davon fließen zirka 1,4 Milliarden € in den Schienenneubau, 1 Milliarde € in den Straßenbau und rund 500 Millionen € in die verländerten Bundesstraßen. – Dies ist besonders hervorzu­strei­chen, wenn man bedenkt, welch hohe Bedeutung diese Investitionen für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes haben. Österreich liegt damit im europäischen Spitzenfeld für Verkehrs-Infrastrukturvorhaben.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte vor allem darauf hinweisen, dass diese Bundesregierung seit dem Februar 2000 mehr für den Ausbau der Infrastruktur – das heißt für den Ausbau von Schiene, Straße und Wasserstraßen – getan hat als je eine Regierung zuvor. Während bis zum Jahr 2000 die Infrastruktur-Investitionen immer weniger als 2 Milliarden € ausmachten, stiegen diese seit 2000 kontinuierlich an: 2001 betrugen sie 2,1 Milliarden € und im Jahr 2006 bereits 3,1 Milliarden €. Die Infrastruk­tur-Gesamtinvestitionen für die Jahre 2000 bis 2010 werden sich auf ganze 28,1 Mil­liarden € belaufen.

Es ist also gelungen, Investitionen sowohl im Straßen- als auch im Schienenausbau in noch nie da gewesener Höhe sicherzustellen. Wir setzen also Maßnahmen zur Stär­kung der Infrastruktur und damit zur Stärkung der Wirtschaft in der ländlichen Region im Besonderen.

Ich freue mich auch, dass es gelungen ist – das darf ich als ein aus dem Spittaler Be­zirk stammender Abgeordneter feststellen –, dass für die nächsten fünf Jahre Mittel in der Höhe von knapp 100 Millionen € für die Bundesbahn-Tauernstrecke von Kollmitz bis Pusarnitz bereitgestellt werden. Gerade der zweigleisige Ausbau auf diesem Abschnitt stellt eine wichtige Maßnahme für die reibungslose Abwicklung der Nord-Süd-Verbindung der Bundesbahn auf der Tauernbahn dar.

Hohes Haus! Das Verkehrsbudget 2006 bringt mit seinen Investitionen viele Impulse für bessere Verkehrsanbindungen. Die Verkehrs-Infrastrukturen für unsere Bürger und für unsere Wirtschaft werden wesentlich verbessert. Das Verkehrsbudget 2006 ist so­mit ein wesentlicher Schritt für ein modernes und wirtschaftlich orientiertes Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.30


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

 


19.30.19

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär Finz, Sie sind wieder allein auf der Regierungsbank. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch ist der Herr Staatssekretär da. (Abg. Dr. Jarolim: Aber es ist die Frage, wie das jetzt weitergeht!) Ob er heute noch etwas sagt. Wir haben schon vorher festgestellt, dass Herr Finz anscheinend im Moment im Sternzeichen der Fische steht und des­wegen nicht mit uns spricht, aber er hört uns zu. (Abg. Dr. Jarolim: Aber wir sollten


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 189

ihm Anerkennung aussprechen, dass er da ist!) – Das stimmt. Bravo! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Aufmerksamkeit bei der Regierung ist heute enden wollend. Ich werde nur auf ein paar Kleinigkeiten eingehen. (Abg. Schöls: Das hängt von euren Beiträgen ab!) – Ah, da ist doch noch jemand aufgewacht! (Abg. Schöls: Ihr könnt euch steigern!)

Zur Umweltfrage: Österreich war, als wir der EU beigetreten sind, Umwelt-Musterland, darauf waren wir alle immer stolz. Es gibt einige wie Kollegen Wittauer, die glauben, das ist heute noch immer der Fall. Österreich hat aber seinen Platz verloren, bei wei­tem verloren. (Abg. Grillitsch: Sie beleidigen schon wieder!) – Ich beleidige überhaupt niemanden, außerdem habe ich mit Herrn Wittauer geredet. (Abg. Wittauer: Die Staubbelastung ...!)

Es gibt eine Reihe von Problemen im Umweltbereich, die in diesem Budget überhaupt nicht angesprochen werden. Wir haben große Probleme, abgesehen von den Klagen, weil wir EU-Richtlinien nicht umsetzen, wie zum Beispiel die EU-Umgebungslärm-Richtlinie. Aber wir haben auch große Probleme mit Feinstaub, vor allem in Graz. Das ist, glaube ich, mittlerweile die Feinstaub-Hauptstadt in Europa. Wir haben auch große Probleme mit NOX. Zirka doppelt so viel NOX emittieren wir, wie wir eigentlich vertraglich zugesichert emittieren dürften.

Aber man sollte auch das Positive sehen: Das Wort „Kyoto“ findet sich in der Budget­rede. Der Finanzminister meint, Österreich wird für diesen Bereich um 30 Millionen € mehr ausgeben als im Jahr davor. Das ist im Prinzip viel zu wenig, um das Kyoto-Ziel zu erreichen. Wir erinnern uns daran, als Herr Bartenstein noch Umweltminister war, hat er zugesagt, dass wir von 78 Millionen Tonnen pro Jahr auf 67 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren werden. Ich vergleiche das immer ein bisschen mit dem Ab­nehmen: Man hat sich im Jänner vorgenommen, in einem Jahr zirka elf Kilo abzu­nehmen, was relativ leicht gehen würde. Blöderweise ist jetzt aber Oktober, und wir haben nicht elf Kilo abgenommen, sondern 14 Kilo zugenommen. Das ist die Situation bei Kyoto.

Aber jetzt suche ich diese 30 Millionen €, finde aber beim besten Willen maximal 21 Millionen €. Es gibt schon noch einen Punkt für diese fehlenden 9 Millionen €, die Sie wahrscheinlich meinen, und ich sage Ihnen, was unter diesem Punkt zu finden ist: Da geht es um einen Kongress für Alternativen zu Tierversuchen, Artenschutz Eulen­vögel, European FlowerWeek, Projekt „Sauber statt Saubär“, und das lässt sich fort­setzen. Ich sage nicht, dass diese Projekte schlecht sind, aber was sie mit Kyoto zu tun haben, ist absolut offen.

Zu einem zweiten Bereich möchte ich noch eine kurze Bemerkung machen, zum Bereich des Zivildienstes. Auch dieser wird in der Budgetrede erwähnt. Es tagte die Zivildienst-Reformkommission mit dem Ergebnis von viel zu wenig weit gehenden Vorschlägen. Die ÖVP hat mit ihrer Mehrheit dafür gesorgt, dass wir keine Gleich­stellung zwischen Präsenzdienern und Zivildienern erreichen können, aber die ÖVP rühmt sich dessen, dass jetzt dank dieser Regierung die Vorschläge der Zivildienst-Reformkommission umgesetzt werden können.

Ich sehe im Budgetbericht Inneres unter dem Bereich „Zivildienst“ nach und wollte mir ansehen, wie viel Geld vorgesehen ist. Ein Kernpunkt ist, dass Zivildiener monetär mit Präsenzdienern gleichgestellt werden sollen, also gleich viel Geld bekommen sollen wie Präsenzdiener. Das kostet natürlich Geld, das kostet zumindest 14 Millionen €, nur damit die Grundpauschale gleich hoch ist. Das heißt also, ich müsste auch im Budget eine entsprechende Zahl finden. Ich schaue mir den Bundesvoranschlag 2005, also für heuer, für den Zivildienst an. Dieser beträgt 47,064. Und im Jahr 2006 macht er


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 190

ebenfalls 47,064 aus. Das ist nicht nur keine Erhöhung, sondern in Wahrheit eine Kürzung um 3 Prozent, weil die Inflation nicht abgegolten wurde.

Ich frage mich: Wozu hat die Zivildienst-Reformkommission getagt, wenn Sie mit Ihrer Mehrheit verhindern, dass wir eine echte Gleichstellung erreichen? Aber nicht einmal diese halben Schritte sind finanziert. Kein Cent ist für diesen Bereich vorgesehen! Wir werden bei den Budgetberatungen genau darauf achten, dass dieses Geld zur Verfü­gung gestellt wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.35


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


19.35.05

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich in meinen Ausführungen dem Finanziellen zuwenden und darf sagen, dass das Budget 2006, das im Entwurf von der Bundesregierung vorgelegt worden ist, ein gutes Budget ist.

Ich verstehe Folgendes nicht: Frau Königsberger sagt zwar, es werde nicht gejammert, aber die Opposition versucht nichts anderes, als das Budget schlecht zu machen, die Regierung schlecht zu machen (Abg. Dr. Jarolim: Es ist auch schlecht!) und auch das Land schlecht zu machen.

Darum frage ich Sie: In welchem anderen Land in Europa oder darüber hinaus würden Sie lieber leben als in Österreich? (Abg. Dr. Jarolim: In Österreich ohne ÖVP!) In welchem anderen Land in Europa oder darüber hinaus würden Sie lieber arbeiten als in Österreich? – Ich glaube, Sie werden kein anderes Land finden, denn wir in Öster­reich machen gute Politik (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger), und das drückt sich auch in Zahlen aus.

Wir wollen einen starken Wirtschaftsstandort Österreich, und wir wollen Arbeitsplätze schaffen. Dazu brauchen wir einen soliden Haushalt, und dieser solide Haushalt ist auch gegeben. Mit 66 Milliarden € Ausgaben und 60 Milliarden € Einnahmen ist zwar ein Abgang in der Höhe von 5,81 Milliarden € vorhanden, aber, meine geschätzten Damen und Herren, gestatten Sie mir doch ein bisschen darauf einzugehen, auch wenn das in den Reihen der Sozialisten wehtut, worin die Begründung liegt.

Ich sage, dass die ehemalige Schuldenpolitik schuld ist, dass wir heute so viel Zinsen zahlen müssen und dass heute nicht ausgeglichen budgetiert werden kann. (Abg. Mag. Gaßner: Geh, hör auf!) Die Sozialisten haben während ihrer Regierungs­zeit, während der Alleinregierungszeit die Schulden verdreizehnfacht! Um 1 200 Pro­zent haben sie die Schulden erhöht. (Abg. Dr. Cap: Geh, hör auf!) Und wenn ich noch die Zeit bis zum Jahr 2000 dazurechne, denn dann hat die Regierung Schüssel das Ruder übernommen und erstmals auch den Finanzminister gestellt, dann sind die Schulden verfünfunddreißigfacht worden. Die Schulden haben sich um 3 400 Pro­zent erhöht. (Abg. Dr. Cap: Märchenstunde!) Wenn wir diese 7 Milliarden € Schulden nicht zahlen müssten, dann hätten wir einen Überschuss im nächstjährigen Budget. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Der Vergleich macht uns sicher. Ich habe mir das sozialistische Programm angeschaut und in den letzten Wochen und Monaten die Forderungen der Sozialisten zusammengeschrieben. 11 Milliarden € wollen die So­zialisten Mehrausgaben für die Zukunft. Das würde eine weitere Verschlechterung der Situation, eine weitere Schuldenpolitik bedeuten, so wie wir es von der sozialistischen Alleinregierung seinerzeit gewohnt waren.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 191

Ich möchte Sie aufrufen: Machen wir weniger Schulden, arbeiten wir gemeinsam für unser Land, damit Österreich auch in Zukunft vorne bleibt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.39


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte. (Abg. Dr. Cap – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Eßl –:  Wer schreibt die zentrale Rede! – Abg. Eßl: Ich selbst!)

 


19.38.47

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Meinem Vorredner möchte ich sagen, es ist immer die Frage, wofür man das Geld ausgibt. Bei Ihnen scheinen mir das die Eurofighter und dergleichen mehr zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, eine gewisse Ehrlichkeit ist zumindest in Bezug auf Kunst und Kultur in der Rede des Finanzministers zu bemerken. War der Regierung vor einem Jahr dieser Bereich immerhin einen ganzen Satz wert, so scheint das Wort „Kunst“ in der Budgetrede 2006 gar nicht mehr auf. (Abg. Dr. Cap: Das ist ehrlich!) Das ist ehrlich, genau. Im Informationsblatt Budgetentwurf ist Kunst bestenfalls unter Sons­tiges mitbedacht, sie scheint nicht auf. Daran sieht man die Wertschätzung dieser Regierung für Kunst und Kultur. Die Budgetzahlen für diesen Bereich im Jahr 2006 zeigen an sich wenig Veränderung. Es gibt eine leichte Erhöhung, das meiste davon ist aber bereits zweckgebunden für Sonderfinanzierungen. Insgesamt liegen sie noch immer unter dem Budget von 1999. Das zeigt also, dass Investitionen in den Kunst- und Kulturbereich offensichtlich keine vordringliche Aufgabe dieser Regierung sind. Das ist auch am Anteil der Kulturausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes erkennbar: Lag der Anteil Mitte der neunziger Jahre bei einem Prozent, so liegt er mittlerweile weit darunter.

Über Geldnot klagen nicht nur innovative Kunst- und Kulturformen, sondern mittlerweile auch die großen Kulturflaggschiffe. Immerhin sind die Subventionen für die Bundes­theater und die Bundesmuseen seit einem Jahrzehnt eingefroren.

Eine nähere Betrachtung verdient auch die Museumspolitik der Ministerin Gehrer, aber nicht, weil sie so erfolgreich wäre. Das, meine Damen und Herren, sollte uns vor kurzem ein Evaluationsbericht vorgaukeln. Aber ich denke mir, mittlerweile ist es ja wohl für ganz Österreich nachvollziehbar, dass die Museumspolitik der Kulturministerin von Defiziten und strukturellen Problemen geprägt ist. Ein Verdacht erhärtet sich in diesem Zusammenhang: Mit der Ausgliederung der Bundesmuseen scheint die Regierung gewissermaßen sich selbst aus der Verantwortung entlassen zu haben. (Abg. Dr. Sonnberger: Da haben Sie aber noch nicht den letzten ...bericht gehört!)

Es gibt keine strategische Planung, es gibt keine klaren Profile. Es gibt Konkurrenz­druck und Quotendruck. Und einige Museumsdirektoren machen offensichtlich, was sie wollen: Der eine gibt die Verantwortung ab an eine Transportfirma, und der andere spielt Sherlock Holmes und versucht, sich seine gestohlenen Kunstschätze selbst zu suchen. Aber die Ministerin fühlt sich nicht zuständig, und meiner Ansicht nach vernachlässigt sie eindeutig ihre Aufsichtspflicht.

Auch im Bereich der Kunst bei Staatssekretär Morak gibt es nichts Neues. Die Kultur­politik wird auf die Administration vorhandener Strukturen reduziert, Konzepte sind nur marginal vorhanden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 192

Das heißt, die Beurteilung für das kommende Budget im Bereich Kunst und Kultur ist eindeutig, wie in vielen anderen Bereichen: eindeutig negativ! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Zinggl.)

19.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Auer. – Bitte.

 


19.4247

Abgeordneter Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesland Kärnten, mein Heimatbundes­land, wird vom Bund, glaube ich, sehr gebührlich bedient. (Abg. Mag. Muttonen: Das kann man sagen! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Jetzt kommt zum ersten Mal Lob über ...!) Es sind heute schon einige Zahlen genannt worden. Ich darf hier den Straßenausbau noch einmal erwähnen: Die ASFINAG investiert heuer, im Jahr 2005, rund 70 Millionen €, und für das Budget 2006 sind immerhin 85 Millionen € vorgesehen, das heißt auch eine dementsprechende Steigerung.

Die Spitäler werden mit 28 Millionen € bedient, oder, als anderes Beispiel, die PÄDAK mit mehr als 6 Millionen €. Das Technologiezentrum Lakeside Softwarepark wird ins­ge­samt mit 18,5 Millionen € bedient, und hier wird sich der Bund ebenfalls im Jahr 2006 dementsprechend einstellen.

Natürlich ist auch der Sportsektor zu erwähnen, wo an die 30 Millionen € für das Fußball-EM-Stadion geparkt sind. Und ein wesentlicher Teil sind auch die rund 250 Millionen € – in diesem Fall bis 2010 geplant – für die Koralmbahn, eine doch recht hohe Summe, plus die 55 Millionen €, die Herr Kollege Winkler bereits erwähnt hat, für die restlichen Strecken in Kärnten. – Das ist viel Geld, das auch dementsprechend eingesetzt werden muss, sorgsam eingesetzt werden muss. In diesem Zusammenhang darf ich meine Landesspitze in Kärnten dazu ermuntern, dass wir keine sizilianischen Verhältnisse einreißen lassen dürfen, sondern dass es wirklich transparente und effiziente Umsetzungen geben muss. (Abg. Bucher: Was? „Sizilianische Verhältnis­se“? Hast du eine Pizza gegessen?)

Dass der Finanzausgleich für unser Bundesland ebenfalls etwas gebracht hat, ist auch klar – nicht in dem Ausmaß, wie wir es uns für finanzschwache Gemeinden gewünscht haben, aber es sind immerhin auch rund 8,5 Millionen € und zusätzliche rund 7 Millio­nen € für die Länder. Das war nicht das, was wir uns gewünscht haben – ich habe es schon gesagt –, aber der Herr Finanzminister hat ja selbst gesagt: Wir sind auf dem Weg, wir sind quasi eingestiegen in den Ausstieg aus dem abgestuften Bevölkerungs­schlüssel. Das Ziel lautet also ganz sicher: Jeder Österreicher muss gleich viel wert sein.

Hier haben also auch die Ländervertreter einiges wegverhandelt, und dadurch, dass die Erhöhungen im Länderbereich auch bei den Landesumlagen, beim Schulge­meinde­verband, bei den Bereichen Soziales, Gesundheit dementsprechend erfolgt sind, wurden hier viele der Errungenschaften wieder aufgefangen.

Ich erwarte mir aber diesbezüglich eine weitere Besserstellung für die Landgemeinden, denn wir haben uns hier auch auf eine parlamentarische Arbeitsgruppe geeinigt.

Dass der ländliche Raum noch mehr Unterstützung braucht, ist ganz klar. Wenn wir überall Arbeit schaffen, dann kann auch der ländliche Raum, glaube ich, die Zukunft gewinnen, und das ist auch das Motto der ÖVP. Wir haben bereits viele Maßnahmen ins Leben gerufen – ich möchte sie hier gar nicht mehr wiederholen –, von der Pendlerpauschale über Agrardiesel et cetera bis hin zu mehr Geld für die Kleinschulen, die erhalten werden sollen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 193

Apropos Kleinschulen hier ein kleiner Exkurs: Ich glaube, der ländliche Raum war auch immer ein großes Reservoir von leistungsbereiten und auch leistungsfähigen Men­schen. Und dieses Leistungsprinzip wollen wir auch in der Schule ganz sicher nicht verlassen. Ich glaube, es ist nicht gut, wenn es schon bald keine Schulnoten mehr geben soll, nur weil Lehrer Angst vor Eltern haben et cetera. Ich glaube, da sind wir nicht auf dem richtigen Weg. Daher soll nicht nur am System etwas geändert werden – das ist auch wichtig, die Zweidrittelmehrheit muss fallen, dazu haben wir uns auch bekannt, und die Lehrer müssen besser ausgebildet werden, auch keine Frage –, sondern ich glaube auch, dass wir die Erziehungsverantwortung der Eltern dezidiert einfordern müssen. Und ich glaube, es ist auch berechtigt, dass Kinder durchaus auf schwierigere Lebensphasen vorbereitet werden, die sie dann hoffentlich nicht erfahren müssen.

Wieder zurück zum ländlichen Raum: Eine weitere Zukunftschance ist die Forstwirt­schaft. Hier ist ein großes Potential vorhanden, es gibt viele Arbeitsplatzmöglichkeiten. Ich greife hier nur noch einen Punkt heraus, das ist der Wachstumssektor der Bioenergie und Biomasse für Fernwärme, für Heizungen.

Fazit aus diesem Chancenpaket, wie man es auch bezeichnen kann: Chancen sind auch für den ländlichen Raum vorhanden – diese Bundesregierung unterstützt ihn dabei. Die Bevölkerung ist auch bereit dafür und fit für die Zukunft. Ich glaube, wir brau­chen ganz einfach nur mehr Respekt und mehr Akzeptanz für das Leben und Wirtschaften im ländlichen Raum! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

19.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


19.47.39

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Eine halbe Seite im Skriptum zur Budgetrede zum Thema Entwicklungszusammenarbeit, das ist beina­he rekordverdächtig, ganz unglaublich! Und es stimmt in der Tat: Ja, wir haben Ver­antwortung für den Rest der Welt! Die hier angeführten Themen allerdings sind Themen, welche die Regierung ohne Probleme umsetzen könnte – keiner hindert sie daran. Wenn es um Fairness im Marktzugang geht, fällt mir sehr viel ein, was Sie tun könnten: was Exportförderungen betrifft, was Landwirtschaftssubventionen betrifft, was Investitionsschutzabkommen betrifft. Bei all Ihrer Politik vermisse ich allerdings Kohärenz, vermisse ich allerdings Entwicklungszusammenarbeits-Bewusstsein. Das ist wirklich schade.

Auf dieser halben A4-Seite zur Entwicklungszusammenarbeit ist auch ein Fehler – ich hoffe, das zieht sich nicht durch die ganze Budgetrede –: Ja, es ist zwar richtig, dass die EU-Staats- und Regierungschefs sich in Barcelona auf EU-Ebene auf ein EU-weites Entwicklungsziel verständigt haben. Dieses liegt allerdings nicht, wie hier steht, bei 0,33 Prozent, sondern bei 0,39 Prozent. Nur wir als Österreicher, die wir unheim­liche Nachzügler in Sachen Entwicklungszusammenarbeit sind, haben einen viel geringeren Durchschnitt dazu beizutragen, und wir haben das Ziel 0,33 Prozent – nicht die ganze EU. Es gibt auch Länder, die 0,7 Prozent für Entwicklungszusammenarbeit schon überschritten haben, wie zum Beispiel die Niederlande, Dänemark, Luxemburg, Norwegen und Schweden.

Es ist auch erfreulich, dass hier drinnen steht und dass der Herr Finanzminister gesagt hat, dass wir in den nächsten Jahren höhere Entwicklungsausgaben haben werden. Das ist wirklich begrüßenswert, vor allem weil dann Österreich auch endlich seine internationalen Zusagen wirklich einhält.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 194

Aber auch wenn die Quantität stimmt, so hat die Qualität damit noch lange nichts zu tun: Es stehen 2005 und 2006 Entschuldungen von Kamerun sowie des Irak an, und allein die Entschuldung des Irak macht ungefähr 450 Millionen € aus. Nur damit er­reichen wir diesen großen Sprung. Ich frage mich nur: Worin liegt die supertolle Qualität in der Entwicklungszusammenarbeit, wenn ehemals auf Pump gekaufte Toyo­tas oder errichtete Folterkammern eines Diktators und Haider-Freunds Saddam Hussein entschuldet werden? – Das stillt keinen Hunger, das füllt keinen Magen, das schafft keine Bildung und schon gar keine Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPÖ.)

Die OECD rügt uns – und ich schließe mich dieser Kritik an –, dass jene Teile der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, die irgendwie gebunden sind, zum Beispiel in Form von Entschuldungen oder berechneten Studienplatzkosten, sehr hoch sind, der politisch frei verfügbare Teil dagegen unheimlich klein ist und immer kleiner wird.

Ich erinnere auch daran, dass die Gründung der ADA deshalb erfolgte, weil es ge­heißen hat: Es wird eine Unsumme Geldes auf uns zukommen! Die Sektion VII im Außenministerium wird überhaupt nicht in der Lage sein, diese Unsummen zu bewältigen und umzusetzen! Wir müssen daher ganz schnell eine ADA gründen! – Wir haben sie blitzschnell gegründet, aber für 3,5 Millionen € mehr im kommenden Jahr hat sich das wirklich nicht ausgezahlt. Deswegen die Entwicklungszusammenarbeit zu privatisieren wäre nicht notwendig gewesen, ganz und gar nicht. Schon das dritte Jahr in Folge ist das viele Geld ausgeblieben.

Was auch sehr bedauerlich ist, ist, dass im Budget des Außenministeriums in Summe die Zahlungen für Entwicklungszusammenarbeit um 2 Millionen € weniger werden, nämlich bei der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit, bei unseren Beiträgen an die Vereinten Nationen.

Noch einmal zurück zur Rede des Herrn Finanzministers. – Ja, ich sehe das auch so: 0,7 Prozent für Entwicklungszusammenarbeit bleiben natürlich das Ziel, und ich fordere Sie auf – fein, dass Sie noch da sind, Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie das dem Herrn Finanzminister ausrichten –: Wir sollten uns endlich ein Beispiel an anderen Ländern nehmen, die schon lange Pläne erarbeitet haben, wie sie auf diese 0,7 Pro­zent kommen – und zwar auf 0,7 Prozent, die wirklich Armutsbekämpfung zulassen, die gestaltbare Politik zulassen, die nachhaltige Entwicklung zulassen.

Wenn das ein Budget wäre, das das ermöglichen würde, dann würden wir auch zustim­men. (Beifall bei der SPÖ.)

19.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Preineder. (Abg. Krainer – auf eine Gruppe freiheitlicher Abgeord­neter, die zwischen den Bankreihen stehend miteinander sprechen, weisend –: Herr Präsident, könnten Sie vielleicht die Freiheitlichen ersuchen, die Gang-Party aufs Couloir zu verlegen? – Abg. Grillitsch – in Richtung des Abg. Krainer –: ... Ambitionen für die Präsidentschaft?)

 


19.52.49

Abgeordneter Martin Preineder (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Verwalten, gestalten, inves­tieren – so könnte das Motto des Budgets 2006 lauten. Ein ausgeglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus, Senkung der Abgabenquote auf unter 40 Prozent und Wachstum und Beschäftigung als Signal für die Zukunft.

Ich möchte über einen Bereich sprechen, bei dem Wachstum und Beschäftigung als Widerspruch erscheinen, sich aber seit jeher vereinen, nämlich über den Bereich


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 195

Landwirtschaft und Umwelt. Hier weist das Budget ein Plus von 3,75 Prozent aus. Wir haben am Vormittag über die Bilanz von zehn Jahren EU-Mitgliedschaft diskutiert, und in diesem Zusammenhang ist auch anzuführen, dass wir seit 1995 ein Umwelt­programm haben, an dem 76 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe teilnehmen und in das sie 89 Prozent der Fläche einbringen, ein Programm, durch das für Leistungen in den Bereichen Umwelt und Tourismus eine Abgeltung erfolgt, ein Programm, das steigende Akzeptanz erfährt und eine stärkere Intensität bei den Beteiligten erzeugt. In Richtung des Kollegen Pirklhuber – der jetzt nicht im Saal ist –: Die Finanzierung für 2006 ist seitens des österreichischen Budgets gesichert, seitens der EU müssen hier noch Verhandlungen geführt werden.

Ökologie und nachhaltiges Wirtschaften sind uns wichtig, sagte unser Finanzminister, und seit dem 16. Februar ist das Kyoto-Protokoll in Kraft. Wir haben uns hier ein hohes Ziel gesetzt. Es wird am 15. März der Fortschrittsbericht veröffentlicht, und er wird zei­gen, dass die Treibhausgasemissionen in fast allen Bereichen, ausgenommen der Land­wirtschaft, steigen. Das ist kein gutes Zeichen, und es gilt daher verstärkt gegenzusteuern. Im Budget 2005 sind bereits 30 Millionen € vorgesehen, und es werden nächstes Jahr wieder um 30 Millionen € mehr sein, um Maßnahmen im Ausland, aber vor allem auch im Inland zu forcieren. Beispiele dafür sind die ökolo­gische Wohnbauförderung, sind 843 Biomasse-Heizwerke, die mehr als 10 000 Woh­nungen versorgen, sowie 52 658 Hackschnitzel- und Pelletsheizungen.

Auch die Stromproduktion, die durch das Ökostromgesetz seit 2003 forciert wurde, hat uns im Bereich Biogas zum Beispiel 130 Betriebe gebracht (Abg. Oberhaidinger: ... selber, Herr Kollege, nicht der Finanzminister!), und 80 sind in Planung, das sind 7 Prozent der Stromproduktion. (Abg. Krainer: Was hat das mit dem Budget zu tun? – Das zahlen die Konsumenten!) Das zahlen die Konsumenten, aber nicht die Inves­titionsförderungen, die hier gegeben werden! Ich glaube, es wäre gut, Herr Kollege Krainer, wenn Sie dem Ökostromgesetz, wenn es novelliert wird, zustimmen würden. (Abg. Krainer: Wenn Sie einen guten Vorschlag haben, immer!) Aber vielleicht kann Herr Oberhaidinger erklären, warum seit Dezember hier keine Zustimmung gegeben wird. (Abg. Krainer: Weil es ein schlechter Vorschlag war! Da müssen Sie einen guten Vorschlag vorlegen!)

Geschätzte Damen und Herren! Auch für das Projekt klima:aktiv (Abg. Krainer: Ist das die Werbeaktion ...?) gibt es in etwa 3 Millionen € aus dem Budget, die Sie gesucht haben. Damit werden Maßnahmen für Bildung, Beratung und Management gesetzt. (Abg. Krainer: Ist das die Public-Relations-Abteilung vom ...?)

Ob Wärmeproduktion, Stromproduktion, Treibstoffproduktion: Mit den richtigen Rah­menbedingungen können wir Wertschöpfung erzielen, Arbeitsplätze schaffen und die Umwelt entlasten. Dieses Budget sorgt für Balance zwischen Ökonomie und Ökologie, und es verdient Ihre Unterstützung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.56


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

 


19.56.56

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Jahrelang hat die Bundesregierung zugeschaut, wie sich die Arbeitslosigkeit in unserem Lande zu einer Rekordarbeitslosigkeit entwickelt hat. Das kommt sogar bei den Reden der Abgeordneten der Regierungsparteien durch. Daher habe ich es gestern als besonders zynisch empfunden, als sich der Finanz­minister in seiner Rede für die 104 Millionen € mehr, die für das AMS ausgegeben werden sollen, so besonders gerühmt hat.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 196

Meine Damen und Herren! Wir wissen alle, dass damit keine Arbeitsplätze geschaffen werden. Im besten Fall werden die sehr hohen Arbeitslosenzahlen – 351 000, zu Ihrer Erinnerung – vielleicht etwas besser verwaltet werden können.

Arbeitsplätze werden durch Investitionen geschaffen, und die Wirtschaftsfachleute sind sich einig, dass die Beschäftigungssituation wirklich nur über ein gesteigertes Wachs­tum verbessert werden kann. (Abg. Grillitsch nickt. – Abg. Scheibner: So ist es!) Ich glaube, es war einer Ihrer Kollegen, der heute eine Kennziffer genannt hat, nämlich: 1 Milliarde € in die Wirtschaft investiert bedeutet in etwa 18 000 Arbeitsplätze mehr. – Gut, mag sein, 15 000, 18 000 oder 10 000 – auf alle Fälle hätte das einen Beschäfti­gungseffekt. Wenn ich mir aber das vorliegende Schummelbudget anschaue, dann finde ich darin nahezu nichts, was in diese Richtung deutet.

Ich habe vorhin auch Kollegin Muttonen zugehört, und es geht mir so wie ihr (Abg. Scheibner: Ihr hört euch schon gegenseitig zu? Das ist ja schon einmal ein Fortschritt! Sie hätten uns zuhören müssen, Herr Kollege! Da hätten Sie was gelernt! Nicht den eigenen Kollegen zuhören! Das bringt nichts!): Sie hat im Budget nichts zum Kapitel Kultur gefunden, und ich finde keine Zeile zum Thema Energiepolitik. Im letzten Bud­getjahr wurde Energiepolitik zumindest noch erwähnt. Heuer gibt es nicht einmal eine Zeile zu diesem Thema, meine Damen und Herren.

Wärmedämmung – ein Thema, mit dem wirklich viel an Beschäftigung erreicht werden könnte – kommt nicht vor. Investitionen in den Energiesektor – wir werden bis 2015 rund 3 000 Megawatt mehr an Strom brauchen, auch wenn wir effizient arbeiten –: keine Anreize für Investitionen in Kraftwerksbauten vorgesehen. Und, Kollege Preineder, weil Sie gefragt haben, warum wir nicht zustimmen: Wir wissen nicht, wo wir zustimmen sollten! Mit uns wird seit Weihnachten nicht mehr geredet, es gibt keine Verhandlungen. Wir sind verhandlungsbereit; die Verhandlungen muss allerdings die Bundesregierung mit uns aufnehmen, wir selbst werden mit uns nicht initiativ werden können. Und von uns aus werden wir auch nicht initiativ; wir sind Opposition und nicht in der Regierung.

Aber die Bundesregierung wird nicht darum herumkommen, mit uns darüber zu reden. Man schaue sich nur an, was bei einer Umfrage in Oberösterreich herausgekommen ist: Da beginnen sich die Stromkunden bereits zu weigern, noch mehr Geld für die Förderung des Ökostroms aufzuwenden! Und die Förderungen werden großteils oder nahezu ausschließlich von den Stromkunden finanziert, obwohl der Finanzminister aus dem Titel Energieabgabe nahezu 1 Milliarde € einnimmt. Heuer, bei gestiegenen Ener­giepreisen, wird es sogar noch mehr werden, behaupte ich. Es wird also höchste Zeit, dass wir auch darüber reden, wer die Förderung für den Ökostrom in der nächsten Zeit tatsächlich bezahlen soll.

Insgesamt, meine Damen und Herren, hatte ich gestern den Eindruck, dieses Budget­märchen von Finanzminister Grasser hätte in „Tausendundeiner Nacht“ nicht einmal die erste Nacht überlebt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Weil es kein Märchen ist!)

20.00


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


20.00.09

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Anhand der heutigen Debatte kann man wieder einmal erkennen, wer die Politik für die Menschen in diesem Land ernst nimmt (Abg. Mag. Johann Maier: Hahaha!) und wem es nur um Polemik und um die Zer-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 197

pflückung der gestrigen Budgetrede des Finanzministers geht – Ausnahmen gibt es natürlich auch bei Ihnen. (Abg. Dr. Cap: Schablonen!)

Die Österreicherinnen und Österreicher können Ihre Verängstigungspolitik und Ihre Schlechtmacherei ja gar nicht mehr ernst nehmen. (Abg. Dr. Cap: Falscher Redetext!) Es ist natürlich für Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, schmerz­lich, dass es dieser schwarz-blauen Bundesregierung gelungen ist, eine in der Ge­schichte der Zweiten Republik größte Steuerentlastung für alle zu erreichen und trotzdem das Defizit des Jahres 2006 auf 1,7 Prozent zu senken. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ohne Steuerreform wäre bereits dieses Budget ein ausgeglichenes. Es ist nun einmal so: Das Hauptverschulden, die Hauptverantwortung für den Schuldenberg der letzten 30 Jahre trägt die SPÖ! Ohne Schulden vor 1986 wäre der Bund schon im Jahr 2006 schuldenfrei. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: So ist es! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie sind ja nur deshalb verärgert, weil die Steuer- und Abgabenquote schon 2006 auf 40,6 Prozent gesenkt werden kann, obwohl sich die Bundesregierung dieses Ziel erst für 2010 gesetzt hat.

Wir sind mit der nachhaltigen Entlastung aller Steuerpflichtigen auf dem richtigen Weg und sichern so den Wirtschafts- und Beschäftigungsstandard. (Gespräche in den Bankreihen der SPÖ.) Sie sitzen hier im Hohen Haus, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, führen hier Zwiegespräche und kritisieren die Bundesregierung in unsachlicher Weise, aber in Ihrem Wirtschaftskurs stehen Steuererhöhungen im Zen­trum. (Abg. Dr. Cap: Das ist eine Zentralrede! Die halten alle hier!) Nur ein Beispiel dafür: Sie wollen die Erweiterung der Bemessungsgrundlage für Körperschaftsteuer und Kommunalsteuer. Herr Kollege Oberhaidinger! Gott sei Dank sind Sie in Oppo­sition! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Wiener SPÖ-Stadtregierung täte gut daran, sich an dieser Bundesregierung zu orientieren. Die Arbeitslosenquote sinkt in Wien nämlich nur durch statistische Tricks des AMS. Selbstverständlich bekennen wir uns dazu, arbeitslose Menschen zu schulen. Die Schönung der Arbeitslosenzahlen kann aber nicht einmal mehr die SPÖ in Wien bestreiten. In Wien werden arbeitslose Menschen nur noch verwaltet und nicht mehr vermittelt, und das schon seit langer Zeit. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen. – Abg. Mag. Ikrath: Das ist ein Skandal! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mag. Ikrath  in Richtung SPÖ –: Zuhören, verstehen, handeln!)

In der heute schon sehr oft zitierten Studie über den Vergleich der Regionen ist Wien gegenüber anderen österreichischen Bundesländern weit abgeschlagen – ein klares Versagen der Wiener SPÖ-Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik! Armes Wien – glück­liches Österreich! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Frei­heitlichen. – Abg. Dr. Cap: Das war wieder die Zentralrede, die einer für 25 Redner geschrieben hat! Wir müssen ja auch zuhören, daher ein bisschen variieren!)

20.03


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. – Bitte.

 


20.03.27

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Kollegin hält eigentlich jedes Mal dieselbe Rede, in der sie erklärt, wie furchtbar die Situation in Wien ist. – Dass die Situation der ÖVP in Wien furchtbar ist, das wissen wir, aber die Situation von Wien als Stadt ist eine glänzende. Wien ist eine Stadt mit einer enormen Lebensqualität, und Wien ist auch die Stadt, in


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 198

der viel investiert wird, in der viel gegen die Arbeitslosigkeit getan wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte ein anderes Thema ansprechen, ein Thema, das uns in Wien, aber nicht nur in Wien beschäftigt, nämlich die Frage der Integration. Im Zusammenhang mit der PISA-Studie sind die MigrantInnenkinder als Sündenböcke hingestellt worden. Es gibt viele Kinder mit Migrationshintergrund, die ausgezeichnet Deutsch können. Aber abge­sehen davon, dass man nicht generalisieren darf, muss man doch sagen, dass es auch eine Leseschwäche bei anderen Kindern gibt. Es geht nicht darum, jetzt jemanden zu finden, der an etwas schuld ist, sondern darum, etwas zu tun. (Abg. Scheibner: Ich habe geglaubt, die Regierung ist an allem schuld!)

Was geschieht jetzt? Werden jetzt vielleicht die BegleitlehrerInnen, die heuer einge­spart worden sind, wieder aufgenommen? Keineswegs! Es wird im Pflichtschulbereich noch weiter eingespart. Es sollen noch mehr LehrerInnen im Pflichtschulbereich ein­gespart werden. (Abg. Dr. Brinek: Es gibt weniger Kinder!) – Es ist richtig, dass es weniger Kinder im Pflichtschulbereich gibt – auch der Herr Minister hat das heute wieder gesagt (Abg. Scheibner: Weil die SPÖ-Politiker ihre Kinder in die Privatschule geben!) –, aber es sind nicht um so viel weniger, dass solche massiven Einsparungen berechtigt gewesen wären. Es ist in Wirklichkeit so, dass gerade bei den ... (Abg. Dr. Brinek: Das ist Angelegenheit der Wiener Schulverwaltung!) Nein! Es ist in Wirklichkeit so, dass es gerade bei den Kindern, die einer besonderen Förderung bedürfen, und bei den Klassen, die schwieriger sind, notwendig wäre, mehr zu fördern. Es werden vom Bund LehrerInnen eingespart, und das geht offensichtlich so weiter.

Der Herr Minister hat gesagt, die Schule in Österreich sei zu teuer, teurer als in Finnland. Dass Geld allein nichts über die Qualität aussagt, ist an sich richtig – eine späte Erkenntnis, dass das System geändert werden soll. Besonders erfreulich war der Applaus, den der Herr Minister von Seiten der ÖVP bekommen hat, muss ich sagen. Es freut mich, dass die ÖVP endlich erkannt hat, dass es eine Reform im Schulsystem geben muss.

Aber es wird im bestehenden schlechten System gekürzt, und das ist eine katastro­phale Kombination auf dem Rücken der besonders Förderungsbedürftigen, und das ist etwas, was wir sehr bedauern. (Beifall bei der SPÖ.)

20.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Glaser. – Bitte.

 


20.06.43

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Oberhaidinger, nicht wir waren es, die vom Ver­hand­lungstisch, als es um das Öko-Stromgesetz ging, aufgestanden sind, sondern Sie waren es. Nach einer vertagten Sitzung, als wir schon gedacht hatten, es werde sich alles regeln, sind Sie ... (Abg. Krainer: Das stimmt überhaupt nicht! Sie waren bei den Verhandlungen gar nicht dabei!) O ja, ich war sehr wohl im Ausschuss dabei! – Sie sind vom Verhandlungstisch aufgestanden, und Sie sind verantwortlich ... (Abg. Krai­ner: Sie waren bei den Verhandlungen gar nicht dabei! Ich war bei den Verhand­lungen, im Gegensatz zu Ihnen!) – Reden Sie nicht, wenn Sie es nicht wissen! Ich bin bestens informiert, und ich weiß, was im Ausschuss passiert ist. Kollege Oberhaidinger wird es auch wissen.

Sie sind verantwortlich, wenn 17 Millionen € nicht investiert werden können, und Sie sind verantwortlich, wenn da Arbeitsplätze nicht geschaffen werden können. (Abg. Krainer: Es kann mehr investiert werden!) Aber immerhin, wir haben gehört, Sie sind


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 199

verhandlungsbereit! Das ist immerhin etwas, und vielleicht lässt sich auf dieser Basis weiterreden.

Zur Kollegin Lunacek und zur Kollegin Petra Bayr: Lange Zeit haben Sie nicht genug kritisieren können, dass wir bei der Entwicklungszusammenarbeit die 0,33 Prozent vom BIP nicht erreichen. (Abg. Bayr: Noch nicht!) Jetzt erreichen wir sie, wenn auch mit Entschuldungsmaßnahmen, aber wir erreichen sie. Sie können nicht sagen, dass wir dieses Ziel nicht erreichen. Diese Regierung hält dieses Versprechen. Wir halten auch mittelfristig daran fest, dass wir die 0,7 Prozent erreichen wollen. Aber Sie beide wissen genauso wie ich und viele andere, dass Geld allein in diesem Bereich nicht die Probleme löst. Es geht darum, dass sich Strukturen ändern, sonst wird sich in diesen Ländern leider Gottes auch mit noch mehr Geld nicht sehr viel ändern. (Abg. Dr. Jarolim: Die Frau Gehrer ist das Problem!)

Nun möchte ich aber doch noch auf einen anderen Bereich in unserem Land zu sprechen kommen, und zwar auf den Arbeitsmarkt. Es wurde ja heute schon viel über die Schaffung von Arbeitsplätzen und über die Probleme auf dem Arbeitsmarkt dis­kutiert. Ich glaube, dass da zu Recht ein Schwerpunkt im Budget gesetzt wurde, um in diesem Bereich etwas voranzutreiben. Dabei muss aber auch Folgendes gesagt werden: Diese Probleme sind ja im ländlichen Raum potenziert vorhanden. Ich glaube daher, dass wir gerade da ansetzen müssen, im ländlichen Raum Arbeitsplätze schaf­fen müssen. (Abg. Dr. Cap: Prinzhorn schläft!) – Ich rede ja mit Ihnen. Ich rede nicht mit ihn, ich rede mit Ihnen! (Abg. Dr. Cap: Aber interessant ist es schon!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen die Probleme lösen, die wir da vor uns haben, und da hilft es nicht, wenn Sie zum Beispiel versuchen, durch Kon­servierung ... (Abg. Dr. Cap: Sie müssen das Lamperl herausschrauben, dann ist das Licht weg!) – Das ist ja kein Problem, ich rede ja mit Ihnen. Welches Problem haben Sie? Es wird schon irgendwann einmal eine Reaktion kommen. Lassen Sie mich ... (Abg. Dr. Cap: Schrauben Sie das Lamperl heraus!) Was ist dann? (Abg. Dr. Cap: Dann ist kein Licht da, dann können Sie weiterreden! – Heiterkeit.) Ich kann auch mit Licht weiterreden. Ich glaube, das ist kein Problem. (Abg. Dr. Cap: War nur eine Idee! – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Allgemeine Heiterkeit.)

Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Gedankengang zu Ende führen! (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glocken­zeichen.)

Sie sind dafür, dass wir möglichst viel von den Strukturen im ländlichen Raum kon­servieren. Wir glauben, dass mit der Konservierung von Strukturen nichts gewonnen ist, dass das nur Geld kostet, dass es eben notwendig ist, Strukturen angepasst zu ändern. In diesem Zusammenhang hat, glaube ich, gerade diese Regierung ihre Reform­bereitschaft bewiesen. Darin werden wir auch in den nächsten Jahren fortfahren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.11


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


20.11.21

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Las­sen Sie uns nach diesem kleinen, aber netten Vorfall fortsetzen. – Herr Staats­sekretär, ich darf Sie jetzt doch ersuchen, einige wenige aufklärende Worte zu sagen, weil es in der Frage der Schenkungssteuer doch einen Zusammenhang mit Glaub­würdigkeit und Wahrhaftigkeit – um Ihr Wort zu verwenden – in der Causa „Grasser-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 200

Verein“ gibt, zu dem Sie letztes Jahr erklärt haben, dass eine Schenkungssteuer nicht vorliegen kann. Das hat vielfach Aufsehen erregt, es haben manche geschmunzelt, andere waren traurig, aber Tatsache ist jedenfalls, dass die Staatsanwaltschaft nach nur geringfügiger Prüfung festgestellt hat, dass sehr wohl eine Schenkungssteuer vorliegt. (Staatssekretär Dr. Finz: Das stimmt ja nicht!)

Mein Kollege Cap und ich haben vorhin lange diskutiert und stellen hier das Ersuchen, dass Sie heute hier, was diesen Verein anlangt, erklären, wie Sie eigentlich jetzt zu den Ausführungen der Staatsanwaltschaft stehen.

Nun möchte ich im Zusammenhang mit Justizpolitik über einige ... (Abg. Mag. Ikrath: Akzeptieren Sie einfach, dass wir in einem Rechtsstaat leben!) Ja, das ist ja das Problem: dass Sie offenbar ein Problem damit haben! (Abg. Mag. Ikrath: Man kann sich in einem Rechtsstaat ein bestimmtes Erkenntnis nicht wünschen!) Das ist das Thema!

Ich möchte über einige kleine Boshaftigkeiten des Herrn Bundeskanzlers im Zusam­menhang mit dem Budgetkapitel diskutieren. Wir alle haben in der letzten Zeit, meine Damen und Herren, erlebt, dass die Frau Justizminister durchaus gewillt ist, hier Vernunft walten zu lassen – eine Neuerung seit vier Jahren, das räume ich ein –, und auch durchaus angebrachte und herausfordernde Forderungen umsetzen möchte. (Abg. Mag. Ikrath: Das solltet auch ihr tun: Vernunft walten lassen!)

Der Versuch, das Gesicht einer weniger sympathischen Regierung, eines nicht so sympathischen Bundeskanzlers durch jenes der Frau Justizminister sympathischer darzustellen (Abg. Böhm: Das müssen Sie dem Gusenbauer erzählen! Das müssen Sie Ihrem Obmann erzählen!), hat offenbar nicht gefallen, und das hatte zur Kon­sequenz, dass selbst jene Mittel, die bereits zugesagt waren (Zwischenruf des Abg. Grillitsch) – Herr Kollege Grillitsch, Sie wissen es besser als alle anderen –, ge­strichen wurden.

Meine Damen und Herren! Bei der Sicherheit zu sparen, Richter einzusparen, bei diesem Strafvollzug Strafvollzugsbeamte, nämlich auch die zugesagten, einzusparen (Zwischenruf des Abg. Mag. Ikrath) – Kollege Ikrath, ich weiß, das ist fürchterlich –, das kann ja nur Boshaftigkeit sein.

Ich glaube, dass das diese Frau Justizminister – meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, vielleicht helfen Sie ihr ein klein wenig – nicht verdient. Ich meine, dass die Konzepte zu 80 Prozent vertretbar sind, aber ich glaube, dass sie der Herr Bundes­kanzler nur zu 20 bis 30 Prozent, maximal, umsetzen lässt, und das hat dieses Land nicht verdient.

Meine Damen und Herren! Ich erwarte mir, dass Sie hier in sich gehen und den Bun­deskanzler eindeutig in die Schranken weisen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.14


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Nicht wieder eine Zentralrede! Eine eigene Rede, bitte!)

 


20.14.19

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Kollege Cap, ich werde meine Rede halten, und Sie halten die Ihre, ich glaube, so belassen wir es. (Abg. Dr. Cap: Okay! Das ist eine gute Meinung!)

Das Budget 2006 ist ein Mix mit drei Schwerpunkten: Einerseits geht es darum, über Reformen die Ausgaben zu reduzieren, zweitens geht es darum, durch Effizienz und


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 201

Nachhaltigkeit Impulse für die Zukunft zu setzen, und drittens geht es darum, gezielte Investitionen auf dem richtigen Ort unterzubringen.

Der Budgetkonsolidierungskurs wird fortgesetzt, und mit Konjunkturpaketen werden neue Chancen eröffnet. (Abg. Dr. Cap: Jetzt bin ich erleichtert!)

Vieles in diesem Staat, Kollege Cap, wird davon abhängen, inwieweit es uns gemein­sam gelingt, Arbeitsplätze zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Davon wird es abhängen, wie sich der Wohlstand und der Rückhalt in unserem Staat entwickeln.

Wir können ohne weiteres Vergleiche anstellen. Ich glaube, wir bleiben hier in Öster­reich, wir brauchen uns vor niemandem in der EU zu verstecken.

Es geht darum, dass wir die Reformen fortsetzen, wie etwa die Verwaltungsreform, wo Staatssekretär Finz meiner Ansicht nach schon sehr Großes geleistet hat. Solche Reformen sind nicht populär, aber sie sind notwendig. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Zusammenlegung von Polizei, Gendarmerie und Zoll, die Reform der Finanz­verwaltung und ein zentrales Beschaffungswesen bringen Einsparungen. Die Heeres­reform und die Zivildienstreform bringen soziale Sicherheit und natürlich auch Sicher­heit im Land und an den Grenzen.

Es geht darum, Antworten für die Zukunft zu geben, die Abgabenquote zu senken. Es geht darum, Perspektiven in den Bereichen Bildung (Abg. Mag. Muttonen: Kürzen, kürzen, kürzen!), Schulen, Infrastruktur und Forschung zu schaffen. Es geht auch darum, dass wir in den Klimaschutz investieren. Eine riesige Chance für die Land­wirtschaft ist die Umsetzung der Biotreibstoff-Richtlinie, wo es uns gelingen sollte, Biotreibstoffe verstärkt beizumengen. (Abg. Dr. Cap: Das stimmt!)

Zum Schluss darf ich das für mich wichtigste Anliegen – ich glaube, der größte Rück­halt im Staat ist die Familie –, ansprechen. Es ist wichtig, dass wir die Familien fördern, ob Alleinverdienerinnen, Alleinverdiener, Alleinerzieherinnen – mit dem Kinderbetreu­ungs­geld und mit Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir investieren in die Familie. Die Familie ist der wichtigste Rückhalt. Die ÖVP als Familienpartei steht dazu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Dann ist ja alles paletti! – Abg. Gahr, auf dem Weg zu seinem Sitzplatz: Wir sind beim Arbeiten, und Sie sind ein bisschen auf der Warteposition!)

20.16


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


20.16.44

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gedankengänge der Vertreter der Regierungsparteien sind, Kollege Mitterlehner, kaum nachzuvollziehen. Ich meine insbesondere die Gedankengänge der Kollegin Tamandl und des Kollegen Glaser.

Natürlich muss über eine Beitragserweiterung im Bereich der Sozialversicherung nach­gedacht werden. Sie waren ja derjenige, der in der Öffentlichkeit sogar dazu auf­gefordert hat, darüber nachzudenken. Aber nachher dürften Sie, Kollege Mitterlehner, an die Kandare genommen worden sein, denn danach hat man von Ihnen nichts mehr gehört. Ich sage es Ihnen ganz offen: Wir bekennen uns dazu! (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.) Ich nenne Ihnen auch den Grund dafür, Kollegin Brinek.

Die Gebarungsvorschaurechnung für das Jahr 2006 sieht für den Bereich der Sozial­versicherungsträger ein Minus von 408 Millionen € vor, für das Jahr 2007 ein solches von 561 Millionen €.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 202

Ich bin Frau Haubner irrsinnig dankbar dafür, dass ich heute eine parlamentarische Anfragebeantwortung bekommen habe, nämlich zur Frage, wie es wirklich mit der Finanzierung im Bereich der Sozialversicherungsträger aussieht, wie es mit den Außenständen der Unternehmer, Kollege Mitterlehner, aussieht.

Ich habe jetzt nicht alle Zahlen – ich habe sie nur mit Stichtag 30. November 2004. Die Wiener Unternehmer schulden der Wiener Gebietskrankenkasse 350 Millionen €. In Niederösterreich sind es 109 Millionen €. In Oberösterreich sind es 134 Millionen €. Und so weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten auch darüber nach­denken, wie viele Exekutionen gegen Unternehmer anhängig sind. Allein in der Steiermark – nur ein Beispiel – sind Exekutionen in der Höhe von 95 Millionen € anhängig. (Abg. Mag. Ikrath: SPÖ-Kommunalbetriebe!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diskutieren wir offen darüber, aber disku­tieren wir auch offen über dieses „Schwindelbudget“ (Abg. Grillitsch: Herr Präsident, der sagt, dass wir „Schwindler“ sind!), das in vielen Bereichen – im Justizbereich, im Sicherheitsbereich, aber auch im Konsumentenschutzbereich – nicht haltbar ist. Wir werden daher dagegen stimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Na geh!)

20.19


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. – Bitte.

 


20.19.35

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sind wir schon eine sehr intime Runde, es macht ja schon richtig Spaß, und deshalb möchte ich es auch noch einmal besonders erwähnen: Schüssel und Grasser haben es geschafft! Laut dem „manager magazin“ vom Februar sind wir nicht nur das „bessere Deutschland“, son­dern auch Top in Europa.

Ausgangspunkt dieser Studie waren zwölf typische Standortfaktoren für technologisch anspruchsvolle Industrieansiedelungen. Einer davon ist die Verbreitung von Kriminalität und Korruption, und dazu möchte ich ganz kurz etwas sagen, denn Österreich ist das sicherste Land der Welt, und Österreich sichert seinen Standortvorteil durch innere Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die innere Sicherheit, die auch in Zukunft gewährleistet sein wird (Abg. Krainer: Bitte, etwas Neues!), ist im Budget 2006 deutlich in Zahlen gegossen. 111 Millionen € mehr werden im Jahr 2006 für das Innenressort zur Verfügung stehen, um damit die Krimina­lität bekämpfen zu können.

Ich möchte Ihnen einige Beispiele deutlich machen, plakativ machen: Die 111 Mil­lionen € werden dafür verwendet, den Fuhrpark zu erneuern, die Informationstechnik zu erneuern. Das Bauprogramm der Dienststellen wird weitergeführt, vor allem wird vermehrt Geld in den Ausbau der DNA-Analysen investiert. Endlich kommt auch ein neues Funksystem, Herr Cap. Der Sicherheitsmonitor wird ausgebaut, und die monatliche Kriminalstatistik wird zu einem Analyseinstrument weiterentwickelt. (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Diese Strukturänderungen, dieses Budget sichern, dass keine Dienststelle zugesperrt wird, dass es keinen Arbeitsplatzverlust gibt, und sie sichern vor allem tausend Beamte mehr für den Außendienst. So hat es unser schönes Österreich, dank unserer, dank dieser Politik einfach besser im Vergleich zu Deutschland, in unserer Position in Europa, in zentralen Daten wie Lebensqualität, Sicherheit, Beschäftigung, Wirtschafts­standort. – Das durch unsere Tatkraft, durch dieses Budget, durch unseren Mut zur


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 203

Veränderung, dank Schwarz-Blau! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Maier. Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter, da bin ich sicher. – Bitte.

 


20.22.11

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mein Vorredner hat behauptet, dass es im Exekutivbereich um tausend Beamte mehr gibt. (Abg. Ellmauer: Im Außendienst!) – Das ist nicht richtig!

Bei der Zusammenlegung der Wachkörper wird es nach dem Stellenplan um 750 Be­amte weniger in Österreich geben. (Abg. Mag. Wurm: Leider!) – Das ist nachzulesen im Stellenplan. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Cap: Das muss einmal gesagt werden!)

20.22


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer.

 


20.22.47

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Staatssekretär, wir bekommen seit dem Jahr 2005 das Budgetblatt „Budget-Entwurf ... auf einen Blick“. Das ist positiv anzumerken, und heute ist auch gesagt worden, diese Darstellung sorgt für Transparenz. Ich möchte sagen, sie sorgt teilweise für Trans­parenz. Ich verstehe nämlich Folgendes nicht – Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie mir das aber erklären –: Auf dem Beiblatt für das Jahr 2005 werden, wie es sich gehört, die Ausgaben und die Einnahmen dargestellt, auf jenem für 2006 – ich habe den ganzen Tag lang gesucht – stehen zwar die Ausgaben des Bundes, nicht aber die Einnahmen.

Jetzt kann ich mir schon vorstellen – das ist meine Vermutung, Herr Staatssekretär –, dass Sie, weil Wahlen anstehen, den Platz gebraucht haben, um die Steuerreform und deren Auswirkungen dort aufzulisten. Ich denke, so ist aber die Transparenz des Staatshaushaltes auf einen Blick nicht gegeben, denn der wesentliche Teil der Einnahmen fehlt auf diesem Beiblatt. (Staatssekretär Dr. Finz: Die sind aber drauf!) Nein, Herr Staatssekretär! Ja, sie sind drauf in der prozentuellen Entwicklung, aber nicht in der Aufschlüsselung. Auf dem Blatt für 2005 sind ganz genau die Einnahmen drauf.

Ein weiterer Verdacht liegt für mich nahe: weil die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer die meisten Einnahmen des Staates sind und die Körperschaftsteuer die geringste Einnahme. Das heißt, die Steuerzahler zahlen am meisten für den Staatshaushalt.

Ich vermisse noch etwas, Herr Staatssekretär! Immer ist Internationalität angesagt. In der Budgetrede wird von EU-Vergleichen gesprochen – die Internationalität schlägt sich auf diesem Budgetblatt aber nicht nieder! Ich würde anregen, dass man auch die EU-Zahlungen, die Österreich leistet, und die Rückflüsse anführt. (Rufe bei der ÖVP: Lesen! Lesen!) – Nein, die sind auf diesem einen Beiblatt nicht drauf, Herr Kollege! Sie sind im Budgetbericht angeführt, und dort erkennt man auch sehr starke Defizite für den ländlichen Raum. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 204

20.25.14

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft übernehmen – das wird durch die nachhaltige Budgetpolitik dieser Regierung seit dem Jahr 2000 erfolgreich betrieben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Für die künftigen Generationen muss wieder eine solide Basis geschaffen werden, um der jungen Generation Chancen für die Zukunft zu eröffnen.

Mit dem Budget 2006, das gestern von Bundesminister Grasser hier im Hohen Haus vorgestellt wurde (Abg. Dr. Cap: Ist das nicht gelungen!), erreichen wir ein wichtiges Etappenziel in unserer langfristig angelegten Budget- und Steuerpolitik. (Abg. Krainer: Heute schon gehört!)

Dieses Budget enthält drei wesentliche Schwerpunkte: erstens Stabilität, wir streben ein Nulldefizit über den Konjunkturzyklus bis zum Jahr 2008 an, zweitens Entlastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Betriebe durch die größte Steuerreform der Zweiten Republik und drittens Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent bereits im Jahr 2006. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Krainer: Der Klub­obmann kann leider nicht klatschen, er hat keine Hand frei!)

Investitionen in die Zukunft: 35 Prozent mehr als im Jahr 1999 für Forschung und Entwicklung und 60 Prozent mehr für Investitionen in die Infrastruktur.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen auch bewusst eine vorüber­gehende Erhöhung des Defizits in Kauf, um den Wirtschaftsaufschwung nachhaltig zu unterstützen und den Wirtschaftsstandort Österreich weiter zu stärken. Wir würden auch gerne die 20 Milliarden € an Primärüberschüssen, die in den Jahren 2000 bis 2006 erreicht worden sind, zur Wiedererlangung der Vollbeschäftigung, zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes und zur weiteren Senkung der Abgabenquote verwenden, doch leider müssen Rückzahlungen und Zinsen, also die Lasten der von der SPÖ geführten Vorperioden, getragen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Motto „Sozial ist, was Arbeit schafft!“ möchte ich Ihnen auch ein paar Fakten zur Arbeitslosigkeit präsentieren. Im Jahres­durchschnitt 2004 liegt Österreich nach der herkömmlichen Statistik bei 7,1 Prozent, mein Bundesland Oberösterreich bei 4,4 Prozent. – Frau Kollegin Hlavac, zum Ver­gleich: Wien hat eine Arbeitslosenrate von 9,8 Prozent, also mehr als doppelt so viel wie Oberösterreich. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Für den Umweltbereich sind im Voranschlag 2006 35 Millionen € mehr vorgesehen. Am 16. Februar 2005 ist das Kyoto-Protokoll in Kraft getreten. Zur Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele geben wir zusätzlich 30 Millionen € mehr für Klimaschutz aus. Auch Oberösterreich beschreitet hier wieder einen zukunftsträchtigen Weg, der mit der Unterzeichnung des oberösterreichischen Klimapaktes bekräftigt wurde, um die An­stren­gungen des Bundes zur Erfüllung des Kyoto-Zieles zu verstärken beziehungs­weise zu unterstützen.

Österreich ist laut einer Studie über die Industrienationen das sicherste Land der Welt. Damit dies auch so bleibt, ist das Budget des Innenressorts 2005 um mehr als 162 Millionen € erhöht worden und bleibt 2006 auf diesem hohen Niveau. Damit hat unser Land die nötigen Mittel, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts in der Sicherheitspolitik entsprechend begegnen zu können. (Abg. Mag. Molterer: Redezeit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dank der erfolgreichen Politik unserer Bundes­regie­rung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Bundesminister Grasser, Staatssekretär Finz und auch unseres Klubobmannes wird der international anerkannte, erfolgreiche


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 205

österreichische Weg fortgesetzt und unser Land in eine sichere Zukunft geführt. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.29


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

 


20.29.01

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren Abgeordneten von den Regierungs­parteien, wissen Sie, was mich an Ihnen tatsächlich fasziniert? Sie erzählen hier Dinge, sich immer wiederholend, und erwecken auch noch den Eindruck, dass Sie das glauben, was Sie hier erzählen. – Das ist eine großartige Leistung! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In seiner gestrigen Fabelstunde hat der Finanz­minister auch ganz kurz auf die Gemeinden Bezug genommen und gemeint: Wir haben den neuen FAG mit Ländern, Städten und Gemeinden erfolgreich verhandelt. – Jawohl, das stimmt! Der Finanzminister hat erfolgreich verhandelt. Er hat die Ge­meinden geschröpft, denn er braucht die Gemeinden mit 0,5 Prozent des BIP, damit sein Defizit nicht auf 2,2 Prozent ansteigt. Dazu braucht er die Gemeinden, das ist richtig.

Was mich stört, ist, dass der Herr Finanzminister auch gesagt hat:  „Jeder Bürger muss uns gleich viel wert sein.“ – Ich nehme das noch den Gemeindeverantwortlichen der ÖVP ab, dem Finanzminister nehme ich das nicht ab, denn wenn ich mir die Steuer­reform anschaue, merke ich, es ist nicht jeder Bürger gleich viel wert. Und wenn ich mir dieses Budget anschaue, wird mir ebenso klar, dass da bei weitem nicht jeder Bürger gleich viel wert ist. Was sagt er denn dann dazu, wenn immer mehr Bürgerinnen und Bürger in Armut geraten? Was sagt er denn dann dazu, wenn wir täglich mehr Arbeits­lose haben? Sind ihm die nicht so viel wert? – Also das ist schon eine Aussage, die er sich das nächste Mal sparen sollte.

Ein einziger Satz aus dieser Budgetrede macht mich sehr hoffnungsvoll. Der Finanz­minister hat gesagt: „... mit mir gibt es kein Sparpaket“. Er hat diesen Satz nur nicht ganz zu Ende gebracht: weil es ihn nicht mehr lange als Finanzminister gibt! (Beifall bei der SPÖ.)

20.31


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


20.31.15

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Letztes Jahr im Herbst, als wir das Budget 2005 verhandelt haben – daran kann ich mich noch gut erinnern –, hat der Finanzminister dieser Republik für die innere Sicherheit ganze zwei Sätze übrig gehabt. Er hat unter anderem über die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei und in diesem Zusammenhang von Team „O4“ gesprochen. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Er hat sich also nicht sehr genau damit auseinander gesetzt, weil im landläufigen Sinn heißt das Team „Null4“.

Was ist ihm dieses Jahr die innere Sicherheit wert? Einen Satz diesmal, und darin heißt es: Verwaltungsreform, Reduktion der öffentlich Bediensteten um fast 15 000, Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie und Zollwache. – Das war es dann schon zum Thema öffentliche Sicherheit in Österreich. Ich glaube ihm schon, dass er nicht viel mehr Worte darüber verlieren mag, denn die Bilanz ist eine wahrlich traurige.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 206

Nahezu 650 000 Delikte im Jahr 2004, 38,5 Prozent Aufklärungsquote – das ist ein trauriger Rekord in der Zweiten Republik!

Dahinter, und das darf man nicht vergessen, stehen zirka 700 000 Opfer. Was wird für diese Opfer getan? Die ÖVP hat sich doch immer als die Partei bezeichnet, die für die Opfer eintritt, die Opferschutzeinrichtungen entsprechend fördert, aber: Die Geldmittel für die Opferschutzeinrichtungen sind von 2005 auf 2006 gleich geblieben. Das heißt: Viel mehr Verbrechen, viel mehr Vergehen – und die Opfer bleiben irgendwo im Regen stehen! Und das ist traurig, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Neudeck: Das war ein Zweizeiler!)

Herr Abgeordneter Kapeller hat davon gesprochen, dass es schöne Uniformen gibt, dass es mehr Geld vor allem für die Ausrüstung gebe – Ja, fürs Repräsentieren, aber Geld dafür, dass die Polizeibeamten in Zukunft mehr auf der Straße eingesetzt werden können, ist weniger vorhanden. Schauen Sie sich das genau an! Vor Ort, dort, wo die Uniformierten ihren Dienst tun, gibt es weniger Geld. Es sind weniger „Indianer“, wie der frühere Innenminister einmal gesagt hat, auf der Straße. Es werden weniger, weni­ger und weniger, und das ist kein gutes Signal.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines: Die brutale Sparpolitik wird weitergeführt – auf Kosten der Sicherheit Österreichs! (Beifall bei der SPÖ.)

20.34


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte. (Abg. Mag. Kogler – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Gradwohl –: Fordere den Staatssekretär!)

 


20.34.04

Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär, keine Sorge, um diese Zeit werde ich Sie nicht mehr übermäßig fordern! Die jetzt so „dicht besetzten“ Reihen zeigen, dass das heute nicht mehr besonders erwünscht ist. (Abg. Mag. Kogler: Darauf darf man keine Rücksicht nehmen!) Einige Bemerkungen kann ich mir aber doch nicht ersparen.

Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Budget­rede gehört, wir haben die Budgetunterlagen vorliegen und stellen fest, im Agrar­bereich gibt es mehr Geld. Was bewirkt dieses Mehr an Geld? – Nachdem Sie an der Verteilung dieses Geldes nichts geändert haben, alte Verteilungsmechanismen auf­rechterhalten haben, mehren sich die Proteste und mehren sich die Initiativen, die sich gegen diese Verteilung wehren.

Herr Kollege Grillitsch, schauen Sie nicht so überrascht! Wir alle haben Mails von Bauern-Initiativen bekommen, die uns ersuchen, sie dabei zu unterstützen, zu gerechteren Verteilungen zu kommen, sei es im Milchbereich, die IG Milch, oder sei es auch dort, wo es darum geht, Bodenrenten, die in Form der jetzigen Betriebsprämie festgeschrieben sind, wieder denjenigen zuzuführen, die den Boden eigentlich auch bewirtschaften wollen, und nicht denjenigen, die sie irgendwann einmal gepachtet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesbezüglich hat auch das Budget 2006 keine Veränderung herbeigeführt, abgesehen davon, dass mehr Geld für einen Bereich aufgewendet wird und dieses Mehr an Geld zu größerer Unzufriedenheit führt. Aber die Hauptverantwortung dafür tragen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren auf der rechten Seite!

Lassen Sie mich noch eine Feststellung treffen. Es war heute sehr oft die Rede davon, dass die Sozialdemokraten Schulden hinterlassen haben, die Sie abarbeiten müs­sen. – Geschätzte Damen und Herren! Ihre Kinder sind in die Schulen gegangen, die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 207

mit diesen Schulden errichtet wurden, Ihre Kinder haben dort ihre Ausbildung erhalten und haben heute gute Chancen im Berufsleben. Ihre Familien fahren auf Straßen, die zur damaligen Zeit mit diesen Schulden errichtet wurden. Es wurden Werte geschaffen! Herr Kollege Grillitsch, wir kommen aus einem Bezirk, wo erst Ende der siebziger Jahre der letzte Bauer mit elektrischer Energie versorgt wurde. Und das hat Schulden verursacht!

Aber was machen Sie heute? Statt zu sagen: Diese Entwicklung der Republik war hervorragend, wir stehen dazu!, gehen Sie her und verschleudern diese Werte zum Nulltarif an Ihre Freunde. Das ist abzulehnen und verachtenswert! (Beifall bei der SPÖ.)

20.36


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


20.36.50

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke allen, die noch anwesend sind und ausharren. (Abg. Neudeck: Was heißt „ausharren“? Das finde ich unfair!)

Kollege Ellmauer, Sie behaupten, Sie hätten die Lasten der Vorperioden zu tragen. – Das waren Investitionen in die Zukunft, wie das mein Vorredner Gradwohl bereits erwähnt hat! (Abg. Scheibner: Wer hat euch das eingeredet! War das der Kalina?)

In der gestrigen Budgetrede wurde viel versprochen – ich kam mir vor wie in einer politischen Märchenstunde –: soziale Gerechtigkeit, Vollbeschäftigung, mehr For­schung und Entwicklung, mehr Bildung, Stärkung der Gemeinden und so weiter. Leider werden Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien beziehungsweise von der Regierung, keines Ihrer Versprechen halten können, denn Ihr Budget ist nicht der Weg zu diesen Zielen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mehr Geld in der Brieftasche, das sei Ihr Ziel, haben Sie gesagt. Wessen Brieftasche gemeint war, blieb offen. (Abg. Scheibner: Frau Kollegin, die Steuersenkung ist ja schon umgesetzt!) Die Österreicherinnen und Österreicher mussten massive Einbußen hinnehmen, seit Sie das Budget dieses Landes gestalten. (Abg. Scheibner: Wo denn?) Gewinner Ihrer Budget- und Steuerpolitik sind große Konzerne und das Finanz­ministerium – nicht die Menschen in Österreich und schon gar nicht die sozial Bedürftigen! Die Gewinner sind nicht die Klein- und Mittelbetriebe, nicht die kleinen Gemeinden und nicht der ländliche Raum.

Ihren Kurs der Aushungerung der ländlichen Regionen setzen Sie auch im Jahr 2006 konsequent fort. 2004 betrug die Regionalförderung noch 149 Millionen €. Heuer sind es 130 Millionen €. Für 2006 haben Sie gar nur mehr 109 Millionen € für Regional­förderung übrig. Wachstum und Beschäftigung in strukturschwachen Regionen, und das sind vor allem die ländlichen Regionen, sind offensichtlich kein Thema mehr für Sie. Als Bürgermeisterin einer kleinen und ländlichen Gemeinde weiß ich, was das bedeutet, Herr Kollege Großruck!

Da Sie so gerne das Budget 2006 mit dem Stand von 1999 vergleichen: Im Jahr 1999 haben die Ausgaben für Infrastruktur noch 1 592 Millionen € betragen, für 2006 haben Sie nur mehr 612 Millionen € vorgesehen und damit eine Reduktion um mehr als die Hälfte gegenüber 1999 erreicht.

Die Zukunft ist unser Programm, hat der Herr Finanzminister gemeint. Das ist ein weiteres Beispiel für seine leeren Floskeln, hinter denen er seine Versäumnisse


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 208

verstecken will. Wenn Ihnen die Zukunft Österreichs tatsächlich am Herzen läge, dann würde das Budget anders aussehen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.39


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. (Abg. Dr. Mitterlehner in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dipl.-Ing. Kummerer –: Jetzt kommt etwas Positi­ves! Jetzt einmal Optimismus!)

 


20.40.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ja, probieren wir es mit Opti­mismus. Mir als Techniker steht es, wie ich meine, zu, mich hauptsächlich mit Zahlen zu beschäftigen. Ich möchte aber im Zusammenhang mit der Rede des Kollegen Kapeller und diversen Zwischenrufen sagen, ich weiß nicht, wer da PISA-Schwächen aufweist: Ist es Kollege Kapeller – oder bin ich es? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Daher: Versuchen wir es gemeinsam!

Ihren offiziellen Unterlagen entnehme ich, und zwar beim Kapitel Inneres: für den allge­meinen Haushalt Ausgaben in Höhe von 1,892 Milliarden € im Jahre 2005 und 1,884 Milliarden € im Jahre 2006. – Jetzt frage ich: Sind das 110 Millionen € mehr? Selbst wenn man nur ein bisschen die Grundrechnungsarten beherrscht, sieht man, dass das 7,9 Millionen € weniger sind.

Da ich gehört habe, 1 000 Beamte sind es mehr, fange ich noch einmal an zu rechnen (Rufe bei der ÖVP: Im Außendienst!), und zwar schaue ich mir die Angaben bezüglich Planstellen dazu an; übrigens steht das auf derselben Seite. 32 082 Planstellen sind es im Jahre 2005, 31 130 Planstellen im Jahre 2006. Das ergibt meiner Rechnung nach eindeutig ein Minus von 952 Planstellen – und sicher kein Plus von 1 000!

Und so geht das weiter; beispielsweise auch beim Kapitel Justiz, wo man ein Minus von 370 Planstellen erkennen kann. Beim Bundesheer gibt es ein Minus von 696 Planstellen; macht in Summe ein Minus von insgesamt 2 018 Planstellen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ: Mit Ihrer Politik gelingt es Ihnen nicht – wie Sie fälschlicherweise immer wieder behaupten –, Arbeitsplätze zu schaf­fen! Ganz im Gegenteil: In Ihrer Regierungsverantwortung wurden innerhalb eines Jahres, und zwar allein im Bereich Sicherheit, 2 018 Arbeitsplätze vernichtet! Das ist Ihre „neue Politik“!

Ich bedaure, dass es zu solch einem Budget gekommen ist. Aber meiner Ansicht nach ist das sowie Ihr letztes, nämlich das letzte Budget Ihrer Regierung überhaupt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Ikrath: Das war sehr unsachlich!)

20.42


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte. (Abg. Mag. Ikrath: Jetzt kriegen wir endlich Lob! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


20.42.44

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Es freut mich, dass Sie so erregt sind. Herr Staatssekretär Finz bekommt offensichtlich heute bezahlt fürs Schweigen und fürs lange Gesicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

In der gestrigen Budgetrede hat der Herr Finanzminister Drohungen in Richtung be­hinderte und kranke Menschen ausgestoßen, indem er meinte, ob es wirklich sein könne, dass 35 Prozent aller Neuzugänge in der Pension die Invaliditätspension beanspruchen. – Das ist doch eine klare Drohung, dass auf kranke und behinderte


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 209

Menschen keinerlei Rücksicht mehr genommen werden soll und der Staat die Men­schen im Stich lässt!

Die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, in der sehr viele behinderte Menschen vertreten sind, läuft Sturm gegen Grassers Griff in die Mottenkiste. – Zitat:

Fast schon wie üblich, könnte man sagen, müssen arbeitslose, kranke und behinderte Menschen herhalten, wenn es um Einsparungen geht, die offensichtlich woanders nicht getätigt werden sollen oder können. – Zitatende. Das stellt die Österreichische Arbeits­gemeinschaft für Rehabilitation in einer Aussendung fest.

Meine Damen und Herren! Es liegt nicht am Gesundheitssystem, sondern an der Arbeitswelt, dass die Menschen krank werden und behindert sind. Wichtig ist daher, dass Maßnahmen in Richtung Prävention und eines Gesundheitsschutzes am Arbeits­platz eingeführt werden.

In der gestrigen Diskussion zum Rechnungshofbericht haben wir von FPÖ-Abgeord­netem Bucher gehört, dass der Begriff „Wirtschaft“ von Ihnen in die Richtung ausgelegt wird, dass man Geld beim Fenster hinauswerfen müsse, um es bei der Tür wieder hereinzubekommen. – Das heißt, das Geld für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, die Leistungen werden für kranke und behinderte Menschen eingeschränkt. Dort wird also von Ihnen das Geld weggenommen, um es dann bei Werbekosten, Beratungsleistungen bei der „Tür hereinzubekommen“.

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, eine solche Budgetpolitik kann man nur ablehnen! (Beifall bei der SPÖ.)

20.44


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

 


20.44.47

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Damen und Herren! Verzweifelt habe ich in dieser Budgetrede die großen Lösungsansätze zum Thema Gesundheitspolitik gesucht. Herr Kollege Mitterlehner, ich war einfach zu optimistisch, denn außer einem platten Zweizeiler gab es keine Aussage zu diesem wichtigen Thema. (Rufe bei der ÖVP: Also!)

Diesen Zweizeiler darf ich nunmehr zitieren: „Österreich hat eines der besten Gesund­heitssysteme der Welt.“ – Eine wirklich „sensationelle“ Aussage, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Der Herr Finanzminister hätte nur noch dazuschreiben müssen: noch!, denn Sie sind auf dem besten Wege, dass dies bald nicht mehr der Fall sein wird!

Ich zitiere weiter diesen Zweizeiler aus der schriftlichen Budgetrede: „Kann es wirklich sein, dass 35 Prozent aller Neuzugänge in der Pension Invaliditätspension bean­spruchen?“

Wenn uns der Herr Finanzminister damit hat suggerieren wollen, dass die Reparatur­medizin nicht mehr nachkommt, die Defizite Ihrer Politik auszugleichen, dann, kann ich nur sagen, hatte er Recht. – Aber das hätte der Herr Finanzminister gleich richtig hineinschreiben können, denn auch dem Herrn Finanzminister beziehungsweise dem Herrn Staatssekretär müsste doch Evidentes bekannt sein, dass nämlich mit größer werdender Armut auch die Krankheitsrisken steigen; das ist in allen Gesellschaften dieser Welt so.

Daher, Herr Staatssekretär Finz, nehmen Sie Folgendes mit auf den Weg: Zuneh­mende Armut gefährdet die Gesundheit! Und: Die Politik, die Sie betreiben, ist aus-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 210

schlaggebend dafür, dass genau in diesem Bereich große Defizite entstehen! (Abg. Mag. Ikrath: Was sind die Alternativen? Vorschläge!)

Herr Staatssekretär Finz, es ist halt so: Eine Politik, wie Sie sie betreiben, die Arbeits­losigkeit hinnimmt, Bildungschancen verweigert, sehenden Auges die Armut erhöht, gefährdet eben nicht nur die Gesundheit, sondern auch den sozialen Konsens in unsrem Lande! Und das, meine Damen und Herren, ist wirklich bedauerlich!

Ich hoffe daher, dass dieses Auslaufmodell einer ÖVP/FPÖ-Regierung endgültig und sehr bald vorbei sein wird: im Interesse der Menschen und im Interesse dieses Lan­des. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Walther. – Bitte.

 


20.47.11

Abgeordnete Heidrun Walther (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Budgetrede des Herrn Finanzministers war eine wirkliche Jubelrede – Jubel vor allem über sich selbst. (Abg. Schöls: Habt ihr alle die gleiche Rede?) Wichtiger ist jedoch, zu analysieren, was drinsteht bezie­hungsweise was nicht. Das Thema „Armut“ kam jedenfalls so gut wie nicht vor.

Erkenntnisse aus dem Sozialbericht – vor 14 Tagen in allen Zeitungen zu lesen: 1 Million Menschen in Österreich ist armutsgefährdet, 400 000 sind arm. Und seit dem Jahr 2000 gibt es da eine Zunahme von 60 Prozent!

Frauen kamen in der Rede des Finanzministers überhaupt nur zweimal vor, einmal, als es hieß, man müsse die Frauen in den Erwerbsprozess integrieren, und dass Kinder­erziehung und Berufstätigkeit kein Widerspruch sein dürfen. – Das war auch schon alles in der Budgetrede dazu, welche Erkenntnisse man aus der Erwerbstätigkeit von Frauen geschöpft habe. – Dazu kann ich nur sagen: Die Arbeiterinnen und Angestell­ten sind die Einkommensverliererinnen der letzten vier Jahre, mussten diese doch einen Einkommensverlust von 11 Prozent hinnehmen!

Zum Kinderbetreuungsgeld – auch das war Thema in den letzte Wochen (Abg. Dr. Mit­terlehner: War sehr wichtig, ja!) –: Die Selbständigen tun sich da leichter; die Unselb­ständigen leider nicht. Daher: Diese Ungerechtigkeit muss unbedingt ausgemerzt werden! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Leutner. – Bitte.

 


20.48.54

Abgeordneter Dr. Richard Leutner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen einmal auf dieses Bud­get 2006 zurückschauen werden, dann werden sie, so fürchte ich, sagen: Auch dieses Budget 2006 war eines, durch das die Arbeitslosigkeit in unserem Land geblieben ist und wo man weit entfernt war von Steuergerechtigkeit! (Abg. Mag. Ikrath: Wie ist das Arbeitslosigkeitsproblem ...?)

Arbeit schaffen, das ist, wie man sieht, auch im Jahr 2006 kein Herzensanliegen dieser Bundesregierung. 360 000 Arbeitslose gibt es in Österreich! Da Sie, Herr Kollege von der ÖVP, dazu Vorschläge eingemahnt haben: Vorschläge zur Bekämpfung der Ar­beitslosigkeit liegen auf dem Tisch (Abg. Mag. Ikrath: Wie?): ein spürbarer öffentlicher Investitionsschub – hören Sie einmal zu! – bei der Schaffung von Infrastruktur, höhere


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 211

Dotierung der Arbeitsmarktpolitik sowie eine zusätzliche Entlastung bei kleineren und mittleren Arbeitnehmereinkommen.

Sagen Sie uns bei den Budgetdebatten der nächsten Wochen aber bitte nicht, dass Sie dafür kein Geld haben, denn für Entlastungen bei Gruppenbesteuerungen gibt es solches sehr wohl! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe des Abg. Mag. Ikrath.)

Meine Damen und Herren! Nun zum Thema Steuergerechtigkeit. Wir alle wissen, dass die Liste der Belastungen der ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen in den letzten Jahren lang war, und diese Steuerreform ändert gar nichts daran. Was den Menschen netto bleibt, das frisst ihnen die Energiesteuer weg. Deshalb treten die Gewerkschaften auch für eine Erhöhung der Negativsteuer ein. (Abg. Mag. Kogler: Bravo!)

Ich hoffe, dass all die Dinge, die die Beschäftigung in diesem Land beleben und Arbeitslosigkeit verhindern, Thema der nächsten Wochen sein werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler. – Abg. Grillitsch: Das haben wir gestern gesehen bei der UVP!)

20.50


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Trunk. – Bitte.

 


20.50.52

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir zunächst eine Vorbemerkung zu Aussagen des Kollegen Scheuch von gestern, vorgestern und vorvorgestern. Herr Kollege Scheuch, ich stelle jetzt für alle Zukunft fest: Jede Diskriminierung, jede Beschimpfung, jede Rufschä­di­gung aus Ihrem Mund stärkt mein Rückgrat, ist eine klare Bestätigung meiner politi­schen Haltung und ein klarer Beweis für die Richtigkeit meiner Abgrenzung von Ihnen und vielen in Ihrer Partei! Es trifft nur, was zutrifft, Herr Kollege Scheuch! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Auf Wiedersehen!)

Nun von Scheuch zu Grasser. Ich reduziere meine Ausführungen auf konkrete Zitate und Aussagen des Finanzministers in seiner Rede. Grasser im O-Ton: Österreich ist ein wunderbares Land zum Leben und zum Arbeiten. – Ja, Österreich ist ein wunder­bares, ist ein einzigartiges Land (demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der ÖVP) – ja, ich applaudiere mit! –, aber durch die Politik dieser Bundesregierung (Rufe bei der ÖVP: ... wird das noch besser!) werden das Leben und der Überlebenskampf der Menschen, der Frauen und Männer in Österreich zu einer wirklich existentiellen Frage. Und das ist ein Minus und ein bedenklicher Rekord dieser Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wer sagt das?)

Zweiter Satz: Grasser meinte, die Beschäftigung nehme zu. – Tatsache ist, dass der­zeit 361 106 Frauen und Männer ohne Arbeit und Einkommen sind, und das ist eine Katastrophe für jeden Einzelnen/jede Einzelne (Zwischenrufe bei der ÖVP), eine Katastrophe für Österreich, die Sie von dieser Bundesregierung zu verantworten haben – und niemand sonst! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Satz des Finanzministers, den er nicht ausgesprochen hat. Ich zitiere Grasser aus seiner schriftlichen Rede: „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Es ist Diebstahl an der Allgemeinheit.“ (Abg. Neudeck: Was, und das lesen Sie jetzt erst?! Das war ja gestern!) – Dieser Satz steht in der schriftlich vorliegenden Budgetrede. Es stellt sich die Frage, warum Grasser diesen Satz in seinen mündlichen Ausführungen verschwie­gen hat. Ich hätte vielleicht noch annehmen können, dass ein bisschen Schuldbe­wusstsein aufgekommen wäre, aber Ihre Verhaltensweise, Ihre Betroffenheit ist ein Beweis dafür, dass Grasser weiß, warum er auch das unterlassen und nicht ausge­sprochen hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 212

Die größte Unverschämtheit ist – das ist aber auch schon die einzige Wahrheit dieser Bundesregierung –: Grasser und Sie nennen diese Budget- und Finanzpolitik „Austro-Kapitalismus“! Austro-Kapitalismus, das ist die Ideologie, die Sie zu verantworten haben! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.53


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Mag. Gaß­ner – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dipl.-Ing. Scheuch –: Richtlinien einhalten!)

 


20.53.46

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Die von mir sehr geschätzte Kollegin Melitta Trunk hat gesagt, dass ich mich permanent mit frauenfeindlichen und abwertenden Bemerkungen aus­zeichne (Abg. Mag. Trunk: Das habe ich nie gesagt, ...!) und dass das Ihr Rückgrat stärke und eine Bestätigung dafür sei, auf dem richtigen Weg zu sein.

Ich stelle richtig: Ich glaube nicht ... (Abg. Mag. Kogler: Was heißt „glauben“?!) Ich stelle richtig: dass ich keine frauenfeindlichen oder anderweitigen Aussagen dazu hier im Hohen Haus gemacht habe! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mag. Trunk: Es geht um die politische ...!)

20.54


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

 


20.54.00

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­ter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde meine Aus­füh­rungen ganz kurz halten (demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Ikrath), aber eigentlich habe ich vermutet, dass das Budget 2006 deshalb im Frühling präsentiert wird, weil es ein Generalangriff werden sollte, um sozusagen in unserem Land das Ruder für Schwarz-Blau noch einmal herumzureißen.

Dieser Versuch ist also offensichtlich misslungen; das sieht man an den Ergebnissen, die Sie präsentieren. Daher glaube ich, dass der wahre Grund für diesen Auftakt zu dieser Budgetdebatte jetzt im Frühling der ist, dass es in einigen Wochen ein Aus­einanderleben dieser Regierungskoalition geben wird, dass die Blauen aus der Regierung hinausgeworfen werden und dass wir im frühen Herbst Neuwahlen haben werden, denn mit so wenig inhaltlichem Engagement wie dieses Budget ist noch keines realisiert worden. (Abg. Scheibner: Das ist aber Selbstkritik!) – Nein, das ist keine Selbstkritik; du hast nicht zugehört, Kollege Scheibner! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Faktum ist leider, dass mit diesem Budget kein einziges aktuel­les politisches Problem dieser Republik gelöst wird. (Abg. Scheibner: Die größten Probleme haben wir schon gelöst, Herr Kollege!) Wer solch ein Budget vorlegt, hat keine Ambitionen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.55


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


20.55.51

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Was die Fernsehwerbung betrifft, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sind Sie ja heute schon vorgeführt worden. Stichwort: Gloggnitz statt Italien.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 213

Aber schauen wir uns noch ein paar Inserate an. Sie schreiben zum Beispiel: Erika (67) und Franz (69), Pensionistenehepaar, plus 456 €. – Also wie es Ihnen einfällt. Plus 456 € ist natürlich blanker Unsinn, aber Sie haben ja schon im Vorjahr versucht, die ältere Generation für dumm zu verkaufen, und haben etwas völlig Falsches inseriert.

Sicherlich erinnert sich auch der ehemalige Bundesminister Haupt an seine Inserate: „Ab morgen: Einheitliches Pensionsrecht für alle“, hieß es. – Wenn man weiß, dass Sie 50-jährige Beamte in Frühpension schicken und für alle anderen das Pensionsalter hinaufschnalzen: Wie können Sie dann – noch dazu auf Steuerzahlerkosten! – „Ab morgen: Einheitliches Pensionsrecht für alle“ inserieren?! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Oder was ist bei diesem Inserat (der Redner hält ein Inserat in die Höhe) eindeutig zu erkennen? – Ein Gesicht! (Abg. Scheibner: Danke für die Präsentation!) Das hat mit einem Informationsgehalt, wie das der Rechnungshof verlangt, überhaupt nichts zu tun! Das ist doch Visagismus pur! Das hat doch überhaupt nichts mehr damit zu tun, was in diesem Zusammenhang verlangt wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Oder wenn zum Beispiel Frau Ursula Haubner sagt, Kinder erziehen bringt jeden Tag neue Überraschungen und neue Spannung! – Auch diese „Neuigkeiten“ auf Steuer­zah­lerkosten! (Abg. Scheibner: Herzeigen!) Um Gottes willen! Sie haben es ja ohnehin in der Zeitung gesehen, Kollege Scheibner. (Demonstrativer Beifall des Abg. Scheibner.) Das ist ja wirklich schrecklich! Das Tröstliche dabei ist: Selbst wenn man ein schlechtes Produkt, nämlich Ihre Politik, stark bewirbt, ist das Ergebnis furchtbar. Und das wird auch bei den Nationalratswahlen so sein! (Beifall bei der SPÖ.)

20.57


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

 


20.57.43

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Damen und Herren! Es ist heute schon sehr viel gesagt worden (demons­trativer Beifall bei den Freiheitlichen), und ab und zu hatte man bei ein paar ÖVP-Kollegen den Eindruck, dass sie einen Chip eingebaut haben. Dieses Lobhudeln, dieses Positiv-Darstellen, das ist ja fast schon peinlich gewesen! Ich sage Ihnen: Das ist ein bisschen eine Realitätsverweigerung, liebe Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ!

Ich sage Ihnen, dieses Budget wird nicht halten, und zwar so, wie die anderen Bud­gets auch nicht gehalten haben. Ich erinnere nur daran: Im Bundesvoran­schlag 2004 war ein Defizit von 0,7 Prozent festgelegt. Herausgekommen ist – das haben wir heute schon gehört – fast das Doppelte! Im Budget für das heurige Jahr ist ein Defizit von 1,9 Prozent vorgeschlagen gewesen. – Fachleute prognostizieren heute schon, dass dieses Defizit mindestens über 2 Prozent liegen wird.

Wir sind aber nicht Ihre einzigen Kritiker, meine sehr geschätzten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen – die europäischen Finanzminister haben sich von dieser Politik, wie man hört, schon ein bisschen verabschiedet –, denn auch führende Wirtschaftsexperten halten nichts von einer solchen Art von Politik.

Eines fällt schon auf: In Medien, in denen Finanzminister Grasser sonst immer so hoch­gejubelt wurde, schaut es diesmal auch ein wenig anders aus. Aber kein Wunder bei solchen Maßnahmen, bei denen vorzugeben versucht wird, diese Bundesregierung wolle gegen die Arbeitslosigkeit ankämpfen. Diese 11 Millionen € sind wirklich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 214

Interessant ist die Tatsache, dass die Wirtschaftsförderung für Klein- und Mittelbetriebe abgeschafft wird. Ich bin gespannt, wie das Herr Mitterlehner seinen Mitgliedern erklären wird!

Ich kann nur sagen: Dieses Budget 2006 wird zum Desaster – und Sie von ÖVP und FPÖ haben die Verantwortung dafür zu tragen! (Beifall bei der SPÖ.)

20.59


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


21.00.00

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde Sie nicht mehr lange aufhalten. Man spürt, dass fast alle schon auf dem Heimweg sind oder zumindest daran denken, bald auf dem Heimweg zu sein. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich möchte nur für eines danken, sehr geehrter Herr Staatssekretär, und zwar dafür, dass uns durch die Rede des Herrn Finanzministers vorgeführt wurde, wie gut es uns geht, dass es uns täglich und wöchentlich besser geht und dass wir wirklich auf einem guten Weg sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube natürlich – nachdem ich selbst einige Zeit Mitglied der Bundesregierung war –, dass dieses Bemühen ehrlich ist und dass es auch erfolgreich ist. Aber beden­ken Sie eines, Herr Staatssekretär: Was wäre denn der beste Wohlstand, den wir mit Ihrer Hilfe in der Himmelpfortgasse erwirtschaften, wenn wir keine funktionierende oder eine weniger gut funktionierende Justiz hätten? – Bedenken wir das einmal!

Ich glaube, die Justiz wird in ihrer Bedeutung als Wohlstandssicherer manchmal unter­schätzt. Deshalb der Appell an Sie, Herr Staatssekretär, doch etwas mehr daran zu denken, dass eine funktionierende Justiz wirklich den Wohlstand in diesem Land sichert.

Es gibt ein Projekt, das Sie auf dem Tisch liegen haben, das lautet wie folgt: Wenn Sie die Justiz mit 10 bis 15 Millionen € – und ich verspreche mich jetzt nicht: mit 10 bis 15 Millionen € – an Personal-Investment unterstützen, erspart die Justiz durch eine Beschleunigung der Verfahren der Volkswirtschaft zumindest eine Milliarde €. So teuer sind Verfahrensverzögerungen. Ich habe mich auch jetzt nicht versprochen.

Bitte, Herr Staatssekretär, denken Sie mehr an diese Effizienzsteigerungsmöglichkeit, haben Sie mehr Vertrauen in die Justiz! Sie wird den Wohlstand, den Sie mit Ihrer Politik sicherlich gutwillig schaffen, unterstützen und absichern. Dieser Glaube an die Justiz fehlt mir ein bisschen, und die Justiz kommt meiner Meinung nach auch etwas wenig vor in der Rede des Finanzministers. – Danke schön. (Beifall bei den Frei­heit­lichen.)

21.01


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


21.02.09

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der Finanz­minister hat gestern in seiner Budgetrede gesagt, Österreich sei ein wunderbares Land zum Leben und zum Arbeiten. – Ich füge hinzu: allerdings nur für jene, die Arbeit haben.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 215

Mit Februar 2005 gibt es über 361 000 Arbeitslose, das sind 22 Prozent mehr als im Februar 2000. Das heißt also, wenn man auf den Markt vertraut, wird man schnell enttäuscht. Die Regierung vertraut auf den Markt und hofft, dass es besser wird. Aber es wird nicht besser. Maßnahmen werden eben nicht gesetzt. In der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat diese Regierung bisher jedenfalls keine Priorität gesehen, die Prioritäten liegen woanders.

Herr Staatssekretär, ich habe gestern ein bisschen in der Homepage des Finanz­ministers geblättert, und da findet man einen Hinweis auf eine pauschale Steuernach­zahlungsmöglichkeit, wenn man an den Fiskus anonym 40 Prozent überweist. Unter dem Logo des Finanzministeriums findet sich das. Ich glaube, da ist irgendetwas nicht ganz in Ordnung. Ich würde Sie bitten, ... (Staatssekretär Dr. Finz: Da ist etwas hän­gen geblieben!) – Ja, da ist etwas hängen geblieben, sagt der Herr Staatssekretär. Vielleicht kann man das korrigieren. Oder ist das Geld bei der Homepage ausge­gangen – das könnte auch sein –, sodass keine Servicierung mehr möglich ist. Aber jedenfalls sollte man sich das vielleicht anschauen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Entwicklung der öffentlichen Schulden wird uns im Stabilitätsprogramm der Bundesregierung dargelegt, und es zeigt sich, dass die Staatsschulden von 2003 bis 2007 um 16,2 Milliarden € steigen werden. Es wird uns gesagt: Es ist alles in Ordnung!, in Wirklichkeit stellen wir aber fest, dass es einen starken Anstieg der Staatsschulden in nur vier Jahren um 16,2 Milliarden gibt. – Das findet man auf Seite 14 im Stabilitätsprogramm in der Tabelle 4.

Sehr verehrte Damen und Herren! Der Herr Finanzminister sagte in seiner Budgetrede, Ziel ist: keine neuen Schulden. – Das Ergebnis der Politik ist das Gegenteil, ich habe hier den Beweis erbracht. So gesehen ist eigentlich der Finanzminister zunehmend ein – zugegebenermaßen professioneller – kleiner Sandmann, der versucht, den Öster­reichern und Österreicherinnen etwas Sand in die Augen zu streuen. Ich denke, lange werden sich die Österreicherinnen und Österreicher das ohnehin nicht mehr gefallen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.04


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Dr. Wittmann 3 Minu­ten zu uns. – Bitte.

 


21.05.05

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrt­er Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist aus dieser Regierung geworden, was ist aus den Finanzhaushalten von 2000 bis 2006 geworden?

Die erste Leistung dieser Regierung ist, dass es die höchste Arbeitslosenzahl gibt, die es jemals in dieser Republik gegeben hat. Es gibt die größte Jugendarbeitslosigkeit, die es in dieser Republik jemals gegeben hat. (Abg. Scheibner: Jetzt hör aber auf!) Es gibt eine der höchsten Inflationsraten in Europa, es gibt den höchsten Schuldenstand in absoluten Zahlen gemessen, und Sie haben nichts gemacht, um Investitionen zu fördern, Sie haben nichts gemacht, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. – In Wirk­lichkeit ein völliges Versagen der Finanzpolitik ohne jegliche Zukunftsperspektive. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Beurteilung der Rede Grassers kann nicht besser getroffen werden, als sie heute im „Standard“ getroffen wurde: „Was Grasser da ... im Parlament vorstellte, war eine Mischung aus völliger Oberflächlichkeit, Desinteresse und unerträglichem Eigenlob.“

Eigentlich wäre dem nichts hinzuzufügen, wenn diese Regierung nicht die Dreistheit hätte, auch noch das ORF-Gesetz für ihre Propagandazwecke zu missbrauchen (Abg. Scheibner: Vorsicht!), nämlich außerhalb der Werbezeiten, die nach dem ORF-Gesetz


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 216

ausschließlich für wichtige Mitteilungen vorgesehen wären, eine Werbekampagne zu starten, die ja an Dreistheit unüberbietbar ist.

Erstens bekommen 2 Millionen Steuerpflichtige aus dieser Steuerreform null heraus, weil sie vorher auch keine Steuer bezahlt haben. Der Rest der großen Mehrheit bekommt zwischen 2 und 11 € aus dieser Steuerreform, die den Betreffenden auf der anderen Seite durch Gebühren, Abgaben und anderes sofort wieder weggenommen werden. Es wird dem Steuerpflichtigen suggeriert, dass er sich mit diesen 2 bis 11 € einen neuen Trachtenjanker kaufen kann! – Wissen Sie, was da wirklich los ist? – Sie ziehen ihm die Lederhose aus! Sonst erreichen Sie mit dieser ganze Propaganda nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Dies zeigt ein Desinteresse an der Bevölkerung, ein Vorführen der Bevölkerung und letztendlich noch ein Lächerlichmachen derer, die über ein geringes Einkommen verfügen. Das haben sich die nicht verdient, dass ihnen etwas vorgegaukelt wird, was sie niemals erreichen werden.

Diese Propaganda wird Ihnen noch auf den Kopf fallen. Sie ist noch ärger als die wirklich selbstherrliche und aus unerträglichem Eigenlob bestehende Rede des Finanz­ministers. (Beifall bei der SPÖ.)

21.07


Präsident Dr. Andreas Khol: Der 98. Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Neudeck. Wenn wir noch zwei Redner haben, erreichen wir die 100. (Abg. Silhavy: Jetzt bekommt der Präsident einen Ehrgeiz! Unglaublich!) 3 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


21.08.05

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! – Ich habe das Ziel knapp verfehlt, der Hundertste zu sein. – Herr Staatssekretär! Meine Damen und Her­ren! Kollege Matznetter und andere Redner der großen Oppositionspartei haben sich heute hier als die Vertreter der Klein- und Mittelbetriebe zu gerieren versucht.

Herr Kollege Matznetter, die Politik der SPÖ der letzten 30 Jahre hat dazu geführt, dass heute Klein- und Mittelbetriebe von Ihnen vielleicht wieder hochgepäppelt werden müssten, wenn wir es nicht schon getan hätten.

Ihr Vizepräsident Strobl wird in einer Veranstaltung des Sozialdemokratischen Wirt­schafts­verbandes gefragt:

Sehr geehrter Herr Präsident! – im Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband ist er ja Präsident und nicht Vizepräsident wie in der Kammer. Das ist so ein bisschen euer Etikettenschwindel, ihr habt in der Organisation die gleichen Titel wie in der Kammer, nur immer um eine Stufe höher. Der Vizepräsident in der Kammer ist also Präsident in der Organisation. – Weißt du, wie viele Arbeitsplätze du mit den Vergaberichtlinien der Gemeinde Wien in Wien vernichtest – Vergaberichtlinien, wo nach wie vor 90 Prozent über den Preis zu regeln ist, und das bei U Bahn-Steuer, hohen Löhnen in Wien gegenüber dem Umland und bei anderen hohen Gebühren und Kosten?

Meine Damen und Herren! Aber kurz noch ein Thema: Stadion. Es gibt einen Stadion-Skandal, der Ihrer Meinung nach an und für sich im Süden stattfinden sollte. Ihr lest immer den „Standard“. Jetzt habe ich mir einmal eure Lektüre genommen, den „Standard“ angeschaut, und da steht heute: „Wien statt Sport“ – also nicht Wien Sportstadt, sondern „Wien statt Sport“ –: „Das Happel-Stadion hat keine Rasen­hei­zung, was man spätestens seit zwei Wochen weiß, da die Europacuppartie der Austria gegen Bilbao aus demselben Grund verschoben wurde“ – wie jetzt die letzte Partie.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
97. Sitzung / Seite 217

Die Stadt Wien ist jahrelang und trotz einiger Vorstöße in diese Richtung nicht auf die Idee gekommen, ihr größtes Stadion aufzurüsten. Es ist nur ein Glück, dass die EM 2008 im Sommer stattfindet. Da werden sie die Rasenheizung nicht brauchen; vielleicht bauen sie diese bis dahin.

Eines ist auch interessant: Herr Kollege Matznetter, Sie sagen immer, Finanzminister Grasser ist ein Genie in Marketing und in der Werbung. Er hat es wirklich geschafft, einem Satz, den er in seiner Unterlage zwar gehabt, aber nicht gesagt hat, eine besondere Bedeutung zu geben. (Abg. Mag. Kogler: Es gilt das nicht gesprochene Wort!)

Sie haben die Verbreitung dieses Satzes übernommen. Die SPÖ ist wieder in die Falle gegangen, meine Damen und Herren! Es ist wahr, diese Regierung ist gegen Steuer­hinterziehung und gegen Sozialmissbrauch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.11


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die erste Lesung des Bundesfinanzgesetzes 2006 durchgeführt.

Die Debatte ist geschlossen.

Gemäß § 69 Abs. 6 der Geschäftsordnung weise ich die Regierungsvorlage 830 der Beilagen dem Budgetausschuss zu.

*****

Die Tagesordnung dieser Sitzung ist erschöpft. Es folgt noch eine Zuweisungssitzung.

Einlauf

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 545/A bis 567/A eingebracht wurden. Ferner sind die Anfragen 2718/J bis 2746/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen und Zuweisungen dient, berufe ich für 21.12 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.12.19 Schluss der Sitzung: 21.12 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien