Stenographisches Protokoll

44. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 31. Oktober 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

44. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 31. Oktober 1996

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 31. Oktober 1996: 9.03 – 19.44 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über die vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführte Studie betreffend Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 22. März 1991, E 10-NR/XVIII. GP

2. Punkt: Bericht über den Antrag 12/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Ökologisierung des Steuersystems

3. Punkt: Bericht über den Antrag 64/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Novellierung des Einkommensteuergesetzes

4. Punkt: Bericht über den Antrag 68/A (E) der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank

5. Punkt: Bericht über den Antrag 70/A (E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank

6. Punkt: Bericht über den Antrag 84/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Lehrlinge im Kommunalsteuergesetz

7. Punkt: Bericht über den Antrag 85/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen betreffend Privatisierung der Bankenaufsicht

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

11. Punkt: Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zur elften Wiederauffüllung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA 11)

12. Punkt: Sonderbericht des Rechnungshofes über die Erste Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft


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44. Sitzung / Seite 2

13. Punkt: Bericht des Österreichischen Bundestheaterverbandes 1994/95

14. Punkt: Hochschulbericht 1996 (Band 1 und 2)

15. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG) geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Antrag 279/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend fehlendes aktives und passives Wahlrecht in Kollegialorganen für externe LektorInnen nach UOG 93

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 12, 17

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1134/AB gemäß § 92 der Geschäftsordnung 30

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 96

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 97

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 99

Rainer Wimmer 100

Willi Sauer 101

Anna Elisabeth Aumayr 102

Andreas Wabl 103

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 285/A (E) der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Begrenzung der Politiker- und Funktionärsbezüge gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 26. November 1996 zu setzen 30

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 30

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 105

Dr. Peter Kostelka 107

Dr. Andreas Khol 108

Mag. Helmut Peter 109

Mag. Terezija Stoisits 110

Mag. Gilbert Trattner 111

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 112

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 31

Fragestunde (7.)

Finanzen 12


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44. Sitzung / Seite 3

Hermann Böhacker (48/M); Dr. Gottfried Feurstein, Karl Öllinger, Dr. Volker Kier, Dr. Ilse Mertel

Mag. Cordula Frieser (42/M); Karl Öllinger, Mag. Helmut Peter, Ing. Kurt Gartlehner, Hermann Böhacker

Erhard Koppler (45/M); Josef Meisinger, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dr. Hans Peter Haselsteiner

Inneres 23

Dr. Helene Partik-Pablé (55/M); Jakob Auer, Mag. Terezija Stoisits, Hans Helmut Moser

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 12

Ausschüsse

Zuweisungen 27, 158

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Finanzausschusses betreffend den Bericht des Bundesministers für Finanzen (III-46 d. B.) über die vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführte Studie betreffend Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 22. März 1991, E 10-NR/XVIII. GP (361 d. B.) 31

2. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 12/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Ökologisierung des Steuersystems (268 d. B.) 31

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 64/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Novellierung des Einkommensteuergesetzes (270 d. B.) 31

4. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 68/A (E) der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank (273 d. B.) 31

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 70/A (E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank (274 d. B.) 31

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 84/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Lehrlinge im Kommunalsteuergesetz (275 d. B.) 31

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 85/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen betreffend Privatisierung der Bankenaufsicht (276 d. B.) 31

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (212 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (357 d. B.) 32


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44. Sitzung / Seite 4

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (309 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (358 d. B.) 32

10. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (112 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (359 d. B.) 32

11. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (322 d. B.): Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zur elften Wiederauffüllung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA 11) (360 d. B.) 32

Redner:

Hermann Böhacker 32

Dr. Ewald Nowotny 36

Dr. Hans Peter Haselsteiner 37

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 40

Karl Öllinger 42

Eleonora Hostasch 47

Peter Rosenstingl 49

Mag. Dr. Josef Höchtl 51

Dr. Volker Kier 52

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 56

Dr. Ilse Mertel 56

Mag. Doris Kammerlander 58

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 62

Dkfm. Holger Bauer 63

Bundesminister Mag. Viktor Klima 65

Dr. Alfred Gusenbauer 66

Hans Helmut Moser 67

Jakob Auer 69

Dkfm. Kurt Ruthofer 70

Kurt Eder 72

Ute Apfelbeck 73

Ernst Fink 74

Sigisbert Dolinschek 75

Marianne Hagenhofer 76

Mag. Gilbert Trattner 78

Mag. Cordula Frieser 79

Mag. Reinhard Firlinger 80

Mag. Herbert Kaufmann 82

Walter Murauer 84

Anna Huber 85

Kenntnisnahme des Berichtes III-46 d. B. 86

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 268, 270, 273, 274, 275, 276 86, 87

Genehmigung der Staatsverträge in 212, 309 und 112 d. B. 87

Annahme des Gesetzentwurfes in 360 d. B. 87


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44. Sitzung / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend Pensionssystem in der Oesterreichischen Nationalbank – Ablehnung 39, 86

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Reform des Arbeitslosenversicherungsrechts – Ablehnung 46, 86

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für Frauen mit Betreuungspflichten – Ablehnung 61, 86

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Sonderbericht des Rechnungshofes (III-23 d. B.) über die Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft (391 d. B.) 87

Redner:

Peter Rosenstingl 88

Bundesminister Mag. Viktor Klima 90

Peter Rosenstingl (tatsächliche Berichtigung) 91

Josef Edler 91

Andreas Wabl 93

Dr. Sonja Moser 94

Mag. Helmut Peter 96

Rechnungshofpräsident Dr. Franz Fiedler 112

Gabriele Binder 114

Kenntnisnahme des Berichtes III-23 d. B. 115

13. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst (III-18 d. B.) betreffend den Bericht des Österreichischen Bundestheaterverbandes 1994/95 (173 d. B.) 115

Redner:

Dr. Michael Krüger 115

Franz Morak 118

Mag. Terezija Stoisits 121

Dr. Josef Cap 122

Dr. Helene Partik-Pablé 123

Klara Motter 125

Bundesminister Dr. Rudolf Scholten 126

Heidemaria Onodi 128

Dr. Wolfgang Riedler 129

Helmut Dietachmayr 130

Kenntnisnahme des Berichtes III-18 d. B. 132

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst (III-53 d. B.) über den Hochschulbericht 1996 (Band 1 und 2) (376 d. B.) 132

15. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG) geändert wird (377 d. B.) 132

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Antrag 279/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend fehlendes aktives und passives Wahlrecht in Kollegialorganen für externe LektorInnen nach UOG 93 (378 d. B.) 132

Redner:

Dr. Michael Krüger 132


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44. Sitzung / Seite 6

DDr. Erwin Niederwieser 133

Klara Motter 135

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 137

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 139

Bundesminister Dr. Rudolf Scholten 141

Mag. Walter Posch 145

MMag. Dr. Willi Brauneder 146

Dr. Gertrude Brinek 148

Mag. Dr. Udo Grollitsch 150

Sonja Ablinger 151

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 152

Dr. Günther Leiner 153

Dr. Irmtraut Karlsson 154

Katharina Horngacher 155

Matthias Ellmauer 156

Kenntnisnahme des Berichtes III-53 d. B. 157

Annahme des Gesetzentwurfes in 377 d. B. 158

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 378 d. B. 158

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 27

369: Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz – WAG) und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Börsegesetzes 1989, des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Investmentfondsgesetzes

370: Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden

374: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird

392: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

393: Bundesgesetz, mit dem ein Bundeszuschuß an das Land Burgenland aus Anlaß der 75jährigen Zugehörigkeit zu Österreich gewährt wird

395: Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt (Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden

396: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Bundesgesetz, mit dem Begleitmaßnahmen zum Umsatzsteuergesetz 1994 vorgesehen werden, geändert werden

397: Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZG)

398: Bundesgesetz über die Errichtung des Bundespensionsamtes (BPA-Gesetz), mit dem auch das Dorotheumsgesetz, das Staatsdruckereigesetz, das Ausschreibungsgesetz, das Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Pensionsgesetz 1965 geändert werden


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44. Sitzung / Seite 7

406: Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz geändert wird

411: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen

414: Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996

416: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

417: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

418: Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird

419: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird

420: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird

421: Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird

422: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird

Bericht : 29

III-50: Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1995

Anträge der Abgeordneten

Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird (313/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kunstförderungsgesetz geändert wird (314/A)

Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze für einen Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung (315/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Novellierung des Einkommensteuergesetzes (316/A) (E)

Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Durchführung einer wissenschaftlichen Untersuchung über Optionen für die Neuorganisation der österreichischen Energiewirtschaft unter besonderer Berücksichtigung der Elektrizitätswirtschaft (317/A) (E)

Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Angebote der Verbundgesellschaft über kostengünstige Stromlieferungen an die Landesversorger OKA und EVN als Ersatz für den Bau der Kraftwerke Lambach und Theiß (318/A) (E)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Erhaltung des Krankenhauses Sierning in seiner derzeitigen Form (319/A) (E)

Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen betreffend Novellierung des Arbeitsruhegesetzes und des Feiertagsruhegesetzes (320/A)


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44. Sitzung / Seite 8

Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, die Änderung des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und die Errichtung des Staatsschuldenausschusses (321/A)

Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz BGBl. Nr. 58/1957, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 906/1993, und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 BGBl. Nr. 50, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 314/1944, geändert werden (322/A)

Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl aus TKV-Anlagen mit niedrigem Hygienestandard (323/A) (E)

Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 in der Fassung des BGBl. Nr. 368/1925 geändert werden und das Gesetz über die Mitwirkung der Nationalversammlung an der Regelung von Postgebühren und Preisen der Monopolgegenstände sowie von Bezügen der in staatlichen Betrieben Beschäftigten aufgehoben wird (324/A)

Anfragen der Abgeordneten

Hans Helmut Moser und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Beschaffung von Radargeräten des Typs "Giraffe" der Firma Thompson für das österreichische Bundesheer (1412/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Vereinheitlichung des Sozialversicherungsrechts und Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger (1413/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Krise in Bauwirtschaft und Baugewerbe (1414/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Haftentschädigung bei Unschuld (1415/J)

Franz Morak und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Konsequenzen aus der parlamentarischen und medialen Behandlung der Bundeskunstberichte (1416/J)

Franz Morak und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Verteilung der Mittel der Bundeskunstförderung auf die einzelnen Bundesländer sowie die Landeshauptstädte (1417/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Präsidenten des Rechnungshofes betreffend Kompetenzen des RH-Präsidenten in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der International Organisation of Supreme Audit Institutions (Intosai) (1418/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Lenkerberechtigung für Mopeds im grenzüberschreitenden Verkehr (1419/J)


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44. Sitzung / Seite 9

Josef Edler und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Ausbau des hochrangigen Straßennetzes mit Schwerpunkt Wien-Donaustadt (1420/J)

Josef Edler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Umsetzung des Park-&-Ride-Vertrages Bund – Niederösterreich (1421/J)

Josef Meisinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres bezüglich Schließung von Gendarmerieposten im Bezirk Perg (1422/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Regelung der Herbstferien (1423/J)

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Zusammenlegung von Eich- und Vermessungsämtern (1424/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend viermonatige Freiheitsstrafe für Zeugen Jehovas Thomas F. (1425/J)

Andreas Wabl und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Anrainerschutz bei Massentierhaltung (1426/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend 700 000 S Prozeßkosten für Vater wegen Kritik an Lehrerin (1427/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Auswirkungen des Jahrtausendwechsels auf die EDV-Infrastruktur der österreichischen Sozialversicherungsträger (1428/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Einberufung von Ing. Peter Zwiauer (1429/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einberufung von Doppelstaatsbürger, der bereits in Deutschland Zivildienst geleistet hat (1430/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Einberufung von Herwig Matzka zum Wehrdienst (1431/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Einberufung von Doppelstaatsbürger, der bereits in Deutschland Zivildienst geleistet hat (1432/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Strafverfahren wegen Wehrgesetz und Militärstrafgesetz 1994, 1995 (1433/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend fehlende Ratifizierung des Lugano-Abkommens durch zwei EU-Mitgliedstaaten und fehlende harmonisierte Zustellregelungen für Zivilverfahren (1434/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Großumfahrung Abfaltersbach/Osttirol (1435/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Großumfahrung Abfaltersbach/Osttirol (1436/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Großumfahrung Abfaltersbach/Osttirol (1437/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Förderungsmittel für den Freiheitlichen Familienverband (1438/J)


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44. Sitzung / Seite 10

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend beabsichtigte Lockerung des Kurpfuscherei-Paragraphen im StGB (1439/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend beabsichtigte Lockerung des Kurpfuscherei-Paragraphen im StGB – Lockerung der gewerblichen Berufsvoraussetzungen (1440/J)

Dr. Harald Ofner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Festkommers im Festsaal der Wiener Hofburg von deutschen Burschenschaften am 30. November 1996 in Wien zu 1327/J (1441/J)

Dr. Harald Ofner und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Anfrage der Abgeordneten Öllinger, Wabl, "Freundinnen und Freunde" an ihn vom 3. 10. 1996 zu 1353/J (1442/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend ärztliches Personal im AKH Wien (1443/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend ärztliches Personal im AKH Wien (1444/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend BOKU-Institut für ökologischen Landbau (1445/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Kontrolle Gewerbeberechtigung "Reisebüros" (1446/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Zukunft des Zollwachedienstes (1447/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Übernahme von Zollwachebeamten in den Gendarmeriedienst (1448/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausgliederung des EDV-Bereiches des Bundesrechenamtes (1449/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Nebenbeschäftigung von Bediensteten (1450/J)

Verena Dunst und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Vermietung von Räumlichkeiten der HBLA an die VHS Güssing (1451/J)

Verena Dunst und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Aufführung eines Musicals durch die Hauptschule Güssing (1452/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Lockerung der Richtlinie 92/118/EWG durch den EU-Rat (1453/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Lockerung der Richtlinie 92/118/EWG durch den EU-Rat (1454/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Dolomit- und Kalksteinbergbau Niederndorf-Hölzlsau (1455/J)


Nationalrat, XX.GP
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44. Sitzung / Seite 11

Emmerich Schwemlein und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Errichtung eines Radweges von Tamsweg nach Ramingstein (1456/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Schwerverkehr auf der A 10 (1457/J)

*****

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Mißachtung der gesetzgebenden Körperschaften durch die Bundesregierung (7/JPR)


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44. Sitzung / Seite 12

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer , Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser , Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder .

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und bitte, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 44. Sitzung des Nationalrates.

Für den heutigen Sitzungstag als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Grabner, Dr. Preisinger, Dr. Stippel, Schöll, Dr. Haider, Mag. Schweitzer und Dr. Van der Bellen.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Bundeskanzleramt hat für diese Sitzung über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Schüssel wird von Bundesminister Dr. Fasslabend vertreten.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu der in Aussicht genommenen Fragestunde.

Ich beginne jetzt – um 9.04 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Finanzen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die erste Anfrage an den Herrn Bundesminister für Finanzen formuliert Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Danke. – Zunächst einen wunderschönen guten Morgen, Herr Finanzminister, und nun die Frage, die Ihnen bereits schriftlich vorliegt, zur Verlesung gebracht.

Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

48/M

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Feststellung des Wifo-Umverteilungsberichtes, wonach alle von der Selbstträgerschaft betroffenen Institutionen im Jahr 1993 rund 1,7 Milliarden Schilling mehr an Einzahlungen in den FLAF hätten leisten müssen, wären sie nicht vom Dienstgeberbeitrag befreit?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Das Wifo zitiert in seiner Umverteilungsstudie eine Arbeit von Badelt, der feststellt, daß alle von der Selbstträgerschaft betroffenen Institutionen im Jahre 1993 etwa 1,7 Milliarden Schilling mehr an Einzahlungen in das System hätten leisten müssen, wären sie nicht vom Dienstgeberbeitrag befreit.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Konkret tragen die sogenannten Selbstträger, also die Gebietskörperschaften und gemeinnützigen Krankenanstalten, Familien- und Geburtenbeihilfe ja selbst. Es ist aber unbestritten, daß Schülerfreifahrt, Schulbücher und andere Leistungen, soweit sie öffentlich finanziert werden, vom FLAF auch für die Mitarbeiter dieser sogenannten Selbstträger finanziert werden.

Es ist nun schon seit längerem das Bestreben des Bundes gewesen – es war ja bereits im BVA 1994 berücksichtigt –, diese Selbstträgerschaft aufzuheben, doch das hatte natürlich ein vehementes Ablehnen der Länder und insbesondere der Gemeinden zur Folge, weil es diese finanziell stärker belastet hätte.

Man muß aber fairerweise dazusagen, daß dieses Faktum in der letzten Finanzausgleichsverhandlung in der Gesamtaufteilung der Lasten und der Pflichten und der Rechte der Länder und Gemeinden und des Bundes auch berücksichtigt wurde. Das heißt, wir haben dieses Faktum, daß ein aus unserer Sicht zu geringer Beitrag durch die Selbstträger in den FLAF selbst eingebracht wird, im Finanzausgleich berücksichtigt und haben daher mit den Ländern und Gemeinden vereinbart, bis zum Jahr 2000 – das ist die Dauer des Finanzausgleiches – keine Änderung der derzeit bestehenden Rechtslage vorzunehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Es wird Sie wahrscheinlich nicht verwundern, wenn ich mit Ihrer Antwort nicht ganz zufrieden bin. Sie wissen genau, daß der FLAF im wesentlichen aus Dienstgeberbeiträgen gefüttert wird, und da tragen vor allem die klein- und mittelständischen Betriebe die Hauptlast dieser Beiträge. Wenn nun über den Finanzausgleich mit den Gemeinden, mit den Selbstträgern entsprechende Vereinbarungen getroffen wurden, dann betrifft das schlußendlich wieder die klein- und mittelständischen Betriebe, die in Form von erhöhten Lohnnebenkosten diese Beiträge zu bezahlen haben.

Nun frage ich Sie, Herr Bundesminister: Können Sie diese Vorgangsweise unter dem Aspekt der Besteuerungsgerechtigkeit weiterhin vertreten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Zum ersten: Meine Antwort auf Ihre Frage war, glaube ich, sehr präzise, sachlich und auch ganz offen. Sie war also ausreichend. Wie ich Sie befriedigen kann, weiß ich nicht, aber ich werde es noch einmal versuchen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Böhacker. (Heiterkeit. – Abg. Leikam: Sehr schwierig!)

Ich muß Ihnen, sehr geehrter Herr Abgeordneter, zu Ihrer Bemerkung, der FLAF werde von Dienstgeberbeiträgen gespeist, zur Kenntnis bringen, daß es sich dabei um einen vor sehr langer Zeit – vor etwa vier Jahrzehnten – bei Lohnvereinbarungen beziehungsweise Lohnrunden vereinbarten – und das ist ja die Argumentation der Gewerkschaft – Verzicht auf Lohnerhöhungen handelt, der in Form von Dienstgeberbeiträgen in den Familienlastenausgleich – und der Grund für den FLAF war ja der Lastenausgleich – eingebracht wurde. Das heißt, angesichts des Wissens darum, daß wir dabei über Lohnkosten reden, es heute so darzustellen, als ob es sich um einen arbeitnehmerfinanzierten oder arbeitgeberfinanzierten Anteil handle, halte ich ein bißchen für kasuistisch.

Zum zweiten: Sie dürften wissen, sehr geehrter Herr Abgeordneter, daß insgesamt nahezu ein Drittel der Finanzierung des FLAF aus Steuern kommt, und da ist es im Rahmen des gesamten Finanzausgleiches – das Steueraufkommen des FLAF liegt ja in einer Größenordnung von etwa 15 Milliarden Schilling oder mehr – möglich, diese 1,7 Milliarden Schilling im Rahmen des Finanzausgleiches zu berücksichtigen. Es werden demnach, wenn Sie so wollen, mehr Steuern in den FLAF einbezahlt, die sonst den Finanzausgleichspartnern, also den Ländern und Gemeinden, in ihrem Anteil zugute gekommen wären, und es hätte keine höhere Belastung der Klein- und Mittelbetriebe gegeben.


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Das heißt, die Argumentation ist eine andere: Es hätte sich der Steuerzuschuß zum FLAF reduzieren müssen und können, wenn es diese Selbstträgeranteile gegeben hätte, und es wäre keinesfalls zu einer höheren Belastung oder zu einer Änderung der Belastung für die Klein- und Mittelbetriebe gekommen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich kenne diese Regelung, und man kann dazu stehen, wie man will, aber ein Problem in diesem Zusammenhang ist eindeutig gegeben, nämlich die sogenannten Fremdleistungen aus dem FLAF, insbesondere für die Abgeltung der erhöhten Tarife an die Verkehrsverbünde, an die verschiedenen Verkehrsträger wie zum Beispiel ÖBB und Post.

Nun weiß ich, daß diese Frage in den Finanzausgleichsverhandlungen immer eine Rolle spielt. Herr Bundesminister! Bemühen Sie sich, im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen diese erhöhten Tarifabgeltungen aus dem FLAF, Gelder, die den Familien entzogen werden, dadurch auszugleichen, daß man wirklich zu korrekten Tarifabgeltungen an die verschiedenen Verkehrsträger kommt, so wie das eben auch für die übrigen Benützer der Bundesbahnen, der Post und so weiter derzeit zur Anwendung kommt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.


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Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Feurstein! Sie wissen, daß eine Reihe von Leistungen des FLAF ausschließlich Familienleistungen sind, und ich würde behaupten, eine Fahrtkostenunterstützung für Kinder, für Hochschüler ist gleichsam eine Familienleistung. Ich glaube nicht, daß wir da unterschiedlicher Meinung sind. Sie wissen aber auch, daß es eine Reihe von Leistungen gibt, die außerhalb des FLAF für Familien erbracht werden.

Ich glaube, daß es bei diesem konkreten Punkt, den Sie angesprochen haben, nämlich wie man vorgeht, wenn man zum Beispiel für private Beförderer und Schülertransporte 100 Prozent der Kosten trägt, auf der anderen Seite aber von den Ländern und Gemeinden verlangt, daß sie im Rahmen der Verkehrsverbünde für diese Familienleistungen mitzahlen, verständlich ist, daß das auf Widerstand der Länder und Gemeinden stößt. Aber der zuständige Minister Bartenstein hat sich ja vorgenommen, mit Verkehrsminister Scholten und den Ländern und Gemeinden, die da unbedingt miteinzubeziehen sind, weil es ja zu einer Kostenbelastung zu Lasten der Länder und Gemeinden käme, Gespräche zu führen.

Es kann nur nicht sein – da bitte ich um Verständnis! –, daß man ein gemeinsam erarbeitetes Vertragswerk, nämlich die Verkehrsverbünde, einseitig ändert. Das entspricht nicht unserem Rechtsverständnis. Das heißt, es muß zur Anpassung der Verkehrsverbünde Gespräche und Verhandlungen der Minister Bartenstein und Scholten mit den Ländern und Gemeinden geben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! In der Vergangenheit wurde von verschiedener Seite – von Arbeitnehmerseite, aber auch von den Grünen, aber auch in der Studie des Professor Badelt von der WU über den Familienlastenausgleich – immer wieder gefordert, daß auch jene Gruppen, die derzeit keinen eigenen Beitrag in den FLAF einzahlen – ich nenne da nur die Selbständigen, die Politiker, auch die Bauern, die keinen eigenständigen, vollwertigen Beitrag leisten –, einen eigenständigen Beitrag an den FLAF leisten, da sie auch schon bisher bestimmte Leistungen aus dem FLAF teilweise oder zur Gänze erhielten.

Herr Bundesminister! Denken Sie daran, einen Beitrag in dieser Richtung einzuführen, und wie konkret, auf welcher Grundlage, könnte er erhoben werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Ich glaube, daß es dem Solidaritätsprinzip entspricht, daß all jene, die Leistungen aus dem FLAF beziehen –, und die Kinder von allen Österreicherinnen und Österreichern beziehen aus dem FLAF Leistungen – in einem sehr, sehr sorgfältigen Übergangsprozeß auch miteingebunden werden sollten, da Beiträge zu zahlen.

Ich habe das schon bei der Frage der Selbstträgerschaft angedeutet: Es gibt zurzeit eine Vereinbarung bis zum Jahr 2000, daß dieser Punkt vorerst nicht geändert wird. Aber es ist sicher nötig, daß wir diesen Zeitraum nutzen, um eine – ich sage es jetzt einmal so – sehr sachliche Aufarbeitung dieses Problems durchzuführen, weil wir natürlich für die Finanzierung der Kinderbeihilfe, der Familienleistungen all jene Gruppen in Österreich miteinbeziehen müssen, die tatsächlich den Nutzen davon haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Zusatzfrage: Dr. Haselsteiner. – Mir ist schriftlich Dr. Haselsteiner gemeldet, aber das ist kein Problem. – Bitte, Herr Dr. Kier.

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Ich möchte noch einmal an den Debattenteil, der mit dem Kollegen Böhacker gelaufen ist, anknüpfen. Der Punkt mit der Selbstträgerschaft bleibt auf jeden Fall unbefriedigend, und zwar deswegen, weil auf betrieblicher Ebene ja nicht nur die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds gezahlt werden – und es sind ganz einfach Lohnnebenkosten –, sondern all diese Betriebe auch zum allgemeinen Steueraufkommen beitragen. Daher ist Ihr Argument, daß sich der Finanzausgleich dafür eignet, nur bedingt richtig, denn letztendlich zahlt im Wege der Lohnnebenkosten einerseits und im Wege der allgemeinen Steuern andererseits der betroffene Personenkreis dann zweimal in den FLAF ein.

Daher meine Zusatzfrage: Denken Sie daran – unter Wahrung der Gesprächsnotwendigkeiten –, im Rahmen einer echten ökologischen Steuerreform vielleicht auch diese Finanzierung sukzessive auf eine andere Aufkommensbasis umzustellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Abgeordneter! Sie wissen, daß wir uns sehr sorgfältig auch mit einem benchmarking, mit einem Außenvergleich, mit dem Vergleich, was in den um uns liegenden Ländern geschieht, was in Europa geschieht, auf eine ökologische Steuerreform vorbereiten werden und müssen, und zwar auf eine ökologische Steuerreform, die von der Tendenz her die Verwendung von knappen Ressourcen mehr besteuert, weil ich davon überzeugt bin, daß wir, wenn es uns gelingt, das gesamte Managementwissen, die Innovation, die Kreativität auf die Einsparung von knappen Ressourcen zu lenken, sehr, sehr viele Produktivitätsgewinne im Ressourcenverbrauch erzielen könnten und damit insgesamt, weil wir ja sehr viele dieser Ressourcen importieren, der österreichischen Handelsbilanz eine gute Tat erweisen würden und auch eine Entlastung der Löhne erreichen könnten. Das ist aber – und das ist jedem klar – ein sehr lange dauernder Prozeß, in dem wir diese ökologische Steuerreform vorbereiten.

Ich kann aber nicht übereinstimmen mit Ihrer Argumentation, daß meine Aussagen nur bedingt richtig wären, denn Sie wissen, daß von Steuern, zum Beispiel von der Körperschaftsteuer, aber auch von der veranlagten Einkommensteuer, nach den neuen Regeln des Finanzausgleiches den Ländern und Gemeinden automatisch ein bestimmter Anteil zusteht, und der ist gewaltig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir haben Ertragsanteile von zirka 150 Milliarden Schilling pro Jahr, die an die Länder und Gemeinden in Österreich gehen. Und wenn jetzt das Steueraufkommen geringer wird, weil vorweg ein Teil in den FLAF gegeben wird, dann haben die Länder und Gemeinden aufgrund der bestehenden Regeln weniger Steuern, und das muß man ihnen fairerweise im Sinne der Selbstträgerschaft für den FLAF anrechnen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Dr. Mertel, bitte.


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Abgeordnete Dr. Ilse Mertel
(SPÖ): Herr Minister! Die Wifo-Studie zeigt auch auf, daß bestimmte Familienformen in Österreich armutsgefährdet sind.

Welche Konsequenzen in bezug auf Transferleistungen ergibt diese Feststellung der Studie für Sie? Können Sie sich eine Reform in Richtung einer sozialen Staffelung verschiedener Leistungen vorstellen, bei der die soziale und die ökonomische Situation der Familien besser berücksichtigt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist, glaube ich, eine sehr grundsätzliche Frage. Erlauben Sie mir daher, der Beantwortung ein paar Vorbemerkungen vorauszuschicken.

Erste Vorbemerkung: Österreich liegt mit seiner Abgabenquote von etwa 43 Prozent international im oberen Drittel. Das heißt, daß wir wenig Spielraum haben, durch Steuern oder Abgabenerhöhungen oder ähnliches mehr viele zusätzliche Einnahmen zu erschließen. Die Schlußfolgerung daraus, meine sehr geehrten Damen und Herren, muß sein, daß wir mit der bestehenden Geldsumme, die wir Jahr für Jahr von den Steuerzahlern in Österreich einheben, sehr, sehr intelligent umgehen. Die Schlußfolgerung muß auch sein, daß wir es uns nicht leisten können, das Gießkannenprinzip anzuwenden, auch wenn es manchmal einfacher wäre.

Das heißt, die Schlußfolgerung muß sein: Wenn wir soziale Gesichtspunkte bei den Ausgaben des Staates berücksichtigen müssen, dann müssen wir eine soziale Staffelung von Transferleistungen tatsächlich unbedingt anstreben. Diese soziale Staffelung von Transferleistungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist möglich, indem man zum Beispiel verstärkt in Sachleistungen geht, aber auch indem man bei bestimmten Bereichen – dafür ist die Verteilungsstudie des Wifo ein sehr, sehr guter Anhaltspunkt – die Treffsicherheit erhöht, schaut, daß man sie auch wirklich den Menschen, die sie brauchen, gibt. Aus meiner Sicht gibt es da ein großes Anwendungsgebiet.

Wir haben diese soziale Staffelung schon heute in vielen Bereichen, zum Beispiel im Bereich der Studienbeihilfe, die vom Einkommen abhängig ist, im Bereich der Wohnbauförderung – dort allerdings nur sehr rudimentär, denn es gibt nur wenige Länder, die tatsächlich zum Großteil auf die Subjektförderung, also auf die individuelle Fördernotwendigkeit des einzelnen abstellen – und ähnliches mehr. Große Bedeutung haben in diesem Zusammenhang natürlich auch – das muß man ganz klar sagen – die Kinderbeihilfe und ähnliche Fragen.

Ich muß hier ganz klar sagen, daß wir das oberste Prinzip der Individualbesteuerung nicht verletzen dürfen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im österreichischen Steuerrecht ist völlig klar, daß eine verdienende, eine berufstätige Frau als selbständiges Individuum zu besteuern ist und nicht als Steueranhängsel oder Steuerabsetzposten des Mannes betrachtet wird. Das wollen wir auch nicht! Daher ist die Individualbesteuerung ein Prinzip, das wir nicht gefährden dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Die Damen, aber auch die Herren könnten damit einverstanden sein, daß wir die Individualbesteuerung nicht gefährden wollen. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zweite Prinzip: Es ist – ich sage auch das in aller Offenheit – nicht gelungen, eine gemeinsame Stellungnahme der Bundesregierung für ein Prüfverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu erreichen, wonach die höheren Unterhaltsleistungen eines Besserverdieners dadurch berücksichtigt werden, daß er sie gleichsam voll von seiner Steuerbemessungsgrundlage abschreiben kann, was zu einer massiven Umverteilung in Richtung oberer Einkommensschichten führen würde. Das können und wollen wir nicht akzeptieren, denn gemäß dieser Studie geht es ja darum, daß wir die Ärmeren unterstützen.

Wir gehen daher davon aus, daß der Staat eine gewisse Mindestversorgung – für jeden Bürger gleich – durch Kinderabsetzbetrag und Kinderbeihilfe sichert – dieses Prinzip wollen wir nicht


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verletzen –, daß aber gewisse Mehransprüche von Kindern reicherer Eltern vom höheren Einkommen der Eltern abgedeckt werden.

Ich glaube, daß diese Art, nämlich Kinderbeihilfe plus Kinderabsetzbetrag, vom Grundsatz her ein sehr vernünftiges System ist, das wir nicht verändern sollten, daß aber die soziale Staffelung der Transferleistungen ein unumstrittenes Muß ist, wenn man sich dazu bekennt, daß die finanziellen Mittel des Staates begrenzt sind.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit ist die erste der elf für heute vorgesehenen Anfragen beantwortet.

Ich gebe bekannt, daß es noch einen Nachtrag zu den Entschuldigungen gibt: Auch Herr Abgeordneter Ing. Reichhold ist für die heutige Sitzung krankheitshalber entschuldigt .

Die 2. Anfrage formuliert Frau Abgeordnete Frieser. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

42/M

Wann ist mit einer Regierungsvorlage zur Novellierung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes im Hinblick auf die angestrebte Reform zu rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ich nehme nicht an, daß Sie das, was die Bundesregierung im Rahmen des Konsolidierungspaketes gemacht hat – nämlich eine sorgfältige Anhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuer –, damit meinen. Das meinen Sie wahrscheinlich nicht. Sie meinen wahrscheinlich das, was im Zusammenhang mit dem derzeit stattfindenden VfGH-Verfahren erfolgt. Meinen Sie das? – Okay.

Ich darf Ihnen hier sagen, daß das Endbesteuerungsgesetz – das ist ohne Zweifel ein Tatbestand, den der VfGH jetzt sehr intensiv prüfen wird – heute Bargeld an sich ausnimmt, dafür Bargeld der Erbschafts- und Schenkungssteuer unterliegt, jedoch nicht mehr die anderen Sparformen, zum Beispiel die endbesteuerten Sparformen.

Die Bundesregierung hat dazu eine von meinem Ministerium ausgearbeitete Stellungnahme bereits an den VfGH übermittelt, in der wir diese Regelung vertreten, da Bargeldvermögen keine Erträge abwirft und daher nicht der Endbesteuerung unterzogen werden kann und andererseits, wie Sie vielleicht wissen, die verfassungsrechtliche Grundlage des Endbesteuerungsgesetzes bereits als Verfassungsbestimmung definiert ist.

Konkret gesagt: Ich habe derzeit keine darüber hinausgehende Bearbeitung bezüglich Erbschafts- und Schenkungssteuer vor.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Bundesminister! Ich habe es doch etwas grundsätzlicher gemeint. Sie wissen, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz stammt aus dem Jahr 1956, und die Freibeträge sind seither nie angepaßt worden. Ich würde mir daher wünschen, daß Sie gerade im Bereich der Freibeträge eine Indizierung vornehmen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sie wissen, daß die Freibeträge nicht angepaßt wurden, Sie wissen auf der anderen Seite aber auch, daß schon seit einem langen Zeitraum die Einheitswerte nicht angepaßt wurden. Wir haben uns aber vorgenommen – Sie werden ja über Ihren Berufsstand eingebunden sein –, daß wir die Steuerreformkommission, die ich schon vor dem Sommer reaktiviert habe, mit genau


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diesen Fragen jetzt beschäftigen. Ich gehe davon aus, daß es dann konkrete Vorschläge geben wird. – Unverzüglich ist keine Maßnahme beabsichtigt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Öllinger, bitte.

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! In der Bundesrepublik Deutschland hat Bundeskanzler Kohl bei der Debatte über die dort stattfindende Steuerreform die deutschen Sozialdemokraten ziemlich arg in Verlegenheit und Argumentationsnotstand gebracht, indem er darauf verwiesen hat, daß in Österreich die Vermögensteuer abgeschafft wurde, und gemeint hat, daß sich die deutschen Sozialdemokraten diesem Beispiel doch anschließen sollten.

Herr Bundesminister! Denken Sie daran, den argumentativen Notstand der deutschen Sozialdemokraten beziehungsweise Ihren eigenen fiskalischen Notstand dadurch zu beseitigen, daß Sie in Österreich eine Vermögensteuer auf Privatvermögen – mit bestimmten Freigrenzen – einführen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie wissen, daß in Österreich erst vor wenigen Jahren die Vermögensteuer abgeschafft wurde, weil sie völlig denaturiert war; völlig denaturiert deswegen, weil niemand privates Vermögen tatsächlich angegeben hat und nur noch wenige Unternehmen – und das waren meistens die großen verstaatlichten Unternehmungen – tatsächlich Vermögensteuer bezahlt haben.

Österreich ist damals den sehr weisen Weg gegangen, eine Endbesteuerung auf Geldvermögen einzuführen, zum Beispiel die Kapitalertragsteuer. (Abg. Dr. Petrovic: Liegenschaften!) Und ich kann Ihnen sagen, daß die Kapitalertragsteuer, die KESt, sowohl auf Dividenden als auch zum Beispiel auf Sparvermögen in der Zwischenzeit viel, viel mehr an wirksamem Steueraufkommen – "wirksam" deswegen, weil nichts verheimlicht werden kann und keine Schlupflöcher und keine Falschangaben da sind – bringt als vorher die Vermögensteuer. (Abg. Dr. Petrovic: Liegenschaften!)

Was die Liegenschaften betrifft, haben wir die Grundsteuer. Man muß in aller Ruhe darüber nachdenken, wie man sozial gerecht – denn in der Zwischenzeit gibt es dank einer erfolgreichen Politik Gott sei Dank Arbeitnehmer, die sich im Burgenland, in der Steiermark oder in Oberösterreich ein Haus gebaut haben (Abg. Dr. Petrovic: Freigrenzen!) ; die will man mit einer massiven Anhebung der Grundsteuer nicht treffen – Wertgrenzen setzt und ähnliches mehr.

Ich bin jetzt schon bei Ihren Ausführungen. Nur: Der deutsche Bundeskanzler Kohl hätte dazusagen müssen: Hut ab vor den Sozialdemokraten in Österreich, die eine Endbesteuerung auf Dividenden, Aktienerlöse und Gewinnausschüttungen von Unternehmen plus Spareinlagen geschaffen haben, wodurch sie viel mehr Geld für die Finanzierung der Sozialleistungen lukrieren konnten, als das bei der Vermögensteuer der Fall gewesen wäre.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Helmut Peter, bitte.

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Die österreichische Wirtschaft ist notorisch eigenkapitalschwach – ein strukturelles Problem, mit dem wir uns seit Jahren auseinandersetzen. Der Generationenübergang im Betriebsvermögen kann zu einem weiteren Substanz- und damit Kapitalabfluß führen. Wie sehen Sie das Problem, und wo sehen Sie da Handlungsbedarf?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Peter! Ich gebe Ihnen recht: Die österreichische Wirtschaft – die Industrie genauso wie das Gewerbe – ist eigenkapitalschwach. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen – das wissen Sie genausogut wie ich –: die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, kein vorhandenes Handelssegment für Klein- und Mittelbetriebe, es fehlt zum Beispiel an einer einfachen, nicht sehr teuren Aktienform für


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Klein- und Mittelbetriebe. Aber auch die nicht mehr zeitgemäßen Förderungspraktiken spielen da eine Rolle. Wir verwöhnen die Unternehmer mit vielen zinsgestützten Darlehen, statt sie zu ermutigen, zum Beispiel über die Börse Eigenkapital zu beschaffen. (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Mag. Firlinger. ) Da gibt es also eine Vielzahl von Handlungsmaßnahmen, die wir zu setzen haben.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Peter! Was beim Betriebsübergang aus meiner Sicht der viel häufigere Grund dafür ist, daß zugesperrt werden muß, ist, daß bei einem Betriebsübergang auf den Nachfolger alle Behörden dieser Welt, die es nur gibt, plötzlich kommen und der Tochter oder dem Sohn, die oder der das Geschäft übernehmen will, Auflagen in enorm großem Ausmaß erteilen, die es nahezu unmöglich machen, das Geschäft weiterzuführen. Diesbezüglich haben wir vor, im Rahmen des Anlagenrechtes Vereinfachungen durchzuführen, die es in Zukunft erleichtern, Betriebe weiterzuführen und von den Eltern an die Kinder weiterzugeben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Ing. Gartlehner.

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Eine kurze Frage: Welche Möglichkeiten sehen Sie, der zunehmenden Ungleichheit der Vermögensverteilung in Österreich in Zukunft entgegenzuwirken?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden heute noch Gelegenheit haben, über die Verteilungsstudie des Wifo zu diskutieren, aber lassen Sie mich vorweg folgendes sagen: Es hat, gerade was die Frage der Verteilung des Aufkommens von Steuern, von Abgaben zur Finanzierung unseres Staates betrifft, dieses Sparpaket die Lasten deutlichst verändert. Es ist uns gelungen – nach dem Motto: Steuern einheben, statt Steuern anheben –, durch Beseitigung all dieser Privilegien, Arabesken, zum Teil unverständlichen Steuergestaltungsmöglichkeiten bei gleichem Steuersatz zum Beispiel das Aufkommen der Steuer der Unternehmen, der KÖSt, um nahezu 50 Prozent zu erhöhen. Statt 30 Milliarden werden wir 44, 45 Milliarden Schilling Steuereinnahmen haben. Es ist uns gelungen, das innerhalb eines Jahres zu erreichen.

Ich meine, wir haben gerade mit diesem Konsolidierungspaket sehr positive verteilungspolitische Maßnahmen gesetzt, indem wir die Arbeitnehmer weniger belastet haben, insbesondere jene Arbeitnehmer, die weniger verdienen, und uns deutlich mehr an Steuereinnahmen von den Unternehmern und den Selbständigen in einer fairen Form dadurch geholt haben (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ) , daß wir nicht die Sätze erhöht haben, sondern all die Privilegien und Ausnahmen gestrichen haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Böhacker.

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Die Antwort auf die Frage des Kollegen Gartlehner war steuerpolitischer Klassenkampf pur. Ich glaube, Herr Bundesminister, so sollten wir die Steuerpolitik in Österreich nicht sehen.

Wenn Sie sich rühmen, Milliarden mehr an Körperschaftsteuer zu lukrieren, müssen Sie aber auch dazusagen, daß massive Vorgriffe, Vorauszahlungserhöhungen inkludiert sind. Ob das dann unter dem Strich übrigbleibt, ist eine andere Frage.

Zurück zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, zu einer bevorstehenden Novelle. Die meisten meiner Vorredner haben diesbezüglich ja gar nichts gefragt.

Herr Bundesminister! Ich frage Sie: Können Sie ausschließen, daß es zu einer massiven Erhöhung der Einheitswerte hin zu den Verkehrswerten kommt, da doch die Einheitswerte die Bemessungsgrundlage für die Erbschafts- und Schenkungssteuer bei Grundvermögen sind?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Böhacker! Ihre Frage ist leicht zu beantworten: Wir werden uns immer und systematisch mit der Anpassung der Einheitswerte auseinanderzusetzen haben – wobei es da unterschiedliche Tendenzen gibt. Gerade aufgrund der sinkenden Produktpreise ist es zum Beispiel eher so, daß in landwirtschaftlichen Bereichen die Ertragswerte und damit die Einheitswerte eher nicht steigen werden – um das einmal vorsichtig zu sagen. Auf der anderen Seite wissen wir aber, daß die Grundwerte in den wunderbaren Nobellagen, zum Beispiel in Hietzing, in den letzten Jahren doch deutlich angestiegen sind.

Wir werden diesbezüglich keinen übereilten Schnellschuß abgeben, sondern wir werden diese unterschiedlichen Tendenzen sehr sorgfältig zu berücksichtigen haben, wenn wir, wie vorgeschrieben, eine Anpassung der Einheitswerte durchzuführen haben.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Böhacker! Mit Ihrer Eingangsbemerkung haben Sie schon provoziert. Ich bitte Sie wirklich: Trennen Sie endlich die faire Besteuerung der Unternehmen von einer, wie Sie immer meinen, riesigen Belastung. Sie müssen sich schon entscheiden, welche Partei Sie jetzt sind, denn wenn Sie eine Arbeiterpartei sein wollen, dann verstehe ich Ihre Argumentation nicht, sehr geehrter Herr Abgeordneter Böhacker! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie sagen zum Beispiel laufend, wie unsozial und wie grauslich die Anhebung der Mindestkörperschaftsteuer von 15 000 S auf 50 000 S pro Jahr ist. (Abg. Böhacker: Jawohl!) Wissen Sie eigentlich, was Sie damit sagen, sehr geehrter Herr Abgeordneter? – Das bedeutet nämlich, daß ein Unternehmen, eine Kapitalgesellschaft pro Jahr nicht soviel Steuer zahlen muß wie ein "Hackler", der 20 000 S verdient! Diese Ihre Argumentation ist unverständlich, glauben Sie mir das! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und den Grünen.)

Jeder Arbeitnehmer, der 20 000 S im Monat verdient, zahlt im Jahr 50 000 S Steuer – und Sie behaupten, eine Kapitalgesellschaft soll nicht so viel Steuer zahlen wie ein Arbeiter, der 20 000 S verdient! Das werden Sie niemandem nahebringen können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das ist ja unglaublich! – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Anfrage 45/M formuliert Abgeordneter Koppler. – Bitte sehr.

Abgeordneter Erhard Koppler (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

45/M

Durch welche Maßnahmen versuchen Sie, die österreichischen Interessen an der industriellen Substanz der ÖIAG im Rahmen der Privatisierung zu sichern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Ich habe die Frage nicht verstanden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Frage 3 lautet – sie liegt schriftlich vor –: "Durch welche Maßnahmen versuchen Sie, die österreichischen Interessen an der industriellen Substanz der ÖIAG im Rahmen der Privatisierung zu sichern?"

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entschuldigung, aber ich habe die Frage akustisch nicht verstanden, weil ein bißchen ein höherer Geräuschpegel vorhanden war. (Abg. Scheibner: Beantworten Sie die Frage! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ich bin heute den ganzen Tag im Parlament, ich habe Zeit. (Rufe bei den Freiheitlichen: Wir auch!)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Koppler! Sie haben wirklich ein Thema angesprochen, das uns alle hier im Hohen Haus – ungeachtet der Zugehörigkeit zu den politischen Parteien – sehr beschäftigen müßte, denn es geht um die Wahrung österreichischer Interessen.


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Erlauben Sie mir zwei Vorbemerkungen.

Die erste: Ich bin wirklich kein dumpfer Nationalist und Chauvinist. Ich bin sehr froh, daß es Hunderte von Unternehmen mit ausländischen Eigentümern in Österreich gibt, die aufgrund der guten Qualität der Arbeitnehmer in unserem Lande hier produzieren – von General Motors über BMW bis zu Chrysler, oder wie sie alle heißen mögen.

Zweite Vorbemerkung: Wir wissen, daß feindliche Übernahmen im Regelfall dazu führen, daß sehr rasch wichtige Funktionen und damit wichtige Arbeiten für Dienstleistungsbereiche, für das Gewerbe – das beginnt bei der Rechtsberatung, geht über die Finanzierung, das Versicherungsgeschäft bis zur Entwicklung, zur Forschung, zum zentralen Marketing – in ausländische Zentralen wandern. Das ist der Grund für solche Unternehmenskonzentrationen.

Nicht ist das so, wenn sich zum Beispiel Far-distance-Partner finden, die das österreichische Unternehmen etwa als mittel- und osteuropäische Zentrale ausbauen wollen, bei denen man genau sieht, diese wollen nicht nur den Markt übernehmen und damit abräumen und in drei Jahren die Produktion stillegen – und dann haben wir Beispiele, wie wir sie gehabt hätten.

Es sind daher aus meiner Sicht zwei Dinge erforderlich:

Erstens: daß wir optimale Standortbedingungen für die Ansiedlung von neuen Unternehmen und für das Erhalten von bestehenden Unternehmen in Österreich schaffen. Dazu gehören die Steuerpolitik, die Ausbildungspolitik, die Verfahrenspolitik und all diese Dinge.

Ich halte es aber auch für wichtig – ich sage das in aller Offenheit –, daß wir versuchen, dort, wo es möglich ist, österreichische Entscheidungszentren zu bewahren, österreichische Entscheidungszentren, in denen die wichtigen Entscheidungen der Konzerne in Österreich getroffen werden. Und deshalb halte ich es für wichtig, daß wir einen besseren österreichischen Kapitalmarkt haben, österreichische institutionelle Anleger haben, die langfristig strategische Investoren sein können. Das halte ich für ganz, ganz wichtig. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich bekenne mich aber auch dazu: Solange wir das nicht perfekt haben, muß zum Beispiel die ÖIAG durch eine qualifizierte Minderheit sicherstellen, daß diese wertvollen Ressourcen – VOEST-ALPINE Technologie, VOEST-ALPINE Stahl, OMV und wie sie alle heißen – nicht durch eine feindliche Übernahme in ein langsames Absterben hineingezwungen werden können. Also ich bekenne mich dazu, daß wir im Bereich der ÖIAG diese qualifizierten Minderheiten halten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde mir sogar auch wünschen, daß wir in anderen Bereichen, wo der Staat noch Anteile hält, wie zum Beispiel bei der AUA oder der Flughafen AG oder ähnliches mehr, das ein bißchen ferner vom Ministerium tun und auch eine effiziente Managementholding für die Beteiligungen einrichten. Ich bin dafür, daß wir das schon neu und ordentlich strukturieren, aber durch solche qualifizierten Minderheiten sicherstellen, daß es zu keinen feindlichen Übernahmen kommen kann und daß nicht die österreichische Wertschöpfung, die österreichischen Entscheidungen und schlußendlich die österreichischen Arbeitsplätze den Bach runtergehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster kommt Abgeordneter Meisinger zu Wort. – Bitte sehr.

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Sie haben jetzt von feindlichen Maßnahmen gesprochen. Eine der Maßnahmen im Rahmen der Privatisierung sollte aber auch sein, die bestqualifizierten Manager zum Einsatz zu bringen.

Was werden Sie in der Zukunft konkret unternehmen, um die störenden Parteiproporzbesetzungen und die Parteibuchwirtschaft, die in weiten Bereichen leistungsfeindlich ist, abzuschaffen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima:
Herr Abgeordneter! Vielleicht könnte diese Frage Berechtigung gehabt haben, wenn Sie sie vor zehn Jahren gestellt hätten. Aber, Herr Abgeordneter Meisinger, in der Zwischenzeit ist das wirklich ein alter Wein in neuen Schläuchen. (Beifall bei der SPÖ.) Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Erinnern Sie sich zum Beispiel an die Besetzung des Vorstandes der OMV oder an die Besetzung des Vorstandes zum Beispiel ... (Abg. Dr. Krüger: Was ist mit der Bank Austria?) Bei der Bank Austria gibt es einen 17-Prozent-Bundesanteil, Herr Kollege, mehr Anteil habe ich dort nicht. Sagen Sie mir einmal, was ich da vorhüpfen soll! Also ich verstehe Ihre Frage nicht. Stellen Sie Ihre Frage im Wiener Gemeinderat, wenn Sie wollen, aber doch nicht hier! (Beifall bei der SPÖ.) Er hat mir hier eine konkrete Frage gestellt ... (Abg. Dr. Krüger: Ein rotes Parteibuch braucht man! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinz Fischer
das Glockenzeichen gebend –: Herr Abgeordneter Meisinger ist am Wort gewesen, und nun ist Herr Kollege Klima am Wort. (Abg. Meisinger: Wir wollen eine Antwort! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Kollege! Ist das wirklich eine Frage? (Abg. Koppler: Meisinger! Du lebst in der Vergangenheit!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Auch Kollege Koppler ist am Wort gewesen!

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Kollege! Bitte pflanzen Sie mich nicht! Sie wissen, daß diese Gesellschaften börsennotierte Gesellschaften sind. Sie wissen, daß diese Gesellschaften einen Aufsichtsrat haben. Sie wissen, daß bei diesen Gesellschaften schon alleine aufgrund des Umstandes, daß 75 Prozent an der Börse sind, niemand hineinpfuschen kann. Also ich weiß nicht, was die Frage soll. Es ist wirklich ein alter Wein in neuen Schläuchen. (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll.

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Minister! Wir sind mit Ihnen einer Meinung, daß nationale Interessen gewahrt werden sollen, wir sind mit Ihnen einer Meinung, daß die Sicherung der Standortqualität hier eine eminente Bedeutung hat.

Meine Frage ist aber: Sehen Sie unterschiedliche Prioritäten, was die Strategie hinsichtlich der nationalen Interessen betrifft? Sind hier alle Bereiche gleich oder sagen Sie, strategisch haben wir in bestimmten Bereichen besonderes Interesse an der Erhaltung österreichischer Interessen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Stummvoll! Ich habe versucht, sehr sorgfältig zu differenzieren, was die Wahrung österreichischer Interessen betrifft. Die Wahrung österreichischer Interessen kann auch sein, zum Beispiel eine 20-Prozent-Beteiligung von Abu Dhabi in die OMV zu nehmen, weil klar ist, die wollen die OMV ausbauen zu einem mitteleuropäischen Vertriebsweg und damit die Beschäftigung hier sichern. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Das heißt, ich sage nicht von vornherein, daß ausländische Partner schlecht sind und pfui gack, wirklich nicht, das darf man nicht sagen, aber ich glaube, daß wir sehr wohl dort, wo wir die Möglichkeiten haben, darauf schauen sollen, daß wir die Entscheidungsstrukturen in Österreich belassen, und das betrifft jene Bereiche, wo wir es noch können. Bei Semperit können wir es nicht mehr. Dazu zählen ohne Zweifel zum Beispiel der Bereich der Energiewirtschaft, der Bereich der Infrastruktur. Das ist ein besonders sensibler Bereich, wo wir aufpassen müssen. Zur Infrastruktur zähle ich auch forschungsintensive Unternehmen wie VA-Tech oder die VA-Stahl. Aber das gilt auch für den Bankenbereich, dort, wo es möglich ist. Ich differenziere da sicher nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Dr. Haselsteiner, bitte.

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Wie wollen Sie verhindern, daß unter dem Deckmantel schützenswerter österreichischer Interessen parteipolitische Interessen gewahrt werden, insbesondere im Zusammenhang mit der Privatisierung der CA?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Sie wissen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Haselsteiner, daß ich mich gezwungen sah, ein neues Verfahren für die Suche von Interessenten an der CA zu starten, in der Gewißheit, daß wir uns diesmal mehr Flexibilität geben, daß wir uns nicht wieder so einengen, daß wir zum Schluß nur mehr mit einem Partner verhandeln können. Das Verhandeln eines Verkäufers mit einem einzigen Käufer ist eine Lose-lose-position, das wissen Sie.

Das heißt also, ich erwarte, daß mit dieser neuen Ausschreibung doch mehrere Interessenten zum Zug kommen. Wir dürfen – nicht nur, aber auch aus meinem massiven politischen Interesse heraus, und mit "politisch" meine ich jetzt nicht parteipolitisch, sondern staatspolitisch – die Reputation der Republik Österreich nicht schädigen. Und ich kann Ihnen versichern, daß das nicht geschehen wird. Das heißt, wir müssen hier ein sehr transparentes Verfahren abwickeln. (Abg. Meisinger: Das sind Worthülsen!) Das sind keine Worthülsen, Herr Kollege!

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas, obwohl Sie keine Freude haben mit der Europäischen Union, aber in diesem Fall sollten Sie sie haben: Die Europäische Union beobachtet dieses Verfahren sehr genau und achtet darauf, daß nicht diskriminiert wird. Das heißt, daß nicht aus parteipolitischen Interessen diskriminiert werden darf, daß die Anbieter gleich zu behandeln sind. Das ist aber nicht nur wegen der Europäischen Union – ich sage das ganz offen – wichtig, sondern ich halte es auch für die Reputation Österreichs für wichtig, daß wir hier ein sehr klares, ein sehr transparentes Verfahren haben und uns nicht als Bananenrepublik erweisen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ein weiterer Wunsch nach einer Zusatzfrage liegt mir nicht vor.

Damit haben wir den Fragenkomplex Finanzen erledigt. Ich danke dem Herrn Finanzminister.

Bundesministerium für Inneres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zu den Anfragen an den Innenminister.

Die Frage 55/M formuliert Frau Abgeordnete Partik-Pablé.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

55/M

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie zur Grenzsicherung gesetzt, um der illegalen Drogen-, Waffen- und Menschenkriminalität besser Herr zu werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Abgeordnete! Ich darf in Erinnerung rufen, daß anläßlich der Bildung einer Bundesregierung für die vorige Regierungsperiode bereits im Koalitionspakt zwischen den beiden Regierungsparteien der Aufbau eines Grenzdienstes im Rahmen der Bundesgendarmerie vereinbart worden ist. Mit diesem Aufbau wurde unverzüglich begonnen, und die Bundesgendarmerie konnte im Rahmen des Grenzdienstes im Oktober 1995 die ersten sieben Dienststellen an der Grenze über


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nehmen. In der Zwischenzeit hat die Bundesgendarmerie von den geplanten 70 Dienststellen an der Grenze bereits 56 übernommen, und es wird dort sowohl im Rahmen des intensivierten sicherheitspolizeilichen Grenzkontrollregimes als auch im Rahmen der Überwachung der grünen Grenze mit einer intensivierten Streifung begonnen.

Es ist darüber hinaus eine umfassende Schulung der Beamten im Einsatz im Grenzdienst erfolgt, so etwa – um nur Beispiele zu nennen – im Bereich der Erkennung gefälschter Dokumente, im Bereich der Erkennung gestohlener Kraftfahrzeuge oder etwa auch im Bereich der Erkennung und Aufspürung von Drogen.

Es ist darüber hinaus begonnen worden, ein entsprechendes Kommunikationssystem aufzubauen, das es erlaubt, direkt an die Zentraleinheiten des Bundesministeriums für Inneres Anfragen zu stellen und unmittelbar Antworten zu erhalten, sodaß auch bei Kontrollen anläßlich dieser Streifungen entsprechende Informationen sofort zur Verfügung stehen – mit der Konsequenz, daß Personen, die schon einmal ungut aufgefallen sind oder für die ein Aufenthaltsverbot in Österreich besteht, unmittelbar erkannt und gegebenenfalls auch sofort zurückgewiesen oder zurückgebracht werden können.

Es ist im Zusammenhang mit dem schrittweisen Aufbau eines entsprechenden Personalstandes im Rahmen der Bundesgendarmerie eine wesentliche Intensivierung der Streifentätigkeit erfolgt, und wir sind dabei, den Personalstand weiter aufzubauen.

Es ist auch festzustellen, daß durch diese Aktivitäten bereits jetzt ein deutlicher Rückgang der illegalen Grenzübertritte, gemessen etwa daran, wie viele Illegale noch an der deutschen Grenze aufgegriffen werden, eingetreten ist, und zwar ist es im Halbjahresvergleich zwischen 1995 und 1996, jeweils erstes Halbjahr verglichen, zu einem Rückgang der Illegalen um etwa 35 Prozent gekommen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Weiters kann auch festgestellt werden, daß es einen deutlichen Rückgang bei der Kriminalitätsbelastung insbesondere in den grenznahen Bezirken gibt. Dort, wo ein vollständiger Aufbau des Grenzdienstes der Bundesgendarmerie bereits erfolgt ist, stellen wir einen Rückgang bei der Kriminalitätsbelastung in der Höhe von etwa 30 bis 35 Prozent fest.

Zu den Zwischenrufen vielleicht noch ergänzend: Natürlich wurden auch im Rahmen des Assistenzeinsatzes des österreichischen Bundesheeres an der burgenländisch-ungarischen Grenze entsprechende Aktivitäten gesetzt. Darüber hinaus ist natürlich zu erwähnen, daß im Rahmen der Vereinbarung zur effektiven Gestaltung der Grenzkontrolle, die zwischen dem Finanzminister und mir getroffen worden ist, auch die Organe der Zollwache das Ihre dazu beitragen und auch im Rahmen der Schulungen, die ich angesprochen habe, mit einbezogen sind.

Die Maßnahmen, die bisher getroffen worden sind, zeigen, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Das Ziel, das wir anstreben, ist, einen vollständigen Aufbau dieses Systems so zu gestalten, daß es auch schengenkonform zum 1. Juli 1997 zur Verfügung steht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Minister! Das klingt alles recht schön, aber von Praktikern höre ich, daß beispielsweise der Menschenschmuggel so intensiv ist wie nie zuvor und daß auch Drogen in einem ungeahnten Ausmaß nach Österreich kommen.

Alles kann bewältigt werden, wenn mehr Personal zur Verfügung steht. Die diesbezüglichen Diskussionen zwischen Finanz- und Innenminister sind schon eine Legende. Daher frage ich Sie: Wann werden Sie endlich die Planstellen vom Finanzministerium bekommen, die Sie für die Grenzschutztruppe brauchen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Frau Abgeordnete! Zunächst ein Wort zum Menschen- und Drogenschmuggel: Es ist richtig, daß uns manche dieser Entwicklungen durchaus Sorge machen. Es ist ebenso richtig, daß wir ständig daran arbeiten, diese zum Teil auch neuen Entwicklungen an der Wurzel zu bekämpfen.

Wenn wir etwa feststellen – wie das in den letzten Monaten der Fall war –, daß im Zuge organisierter Schlepperei relativ große Gruppen, insbesondere an der ungarisch-österreichischen Grenze, zur Grenze und über diese gebracht werden, dann geht es einerseits darum, eine entsprechende Sicherung an der Grenze in Österreich zu organisieren – das findet statt –, und zweitens darum, daß in Kooperation mit den entsprechenden Kräften in Ungarn dafür gesorgt wird, daß auch schon auf dem Weg zur Grenze dieser Weg abgeschnitten wird.

Wir haben – ich darf darauf hinweisen – im Sommer einen entsprechenden Vertrag mit der Republik Ungarn abgeschlossen, der zum Gegenstand hat, daß wir im Bereich der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere auch im Bereich der Bekämpfung der organisierten Schlepperei, intensiv kooperieren können und wollen. Und wir werden im Rahmen von Schwerpunktaktionen die bisher insbesondere durch Vernehmungen im Asylland bekanntgewordenen Pfade auszutrocknen haben.

Ich bin zuversichtlich, daß die eingeleiteten Maßnahmen zum Erfolg führen. Man muß allerdings davon ausgehen, daß dort, wo man es mit organisiertem Verbrechen zu tun hat, natürlich Umwege gesucht werden. Aber es ist Aufgabe der Polizei und der Sicherheitskräfte insgesamt, dafür zu sorgen, daß auch diese Umwege letztlich vereitelt werden.

Was die Frage des Aufbaus des Personalstandes betrifft, kann ich Sie dahin gehend beruhigen, daß genau im Sinne der Ziele der Bundesregierung zur Budgetkonsolidierung einerseits und des Aufbaus einer angemessenen Kontrolle an der Grenze andererseits die erforderlichen Planstellen in den Budgetjahren 1996 und 1997 vom Bundesministerium für Finanzen an das Bundesministerium für Inneres übertragen werden, sodaß wir davon ausgehen können, im Sommer 1997 jenen Personalstand an der Grenze zu haben, der erforderlich ist, um eine schengenkonforme Kontrolle durchführen zu können.

Wir rechnen mit den nächsten Übertragungen größerer Gruppen von Planstellen, teilweise auch von Planstellen plus Zollwachebeamte, die in den Gendarmeriedienst optieren, zum 1. Februar, zum 1. März, zum 1. April und zum 1. Juli. Es verläuft dieser gesamte Prozeß plangemäß und so, daß den Sicherheitsinteressen und den Interessen sparsamer, wirtschaftlicher und zweckmäßiger Verwaltung Rechnung getragen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Auer, bitte.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Es ist wohl unbestritten, daß durch Maßnahmen wie von Ihnen dargestellt, vor allem aber durch das Engagement der zuständigen Beamten in diesem Bereich durchaus Erfolge zu erzielen waren.

Meine Frage an Sie aufgrund der besonderen Erfolge im benachbarten Staat Bayern: Können Sie sich vorstellen, daß zur Effizienzsteigerung dieser notwendigen Sicherung unserer Grenze eine Art verdachtlose Fahndung im Hinterland von Ihnen installiert wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Es ist hiezu vielleicht zweierlei zu sagen: Grundsätzlich ist festzustellen, daß in all jenen Schengen-Staaten, die das Schengener Durchführungsübereinkommen bereits realisiert haben, das heißt, bei denen eine Grenzkontrolle zwischen den jeweils beteiligten Staaten weggefallen ist, zunächst ein Personalüberstand eingetreten ist, mit der Konsequenz, daß bei etwa gleichartigem Beamtendienstrecht diese Beamten in der Regel in der Tiefe des Raumes zur Überprüfung weiterhin eingesetzt werden, weil eine Versetzung an andere Grenzen oder in andere Funktionen dort ebenso schwierig ist wie bei uns.


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Der andere Teil der Antwort ist, daß wir nicht primär eine verdachtlose Kontrolle brauchen. Um auch das ganz deutlich zu sagen: Unser Ziel kann es nicht sein, einerseits die Grenzen zu öffnen und andererseits die Österreicherinnen und Österreicher einer intensivierten Kontrolle durch Polizei, Gendarmerie und Zollwache auszusetzen. Unser Ziel ist Bewegungsfreiheit und nicht eine Intensivierung der Kontrolle und Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten.

Aber unser Ziel ist natürlich eine wirksame Bekämpfung sowohl grenzüberschreitender Kriminalität als auch illegaler Wanderung. Wir haben daher ein Konzept, das im wesentlichen vorsieht, daß im Rahmen intensivierter kriminalpolizeilicher Tätigkeit – und das kann durchaus verdachtbezogen erfolgen – eine entsprechende Kontrolle insbesondere an der Südgrenze stattfinden wird, falls dort die Grenzen zwischen Österreich und Italien im Rahmen der Realisierung des Schengener Durchführungsübereinkommens durch beide Staaten wegfallen sollten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister.

Frau Abgeordnete Stoisits, bitte.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Bundesminister! Es gäbe ein Mittel, mit dem man das internationale Verbrechen bekämpfen könnte und das keine Planstellen kosten würde, nämlich endlich die anonymen Sparbücher abzuschaffen (Abg. Dr. Khol : Mein Gott!) , denn es ist ja bekannt, daß das ein Instrument ist, das von der organisierten internationalen Kriminalität heftig genutzt wird.

Gibt es in Ihrem Ressort Berechnungen darüber, wie man dieses wirklich billige Mittel einsetzen könnte, auch im Hinblick darauf, wie sehr dieses Instrument genutzt wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem:
Frau Abgeordnete! Es ist zwar ein ständig wiederbelebtes Argument, das allerdings nicht besonders tragfähig ist, daß das anonyme Sparbuch ein bevorzugtes Instrument der organisierten Kriminalität zur Verschiebung von Kapitalien wäre. Dem ist nach unseren Beobachtungen nicht so, weil es wesentlich flexiblere und intelligentere Methoden gibt, große Geldmengen zu transferieren. Dies geschieht durchaus auch unter Verzicht auf das anonyme Sparbuch.

Wir haben anläßlich von Gesprächen – etwa auch in den USA, die, wie Sie wissen, dieses Feld der organisierten Kriminalität gerade sehr intensiv beobachten und weltweit in Kommunikation mit den allenfalls passiv betroffenen Staaten stehen und diesbezüglich auch einen gewissen Druck ausüben – diese Frage zur Sprache gebracht. Wir haben sehr offene Gespräche darüber geführt, das Ergebnis zeigte jedoch, daß derzeit auch in den USA keinerlei Hinweis dafür gegeben ist, daß das anonyme Sparbuch in nennenswertem Umfang für Zwecke der organisierten Kriminalität zum Einsatz käme.

Im übrigen ist von meiner Seite nur darauf hinzuweisen, daß Überlegungen dieser Art nicht in den Ressortbereich des Innenministeriums fallen und ich daher keine weiteren Aussagen dazu treffen kann.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister. – Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser, bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Bundesminister! Das Bundesheer ist seit über fünf Jahren, wie ich meine, erfolgreich im Assistenzeinsatz an der burgenländisch-ungarischen Grenze.

Ich möchte Sie fragen: Welche Erfahrungen haben Sie im Zusammenwirken von Exekutive, Zollwache und Bundesheer, und wie lange wollen Sie die Assistenzleistung des Bundesheeres noch in Anspruch nehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Abgeordneter! Es ist im Rahmen der Koalitionsvereinbarung für diese Legislaturperiode zwischen den beiden Regierungsparteien ÖVP und SPÖ vereinbart worden, daß der Assistenzeinsatz des Bundesheeres an jenen Grenzabschnitten, an denen das Bundesheer bereits heute tätig ist, für die Dauer dieser Legislaturperiode aufrechterhalten wird. Das ist nach heutiger Einschätzung bis 1999.

Die Erfahrungen, die wir mit dem Assistenzeinsatz des Bundesheeres gemacht haben, sind ganz überwiegend positiv. Das Bundesheer übernimmt bei diesem Assistenzeinsatz – durch Präsenzdiener im wesentlichen – die Überwachung der Grünen Grenze. Das führt bei einem Einsatz von etwas über 1 500 Mann im Durchschnitt zu einer recht guten Kontrolle der Grünen Grenze.

Die Arbeitsteilung zwischen den Angehörigen des Österreichischen Bundesheeres und den Angehörigen der Exekutive ist so, daß die Mitarbeiter der Exekutive ab dem Moment, wo es zu einem Aufgriff kommt, die aufgegriffenen Personen übernehmen, vernehmen und weiter behandeln, sowohl, was die verwaltungsbehördlichen Aktivitäten, als auch, was die unmittelbaren Aktivitäten, also Verbringung zu entsprechenden Orten und so weiter, angeht, sodaß die Entlastung der Exekutive nicht so vollständig ist, wie es gelegentlich den Anschein haben mag.

Wir haben andererseits den Eindruck, daß es für Präsenzdiener eine sehr schwere Belastung ist, diesen Dienst zu erbringen, und zwar auch deshalb, weil sich zeigt, daß diese meist 19jährigen Männer das erste Mal von zu Hause weg sind und stark unter Einsamkeit leiden – so merkwürdig das klingen mag, weil man denken sollte, daß sie mit 19 Jahren eigentlich schon einigermaßen erwachsen sein könnten. Das führt tatsächlich da und dort zu größeren Problemen, die man nicht geringschätzen sollte.

Zweitens sind wir der festen Überzeugung, daß die Aufgabe der Grenzkontrolle keine militärische Aufgabe, sondern eine zivile Aufgabe ist. Daher ist es unser Ziel, die Vorbereitungen so zu treffen, daß mit Ende der Legislaturperiode auch der Bereich der burgenländischen Grenze und jene vier bis fünf Kilometer an der niederösterreichischen Grenze, an denen das Bundesheer heute Kontrollaufgaben wahrnimmt, vollständig durch Angehörige der Exekutive übernommen werden kann.

Darüber hinaus ist es mein Ziel, in Gesprächen mit dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung schrittweise zu einer Veränderung der Gewichtung zu kommen, weil wir zwar der Überzeugung sind, daß durch den Assistenzeinsatz wesentliche Leistungen etwa im Bereich der Logistik problemlos übernommen und erbracht werden können, bei denen die Exekutive tatsächlich Schwierigkeiten hat, sie kosteneffizient und so zu erbringen, daß Gendarmeriebeamte nicht stunden- und tagelang österreichweit pendeln, um etwa Schubhäftlinge zu transportieren, andererseits aber schrittweise die Grenzkontrolle durch professionelle Kräfte der Exekutive übernehmen wollen. Der Assistenzeinsatz bleibt aber, auch nach meinem Dafürhalten, vereinbarungsgemäß bis Ende der Legislaturperiode erhalten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wünsche nach Zusatzfragen dazu liegen mir nicht vor. – Damit ist die Fragestunde beendet. Ich danke dem Herrn Bundesminister sehr herzlich.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz – WAG) und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Börsengesetzes 1989,


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des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Investmentfondgesetzes (369 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (370 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz geändert wird (374 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (392 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundeszuschuß an das Land Burgenland aus Anlaß der 75jährigen Zugehörigkeit zu Österreich gewährt wird (393 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt (Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden (395 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Bundesgesetz, mit dem Begleitmaßnahmen zum Umsatzsteuergesetz 1994 vorgesehen werden, geändert werden (396 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZG) (397 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Errichtung des Bundespensionsamtes (BPA-Gesetz), mit dem auch das Dorotheumsgesetz, das Staatsdruckereigesetz, das Ausschreibungsgesetz, das Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Pensionsgesetz 1965 geändert werden (398 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz geändert wird (406 der Beilagen),

Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996 (414 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (416 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (417 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (418 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (419 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird (420 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (421 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (422 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Ur


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laubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (387 der Beilagen),

2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996 (394 der Beilagen);

Budgetausschuß:

Bundesrechnungsabschluß für das Jahr 1995 (III-50 der Beilagen);

Finanzausschuß:

Bundesgesetz über die Leistung weiterer Beiträge zur Weltbank Konsultativgruppe für internationale landwirtschaftliche Forschung (CGIAR) für die Jahre 1996 bis 1998 (333 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) (334 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (368 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (371 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (372 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz (KAG-Novelle 1996) geändert wird (379 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen (380 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird (381 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitszeitgesetz für Angehörige von Gesundheitsberufen in Kranken-, Pflegeanstalten und ähnlichen Einrichtungen geschaffen (Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz – KA-AZG) und das Arbeitszeitgesetz geändert wird (386 der Beilagen);

Justizausschuß:

4. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien (373 der Beilagen);

Umweltausschuß:

Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen (411 der Beilagen),

Antrag 311/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird;

Unterrichtsausschuß:

Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B (383 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (384 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (385 der Beilagen);


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Verfassungsausschuß:

Antrag 309/A der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, geändert wird;

Wirtschaftsausschuß:

Schutzzertifikatsgesetz 1996 – SchZG 1996 (335 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (346 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird (366 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird (367 der Beilagen),

Antrag 312/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Georg Oberhaidinger und Genossen betreffend Nachfolgeregelung zur Förderung erneuerbarer Energieträger zur Stromerzeugung.

*****

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die

Anfragebeantwortung 1134/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, daß das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 1134/AB der Anfrage 1173/J der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Subventionsbetrug bei Massentiertransporten durch den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung spätestens um 15 Uhr statt.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß die Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen beantragt haben, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 285/A der Abgeordneten Dr. Haider und Genossen betreffend Begrenzung der Politiker- und Funktionärsbezüge eine Frist bis zum 26. November zu setzen.

Dazu liegt auch das Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Diese kurze Debatte wird im Anschluß an die Debatte über die Anfragebeantwortung stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird logischerweise im Anschluß an diese kurze Debatte erfolgen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was die Tagesordnung selbst betrifft, ist vorgeschlagen, die Punkte 1 bis 11 und 14 bis 16 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir das so handhaben.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.


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In der Präsidialkonferenz wurde Übereinstimmung über die heutige Debatte wie folgt erzielt: Es wurde für alle Tagesordnungspunkte eine Blockredezeit von insgesamt acht "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten. Über diesen Vorschlag ist Konsens in der Präsidialsitzung erzielt worden.

Gibt es im Plenum des Nationalrates dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Finanzausschusses betreffend den Bericht des Bundesministers für Finanzen (III-46 der Beilagen) über die vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführte Studie betreffend Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 22. März 1991, E 10-NR/XVIII. GP (361 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 12/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Ökologisierung des Steuersystems (268 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 64/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Novellierung des Einkommensteuergesetzes (270 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 68/A (E) der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank (273 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 70/A (E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank (274 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 84/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Lehrlinge im Kommunalsteuergesetz (275 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 85/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen betreffend Privatisierung der Bankenaufsicht (276 der Beilagen)


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8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (212 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (357 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (309 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (358 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (112 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (359 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (322 der Beilagen): Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zur elften Wiederauffüllung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA 11) (360 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 11 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies die Berichte des Finanzausschusses betreffend den Bericht des Finanzministers über die vom Wirtschaftsforschungsinstitut durchgeführte Verteilungsstudie (361 der Beilagen) sowie über die Anträge 12/A (E) Dr. Schmidt und Genossen betreffend Ökologisierung des Steuersystems, 64/A (E) Dr. Schmidt betreffend Novellierung des Einkommensteuergesetzes, 68/A (E) der Abgeordneten Böhacker betreffend Pensionsreserve der Oesterreichischen Nationalbank, 70/A (E) der Abgeordneten Dolinschek betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank, 84/A (E) der Abgeordneten Rosenstingl betreffend Lehrlinge im Kommunalsteuergesetz, 85/A (E) der Abgeordneten Apfelbeck betreffend Privatisierung der Bankenaufsicht sowie über die Regierungsvorlagen (212 der Beilagen): Abkommen mit Rumänien, (309 der Beilagen): Abkommen mit der Republik Litauen, beide über die Förderung und den Schutz von Investitionen, sowie (112 der Beilagen): Abkommen mit der Republik Südafrika zur Vermeidung von Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen und schließlich (322 der Beilagen): Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zur elften Wiederauffüllung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation.

Ein Vorschlag auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor. Demnach erfolgt keine Berichterstattung.

Die Redezeiten sind bekannt.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Die Redezeit beträgt 10 Minuten.

10.10

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Bautensprecher der SPÖ! Es ist bedauerlich, daß der Herr Bundesminister für Finanzen nicht mehr anwesend ist, denn ich möchte mit aller Entschiedenheit seine Aussage, daß die freiheitliche Parlamentsfraktion und ich persönlich eine arbeitnehmerfeindliche Steuerpolitik betreiben, zurückweisen. Das ist eine grobe Unterstellung, die ich massiv zurückweisen muß, insbesondere, da er als Beispiel unsere Kritik an der Mindestkörperschaftsteuer heranzieht.


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Der Herr Finanzminister müßte wissen, daß diese Mindestkörperschaftsteuer von 50 000 S auch dann zu bezahlen ist, wenn eine GmbH keinen Gewinn oder sogar einen Verlust erwirtschaftet. Es gibt aber keinen Arbeitnehmer – keinen sogenannten Hackler, wie der Herr Finanzminister sich ausgedrückt hat –, der auch dann Steuer zahlen muß, wenn er kein Einkommen hat! Das ist eine grobe Unterstellung, die ich vehement zurückweisen muß! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die zukünftige Vorgangsweise des Herrn Finanzministers ist uns ja klar. Er hat in der letzten Sitzung des Finanzausschusses schon dargestellt, wohin die Stoßrichtung geht, er hat es salopp formuliert: Wir werden uns die Steuern bei den sogenannten Gestopften holen. – Wir werden sehen, wer in Österreich in Zukunft zu den Gestopften und wer zu den Gerupften gehören wird. (Abg. Dr. Haselsteiner: Zuerst gestopft und dann gerupft!) Zuerst gestopft und dann gerupft – richtig, Herr Kollege!

Nun zum ersten Punkt der Tagesordnung. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß diese Wifo-Studie betreffend Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich erst mit geraumer Verspätung dem Parlament zur Beratung zugeleitet wurde. Wahrscheinlich hat der Herr Finanzminister diese brisante Studie wegen verschiedener Wahltermine längere Zeit unter Verschluß gehalten, oder – wenn man es salopp formuliert – "schubladisiert". Es ist auch bezeichnend, daß der sich Herr Finanzminister im Finanzausschuß nur als Überbringer, als Bote, als Postbote dieses Berichtes, dieser Studie dargestellt hat.

Durch die verspätete Überreichung ist freilich die Aktualität nicht mehr gegeben. Es wurden statistische Daten aus den Jahren 1991 bis 1994 verwendet, die Selbständigen und die Kapitaleinkünfte wurden in weiten Bereichen nicht berücksichtigt. Auch die gesamten steuerlichen Ungerechtigkeiten und Ungeheuerlichkeiten des Belastungspaketes sind in diese Studie noch nicht eingebaut.

Meine Damen und Herren! Bemerkenswert ist aber, daß die langjährige freiheitliche Kritik an der zu hohen Abgabenquote, an dem überdurchschnittlich hohen Staatsanteil und an der mangelnden Umverteilungseffizienz des Abgabensystems in dieser Studie vollinhaltlich bestätigt wurde. Dr. Alois Guger, der Koordinator dieser Studie, hat es im Finanzausschuß auf den Punkt gebracht: Österreich hat die Steuerstruktur eines Entwicklungslandes. – Das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: die Steuerstruktur eines Entwicklungslandes! Da paßt es gut dazu, daß der Herr Finanzminister heute von einer Bananenrepublik gesprochen hat.

So richtig diese Feststellung des Dr. Guger war, so bedrohlich sind, vor allem für die Steuerzahler, die Schlußfolgerungen dieser Studie. Diese Studie läßt keine Zweifel daran, daß es aus verteilungspolitischer Sicht zu einer Wiedereinführung der Vermögensteuer kommen sollte, daß die höhere Besteuerung der Vermögenserträge, sprich eine weitere Anhebung der Sparbuchsteuer, vorangetrieben werden sollte. In dieser Studie wird auch mehr oder minder unverhohlen die Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage für die Kranken- und Arbeitslosenversicherung gefordert, um dadurch die Nettosteuereinnahmen des Staates neuerlich zu erhöhen. Weiters wird die Frage nach einem Abzugsverbot der Sozialversicherungsbeiträge als Werbungskosten bei der Lohnsteuerberechnung und als Betriebsausgabe bei den Unternehmen gestellt.

All das, meine Damen und Herren, sind Maßnahmen, die zu einer massiven Verschärfung der Steuerprogression und zu einem gewaltigen Ansteigen der Steuern- und Abgabenquote führen würden. Das widerspricht aber genau dem, was diese Studie in ihrer Einleitung feststellt.

Aber es kommt noch schlimmer. Der Hinweis – der Herr Finanzminister hat es heute hier wieder sehr moderat geschildert –, daß das Grundvermögen durch viel zu niedrige Einheitswerte massiv unterbewertet ist, läßt das Schlimmste befürchten. Wir alle wissen, daß die Einheitswerte in vielen Bereichen Bemessungsgrundlage für eine Steuer sind, zum Beispiel für die Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer, Grundsteuer und so weiter.

Was passiert nun, wenn diese Einheitswerte auf die Verkehrswerte angehoben werden? – Das würde etwa zu einer Verzehnfachung der Werte führen, was auch eine Verzehnfachung der Grundsteuer bedeuten würde. Aber der Herr Finanzminister macht es sich leicht: Er schiebt den


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Schwarzen Peter den Gemeinden, den Bürgermeistern zu, die diese erhöhte Grundsteuer dann entsprechend vorschreiben und einheben müßten.

Wo ist hier der Aufschrei – vor allem der Österreichischen Volkspartei? Wo ist der Aufschrei der Bürgermeister, des Gemeindeverbandes? Wo ist die Kritik, die sagt, daß das nicht passieren darf?

Aber der Wifo-Experte Guger geht sogar noch einen Schritt weiter – wobei ich anmerken möchte, daß Guger eher der linken Reichshälfte zuzuordnen ist, was schon die Tatsache beweist, daß die meisten Sozialdemokraten im Finanzausschuß mit Herrn Guger per du waren –, er geht sogar so weit, daß er in einem Artikel im "Kurier" vom 1. September 1996 die Besteuerung einer fiktiven Miete in einer Eigentumswohnung oder in einem Eigenheim befürwortet. – Das muß man sich vorstellen! Jener, der sich Eigentum geschaffen hat, soll in Zukunft noch dafür bestraft werden, daß er sich Eigentum geschaffen hat und in einer Eigentumswohnung oder in einem Eigenheim wohnt.

Meine Damen und Herren! Man könnte noch viele Beispiele aus dieser Studie nennen, die ausschließlich darauf abzielen, Steuern und Abgaben zu erhöhen und die Lohnnebenkosten zu erhöhen, und ich frage Herrn Kollegen Stummvoll: Wo ist Ihr Aufschrei? Wo ist Ihr Aufschrei etwa bei der Forderung nach Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage für die Krankenversicherung? (Abg. Dr. Stummvoll: Wer will die aufheben?) In dieser Studie wird das massiv gefordert. (Abg. Dr. Stummvoll: Passen Sie auf, was ich sagen werde!) – Okay. Ich freue mich schon auf Ihre Wortmeldung, Herr Generalsekretär.

In dieser Studie wird außerdem noch angeregt, daß man das Sparverhalten der Österreicher ändern soll. Die Österreicher sollen weniger sparen! Jene aber, die trotzdem sparen, die für das Alter vorsorgen, die für Kinder und Enkelkinder etwas ansparen, sollen nach dieser Studie in Zukunft verstärkt zur Kasse gebeten werden.

Wie heißt es hier so schön? – Ich zitiere: "Eine Verringerung des Nettosparens der Privathaushalte wird nur dann eintreten, wenn sich Ausgabenkürzungen oder auch Einnahmenerhöhungen auf mittlere und höhere Einkommensschichten mit hoher Sparneigung konzentrieren." – Mit einem Wort: Wer spart, soll vom Staat weniger oder nichts mehr bekommen und gleichzeitig noch mit einer Strafsteuer belastet werden. Das, meine Damen und Herren, ist eine steuerpolitische Unverfrorenheit!

Meine Damen und Herren! Auf welch fruchtbaren Boden diese Vorschläge gefallen sind, zeigen die zahlreichen Reaktionen, vor allem von sozialdemokratischer Seite. Vranitzky-Stellvertreter Schachner-Blazizek, der oberösterreichische SP-Chef Hochmair, GPA-Chef Sallmutter, Tirols SP-Chef Prock, um nur einige zu nennen, haben diese Vorschläge voller Freude aufgenommen. Die Vorschläge reichen von der Wiedereinführung der Vermögensteuer, der Wiedereinführung der Luxussteuer, der Erhöhung des Spitzensteuersatzes, der Solidarabgabe, der Heranziehung der Verkehrswerte statt der Einheitswerte, der vollen Besteuerung des 13. und 14. Gehaltes – ich erinnere dabei an Finanzminister Staribacher –, bis hin zu einer weiteren Erhöhung der Sparbuchsteuer. Das sind die abstrusen Vorschläge von seiten der SPÖ, von SPÖ-Landesorganisationen.

Der Herr Finanzminister hat in einer für mich bemerkenswerten Weise darauf reagiert. Im "Kurier" vom 26. Oktober 1996 heißt es: Finanzminister weist neue Steuerideen aus SPÖ zurück. Finanzminister Viktor Klima erteilt solchen Ideen eine gründliche Abfuhr. Steuerpolitik darf man nicht in der Panik nach einem schlechten EU-Wahlergebnis machen. Sie erfordert Kontinuität, Berechenbarkeit, sonst verschreckt man nur Investoren.

Herr Bundesminister! Absolut richtig! In diesem Artikel stimmt alles: daß die SPÖ eine Niederlage erlitten hat, daß die SPÖ in Panik ist und daß man mit mangelnder Kontinuität und Berechenbarkeit die Investoren verschreckt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine absolut begrüßenswerte Aussage, nur eines muß ich schon sagen: Es war dies wieder einmal ein reines Lippenbekenntnis. Aber nicht an Ihren Worten, sondern an Ihren Taten sollte man


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Sie messen, und da müssen Sie sich, Herr Bundesminister, schon die Frage gefallen lassen, wie Sie es mit der Kontinuität und der Berechenbarkeit im österreichischen Steuerrecht halten.

Herr Bundesminister! Wo sehen Sie Kontinuität und Berechenbarkeit, wenn Sie es zulassen, daß Steuergesetze rückwirkend in Kraft treten?

Herr Bundesminister! Wo sehen Sie Kontinuität und Berechenbarkeit, wenn Sie Steuergesetze in Verfassungsrang erheben lassen, um damit dem Steuerbürger den Zugang zum Recht zu verweigern? (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Freiwillige Redezeitbeschränkung.

Wo, Herr Bundesminister, sehen Sie Kontinuität und Berechenbarkeit, wenn Sie handstreichartig eine Mindestkörperschaftsteuer von 50 000 S einführen, damit zahlreiche Jungunternehmer in den Ruin treiben und Neugründungen von Unternehmen in Form einer GmbH praktisch unmöglich machen?

Wo, Herr Minister, sehen Sie Kontinuität und Berechenbarkeit in der Steuerpolitik, wenn Sie praktisch ohne jede Vorwarnung Verlustvorträge für zwei Jahre sistieren – mit all den negativen Konsequenzen bis hin zur Insolvenz und Vernichtung von Hunderten und Tausenden Arbeitsplätzen?

Wo, Herr Bundesminister, sehen Sie Kontinuität und Berechenbarkeit, wenn Sie einer Werkvertragsregelung zustimmen, von der Sie sagen, daß Sie sich bei ihr selbst nicht auskennen?

Herr Bundesminister! Wo sehen Sie Berechenbarkeit und Kontinuität im Steuerrecht, wenn Sie rückwirkend Sonderausgaben kürzen und damit die Lohn- und Einkommensteuer massiv erhöhen, wodurch es einem weiten Bereich in der Bevölkerung nicht mehr möglich ist, eine Kranken-Zusatzversicherung, die langfristig abgeschlossen wurde, weiter zu finanzieren oder sich ein Bauspardarlehen und dessen Rückzahlung zu leisten?

Wo, Herr Bundesminister, sehen Sie Kontinuität und Berechenbarkeit, wenn Sie überfallsartig die Abschreibungsdauer von Althaussanierungsinvestitionen von 15 auf 67 Jahre erhöhen und damit langfristige Finanzierungen in Frage stellen?

Wo, Herr Minister, sehen Sie Kontinuität und Berechenbarkeit, wenn Sie neben den laufenden Vorauszahlungserhöhungen einen zusätzlichen fünfprozentigen Zuschlag bei den Ertragsteuern vorschreiben, wohl wissend, daß gerade in diesen Jahren die wirtschaftliche Ertragslage der Unternehmungen schlecht ist und die Vorauszahlungen daher überhöht sind?

Wo, Herr Minister, sehen Sie Kontinuität und Berechenbarkeit, wenn Sie die Besteuerung im Bereich des 13. und 14. Gehalts massiv verschlechtern?

Wenn Sie also, Herr Bundesminister, von Kontinuität und Berechenbarkeit im österreichischen Steuerrecht reden, dann ist das eine Verhöhnung der österreichischen Steuerzahler. Noch nie, Herr Minister, war die Rechtsunsicherheit, die Unberechenbarkeit in der österreichischen Steuerpolitik so groß wie heute! Und ich weiß, wovon ich rede, Herr Bundesminister, als einer, der seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten mit der Steuergesetzgebung auf Gedeih und Verderb verbunden ist, zunächst als Finanzbeamter und seit mehr als einem Vierteljahrhundert als selbständiger Steuerberater.

Eines muß ich Ihnen sagen, Herr Bundesminister – leider ist die Zeit schon längst abgelaufen (Ruf bei der SPÖ: Jawohl!) –: Die freiheitliche Stellung zu diesem brisanten Bericht ist eine andere als jene, die wir von der sozialistischen Reichshälfte hören. Wir sagen eines: Runter mit den Steuern, dafür weniger staatliche Zwangsbeglückung! Weniger Umverteilung, dafür mehr soziale Gerechtigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nowotny. Er hat das Wort.

10.24


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Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny
(SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Eines muß man Kollegen Böhacker schon konzedieren: Er hat Berechenbarkeit gezeigt, nämlich in seiner totalen Unfähigkeit, sich mit einer wissenschaftlichen Studie auseinanderzusetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. ) Statt Argumenten haben wir hier wirklich nur Polemik gehört.

Ich möchte auf diesen Stil nicht weiter eingehen. Wir haben uns vorgenommen, daß meine Kollegen auf Einzelbereiche dieses Verteilungsberichtes Bezug nehmen werden. Ich möchte mich daher auf einige politische Schlußfolgerungen konzentrieren.

Erster Punkt: Ich meine, dieser Verteilungsbericht zeigt, daß es insgesamt in Österreich eine wirksame Hilfe für die unteren Einkommen gibt. Die Umverteilung in diesem Land ist selbstverständlich begrenzt, aber sie ist eben wirkungsvoll.

Zweiter Punkt: Diese Umverteilung erfolgt im wesentlichen über die Ausgabenseite und nicht über die Einnahmenseite des öffentlichen Sektors, und das heißt natürlich, eine Konsolidierungspolitik, die sich etwa nur auf die Ausgabenseite konzentrieren würde, hätte notwendigerweise negative Wirkungen für die unteren Einkommen. Daher ist es ja auch richtig, daß das Konsolidierungspaket, wie wir es beschlossen haben, so angelegt ist, daß es eben beide Seiten – sowohl die Ausgabenseite wie auch die Einnahmenseite – umfaßt.

Dritter Punkt: Wenn man sich die Steuerseite im einzelnen ansieht, so haben wir hier negative Verteilungswirkungen der indirekten Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge, die durch den Effekt der progressiven Einkommensbesteuerung und der Kapitalertragsteuer eben nur knapp ausgeglichen werden. Und das, Herr Kollege Böhacker, ist es, was Dr. Guger mit dem Zitat gemeint hat, das Sie angesprochen haben.

Man muß hier deutlich sagen: Das ist eine Entwicklung, auf die wir achtgeben müssen, denn es gibt natürlich so etwas wie einen internationalen Steuerwettbewerb, der dazu führt, daß die mobilsten Faktoren, etwa der Faktor Kapital, zu Lasten des weniger mobilen Faktors Arbeit begünstigt werden und daher eine immer größere Steuerlast auf den Faktor Arbeit fällt. Es ist erst vor kurzem von Kommissar Monti von der EU-Kommission eine Studie vorgestellt worden, die zeigt, daß sich zwischen 1980 und 1994 innerhalb der EU die Last der Abgaben auf Arbeit von 34,7 auf 40,5 Prozent der Lohnsumme erhöht hat, während die Belastung des Faktors Kapital von 44,1 auf 35,2 Prozent gesunken ist.

Das bedeutet, daß wir hier eine Auseinanderentwicklung haben, und der wichtigste Weg, dem zu begegnen, sind Formen der internationalen Koordinierung, das heißt, Steuerkoordinierung statt eines wirklich schädlichen Steuerwettbewerbs. Ich denke, das ist eines der wichtigsten Anliegen, das wir in der EU zu verwirklichen haben, und ich würde auch meinen, ein Anliegen, das unmittelbar mit der Europäischen Währungsunion zu verknüpfen ist.

Nächster Punkt: Wenn wir die Ausgabenseite betrachten, so meine ich, ist es sicherlich so, daß man dort differenzieren muß. Es gibt Ausgabenbereiche, die vor allem den unteren Einkommen zugute kommen – etwa der gesamte Bereich der Sozialausgaben –, und es gibt Ausgabenbereiche, die überwiegend oder zu einem erheblichen Teil höheren Einkommen zugute kommen. Und ich glaube, das ist der Bereich, in dem es auch tatsächlich sinnvoll ist, soziale Differenzierungen vorzunehmen.

Alles in allem, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigt dieser Verteilungsbericht, daß wir in Österreich ein System haben, in dem der öffentliche Sektor im Sinne einer Sicherung der unteren Einkommen, im Sinne einer Sicherung der Schwachen und auch im Sinne einer Sicherung gegen die Wechselfälle des Lebens funktioniert. Ich glaube, in diesem Sinne sollten wir diesen Verteilungsbericht als einen Anstoß sehen, genau diese Aufgaben eines funktionierenden Sozialstaates auch in Zukunft weiterzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)


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10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. Er hat das Wort. – Auch wenn die Vorbereitung noch nicht abgeschlossen ist, Sie sind am Wort.

10.28

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt einige Themen, die hier in der Debatte aus Gründen der Zeitökonomie zusammengefaßt wurden. Ich möchte auf manche in der Reihenfolge der Tagesordnung eingehen, zuerst natürlich auch auf den Umverteilungsbericht.

Bevor ich aber zu den inhaltlichen Aussagen komme, Herr Bundesminister, möchte ich hier im Plenum eine Kritik wiederholen, die wir und die Grünen im Ausschuß vorgebracht haben, und das ist, daß Sie uns letztendlich in zweierlei Hinsicht einen alten Hut vorgelegt haben: einmal, weil die Studie naturgegebenermaßen auf statistische Daten zurückgreift, die nicht mehr aktuell sind – das mag noch angehen, weil wir um die begrenzte Verfügbarkeit moderner oder neuer Daten wissen –, und zweitens – und das ist der eigentliche Kritikpunkt –, weil dieser Bericht einige Monate alt ist.

Jetzt haben Sie und Herr Professor Nowotny das im Ausschuß so begründet: Na ja, wir wollten ihn sinnvollerweise ergänzt haben. (Bundesminister Mag. Klima: Er ist im Juli 1996 fertig geworden!) Herr Bundesminister! Wir wissen aber, daß er Ihren Beamten früher vorgelegen ist. Ich sage das nur in aller Offenheit. Wenn Sie sagen, wir wollten ihn ergänzen, so ist das in Ordnung. Sie dürfen den Abgeordneten dieses Hauses aber zutrauen, daß sie den Hauptbericht und den Ergänzungsbericht als solche qualifizieren können. Sie könnten uns den einen wie den anderen geben. Wenn Sie ihn aber einer Zensur unterworfen hätten – was ich nicht beweisen kann und daher auch nicht behaupte –, dann wäre das – das wissen Sie – keine diesem Haus adäquate Vorgangsweise. Wenn Sie aber – und das, so befürchte ich, wird wohl der Wahrheit am nächsten kommen – den 13. Oktober abwarten wollten, dann sollten Sie sich nicht genieren, das auch zuzugeben.

Wir hätten Verständnis dafür, daß Sie politische Munition – und der Umverteilungsbericht enthält eine solche – vor dem 13. Oktober, vor dem Wahltag, nicht bekanntgeben wollten. Wir würden das, wären wir Regierungspartei, wahrscheinlich anders handhaben. Das mag aber daran liegen, daß wir eine unterschiedliche Auffassung von politischer Hygiene in diesem Punkt haben. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. ) Herr Bundesminister Klima! Ein bißchen Demagogie müssen Sie auch der Opposition zugestehen; Sie sind ja auch nicht ganz frei von dieser Versuchung. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Darf ich jetzt aber zum Inhalt kommen, meine Damen und Herren. Es liegt uns eine durchaus ordentliche Studie vor, sie ist, glaube ich, kompetent und fachlich gut erarbeitet, mit Ausnahme dessen, daß sie eben nicht den letzten Stand und vor allem natürlich nicht die Auswirkungen des Sparpakets berücksichtigt. Sie haben ja einen absolut richtigen Einwand gemacht, Herr Bundesminister, nämlich daß diese hier ganz massiv eingreifen, denn die Sparpakete 1 und 2 haben natürlich, ich würde sagen, gewaltige Umverteilungswirkungen. In meinen Augen leider, weil sie in die falsche Richtung gehen – aber das ist ein zweites Kapitel –, aber natürlich können diese Ergebnisse hier noch nicht enthalten sein.

Aber es gibt einige grundlegende Kritikpunkte oder grundlegende Diskussionspunkte, die Gültigkeit haben. Ich fange beim letzten im Bericht angeführten Kritikpunkt an, das ist die Ineffizienz der Finanzausgleiche. Ich nenne das einmal als Schlagwort, denn die Studie – und das macht sie so interessant, ja fast spannend – beweist eigentlich, daß unser System der Finanzausgleiche dringend reparaturbedürftig ist. Sie wissen, Herr Bundesminister, daß wir Liberale schon seit langem eine Föderalismusreform, insbesondere in diesem Zusammenhang, verlangen und ihr das Wort reden, weil auch wir glauben, daß es nicht mehr zeitgemäß und nicht modern ist, daß der eine etwas zu verantworten hat und der andere dafür die Rechnung übernehmen muß.

Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, Herr Bundesminister, wie ich schon Ihren Vorgänger und Ihren Vorvorgänger daran erinnert habe, daß die Regelung der Landeslehrer, auch mit einer zehnprozentigen Beteiligung derjenigen, die anschaffen, natürlich ein Paradebeispiel dafür ist, wie man es nicht machen soll. Die Kritik in diesem Punkt ist in diesem Bericht deutlich nachzu


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lesen. Ich bin dem Berichterstatter dankbar, daß er das so gemacht hat, und hoffe, daß es uns auch in diesem Punkt einen Schritt weiterbringt und wir in die Diskussion eintreten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eine weitere Aussage, die nicht neu ist, meine Damen und Herren, die aber einfach erwähnt werden muß: Der Bericht bestätigt, daß wir eine überdurchschnittlich hohe Staatsquote bei vergleichsweise geringer Effizienz der Umverteilung haben. Es gibt dafür eine ganze Reihe von Gründen. Wir sind froh und dankbar, daß in einem solchen Bericht, wo der Berichterstatter ja nicht im Geruch steht, ein Liberaler oder ein Konservativer oder etwas anderes als ein wirklich überzeugter Sozialdemokrat zu sein, das so deutlich herausgearbeitet wurde: hohe Staatsquote – geringe Umverteilungseffizienz. Insbesondere liegt das natürlich daran, meine Damen und Herren, daß wir mit der Gießkanne fördern und verteilen und mit dem Rasenmäher kürzen und wieder einsammeln. Sie wissen das in der Zwischenzeit aus zahlreichen Debatten und Debattenbeiträgen, auch von meiner Seite her, zu diesem Thema, und ich werde nicht müde werden, das anzukreiden.

Mein Kollege Kier wird auf das liberale Transfermodell noch eingehen, das noch immer nicht verstanden wurde; ich glaube, zum Teil, weil es vielleicht anspruchsvoll ist, zu einem anderen Teil aber auch, weil sich viele Abgeordnete damit einfach nicht beschäftigen wollen. Ich hoffe, Frau Kollegin, daß auch Sie einmal Zeit dazu finden werden. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Nein, nur der Wille fehlt Ihnen, so fürchte ich. Gleiches gilt für Ihre Sitznachbarin Ederer, die uns auch gestern wieder – unpassenderweise, glaube ich – in dieser Richtung Vorwürfe gemacht hat.

Ein weiterer Punkt in dieser Studie, den ich anmerken möchte, ist die Familienpolitik. Die Finanzierung der Familien wird vom Herrn Bundeskanzler, aber auch vom Herrn Bundesminister in der Zwischenzeit mit 200 Milliarden Schilling – der Bericht geht von 150 Milliarden aus – quantifiziert. Die Studie konstatiert, daß wir die höchste Familienförderung in Europa haben und trotzdem eine der höchsten Armutsgefährdungen für Familien.

Das, meine Damen und Herren, sollte ein Alarmsignal sein. Ich weiß schon, daß hier in dieser Debatte um die Familienförderung sehr, sehr viel Weltanschauung, Ideologie und natürlich damit verbundene Polemik sozusagen in der Luft liegt. Trotzdem dürfen wir uns dieser Debatte gerade in Anbetracht eines bevorstehenden höchstgerichtlichen Urteils und der darauf notwendigen Handlungsreaktion dieses Hauses nicht verschließen. Ich glaube, daß diese Aussage des Berichtes: höchste Familienförderung und trotzdem hohe Armutsgefährdung, wenigstens dazu beiträgt, uns bewußtzumachen, daß wir darüber debattieren müssen und daß es nicht darum geht, den Betrag von 150 Milliarden um weitere 20, 30 oder 50 Milliarden zu erhöhen. Wir würden damit das Problem keinesfalls an der Wurzel packen, sondern es nur um einige Zeit verschieben. (Beifall beim Liberalen Forum.) Ich hoffe – ich spreche hier vor allem von Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP –, daß Sie über Ihren Schatten springen können.

Zum Schluß, meine Damen und Herren, zu diesem Umverteilungsbericht. Ich glaube, meine Damen und Herren von der SPÖ, soziale Kälte wäre, diesen Umverteilungsbericht zu schubladisieren und nicht angemessen darauf zu reagieren. Wir haben – ich würde sagen, punktgenau; Herr Kier wird darauf noch eingehen – beim Transfermodell, bei der Föderalismusreform und bei anderen Materien, zu denen wir Vorschläge in diesem Haus gemacht haben, bereits Antworten, ich will nicht sagen, vorweggenommen, denn das wäre zu unbescheiden, aber zumindest einen Beitrag geleistet. Ich hoffe, daß Sie auch uns als Oppositionsparteien beziehungsweise -partei in diese Diskussion aufnehmen. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Als was?)

Die Zwischenrufe des Herrn Bauer sind wie üblich. (Heiterkeit.) Wollen Sie nicht einen Akt erledigen? Das wäre viel gescheiter. Ich habe gehört, Sie sind ein "berühmter" Aktenerlediger in irgendeinem Ministerium. (Neuerliche Heiterkeit.) Das wäre doch eine viel adäquatere Beschäftigung, als hier Zwischenrufe zu machen. Widmen Sie sich Ihren Akten! (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Gehen Sie Schi fahren!) Das mache ich zwischen Weihnachten und Neujahr! Sorgen Sie sich nicht!


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Meine Damen und Herren! Ich komme zu einem weiteren Punkt der Tagesordnung. Es ist dies ein Antrag der Frau Dr. Schmidt und PartnerInnen über die Zulässigkeit von Steuerabsetzbeträgen für Sponsoring. Ich möchte erläutern, warum wir diesen Antrag neuerlich eingebracht und diesmal gebeten haben, ihn zur Erledigung dem Kulturausschuß und nicht mehr dem Finanzausschuß zuzuweisen. Wir glauben, dort besteht vielleicht eher verständnisvolle Geduld bei den Kollegen der anderen Fraktionen, darüber zu diskutieren. Im Finanzausschuß geht es natürlich ein bissel technokratischer zu, und wir glauben, daß damit wirklich ein Anliegen der Kulturschaffenden dieses Landes beantwortet wird.

Herr Bundesminister, Sie wissen, wir und viele andere in diesem Haus sind der Meinung, wir sollten rigoros Freibeträge und andere Bestimmungen – Sie sagen Schlupflöcher, ich sage Ausnahmeregelungen – zugunsten einer radikalen und nachhaltigen Tarifreform aufgeben. Das ist auch meine Meinung.

Solange wir aber diesen Schritt nicht getan haben und nicht tun können, ist es, glaube ich, legitim, auch in Zeiten der Sparsamkeit, Gleichberechtigung und einen Ausgleich zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen zu schaffen und unter anderem dabei auch die Kultur und die Kulturschaffenden nicht zu kurz kommen zu lassen.

In diesem Sinne erlauben wir uns, einen Antrag dahin gehend einzubringen, daß Sponsoring in gewissem Rahmen absetzbar sein soll – wie verschiedene andere Ausgaben auch – und daß keine Diskriminierung der Künste und der Kunstschaffenden in diesem Punkt stattzufinden hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der nächste Punkt der Tagesordnung, mit dem ich mich befassen möchte, ist das Thema Oesterreichische Nationalbank. Diesbezüglich haben wir ein kleines Problem. Herr Böhacker, Sie haben einen Antrag eingebracht, dem wir zwar in der Begründung, nicht aber in der Antragstellung folgen können, und ich erlaube mir, anschließend einen eigenen Antrag, der vergleichsweise begründet, aber andere Konsequenzen vorsieht, einzubringen. Dem Antrag des Herrn Dolinschek hingegen werden wir zustimmen.

Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich nicht verständlich, daß wir in Zeiten wie diesen, in Zeiten von Sparpaketen und in Zeiten von Anpassungsdruck und von Eingriffen in verschiedenste Bereiche der österreichischen Bevölkerung eine privilegierte, und zwar höchst privilegierte Gruppe in dieser Form ungeschoren oder, ich würde sagen, unberührt lassen, denn scheren wollen wir sie ja nicht. Wir wollen sie nur gleichbehandelt oder vergleichbar behandelt wissen.

Ich glaube daher, daß es sehr wohl einen Handlungsbedarf gibt, und zwar nicht so sehr, weil die Dimension, die damit bewegt oder bewirkt würde, so abenteuerlich groß oder so staatstragend wäre, sondern weil die Politik den Menschen dieses Landes ein Signal geben soll, daß wir willens sind, nicht nur – das kommt ja heute auch noch in Form der Besprechung einer Anfragebeantwortung – unsere eigenen Bezugsregelungen über die Bühne zu bringen, und zwar transparent, offen und auch rasch und der Zeit angemessen, sondern auch jene dieser Gruppe in der Oesterreichischen Nationalbank.

Ich erlaube mir daher, folgenden Entschließungsantrag einzubringen, Herr Präsident, und bitte, ihn mit in Verhandlung zu nehmen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und PartnerInnen betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Bestimmung des § 69 Abs. 2 des Nationalbankgesetzes so zu verändern, daß die Pensionsvorsorge in Form einer Rückstellung nach § 211 Handelsgesetzbuch erfolgen kann, Maßnahmen einzuleiten, das Pensionsrecht der Angestellten


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der Nationalbank an das Niveau der ASVG-Pensionen anzupassen, und die Bestimmungen des § 78 Nationalbankgesetz aufzuheben. Der Unterschiedsbetrag zwischen der Pensionsreserve und der so geschaffenen Pensionsrückstellung ist erfolgswirksam aufzulösen und als Sonderdividende auszuschütten."

*****

Ich habe bewußt keinen Vorschlag gemacht, was Sie, Herr Bundesminister, damit tun könnten. Es sind im Mindestfall 3,5 Milliarden Schilling – das wissen Sie –; 4 Milliarden fehlen uns für die Technologieförderung, die wir kürzlich im Ausschuß besprochen haben. Es gibt aber auch noch zahlreiche andere förderungswürdige oder unterstützenswürdige Vorhaben, und sei es nur, daß wir der österreichischen Bevölkerung ein weiteres Sparpaket ersparen könnten oder damit zumindest ein weniger tiefgreifendes bewirken würden. – Auch dafür wären wir zu haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Letztlich, meine Damen und Herren, möchte ich noch ganz kurz auf ein Thema eingehen, das mir wirklich unverständlich ist, und zwar ist es der Tagesordnungspunkt über die Privatisierung der Bankenaufsicht. Man kann verschiedenster Meinung über die Sinnhaftigkeit dieses Vorhabens und über das Modell sein, wie man Bankenaufsicht oder Börsenaufsicht privatisieren soll, wie das überhaupt funktionieren soll. Ich glaube, es geht nicht so sehr um das Privatisieren – es ist zunächst eine Diskussion, ein Ansatzpunkt –, aber es geht um eine grundlegende und glaubhafte Reform dieser Aufsichtsstellen.

In diesem Zusammenhang, Herr Bundesminister, muß ich Ihnen etwas sagen: Als ich gelesen habe, daß der oberste Beaufsichtiger von Banken und Glücksspielmonopol selbst eine Beteiligung an einer australischen Gesellschaft in österreichischem Besitz hat und diese dann von ihm selbst beaufsichtigt wird, habe ich mir gedacht, es wird jetzt ein Aufschrei durch die Republik gehen, der Bundesminister wird diesen Mann zu sich zitieren, wird ihn sofort dienstfrei stellen, wird Disziplinarmaßnahmen ergreifen, die Staatsanwaltschaft einschalten und anderes Dramatisches tun. Was war? – Eigentlich war nichts. Eine kurze Zeitungsmeldung, und dann sagte der Betroffene, er ist um eine faire Lösung bemüht.

Jetzt muß ich fragen, meine Damen und Herren: Was ist, bitte schön, eine faire Lösung? Wieviel Empfinden für Vereinbarkeit und für Unvereinbarkeiten haben wir uns in diesem Lande noch bewahrt? Das kann doch nicht wahr sein! Wenn bei mir jemand, der einen Subunternehmer kontrollieren soll, bei einem beteiligt ist und dann zu mir kommt und sagt, er werde um eine faire Lösung bemüht sein, dann kriegt er von mir die einzig mögliche Antwort: Mag sein, aber nicht bei mir! – Sie, Herr Bundesminister, sollten sich vor solchen Mitarbeitern hüten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der verlesene Entschließungsantrag entspricht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte sehr.

10.46

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute diesen wissenschaftlichen Bericht über Umverteilung in Österreich diskutieren, so bin ich mit meinem Vorredner in dem Punkt nicht einer Meinung, daß dieser Bericht nicht aktuell sei. Ich halte ihn sogar für sehr aktuell, wenn ich mir etwa das Titelblatt eines heute erschienenen Wirtschaftsmagazins anschaue (der Redner hält eine Zeitschrift in die Höhe) , nämlich auch für politisch sehr aktuell, sodaß man, glaube ich, zu Beginn einer Debatte doch ein paar grundsätzliche Bemerkungen dazu machen muß. Meine Kollegen werden dann auf einzelne Aspekte näher eingehen.

Erste Bemerkung, meine Damen und Herren: Ich glaube, daß die Humanität einer Gesellschaft daran gemessen wird, wie sie mit den sozial Schwachen umgeht. Wir von der ÖVP bekennen


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uns zur sozialen Solidarität im Sinne des Ordnungsmodells der sozialen Marktwirtschaft. Für uns heißt soziale Solidarität, daß die Leistungsstarken sozial und solidarisch jenen helfen, die sozial schwach und aufgrund eigener Kraft nicht in der Lage sind, sich einen entsprechenden Lebensunterhalt zu verschaffen. – Das ist soziale Solidarität.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber eine sehr deutliche Grenze ziehen zwischen sozialer Solidarität im Sinne der sozialen Marktwirtschaft – soziale Solidarität ist ein integraler Bestandteil dieses Ordnungsmodells – und Umverteilungspolitik als Instrument marxistischer Sozialphilosophie und sozialistischer Gesellschaftspolitik, wonach es einfach darum geht, dem einzelnen möglichst viel wegzunehmen, um eine möglichst große Umverteilungsmasse zu haben.

Dazu muß man sehr deutlich sagen: Es geht hier um eine eminent gesellschaftspolitische Fragestellung, nämlich um die Fragestellung: Wie groß soll der Entscheidungsspielraum des einzelnen hinsichtlich der Verwendung seines Arbeitseinkommens sein? Soll der einzelne einen möglichst großen Entscheidungsspielraum haben, wie er sein Arbeitseinkommen verwendet, oder soll ihm die Gesellschaft, der Staat durch Abgaben, Beiträge und Steuern möglichst viel wegnehmen, um möglichst viel umverteilen zu können?

Meine Damen und Herren! Wir von der Volkspartei erteilen der Umverteilungspolitik à la Marx eine klare Absage, aber wir sagen ein klares Ja zur sozialen Solidarität im Sinne der sozialen Marktwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, man muß in diesem Zusammenhang auch eines sehr deutlich sagen, und ich bekenne mich dazu: Man kann soziale Bedürfnisse nicht ein für allemal festlegen. Die sozialen Bedürfnisse wandeln sich ständig als Konsequenz der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, technischen Entwicklung. Wenn man aber sagt, soziale Bedürfnisse lassen sich nicht ein für allemal festlegen, dann hat das zwei Konsequenzen:

Erste Konsequenz – und ich sage das jetzt sehr deutlich –: Man kann nie einen Sozialstopp ausrufen, weil immer wieder neue soziale Bedürfnisse entstehen.

Die zweite Konsequenz ist aber: Es dürfen einmal eingeführte soziale Leistungen nicht für alle Zeiten tabu sein, sondern man muß diese ständig den sozialen Bedürfnissen anpassen, man muß den Sozialstaat umbauen, und es ist meines Erachtens eine der ganz großen Herausforderungen für unsere Generation, dieses System der sozialen Sicherheit langfristig abzusichern.

Meine Damen und Herren! Bei aller Notwendigkeit, eine Umverteilungsdiskussion zu führen, sei eines auch sehr deutlich gesagt: Für mich hat immer noch die Beschäftigungspolitik Vorrang, und wir müssen sehr achtgeben, daß der Standort Österreich arbeitsplatzmäßig abgesichert wird. Ich will keinen Zustand haben, bei dem wir zwar ein schönes Sozialsystem auf dem Papier haben, aber keine Arbeitsplätze mehr, um dieses Sozialsystem zu finanzieren. – Auch das muß man einmal, glaube ich, sehr deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Aufgabenstellung umfassend sehen, nämlich im Spannungsverhältnis zwischen Beschäftigungspolitik und Standortsicherung einerseits und Umverteilung oder sozialer Solidarität andererseits, so haben wir daneben auch noch andere Spannungsverhältnisse: das Spannungsverhältnis zwischen Eigenverantwortung und Bevormundung, das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und sozialer Sicherheit.

Ich möchte im Sinne der freiwilligen Redezeitbeschränkung vielleicht nur drei Standpunkte hier erwähnen – man könnte sehr lange darüber diskutieren –, drei Grundpositionen für meine Partei klarstellen.

Erste Position: Für uns sind persönliche Freiheit und soziale Sicherheit gleichrangige Werte. Da gibt es keine Über- oder Unterordnung, sie müssen einander ergänzen. Wir wollen beide Elemente als Grundwerte unserer Gesellschaft haben: persönliche Freiheit und soziale Sicherheit. (Beifall bei der ÖVP.)


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Das zweite, meine Damen und Herren: Wir bekennen uns dazu, daß die Grundwerte der Eigenverantwortung, der Initiative zur Eigenvorsorge wieder einen höheren gesellschaftspolitischen Stellenwert bekommen müssen. Ich glaube, hier ist in den letzen Jahren – seit den siebziger Jahren – eine Entwicklung eingerissen, die bewirkt hat, daß wir eigentlich zu viel Umverteilungspolitik betrieben haben, den Handlungsspielraum des einzelnen zu sehr eingeengt haben, was die Verwendung seines persönlichen Arbeitseinkommens betrifft.

Eine dritte Grundsatzposition, meine Damen und Herren: Ich glaube, neben dem Grundsatz der Solidarität ist auch dem Grundwert der Subsidiarität wieder verstärkt Anerkennung zu zollen. Damit meine ich, daß es nicht Aufgabe der Gesellschaft und der Gemeinschaft sein kann, dem einzelnen jedes kleinste Risiko abzunehmen, sondern daß die soziale Gemeinschaft dafür da ist, dem einzelnen dann zu helfen, wenn er selbst überfordert ist. Die kleinen Risken des täglichen Lebens jedoch können durchaus eigenverantwortlich vom einzelnen getragen werden.

Das bedeutet auch das Bekenntnis zu einem sozial gestaffelten Selbstbehalt, und das bedeutet auch das Bekenntnis zu einer sozialen Staffelung gewisser Transferleistungen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel – ebenfalls applaudierend –: Bravo! Bravo!)

Zum Abschluß nur einige grobe Richtungsangaben zu Beginn einer solchen Diskussion. Diese Richtungsangaben für die nächsten Jahre lauten für mich – und ich bekenne mich dazu –: Mehr Leistung und weniger Umverteilung, mehr Eigenverantwortung und weniger Bevormundung, mehr Freiheit und weniger Abhängigkeit! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Koppler: Halleluja!)

10.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort.

10.52

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Ausschuß war es Herr Minister Klima, der gemeint hat, er sei eigentlich nur der Briefträger, denn der Auftrag zu diesem Verteilungsbericht sei ja vom Parlament ergangen, er verwalte also diesen Bericht nur.

Ich muß dem Herrn Minister schon so wie mein Kollege Alexander Van der Bellen antworten: Für einen Briefträger, Herr Minister, sind Sie ganz schön langsam! Auch wenn die gelbe Post in den letzten Jahren schon ziemlich ausgehungert worden ist, auch wenn die gelbe Post in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch weitere finanzielle Einbrüche erleiden wird – aber so langsam, wie Sie, Herr Minister, diese Post an das Parlament weitertransportieren, nämlich mit einem Jahr Verzögerung, so langsam ist nicht einmal die gelbe Post in Zeiten budgetärer Knappheit. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Haselsteiner. )

Zum Verteilungsbericht selbst: Der Verteilungsbericht, den das Wifo erstellt hat, bestätigt im wesentlichen ähnliche, gleichgelagerte Untersuchungen, die nicht nur hier in Österreich gemacht worden sind, sondern beispielsweise auch von der OECD über die Einkommens- und Vermögensverteilung in den Industrieländern gemacht wurden. Auch die OECD-Untersuchung über die Einkommensverteilung sagt – eigentlich bezogen auf alle entwickelten Industrieländer inklusive Österreich –: Die Reichen werden reicher, und die Armen werden ärmer.

Das ist im wesentlichen auch der Tenor dieser Studie des Wifo. Auch für Österreich wird teilweise mit dramatischen Zahlen belegt, daß die Ungleichverteilung von Einkommen – der Wifo-Bericht spricht ja im wesentlichen nur darüber – auf der personellen Ebene, aber auch auf der funktionelle Ebene, also zwischen Löhnen und Gewinneinkommen, zunimmt. (Abg. Dr. Lukesch: Die Querverteilung ist nicht dabei!)

Die Querverteilung, Herr Abgeordneter Lukesch, ist sehr wohl miteinberechnet, auch im Wifo-Bericht. (Abg. Dr. Lukesch: Nein, er hat extra gesagt, er konnte das nicht zuordnen!)


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Ich denke, auch wenn man die Steuern und Abgaben dazurechnet – und das ist ja auch ein Ergebnis des Wifo-Berichtes –, resultiert daraus für bestimmte Bereiche eine sehr dramatische Entwicklung, die noch dadurch verstärkt wird, daß dieser Wifo-Bericht vor dem Sparpaket 1 beziehungsweise auf alle Fälle in allen Zahlen vor dem Sparpaket 2 mit seinen sehr drastischen Auswirkungen auf die Verteilung hier in Österreich erstellt worden ist.

Ich möchte aber, bevor ich auf die konkreten Bereiche eingehe, noch einen Punkt rückblickend auf die OECD-Untersuchung beziehungsweise auch auf Untersuchungen der UNO erwähnen. Das, was wir hier in Österreich – auch gefördert durch Sparpaket 1 und 2 – erleben, spielt sich in anderen Ländern, in nicht entwickelten Ländern natürlich in einem noch viel dramatischeren Ausmaß ab. Wenn ich mir etwa die Zahlen, die eine UNO-Untersuchung über die weltweite Verteilung von Einkommen und Vermögen hervorgebracht hat, vergegenwärtige, wenn ich mir vergegenwärtige, daß einige wenige reiche Personen – konkret werden, glaube ich, 300 genannt –dasselbe verdienen, dasselbe Einkommen haben wie zwei Milliarden Menschen auf dieser Welt, dann ist einiges an Dramatik in diesen nackten, dürftigen Zahlen enthalten.

Aber, meine Damen und Herren, das, was sich international abspielt, sollte uns nicht beruhigen. Unsere Anstrengungen sollten eigentlich verstärkt werden – auch auf internationaler Ebene, auf europäischer Ebene, auf UNO-Ebene –, für eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen nicht nur hier in Österreich, sondern weltweit zu sorgen.

Ich komme zur Wifo-Studie selbst. Einer der wesentlichen Punkte im Kapitel über direkte Steuern und Abgaben ist meines Erachtens, daß die Wifo-Studie feststellt, daß die besonders niedrig qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, vor allem also Arbeiter, eine besonders starke Belastung durch die Sozialabgaben erleiden. Diese Belastung durch die Sozialabgaben gerade für die Bezieher niedriger Einkommen wird noch dadurch verstärkt, daß die Sozialabgaben steuerlich absetzbar sind.

Meine Damen und Herren! Wir sind aufgerufen, uns das anzusehen und die Wifo-Studie auch in diesem Bereich ernst zu nehmen. Es kann nicht so sein, daß die Sozialabgaben ausgerechnet jenen Einkommensgruppen die meisten Lasten aufbürden, die am wenigsten mit ihnen fertig werden können. Diesbezüglich bin ich nicht beim Kollegen Stummvoll, der hier in allgemeinen salbungsvollen Worten von der Verantwortung, von der Freiheit des einzelnen und von der Selbstvorsorge gesprochen hat. Es sind ganz andere Themen, denen wir uns angesichts dieses Verteilungsberichtes stellen müßten.

Ich bin auch nicht ganz bei den Wifo-Vorschlägen, aber ich bin sehr wohl beim Wifo, wenn es darum geht, endlich den unterschiedlichen Krankenversicherungsbeitrag für Arbeiter und Angestellte zu vereinheitlichen, und zwar auf einem Niveau, das sozial verträglich ist, das heißt, das für Arbeiter auch akzeptabel ist. Ich bin sehr wohl beim Wifo, wenn es darum geht, daß in der Krankenversicherung auch die Höchstbemessungsgrundlage angehoben werden könnte.

Ich kann mir aber auch vorstellen – das betrifft den Steuerbereich –, daß wir auch dort, wo es eindeutig – das ist im Wifo-Bericht nicht thematisiert – Bevorzugungen von privilegierten Betrieben, Bevorzugungen von privilegierten Personengruppen gibt, etwa bei der freiwilligen Abfertigung, etwas tun. Sie, Herr Bundesminister, denke ich, wissen genau, wo bestimmte Personengruppen, bestimmte Betriebe hier in Österreich ausgenommen sind und nach wie vor den begünstigten Steuersatz auch für die freiwilligen Abfertigungen erhalten. Ich kann mir also vorstellen, daß man, bevor man überhaupt daran denkt, das Thema Abfertigungen ernsthaft anzugehen, hier einmal für Steuergerechtigkeit sorgt, etwa dafür sorgt, daß – ich nenne Betriebe – zum Beispiel beim ORF, zum Beispiel beim ÖGB, aber auch in anderen Betrieben und bei anderen Personengruppen bei freiwilligen Abfertigungen Steuergerechtigkeit erzielt wird. (Bundesminister Mag. Klima: Beim ORF gibt es das nicht mehr!) Gut, beim ORF nicht mehr, aber es gibt noch genügend andere Betriebe. Ich denke, Herr Minister, Sie können sie besser aufzählen als ich.


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Im Bereich der anderen Steuern – es ist mir wesentlich, das festzuhalten – verweist die Wifo-Studie darauf, daß etwa im Bereich der Kapitalertragsteuer auf distributive Prinzipien verzichtet wurde. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Es wäre doch wesentlich sinnvoller gewesen, nicht nur die Kapitalertragsteuer auf 25 Prozent anzuheben, sondern mit Ihrer Zweidrittelmehrheit, die Sie ja jetzt haben, auf 30 Prozent und statt dessen dort Ausnahmen zu machen, wo es für einkommensschwache Gruppen im Bereich der Kapitalertragsteuer tatsächlich eine Belastung gibt. Es sollten distributive Prinzipien zur Geltung gebracht und jene Personengruppen bei der Kapitalertragsteuer entlastet werden, die tatsächlich nicht mehr haben als ein kleines Sparbuch bei der Bank. Das wäre doch eine Möglichkeit gewesen. Da könnten Sie etwas mehr Steuergerechtigkeit schaffen, denn die Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent schafft sie nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Ein anderes Beispiel im Bereich der anderen Steuern. Sie haben im Zusammenhang mit den Steuerreformen – und das habe ich schon bei der Anfrage an Sie, Herr Bundesminister, erwähnt – die Vermögensteuer für Privatvermögen abgeschafft und – wie das Wifo feststellt – dadurch den Progressionsgrad des Steuer- und Abgabensystems insgesamt geschwächt. Gleichzeitig ist durch die Abschaffung der Vermögensteuer eine Benachteiligung des Realkapitals erreicht worden. Das Realkapital unterliegt weiter der Erbschaftssteuer, und dadurch werden Investitionen in Finanzanlagen – also genau in jene Bereiche, die wir nicht unbedingt mit dem Steuersystem auch noch fördern wollen – gefördert. Wir wollen eher Investitionen in Realkapital fördern. Genau in diesem Punkt – bei der Vermögensteuer, bei der Nichtneuregelung der Erbschafts- und Schenkungssteuern – geht das Steuersystem in die falsche Richtung.

Ich verweise nur auf das – Herr Abgeordneter Nowotny, vielleicht ist Ihre Rede deswegen so kurz ausgefallen –, was Sie, Herr Abgeordneter Nowotny, im Zusammenhang mit der Steuerreform 1994 gesagt haben. Laut "Presse" vom 13. September 1993 sagte Abgeordneter Nowotny: "Es ist für uns völlig klar, daß im Parlament die Steuerreform nicht beschlossen werden kann ohne eine politisch verbindliche Erklärung, was mit der Erbschaftssteuer geschieht."

Herr Abgeordneter Nowotny! Ich warte auf die politisch verbindliche Erklärung seit drei Jahren, und mit mir warten nicht nur einige grüne Abgeordnete hier in diesem Haus, sondern sehr viele Menschen in diesem Land, in Ihrer Partei darauf, daß dieser Bereich endlich geregelt wird, daß endlich klargestellt wird, daß die Entlastungen, die Sie mit der Steuerreform 1993 geschaffen haben, eine entsprechende Korrektur erfahren.

Ich denke, wir sollten uns dazu bekennen, daß Vermögen besteuert werden sollen, daß private Vermögen ebenfalls distributiv besteuert werden sollen, das heißt mit den entsprechenden Ausnahmen für diejenigen, die nur ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung oder sonst einen kleinen Besitz haben. Österreich ist bei der Vermögensbesteuerung das Schlußlicht innerhalb der OECD-Staaten. Es gibt keinen Grund, Kollege Koppler, darauf stolz zu sein.

Ich fordere in diesem Zusammenhang, wenn es um die Vermögen und den Wegfall der Vermögensteuer hier in Österreich geht, daß man endlich, wenn man so einen Bericht erstellt (der Redner hält den Wifo-Bericht in die Höhe) , auch den Reichtum in Österreich thematisiert.

Es geht nicht an, daß der Finanzminister – es war damals Finanzminister Lacina – einem Wirtschaftsmagazin gegenüber – "trend", auch im Jahre 1993 – erklären kann: "Über die Vermögen in diesem Land weiß ich als Finanzminister nicht Bescheid. Da gibt es politische Widerstände, die Vermögenssituation in diesem Land konkret zu erfassen."

Meine Damen und Herren! Das hat der Finanzminister gesagt: Ich weiß eigentlich nicht, wer tatsächlich wie reich ist in diesem Land. Da kann ich nichts machen. – Das ist eine Bankrotterklärung einer Regierung und einer politisch verantwortlichen Partei oder von Koalitionsparteien, die für diese Situation die Verantwortung tragen (Beifall bei den Grünen), wenn sie sagen müssen, daß sie eigentlich nicht wissen, was mit dem Reichtum in diesem Land los ist.

Es ist eine Forderung auch der Armutsbewegung und der Armutskonferenzen in diesem Land, daß endlich nicht nur die Armut thematisiert wird, die sich in den Winkeln in diesem Land ver


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steckt hat und schön langsam wieder auf die Straßen kommt, daß nicht nur das erfaßt wird, sondern daß auch der Reichtum thematisiert wird. Es geht nicht an, daß aufgrund des verfügbaren Zahlenmaterials über Einkommensverteilung nur die unselbständigen Einkommen erfaßt werden können, weil diese am besten von der Steuer erfaßt werden, wie wir alle wissen, bei der Lohn- und Einkommensteuer beispielsweise.

Ich werde über die restlichen Punkte etwas kürzer sprechen, obwohl es einiges zu sagen gäbe, etwa zum Bereich Familienförderung. Ich möchte darauf verweisen, daß das ein Bereich ist, in dem der Verteilungsbericht auch aufgrund seiner Methodik tatsächlich Probleme verursacht.

Die Pensionen werden im Verteilungsbericht den Erwerbseinkommen, den Markteinkommen zugerechnet. Und das ist ein Problem, weil dabei der Anschein erweckt wird, als ob im Bereich der unteren Einkommen relativ wenige Personen, Haushalte mit Kindern vorhanden wären. Würde man die Pensionisten aus diesen Markteinkommen herausrechnen, dann würde man natürlich draufkommen, daß es in den Familien, in den Haushalten mit niedrigen Einkommen auch viele Kinder gibt, wesentlich mehr gibt. Aber wenn ich natürlich die Pensionisten, die nicht kleine Gruppe der Pensionisten, in die Markteinkommen hineinrechne, dann sieht die Sache etwas anders aus.

Tatsache ist – und das ist wichtig –: Die Situation im Bereich der Familienförderung und des Familienlastenausgleiches ist etwas differenzierter, als Sie das in Ihren unterschiedlichen Standpunkten immer darstellen. Es ist nicht so, wie die ÖVP sagt, es ist aber auch nicht so, wie die SPÖ sagt. Unterschiedliche Gruppen haben unterschiedliche Kinderzahlen. Es gibt unterschiedlich lange Ausbildungen für unterschiedliche Gruppen. Auf das kann man sich einigen. Aber das heißt nicht, daß Ihr Konzept mit der sozialen Staffelung von Transferleistungen im Bereich der Familienbeihilfen greifen kann, greifen soll und greifen darf. Das heißt aber auch nicht, daß die ÖVP mit ihrem Standpunkt, daß ohnehin alles in Ordnung ist, völlig recht hat.

Insgesamt stellt der Wifo-Bericht fest: Es gibt eine eher progressive Wirkung des Familienlastenausgleiches. Und das sollten wir ernst nehmen. (Beifall bei den Grünen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Danke, aber ich werde noch die 5 Minuten beanspruchen, die mir zustehen.

Ich denke, es wäre notwendig, im Bereich des Familienlastenausgleiches endlich das zu schaffen, was ich auch schon in der Anfrage an den Minister einzufordern versucht habe, nämlich Beitragsgerechtigkeit bei den Beiträgen an den Familienlastenausgleichsfonds. Frau Kollegin Hostasch! Das war ja auch eine Forderung der Arbeiterkammer. Warum hört man nichts von der Arbeiterkammer in diesem Bereich? – Beitragsgerechtigkeit für Selbständige, für Gewerbetreibende, auch für Politiker. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Mir kommt jedesmal die Galle hoch – muß ich Ihnen sagen –, wenn ein Politiker aus dem sozialdemokratischen Bereich sagt: Im Bereich der Familienförderung könnte er – das hat zum Beispiel Bürgermeister Häupl gesagt – durchaus auf das Schulbuch für sein Kind verzichten. Herr Bürgermeister Häupl soll zuerst einmal einen Beitrag zahlen. Er weiß offensichtlich nicht einmal, daß er keinen Beitrag für den Familienlastenausgleichsfonds zahlt. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht hier gar nicht um die Person des Bürgermeisters Häupl. Aber es ist bezeichnend, daß wir Politiker es uns so einfach machen und von sozialer Staffelung reden und offensichtlich nicht einmal wissen, daß die Politiker, die keine Zweiteinkommen haben – wie du, Kollege Edler –, keine Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds leisten. (Beifall bei den Grünen. – Weitere Zwischenrufe des Abg. Edler. )

Ich habe nicht mehr so viel Redezeit. Ich muß noch auf die Arbeitslosenversicherung, auf etwas, was für mich wichtig ist, zu sprechen kommen. Wichtig ist mir, was der Wifo-Bericht in diesem Bereich feststellt: Die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik sind von 15 auf 10 Prozent von den achtziger Jahren auf die neunziger Jahre gekürzt worden.


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Wenn wir uns die neuen Zahlen für aktive Arbeitsmarktpolitik anschauen, Kollegin Hostasch, dann werden wir sehen müssen, daß wir nur bedingt durch die ESF-Förderungen diese Zahlen einigermaßen halten können. Und da verletzen Sie von den Koalitionsparteien die Abmachungen, die auch mit der EU getroffen wurden, denn die Förderungen, die die EU über den ESF gibt, sind additiv zu betrachten, das heißt, sie müssen hinzukommen. Das tun sie aber nicht. Sie werden nicht additiv betrachtet, sondern sie werden eingerechnet. Und das ist das Problem, das wir mit Ihrer Art, aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, haben. Das ist auch ein Punkt, der in der Wifo-Studie untersucht wird.

Aber eigentlich geht es im Bereich der Arbeitslosenversicherung um etwas anderes, nämlich darum, daß Sie bei Sparpaket 1 und Sparpaket 2 offensichtlich die völlig falschen Resultate aus diesem Verteilungsbericht gezogen haben und genau bei jenen sehr großen Gruppen am meisten eingespart haben – etwa im Bereich der NotstandshilfebezieherInnen, im Bereich derjenigen, die Notstandshilfe beziehen und Kinder haben –, die es sich am wenigsten leisten können.

Wenn dann Abgeordneter Stummvoll noch sagt, wir müssen mehr auf Eigenverantwortung, auf Eigenvorsorge setzen, dann bitte ich den Abgeordneten Stummvoll, zu erklären, was das für eine Notstandshilfebezieherin bedeutet, die ein Einkommen von 6 000 S hat. Wie soll diese denn Vorsorge und Eigenverantwortung betreiben, Herr Abgeordneter Stummvoll? Erklären Sie doch das den Leuten, die tatsächlich nur 6 000 S verdienen!

Es ist mehr erforderlich als Ihre Vorstellung von Freiheit und von Solidarität in allgemeinen und salbungsvollen Worten. Genau jene Bereiche, in denen es tatsächlich möglich gewesen wäre, über das Sparpaket umzusteuern, in denen die Verteilungswirkung falsch läuft, etwa im Bereich der Wohnbauförderung, etwa im Bereich des Verkehrs, sind nicht im Sparpaket 1 und Sparpaket 2 thematisiert worden. Genau das ist das Problem.

Ich hätte mir auch gewünscht, daß all jene Minister und Ministerinnen, die mit diesen Materien befaßt sind, heute bei der Behandlung der Studie über Umverteilung hier anwesend sind, weil es eine Sache ist, die tatsächlich nicht nur den Finanzminister betrifft. Sie sind nicht gekommen.

Wir hätten uns gewünscht, daß Sozialminister Hums, da das ein großer Bereich ist, bei der Behandlung dieses Themas ins Hohe Haus kommt. Er hat uns gesagt, er müsse einen anderen Termin wahrnehmen. Wir haben das letztendlich akzeptiert, bringen aber einen Entschließungsantrag ein, wonach Minister Hums, weil gerade im Bereich der Arbeitslosenversicherung dramatische Reformen anstehen, in der nächsten Sitzung des Nationalrates Ende November einen Bericht über die geplanten Reformen in seinem Bereich erstatten soll.

Ich bringe Ihnen diesen Entschließungsantrag zur Kenntnis:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Karl Öllinger, Mag. Doris Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend Reform des Arbeitslosenversicherungsrechts

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wird aufgefordert, dem Parlament im Rahmen der nächsten Plenarsitzungen (27. bis 29. November 1996) einen Bericht über die Entwicklung des Arbeitslosenversicherungssystems und die in diesem Zusammenhang geplanten Reformen sowie über sonstige anhängige Vorhaben abzugeben.

*****

Ich halte dies angesichts dessen, was sich bei den Arbeitslosen und bei den arbeitslosen Frauen derzeit an dramatischer Entwicklung abspielt, für unerläßlich.


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Ein Schlußsatz: Der Kirchenlehrer Augustinus hat den Satz geprägt: Was anderes sind Staaten, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden?

Herr Bundesminister! Sie sind zwar jetzt in eine Unterhaltung vertieft (Bundesminister Mag. Klima spricht mit Abgeordnetem Dr. Kostelka ), aber da Sie als Briefträger tätig waren und tätig sind, würde ich Sie ersuchen, diesen Satz in die Bundesregierung und in die Koalitionsparteien hineinzukolportieren. (Beifall bei den Grünen.)

11.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Öllinger vorgelesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt; er wird in die Verhandlung mit einbezogen.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hostasch zu Wort gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

11.13

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine aktive Verteilungspolitik durch die öffentlichen Haushalte ist eine sozial- und auch gesellschaftspolitische Notwendigkeit. Untersuchungen beweisen, daß Markteinkommen sich zunehmend ungleich verteilen, und insbesondere steigen Einkommen aus Besitz und Vermögen wesentlich stärker als Erwerbseinkommen. Besitz und Vermögen konzentrieren sich auch zunehmend auf weniger werdende reiche Bevölkerungsgruppen.

Wer in einer politischen und sozialen Stabilität am Zusammenhalt der Gesellschaft interessiert ist, wer verhindern will, daß Bevölkerungsgruppen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, muß sich für eine aktive Verteilungspolitik durch die öffentlichen Haushalte aussprechen.

Einige Überlegungen dazu: Die gestiegene Gewinnquote in der Einkommensverteilung hat kaum zu einem Anstieg der Realinvestitionen und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen geführt. Kollege Stummvoll ist zwar jetzt nicht im Saal, aber ich glaube, es ist eine ganz entscheidende Herausforderung, gerade da anzusetzen und zu schauen, was man tun kann, damit tatsächlich Arbeitsplätze geschaffen werden können. Es werden nämlich trotz Geldwertstabilität und niedrigen Zinsniveaus überwiegend Finanzinvestitionen und nicht Investitionen in die Realwirtschaft getätigt.

Da heute Weltspartag ist, möchte ich es vielleicht etwas pointiert formulieren: Es wird zu viel gespart, und die Möglichkeit zu sparen, ist höchst ungleich verteilt.

Die politische Antwort aus meiner Sicht darauf ist: Steigerung der Einnahmen des Staates und Reduzierung der öffentlichen Ausgaben bei den Bevölkerungsgruppen, die sich diese Einkommensausfälle ohne Auswirkung auf ihren Konsum auch leisten können. Ich denke, daß jene Maßnahmen, die wir in den Konsolidierungsprogrammen diskutiert und beschlossen haben, Schritte in die richtige Richtung gewesen sind.

Aus der Wifo-Studie ist erkennbar, daß das öffentliche Steuer- und Abgabewesen kaum verteilungspolitische Wirkungen zeigt. Die untersten Einkommensgruppen sind durch direkte und auch indirekte Steuern sowie durch öffentliche Abgaben prozentuell de facto genauso belastet wie die obersten Einkommensgruppen, und dies trotz optisch hoch erscheinender Spitzensätze.

Verteilungspolitisch bedenklich ist eine Entwicklung der Verlagerung der Steuer- und Abgabenlast weg von den Einkommens- und Gewinnsteuern hin zu den Sozialversicherungsbeiträgen und Abgaben und den indirekten Steuern.

Ich glaube, wir sind auch aufgefordert, sehr ernsthaft darüber nachzudenken, in welcher Form Umbasierungen bei den Bemessungsgrundlagen erfolgen können, in welcher Form wertschöpfungsbezogene Elemente in die Diskussion einzubringen sind, im Wissen, daß wir dies nicht nur


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national diskutieren können. Aber es gibt diese Diskussion auch auf europäischer Ebene, und ich glaube, das ist eine wichtige Diskussion. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Auch aus der Wifo-Studie ist erkennbar, daß Verteilungspolitik durch staatliche Ausgabenpolitik, dabei vor allem durch soziale Transfers erfolgt. Wenn von manchen in der derzeit stattfindenden Spardiskussion die Meinung vertreten wird, daß im Sparen das alleinige Mittel zur Lösung von Budget- und Finanzierungsproblemen liegt, so meine ich, daß dies nicht nur falsch, sondern gesellschafts- und sozialpolitisch unvertretbar und verteilungspolitisch kontraproduktiv ist. Denn genau beim Sparen treffen wir jene, die es am wenigsten verkraften. Wir müssen uns daher ganz genau überlegen, wo Leistungen bei öffentlichen Ausgaben zurückgenommen werden und wer davon betroffen ist. Denn getroffen werden dann in erster Linie Personengruppen, bei denen staatliche Transferleistungen einen wesentlichen Teil des Einkommens ausmachen und die sich nur mit deren Hilfe über oder an der Armutsgrenze halten können.

Eine Staffelung von Sozialtransfers nach Einkommenshöhe ist trotzdem ein Gebot der Stunde bei der zu diskutierenden Reform der Sozialleistungen. Die Gestaltung der Familienförderung wird eine Nagelprobe dafür sein, wie ernst es manche mit einer staatlichen Ausgabenpolitik meinen, die sich um die Schwachen in unserem Land kümmert. Für mich ist unvorstellbar, daß es dabei zu einer weiteren Umverteilung von unten nach oben kommt.

Für die weitere politische Diskussion und Erarbeitung von Konzepten sind Schlußfolgerungen, die das Wifo gezogen hat, aus meiner Sicht doch sehr interessant und sollten eine wichtige Grundlage für unsere Diskussion sein.

So stellt das Wifo fest, daß im Schul- und Hochschulwesen, in der Wohnbauförderung, Kulturförderung, bei der Finanzierung der Staatsschuld, im Straßenverkehr, der Gesundheits- und Familienleistungen die oberen Einkommensschichten überproportional berücksichtigt werden, wogegen bei den Leistungen der Arbeitslosenversicherung, bei der Wohnbeihilfe, bei den anderen Fürsorgeleistungen, bei Sozialhilfe, Ausgleichszulage und auch Karenzurlaubsgeld die unteren Einkommensschichten stärker berücksichtigt werden. Ich meine, das ist in Zukunft wichtig, wenn wir politische Betrachtungen anstellen.

Lassen Sie mich noch wenige Bemerkungen für die weitere Diskussion machen. Ich glaube, wir sollten schauen, daß wir überall dort, wo wir es als sinnvoll und möglich erachten, im Sozialangebot Sachleistungen anbieten und nicht Geldleistungen. Ich bedaure es heute noch, daß es uns nicht gelungen ist, das Bundespflegegeld nicht in Form von Sachleistungen anzubieten, sondern daß nur Geldleistungen den politischen Konsens finden konnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube auch, sehr geschätzte Damen und Herren, daß bei der Überprüfung der Sozialtransfers, wo einkommensmäßige Staffelungen sozial- und verteilungspolitisch erwünscht sind, das als unverzichtbar erachtet werden muß, was auch der Herr Finanzminister heute gesagt hat: Es darf das Individualsteuersystem in keiner Weise gefährdet werden, und die Treffsicherheit muß erhöht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich meine, auch die Verteilungsfrage darf nicht auf die Gruppe der unselbständig Erwerbstätigen reduziert werden. Es sind alle Bevölkerungsgruppen und insbesondere alle Einkommen aus Besitz und Vermögen und auch Erbschaften in diese Debatte mit einzubeziehen.

An die Adresse der Freiheitlichen: Kollege Böhacker, ich glaube, in der Verteilungsdebatte ist Ehrlichkeit gefordert. Weniger Umverteilung und mehr soziale Gerechtigkeit, das ist ein Spagat, den nicht einmal die "Begnadeten Körper" im Zirkuszelt schaffen, und ich glaube, daß auch die FPÖ diesen Spagat nicht schaffen kann. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Was haben Sie gegen die "Begnadeten Körper"?)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Herr Dr. Stummvoll hat "Mehr" und "Weniger" gegenübergestellt, ich denke, es wären auch mehr Arbeitsplätze und weniger Shareholder-Value-Politik gegenüberzustellen. (Beifall bei der SPÖ .)


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In unserem Finanzminister haben wir einen Vertreter, der sich bemüht, auch in der künftigen Debatte diesen Kriterien Rechnung zu tragen, und wir werden ihn dabei gerne unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. 8 Minuten Redezeit.

11.21

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ausgerechnet heute, im Zuge der Fragestunde, an einem Tag, an dem der Umverteilungsbericht diskutiert wird, macht Bundesminister Mag. Klima im Rahmen der Diskussion beziehungsweise der Anfrage bezüglich der Mindestkörperschaftsteuer bemerkenswerte Äußerungen.

Herr Bundesminister! Die Mindestkörperschaftsteuer eignet sich wirklich nicht zur Umverteilung in Österreich. Sie sollten endlich zur Kenntnis nehmen – das sei auch an die sozialistische Fraktion gerichtet –, daß die Mindestkörperschaftsteuer eine besondere Belastung für die Kleinbetriebe, für Familienbetriebe ist, die in Form einer GmbH geführt werden, die keinen Gewinn erzielen und nun 50 000 S Steuer zahlen müssen, obwohl sie das nie verdient haben.

Sie übersehen bei der Diskussion ganz, daß es ja nicht so ist, daß die Leute keine Steuer zahlen. Diese Leute, die da in einer GmbH mitarbeiten – es sind dies oft Familienangehörige –, versteuern ja ihr Arbeitseinkommen, also das Einkommen (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima ), das sie als Gehälter oder als sonstige Geschäftsführerbezüge beziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie sind wirklich fern der Praxis (Abg. Dr. Nowotny: Er kennt die Praxis sehr gut!) , wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen. Das können ja durchaus auch hohe Bezüge sein, denn man kann zum Beispiel als Geschäftsführer einer kleinen GmbH auch 50 000 S beziehen, die man natürlich ordnungsgemäß der Einkommensteuer unterziehen wird, aber es gibt dann keine Berechtigung, Herr Kollege Nowotny, dann auch noch 50 000 S Steuer zu zahlen, also rund 160 000 S Einkommen zu versteuern, das nicht vorhanden ist. Das verstehen Sie von der sozialistischen Fraktion leider nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist doch bemerkenswert, daß Herr Kollege Stummvoll fast frenetisch applaudiert, wenn der Herr Bundesminister Kleinunternehmer belastet. Ich würde den Kollegen Stummvoll einmal bitten, sich zu überlegen, welchen Beruf er in seinem – unter Anführungszeichen – "Privatleben" ausübt. Er ist nämlich Angestellter einer Interessenvertretung, und als Angestellter einer Interessenvertretung sollte er endlich lernen, die Interessen zu vertreten, anstatt aus Koalitionszwang einem solchen steuerpolitischen Unsinn des Herrn Bundesministers zu applaudieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. )

Herr Kollege Khol! Danke, daß Sie mir auch bestätigen, daß die ÖVP für die Mindestkörperschaftsteuer ist. (Abg. Dr. Khol: Ja, wir sind dafür!) Wir werden das bei den Unternehmern entsprechend verbreiten. Sie wollen also auch eine Besteuerung eines nicht verdienten Einkommens, das ist festzuhalten! (Abg. Schwarzenberger: Sie sind als Arbeiterpartei unglaubwürdig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Experte Dr. Guger hat ja im Ausschuß einige Sachen erwähnt, die der Regierungskoalition auch zu denken geben sollten. Er hat zum Beispiel gesagt, die Investitionsneigung ist um 50 Prozent zurückgegangen. Das ist Ergebnis einer verfehlten Wirtschaftspolitik.

Herr Dr. Guger hat gefordert, wir müßten die Investitionen fördern. Er hat gemeint, es sollten Maßnahmen ergriffen werden, damit die Investitionsneigung wieder steigt. Gerade das Gegenteil haben Sie im Frühjahr durch Ihr Belastungspaket eingeführt. Sie haben die Investitionsfreudigkeit in Österreich durch Ihr Belastungspaket 1996 weiter rückläufig gemacht.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaftsentwicklung ist vom Investitionsvolumen abhängig. Derzeit gibt es eine negative Entwicklung. Besonders im klein- und mittelständischen Bereich herrscht wenig Investitionsfreudigkeit, die Investitionen sind – das werden Sie sicher wissen – zurückgegangen, und wenn man den Prognosen, den Umfragen im klein- und mittelständischen Bereich glaubt, dann ist auch nicht daran gedacht, diese Investitionsfreudigkeit Anfang 1997 zu erhöhen.

Das ist bedenklich, und es ist höchste Zeit, daß positive Wirtschaftssignale gesetzt werden. Auch das hat der Experte Dr. Guger im Ausschuß verlangt, Herr Bundesminister! Er hat nämlich gesagt, es muß in Österreich etwas geschehen, damit Neugründungen von Unternehmen verstärkt erfolgen. Was machen Sie für Neugründungen von Unternehmen? Wo sind die Signale an Leute, die sich selbständig machen wollen? Wo sind hier Erleichterungen? Wo ist der Abbau von bürokratischen Hürden, damit sich die Leute eher entschließen, Unternehmer zu werden? – Die Mindestkörperschaftsteuer ist sicher kein Mittel, Leute dazu zu bringen, ins Unternehmertum einzusteigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Sie sagen heute immer wieder, der Umverteilungsbericht ist schon gut, aber es muß mehr geschehen für die geringeren Einkommen. Das unterschreibe ich Ihnen sogar, Frau Kollegin Hostasch. Nur dürfen Sie eines nicht vergessen: Die geringeren Einkommen sind nicht nur Arbeitnehmereinkommen – auf diesem Gebiet muß mehr geschehen; da gebe ich Ihnen recht –, zu den geringeren Einkommen zählen im Bereich der gewerblichen Selbständigkeit durchaus auch kleine Unternehmer, die manchmal viel, viel weniger verdienen als der eine oder andere Arbeitnehmer.

Unsere Aufgabe in Österreich sollte sein, Voraussetzungen zu schaffen, daß man in Österreich gut verdienen kann – egal ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Wir dürfen aber nicht mit weiteren Belastungen, zum Beispiel mit Belastungen der Löhne und Gehälter, eine Entwicklung einleiten, die nicht positiv sein kann.

Es ist eine gefährliche Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lohnkosten durch weitere Anhebung der Lohnnebenkosten zu erhöhen. Im Umverteilungsbericht sind derartige Ansätze drinnen; mein Kollege Böhacker hat diese Ansätze ja bereits ausgeführt. Wir können nur hoffen, daß das nicht Wirklichkeit wird, was im Umverteilungsbericht steht, was insbesondere Politiker der sozialdemokratischen Seite immer wieder angekündigt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Bereich ist heute auf der Tagesordnung: die Auflassung der Kommunalsteuer für Lehrlingsentschädigungen. Ich sehe diese Diskussion wirklich als politisch doppelzüngig von der Regierungskoalition geführt. Immer wieder werden Forderungen gestellt, die Kommunalsteuer für Lehrlinge aufzuheben. Nun lag ein Antrag der Freiheitlichen im Ausschuß vor. Was geschah? – Er wurde, ohne darüber zu diskutieren, von der Regierungskoalition abgelehnt.

Ich möchte Sie aber schon erinnern: Die Wirtschaftskammer forderte die Ausnahme am 20. September 1996, Landeshauptmann Zernatto am 1. Oktober 1996, Vizekanzler Dr. Schüssel am 23. Oktober 1996, und am 23. Oktober 1996 hat der Tiroler Landtag bei einer außerordentlichen Sitzung mit einem Dringlichkeitsantrag auch einstimmig angenommen, daß die Kommunalsteuer für Lehrlingsentschädigungen aufgehoben werden soll. Also alle – SPÖ, ÖVP, Freiheitliche –, alle vertretenen Gruppierungen im Tiroler Landtag! Und was machen Sie?

Sie haben Gelegenheit, heute Ihre Versprechungen, Ihre Forderungen wahrzumachen. Machen Sie daher nicht weiter Ankündigungen im Bereich der Lehrlingsentschädigung und der Kommunalsteuer. Heute haben Sie Gelegenheit, den Antrag der Freiheitlichen zu unterstützen und endlich einmal eine positive Maßnahme im Interesse der Lehrplatzschaffung in Österreich zu setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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11.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

11.29

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon im Ausschuß ist auch in der bisherigen Debatte ein Thema immer stärker als kontroversiell empfunden und angesprochen worden: Wie sieht derzeit die Familienförderung aus, und wie wird die künftige Gestaltung der Familienförderung sein?

Für uns als Volkspartei ist ein derartiger Bericht, wie er vom Wirtschaftsforschungsinstitut vorgelegt wurde, nicht nur Anlaß zu Analysen, sondern für uns ist, da wir Politik als Gestaltung bezeichnen und auffassen, ein derartiger Bericht selbstverständlich Anlaß zum Handeln, zum Verbessern, zum Ändern.

Deswegen sagen wir – im Gegensatz zur Behauptung von Herrn Öllinger, daß wir mit der Familienförderung zufrieden wären –, wir sind mit der gegenwärtigen Familienförderung nicht ausreichend zufrieden, und deswegen machen wir Ansätze, deswegen legen wir Konzepte vor, wie die Familie in unserer Gesellschaft besser unterstützt werden kann. Die Familie ist eine Grundlage in unserer Gesellschaft, die wir solidarisch zu unterstützen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum zweiten: Ich habe meine Kollegin Hostasch immer als sehr, sehr seriös in der Argumentation empfunden, aber wenn sie heute gesagt hat, derzeit fände in der Familienförderung eine Umverteilung von unten nach oben statt, dann muß ich sagen: Liebe Kollegin Hostasch, du hast diesen Bericht nicht gelesen. Ich zitiere aus dem Bericht, Seite 21. Da steht: "... verteilt die Familienförderung eindeutig vertikal von oben nach unten um." Es ist zudem klar angeführt: Das oberste Einkommensdrittel zahlt 69,7 Prozent in den FLAF und erhält 42,7 Prozent der Leistungen. Das untere Drittel zahlt 5,6 Prozent ein und erhält 18,6 Prozent der Leistungen.

Das heißt, auch dieser Bericht zeigt eindeutig, daß diese deine Aussage falsch ist (Abg. Hostasch: Nein!) , es ist auch eine vertikale Umverteilung von oben nach unten. Das heißt, wenn wir über eine Studie diskutieren, dann sollten wir sie zumindest richtig zitieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt stehen wir unmittelbar vor einer weiteren Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, wonach wir das derzeitige System der Familienförderung weiter korrigieren werden müssen – soweit zumindest sämtliche Vorberichte. Warum? – Weil natürlich innerhalb unserer Familienförderung in Österreich der Grundsatz gegeben ist, daß die Familienförderung eine horizontale Umverteilung sein müsse.

Die Einkommensbesteuerung ist eine vertikale Umverteilung, die Familienförderung allerdings soll eine horizontale Umverteilung sein. Horizontal von wem zu wem? – Es soll ein Ausgleich geschaffen werden zwischen Kinderlosen und Familien mit Kindern. Das ist die Idee der Familienförderung. Das heißt, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Kinderlosen soll mit jener wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen mit Kindern verglichen werden, und zwar der jeweils gleichen Einkommenshöhe. Darum geht es.

Das heißt, diese Familienförderung zu anderen Zwecken zu mißbrauchen als zu dem Zweck, die Familien wirklich zu stärken, hieße Schindluder treiben. Das darf nicht Folge eines derartigen Berichtes sein. Wir bekennen uns dazu, wir sagen ja zum Kind, wir sagen ja zur Familie, deswegen auch ja zu einer Verbesserung der Familienförderung. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich sage, daß wir uns nicht auf einen Kampf einlassen sollen, der beispielsweise in den Worten des Herrn Öllinger zum Ausdruck gekommen ist, daß man plötzlich eine derartige Studie als Anlaß eines Quasiklassenkampfes empfände, dann möchte ich jemanden, der vor vielen Jahren in der politischen Wirklichkeit große Wirkung erzeugte, nämlich Abraham Lincoln, zitieren, der einmal gesagt hat: "Ihr werdet keine Brüderlichkeit schaffen, indem ihr den Klassenkampf führt."

Wir wollen die Brüderlichkeit, wir wollen mehr Solidarität (Abg. Dr. Kostelka: Was ist mit der Schwesterlichkeit?) , wir wollen mehr horizontalen Ausgleich zwischen Kinderlosen und Steuerpflichtigen mit Kindern. Deswegen sagen wir von der ÖVP: Wir wollen unser System der


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Familienförderung weiter verbessern, deswegen treten wir auch dafür ein, daß die Steuerfreiheit des Existenzminimums für jedes Kind, für jeden Erwachsenen in der Familie Ziel unserer Familienpolitik sein soll.

Denn wir glauben, daß der Staat kein Recht hat, auf jenes Einkommen zurückzugreifen, das der einzelne in der Familie zum Leben braucht. Das ist Gerechtigkeit, die wir anpeilen, deswegen treten wir für eine weitere Verbesserung dieser Familienförderung zugunsten dieser notwendigen Balance für die österreichischen Familien im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung ein. (Beifall bei der ÖVP.)

11.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. 20 Minuten Redezeit. (Abg. Dr. Khol: Das ist jetzt interessant, was die Liberalen zur Umverteilung sagen!)

11.36

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Höchtl! Bevor ich mich meinen eigenen Ausführungen zuwende, möchte ich eine Bemerkung machen: Sie sind bis jetzt der einzige mir bekannte Leser der Umverteilungsstudie, der ihr entnommen hat, daß dieselbe von oben nach unten umverteilt. Dieses "Alleinstellungsmerkmal" wollte ich Ihnen ausdrücklich anerkennen.

Alle anderen, mit denen ich bisher gesprochen habe, haben das nicht herausgelesen, sie haben die Seite 21 wohl auch gelesen, aber sie sind ... (Abg. Dr. Khol: Das nennt man selektive Wahrnehmung!) Herr Klubobmann Khol! Sie haben die Studie wahrscheinlich überhaupt nicht gelesen. (Abg. Dr. Khol: Tatsächliche Berichtigung!) Ich nehme es an, macht nichts. Man muß nicht alles lesen. Wenn Sie sie allerdings nicht gelesen haben sollten (Abg. Dr. Khol: Ich habe sie gelesen!) , dann bitte ich Sie, mir nicht selektive Wahrnehmung zu unterstellen, denn selbstverständlich habe ich die Seite 21 auch gelesen, allerdings im Gesamtzusammenhang. Ich halte mich daher an den Gesamtzusammenhang einer Studie, und ein Gutachten macht letztlich Gesamtaussagen.

Teilweise ergibt das dann auch Aspekte, die von der Gesamtaussage nicht so gedeckt sind, wie man meinen würde, wenn man es vielleicht nicht verstanden hat. Wenn man aber den Gesamtzusammenhang liest und eine Matrix zu lesen weiß (Abg. Dr. Höchtl: Steht es drinnen oder steht es nicht drinnen?) , die horizontale und vertikale Aspekte hat, und wenn man die Schlußfolgerung der Studie gelesen hat, dann kann man, was die Konsequenzen betrifft, die man daraus zieht, unterschiedlicher Meinung sein. Da würde ich mich mit Ihnen gerne streiten. Aber die Studie jetzt selber so umzuinterpretieren, daß sozusagen die Sozialpolitik zum besten sei, daß unsere großen Aufwendungen, die wir im System vornehmen, die vielen Milliarden Schilling, die wir bewegen, richtig sind, das kann ich nicht nachvollziehen, und dieses "Alleinstellungsmerkmal" wollte ich Ihnen ausdrücklich zuordnen.

Ich meine, die Schlußfolgerung aus der Studie zu ziehen, daß alles zum besten stehe, daß die Sozialpolitik bestens funktioniere, in diesem Land keine Armut herrsche, niemand unter der Armutsgrenze lebe, niemand existentiell bedroht sei – das ist tollkühn! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Vorweg noch ein Gesichtspunkt zu Ihrem familienphilosophischen Zugang: Es ist völlig unbestritten, daß es für Kinder gut und das beste ist, wenn sie in einer konsolidierten Kleingruppe, die wir üblicherweise Familie nennen, aufwachsen. Das ist völlig richtig. Die Rechtsform ist dabei schon nicht mehr ganz so wichtig, die Verträglichkeit des Zusammenlebens ist wichtiger, die Rechtsform ist traditionell so, wie wir sie haben. Das soll so sein und ist auch gut.

Aber wenn Sie glauben, daß man das Problem von Kinderarmut dadurch beseitigen kann, daß man an bestimmten traditionellen Rollenbildern festhält, indem man Elemente in das System einbaut, die bestimmten traditionellen Rollenbildern folgen, die alle zu Lasten der Frauen gehen müssen, weil es sich um traditionelle Rollenbilder handelt, wenn Sie glauben, dadurch verbessere sich die Gesamtlage, daß man zu Lasten einzelner – in dem Fall einer ganzen Gruppe: der


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Frauen – das System so umbaut, daß man steuerliche Elemente einbaut, die eine Lenkungswirkung haben – selbstverständlich die Lenkungswirkung zurück zum Herd –, dann müssen Sie das dazusagen.

Es wäre selbstverständlich eine Lenkungswirkung zurück zum Herd. Wenn Sie die Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen kennen und wissen, was Progression im Steuersystem ist und wie sich das auswirkt, wenn man Einkommen optimiert, und zwar durchaus rational optimiert, dann müssen Sie das auch dazusagen. Wenn Sie das dazusagen, kann ich mir Ihre Argumentation viel leichter anhören. Dann ist sie ehrlich und transparent. Dann sagen Sie eben, wir wollen, indem wir die Individualbesteuerung zerschlagen, mit den Mitteln des Steuerrechtes erreichen, daß die Frauen zurück an den Herd geführt werden. – Das aus dem Munde eines leitenden Funktionärs des ÖAAB ist allerdings schon besonders bemerkenswert!

Dazu möchte ich hier noch etwas festhalten: Wenn Sie das Unterhaltsrecht kennen würden, wenn Sie wüßten, welche Rechtsansprüche Kinder in unserer Rechtsordnung haben, dann würden Sie wissen, daß das Unterhaltsrecht am netto verfügbaren Einkommen des Unterhaltspflichtigen anknüpft. Das heißt, wenn Sie beklagen, daß dies nicht adäquat für Menschen sei, die eben aus Familiengründen Unterhalt zahlen müssen für Kinder oder Unterhalt in natura leisten im Zusammenhang mit der Lebensgemeinschaft Familie, wenn Sie beklagen, diese hätten unterhaltsmäßige Nachteile, weil das nach Steuern geschieht, dann haben Sie das Unterhaltsrecht nicht gelesen. Das Unterhaltsrecht berücksichtigt nämlich die vorweg zu leistenden Aufwendungen, Steuern für die Gesamtgemeinschaft, und auch die Gesamtgemeinschaft ist ein Titel, der nicht unwichtig ist. Ich möchte nicht, daß sich das alles nur mehr zentriert auf die private Lebensform, und sie wird zuerst finanziert, und alle anderen kommen nachher. Das ist eine Frage der Güterabwägung.

Natürlich gibt es hier einen Interessenkonflikt, natürlich kann man, wenn man struktur- oder wertkonservativ oder noch weiter nach rückwärts gewandt ist, das anders sehen. Das ist legitim. Aber so zu tun, als ob es Sozialpolitik wäre, wenn Sie Lebensformen herstellen wollen mit den Mitteln des Steuerrechtes, das ist nicht legitim. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. )

Daher ist natürlich die Frage: Wie stark ist die horizontale, wie stark ist die vertikale Wirkung eines Werkzeuges, das wir einsetzen? nicht unbeachtlich. Und natürlich ist es wichtig, daß die Gesamtgesellschaft ihre Leistungskraft zur Verfügung stellt, damit kein Kind in Armut lebe, damit alle Kinder mit Chancengleichheit an den Start gehen können, damit auch die Bildungs- und Schulsysteme offen gestaltet sind und nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ein Hindernis für Fort-, Weiter- und Ausbildung und für das Fortkommen ist. Das ist alles richtig.

Das System, so wie wir es jetzt haben, ist eindeutig linear und nimmt keine Rücksicht auf die vertikale Situation in der Matrix. Jede Familie, jedes Kind erhält denselben und noch dazu keineswegs auskömmlichen Zuschuß vom Staat, keineswegs auskömmlich dann, wenn das Kind in einem Lebenszusammenhang lebt, in dem Armut vorherrscht, wo die Eltern zwar unterhaltspflichtig sind, den Unterhalt aber aus eigener Kraft, aufgrund ihrer Einkommenssituation, aufgrund anderer Lebensumstände eben nicht aufbringen können. Und dieses Kind bekommt denselben Zuschuß wie ein Kind, das in einem positiveren, glücklicheren, besseren Lebenszusammenhang lebt, wo die Eltern ohne weiteres in der Lage sind, aus ihrem Nettoeinkommen nach Steuern einen auskömmlichen Unterhalt aufzubringen.

Wenn ich diesen beiden Kindern denselben schillingmäßigen Betrag zuwende, dann ist das nicht nur vertikal ungerecht, sondern es ist auch unwirksam, weil dann die Armen arm bleiben und die Reichen, die es nicht gebraucht haben, ein bißchen mehr haben, und das halte ich für falsch. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn man diesen Befund deshalb abschmettert, weil man sagt, da fehlt der horizontale Effekt, dann kann ich nur sagen, wir haben Felder genug, den horizontalen Effekt zu erreichen. Wir können im Wohnungsbereich endlich auf Subjektförderung umstellen und von der Objektförderung weggehen. Da wird es sich zeigen, da können wir horizontal sehr viel erreichen. Da


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werden eben die Kinderzahl und die Größe der Familie eine Rolle spielen bei der Subjektförderung und bei der Wohnraumbeschaffung, und dann wird eben der oder die Alleinstehende diese Effekte nicht auslösen können in solch einem System, wenn die soziale Notwendigkeit eine Wohnbeihilfe erforderlich macht. Da habe ich viele Möglichkeiten, horizontal einiges zu verbessern.

Wir haben nach wie vor ein sehr stark horizontal ausgebildetes Bildungswesen. Daher kommt die Studie im übrigen in ihrer Gesamtaussage nicht zur Aussage, die Kollege Höchtl formuliert hat in diesem Zusammenhang, sondern sie kommt zu dem Ergebnis, daß im Prinzip der horizontale Lastenausgleich gegenüber einer Orientierung an der Bedürftigkeit dominiert. Aber dieser Halbsatz, er dominiert im Verhältnis zu einer Orientierung an der Bedürftigkeit, ist in Wirklichkeit der höfliche Vorwurf, daß die Bedürftigkeit im System nicht ausreichend berücksichtigt ist. Das ist der höfliche, der wissenschaftliche Vorwurf.

Daher ist natürlich der horizontale Ausgleich wichtig, und er darf nicht völlig außer acht gelassen werden, er wird es auch nicht in unserem System. Aber notleidend ist unser System in dem Bereich, wo es jetzt Armut erzeugt und vermehrt. Und wenn Sie sich bewußt machen, daß die Hauptquelle, aus der der Familienlastenausgleichsfonds gespeist wird, ein Element der Lohnnebenkosten ist, was gleichzeitig aber heißt, daß letztlich die unselbständig Erwerbstätigen, die diesen Kostenfaktor als Rechengröße tragen – die Unternehmen zahlen sie –, die einzigen sind, die hier einspeisen neben den Steuern, dann sehen Sie schon, das ist vielleicht auch eine Möglichkeit, auf der horizontalen Ebene einiges mehr zu tun.

Denn wenn der Familienlastenausgleich unter Umständen hauptsächlich und im Rahmen einer ökologischen Steuerreform schrittweise überwiegend steuerfinanziert wäre – bei gleichzeitiger Zurücknahme von Lohnnebenkosten –, dann würde das die horizontale Ausgleichsfunktion zweifellos verbessern, dann würde man nicht ausschließlich auf den Köpfen der unselbständig Erwerbstätigen einheben – oder fast ausschließlich –, noch dazu die Arbeitskosten verteuern und gleichzeitig daher Arbeitslosigkeit erzeugen oder vermehrt beschleunigen und Lenkungswirkungen haben. (Zwischenruf der Abg. Tichy-Schreder. ) Das wäre eine Möglichkeit, die horizontale Verteilungsgerechtigkeit zu verbessern. Aber Ihnen geht es ja nicht sosehr darum, sondern Ihnen geht es darum, eine ganz bestimmte Lebensform, eben um die mit der Frau am Herd ... (Abg. Tichy-Schreder: Dies sind Unterstellungen!)

Frau Tichy-Schreder! Wenn Sie das fordern, ist das der Effekt, und Sie können mir sagen, was Sie wollen, das ist der Effekt! Lesen Sie bitte einmal das Unterhaltsrecht, das darauf abstellt, daß nach Steuern Unterhalt zu leisten ist – nicht vor Steuern! Also was Sie an Steuern zahlen müssen, das können Sie sich Ihren Kindern gegenüber anrechnen lassen. Das ist keineswegs so, daß Sie doppelt zahlen müssen. Allerdings ist das Unterhaltsrecht reformbedürftig, das räume ich Ihnen gerne ein in diesem Zusammenhang. Es sieht nämlich nach wie vor vor, daß ein Unterhaltspflichtiger bis auf 30 Prozent seines Nettoeinkommens herunter in Anspruch genommen werden kann. Und was das gesellschafts- und sozialpolitisch oder auch individuell bedeutet, was plötzlich für Trümmer entstehen, weiß man, wenn man mit Scheidungsverfahren zu tun hat.

Ich bin keineswegs der Meinung, daß Scheidungen etwas sind, was man begrüßen soll oder was förderungswürdig ist – das meine ich nicht –, aber wenn die Situation so ist, daß eine Zerrüttung gegeben und die Ultima ratio die Scheidung ist, dann haben wir im Verhältnis dazu ein Unterhaltsrecht, das geradezu den sozialen Abstieg erzwingt. Kollege Graf, der mir hier mit Interesse folgt, weiß als Rechtsanwalt, wovon ich rede. Daher ist hier zum Beispiel auch die Frage zu stellen: Ist das Unterhaltsrecht nicht überreizt, weil wir es seit 100 Jahren nicht novelliert haben? – Dort können Sie vieles zur Herstellung einer verbesserten Sozialgerechtigkeit beitragen! Aber leider sind halt solche Dinge, wenn man sich intensiv mit ihnen beschäftigt, viel komplexer, als daß sie sich dafür eignen würden, in Sonntagsreden schnelle Überschriften zu schreiben.

Daher halten wir in diesem Zusammenhang noch einmal fest: Es geht darum, im Bereich der Familien und insbesondere der Familienbeihilfen, die den Kindern zugewendet werden müssen,


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daß wir kein Kind in Not und im Stich lassen wollen. Es geht um die existentielle Absicherung von Kindern, um die Herstellung von Chancengerechtigkeit und selbstverständlich auch um einen vertikalen Ausgleich. (Beifall beim Liberalen Forum. )

Wenn Sie sich die Zahlen vergegenwärtigen, Herr Kollege Höchtl, die Zahlen, die Sie dieser Studie entnehmen können, dann sehen Sie, daß sich auf die Einkommensdrittel – unteres, mittleres, oberes Einkommensdrittel – die Kinderzahlen ungefähr verteilen wie 22 : 48 : 30 Prozent. 22 Prozent der Kinder befinden sich im Lebenszusammenhang unteres Einkommensdrittel, ungefähr 48 Prozent der Kinder befinden sich im Familienzusammenhang mittleres und ungefähr 30 Prozent der Kinder befinden sich im Lebenszusammenhang oberes Einkommensdrittel. Das ist eindeutig ablesbar aus der prozentuellen Verteilung der Effekte des Mutter-Kind-Passes, denn das ist die Startsituation, und da wirkt sich nur die Kopfzahl der Kinder auf die Statistik aus, weil wir hier linear verteilen.

Wenn Sie sich die Familienbeihilfen anschauen, dann sehen Sie, daß 17 Prozent der Familienbeihilfen in das untere Drittel gehen, 37 Prozent ins mittlere und 45,5 ins obere – nicht nur wegen der "Linearität", sondern auch wegen der längeren Verweildauer der Kinder aus den höheren Einkommensschichten in unseren kostenlosen Bildungssystemen, was gleichzeitig zur Folge hat, daß für Kinder aus mittleren und aus höheren Einkommensbereichen wesentlich länger und nachhaltiger Familienbeihilfe gezahlt wird.

Genau das ist ein Doppelverstärker für die Chancenungleichheit. Es hat ja seine Gründe, warum sich die Kinder aus den unteren Einkommensdritteln weniger lang im Bildungssystem aufhalten – einerseits vielleicht, weil wir in der Aufklärungsarbeit noch einiges tun müssen, um den Leuten klarzumachen, daß eine gute Grund- und Fachausbildung etwas Wichtiges ist, andererseits aber, weil es sich bestimmte Familien gar nicht leisten können, ihre Kinder auf die AHS oder die BHS oder auf eine vergleichbare Fachschule zu schicken, und daher frühzeitig aussteigen müssen aus dem, was wir ihnen an linearen Transfers anbieten.

Da haben Sie den nächsten negativen Lenkungseffekt in dem System, und deswegen verteilt das Ganze im übrigen auch so dramatisch von unten nach oben um, denn wenn jemand länger im System Nutznießer ist – diese Zeitkomponente ist halt auch wichtig –, dann hat er mehr davon.

Bei den Schulbüchern derselbe prozentuelle Befund: 13 Prozent im unteren, 35 Prozent im mittleren, 51 Prozent im oberen Einkommensdrittel. Bei den Schülerfreifahrten dieselbe Situation: 16 Prozent im unteren, 35 im mittleren und 48 Prozent im oberen Einkommensdrittel – obwohl sich die Kinder verteilen wie 2 : 5 : 3, also 22 : 48 : 30 Prozent.

Sie sehen also, unser System der Familienförderung hat nicht nur die Komponente der Linearität und daher der "Gießkanne" – mein Kollege Haselsteiner hat im Gesamtzusammenhang schon deutlich gemacht, warum die "Gießkanne" zwangsläufig zur Dislokation von knappen finanziellen Ressourcen führt –, sondern es hat auch noch einen strukturkonservativen Verstärker eingebaut, einen, der dem Innovationspotential, dem Kreativitätspotential, dem Potential an Möglichkeiten von neuen Ideen von Kindern, die aus dem unteren Einkommensdrittel stammen, einfach nicht dieselben Entfaltungsmöglichkeiten gibt.

Wenn man nicht der Meinung ist – und wir sind nicht dieser Meinung –, daß die Herkunft ein Beweis für höhere Intelligenz oder Leistungsfähigkeit ist, sondern daß jeder Mensch, wenn er auf die Welt kommt, mit grundsätzlich denselben Chancen ausgestattet sein soll, daß man ihn daher begleiten muß, ihm helfen muß bei der Emanzipation auch im Bildungsbereich, dann sehen Sie, daß wir ein ganzes Potential brachliegen lassen, dem wir nicht die Chance geben, in der Folge so erwachsen zu sein, frei zu entscheiden und am Gemeinwesen mitwirken zu können. (Abg. Dr. Haselsteiner: Das gefällt uns nicht!) – Das gefällt uns nicht. (Beifall des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Daher bitte ich Sie noch einmal: Nehmen Sie unseren Vorschlag zur Neugestaltung der finanziellen Transfers im Familienbereich ernst!


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Bedenken Sie, daß wir dabei an der Individualbesteuerung festhalten, daß wir Kinderarmut verhindern wollen, daß wir emanzipatorische Elemente für die Jugendlichen eingebaut haben und so weiter und so fort! Legen Sie es mit auf den Tisch, wenn diskutiert wird! Wir bringen unseren Vorschlag neuerlich ins Hohe Haus ein – er wurde schon einmal annähernd diskussionslos niedergestimmt –, weil wir der Meinung sind, es ist hoch an der Zeit, daß hier etwas geschieht. Gerade vor dem Hintergrund knapper werdender finanzieller Ressourcen der öffentlichen Hand ist es noch notwendiger, die Effizienz zu steigern und die Gerechtigkeit zu verbessern.

Wenn sich beides miteinander kombinieren läßt, dann klammern Sie nicht einfach nur aus einem rückwärtsgewendeten Konservativismus! Machen Sie einen modernen Konservativismus! Machen Sie einen offenen Konservativismus! Vielleicht ist es dann kein Konservativismus mehr. Aber springen Sie über Ihren eigenen Schatten!

Im Gesundheitswesen zeigt sich übrigens derselbe Befund. Herr Kollege Khol schaut zweifelnd. Im Bereich unserer gesetzlichen Krankenversicherungen haben wir denselben Befund, daß die unteren Einkommensdrittel, die offenbar viel gesünder sind als die mittleren – und diese sind wieder viel gesünder als die oberen –, Gesundheitsleistungen degressiv in Anspruch nehmen. Also auch hier ist ein Fehler im System eingebaut, der allerdings vielleicht darin besteht, daß wir den Zugang zur Medizin sehr unterschiedlich gestalten – je nachdem, ob wir uns am flachen Land bewegen oder im Ballungsraum; das mag ein Grund sein –, und weil mancher Mensch, der zusatzversichert ist und sich in den oberen Einkommensdritteln bewegt, nicht weiß, daß er dadurch vielleicht öfter medizinisch behandelt wird, als er behandelt worden wäre, wenn er nicht zusatzversichert ist. Und das steigert die Kosten.

Da sich meine Zeit dem Ende zuneigt, zum Schluß eine Feststellung zu dem Technologiefonds im Zusammenhang mit der Nationalbank: Ich würde davor warnen, dieses Geld dorthin zu legen. Ich sage Ihnen, warum. Wir haben solch einen Fonds schon einmal eingerichtet. Das war im Jahr 1987. Da wurden 5 Milliarden aus der Verbundprivatisierung einem Technologiefonds zugeführt, allerdings einem vermögenslosen Fonds, der nur den Anspruch hatte, daß die Zinsen von 5 Milliarden jährlich der Technologieförderung zur Verfügung gestellt werden. Wissen Sie noch etwas davon? Weiß noch irgend jemand etwas davon?

Ich kann mich erinnern, ich habe ein gutes Gedächtnis. Diesen Fonds gibt es, aber eigentlich gibt es ihn nicht. Solch einen Fonds möchte ich nicht haben. Wohl aber möchte ich haben, daß die brachliegenden 3,5 Milliarden aus der Nationalbank möglichst bald der Republik Österreich fruchtbar gemacht werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Khol hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie diese Berichtigung mit der Darstellung des Sachverhaltes, den Sie berichtigen wollen.

11.56

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Abgeordneter Kier hat in seinen Ausführungen gemeint, daß Abgeordneter Khol den Umverteilungsbericht wahrscheinlich nicht gelesen hat. Ich stelle dem den richtigen Sachverhalt entgegen: Ich habe diesen Bericht nicht nur wahrscheinlich, sondern sicher gelesen und habe daher auf Seite 21 festgestellt, daß der Bericht feststellt, die Familienförderung verteilt eindeutig vertikal von oben nach unten. Ich habe den Bericht auch verstanden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abg. Dr. Haselsteiner und Dr. Kier. )

11.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

11.57

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Khol hat zwar nicht eidesstattlich, aber immerhin erklärt, daß er den gesamten Bericht


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44. Sitzung / Seite 57

gelesen hat. Ob er auch die zehn Seiten Familienförderungsbericht gelesen hat, bin ich mir nicht ganz so sicher, aber es wird schon stimmen. Herr Höchtl hätte es auch tun können. (Abg. Dr. Höchtl: Das habe ich besser gemacht als Sie wahrscheinlich!) – Ja, wir können uns das gegenseitig zuschieben.

Die Studie untermauert eindeutig die Zielsetzung der SPÖ und den Regelungs- und den Reformbedarf in bestimmten Bereichen der Familienförderung. Die wesentlichsten Thesen der Studie sind außer Streit gestellt, lassen Sie sie mich aber trotzdem wiederholen:

Österreich verfügt über ein äußerst umfangreiches, differenziertes System der Familienförderung. Wenn man es im weitesten Sinn sieht, sind für familienpolitisch relevante Maßnahmen 10 Prozent des Volkseinkommens vorgesehen. Im internationalen Vergleich zählt Österreich zu den Ländern mit der höchsten Familienförderung, im OECD-Vergleich liegt Österreich an vierter Stelle. Trotz dieser umfangreichen Förderungsmaßnahmen ist aber die österreichische Familie, besonders die alleinerziehenden und die geschiedenen Mütter in Österreich, armutsgefährdet – und damit auch die Kinder in diesen Familien.

Der Autor dieses Parts der Studie zählt eine Reihe von Gründen auf. Ich möchte nur ein paar erwähnen: hohe Lohnunterschiede, mangelnde Kinderbetreuungseinrichtungen, gering qualifizierte Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten, die die niedrigste Frauenerwerbsquote im Vergleich der Industriestaaten zur Folge haben.

Eine wesentliche Aussage Gugers finden wir auch hinsichtlich der Familienbesteuerung. Schade, daß sich Herr Abgeordneter Höchtl entfernt hat. Nach dieser Aussage ist klar, daß in der österreichischen Familienpolitik (Zwischenruf des Abg. Böhacker ) – d as ist schön; wenn er sie nachträglich liest, habe ich nichts dagegen einzuwenden – der horizontale Lastenausgleich dominiert, nämlich der Lastenausgleich zwischen jenen, die kinderlos sind, und jenen, die Kinder großziehen, aufziehen, erziehen, gegenüber dem vertikalen Verteilungsprinzip, das sich an der Bedürftigkeit orientiert.

Das heißt also, daß die Studie bestätigt, und zwar eindeutig bestätigt, daß der horizontale Lastenausgleich gegeben ist. Soviel zur Diskussion, daß Kinderlose nicht ausreichend zur Familienförderung beitragen.

Der horizontale Lastenausgleich funktioniert deshalb, weil – wie Guger es auch in seiner Studie sieht – die Familienförderung als umfassend anzusehen ist, nämlich bestehend aus Transferleistungen, steuerlichen Leistungen, Mitversicherungsleistungen und Sachleistungen. Die Analyse Gugers nach sozialen Gruppen zeigt aber auch deutlich, daß die Familienförderung – Herr Klubobmann Khol, nach sozialen Gruppen! – aufgrund einer höheren Kinderzahl, aufgrund längerer Ausbildungszeiten in gewerblichen und freiberuflichen Haushalten eindeutig zu den selbständigen Haushalten hin umverteilt wird, aber auch – das muß man hier auch betonen – aufgrund eines geringeren Finanzierungsbeitrages der Selbständigen.

Nach der sozialen Stellung betrachtet sind demnach die Selbständigen Nettoempfänger dieses Systems der Familienförderung. Je nach Konjunkturlage zahlen sie zwischen 8 und 10 Prozent in den FLAF ein, erhalten aber 15 Prozent der Mittel aus dem FLAF. Die unselbständig Beschäftigten kommen über den Dienstgeberanteil und die Steueranteile einem Finanzierungsanteil von fast 90 Prozent nahe.

Es ist aber auch die Frage nach der einkommenspolitischen Bedeutung dieser Förderung zu stellen, und schauen wir uns vorerst einmal das unterste Dezil an, nämlich die Niedrigsteinkommensbezieher, deren durchschnittliches Nettoeinkommen bei 8 500 S pro Haushalt liegt. Da macht die Familienförderung mit nahezu 4 000 S im Monat beinahe 50 Prozent des Nettoeinkommens aus. Die Familienförderung ist damit zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Lebensunterhaltes geworden.

Eine Kernaussage Gugers in dieser Studie: Im untersten Quartil der Haushalte mit Kindern macht die Familienförderung ein Drittel des Nettoeinkommens aus, im obersten lediglich


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6,5 Prozent. – Daran kann man ermessen, wie bedeutend der Anteil der Familienförderung gerade für Einkommensschwächere ist.

Für uns Sozialdemokraten gibt es da nur eine Schlußfolgerung: daß eine Weiterentwicklung des Systems erforderlich ist, aber nicht hin zu einem steuerfreien Existenzminimum, wie es Herr Höchtl oder der ÖAAB fordert (Abg. Dr. Khol: ... die ÖVP fordert!) , denn dieses System würde nur bedeuten, daß Besserverdienende noch mehr bekommen und noch besser aussteigen als bisher.

Wir müssen daher innerhalb des Systems zu einer sozial gerechten Verteilung kommen. Das heißt, wir müssen umgehend Lösungen finden, um die Armutsgefährdung von Kindern, von Familien in den Griff zu bekommen. Die gefährdeten Gruppen – das hat ja auch schon Herr Minister Bartenstein gesagt –, wie Alleinerziehende und Mehrkindfamilien mit niedrigem Einkommen, müssen besonders berücksichtigt werden.

Ich bin auch dafür – Herr Kier ist nicht herinnen, aber ich möchte es deponieren –, daß wir für Kinder eine existentielle Absicherung schaffen.

Umfassende Familienförderung bedeutet aber auch den konsequenten Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, Wiedereinstiegshilfen für Frauen nach der Familienarbeit, qualifizierte Teilzeitarbeitsplätze für Frauen mit größtmöglicher sozialer Absicherung, verstärkte Förderung der Ausbildung und Fortbildung für Frauen zur Schaffung von qualifizierten Frauenarbeitsplätzen und familienfreundliche und arbeitnehmerfreundliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten, wie sie zum Beispiel in Kärnten ansatzweise Herr Landeshauptmann Zernatto will: Er will am 24. Dezember und 31. Dezember die Geschäfte ja bereits mittags schließen lassen – ich weiß nicht, ob das auch in Ihrem Interesse, im Interesse der ÖGV gelegen ist.

Zum Abschluß noch eine Empfehlung in der Studie: Auf Seite 44 dieser Studie kommt Guger zum Ergebnis: Eine Vereinheitlichung der Familienbeihilfe wäre ein erster Schritt in Richtung größerer sozialer Treffsicherheit. (Beifall bei der SPÖ.)

12.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Mag. Doris Kammerlander. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

12.05

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Vorweg muß ich schon sagen: Nach dem gestrigen Tag und nach dem heutigen Tag – und auch noch immer unter dem Eindruck unserer Beratungen im Gleichbehandlungsausschuß vorige Woche – zweifle ich, Frau Kollegin Mertel, immer mehr an der Legitimität der Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien, hier heraußen Dinge zu fordern. Ich fordere diese Dinge auch, ich unterstütze diese Forderungen vollinhaltlich, aber meiner Meinung nach liegt es an Ihnen – und ausschließlich an Ihnen –, an den Regierungsparteien und an der Mehrheit in diesem Haus, diese Forderungen, die längst fällig sind, zu erfüllen, und nicht hier heraußen Sonntagsreden zu halten und frauenfördernde Maßnahmen zu verlangen. (Abg. Dr. Mertel: Heute ist Donnerstag!) Gleichzeitig müssen wir nämlich zur Kenntnis nehmen, daß diese ständig, sukzessive abgebaut werden, ja sie nicht mehr vorhanden sind. Und Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß Ihr Kollege auf der Regierungsbank, Herr Minister Klima, derjenige ist, der das, was Sie verlangen, nicht ausführt. (Abg. Dr. Mertel: ...was die Koalition zuläßt!) Dann setzen Sie sich durch! (Abg. Dr. Mertel: Wenn der Herr Höchtl seine Meinung darlegt, dann kann ich das auch!) Dann machen Sie das in Ihrer Partei – genau dasselbe gilt für die ÖVP!

Aber irgendwie bin ich es nach zwei Tagen müde (Abg. Dr. Mertel: Wenn Sie Erschöpfungszustände haben, begeben Sie sich in die Ruheräume!) , von Ihnen hier heraußen wunderschöne Forderungen serviert zu bekommen, dann aber zur Kenntnis nehmen zu müssen, daß in einem Ausschuß ohne ein Wort, schweigend, zur Kenntnis genommen wird, daß seit Jahren dringend geforderte Maßnahmen am Sparpaket scheitern, an den sogenannten Konsolidierungsmaß


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nahmen scheitern, und dort auch ohne weiteres zur Kenntnis genommen wird, daß entsprechende Maßnahmen selbst für 1998 nicht vorgesehen sind.

Damit bin ich eigentlich auch schon im großen und ganzen beim Thema des Verteilungsberichtes. Es war damals ein Auftrag des Parlaments, diesen Verteilungsbericht zu erstellen. Für mich ist es bezeichnend, daß dieser Bericht – es ist ja bereits gesagt worden – ein gutes Jahr in der Lade gelegen ist, bevor er hier ins Parlament gekommen ist. Anhand der Materie wird deutlich, wie dringend dieser Auftrag des Parlaments an die Bundesregierung war, wie wichtig diese Übersicht und diese Analyse über einen gewissen Zeitraum ist. Ich meine, es wäre notwendig, in den entsprechenden Gremien gemeinsam darüber zu beraten, ob solche Verteilungsberichte zukünftig nicht regelmäßig in bestimmten Zeitabständen erstellt werden sollten.

Das würde vieles erleichtern, würde eine gewisse Kontinuität schaffen und würde möglicherweise auch Abhilfe dahin gehend leisten, daß deutlich werden würde, welches die Schwachstellen waren. Das sieht man ja natürlich jetzt, wo die Analyse vorliegt.

Die Schwachstellen waren einerseits, daß da oder dort Zahlenmaterial fehlt und daher eine entsprechende Vertiefung dort, wo es meiner Meinung nach notwendig wäre, nicht stattfinden hat können, und andererseits zeigt sich bei Betrachtung dieses Zeitraumes der letzten zwei Jahre, was dringend notwendig wäre in einer gewissen Kontinuität: die Auswirkungen des Sparpaketes und der Konsolidierungsmaßnahmen auf die Verteilungsfrage zu beleuchten.

Es ist dies nur eine Anregung – kein Antrag –, einen solchen Bericht in Zukunft hier regelmäßig zu erstellen und das zu berücksichtigen.

Und wenn wir schon beim fehlenden Zahlenmaterial sind – das ist etwas, was übrigens immer wieder im Verteilungsbericht erwähnt wird und immer wieder vorkommt –, so scheint es mir bei weiteren und zukünftigen Berichten auch notwendig zu sein, verstärkt und vertieft auf die frauenspezifischen Auswirkungen einzugehen, der Frage nachzugehen, wenn es da oder dort um diese Verteilungsmaßnahmen geht, wo es Frauen besonders trifft oder wie hier sozusagen die geschlechtsspezifische Verteilung aussieht. Das ist – zumindest in diesem Bericht – noch nicht in der Ausführlichkeit geschehen, wie ich es mir vorstellen könnte und wünschen würde.

Aber ein Bereich scheint auf – und das ist für mich Grund genug zu sagen, es ist alarmierend, und es wäre eben dringend notwendig, diese frauenspezifischen Maßnahmen sehr wohl zu untersuchen –, nämlich der Bereich Notstandshilfe, der Bereich der Transferleistungen. Da wird deutlich, daß in erster Linie Frauen Notstandshilfe beziehen, und es ist auch zu ersehen, daß in diesem Beobachtungszeitraum, in diesem Analysezeitraum von zehn Jahren auch eine Steigerung stattgefunden hat. Nunmehr sind nahezu 50 Prozent der Notstandshilfebezieher Frauen.

Eine weitere Vertiefung in dieses Zahlenmaterial oder in diese Analyse war eben aufgrund des fehlenden Zahlenmaterials nicht möglich.

Ich möchte bewußt die Diskussion etwas verschärfen: Wenn sich meine Vorredner und Vorrednerinnen auch als Familienpolitiker und -politikerinnen profilieren wollten, so möchte ich nicht in Abrede stellen, daß das auch eine sehr notwendige Maßnahme ist.

Es ist aber da oder dort in den Redebeiträgen auch etwas einseitig argumentiert worden. Vor allem bei Kollegen Höchtl ist mir eine sehr einseitige Betrachtungsweise aufgefallen. Denn es reicht keineswegs, hier heraußen – ebenso plakativ wie Frau Kollegin Mertel in der Frauenpolitik – für die Familienpolitik alles zu wünschen, was gut und teuer ist, wenn man selbst Mitglied einer Regierungspartei ist und das ja wohl in den eigenen Reihen am ehesten durchsetzen kann.

Es ist heute schon wiederholt eine Meldung zitiert worden, die auch in den Medien war, eine Meldung über die Armut, in der die Kinder leben und aufwachsen, mit dem Titel, den übrigens der Verteilungsbericht meiner Meinung nach voll bestätigt, daß Armut nicht selbst verschuldet und kein selbstverschuldetes Faktum ist, sondern vielmehr eine Frage der Verteilung und der Wirkungen und Auswirkungen auch von Verteilung und von Transferleistungen.


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In diesem Bericht über die in Armut lebenden Kinder kommt noch eines dazu – und das sollten wir nicht außer acht lassen: daß neben dem monetären Faktor eine Reihe anderer Faktoren ausschlaggebend ist dafür, wie Kinder aufwachsen und welche Möglichkeiten sie haben. Neben der Betreuungszeit der Eltern und neben dem Umfeld, dem engsten Umfeld der Kinder sind auch noch weitere Fragen, wie zum Beispiel auch der Zugang zur Bildung, erläutert. Auch das scheint mir eine ganz wesentliche Frage zu sein.

Ich kann mir vorstellen, daß wir darüber – und ich habe in den letzten Wochen ja die Zeitungsmeldungen hier im Hause verfolgt – auch noch weiter und öfter diskutieren werden.

Es ist mehr notwendig, als, wie Kollege Kier, nur zu sagen, es muß eine andere Verteilung in der Familienförderung stattfinden. Es ist vielmehr notwendig, in eine vertiefte Debatte einzutreten –anders, als Kollege Höchtl es getan hat – und sich die einzelnen Faktoren ganz genau anzuschauen. Ich befürchte aber, daß Sie dann in einigen Bereichen, etwa im Bereich Bildung, darangehen – wenn ich eben diese Meldungen verfolge, nach den Wahlen überhaupt –, Situationen oder Faktoren zu schaffen, die den Zugang zur Bildung erschweren und somit eigentlich einen Rückschritt darstellen.

Aber zurück zum Bereich der Betroffenheit von Frauen von diesen Maßnahmen, und dazu auch ein Entschließungsantrag. Wie bereits gesagt, berücksichtigt dieser Verteilungsbericht nicht die Auswirkungen der in den letzten Jahren getroffenen Sparmaßnahmen und Konsolidierungsmaßnahmen. Jetzt wissen wir aber inzwischen durch zahlreiche Berichte, auch offizielle Berichte, auch zum Beispiel durch Urteile des Verwaltungsgerichtshofes, wie diese Sparmaßnahmen wirken beziehungsweise zu wirken beginnen.

Ein Beispiel, das besonders betroffen macht, das durchaus auch in engem Zusammenhang zu sehen ist mit der gestrigen Debatte, einer in der Fragestunde angeschnittenen Diskussion über Beschäftigungspolitik insgesamt: die Teilzeitarbeit. Die Teilzeitarbeit wird ja von vielen von Ihnen hier immer wieder als das adäquate und probate Mittel anzupreisen versucht, um die Beschäftigung von Frauen noch weiter zu erhöhen, und das ist in den letzten Jahren sicherlich auch geschehen.

Wir wissen, daß die Beschäftigung von Frauen in den letzten Jahren sehr stark gestiegen ist, sicher auch aufgrund der Teilzeitbeschäftigung. Diese erweist sich aber jetzt, gerade im Lichte dieser Spar- und Konsolidierungsmaßnahmen, immer mehr wie eine Keule und nicht wie eine unterstützende Maßnahme. Warum? – Weil verschiedene Urteile des Verwaltungsgerichtshofes unsere Befürchtungen – leider – bestätigt haben.

Diese Urteile besagen, daß Teilzeitarbeit nicht genügt, um einen Anspruch auf Bezug der Arbeitslosenunterstützung zu begründen. Das heißt, war eine Frau teilzeitbeschäftigt oder äußert eine Frau bei einem Gespräch am Arbeitsamt auch nur den Wunsch, teilzeitbeschäftigt zu sein, weil sie Betreuungspflichten hat, ist das bereits ausreichend, um sagen zu können, es genügt nicht, sie kann keine Arbeitslose beziehen.

Warum ist das so? – Bisher war das Faktum der Arbeitswilligkeit ausschlaggebend, um die Unterstützung für Arbeitslose zu bekommen. Seit dem letzten Sparpaket, seit dem sogenannten Sparpaket 2 ist es nicht mehr nur die Arbeitswilligkeit, sondern es geht auch um die Frage der Verfügbarkeit. Das heißt, eine Frau muß – das ist die Praxis – eine Vollerwerbstätigkeit annehmen, gleichgültig, ob sie Betreuungspflichten hat oder nicht.

Das ist das eigentlich Bestürzende daran. Denn einerseits werden Frauen damit gezwungen, Arbeiten anzunehmen, gleichgültig, ob sie ihren Betreuungspflichten nachkommen können oder nicht, das heißt, gleichgültig, ob sie ihre Kinder entsprechend betreut wissen oder nicht. Da schließt sich sozusagen der Kreis zu der Frage, was die Faktoren sind, unter denen Kinder glücklich oder nicht glücklich aufwachsen, und auf der anderen Seite schließt sich der Kreis ebenfalls. Möchte eine Frau nämlich eine Teilzeitarbeit annehmen, weil sie eben diese Betreuungspflichten sonst nicht erfüllen kann, dann verliert sie jeden Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung.


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Wir finden diese täglich geübte Praxis in den einzelnen Arbeitsämtern alarmierend genug. Wir wissen aber auch, daß der Entwurf einer Reform vorliegt, sozusagen ins Haus steht, der vorsieht, daß Frauen mit Betreuungspflichten, die nicht voll erwerbstätig sein können, jeden Anspruch auf die Arbeitslosenunterstützung verlieren.

Wir möchten daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Mag. Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde betreffend Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für Frauen mit Betreuungspflichten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regelung betreffend Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung muß so gestaltet werden, daß eine soziale Absicherung für Frauen mit Betreuungspflichten aus diesem Titel gegeben ist.

*****

Ich fordere Sie auf, diesen Antrag zu unterstützen, denn all jene Debatten, die Sie sehr gerne führen – auch in anderen Kreisen, in anderen Zirkeln; es wird ja in Österreich in letzter Zeit sehr viel diskutiert über Arbeitszeiten, über flexiblere Arbeitszeiten, über Sabbatjahr, über Teilzeitarbeitsmöglichkeiten, und sehr viele gescheite Wissenschafter unterhalten sich darüber –, können wir sofort ad acta legen, wenn wir beginnen, Betreuungspflichten, Betreuungsarbeit und Betreuungszeiten in der Form zu qualifizieren, daß wir sagen, Menschen – und in erster Linie betrifft das Frauen –, die diese Arbeiten und diese Pflichten haben, verlieren den Anspruch auf Unterstützungen. Sie machen sich selbst unglaubwürdig in jeder weiteren wirtschaftspolitischen Debatte – und das ist vor allem an die Männer gerichtet –, in der Sie dieses Faktum Arbeitszeit, Flexibilisierung der Arbeitszeit diskutieren, wenn Sie diesen Antrag nicht unterstützen. Das ist für mich eine Voraussetzung für die weitere Debatte in diese Richtung. (Beifall bei den Grünen.)

Zuletzt möchte ich noch auf ein Kapitel des Verteilungsberichtes eingehen, das eigentlich nur das unterstreicht, was ich bereits begonnen habe anzuschneiden, und auch unterstreicht, was manche vor mir bereits gesagt haben: das Kapitel Wohnbauförderung. Es gibt fast kein anderes Kapitel in diesem Bericht, wo sich so schön zeigt, wie elegant sich diese Regierung und auch die Mehrheit in diesem Hause einer sozialen und politischen Entscheidung entledigt haben.

Sie haben vor Jahren beschlossen, daß die Wohnbauförderung Ländersache ist. (Abg. Dr. Lukesch: Dort gehört sie auch hin!) Sie haben vor Jahren, als Sie mit diesem Problem nicht mehr umgehen konnten, weil es ständig steigenden Bedarf auf der einen Seite und ständig steigende Kosten auf der anderen Seite gab – das ist mir schon klar –, anstatt darüber nachzudenken, wie diese Frage zu lösen ist, diese einfach auf die Länder abgeschoben. Sie haben sie verländert mit dem Effekt, daß es überhaupt keine Kontrolle mehr gibt darüber, inwieweit die Wohnbauförderung ihrer vornehmlichen Aufgabe, nämlich sozialen Wohnraum zu schaffen, überhaupt noch nachkommt, und mit dem Effekt, daß, wie der Verteilungsbericht auch zeigt, es auch kein Zahlenmaterial darüber gibt, wie diese Maßnahmen in den Ländern wirken.

Ich bin aber der Auffassung, daß Wohnbauförderung – oder nennen wir es anders: die Schaffung sozialen Wohnraums – vor allem auch eine politische und bundespolitische Frage ist, die zumindest in einer Art und Weise zu regeln ist, daß sie Möglichkeiten der Kontrolle, aber auch der Evaluierung und der Korrektur schafft, wenn dieses Mittel des sozialen Wohnbaus in den Ländern nicht greift, wenn die Länder Landesgesetze erlassen, die den sozialen Wohnbau ad absurdum führen.

Genau diese Zahlen im Verteilungsbericht bestätigen das, was wir wissen, was wir aus vielen Berichten wissen, auch aus den Ländern: Der soziale Wohnbau, sprich die Wohnbauförderung,


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ist längst nicht mehr Wohnbau für die sozial Bedürftigen, Wohnbau nicht einmal für die Mittelschicht, sondern für die gehobenere Mittelschicht und für die obere Schicht.

Ich will Ihnen jetzt gar keine Wohnbaudiskussion aufzwingen, obwohl ich es ohne weiteres tun könnte, auch aus dem Stegreif. (Abg. Wurmitzer: Aufzwingen können Sie gar nichts!) Aber dieses Haus müßte sich ganz dringend einmal damit befassen, vor allem mit der Frage, wie denn dann dieser Wohnbedarf für die wirklich sozial Bedürftigen gestillt werden kann.

Eines dürfen Sie nicht außer acht lassen: In Wien existieren vielleicht da oder dort noch Ansätze, weil hier die Gemeinde mit einem im Vergleich zu anderen Gemeinden relativ großen Programm eigenen Wohnbaus – Wohnraumvermittlung ist es ja inzwischen schon fast geworden – vorhanden ist und agiert. Aber außerhalb Wiens und in den Ländern war zumindest bis zu diesem Zeitpunkt der Verländerung die Wohnbauförderung der einzige Ansatz des sozialen Wohnbaus und die einzige Möglichkeit, mit entsprechenden Unterstützungen, wo es um die Eigenmittel gegangen ist, wo es um Bodenerwerb, also Grund und Boden und Aufschließung, gegangen ist, für sozial Bedürftige Wohnraum zu schaffen. Anstelle sich dieses Problems zu entledigen, gilt es meiner Meinung nach ganz dringend, einmal eine diesbezügliche Analyse, eine genaue Analyse anzustellen, dieses Datenmaterial zu beschaffen und sich dieser vornehmlich politischen und sozialpolitischen Aufgabe wieder bewußt zu werden.

Für diese Erkenntnis im Verteilungsbericht, daß es den sozialen Wohnbau in Österreich nicht mehr gibt, bin ich froh und dankbar, und ich hoffe und denke mir, das sollte Anstoß geben für diese Debatten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Als nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Lukesch gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten angegeben. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Bring uns einen akademischen Beitrag! Kein Populismus!)

12.23

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Kammerlander! Auch wenn mich Herr Kollege Holger Bauer an eine akademische Anlage meines Redebeitrags erinnert, darf ich schon eines sagen: Die Wohnbauförderung ist in den Ländern bestens aufgehoben. Die Strukturen sind ganz unterschiedlich. Wenn Sie in Wien etwa den Anteil der Mietwohnungen und Eigentumswohnungen anschauen, dann ist es gerade das umgekehrte Verhältnis wie bei uns in Tirol. Wir kontrollieren die soziale Treffsicherheit, wir kontrollieren auch ökologische Zielsetzungen, die wir mit unserer verländerten Wohnbauförderung verfolgen, und wir geben zu den Bundesmitteln noch eine Milliarde zusätzlich hinzu. – Soviel zu Ihrem Aspekt, alles zu zentralisieren und hier von Wien aus zu kontrollieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kammerlander: Ist ja nicht wahr!) Da werden Sie bei uns auf massiven Widerstand stoßen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Aber jetzt zurück zum Verteilungsbericht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich möchte eine generelle Bemerkung und dann eine spezielle Anmerkung machen, was diesen Bericht betrifft.

Einerseits begrüße ich es, daß wir uns verstärkt mit Verteilungsfragen auseinandersetzen, und ich sehe bei gründlichem Studium auch sehr wohl Ansätze, Denkanstöße, wo unser Umverteilungssystem verbesserbar wäre, wo es effizienter zu gestalten wäre, wo es nicht so wirksam ist, wie wir das eigentlich wollen. Und insofern ist es eine wichtige Aufgabe, wenn uns hier von wissenschaftlicher Seite Beratung an die Hand gegeben wird.

Aber wenn ich die Diskussion heute verfolge, so habe ich den Eindruck, daß viele Redner das zweite Kapitel dieses Berichtes, Kapitel B über die allokative Effizienz der Bereitstellung öffentlicher Güter, nicht mehr gelesen haben. Ich gebe zu, die Thesen von Kollegen Guger sind


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leichter lesbar, jene des Kollegen Lehner erfordern möglicherweise mehr theoretisches Vorwissen, aber die Botschaft ist dort auch ganz klar. Es geht auch bei der Verteilungspolitik darum, daß wir Mitnahmeeffekte möglichst vermeiden. Und der Herr Finanzminister wird sicher die Ohren spitzen, wenn da drinnen steht: Es kommt auch darauf an, Selbstbehalte etwa bei öffentlichen Verteilungsmaßnahmen vorzusehen, Beitragsmodelle vorzusehen, um diese Mitnahmeeffekte einzubremsen und öffentliche Güter, die ja Inbegriff der Verteilungsmaßnahmen sind, auch allokativ effizient zur Verfügung zu stellen.

Das ist in diesem Bericht enthalten. Jetzt ganz kurz zu etwas, was nicht im Bericht enthalten ist und was ich dem Autor beziehungsweise dem Institut schon massiv vorwerfe. In diesem Bericht ist der Zusammenhang zwischen Einkommensentstehung und Einkommensverteilung überhaupt nicht thematisiert und sträflich vernachlässigt, und das ist gerade in einer Zeit, in der wir um mehr Beschäftigung, um mehr Arbeitsplätze, um entsprechende Leistungsanreize im internationalen Wettbewerb kämpfen, eine grobe Vernachlässigung der eigentlichen Aufgabe.

Geradezu fahrlässig mißverständlich wird es, wenn man dort einen einzigen Satz liest, nämlich daß eine gleichere Verteilung den Wachstumsprozeß positiv beeinflußt. Und das ist auch schon alles, was über Einkommensentstehung und -verteilung drinnen steht. Das ist ausgesprochen mißverständlich interpretiert, und ich könnte Ihnen eine Bibliothek an Literatur aufzählen, die dieses Problem aufgreift. (Abg. Öllinger: Alte!) Nein, ganz neue! Dan Usher etwa: "The Economic Prerequisits of Democracy", das empfehle ich Ihnen, worin der Zusammenhang zwischen Verteilung und Entstehung sehr genau beleuchtet wird. Das sollten Sie sich einmal anschauen, denn es ist ja eine Binsenweisheit, daß erst verdient werden muß, Einkommen geschaffen werden muß, damit auch etwas umverteilt und verteilt werden kann. Diesbezüglich hat sich der Bericht eigentlich sträflicherweise einer Stellungnahme enthalten.

Ich zitiere Bernhard Felderer, den Leiter des Instituts für Höhere Studien, der auch feststellt, daß es in diesem Bereich der Einkommensverteilung seit Mitte der siebziger Jahre leichte Tendenzen zu mehr Ungleichheit in Österreich gibt, der aber eindrücklich davor warnt, mit staatspolitischen Interventionismen diese Marktsignale und diese Leistungsanreize zu verschütten, weil das die Voraussetzung dafür ist, daß wir ein entsprechendes Wirtschaftswachstum haben, daß auch entsprechende Einkommen entstehen.

Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir uns die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft wieder einmal in Erinnerung zurückrufen, die – es wurde schon gesagt – aus den Prinzipien der Subsidiarität und der Solidarität bestehen; Solidarität und Umverteilungsmaßnahmen gegenüber jenen Menschen, die am Marktprozeß noch nicht, nicht mehr oder vorübergehend nicht teilnehmen können. Aber ich würde mich sehr massiv gegen eine sozialpolitische und umverteilungspolitische Aktion wenden, die alle unsere Bürger in ein solches Konzept, in so ein fahles Mondlicht der Umverteilung marxistischen Typs einbezieht. (Beifall bei der ÖVP.)

12.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort und wollen sich mit einer Redezeit von 7 Minuten begnügen.

12.29

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Ich möchte mich einem Thema zuwenden, über das sich vielleicht weniger trefflich schwadronieren läßt als über den Verteilungsbericht, als über Fragen der Familienförderung und der Kinderförderung. Wenn ich "schwadronieren" sage, dann erlaube ich mir in aller Bescheidenheit, eine Qualifikation – nein, das steht mir nicht zu –, einen subjektiven Eindruck wiederzugeben, den ich bei gewissen Vorrednern hatte.

Seien Sie bitte nicht ungehalten, aber es löst bei mir schon immer wieder ein gewisses Erstaunen aus, wenn Vertreter der Regierungsfraktionen gewisse Dinge hier lauthals beklagen, die das Ergebnis und die Konsequenz ihrer Politik sind, wenn Regierungsvertreter oder Vertreter von Regierungsfraktionen sich hier herausstellen, wie sie es jetzt eben beim Verteilungsbericht


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und bei der Frage der Familienförderung getan haben, und sagen, was man alles tun müßte, wie man die Familien fördern sollte und was man für die Kinder tun soll – kurz was man alles tun müßte .

Ja Himmel Kruzi...! "Kruzitürken" soll man auch nicht sagen, aber das geht gerade noch. (Abg. Motter: Nein, das darf man auch nicht sagen!) Ja Kruzitürken, ist Ihnen entgangen, daß die eine Fraktion seit gut 25 Jahren in der Regierung sitzt und die andere seit zehn Jahren? Wer hindert Sie denn daran, etwas zu tun? Tun Sie (Beifall bei den Freiheitlichen) , niemand hindert Sie daran, aber nach zehn Jahren werden Sie – sollten Sie wider Erwarten noch gemeinsam in der Regierung sitzen – wieder hier stehen und sagen: Man hätte tun müssen, man sollte tun. – Ich kann nur sagen: Tun Sie! Niemand hindert Sie daran. Sie haben die Mehrheit, Sie sitzen in der Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Thema, dem ich mich eigentlich zuwenden wollte und nun werde, hat durchaus auch etwas mit Umverteilung zu tun. Ich beginne mit der Überlegung, Herr Bundesminister für Finanzen, daß – da werden wir uns ja einig sein – die Finanzlage des österreichischen Staatshaushaltes nicht die allerbeste ist. Zumindest belasten Sie die Bevölkerung mit Belastungspaketen in der Größenordnung von bis zu 100 Milliarden Schilling. Sie erhöhen Steuern, Sie erhöhen Abgaben, Sie streichen die Sozialleistungen und so weiter und so fort, was immer in diesen Belastungspaketen, die Sie da ausverhandelt haben, enthalten ist. Ich will damit nur sagen: Also gar so dick dürften wir es beziehungsweise Sie im Staatssäckel zurzeit in Österreich nicht haben. (Abg. Dr. Graf: Und bei den Politikerbezügen geht nichts weiter!)

Es ist offensichtlich eine Situation, die nicht dazu angetan ist, irgend jemanden mit großzügigen Geschenken zu beglücken – das ist jedenfalls meine Meinung und mein Eindruck –, aber genau das macht dieser Finanzminister: ebendieser Finanzminister, der die Bevölkerung mit Belastungspaketen, wie schon erwähnt, von bis zu 100 Milliarden Schilling belastet, der den Österreichern Steuern erhöht, der den Österreicherinnen und Österreichern die Abgaben hinaufsetzt, der den Österreicherinnen und Österreichern Sozialleistungen streicht, ebendieser Finanzminister und angeblich zukünftiger Bundeskanzler (Abg. Haigermoser: Das ist eine gefährliche Drohung!) – ja, Gott möge abhüten, wenn Sie weiterhin diese Politik machen sollten, Herr Bundesminister Klima –, ebendieser Finanzminister schenkt zur gleichen Zeit auf völlig freiwilliger Basis – nichts hat ihn dazu verpflichtet, kein Vertrag – eine halbe Milliarde Schilling dem Internationalen Entwicklungsfonds, der IDA. Eine halbe Milliarde Schilling! (Bundesminister Mag. Klima: Schämen Sie sich!) Ich schäme mich nicht! Sie sollten sich schämen, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kammerlander: Das ist etwas völlig Mieses! – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Ich werde es Ihnen gleich vorlesen, denn das geht Ihnen offensichtlich an den Nerv. Da schäme ich mich gar nicht. Vielleicht haben Sie es nicht gelesen, sondern nur unterschrieben, Herr Bundesminister, das mag schon sein. Aber da muß ich Ihnen schon eines sagen, Herr Bundesminister: Wir haben uns, wenn Sie so wollen, vertraglich dazu verpflichtet, uns an der 11. Wiederauffüllung der IDA zu beteiligen. – So weit, so gut. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Klima. )

Ich bin jetzt am Wort und habe nur wenig Zeit. Sie können reden, solange Sie wollen, im Gegensatz zu den Abgeordneten hier im Hohen Haus.

Wir haben uns verpflichtet, uns an der 11. Wiederauffüllung zu beteiligen, dazu sage ich kein Wort. Aber Sie oder Ihre Beamten oder wer immer das gewesen sein mag, haben sich darüber hinaus freiwillig bereiterklärt, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika einen weiteren, einen freiwilligen Beitrag an den Interimsfonds, der neu eingerichtet worden ist, in der Höhe von 455 Millionen Schilling zu bezahlen (Abg. Dr. Nowotny: Das war aber auch der einzige!), freiwillig, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten. Das unterstreicht die Freiwilligkeit und den Geschenkcharakter. Die Vereinigten Staaten beteiligen sich nicht an der Dotierung dieses Interimsfonds, sie haben sich nicht einmal an der 11. Wiederauffüllung beteiligt. Das wissen Sie alles offensichtlich nicht! (Bundesminister Mag. Klima: Aber alle anderen 49 Staaten!)


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Sie haben nur die Schulden aus der 10. bezahlt und sonst nichts! – Sie aber verschenken eine halbe Milliarde Schilling freiwillig, nach der Mentalität: Wir haben es ja!

Ich freue mich schon auf meine nächsten Versammlungen, Herr Bundesminister, in meinem schönen, einstmals tiefroten Wahlkreis Wien-Simmering, Wien-Favoriten, Wien-Meidling. (Bundesminister Mag. Klima: Das paßt!) Da werden sich die Leute freuen, wenn ich ihnen erzähle: Ihnen nimmt man die Sozialleistungen weg, ihnen setzt man die Steuern hinauf, ihnen erhöht man die Abgaben, aber der IDA, einer Entwicklungsorganisation, schenkt man eine halbe Milliarde, während die Vereinigten Staaten von Amerika sich daran nicht beteiligen. (Abg. Mag. Kammerlander: So etwas Mieses!) Die großen Vereinigten Staaten von Amerika nicht, aber das kleine "reiche" Österreich sehr wohl! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Maitz: Primitives Schüren der Neidgenossenschaft! – Anhaltende Zwischenrufe.)

12.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren, bitte jetzt wieder zu einer normalen Lautstärke zurückzukehren.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Klima. – Bitte, Herr Bundesminister.

12.37

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich zu dem umfangreichen Tagesordnungspunkt und auch zur Verteilungsstudie dann nochmals melden, aber ich möchte unverzüglich auf das antworten, was Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer hier gesagt hat.

Dieses Thema, sehr geehrter Herr Abgeordneter, wurde auch schon im Ausschuß sehr ausführlich von uns diskutiert, und ich habe Ihnen, sehr geehrter Herr Abgeordneter, bereits im Ausschuß sehr ausführlich erklärt, daß wir in Österreich uns sogar bei der Nase nehmen und zur Kenntnis nehmen sollten, daß wir nicht die 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an Entwicklungshilfe für die Ärmsten dieser Welt zur Verfügung stellen, wie es die OECD wünscht, wie es sich die Industriestaaten in Europa und in der Welt vorgenommen haben, sondern nur 0,3 Prozentpunkte des Bruttoinlandsproduktes – also nicht einmal die Hälfte dessen – als Beitrag leisten für das Leben, das Überleben in den ärmsten Staaten dieser Welt.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer, ich verstehe schon, daß sich das sehr trefflich als Argument in mancher Versammlung oder an manchem Wirtshaustisch nützen läßt, wie auch das Argument, daß man für Palästina in Zeiten des Sparpaketes 300 Millionen Schilling zur Verfügung stellt. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das hören die Leute sehr gern!)

Ja, das hören die Leute sehr gerne, man muß nur nachdenken, was man sagt, sehr geehrter Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer. Denn wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, nach Palästina zu fahren (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Mich ladet ja keiner ein!), dann hätten Sie gesehen, daß im Gazastreifen eine Million Menschen zusammenleben, ohne jegliche Chance, dort jemals Arbeit zu haben, weil es keine Wohnungen gibt, weil es keine Infrastruktur gibt, weil es keine Straße, kein Abwasserentsorgungssystem, kein Energiesystem gibt. (Abg. Dr. Ofner: Wer hält sie denn in dieser Armut?) Und es ist Ihnen doch bewußt, sehr geehrter Herr Abgeordneter, wenn wir eine friedliche Entwicklung in einer Region wollen (Abg. Dr. Graf: Wer hat das verursacht?), daß die Völkergemeinschaft insgesamt verpflichtet ist, zu helfen, daß die Menschen wenigstens Arbeit haben können, weil sonst wird es keine friedliche Entwicklung in diesen Regionen geben. (Abg. Dr. Ofner: Wer unterdrückt sie denn?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte dieses Thema für so ernst, daß wir es nicht für populistische Zwecke mißbrauchen sollten. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer! Sie wissen, daß wir den Beitrag für die Entwicklungshilfe der ärmsten Länder dieser Welt gegenüber dem letzten Programm sogar reduziert haben. Ich bin nicht stolz darauf, aber es ist reduziert worden. Und Sie wissen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer, daß 49 andere Staaten inklusive Österreich sich dieselbe Verpflichtung auferlegt haben (Abg. Dr. Graf: War es freiwillig oder nicht?), in einer internationalen Verein


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barung, bei der alle anderen 49 Staaten auch mitmachen. (Abg. Dr. Graf: 455 Millionen zusätzlich freiwillig!) Darf ich fertigsprechen?

Es gibt ein einziges Land, die Vereinigten Staaten von Amerika, die wegen der rechtskonservativen Republikaner keine Genehmigung bekommen haben, an dieser Entwicklungshilfe für die ärmsten Staaten der Welt teilzuhaben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn Sie mich in Zukunft an den Wirtshaustischen verschmähen sollten: Ich stehe dazu, und wir alle sollten dazu stehen, wohl wissend, daß Österreich zur Entwicklungshilfe weniger beiträgt, als es tatsächlich sollte. (Abg. Dr. Graf: Herr Minister! Darum geht es nicht! Es geht um zusätzliche Leistungen!)

Es ist dies ein Gebot der Menschlichkeit gegenüber den ärmsten Ländern dieser Welt. Da geht es nicht um irgendwelche anderen: Es geht um die ärmsten Länder dieser Welt! – Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer, ich bitte Sie, bei Ihren nächsten Veranstaltungen zu überlegen, ob Sie damit der Menschlichkeit und der Solidarität einen guten Dienst erweisen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten. (Heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und des Bundesministers Mag. Klima. – Der Präsident gibt das Glockenzeichen.) – Bitte, am Wort ist Herr Dr. Gusenbauer.

12.42

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß der Herr Bundesminister in beeindruckender Art und Weise auf die Polemiken reagiert hat, die im vorangegangenen Redebeitrag geboten wurden. Dies gibt uns die Gelegenheit, zu den Grundtatbeständen des Verteilungsberichtes zurückzukommen.

Ich bin erstaunt über den Ton, der in dieser Debatte gelegentlich gewählt wurde. Vor allem wenn Professor Lukesch und auch Generalsekretär Stummvoll in Diskussionen über Veränderungen unserer steuerlichen Grundlagen immer wieder vor dem Schreckgespenst des Marxismus warnen, so finde ich das erstaunlich. Wenn man sich nämlich den Verteilungsbericht genau durchliest, dann sieht man, daß dort geschrieben steht, daß es beispielsweise in der Schweiz – wo bekanntlicherweise weder Karl Marx noch seine Epigonen an der Herrschaft sind – eine stärkere Progressivität der Steuereinnahmen gibt als bei uns (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) , daß im Durchschnitt der OECD-Staaten jedes Land 5,5 Prozent an Vermögensteuern einnimmt, während wir in Österreich die Vermögensteuer abgeschafft haben. – Ich glaube daher nicht, daß wir auf Basis des Verteilungsberichtes jegliche Korrektur als "dramatischen Klassenkampf" bezeichnen sollten. Wir sollten erkennen, was der Verteilungsbericht an Ergebnissen bietet, wo es Korrekturmöglichkeiten gibt und wo es ungewünschte Entwicklungen gibt, die wir korrigieren sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es sollte uns besorgt machen, daß die Lohnquote seit Ende der achtziger Jahre um 3 Prozent gesunken ist. Wir sollten uns des weiteren darüber sorgen, daß wir zwar eine steigende Gewinnquote haben, die immer wieder als Grundlage für Investitionen und Arbeitsplätze genommen wird, wir aber gleichzeitig eine sinkende Investitionsquote verzeichnen müssen – das als wichtiger Hinweis an Herrn Professor Lukesch, der sich darüber Sorgen gemacht hat, wo Einkommen tatsächlich entsteht. Man ist immer davon ausgegangen, daß, wenn die Gewinne in Ordnung sind, auch ordnungsgemäß investiert wird. Der Verteilungsbericht sagt uns: Die Gewinne steigen, sie sind in Ordnung – trotzdem fallen die Investitionen. – Wir werden das im Hohen Haus zu diskutieren haben.

Der Verteilungsbericht sagt bezüglich der Entstehung auf der Einnahmenseite völlig klar: Von der Einnahmenseite des Staates geht im wesentlichen keine Progressionswirkung aus. – Wir können darüber reden, ob wir eine Progressionswirkung haben wollen, welche Möglichkeiten es in diesem Zusammenhang gibt. Ich finde das völlig legitim. Zumindest diskutieren sollte man


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darüber, ob man die Höchstbeitragsgrundlage beseitigen und daraus ein Verteilungsvolumen erringen kann, welches zu einer stärkeren Progression führt. Man kann auch darüber diskutieren, wie man in der Frage der Besteuerung von Vermögen und Kapital weiter vorgeht. Es gibt hier einen durchaus interessanten Ansatz im Verteilungsbericht, die Immobilien betreffend. Klarerweise unterliegen Immobilien nicht derselben Fluchtkomponente wie das mobile Kapital – etwas, das zum Beispiel in Frankreich, Holland und der Schweiz durchaus beachtet wird.

Das heißt, es gibt im Verteilungsbericht schon Ideen, die nicht der Astronomie und dem Mondlicht zuzuschreiben sind – wie Professor Lukesch meint –, sondern in anderen zivilisierten westeuropäischen Staaten bereits praktiziert werden. Wir sollten uns überlegen, ob wir aus diesen Erfahrungen nicht auch für uns etwas lernen könnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir die Frage der Ausgabenseite betrachten – sie wirkt ja in gewissem Ausmaß umverteilend –, dann müssen wir feststellen, daß es bereits eine positive Reaktion auf die Budgetkonsolidierung gibt. Der Verteilungsbericht sagt ganz genau: Die Hauptprofiteure der Zinszahlungen für die Staatsschuld sind zu zwei Drittel jene, die sich im oberen Einkommensdrittel befinden. Das heißt: Wenn sich die Republik dazu entschließt, das Budgetdefizit zu reduzieren und dadurch auch die Zinszahlungen, so werden wir diesen negativen Verteilungseffekt in Zukunft zumindest mindern können.

Was den zweiten Bereich, die Gesundheitsausgaben, betrifft – es wurde heute bereits darauf eingegangen –, so steht ebenfalls im Verteilungsbericht: Selbstbehalte im Gesundheitsbereich würden in erster Linie das unterste Einkommenszehntel der Bevölkerung treffen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ist das gewünscht, oder sollten wir nicht lieber über die kostenlose Mitversicherung von Ehegatten oder über die Aufhebung von Höchstbeitragsgrundlagen in diesem Zusammenhang diskutieren, was eine gegenteilige Verteilungswirkung nach sich ziehen könnte?

Wir sollten auch hinsichtlich der Wohnbauförderung – ich meine, das ist höchst angebracht, auch wenn es Landessache ist – über deren Zielgenauigkeit diskutieren. 35 Milliarden Schilling werden per anno dafür ausgegeben, wir aber müssen feststellen, daß die Verteilungslage schief ist, daß nämlich die untersten Einkommensschichten zuwenig, die mittleren und höheren Einkommensschichten aber relativ mehr bekommen. Ich meine, daß gerade dieses Instrument des sozialen Ausgleichs, das daneben auch der Wirtschaftsankurbelung im Baubereich dient, überprüft werden muß und sich die Länder einer Diskussion darüber, wie in den einzelnen Ländern die Wohnbauförderung im Sinne einer größeren sozialen Gerechtigkeit adaptiert werden könnte, nicht verschließen werden dürfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin daher – zusammengefaßt – der Auffassung, daß der Verteilungsbericht, wenn man ihn ernst nimmt und als Spiegel der materiellen Verhältnisse unserer Gesellschaft betrachtet, keine Grundlage für irgendwelche billigen Polemiken, um sich aus der Debatte davonzustehlen, sein kann, sondern daß dieser Bericht zum Anlaß genommen werden soll, in Bereichen, wo es wünschenswert und notwendig ist, Korrekturen herbeizuführen. Wir wollen keinen Zustand erreichen – in verschiedenen Büchern wird es bereits skizziert – ähnlich den USA oder Großbritannien, wo heutzutage die größte Ungleichheitssituation herrscht, seit es Statistiken gibt. Diese Art von Gesellschaft ist zutiefst inhuman. Sie zu verhindern muß Ziel dieses Hohen Hauses sein. Die entsprechenden Konsequenzen aus dem Verteilungsbericht sind daher zu ziehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

12.49

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn ich mir die Liste der Tagesordnungspunkte anschaue, die heute unter einem behandelt werden, so möchte ich zunächst festhalten, daß es mir leid tut, daß das Präsidium zu einer derartigen Struktur der Tagesordnung gekommen ist. Einige Themenbereiche wären es wert gewesen, hier umfangreich und intensiv diskutiert zu werden. Wenn ich in


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Erinnerung rufen darf: Es handelt sich dabei um den Komplex des Umverteilungsberichtes, die Frage einer ökologischen Steuerreform, die Frage der Problematik der Pensionen in der Nationalbank, die Frage der Doppelbesteuerungsabkommen mit Ländern der dritten Welt und anderen Ländern und um die Frage der Finanzierung im Bereich der Entwicklungspolitik.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre sinnvoller und zweckmäßiger gewesen, diese Themenbereiche einzeln zu diskutieren, anstatt eine Tagesordnung zu erstellen, in der – das bedauere ich wirklich sehr – wichtige Bereiche eigentlich untergehen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Wenn man sich die Vorredner angehört hat, so ist sehr viel über die Frage der Umverteilung gesprochen worden, aber wenig über die Frage der ökologischen Steuerreform, wenig über die Frage der notwendigen oder sinnvollen Doppelbesteuerungsabkommen oder gar über die Finanzierung der Entwicklungshilfe. Ich bedauere es außerordentlich, daß wir dazu nur eine etwas beschämende Wortmeldung des Kollegen Bauer gehört haben und sich weder Kollege Gusenbauer noch Kollegin Kammerlander dazu geäußert haben, obwohl beide sonst keine Gelegenheit auslassen, die Frage der Finanzierung der Entwicklungspolitik zur Sprache zu bringen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte dies aus der Sicht des Liberalen Forums tun und daher zum Tagesordnungspunkt 11 – Bundesgesetz über den Beitrag zur 11. Wiederauffüllung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation – Stellung nehmen. Wir halten es für absolut notwendig, für richtig und auch für unsere Verpflichtung, daß wir einen Beitrag dazu leisten, den Ärmsten dieser Welt zu helfen, daß wir heute beschließen, dem Interimsfonds 30 Millionen Schilling für Sonderziehungsrechte zur Verfügung zu stellen, aber auch 45 Millionen Sonderziehungsrechte für die Internationale Entwicklungsorganisation bereitstellen – insgesamt also einen Betrag von rund 1,1 Milliarden Schilling. Ich erachte es für notwendig und sinnvoll und als unsere humanitäre Verpflichtung, dies zu tun und damit den Ärmsten der Welt auch tatsächlich zu helfen.

Herr Kollege Bauer! Ich habe deinen Redebeitrag eigentlich beschämend gefunden. Er deckt sich inhaltlich nicht mit den Aussagen der freiheitlichen Vertreter in der Entwicklungspolitik wie Präsident Brauneder oder Kollege Haupt, von diesen wird etwas anderes gesagt. Ich halte es wirklich für beschämend, die Hilfe für die Ärmsten der Welt gegenüber den Belastungen, die im Rahmen des Sparprogramms beschlossen wurden, auszuspielen. Sie verwechseln da Äpfel mit Birnen, Sie betreiben einen üblen Populismus, der Ihnen vielleicht kurzfristigen Applaus bringt. In Wirklichkeit aber erhalten Sie keine Akzeptanz für diese menschenverachtende und zynische Politik, die Sie in dieser Frage zum Ausdruck bringen. (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Dr. Maitz. )

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bauer! Schauen Sie sich die Situation wirklich an. Wenn wir uns die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich vor Augen führen, dann zeigt sich, daß dem ärmsten Fünftel der Weltbevölkerung 1,4 Prozent der Bruttoinlandsprodukte, 1 Prozent des Welthandels, 1 Prozent der inländischen Ersparnisse zur Verfügung stehen, während dem reichsten Fünftel dieser Welt über 80 Prozent des Bruttosozialprodukts, über 80 Prozent des Welthandels, über 90 Prozent der Geschäftskredite, über 80 Prozent der inländischen Ersparnisse und über 80 Prozent der inländischen Investitionen zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie treten dagegen auf, daß Österreich, eines der reichsten Länder der Welt, den Ärmsten der Armen eine Milliarde Schilling zur Verfügung stellt. Wenn man bedenkt, daß die Schuldnerländer den Industrienationen rund 1 600 Milliarden Schilling zurückzahlen müssen, die Auslandsverschuldung der afrikanischen Staaten südlich der Sahara 1994 über 212 Milliarden Schilling betrug, dann sieht man: Wer da eine Rückzahlung der Kredite verlangt, wer diesen Ländern nicht hilft, nimmt ihnen damit automatisch jede Entwicklungschance – mit all den damit verbundenen negativen Auswirkungen, auch auf unseren Kontinent –, installiert dadurch eine neue Form des Kolonialismus, den wir mit aller Entschiedenheit ablehnen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir meinen, daß diese Hilfe als eine strukturelle Hilfe notwendig ist. Herr Kollege Bauer, ich glaube daher, daß die Vereinigten Staaten nicht als Vorbild zu nehmen


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sind, sondern daß wir den Amerikanern ins Stammbuch schreiben müssen, daß wir es eigentlich beschämend finden, wenn sich eine der größten Nationen der Welt an der Hilfe und Unterstützung der Staatengemeinschaft nicht beteiligt. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Das wird sie sehr beeindrucken!)

Die Vereinigten Staaten sind zu knausrig, den Ärmsten der Armen zu helfen. Auf der anderen Seite aber haben sie jederzeit die finanziellen Mittel, um als Weltpolizist – auf welchem Erdteil auch immer – zu intervenieren. Ich glaube, daß es sinnvoller und zweckmäßiger wäre, diese Mittel der Entwicklungspolitik zur Verfügung zu stellen – das sollten sich auch die Amerikaner zu Herzen nehmen.

Mir scheint es ganz besonders wichtig, daß die Mittel, die in die dritte Welt fließen, die im Rahmen der Weltbank, aber auch der Internationalen Entwicklungsorganisation von den Industrienationen bereitgestellt werden, einer entsprechenden parlamentarischen Kontrolle unterliegen, um eben dem Mißbrauch und auch der Korruption, die in den Ländern der dritten Welt ja vorhanden ist, entgegenzutreten. Wir kennen die persönliche Bereicherung vieler Potentaten. Wir wissen, daß gerade die Völker des afrikanischen Kontinents in Armut versinken. Ich glaube daher, daß es unsere Pflicht als Parlamentarier ist, eine entsprechende Kontrolle der Verwendung dieser Mittel zu verlangen. Ich finde das sehr positiv und notwendig und möchte daher noch einmal die Forderung erheben, daß wir in Österreich zu einer Evaluierung unserer Entwicklunghilfeprojekte gelangen. Wir haben schon sehr positive erste Ansätze im Rahmen des Unterausschusses für Entwicklungspolitik.

Herr Bundesminister! Ich darf Sie weiters ersuchen, daß Ihre Vertreter im Bereich der Weltbank, im Bereich der internationalen Organisationen dem Parlament jährlich darüber berichten, wie diese Mittel verwendet werden, wie diese finanzielle Hilfe gestaltet wird, damit die parlamentarische Kontrolle und auch die Kontrolle der Ausgaben der öffentlichen Hand entsprechend effizient gestaltet werden kann. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Auer. – Bitte. Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

12.57

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Bauer, ich könnte Ihren Redebeitrag unterstützen, wenn Sie die Forderung nach Nachvollziehbarkeit, nach Effizienz und dem klaren Nachweisen derartiger Beträge erheben würden, obwohl diese, wie vom Bundesminister richtig ausgeführt, verschwindend gering sind. Ein undifferenziertes Mokieren über eine so geringe Entwicklungshilfe lehnen wir aber deutlich ab. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Nowotny. )

Herr Kollege Bauer, Sie haben ja in der Zwischenzeit vom Herrn Bundesminister Nachhilfeunterricht bekommen; ich hoffe also, daß auch die letzten Zweifel beseitigt sind.

Meine Damen und Herren! Der Bericht beziehungsweise die Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung ist wohl eine gute Gelegenheit zu ein paar grundsätzlichen Bemerkungen.

Klar sollte sein, daß, wer Schwachen helfen will, Stärke haben muß, um dies tun zu können. Man kann und darf daher Starke nicht schwächen und muß alles tun, um die Wirtschaft und folglich auch die Arbeitsplätze zu sichern. Investitionen in die Wirtschaft und durch die Wirtschaft sind daher keine Benachteiligung von sozialen Förderungen, sondern deren Grundlage. Unter Wirtschaft verstehe ich auch Landwirtschaft – dazu jedoch etwas später.

Dieser Bericht wird sehr oft dahin gehend zitiert, daß bei den Sozialtransfers das oberste Einkommensdrittel am meisten bekäme. Dabei wird jedoch nicht gesagt – was in diesem Bericht auch aufgezeigt wird –, daß dieses Drittel absolut und relativ viel mehr in den Gesamttopf einzahlt. Von diesem Drittel werden bei einem Einkommen von 60 Prozent 64 Prozent des Gesamtsteueraufkommens erbracht.


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Meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen aus der Sicht der Landwirtschaft; die Sozialtransfers habe ich ja bereits angesprochen. Dem Grünen Bericht ist zu entnehmen, daß die Landwirtschaft die höchste prozentuelle Beitragsleistung erbringt, nämlich 12,5 Prozent als Bemessungsgrundlage – und dazu kommen die Ausgedingsleistungen. Das stellt die höchste Beitragsleistung – bezogen auf das Erwerbseinkommen – aller Berufsgruppen dar. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Sehr oft hört man im Zusammenhang mit dem Begriff "Landwirtschaft" auch von der sozialen Staffelung landwirtschaftlicher Ausgleichszahlungen. Dazu ein Vergleich:

Das durchschnittliche Einkommen eines Arbeitnehmers betrug 1995 27 560 S. Würde daher in großen landwirtschaftlichen Betrieben über diesen Betrag abgeschöpft werden, stünde nicht ganz 1 Milliarde Schilling an Ausgleichszahlungen für die kleinen Betriebe zur Verfügung, also ein durchaus respektabler Betrag. Würde jedoch bei den unteren, bei den kleinen landwirtschaftlichen Betrieben auf 27 560 S aufgestockt werden, müßte ein Betrag von 36 Milliarden Schilling zur Verfügung gestellt werden.

Es ist daher klar zu ersehen, daß das Ausspielen von großen gegen kleine Betriebe die wahre Problematik nur verdeckt. Eine Diskussion, die in dieser Form geführt wird, ist wirklich abzulehnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn die Gesellschaft eine nachhaltige ökologische Bewirtschaftung haben will – und das will sie – , so muß aber auch jedem klar sein, daß das etwas kostet. Jemand, der unter diesen Gesichtspunkten größere Flächen bewirtschaften muß, hat auch höhere Kosten, und es fallen daher auch höhere Ausgleichszahlungen an – über eine degressive Staffelung nach oben ist dann auch zu reden.

Es wurde uns ja in einem Teil der Erde vorgeführt, was es heißt, alles gleich zu machen, so unter dem Titel "Arbeiter- und Bauernparadies". Was daraus geworden ist, ist ja bekannt, nämlich der größte Konkurs der Weltgeschichte.

Meine Damen und Herren! Wir von der Österreichischen Volkspartei bekennen uns klar zum Besitz von Grund und Boden, zu Eigentum, und wir treten auf gegen Gleichmacherei und Zentralismus jeder Art. Wir sagen ein klares Ja zu einem sozialen Auffangnetz, aber auch ein klares Ja dazu, daß sich Leistung lohnen muß – und die Leistungsträger in der Lage sind, dem Schwachen Hilfestellung leisten zu können. Und dazu, meine Damen und Herren, bildet dieser Bericht, der uns heute vorgelegt wurde, eine gute Grundlage. Wir von der ÖVP werden uns sicherlich bemühen, eine sachliche Diskussion darüber weiterzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dkfm. Ruthofer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

13.03

Abgeordneter Dkfm. Kurt Ruthofer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich in meinen Ausführungen kurz mit dem Bericht des Finanzministers über die vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung durchgeführte Studie betreffend Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich befassen.

Österreich hat im internationalen Vergleich einen überdurchschnittlich hohen Staatsanteil; die Umverteilungeffizienz des Abgabensystems ist aber gering. Die Abgabenquote beträgt nach OECD-Definition 43,5 Prozent. Damit liegen wir von 24 OECD-Staaten an der neunten Stelle beziehungsweise 2 Prozent über dem Durchschnitt in der Europäischen Union.

Wenn man die Struktur der Abgaben betrachtet, sieht man, daß die Einkommens- und Ertragssteuern 26,9 Prozent in Österreich und 38,8 Prozent in der OECD betragen. Der Anteil der Sozialversicherungen beträgt in Österreich 33 Prozent und in der OECD 25 Prozent, also in Österreich rund ein Drittel und in der OECD ein Viertel.


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Zur Entwicklung der Abgabenbelastung ist zu bemerken, daß es nach dem Konjunktureinbruch 1975 zunehmend Schwierigkeiten gab, den Sozialstaat zu finanzieren. Die Belastung erreichte Mitte der achtziger Jahre ihren Höhepunkt, wurde durch die Steuerreform etwas gesenkt, und von 1990 an nahm die Abgabenbelastung wieder zu. – Das, meine Damen und Herren, besagt diese Studie.

Während die Lohnsteuerquote deutlich angestiegen ist, ist der Anteil der Steuerleistung auf veranlagte Einkommen seit 1974 stark zurückgegangen. 1974 waren es 20,2 Prozent, und derzeit liegt dieser Anteil bei 9 Prozent.

Bei der Entwicklung der Pro-Kopf-Einkommen fällt auf, daß im Vergleich zur Steigerung des Bruttoentgeltes je Arbeitnehmer – sie betrug von 1990 bis 1994 5,1 Prozent – die ASVG-Pensionen um 4,1 Prozent, jedoch die öffentlicher Bediensteter um 8,1 Prozent gestiegen ist.

Die Steuer- und Abgabenquote liegt, wie bereits erwähnt, über dem EU-Durchschnitt. Die Umverteilungswirkung der Abgaben ist jedoch relativ gering, da der Anteil der Abgaben mit progressiver Wirkung – durch die Lohn- und Einkommenssteuer – im internationalen Vergleich niedrig ist. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Abgabenlast zu den regressiven Sozialversicherungsbeiträgen und indirekten Steuern verschoben. Bis zur Höchstbeitragsgrenze ist die Sozialversicherungsbeitragsleistung proportional zum Bruttobezug, darüber ist sie regressiv.

Während die Sozialabgabenquote für durchschnittliche Einkommen bei etwa 18 Prozent liegt, beträgt sie bei einem Monatsbezug von 100 000 S nur 6,6 Prozent. Die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung machen in Österreich, wie bereits erwähnt, ein Drittel des Abgabenaufkommens aus, in der OECD hingegen durchschnittlich nur ein Viertel.

Die vertikale Umverteilung durch Aktivitäten der öffentlichen Hand erreicht einen beträchtlichen Umfang. Das obere Drittel der Haushalte – ohne Selbständige, aber mit Pensionisten – verfügt über 60 Prozent des Bruttohaushaltseinkommens, zahlt 62 Prozent der Abgaben und Steuern und erhält 43 Prozent der erfaßten öffentlichen Transfers. Das mittlere Drittel verfügt über 12 Prozent des Bruttohaushaltseinkommens, zahlt knapp 10 Prozent aller Abgaben und erhält aber 22 Prozent aller erfaßten Transfers.

Diese Transfers machen für das untere Drittel der Haushalte 31 Prozent ihres Einkommens aus, für das obere Drittel nur 12 Prozent. Die oberen Einkommen profitieren in Österreich zwar von den Transferleistungen des Staates pro Kopf im allgemeinen ebensoviel wie die unteren Einkommensschichten: Gemessen an ihren Abgabenleistungen erhalten sie jedoch weniger als sie zahlen.

Im Gesundheitswesen gibt es im wesentlichen die gewünschte horizontale Umverteilung vom Gesunden zum Kranken.

Im Gesundheitsbereich kommt es zu einer deutlichen Umverteilung zu Familien, in denen die Frau nicht berufstätig ist und die Kinder sich lange in Ausbildung befinden. Sie zahlen keine zusätzlichen Beiträge, sind aber mitversichert.

Die Ausgaben für Gesundheit zählen heute zu den Spitzenreitern bei den Ausgaben. Die Gesamtausgaben für die Gesundheit machen heute bereits 10 Prozent des BIP aus, die Verschiebung der Altersstruktur der Bevölkerung wird die Problematik der Entwicklung auf dem Gesundheitssektor noch verschärfen, denn die Gesundheitskosten für ältere Personen sind im Durchschnitt doppelt so hoch wie für junge.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man diese Studie aufmerksam liest, kann man einige Punkte erkennen, die auf ein drittes Belastungspaket der Regierung hinweisen. So kritisiert der Koordinator dieser Studie die Abschaffung der Vermögensteuer und meint, daß Grundvermögen durch viel zu niedrige Einheitswerte massiv unterbewertet seien. Dies hat Herr Dr. Guger – das ist der Koordinator dieser Studie – in einem "Kurier"-Artikel am 1. September 1996 kundgetan; darauf hat bereits heute mein Kollege Böhacker hingewiesen.


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Guger nannte die Schweiz, Holland und Schweden, wo das Finanzamt den Besitzern von Eigenheimen und Eigentumswohnungen eine fiktive Miete berechnet, die auch versteuert werden muß. Das heißt im Klartext, daß die kleinen Häuselbauer und Besitzer von Eigentumswohnungen zur Kasse gebeten werden.

Wir Freiheitlichen fordern eine Senkung der Steuerlast, und wir fordern steuerlichen Privilegienabbau, damit die hohe Steuer- und Abgabenquote, die in Österreich, wie gesagt, 43 Prozent beträgt, reduziert werden kann. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

13.10

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wohnpolitik ist unter anderem auch Sozial- und Finanzpolitik zugleich und damit natürlich für Verteilungsverfragen von besonderer Bedeutung; das wurde ja heute auch schon von meinen Vorrednern zum Teil angesprochen. Dieser Umstand wird auch in der vorliegenden Studie des Wifo zur Umverteilungswirkung der öffentlichen Haushalte in Österreich betont, wenngleich die konkreten Aussagen zur Wohnbauförderung – um diesen Aspekt geht es mir vor allem jetzt – im wesentlichen bekannt sind.

In dieser Studie wurden keine rezenten Verteilungsdaten erhoben; es wurde auf ältere Studien zurückgegriffen. In der Zwischenzeit haben aber in den letzten Jahren zahlreiche Veränderungen in diesem Bereich stattgefunden, die sich auch auf die Umverteilung auswirken. Viele Kritikpunkte müssen – unabhängig von ihrer konkreten Quantifizierung – durchaus ernstgenommen werden und letztendlich zu neuen Lösungsansätzen anregen.

Das österreichische System der Objektförderung, welches in der Wohnbaupolitik dominiert, bevorzugt nämlich tendenziell besserverdienende Haushalte, da sie mit steigendem Einkommen Eintrittschwellen wie zum Beispiel Finanzierungsbeiträge leichter überwinden können. Gleichzeitig sind auch größere Wohnungseinheiten leistbarer, die wiederum ihrerseits höhere Förderungsmittel nach sich ziehen. Die progressiven Effekte der Wohnbauhilfen wiederum sind so unbestreitbar, wie sie nur gering zur Geltung kommen, da die Subjektförderung lediglich einen kleinen Anteil an den gesamten Förderungsmitteln einnimmt.

Welche Konsequenzen können wir aus diesen Befunden ableiten? – Zum ersten ist festzuhalten, daß auch in den nächsten Jahren eine hohe Wohnbauleistung erforderlich sein wird, um die entsprechenden Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Daher ist es meiner Ansicht nach von besonderer Bedeutung, daß die Wohnbauförderungsmittel durch das Konsolidierungsprogramm keine Kürzung erfuhren – und dafür möchte ich auch dem Herrn Finanzminister herzlich danken. Dies ist übrigens auch im Hinblick auf Beschäftigungswirkung und hohe inländische Wertschöpfung des Wohnbaus von Bedeutung.

Ich bin überzeugt davon, daß der konkrete Einsatz der Förderungsmittel noch wesentlich effizienter erfolgen könnte, gerade was Verteilungsaspekte anlangt. Und das können wir meines Erachtens von Bundesseite her nicht nur den Ländern überlassen. Allein bei den Einkommensgrenzen, beim Einstieg der Haushalte in den geförderten Wohnbau anzusetzen, wie es viele tun, das halte ich allerdings für kurzsichtig. Wir dürfen nicht vergessen, daß angesichts enorm gestiegener Baukosten, die auch eine Folge der hohen inländischen Qualitätserfordernisse sind, die finanziellen Anforderungen an Wohnungssuchende – auch ohne Finanzierungsbeiträge – erheblich zugenommen haben.

Auch für sogenannte Besserverdienende ist oftmals eine Wohnversorgung im freifinanzierten Segmet schlichtweg illusorisch. Andererseits dürfen Mieter im sozialen Wohnbau nicht zu Almosenempfängern degradiert werden. Die Wohnbauförderung sollte daher in Zukunft verstärkt auf diese Aspekte reflektieren und vielfältigere Angebote zur Auswahl stellen.

Eine Denkvariante liegt beispielsweise darin, im Bereich der erwähnten Einmalbeträge Erleichterungen für einkommensschwächere Wohnungssuchende förderungsrechtlich zu verankern. Ich


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denke da etwa an die Begrenzung von Baukostenbeiträgen der Mieter auf 1 000 S bis 2 000 S pro Quadratmeter und an die Finanzierung der Grundkosten ausschließlich durch Eigenmittel der Bauträger, die mit öffentlichen Förderungen arbeiten.

Voraussetzung wäre die Inanspruchnahme eines Grundstücks, das von einer Gemeinde oder einem Bodenbereitstellungsfonds zu einem limitierten Grundpreis zur Verfügung gestellt wurde, um leistbare Mietwohnungen für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen errichten zu können.

Meine Damen und Herren! Ein effizienter Mix aus Objekt- und Subjektförderung könnte ebenfalls ein zusätzlich gangbarer Weg sein, ebenso wie die Inanspruchnahme vielfältiger Finanzierungsformen im sozialen Wohnbau. Ich denke da etwa an eine vorsichtige Erweiterung der Wohnbauanleihen.

Wie in vielen anderen Bereichen wird auch bei der Wohnbauförderung eine Verteilungspolitik, die auf verbesserte soziale Treffsicherheit ausgerichtet ist, nur aus einem Bündel von Maßnahmen bestehen können. – Ein lohnendes Ziel ist es jedenfalls allemal. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Apfelbeck. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

13.14

Abgeordnete Ute Apfelbeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich beziehe mich in meinem Redebeitrag auf den Antrag 85/A (E) betreffend Privatisierung der Bankenaufsicht. Die BHI-Pleite in Graz hat uns gezeigt, wie wichtig eine funktionierende Bankenaufsicht wäre. Daß diese staatliche Aufsicht nicht immer funktioniert, hat uns auch der Rechnungshof bestätigt. Seit dem Jahr 1993 war aber auch der Bankenaufsicht bekannt, daß es gröbere Probleme bei der BHI in Graz gibt. Dies war auch in einem Gutachten nachzulesen. – Die Bankenaufsicht hat aber dazu geschwiegen, meine Damen und Herren. Da stellt sich dann meiner Ansicht nach schon die Frage: Wozu hat dann Österreich überhaupt eine Bankenaufsicht?

Der Generalanwalt des Raiffeisenverbandes, Christian Konrad, bezeichnete die Bankenaufsicht als "Schönwetterbehörde", die zu spät oder gar nicht agiere. Deshalb bleibe ich bei meiner Forderung nach Privatisierung der Bankenaufsicht. Die BHI-geschädigten Sparer mit einer Einlage von mehr als 1 Million Schilling haben bis jetzt nur 65 Prozent ihrer Spareinlagen bekommen, Herr Bundesminister. Die Kest an den Staat wurde ihnen allerdings vom gesamten Betrag abgezogen, also auch von jenem Betrag, den sie gar nicht bekommen haben. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Klima. ) Es ist auch fraglich, ob sie ihn jemals bekommen werden. Der Staat hat an der BHI-Pleite verdient – und das, obwohl er seiner Aufsichtspflicht nicht genügend nachgekommen ist.

Selbst in einem ehemaligen Ostblockstaat steht der Staat hinter seinen Sparern. Als in Prag elf Banken krachten, einige wegen krimineller Machenschaften – wie bei der BHI –, hat es 25 Verhaftungen gegeben. Es gab aber für die Bankkunden eine 100prozentige Deckung; der Staat Tschechien hat eine Ausfallshaftung übernommen. – Das würde ich auch vom österreichischen Staat seinen Sparern gegenüber erwarten, Herr Bundesminister. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Klima. ) Herr Bundesminister, das würde ich mir schon erwarten! Sie erwecken mit dem Bestehen einer staatlichen Bankenaufsicht den Anschein einer funktionierenden Aufsicht, was aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist.

Was in einem Land wie in Österreich nicht möglich ist, nämlich die Sparer schadlos zu halten, ist in einem anderen Land, so etwa in Tschechien, das noch dazu von Österreich unterstützt wird, eine ganz normale Sache für die betroffenen Bankkunden, daß es eben zu einer sauberen Lösung kommt.


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Ich bitte Sie, Herr Bundesminister: Denken Sie darüber nach, ob es nicht für die BHI-Geschädigten in Graz auch eine dementsprechende Lösung geben könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Fink. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

13.18

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der Verteilungsbericht gibt Gelegenheit, Grundsätzliches dazu zu sagen. Nach einer Studie des IHS wird die Arbeitslosigkeit steigen, und zwar im Jahre 1998 bis auf 8 Prozent. Dazu kommt, daß die Wirtschaftsforscher ihre Konjunkturprognosen nach unten revidieren müssen. Die Beschäftigung sinkt weiter. Doch "Arbeit für alle" als Ziel darf nicht geopfert werden. – Die Arbeit geht uns nicht aus, der Ertrag der Arbeit ist groß genug. Was aber auf die Gesellschaft und insbesondere auf die Politik zukommt, ist die Frage nach einer gerechteren Beurteilung der Leistung, nach einer gerechteren Beurteilung von Arbeit und Einkommen.

Was hat zu geschehen, um soziale Gerechtigkeit zu wahren, um Arbeit zu sichern, um Arbeitsplätze zu schaffen?

Erstens: Der Wirtschaftsstandort Österreich ist zu stärken, zum Beispiel auch durch Senkung der Lohnnebenkosten.

Zweitens: Die Selbständigenquote ist zu erhöhen, zum Beispiel durch Änderung der Gewerbeordnung.

Drittens: Unternehmer sind zu ermutigen, wieder Lehrlinge auszubilden, anstatt nur Hilfskräfte einzustellen, so zum Beispiel durch Entlastung der Betriebe während der Berufsschulzeit. (Abg. Verzetnitsch: Ist die Berufsschule Teil der dualen Ausbildung ...?) Ich meine, daß bezüglich Berufsschulzeit, die letztendlich von den Unternehmern zu zahlen ist, Anreize zu schaffen sind, das für die Betriebe billiger zu machen.

Viertens: Es ist Zeit, die Einkommenspolitik zu ändern, allerdings nicht radikal, sondern behutsam und beharrlich. Es ist nachgewiesen, daß das Lebenseinkommen zwischen einzelnen Berufsgruppen um Beträge in Millionenhöhe differiert. Das heißt meiner Meinung nach, daß es in den nächsten Jahren keine prozentuellen Lohnerhöhungen, sondern daß es Fixbeträge geben sollte. Die Lebensverdienstkurve ist neu anzulegen: am Anfang besser bezahlen, ab der Mitte abflachen.

Fünftens: Ein wichtiger Punkt ist die Teilzeit. – Obwohl die Nachfrage vieler Arbeitnehmer, vor allem von Frauen mit Kindern, aber zunehmend auch von älteren Personen, nach besser qualifizierten Arbeitsplätzen steigt, ist das Angebot dafür in Österreich nach wie vor gering. Die Teilzeitquote liegt in Österreich bei 10 Prozent der Erwerbstätigen, während sie in den Niederlanden bei zirka 36 Prozent angesiedelt ist. Eine Erhöhung der Teilzeitquote von 10 auf 15 Prozent wäre daher anzustreben, das wären zirka 150 000 neue Arbeitsplätze. Flexible Arbeitszeitmodelle wären zu überlegen.

Sechstens: Arbeit teilen. – Arbeit teilen ist für viele undenkbar, und es ist in vielen Bereichen tatsächlich nicht machbar, aber es ist nicht wahr, daß es nicht möglich wäre. Im Gegenteil: Es gibt für wichtige Bereiche seriöse Berechnungen für einen behutsamen Weg der Arbeitsteilung. Ich denke da an die Überstunden, die man in Arbeitsplätze umbauen könnte. Das würde 30 000 neue Arbeitsplätze bedeuten. Diese Beispiele sind Solidaritätsmodelle. Es ist ein Schritt zum Solidaritätspakt, der dringend geboten erscheint.

Abschließend: Ich glaube, daß wir in Österreich trotz aller Unkenrufe und auch trotz aller Probleme, die es gibt, einen noch nie dagewesenen Wohlstand haben. Selbstbewußtsein ist angebracht, denn der Kuchen, den es gibt, reicht für alle. Wir stehen vor der Frage, für welche


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Arbeit es wieviel vom Kuchen und von welchem Gewinn es für wen und wieviel geben soll. Vor der Bewältigung dieser Aufgaben stehen wir. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten.

13.22

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Fink hat soeben gesagt, vom Kuchen ist genügend da, jeder bekommt ein Stück ab. Nur: Die Stücke sind verschieden groß. Das größte Stück von diesem Kuchen haben sicherlich die Bediensteten der Oesterreichischen Nationalbank. Ich beziehe mich da auf den von mir eingebrachten Antrag 70/A betreffend das Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank, dem ich mich im folgenden widmen werde.

In Zeiten von Sparpaket und der persönlichen Einschränkung bestehen in der Oesterreichischen Nationalbank weiterhin unverständliche Privilegien. Obwohl die Angestellten der Oesterreichischen Nationalbank in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen, hat der Gesetzgeber die Oesterreichische Nationalbank vor 40 Jahren ermächtigt, ein eigenes Pensionssystem für die derzeit zirka 1 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterhalten. Im Gegensatz zum Privatangestellten ist der Dienstnehmer der Oesterreichischen Nationalbank bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter krankenversichert und bezieht von der Oesterreichischen Nationalbank die Pension.

Bis heute gibt es dort rund 23 Milliarden Schilling an Rücklagen für Pensionsleistungen. Bis heute werden dort Traumgehälter bezahlt. Bis heute werden dort kaum Pensionsbeiträge bezahlt; die Pensionsbeiträge sind dort jedenfalls um die Hälfte geringer als die des normalen Beamten oder des normalen Angestellten oder des normalen Arbeiters in unserem Land. Aber dort werden Traumpensionen bezahlt. Weiters werden horrende Abfertigungssummen bezahlt.

Meine Damen und Herren! 1994 zahlte die Oesterreichische Nationalbank aus ihren laufenden Erträgnissen an zirka 1 150 Mitarbeiter Gehälter im Ausmaß von zirka einer Milliarde Schilling aus, davon für sechs Direktionsmitglieder 30,5 Millionen Schilling sowie an zirka 1 300 Pensionisten Ruhe- und Versorgungsgenüsse in der Höhe von zirka 850 Millionen Schilling und für pensionierte Direktionsmitglieder beziehungsweise deren Witwen 36,7 Millionen Schilling.

Während man gleichzeitig versucht, mittels Sparpaket und Einschränkungen in die Taschen der Österreicher zu greifen, um das Budgetdefizit dieser Bundesregierung abzudecken, tut man gleichzeitig alles dazu, daß in der Nationalbank 23 Milliarden Schilling auf der hohen Kante liegen, die Pensionen aber trotzdem aus den laufenden Erträgnissen der Nationalbank bezahlt werden. Das ist für mich einfach unverständlich.

Bezeichnend für diese Abgehobenheit der Verantwortlichen in der Oesterreichischen Nationalbank ist wohl der Appell des Nationalbankpräsidenten Liebscher vom 17. November des Vorjahres an die Bundesregierung, als er meinte, einen strikten Sparkurs zu fahren. Liebscher hat das Budgetproblem als sehr ernst bezeichnet – da gebe ich ihm ja recht –, und er hat zu einer Budgetkonsolidierung aufgerufen. Er hat dazu aufgefordert, daß man unbedingt auf der Ausgabenseite einspart und die Steuern nur zur Abdeckung der Restsummen erhöht.

Man soll laut Liebscher unbedingt bei den Pensionen, im öffentlichen Dienst, im Bereich des Gesundheitswesens und im Sozialbereich ansetzen.

Interessant ist auch, daß das Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank mit seinen 23 Milliarden Schilling an Pensionsreserven in der Notenbankbilanz von Präsident Liebscher noch verteidigt wird. Liebscher sagt, es ist ganz einfach historisch gewachsen, gesetzeskonform und Ausdruck der Unabhängigkeit der Währungshüter in Österreich.

Aber es geht noch weiter: Jener Angestellte der Oesterreichischen Nationalbank, der seinen Dienst vor dem 31. März 1993 angetreten hat, zahlt seit 1. November 1993 nur 2 Prozent seines


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Monatsbezuges an Pensionsbeitrag, und jener Angestellte der Oesterreichischen Nationalbank, der seinen Dienst ab 1. April 1993 angetreten hat, zahlt 5 Prozent seines Monatsbezuges an Pensionsbeitrag. Es gibt Jubiläumsgaben für beiderlei Dienstnehmer, ob sie vorher eingetreten sind oder später, nach 20, 30 und 40 Jahren in der Höhe von drei Monatsbezügen. Außerdem gibt es Abfertigungen zum Pensionsantritt von siebzehneinhalb Monatsbezügen und eine Pensionshöhe im Lebensalter von 58 Jahren bei 40 anrechenbaren Dienstjahren von 80 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine sachliche Berechtigung dafür, daß für die Bediensteten der Oesterreichischen Nationalbank ein eigenes und enorm privilegiertes Pensionssystem besteht, gibt es nicht. Daß es sich aber beim Pensionssystem der Nationalbank um ein privilegiertes System handelt, zeigt auch nachstehender Vergleich:

Ein Beamter in Österreich zahlt einen Pensionsbeitrag in der Höhe von 11,75 Prozent, ein ASVG-Versicherter einen solchen von 10,25 Prozent, der Nationalbankbeamte jedoch zahlt einen Pensionsbeitrag von nur 2 beziehungsweise 5 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die Pensionshöhe der Angestellten der Oesterreichischen Nationalbank schreit zum Himmel. Ein Beamter bekommt nach 35 Versicherungsjahren beziehungsweise derjenige, der zum Schluß eingetreten ist, nach 40 Versicherungsjahren 80 Prozent des Letztbezuges. Ein ASVG-Versicherter bekommt 79,5 Prozent der besten Beitragsjahre nach 45 Dienstjahren. Aber in der Oesterreichischen Nationalbank beziehen die Bediensteten 85 Prozent des Letztbezuges nach 35 Versicherungsjahren, sofern sie vor 1993 eingestellt worden sind, alle anderen bekommen 80 Prozent des Letztbezuges nach 40 Versicherungsjahren.

Meine Damen und Herren! In einer offenen Gesellschaft kann es auf Dauer ganz einfach nicht angehen, daß Angehörige eines kleinen geschützten Bereiches durch den Gesetzgeber wesentlich begünstigt und privilegierter behandelt werden als Bedienstete der vergleichbaren Tätigkeit in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst.

Ein in der Oesterreichischen Nationalbank dem ASVG angeglichenes Pensionssystem ab 1. Jänner 1997, wie es jetzt für Neueintretende vorgesehen ist, nämlich ein Pensionsbeitrag von 10,25 Prozent, ist meiner Meinung nach eine reine Augenauswischerei, weil von nun an niemand mehr in der Oesterreichischen Nationalbank aufgenommen werden wird.

Es müßte zu einer unverzüglichen Regelung kommen, die vorsieht, daß ab einem festzulegenden Stichtag, zum Beispiel vom 1. Jänner 1997 an, für die Bediensteten der Oesterreichischen Nationalbank das Pensionsrecht des ASVG anzuwenden ist und die sich aus den bisherigen Pensionsrecht ergebenen Ansprüche ganz einfach auf den Stand des Stichtages eingefroren werden müßten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.30

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Wenn verlangt wurde, daß die Teilzeitarbeitsquote erhöht werden soll oder daß dies dringend notwendig ist, dann möchte ich von meiner Warte aus sagen, daß dies sicher notwendig wäre, aber daß dabei natürlich auch die Wirtschaft gefordert ist. Ich kann nicht nur von einer Seite Teilzeitarbeit und Flexibilisierung verlangen, auch die Wirtschaft muß ihren Beitrag dazu leisten, auch dort muß die Bereitschaft dazu gegeben sein. Das sei hier auch einmal gesagt.

Die zweite Frage, die ich zur Flexibilisierung der Arbeitszeit habe, ist die, ob dadurch wirklich neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Daß sie Arbeitsplätze bis zu einem gewissen Teil erhält, steht außer Frage, aber ob durch dieses Programm der ÖVP tatsächlich neue Arbeitsplätze ge


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schaffen werden können, wage ich zu bezweifeln. Ich glaube, das sind eher oberflächliche Symptombehandlungen.

Herr Kollege Auer hat sich vehement für die Ökologisierung der Landwirtschaft im großen eingesetzt, daß man den Rückbau ordentlich durchführt, womit er ja recht hat. Er übersieht aber dabei – das dürfte jedoch im Sinne der ÖVP sein –, daß die kleinen Landwirtschaften, die gemischten Landwirtschaften, die sehr arbeitsintensiv sind, auch den entsprechenden Anteil, nämlich die Abgeltung ihrer intensiven Arbeit, bekommen müßten.

Diese Intensität, die sich Jakob Auer für den Bereich der Landwirtschaft wünscht, wünsche ich mir für den Bereich der Gebarung des Arbeitsmarktservices, denn der Umverteilungsbericht zeigt uns sehr genau, daß der finanzielle Anteil an den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, nämlich an den Mitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik, mit Stand Ende der achtziger Jahre von 15 auf 10 Prozent gesenkt worden ist, und zwar lag dieser im Jahre 1995 bei genau 10,1 Prozent, er ist also relativ konstant. Die 10,1 Prozent sind 0,8 Prozent des Gesamtbudgets des Bundes. Mit diesen 0,8 Prozent liegt Österreich innerhalb der OECD im letzten Drittel.

Wenn man sich den starken Strukturwandel und die Globalisierung vor Augen hält, dann müssen meiner Meinung nach in Hinkunft die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik im Sinne einer sozialen Solidarität, aber auch im Sinne eines friedlichen Miteinander unbedingt erhöht werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: "Stürmischer" Applaus bei der SPÖ! – Abg. Mag. Ederer – in Richtung des Abg. Mag. Stadler –: Soll ich Ihnen auch noch applaudieren?) Herr Stadler! Sie sind doch auch für die "Kleinen" immer da. Nur: Dazu sagen Sie jetzt auch nichts.

Zurück zu meiner Frage, warum die Mittel für Arbeitsmarktpolitik erhöht werden sollen. – Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Beschäftigungspolitik – und darunter ist Arbeitsmarktpolitik zu verstehen – bilden ein Ganzes. Gerade aus diesem Blickwinkel und aus dem Blickwinkel des Strukturwandels heraus und unter dem Aspekt der Globalisierung, die uns in Österreich eigentlich noch mehr zu schaffen macht, müssen wir sehen, daß Arbeitskräfte aus der ganzen Welt miteinander in Konkurrenz stehen. Wir wissen zwar, welche Arbeitsplätze wir verlieren – reale Beispiele gibt es dafür genug –, aber wir wissen nicht, wie sich die Berufsbilder, die aufgrund neuer Technologien entstehen, entwickeln werden. Das heißt, es genügt nicht mehr, nur den Arbeitsplatz zu wechseln, sondern man muß – und darauf kommt es an – auch den Beruf, und diesen wahrscheinlich zwei- bis dreimal im Leben, wechseln.

Das erfordert auch – und dazu sind wir alle aufgerufen – Investitionen in Qualifizierung, Investitionen in Höherqualifizierung für Menschen, die den Arbeitsplatz verloren haben, und auch generell. Daß das notwendig ist, führte mir am Donnerstag voriger Woche ein Unternehmer in meiner Region klar vor Augen, der mir gesagt hat, er schließt seinen Betrieb mit 40 Arbeitsplätzen und geht aufgrund des Drucks seines Bestellers nach Ostungarn, weil er dort den Behälter um ein Viertel der Entstehungskosten von jenen in Österreich machen kann, ja machen muß. Auch für diese 40 Arbeitnehmer, die dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren, müssen Sofortmaßnahmen, und zwar Sofortbildungsmaßnahmen, eingeschaltet werden und nicht nur wie derzeit prioritär ausgerichtet nach dem Terminus Langzeitarbeitslosigkeit.

Selbiges ist auch passiert: Eine Firma ging mangels Masse in Konkurs, was sehr zweifelhaft ist, wie ich meine, weil genau ersichtlich ist, welche Vermögenswerte sich der Unternehmer mit seinen Arbeitskräften schaffen konnte. Nun stehen diese Arbeitskräfte, 60 an der Zahl, plötzlich ohne Arbeitsplatz da. Auch für diese müßte eine Sofortqualifikation einsetzen. Da sind wir gefordert.

Es besteht aber auch die Notwendigkeit, die Schulen für die Erwachsenen zu öffnen, selbstverständlich bei gleichzeitiger Existenzsicherung. Wir sind auch aufgerufen – und da muß auch die Wirtschaft zur Seite stehen –, die Jobrotation zu fördern. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind aufgefordert, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik für die Zukunft – und da hat Herr Dr. Stummvoll heute gesagt, dazu stehe die ÖVP – zu machen. Dies erfordert aber Sozialpartner mit Handschlagqualität. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Herr Dr. Khol! Ich würde meinen, Beschäftigungspolitik für die Zukunft erfordert auch Sozialpartner mit Handschlag


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qualität im Sinne der Sache, im Sinne des Ganzen, und keine Kleinkariertheit, wie man es jetzt bei der Ladenschlußdiskussion erlebt.

Lassen Sie mich noch zusätzlich anmerken: Steuerungsmöglichkeiten ... (Abg. Böhacker: Ladenöffnung!) Ladenöffnung oder Ladenschluß ist letztendlich dann dasselbe, gestritten wird nur um eine Kleinigkeit.

Zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten sind auch vonnöten im Zusammenhang mit der Globalisierung und mit der Entindustrialisierung – diese Gefahr besteht, und die sollte uns allen zu denken geben. Die Chancen sehe ich im europäischen Maßstab – das ist ein Auftrag für die Sozialpartner, aber auch ein Auftrag für alle Parteien – insbesondere in der Festschreibung von minimalen sozialen Lohn- und Umweltstandards, denn Lohn- und Sozialdumping verringert die Kaufkraft auch hierzulande, doch wir sind sehr wohl auf die Kaufkraft unseres Landes angewiesen, sonst nützt die ganze Produktion, die wir weltweit machen, nichts, denn dann kann sich die Konsumation der erzeugten Produkte niemand mehr leisten.

Ein weiterer Teilaspekt wäre ein europäischer Ausgleichszoll für Substandardprodukte aus anderen Wirtschaftsräumen. Dieser Ausgleichszoll würde helfen, europäische Umwelt- und Sozialstandards zu halten, wenn die Erträge aus dem Ausgleichszoll für standortfördernde Projekte in Osteuropa und in den Entwicklungsländern verwendet würden. Ein europäischer Ausgleichszoll würde auch wachstumsfördernden, internationalen Einkommensausgleich schaffen, wie das nach dem Zweiten Weltkrieg bei den ERP-Mitteln der Fall war, die damals dahin gehend gegriffen haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die Redezeitbeschränkung auf 6 Minuten ist eine freiwillige.

13.39

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, Sinn eines jeden Berichtes ist es doch, daß man einen gewissen Succus zieht. Ich möchte jetzt aber nicht auf die Verteilung der Arbeitseinkommen zu sprechen kommen, sondern auf etwas, was in diesem Bericht deutlich zutage getreten ist, nämlich daß die Sachinvestitionen im Zeitraum zwischen 1970 und 1990 zurückgegangen sind.

Herr Dr. Guger, der mit der Erstellung dieses Berichtes beauftragt war, hat festgestellt, daß die privaten Investitionen bis Mitte der siebziger Jahren in etwa dieselbe Höhe wie die Sparquote aufwiesen und nun auf die Hälfte der Höhe der Sparquote zurückgegangen sind. Den Rest hat der Staat dann für seine Investitionstätigkeit aufgenommen.

Er kommt zu dem Schluß, daß es, um das Ganze wieder zurückzudrehen, nur zwei Möglichkeiten gibt. Die eine Möglichkeit ist die, daß man Ausgabenkürzungen betreibt, und die zweite Möglichkeit sind Einnahmenerhöhungen, und zwar bei den mittleren und höheren Einkommen.

Herr Finanzminister! Jetzt ist mir auch klar geworden, warum Sie den Bericht mehr als ein Jahr lang zurückbehalten und nicht an das Parlament weitergeleitet haben, als die Debatte über das Belastungspaket geführt wurde. Denn es wären wahrscheinlich sehr viele Dinge in diesen Bereich eingeflossen, und Sie hätten dann nicht ein solch sozial unverträgliches Belastungspaket schnüren können, sondern Sie hätten wirklich ein Sparpaket schnüren müssen, das auf Ausgabenkürzungen hätte hinzielen müssen. Das verabschiedete Belastungspaket hat sogar zu einem Verlust von über 40 000 Arbeitsplätzen geführt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister! Eines ist mir schon auch klar: daß eine Budgetsanierung auch ohne EU-Beitritt notwendig ist. Da gehe ich mit Ihnen völlig d’accord. Aber Sie haben natürlich eines übersehen: daß durch den EU-Beitritt eine Belastung des Budgets 1995 in der Größenordnung von 50 Milliarden erfolgte. Das war das gravierende Ergebnis der unvorbereiteten Eintrittsverhandlungen in die Europäische Gemeinschaft, und das war auch dasjenige, was wir immer kritisiert haben.


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Jetzt will man unbedingt mit aller Gewalt in Richtung Euro drängen, auch in Kenntnis dessen, daß ein Hartwährungsland wie die Bundesrepublik Deutschland jetzt offen zugeben muß, daß es Ende 1997 das Konvergenzkriterium Budgetdefizit in der Höhe von 3 Prozent nicht erreichen und diese 3,5 Prozent überschreiten wird.

Sie, Herr Finanzminister, wissen auch ganz genau, daß nur ein einziges Land in ganz Europa ohne Budgetkosmetik in der Lage ist, das Konvergenzkriterium der Staatsverschuldung in der Höhe von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen.

Ich erwähne also nicht nur Dinge, die wir in Österreich machen, wie etwa Budgetverschleierung durch die Gründung von Straßensondergesellschaften. Durch Einführung der Autobahnvignette wird es möglich, diese Schulden auszugliedern.

Es ändert sich aber nichts an den Schulden, Herr Finanzminister! Die Schulden müssen bedient werden! Es ist im Grunde genommen eine reine Budgetkosmetik! Das ist eine reine Budgetkosmetik, die auch in Frankreich betrieben wird, eine Budgetkosmetik, die in Belgien betrieben wird. In Frankreich geht man soweit, daß man sich im Jahre 1997 von der Telecom einen Betrag von 37,5 Milliarden Schilling überweisen läßt, den man in späterer Zeit wieder zurückbezahlt. In Belgien spricht man von "Sale and lease-back" von öffentlichem Eigentum, damit die Staatsverschuldung geringer wird. Es ändert sich ja nichts, es wird nur Budgetkosmetik betrieben!

Sie wissen auch selbst ganz genau – das haben Sie auch hier im Hohen Haus gesagt –: Ohne Einhaltung der Stabilitätskriterien ist der Euro zu gefährlich und wird auch schwächer. Das ist die Gefahr, auf die wir hinweisen wollen. Das sagt nicht nur die freiheitliche Oppositionspartei, sondern auch Professor Smejkal von der Universität Innsbruck kommt zu dem Schluß, der da lautet: Ich fürchte, daß Österreich seine Budgetprobleme durch Schwindelbudgets verdecken wird; auch Deutschland tut dies zum Teil.

Jetzt geht es in die Richtung, daß es eben aufgrund dieses Verteilungsberichtes zu Steuererhöhungen kommen wird, nachdem Sie bei den Ausgabenkürzungen schmählichst gescheitert sind. Sie haben nämlich nur Steuererhöhungen bei diesem Belastungspaket durchgezogen, Ausgabenkürzungen sind keine spürbar. Erkenntnisse, die man aus diesem Bericht gewinnt, werden dazu führen, daß Steuererhöhungen in massiver Höhe vorgenommen werden, was zu einer weiteren Belastung der österreichischen Bevölkerung und zu einem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen führen wird. Da können wir bei bestem Willen nicht mitgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete. Die Redezeitbeschränkung auf 5 Minuten ist gleichfalls freiwillig.

13.45

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich nehme in aller Kürze zu dem Antrag der Kollegen des Liberalen Forums betreffend die Novellierung des Einkommensteuergesetzes Stellung. In diesem Entschließungsantrag wird gefordert, Aufwendungen für kulturelle, wissenschaftliche und karitative Leistungen und für den Sport mögen steuerlich absetzbar sein. (Abg. Hans Helmut Moser: Sinnvoll!)

Dazu sei festgehalten, daß die Aufwendungen für Sportförderung grosso modo schon jetzt voll absetzbar sind. Zur Absetzbarkeit von Aufwendungen an karitative Institutionen: Ich hätte es auch gerne, wenn diese steuerlich absetzbar wären (Abg. Hans Helmut Moser: Machen wir es gemeinsam!) , aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in Zeiten eines Sparbudgets erscheint es mir frivol, zusätzliche Wünsche zu äußern.

Faktum ist, daß die Spendenfreudigkeit der Österreicher – ich denke etwa an die Aktion "Nachbar in Not" – eine wahrlich große ist, und ich glaube, daß durch einen steuerlichen Anreiz nicht mehr Spenden lukriert werden könnten.


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Was die Abetzbarkeit von Aufwendungen für kulturelle Institutionen anlangt, so informiere ich Sie, daß das doch schon zum Teil möglich ist ohne die geforderte Werbewirksamkeit nach § 4 des Einkommensteuergesetzes 1988.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Gerne würde ich Ihrem Antrag zustimmen (Abg. Hans Helmut Moser: Tun Sie es doch!) , wenn er nicht so lieblos (Abg. Hans Helmut Moser: Na geh!) und, was die Forderung betrifft, nicht so unseriös wäre. Daher muß ich sagen, daß ich Ihren Antrag für einen Alibiantrag halte. Wir können Ihrem Antrag leider unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Das ändert aber nichts daran, daß die Möglichkeiten für die steuerliche Absetzbarkeit im privaten Kunst-Sponsoring unbefriedigend sind. Wir von der Österreichischen Volkspartei haben uns immer dafür eingesetzt und haben unserem Regierungspartner wirklich konstruktive Vorschläge vorgelegt. Ich will nicht verhehlen, daß unsere Vorschläge immer an ideologischen Bedenken unseres Regierungspartners gescheitert sind, und da im besonderen an der Person des Herrn Finanzministers Lacina. Ich hoffe daher, daß wir neue Hoffnung schöpfen dürfen, Herr Minister Klima, daß wir da doch einen Schritt weiter kommen. (Abg. Hans Helmut Moser: Herr Minister Klima, der Hoffnungsträger der ÖVP! – Abg. Dr. Khol: Das ist ein noch strengerer Rechenknecht!)

Mein Kollege Franz Morak wird in der nächsten Zeit einen Antrag einbringen. Mit diesem Antrag werden wir alle aufgefordert sein, die Kunstförderung neu zu diskutieren, neu zu überlegen. Und ich lade Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen vom Liberalen Forum, ein, uns dabei zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. 6 Minuten Redezeitbeschränkung auf freiwilliger Basis.

13.48

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Meinungen über die Treffsicherheit der Maßnahmen, die im Umverteilungsbericht angesprochen sind, mögen ja durchaus auseinandergehen, aber ich glaube, in einem Punkt herrscht durchaus Übereinstimmung oder zumindest großteils Übereinstimmung, nämlich dort, wo ganz klar ausgesprochen wird, daß Österreich ein kompliziertes, sehr umfangreiches, sehr schwer durchschaubares Steuer- und Abgabensystem hat, aber gleichzeitig eines der ineffizientesten in Europa. Darüber sind sich auch viele Experten einig, meine Damen und Herren: von Wifo-Experten angefangen bis zu Experten des Instituts für Höhere Studien, Professor Clement vom Industriewissenschaftlichen Institut sagt das gleiche, und viele andere auch.

Ineffizient ... (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Ja, okay, darüber können wir dann auch noch diskutieren, Herr Kollege. – Aber ineffizient trotz zweier – und das darf man nie außer acht lassen – ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Okay, machen wir das nachher, Kollege. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Das macht nichts, Kollege Schwemlein weiß nicht, wovon er spricht. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Bezieher von Arbeitsloseneinkommen! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht können wir das Gedächtnis noch einmal schulen. Ich bin zu einem späteren Zeitpunkt gerne dazu bereit.

Meine Damen und Herren! Zwei Steuerreformetappen haben nichts an dieser Ineffizienz geändert, im Gegenteil, die Tendenz geht punkto Effizienz weiterhin nach unten.

Herr Bundesminister! Ich halte Sie für jemanden, der es versteht, auf dem finanzpolitischen Klavier zu spielen, und der auch durchaus in der Lage ist, dies eloquent zu verkaufen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Aber, Herr Bundesminister – gestatten Sie mir diese Kritik –, wenn Sie heute von der Regierungsbank aus erklären, Sie wären um größtmögliche Steuerkontinuität bemüht, und gleichzeitig ankündigen, Sie werden sich – ganz offiziell – die eine oder andere steuerliche Maßname – sei es jetzt bei den Steuerbemessungsgrundlagen oder woanders – für die Zukunft überlegen, wenn Sie sich auch nichts dabei denken, nichts dabei finden, wenn Sie sagen: Das Sparpaket war halt jenseits der bisher üblichen Gepflogenheiten!, und auch nichts dabei finden, daß man sich mit Verfassungsbestimmungen rückwirkend über die Freibetragsgrenzen hinwegsetzt, sie ausschaltet oder senkt, dann ist das wirklich Ausdruck sozialer Gefühlskälte. Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen: Es ist dies auch eine Desavouierung existentieller Ängste von Hunderttausenden von Österreichern, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Doch nun zu einigen Aspekten des Umverteilungsberichtes. (Abg. Schwemlein: Du hast deinen Wortschatz auch schon verändert!) Ich halte diesen Bericht in seiner Form für eine taugliche Grundlage, auch wenn der Berichtszeitraum schon lange zurückliegt und der Bericht daher nur bedingt aussagefähig ist.

Für mich stellt sich die Frage, Herr Finanzminister: Welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen? – Es genügt nicht, daß man hier das eine oder andere aufzeigt und darüber diskutiert. Es wird dieses Papier aber auch in eine ganz bestimmte Richtung verwendet, nämlich dazu, daß kein Stein auf dem anderen bleibt und das dritte Belastungspaket von Ihnen im Handumdrehen 1 : 1 beschlossen und umgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dafür stehen wir nicht zur Verfügung!

Kollegen Nowotny möchte ich in seiner Funktion als Vorsitzender des Finanzausschusses doch einiges sagen: Bitte, lesen Sie den Bericht in seiner Akzentuation noch einmal durch. Wenn Sie sagen, daß der Bericht der Bundesregierung ein effizientes umverteilungsgerechtes System bescheinigt, muß ich Ihnen sagen: Bitte, lesen Sie noch einmal nach, Herr Kollege Nowotny! Auf den Seiten 91 und 92 steht nämlich das Gegenteil. – Es genügt, wenn Sie die Zusammenfassung lesen.

Der Bericht attestiert weiters, daß es bei den staatlichen Ausgaben einzig und allein im Bereich der sozialen Maßnahmen eine gewisse Umverteilungsgerechtigkeit gibt – aber auch dieser Punkt ist stark eingeschränkt –, daß aber bei anderen, nicht transferbezogenen Ausgaben des Bundes diese Wirkung ganz klar verfehlt wird. – Es geht nicht an, daß der Vorsitzende des Finanzausschusses hier einfach das Gegenteil behauptet. Ich mußte das richtigstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Darüber müssen wir uns noch unterhalten!) Wir können uns später gerne noch darüber unterhalten, jetzt geht es aufgrund der knappen Redezeit leider nicht.

Meine Damen und Herren! Ein letzter Punkt: Es wird versucht, jetzt den Sparhebel – einige Vorredner haben das schon gesagt –, den Rotstift beim volkswirtschaftlichen Sparvolumen anzusetzen. Und das enthält wirklich gewaltige Brisanz, meine Damen und Herren!

Ich zitiere dazu nur die Seite 96 des Berichtes, auf der es heißt: Man muß nun wohl auch für die Zukunft davon ausgehen, daß Wirtschaftswachstum und Investitionstätigkeit nicht mehr eine Höhe erreichen werden, daß die Unternehmen Kredite im Ausmaß von 7 bis 8 Prozent des BIP aufnehmen werden wie in der goldenen Ära. Unter dieser Annahme muß dann das Nettosparen der Privathaushalte aus rein tautologischen, saldenmechanischen Gründen deutlich sinken, wenn die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand auf ein akzeptables Maß zurückgeführt werden soll.

Meine Damen und Herren! Diesen Satz muß man schon analysieren. Denn das würde ja heißen, daß die Sparneigung der inländischen Haushalte, der Privathaushalte mehr oder weniger 1 : 1 durch die öffentliche Hand bestimmt wird – und dann gleich Punkt. Und das stimmt nicht, Herr Kollege! (Abg. Dr. Nowotny: Sie sollten sich mit Volkswirtschaft befassen! Das ist Saldenmechanik – erster Studienabschnitt!) – Ja, ich habe mich ausreichend mit Volkswirtschaft befaßt, Herr Kollege! Verlassen Sie einmal die Saldenmechanik, Herr Kollege! Sie brauchen mich nicht zu belehren, was im ersten Studienabschnitt ist.


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Herr Kollege! Sie wollen nicht diskutieren und Sie wollen Kritik nicht zur Kenntnis nehmen. Das ist das Problem der sozialdemokratischen Fraktion! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie nämlich den Umkehrschluß ziehen, würde das bedeuten, daß der öffentliche Haushalt haltmacht, wenn er im Inland kein ausreichendes Kreditangebot vorfindet. Genau das würde das heißen.

Ich kann mich gut daran erinnern, wie viele ausländische Kredite aufgenommen und bedient wurden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Nowotny. ) Geben Sie mir ein Nicht genügend, das schert mich nicht, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Das merkt man ja!) Es macht mir nichts.

Meine Damen und Herren! Ich sehe da einen gefährlichen Ansatzpunkt, und wenn das Kreditvolumen jetzt als zentraler Angelpunkt einer Kurskorrektur benutzt wird, Herr Bundesfinanzminister, dann befürchte ich für Österreich wirklich das Schlimmste. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.56

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Es ist wichtig, die Grundrechnungsarten zu kennen – und das hat damit zu tun. Nach der Saldenmechanik in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist es ganz einfach so, daß dieser Satz stimmt, den Sie bezweifeln, und es ist wichtig, einen Finanzminister zu haben, der die Grundrechnungsarten beherrscht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Hoffentlich kann er noch ein bißchen mehr!)

Herr Mag. Trattner! Sie haben auch über die Investitionsquote gesprochen. Das europaweite Problem ist, daß die Realzinsen über der Wachstumsrate liegen und die anderen Einkommensbestandteile daher darunter liegen müssen, das sind eben Gewinne und Einkommen. Daher liegt der Hauptgrund für die geringere Investitionsquote in der konservativen Geldpolitik in Europa. Unser Finanzminister unterstützt diese jedoch nicht, sondern versucht, etwas zu ändern.

Hohes Haus! Mir sind zwei Anmerkungen wichtig: Erstens: Die Arbeitnehmer tragen die Hauptlast hinsichtlich der Steuereinnahmen. Das Lohnsteueraufkommen ist mehr als doppelt so hoch wie die veranlagte Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer; der Anteil der Unternehmensteuer liegt bei 13 Prozent. Die Lohnsteuer erreicht deswegen diese Höhe, weil es im Bereich der Lohnsteuer keine Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Der 13. und 14. Bezug – darüber wurde heute schon diskutiert – sind gerade deswegen begünstigt, weil es im Lohnsteuerbereich keine Gestaltungsmöglichkeiten gibt, sodaß das eine Kompensation zu den Gestaltungsmöglichkeiten bei den Unternehmensteuern darstellt.

Wenn man über die Verteilung des Steueraufkommens spricht, kann man daher nicht allein die Verteilung innerhalb des Lohnsteueraufkommens sehen, sondern muß die Verteilung zwischen Lohnsteuer- und Unternehmensteueraufkommen sehen. So gesehen muß gelten, daß das Steueraufkommen in diesem Bereich erhöht werden muß. Das Prinzip des Finanzministers hat auch da Geltung: Nicht Steuersätze, aber Steuereinnahmen erhöhen.

Die Steuereinnahmen können erhöht werden, indem man die Kontrollen stark verbessert. Wir haben nämlich in der Arbeiterkammer eine Untersuchung durchgeführt, die folgendes zeigt: Würde man von der tatsächlichen Steuerleistung ausgehen, so müßte es so sein, daß der durchschnittliche Bauunternehmer weniger verdient als ein Bauarbeiter oder der durchschnittliche Gastwirt weniger verdient als ein Kellner. Das kann nicht richtig sein, also stimmt im Kontrollsystem irgend etwas nicht! Ich glaube, daß das verbessert werden muß und daß man sich dabei auch privater Möglichkeiten bedienen sollte. Die Gemeinden machen das ja bei der Getränkesteuer schon sehr häufig.


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Ein zweiter Punkt: Hohes Haus! Es liegt zwar die Umverteilungsstudie vor – sie behandelt insbesondere die Umverteilungswirkung durch die Haushalte der öffentlichen Hand –, Sie sollten aber beachten, daß die Verteilungswirkung durch die Wirtschaftspolitik viel gravierendere Folgen hat. Ich sehe eine große Bedrohung einer gerechten Einkommensverteilung in Europa in Zukunft insbesondere dadurch, daß die Geldpolitik und der Versuch, Maastricht-Bestimmungen einzuhalten, im Vordergrund stehen und die Beschäftigungspolitik in den Hintergrund gerückt wird. Es ist daher sehr wichtig, daß der Finanzminister und der Bundeskanzler immer wieder Bemühungen setzen, die Beschäftigungspolitik in den Vordergrund zu rücken, denn nur durch eine vernünftige Beschäftigungspolitik und nicht durch eine Orientierung in Richtung Geldwertstabilität allein kann die Verteilungsgerechtigkeit in Europa aufrechterhalten werden.

Es ist ganz einfach so, daß die Prognose der Wachstumsrate langfristig gesehen bei 2 Prozent liegt, daß die Produktivität rascher steigen wird als das Wachstum und daher Arbeitslosigkeit entstehen muß, wenn die Arbeit weiterhin ungleichmäßig verteilt wird. Wenn es Arbeitslosigkeit gibt und kritisiert wird, daß die Arbeitslosen entsprechend unterstützt werden, dann zwingt man sie eigentlich dazu, zu allen Bedingungen zu arbeiten. Und wenn Arbeitslose gezwungen werden, zu allen Bedingungen zu arbeiten, ruiniert das in Wahrheit das Lohn- und Gehaltsniveau. In Summe nennt man das dann Job-Wunder à la USA.

In den USA sind die Reallöhne von 80 Prozent der Arbeitskräfte in den letzten 20 Jahren um jährlich 1 Prozent gesunken. Der Faktor zwischen dem untersten Zehntel des Einkommens und dem obersten Zehntel des Einkommens liegt dort bei 6 – das bedeutet das Sechsfache –, bei uns liegt dieser Faktor bei 3. Der Lebensstandard des unteren Zehntels der Einkommensbezieher ist in den USA halb so hoch wie etwa in Deutschland und in Österreich.

Die Sozialleistungen – das ist die Antwort – müssen also einen Standard haben, der es Arbeitslosen ermöglicht, nicht zu allen Bedingungen Arbeit anzunehmen. Das ist gerecht und verursacht auch keinen Druck auf das Lohn- und Gehaltsniveau.

Es muß zweitens in der EU Beschäftigungspolitik betrieben werden, um wieder höhere Wachstumsraten zu ermöglichen und dadurch zu einer besseren Einkommensverteilung zu kommen. Längerfristig wird es auch notwendig sein, die Arbeit gerechter zu verteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Es gibt zwei Entschließungsanträge, die Mitglieder der grünen Fraktion eingebracht haben. Einer dieser Entschließungsanträge betrifft einen Bericht über die Entwicklung des Arbeitslosenversicherungssystems. Wir werden diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen, da durch die Ausnützung der neuen Geschäftsordnung im Rahmen einer allgemeinen Aussprache jederzeit verlangt werden kann, daß dieses Thema im Ausschuß sehr eingehend behandelt wird. Ich nehme an, daß unsere Abgeordneten des Sozialausschusses dieses Thema im Ausschuß auch tatsächlich aufs Tapet bringen werden.

Der zweite Entschließungsantrag betrifft die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für Frauen mit Betreuungspflichten. Da gibt es tatsächlich in der Beschreibung und im Tenor ein Problem, das sehr ernst ist, nämlich die Notstandshilfebezieherinnen betreffend. Es ist tatsächlich so, daß es da häufig Probleme gibt, weil die Arbeitsämter gezwungen sind, die Bestätigungen der Gemeinden über die Möglichkeit von Kinderbetreuung zu akzeptieren, es aber oft sehr einseitige Bestätigungen gibt, da die Gemeinden geneigt sind, auch Betreuungsmöglichkeiten anzugeben, die in der Qualität oft nicht ausreichend sind, um keinen Kostenbeitrag leisten zu müssen. Wir haben im Rahmen der Arbeiterkammer Niederösterreich diesbezüglich sehr viele negative Fälle erlebt, die aber in Gesprächen mit dem Arbeitsamt ausgemerzt werden konnten.

Es kann nicht sein, daß die soziale Absicherung für Personen mit Betreuungspflichten aus der Arbeitslosenversicherung allein finanziert wird, daher werden wir auch diesen Entschließungsantrag ablehnen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

14.05


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44. Sitzung / Seite 84

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die Redezeitbeschränkung von 5 Minuten ist freiwillig.

14.05

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Zur Umverteilungsdiskussion hat Frau Kollegin Hostasch etwas sehr Bemerkenswertes gesagt, sie stellte nämlich fest, daß der Wohlstand aus Besitz und Vermögen schneller steigt als aus der Erwerbstätigkeit. Ihre Konsequenz, ihr Schluß daraus ist, daß da nur die Umverteilung Platz greifen müßte.

Ich setze dem einen anderen Schluß, den Schluß der Österreichischen Volkspartei und des ÖAAB, entgegen: Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis muß eine Politik sein für ein Volk von Eigentümern, von Besitzern. Wir meinen, daß es besser ist, Eigentumswohnungen statt Mietwohnungen zu errichten und Eigentum in Arbeitnehmerhand sowie Mitarbeiterbeteiligung zu fordern. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Dr. Grollitsch. )

Auch wundere ich mich über das einfache Strickmuster des Kollegen Rosenstingl, der gemeint hat, daß die Lehrplätze zu sichern seien, wenn die Gemeinden belastet würden und die Kommunalabgabe nicht bezahlt werden müßte. Herr Kollege Rosenstingl! Die Gemeinden sind am Limit ihrer finanziellen Belastungen – aber Sie dürften mit Kommunalpolitik nicht sehr viel zu tun haben (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl ) , sonst könnten Sie nicht zu dieser Erkenntnis kommen. Eigentlich hatte ich mir von den "F" etwas anderes erwartet, nämlich etwas in Richtung Leistung, da sie diesbezüglich den Mund immer sehr offen hat, und nicht den Vorschlag, die Gemeinden zu belasten.

Meine Damen und Herren! Bei der Jugendbeschäftigung und bei der Schaffung und Sicherung von Lehrplätzen geht es darum, Ursachen und nicht Symptome zu behandeln. Und eine dieser Ursachen ist in erster Linie die Überbelastung der Wirtschaft mit bürokratischen Hemmnissen, die sich finanziell enorm auswirken.

Geredet wurde über die Lehrplatzschaffung und -erhaltung schon sehr viel, getan ist weniger geworden. Die Vorschläge der Volkspartei liegen auf dem Tisch und bräuchten nur noch umgesetzt werden – wir werden dafür alles tun.

Traditionell redet die Sozialdemokratische Partei natürlich der Umverteilung das Wort sowie – das war den Medien zu entnehmen – dem Recht auf Arbeit und dem Recht auf einen Lehrplatz. Nach dem 13. Oktober kündigten wiederholt Stimmen in der SPÖ an, daß sie noch traditioneller werden, zurück zu den Wurzeln finden müsse. Davor möchte ich aber, geschätzte Damen und Herren, warnen, denn für die traditionelle Versorgungspolitik ist nicht mehr genug Geld vorhanden. Diese Haltung hat in der Vergangenheit zu sehr an unserer Substanz gezehrt. Was nützt uns ein solches Recht, wenn sich die Betriebe keine Lehrplätze mehr leisten können oder diese nicht mehr wollen?

Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Vorschriften für die Lehrlingsausbildung anschaue, kann ich nur feststellen: Der Lehrling wurde in den vergangenen Jahrzehnten überbehütet, überreguliert, mit so viel bürokratischem Aufwand wie nur möglich verwaltet. Die Vorschriften haben zu 150prozentigen Lohnnebenkosten geführt.

Abschließend möchte ich feststellen: Die jungen Menschen wollen arbeiten, wollen lernen, wollen sich beweisen, daß sie etwas können, wollen etwas leisten – und dieses Wollen unterstützt die Österreichische Volkspartei! (Beifall bei der ÖVP.)

Nehmen wir Abschied von der Versorgungsmentalität, vom Vollkaskodenken, davon, nur von Rechten, aber nicht von den Pflichten zu reden, wie in der Presse gestanden ist. Trauen wir den Staatsbürgern doch zu, selbständig zu denken und zu entscheiden sowie Eigenverantwortung zu übernehmen. Wir in der Politik haben dafür neue Rahmenbedingungen zu setzen, die Wirtschaft zu befähigen, es interessant und sich leistbar zu machen, Lehrlinge im dualen Prinzip aus


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44. Sitzung / Seite 85

zubilden, ihnen akzeptable Entschädigungen zu bezahlen, um in Zukunft konkurrenzfähige Facharbeiter, Meister und ein Volk von Unternehmern zu haben. (Beifall bei der ÖVP.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Huber. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.10

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir diskutieren jetzt schon beinahe vier Stunden den vorliegenden Verteilungsbericht. Der Bericht zeigt sehr eindeutig, sehr klar und auch unmißverständlich, daß es zwar – und da gebe ich Kollegen Nowotny recht – eine Hilfe für die unteren Einkommensbezieher gibt, daß es aber auch Bereiche gibt, in denen das weniger deutlich wird und nicht die notwendige Gerechtigkeit herrscht, in denen wir noch anzusetzen haben: bei der Familienförderung, der Wohnbauförderung und auch im Bereich der Steuern.

Ich habe in den letzten eineinhalb Stunden faserschmeichelweiche Reden der Kollegen Trattner und Firlinger gehört. Daher muß ich jetzt auf die Wortspende des Finanzsprechers der "F"ler, der sogenannten Arbeiterpartei, des Kollegen Böhacker, von heute vormittag zurückkommen. (Abg. Mag. Stadler: Sie sind eine sogenannte Arbeiterpartei!)

Schon in der Fragestunde, sehr geehrte Damen und Herren, kam die Kritik betreffend die unzumutbare Steuerbelastung für Körperschaften. Man muß es auf der Zunge zergehen lassen, wenn die "F"ler meinen, 50 000 S Steuer für eine AG, für eine GesmbH seien viel zuviel. (Abg. Rosenstingl: Kollegin, Sie verstehen es nicht! Sie sollten sich sachlich damit auseinandersetzen!) Das ist der Betrag – Herr Kollege, ich hoffe, Sie werden mich dann aufklären –, den ein Arbeitnehmer mit einem Monatseinkommen in Höhe von 20 000 S an Steuer zu bezahlen hat! – Zuviel für eine Körperschaftsteuer? (Abg. Böhacker: Wenn jemand keine Einkünfte hat, wieviel bezahlt er dann? – Zahlt er dann auch 50 000? – Immerwährende Vorauszahlung!)

Sie beklagen, daß es im Steuerbereich zu einer Verschärfung der Progression gekommen ist und vielleicht noch zu weiteren Verschärfungen kommen wird. Was bedeutet denn: Verschärfung der Progression? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ich bin schon beim nächsten Thema, wenn Sie es nicht bemerkt haben sollten! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) – Das bedeutet nichts anderes, als daß nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch das Zumachen von Schlupflöchern, das Streichen von Absetzmöglichkeiten und anderen Ausnahmen mehr Steuern aus dem Bereich der hohen und höchsten Einkommen in diesem Land aufgebracht wurden. Ist das ein aus Ihrer Sicht so unerwünschter Effekt, Herr Kollege?

Mir ist schon klar, daß Sie sich in einer Identitätskrise befinden. Sie als Beschützer der Kleinen – ich nehme an, der kleinen Einkommensbezieher – wehren sich so vehement gegen die Steuerbelastung von Besserverdienenden. Sie haben gemeint: Die G’stopften dürfen doch nicht zu den Geschröpften werden! Ich muß Ihnen daher sagen: Es geht nicht um das Schröpfen und es geht auch nicht um Steuererhöhungen, sondern es geht um eine gerechte Leistung nach den jeweiligen Möglichkeiten. Und wer ein höheres Einkommen hat, hat auch mehr Möglichkeiten – dem werden Sie wohl zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Wenn die letzten Maßnahmen der Steuergerechtigkeit gedient haben, weiß ich nicht, was Steuergerechtigkeit heißt!)

Wenn Sie Umverteilung – das ist für mich eine gerechte Verteilung des vorhandenen Verteilungspotentials – als Bedrohung empfinden, wie Sie das heute vormittag gesagt haben – ich habe das dem Protokoll entnommen; ich habe es nachlesen müssen, denn ich habe es gar nicht glauben können –, und wenn Sie das als Klassenkampf bezeichnen, dann bin ich sehr gerne – und, ich nehme an, alle meine Kollegen aus der sozialdemokratischen Fraktion – Klassenkämpfer! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.


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44. Sitzung / Seite 86

Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, den Bericht des Bundesministers für Finanzen (III-46 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Reform des Arbeitslosenversicherungsrechts.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für Frauen mit Betreuungspflichten.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 268 der Beilagen über den Antrag 12/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 270 der Beilagen über den Antrag 64/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Novellierung des Einkommensteuergesetzes zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist abermals die Mehrheit. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 273 der Beilagen über den Antrag 68/A (E) der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Haselsteiner und Genossen betreffend Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 274 der Beilagen über den Antrag 70/A (E) der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.


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44. Sitzung / Seite 87

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 275 der Beilagen über den Antrag 84/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 276 der Beilagen über den Antrag 85/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages, nämlich Abkommen mit Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen, in 212 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Daher angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages, nämlich Abkommen mit der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen, in 309 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit und daher angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluß des Staatsvertrages, nämlich Abkommen mit der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, in 112 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit und daher angenommen .

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 322 der Beilagen.

Im Falle Ihrer Zustimmung ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich abermals um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

12. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Sonderbericht des Rechnungshofes (III-23 der Beilagen) über die Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellchaft (391 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies der Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Sonderbericht des Rechnungshofes (III-23 der Beilagen) über die Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft (391 der Beilagen).

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


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Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Rosenstingl. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten wird angezeigt.

14.20

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft hat eine lange Geschichte, leider eine Geschichte, die den Steuerzahler viel Geld gekostet hat. Viele Milliarden sind hier sozusagen versunken, Milliarden, die aber politisch zu verantworten sind. Und diese Verantwortung trägt in erster Linie die Sozialdemokratische Partei.

Der Bericht des Rechnungshofes 1994 hat schon politische Fehlentscheidungen festgestellt, Fehlentscheidungen, die die SPÖ, aber insbesondere Herr Bundeskanzler Vranitzky – teilweise als Finanzminister – und der jetzige Verkehrsminister Scholten herbeigeführt haben, Entscheidungen, die wieder Hunderte Millionen Schilling gekostet haben.

Ich darf Sie an eine Entscheidung erinnern, an die Geschichte der "Mozart", die wir schon 1994 im Rechnungshofausschuß diskutiert haben. Hier wurden durch persönliche Eingriffe des Bundeskanzlers Entscheidungen gegen jede wirtschaftliche Vernunft getroffen. Der Schaden beim Personenschiff "Mozart" betrug 500 Millionen Schilling. Und ich darf Sie daran erinnern, daß der Vorstand davor gewarnt hat – die Dokumente darüber liegen vor –, daß dieses Personenschiff angekauft wird. Man hat sich aber darüber hinweggesetzt, und der damalige Finanzminister Vranitzky hat seinen damaligen Sekretär Scholten geschickt und gesagt: Dieses Schiff soll angekauft werden. Das muß geschehen.

Wir haben dann leider die Erfahrung gemacht, daß damit eine Fehlentscheidung getroffen wurde – durch einen persönlichen Eingriff, durch Weisungen des damaligen Finanzministers Vranitzky. 500 Millionen Schilling hat Vranitzky hier zu verantworten, 500 Millionen Schilling, die der Steuerzahler bezahlen muß. Vranitzky hat durch die Ausübung seines Weisungsrechtes der Republik einen Schaden in der Höhe von 500 Millionen Schilling zugefügt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang war die letzte Sitzung des Rechnungshofausschusses sehr interessant. Ich habe in dieser dem Rechnungshofpräsidenten die Frage gestellt, ob bei der Liquidation oder beim Verkauf der Schiffe festgestellt wurde, daß Provisionen geflossen sind, und habe darauf hingewiesen, daß es ja in der Geschichte der "Mozart" eindeutig zu Provisionszahlungen gekommen ist. Interessant war die Reaktion der Sozialdemokraten, da kamen Zwischenrufe von Abgeordneten: Das stimmt nicht! Da gab es keine Provisionen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie daran erinnern, daß im Rechnungshofausschuß 1994 festgestellt wurde, daß Provisionen geflossen sind. Es liegt erstens einmal ein Dokument vor, nämlich der Schriftverkehr mit der Werft Nobiskrug, in dem festgehalten wurde, daß der Provisionsfaktor von 3 Prozent bei den Ankaufsverhandlungen des Kabinenschiffes "Mozart" ein Bestandteil war. Und zweitens hat im Rechnungshofausschuß die Auskunftsperson, Herr Wecera, auf meine Frage: Sind beim Ankauf des Kabinenschiffes "Mozart" Provisionen gezahlt worden?, mit Ja geantwortet. Das heißt, die Provisionszahlung steht daher eindeutig fest.

Was nicht feststeht, ist, wer die Provisionen bekommen hat. Das steht bis heute nicht fest. Herr Wecera hat ja nicht gesagt, er hat Provisionen bekommen, sondern nur festgestellt, daß Provisionen geflossen sind. Und ich frage mich daher, warum von seiten des Bundesministeriums nicht Aufklärung betrieben wird, wer denn seinerzeit eigentlich die Provisionen bekommen hat.

Herr Bundesminister! Könnte es vielleicht sein, man fürchtet, daß man feststellen könnte, daß diese Provisionen in politischen Kanälen verschwunden sind? Könnte es sein, man fürchtet, daß jemand feststellen könnte, daß vielleicht Parteipolitik dahintersteckt, daß vielleicht eine Partei, die hier in diesem Haus vertreten ist, bei den Provisionszahlungen mitgenascht hat?


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Für mich ist es schon erstaunlich, daß feststeht, daß beim Ankauf des Schiffes massiv eingegriffen wurde von Verantwortungsträgern, vom damaligen Finanzminister Vranitzky, daß man entgegen jede Empfehlung dieses Schiff kaufen wollte, und daß man jetzt auch festgestellt hat, daß Provisionen geflossen sind und man bis heute nicht weiß, wohin diese Provisionen geflossen sind.

Der Herr Rechnungshofpräsident hat seinerzeit richtigerweise geantwortet, er wußte nichts von Provisionsflüssen, er konnte daher die Provisionsflüsse nicht überprüfen. Jetzt hat er natürlich keinen Auftrag, zu überprüfen, wohin diese Provisionen beim Ankauf des Kabinenschiffes "Mozart" geflossen sind. Aber es würde, glaube ich, Herr Bundesminister, Ihrer politischen Verantwortung guttun, wenn Sie sagten: Ich kümmere mich um diese Angelegenheit. Ich decke auf, wohin diese Provisionen geflossen sind. – Damit außer Streit steht, daß vielleicht irgendeine Partei hier auch die Finger im Spiel haben könnte. Ich ersuche Sie daher, Herr Bundesminister, in dieser Angelegenheit tätig zu werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht des Rechnungshofes deckt aber auch viele politische Fehlentscheidungen auf. Auch das hat sich im Rechnungshofausschuß eindeutig ergeben. Ich darf daran erinnern, daß der Herr Rechnungshofpräsident in einer seiner Antworten davon gesprochen hat, daß wir vor einem "Trümmerfeld DDSG" stehen. Und er hat auch festgestellt, daß der Rechnungshof rechtzeitig warnend seine Stimme erhoben und darauf hingewiesen hat, daß hier Fehlentwicklungen eintreten. Der Herr Rechnungshofpräsident hat festgestellt, daß der Rechnungshof seinerzeit schon empfohlen hat, daß es keine Ausweitung der Langstrecke bei der DDSG geben soll, daß aber trotz dieser Empfehlung der Ankauf der "Mozart" später beschlossen wurde.

Es wurde weiters festgestellt, daß Zuschüsse aus dem Steuertopf laufend erfolgt sind, ohne daß qualitative Entscheidungsgrundlagen von den Eigentümervertretern vorgelegen sind. Auch bei den Privatisierungsbestrebungen stellt man wieder fest: Es hat keine Vorgaben der Eigentümervertreter gegeben. Diese Vorgaben, diese Rahmenbedingungen haben gefehlt.

Herr Bundesminister! Ich glaube, daß Sie es sich ein bißchen zu leichtmachen, wenn Sie sagen: Wir wollten nicht eingreifen, das hätte ja alles die Unternehmensführung machen können.

Zu diesem Zeitpunkt, zu dem es um die Privatisierungsbestrebungen der DDSG gegangen ist, war klar, daß die Lage sehr, sehr ernst ist. Und als verantwortungsvoller Eigentümervertreter müßte man ja Vorstellungen haben, wie eine Privatisierung durchgeführt werden soll. Und da ist es zuwenig, zu sagen: Ja, privatisieren wir. Wir werden schon sehen, was dabei herauskommt.

Herr Bundesminister! Sie haben bei dieser Vorbereitung die Fragen der Ländenrechte überhaupt nicht geklärt. Man hat nicht gewußt, was im Rahmen einer Privatisierung mit ihnen geschehen soll. (Bundesminister Mag. Klima: Ich war damals gar nicht verantwortlich!) – Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie sagen, Sie waren nicht vorhanden, und Lacina hat es anscheinend nicht gekonnt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesminister Mag. Klima: Nein, nein! Präzise Sprache, Herr Kollege!) Ich nehme gerne zur Kenntnis, daß Sie sich von Ihren Vorgängern, von Staribacher und Lacina, distanzieren und sagen: Mich geht das alles nichts an. Ich war ja damals nicht Finanzminister, und die anderen haben es halt nicht gekonnt.

Herr Bundesminister! Wir haben ja immer gesagt, die Finanz- und die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sind eine falsche Politik. Ich danke für die Bestätigung, daß Lacina, Staribacher und vorher Vranitzky eine falsche Politik betrieben haben. Ich hoffe, Sie machen eine bessere. (Bundesminister Mag. Klima: Das ist ja ein Kasperltheater!) Ich muß Ihnen aber sagen: Allein die heutige Wortmeldung zur Mindestkörperschaftsteuer zeugt nicht von einer besseren Finanzpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, daß der Rechnungshof eindeutig feststellt, daß die Abwicklung der Liquidation – wobei die Frage ist, ob sie wirklich richtig war, ob man sie nicht doch hätte verhindern können – durch fehlende Vorgaben der Eigentümervertreter länger gedauert hat und die Verluste dadurch höher geworden sind. Ich


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verweise auf den Rechnungshofausschuß, wo das alles besprochen und durch die Wortmeldung des Herrn Rechnungshofpräsidenten bestätigt worden ist.

Durch diese Ihre Politik ist ein großer Schaden im Rahmen der DDSG entstanden, ein Schaden, den natürlich die ganze Regierung zu verantworten hat, weil er ja in den letzten zehn Jahren entstanden ist. Es waren zwar die ÖVP-Minister nicht ressortzuständig, aber sie waren in der Regierung und hätten ihre Stimme erheben, rechtzeitig warnen und vorgeben können, wie man das machen sollte.

Wir stehen heute vor der Situation: Die Frachtschiffahrt hat Zukunft, aber Österreich ist nicht dabei. Wir stehen vor der Situation, daß Personenschiffahrt unter gewissen Umständen interessant sein könnte, aber in Österreich ist die Personenschiffahrt beziehungsweise sind alle diesbezüglichen Konzepte gescheitert. Ein Kapitel geht zu Ende, ein Kapitel, das viele Milliarden gekostet hat – wegen ruinöser SPÖ-Politik, die teilweise durch persönliche Interessen, zum Beispiel von Bundeskanzler Vranitzky, bestimmt war. Und das ist aus unserer Sicht abzulehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.31

Bundesminister für Finanzen Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Rosenstingl! Ich verstehe schon, daß Sie große Schwierigkeiten haben und daß es Sie grantelt und ärgert, wenn Sie sich auf der einen Seite als Arbeiterpartei darstellen und auf der anderen Seite nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß in Österreich von 62 000 Kapitalgesellschaften 42 000, zwei Drittel, sogenannte Nullfälle sind. Zwei Drittel sind Nullfälle, die keine Steuern bezahlen, sondern nur ... (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. )

Sehr geehrter Herr Kollege! Ich weiß, daß Sie als Steuerberater für Ihre Praxis und auch für die Unternehmer eintreten müssen, aber Sie können sich doch nicht hierherstellen und so reden, wo doch in diesem Sparpaket tatsächlich dafür gesorgt wurde, daß das Steueraufkommen der Unternehmen, der Kapitalgesellschaften in Österreich von etwa 30 Milliarden Schilling auf etwa 45 Milliarden Schilling ansteigen wird, also die Unternehmen deutlich mehr als je in der Vergangenheit zur Finanzierung unseres Staates beitragen werden. (Abg. Rosenstingl: Sie schröpfen sie! Das ist richtig!) Selbstverständlich, Herr Kollege, sagen Sie nur, wir schröpfen die Unternehmer. Aber dann stellen Sie sich nicht hin und vertreten die kleinen Hackler! Das ist nämlich inkonsequent und falsch. Das werdet ihr nie mehr schaffen, Freunde! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie müssen sich schon überlegen, Herr Kollege: Bin i i oder i?

Ich darf Ihnen eines sagen: Ich stehe dazu, daß wir uns – und das ist auch ein vernünftiges Korrektiv, das gemeinsam von der Regierung geschaffen worden ist – als Beitrag zur Konsolidierung des Staatshaushaltes einen wesentlichen Teil von mehr Unternehmensteuern, einen wesentlichen Teil von mehr veranlagten Einkommensteuern der Selbständigen, um über 30 Prozent, holen, daß wir uns aber auch einen Teil – einen geringeren Teil – von den Arbeitnehmern in diesem Lande holen. Das werden nur etwa 8 Prozent sein, und das auch noch sozial gestaffelt. Die, die weniger haben, werden weniger beitragen müssen und die, die viel haben, mehr.

Das gefällt Ihnen nicht, Herr Rosenstingl, weil Sie auf der anderen Seite wieder als Steuerberater die Unternehmer verteidigen. Und das kann man halt nicht machen.

Aber nun zu Ihrer konkreten Bemerkung, Herr Abgeordneter Rosenstingl: Seien Sie mir nicht böse, aber Sie haben sich mit dem hier zur Diskussion stehenden Rechnungshofbericht wirklich nur am Rande beschäftigt. Es ist wiederholt nachgewiesen worden, daß hier ausschließlich die verantwortlichen Organe die Entscheidungen zu treffen hatten und auch getroffen haben. Das ist wiederholt nachgewiesen worden. Das heißt, Ihre Versuche, Finanzministervorgänger und -vor


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vorgänger und was weiß ich noch alles da hineinzubringen, sind schon vor drei Jahren ins Leere gegangen. Probieren Sie es jetzt nicht noch einmal, sie gehen wieder ins Leere. Das ist ja wirklich kindisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe Ihnen heute schon einmal gesagt: Alter Wein in neuen Schläuchen bleibt immer alter Wein.

Eines nehme ich ernst, Herr Kollege, nämlich daß Sie gesagt haben, es gab überhaupt keine Vorgaben. Das ist nicht richtig, und das wissen Sie. Es gab eine klare Vorgabe, nämlich daß alle anderen Weiterführungsangebote den Steuerzahler nicht mehr kosten dürfen als eine Liquidation. Das ist auch, wie vom Rechnungshof nachgewiesen wurde, sehr sorgfältig eingehalten worden. Es sind durch die Veräußerungen zum Beispiel von Grundstücken, durch die Veräußerungen der Schiffe, die sehr professionell betrieben wurden, in Summe die Liquidationskosten deutlich unter dem Betrag gelegen, den jedes andere Weiterführungskonzept der Personenschiffahrt mit sich gebracht hätte.

Ich glaube, sehr geehrter Herr Abgeordneter Rosenstingl, Sie haben recht damit: Es ist traurig für Österreich, daß wir auf diesem wichtigen Gebiet der Güterschiffahrt kein österreichisches Unternehmen mehr tätig haben. Aber es ist unter den gegebenen Umständen das Beste gewesen, was auch klar und deutlich aus dem jetzt zur Diskussion stehenden Rechnungshofbericht hervorgeht. Der Rechnungshofbericht übt nämlich kaum Kritik an der Abwicklung der Privatisierung und Liquidation dieser Unternehmungen, und wir sollten – und das ist mein Respekt vor dem Hohen Haus – ehrlich genug sein, das auch zu sagen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Rosenstingl gemeldet. – Bitte, die Geschäftsordnung zu beachten.

14.36

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat jetzt in seiner Wortmeldung behauptet, daß alle Entscheidungen, die ich in meiner Rede angesprochen habe – und er hat damit auch die Entscheidungen beim Personenschiff "Mozart" gemeint –, ausschließlich der Vorstand getroffen hat.

Diese Behauptung des Herrn Bundesministers ist unrichtig. Die Entscheidungen beim Ankauf des Personenschiffes hat nicht der Vorstand getroffen. Es geht aus den Aufsichtsratsprotokollen eindeutig hervor, daß hier der Bundeskanzler eingegriffen und eine Weisung gegeben hat. (Abg. Edler: Das stimmt ja überhaupt nicht!) Ich stelle daher den Herrn Bundesminister in dieser Angelegenheit richtig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: So ist es!)

14.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Edler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.37

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Es nützt gar nichts, wenn sich auch jetzt der Herr Bundesminister bemüht hat, das richtig darzustellen, Sie versuchen immer wieder, Ihre Argumente zu wiederholen – das ist politisch-strategisch ganz gut –, das heißt, anzupatzen. Was Kollege Rosenstingl hier vorgebracht hat, haben wir hier im Hohen Haus im Juli 1994 schon abgehandelt, zumindest was den ersten Teil seiner Rede betrifft. Da können wir wahrscheinlich dieselben Inhalte nachlesen.

Wir haben uns im Jahr 1994 den ganzen Sommer hindurch im Rechnungshofausschuß mit der Problematik, die Sie im ersten Teil Ihrer Rede angesprochen haben, auseinandergesetzt. Aber das ist Ihre Politik: immer wieder Behauptungen zu wiederholen, irgend etwas wird schon hängenbleiben. (Abg. Mag. Haupt: Nur handelt es sich dabei um die Wahrheit, Edler!)


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Kollege Haupt! Sie haben die Provisionen damals im Rechnungshofausschuß auch zum Thema gemacht. Und der Herr Präsident hat damals und auch bei der letzten Sitzung ganz deutlich zum Ausdruck gebracht: Jawohl, es hat Provisionen gegeben, die in solchen Geschäften üblich sind. Reden wir von Immobilien. Sind dort Provisionen nicht üblich? Und so war es auch. Aber Sie wollten hinterfragen und haben das ständig gemacht: Gab es da nicht andere dubiose Geschäfte und Provisionen? So wie 1994 hat das Kollege Rosenstingl in der letzten Sitzung des Rechnungshofausschusses wieder versucht.

Der Präsident des Rechnungshofes hat es objektiv dargestellt: Solche Gegebenheiten waren nicht vorhanden. Ich kann das nur zurückweisen. Sie wollen in Wirklichkeit nur anpatzen.

Meine Damen und Herren! Es steht heute ein Bericht zur Diskussion – und der Bundesminister hat das ganz deutlich zum Ausdruck gebracht –, den der Nationalrat verlangt hat, nämlich ein Sonderbericht. Darin werden grundsätzlich positive Bewertungen von seiten der Damen und Herren des Rechnungshofes vorgenommen, und wir haben daraus die Schlüsse zu ziehen.

Wir wollten, und zwar auch im Koalitionsübereinkommen, daß nach dem Frachtverkehr auch der Personenverkehr auf der Donau, die Donaureisen, privatisiert werden kann, aber das war nicht möglich. Und das ist auch Ihre Diktion, das ist nicht unbedingt die Diktion der Sozialdemokratie. Ich weiß, daß wir heute keine Unterschiede in der wirtschaftlichen Auffassung zu vertreten haben – ob privat oder Staat oder gemischte Wirtschaft. Aber dort, wo Private es besser machen könnten, sollen sie es auch tun. Jedoch konkret hat sich niemand angeboten, der die DDSG-Donaureisen übernehmen wollte. Das ist eine Gegebenheit, und das geht ganz deutlich aus dem Bericht hervor, meine Damen und Herren.

Zusammengefaßt: Ich kann nur mit Bedauern festhalten, daß wir bei allen Überlegungen hinsichtlich Privatisierung im wesentlichen nicht eingreifen können, gerade weil wir eine volkswirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen und Leistung zu erbringen haben, auch im Interesse der Umweltpolitik, die sicherlich auch die Verkehrspolitik betrifft. Ich bedaure also, daß wir gerade in einem so umweltfreundlichen Bereich, wie es die Wasserstraße, die Donau ist, im wesentlichen nicht eingreifen können.

Für mich ist noch anzumerken – und das sage ich auch mit Bedauern –, daß erstens gerade der Frachtverkehr in ausländische Hände gegangen ist und zweitens etwas eingetreten ist, was wir wiederholt aufgezeigt und wovor wir wiederholt gewarnt haben. Auch Kollege Kukacka hat damals gesagt, das gehe zu langsam, und auch seitens der FPÖ ist das eingebracht worden.

Was aber erleben wir heute? Welche Situation finden wir heute vor? – Wir erleben, daß dieses Unternehmen, das grundsätzlich ein EU-Unternehmen ist, heute in ein Reformland ausgelagert wurde, seine Zelte dort aufgeschlagen hat und jetzt mit ausländischem Personal die Streckenbereiche in Österreich bedient.

Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Das ist für mich als Arbeitnehmervertreter nicht erfreulich, auch deshalb nicht, weil damit gute österreichische Arbeitsplätze verlorengegangen sind, und das haben wir dabei sicher mitzubetrachten.

Ich hoffe, daß jetzt zumindest Voraussetzungen für eine gemeinsame touristische Bewerbung geschaffen worden sind. Meine Damen und Herren! Wir erleben ja leider, was den Tourismus betrifft, einen Rückgang. Ich kann das unterstreichen, was diesbezüglich hier angesprochen worden ist: Die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft ist eine mit Österreich sehr verbundene Gesellschaft. Es geht daher auch um die künftige Bewerbung für den Fremdenverkehr, für den Tourismus. Ich freue mich persönlich, daß die neuen Betreiber, die gewisse Schiffe übernommen haben, diese Aufgaben zumindest teilweise wahrnehmen und die Bewerbung im Tourismusverband weiterhin durchführen werden. Das ist erfreulich für uns!

Zusammenfassend zum heutigen Rechnungshofbericht: Es ist für uns historisch gesehen bedauerlich, daß wir uns aus diesem Bereich zurückgezogen haben. Das betrifft besonders das, was ich angesprochen habe, nämlich den verkehrspolitischen Aspekt und den Tourismus. Aber grundsätzlich hat der Bericht ganz deutlich zum Ausdruck gebracht – und das hat der Herr


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Präsident im Rechnungshofausschuß auch wiederholt gesagt –, daß es leider keine andere Möglichkeit gab, als die DDSG-Donaureisen zu liquidieren.

Das ist der Bericht, der heute zur Diskussion steht, und meine Fraktion wird diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.44

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Edler, da Sie schon den Präsidenten des Rechnungshofes hier zitiert haben, wäre es Ihnen nicht schlecht angestanden, wenn Sie auch die sehr umfangreiche Schlußbemerkung aus der Sitzung des Rechnungshofausschusses im Zusammenhang mit der DDSG hier zitiert hätten, die der Rechnungshofpräsident mit einer – wie soll ich sagen? – gewissen Vehemenz, nicht mit Verbitterung, aber doch mit einer gewissen Nachhaltigkeit vorgetragen hat.

Er war der Meinung, daß gerade die DDSG ein Beispiel dafür ist, daß der Rechnungshof jahrelang in seinen Berichten darauf hingewiesen hat, daß bestimmte Unternehmensentwicklungen in die falsche Richtung gehen. Der Rechnungshof hat Empfehlungen abgegeben, die vom Eigentümervertreter und vom Vorstand nicht ernst genommen worden sind. Das hat zu einer Unternehmensentwicklung geführt, die zum Teil katastrophal für die Republik und zum Teil verheerend in den finanziellen Auswirkungen war.

Herr Kollege Edler! Sie haben recht, daß das bereits im Jahre 1994 diskutiert worden ist und daß damals in einem für permanent erklärten Rechnungshofausschuß die Verantwortlichkeit des Herrn Vranitzky ausreichend und ausführlichst behandelt worden ist. Dennoch muß es dem Rechnungshofausschuß und diesem Hohen Haus zu denken geben, daß das Kontrollorgan dieser Republik, das Kontrollorgan dieses Hauses, der Volksvertretung, jahrelang Empfehlungen abgibt, die ungehört in diesem Haus verhallen, und die Regierung sogar in einem ganz konkreten Fall nicht nur entgegen den Empfehlungen des Rechnungshofes, sondern auch entgegen den Beschlüssen des Rechnungshofausschusses handelt und Schiffe anschafft, wobei sich dann im nachhinein herausstellt, daß das mit einem Desaster von 400 Millionen Schilling Verlust geendet hat.

Herr Kollege Edler! Kollege Rosenstingl hat in dieser Frage recht – das ist allerdings nicht Gegenstand des Rechnungshofberichtes, den wir heute hier verhandeln –, er hat recht bei der historischen Betrachtung dieses Falles, denn es ist ein unglaublicher Vorgang, daß sowohl dieses Parlament als auch der Rechnungshof eine Empfehlung abgeben, die Regierung aber entgegen diesen Empfehlungen handelt.

Sie wissen ganz genau, welch großen Einfluß der Eigentümervertreter hatte und hat und daß der Vorstand nur eine eher untergeordnete Rolle bei diesen Entscheidungen gespielt hat.

Sie wissen, daß jenes berüchtigte Schiff "Mozart" letztendlich um 127 Millionen Schilling verkauft worden ist, daß die Verluste aber insgesamt mehr als 400  Millionen Schilling ausgemacht haben. Kollege Leikam wird sich noch an die Auseinandersetzungen im Sommer 1994 erinnern, als er nicht auf Urlaub gefahren ist, sondern hier in diesem Haus geschwitzt hat, gemeinsam mit seinem Kanzler, der letztendlich – entgegen den Meldungen seines damaligen Zentralsekretärs oder Geschäftsführers Marizzi – plötzlich vor die Öffentlichkeit getreten ist und gesagt hat: Ich übernehme die Verantwortung für diese Fehlentwicklung.

Das alles hat der Rechnungshofpräsident in der letzten Sitzung des Rechnungshofausschusses nochmals betont. Allerdings muß man sagen, daß der Bericht, der jetzt in Verhandlung steht, dem Unternehmen im großen und ganzen bescheinigt, daß die Liquidation erfolgreich und korrekt durchgeführt worden ist. Herr Abgeordneter Edler! Da haben Sie recht. Aber vergessen Sie bitte die Geschichte nicht!


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Was dieses Hohe Haus und der Rechnungshofausschuß in Zukunft auf jeden Fall mehr beachten müssen, wenn sie sich ernst nehmen wollen, ist, daß Empfehlungen des Rechnungshofes hier in Entschließungsanträgen und Gesetzesanträgen Niederschlag finden und insbesondere von der Regierung ernst genommen werden müssen.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident des Rechnungshofes! Ich hätte mir auch gewünscht, daß der Rechnungshof in dieser ganzen Angelegenheit in der Öffentlichkeit massiver aufgetreten wäre – aber das ist vielleicht nicht möglich. Der Rechnungshof kann sich natürlich auf den Standpunkt zurückziehen, daß er das, was er zu sagen gehabt hat, im Bericht deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Insofern wäre dieses Hohe Haus und wären die Volksvertreter und Volksvertreterinnen hier veranlaßt gewesen, konsequent und klar zu handeln und nötigenfalls der Regierung mit Entschließungsanträgen klare Anweisungen zu geben.

Zum gegenständlichen Bericht kann man nur sagen: Ein Kapitel der österreichischen Industriegeschichte und Wirtschaftsgeschichte ist teilweise zu Ende gegangen – mit der Liquidation eines Unternehmens, über die Sie zu Recht hier einige Worte des Bedauerns gefunden haben, Herr Kollege Edler! Es ist hier aber auch ein Kapitel zu Ende gegangen, in welchem der Eigentümervertreter mit meines Erachtens maßloser, unkontrollierter Einflußnahme den Niedergang eines Unternehmens offensichtlich beschleunigt hat. Dies sollten wir bei unserer zukünftigen politischen Arbeit berücksichtigen.

Vielleicht gelingt es bei den nächsten Ausschußsitzungen, Herr Kollege Edler, hier gemeinsam im Sinne der Kontrolle und im Sinne von Konsequenzen Anträge zu verabschieden, in denen zum Beispiel steht: Die Abgeordneten Leikam, Wurmitzer, Rosenstingl – und jemand von den Liberalen; je nachdem, wer gerade im Ausschuß sitzt; Firlinger sitzt ja nicht mehr drinnen (Abg. Leikam : Wabl!) –, Wabl stellen den Antrag, und so weiter. Vielleicht gelingt es, daß gemeinsame Anträge gemacht werden können, die der Regierung und dem Herrn Finanzminister Aufträge im Sinne der Rechnungshofberichte erteilen. – Ich danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.50

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete. Eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 7 Minuten wird angezeigt.

14.50

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Seit Jahrtausenden ist die Donau einer der wichtigsten Verkehrswege. Die Erfindung der Dampfmaschine revolutionierte die Schiffahrt auf der Donau. Das gipfelte in der Gründung der DDSG im Jahre 1829.

Diese Gründung war sicher ein entscheidender Schritt zur Nutzung der Donau als Handelsweg mit den modernsten Flotten der europäischen Binnenschiffahrt.

Knapp 170 Jahre repräsentierte die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft unser Österreich. Doch nach der Einstellung der Personenschiffahrt und der stillen Liquidation der DDSG-Donaureisen, wie sie die Hauptversammlung im letzten Jahr beschlossen hat, ging ein großes Stück österreichischer Geschichte verloren. Mit einem Schlag waren die Erfolge vergessen, die unsere rotweißroten Schiffe unter der Fahne Österreichs auf der Donau erwirtschaftet hatten. Sie war nicht nur eine der ältesten Reedereien der Welt und auch die erste des Donauraumes, ein untrennbarer Bestandteil der Wirtschafts- und Technikgeschichte in Österreich, sondern auch die älteste in Mittel- und Südosteuropa.

So wie sich Österreich gewandelt hat, hat sich auch die Gesellschaft in dieser Zeit geändert. Daß die DDSG trotz aller Krisen und Katastrophen und trotz aller Veränderungen noch so lange ungebrochen ihre Aufgabe erfüllen konnte, verdankt sie nicht zuletzt den Zehntausenden von Mitarbeitern, die ihr Leben in den Dienst der DDSG stellten und alles in treuer Erfüllung ihrer Pflicht gaben, bis zum bitteren Ende. Ihnen sei hier gedankt! (Beifall bei der ÖVP.)


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Hätte die Regierung die nötigen Maßnahmen rechtzeitig gesetzt, würde man vielleicht die Flagge der DDSG und somit die Fahne Österreichs weiter auf der Donau antreffen.

In der Regierungserklärung vom 18. Dezember 1990 wurde eine Teilung der DDSG in einen Güter- und Personenbereich als erforderlich erachtet. Die Personenschiffahrt sollte ohne Bundessubvention als gewinnorientiertes Tourismusunternehmen geführt werden, während der Frachtenbereich ab 1993 ohne Verlustabdeckung durch den Bund auskommen sollte.

Die Aufgabe der Muttergesellschaft war es nunmehr, die beiden Tochtergesellschaften so rasch wie möglich zu privatisieren. Die DDSG als Muttergesellschaft hat zwar damit den ihr vom Eigentümer erteilten Auftrag unter den gegebenen Umständen bestmöglich erfüllt, doch dieser eingeschlagene Weg lag sicher nicht im Interesse der Erhaltung der österreichischen Binnenschiffahrt. Mehrfach wurde heute das Schiff "Mozart" erwähnt, ein Dauerbrenner auch in den Medien. Zuwenig beachtet, meine Damen und Herren, wurde hingegen die Abstoßung dieses Verlustträgers.

Obwohl ein österreichischer Unternehmer bereit war, eine höhere Summe zu bezahlen (Abg. Dr. Khol : 140 Millionen Schilling!), wurde die "Mozart" einem deutschen Reeder überantwortet, der dieses Schiff sogar noch zwei Jahre lang probefahren durfte, bevor er zahlte, dann noch eine Mängelliste vorlegte, vom zuerst ausgehandelten Verkaufpreis von 120 Millionen Schilling einen weiteren Abschlag erzielte und zuletzt nur mehr 90 Millionen Schilling dafür bezahlte.

Die Aufgabe der Muttergesellschaft war es nunmehr, wie gesagt, die beiden Tochtergesellschaften raschestmöglich zu privatisieren. Die DDSG hat das im Fall der Personenschiffahrt unter den gegebenen Umständen bestmöglich erfüllt. Die Frachtschiffe jedoch wurden verschenkt statt verkauft.

Der gleiche Konzern, nämlich der Stinnes-Konzern, der 1989 noch bereit war, für 49 Prozent des Unternehmens 600 Millionen Schilling zu bezahlen, hat dann den Zuschlag bekommen, indem der österreichische Staat noch 1,6 Milliarden Schilling dazu gelegt hat – und das nur für die DDSG-Cargo!

So wie heute die Produktionsmaschinen von Semperit wegen niedrigerer Produktionskosten nach Tschechien verlagert werden, hat der Stinnes-Konzern, Geschenksempfänger der DDSG-Cargo, mit der Ausflaggung der Schiffe in den ehemaligen COMECON, um mit wesentlich billigerem nautischen Personal preisgünstiger operieren zu können, denselben Zweck erreicht. In beiden Fällen sind österreichische Arbeitsplätze verlorengegangen.

Erwähnenswert scheint mir noch – und das hat keiner meiner Vorredner bis jetzt erwähnt –, daß ein ehemaliger DDSG-Mitarbeiter, offensichtlich im Bestreben, die Rolle eines "Wirtschaftskapitäns" zu übernehmen, nicht nur die fragwürdige Privatisierung der DDSG-Cargo in Form einer Schenkung an den Stinnes-Konzern verantwortet hat, sondern auch das negative Verkaufsergebnis. Aber all das ist Schnee von gestern. Viel wichtiger ist es jetzt, die Zukunft des DDSG-Überbleibsels zu betrachten.

Meine Damen und Herren, da ist noch einmal Aufmerksamkeit gefordert. Mit Ausschreibung vom 2. August 1996 wurde die Nachfolge des Alleinvorstandes ausgeschrieben. Wir haben noch alte Ländenrechte und ein altes Bürogebäude, und dafür sind noch zwölf Leute zuständig! Wir brauchen jetzt angeblich sogar einen Alleinvorstand! Der Ausschreibung entsprechend hat dieser das Unternehmenskonzept zu verwirklichen, ohne damit eine auf lange Zeit haltbare Existenzbasis zu schaffen.

Ich würde daher den Aufsichtsrat der DDSG ersuchen, über die kaufmännische Sinnhaftigkeit dieses Unternehmenskonzeptes nachzudenken, bevor über den Nachfolger des Vorstandes bei der Aufsichtsratssitzung am 6. November – jetzt, in wenigen Tagen! – entschieden werden soll.

Es stellt sich daher die Frage: Wurde die DDSG durch das langjährige Schauspiel der nicht erfolgten Privatisierung und der halbherzigen Lösungen saniert, privatisiert oder sogar ruiniert? (Beifall bei der ÖVP.)

14.57


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zum Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Herr Abgeordneter! Ich weise Sie allerdings darauf hin, daß ich Sie in knapp 3 Minuten zu unterbrechen hätte. (Abg. Mag. Peter: Das schaffe ich!) Ausgezeichnet. – Bitte.

14.58

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Präsident des Rechnungshofes! Zuerst kurz zu Ihnen, Herr Bundesminister Klima. Sie mußten unbedingt noch einmal zur KÖST Stellung nehmen, ich muß es auch. Halten wir nur fest: In einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung werden Gehälter ausbezahlt, für Beschäftigte, für Geschäftsführer, für Mitarbeiter. Diese Gehälter sind brutto und werden voll besteuert, wie das auch richtig ist. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat auch Kapital und sollte daher Gewinn erwirtschaften. Für diesen Gewinn ist selbstverständlich Körperschaftsteuer zu bezahlen.

Herr Bundesminister! Wenn aber kein Gewinn vorhanden ist und Sie trotzdem mit 50 000 S besteuern, dann ist das nichts anderes als ein negativer Eigenkapitalzins oder ein Vorgriff auf künftige Gewinne. – Wir sollten zumindest, wie ich meine, die ökonomischen Tatsachen im Haus lassen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zur DDSG: Wir erleben, wie ich hoffe, das letzte Kapitel eines finanziellen Desasters, eines Schiffbruchs staatlichen Wirtschaftens. Von 1972 bis 1993 wurden 4,5 Milliarden Schilling durch Unfähigkeit in den Sand gesetzt. Ein schöner Betrag, das muß ich sagen. Ich hätte diese Mittel gern sinnvoller verwendet.

Von 1993 bis 1995 wurden weitere 0,6 Milliarden Schilling ausgegeben, nämlich die Kosten der Zerschlagung, der Veräußerung, der Liquidation. Und bis zum Jahr 2022 bleiben uns noch weitere 600 Millionen Schilling an Pensionsverpflichtungen.

Meine Damen und Herren! Mehr verbocken, mehr in den Sand setzen kann man nicht, als es diese Bundesregierung bei der DDSG getan hat. Sie sollte sich dafür schämen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Was bleibt, ist eine Liegenschaftsverwaltung, die unnötig aufgebläht ist. (Bundesminister Mag. Klima spricht mit Bundesminister Mag. Molterer. ) – Wenn ich kurz Ihr Gespräch unterbrechen darf, Herr Bundesminister Klima: Ich würde Sie bitten, schauen Sie sich diese Firma wirklich gut an, wo es jetzt einen neuen Alleinvorstand geben soll. Frau Kollegin Moser hat es bereits gesagt: Das ist ein Kasperltheater! Die Firma hat nichts mehr zu tun, beschäftigt zwölf Leute und verwaltet Ländenrechte. Das machen normalerweise zwei Leute, aber nicht zwölf. Bitte schauen Sie sich das an, damit nicht in der letzten Phase der DDSG auch noch Geld verlorengeht.

Professor Van der Bellen und ich haben außerdem auch gemeinsam den Herrn Präsidenten des Rechnungshofes gebeten, den Verkauf der Schiffe zu untersuchen und festzustellen, was günstiger wäre, Liquidation oder Verkauf. Der Präsident des Rechnungshofes mit seinen Mitarbeitern hat festgestellt, daß zumindest in der letzten Phase mit der Liquidation der richtige Weg gewählt wurde. Ich bedanke mich bei ihm für die Untersuchung. Ich bedanke mich dafür, daß hierüber Klarheit geschaffen wurde, und hoffe, daß jetzt zumindest die privaten Unternehmer auf der Donau ein Geschäft machen, sodaß sie zumindest die Mindestkörperschaftsteuer zahlen können. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.00

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1134/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche jetzt – um 15 Uhr – diese Beratungen, um die Kurzdebatte aufzurufen. Es handelt sich um die gemäß der Geschäftsordnung durchzuführende kurze Debatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft mit der Ordnungszahl 1134/AB. Diese Anfragebeantwortung 1134/AB ist verteilt worden. Eine Verlesung durch einen Schriftführer erübrigt sich daher.


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Wir gehen in die Debatte ein, und ich mache darauf aufmerksam, daß dem Erstredner beziehungsweise der Erstrednerin zur Begründung des Anliegens eine Redezeit von 10 Minuten zusteht und alle weiteren Wortmeldungen dann 5 Minuten zu umfassen haben.

Zu Wort gelangt Frau Dr. Petrovic.

15.01

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Hohes Haus! Wir haben die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zum Gegenstand einer Anfragebesprechung gemacht, zum einen, weil wir mit seiner Antwort beziehungsweise mit dem daraus hervorkommenden Streben nach einer Verbesserung der Situation für die Konsumentinnen und Konsumenten, für die Landwirte und für die Tiere nicht zufrieden sind, zum anderen, weil diese Anfrage im Lichte der jüngsten Entscheidungen des Agrarministerrates eine noch zentralere Bedeutung gewonnen hat.

Herr Bundesminister! Wir haben Sie befragt zu den immer krasser hervortretenden Subventionsbetrügereien bei Massentiertransporten in der Europäischen Union. Wir wissen aus einer im Europäischen Parlament eingebrachten Anfrage des grünen Europaabgeordneten Wolfgang Kreissl-Dörfler, daß die EU davon ausgeht, daß in zweistelliger Ecu-Millionenhöhe Ausfuhrerstattungen rechtsgrundlos bezahlt beziehungsweise Eigenmittel, die die Empfänger von Subventionen selbst beibringen müßten, hinterzogen werden.

Es gibt zumindest im EU-Bereich gewisse Studien über die Höhe derartiger Subventionsbetrügereien. Daß es hier selbstverständlich eine Dunkelziffer gibt und daß Dunkelziffern es so an sich haben, daß man sie schwer quantifizieren kann, das stimmt. Aber wir haben gerade in diesen Tagen in Österreich auch eine Diskussion über andere Bereiche von Schattenwirtschaft. Hier gibt es zumindest ernsthafte Versuche, einmal zu einer Quantifizierung zu kommen und sich auch zu überlegen, wie man mit möglichst marktkonformen Methoden derartige Schwarzmarktpraktiken abstellen kann.

Im Bereich des organisierten und massiven Subventionsbetrugs im Rahmen des Transportes von Lebendvieh erkenne ich nicht die gleichen Bestrebungen, zumindest einmal in dieser Szene ein wenig gründlicher zu recherchieren, eine sozialwissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben und auch in einzelnen Fällen exemplarisch vorzugehen. Sie, Herr Bundesminister, und auch wir wissen, daß derartige Subventionsbetrügereien leider auch in Österreich passiert sind. Es sind einzelne Fälle bereits in den Medien, auch im Fernsehen, angeprangert worden. Daher glaube ich, daß Sie der österreichischen Bevölkerung und dem Hohen Haus doch ein etwas stärkeres Bestreben zeigen müssen, derartige Subventionsbetrügereien besser in den Griff zu bekommen und effizientere Methoden vorzuschlagen.

Es befriedigt uns überhaupt nicht, daß Sie sich in dieser Anfragebeantwortung auf jene Linie zurückziehen, die bei der ÖVP mittlerweile in fast allen politisch umstrittenen Punkten die stehende Redewendung wird: Im Rahmen der Europäischen Union soll man nach Verbesserungen trachten. – Damit können wir uns im Inland abputzen. Damit brauchen wir überhaupt nicht mehr zu schauen, ob wir im eigenen Bereich etwas verbessern können, ob wir vor der eigenen Haustüre kehren müssen.

Herr Bundesminister! Mit dieser Haltung wird uns beides nicht gelingen! Zum einen ist das de facto ein Freibrief für die Subventionsbetrüger im Inland – diese gibt es leider –, und gerade in Zeiten von Spar- und Belastungspaketen müßten Sie ... (Abg. Schwarzenberger: Welche Bauern meinen Sie hier?) Ich meine keine Bauern, sondern ich meine teilweise auch Leute, die in diesem Haus, und zwar auf Wunsch Ihrer Fraktion, sogar schon in Ausschüssen geladen waren. Denken Sie einmal nach, denken Sie vielleicht an vergangene "Report"-Sendungen, welche Namen hier erwähnt werden sollten, Herr Abgeordneter! Der Herr Bundesminister weiß das genauso.

Wenn da nicht von seiten der österreichischen Bundesregierung Klärungen vorgenommen werden, dann werden Sie nur erreichen, daß die Akzeptanz von irgendwelchen Sparplänen noch


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weiter sinken wird, weil man ja niemandem klarmachen kann, daß zum einen von der Bevölkerung Opfer verlangt werden und zum anderen die Bevölkerung für einen Agrarirrsinn, der hier praktiziert wird, der Geld kostet, der an sich schon falsch konzipiert ist und wo noch dazu so als Mitläufereffekt Betrügereien an der Tagesordnung sind, mitzahlen soll.

Zwei Aufgaben stellen sich: Zum einen sind im Rahmen des bestehenden Systems diese Betrügereien schonungslos aufzudecken und die Schuldigen auch in der Öffentlichkeit zu nennen. Das darf nicht salonfähig sein. Zum anderen müssen wir uns fragen, was an diesem System falsch ist, was dazu führt, daß ein aberwitzig teures Agrarsystem subventioniert wird, bei dem die Landwirtinnen und Landwirte zu Schaden kommen, weil ein Erhalt der klein- und mittelbäuerlichen Landwirtschaften trotz zig Milliarden durch Förderungsprogramme nicht sichergestellt ist, bei dem die Konsumentinnen und Konsumenten zu Schaden kommen, weil durch diese Betrügereien polnische Rinder als österreichische getarnt mit umgemodelten Ohrmarken nach Holland verscherbelt werden. Bei derartigen Betrügereien geht das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten verloren, und sie erhalten schlechte Produkte.

Außerdem – und das ist ein Punkt, der immer mehr Menschen in diesem Land interessiert – ist das mit Grausamkeiten unvorstellbarer Art verbunden; Grausamkeiten, die in einem entwickelten Staat, der angeblich Humanität auf seine Fahnen geschrieben hat, eigentlich unerträglich sind. Es ist einigen wirklich mutigen Journalistinnen und Journalisten zu verdanken, etwa Manfred Karemann, daß diese Dinge nicht mehr vertuscht werden können, daß die Behauptung: Nein, bei uns gibt es das nicht, das ist irgendwo sonst auf der Welt der Fall!, eindeutig als Unwahrheit enttarnt ist.

Leider gibt es das auch bei uns. Die Bilder, die uns hier vor Augen geführt worden sind, kann ein Mensch, der noch einen Funken Mitgefühl mit Geschöpfen hat, die leiden können, die Empfindungen haben, fast nicht ansehen und nicht ertragen. Das ist ein institutionalisiertes System.

In einer anderen Anfragebeantwortung haben Sie uns, Herr Bundesminister, mitgeteilt: Für ein mittleres männliches Schlachtrind, 650 Kilo Lebendgewicht, werden 6 362 S – für ein Tier fast sechseinhalbtausend Schilling! – an Förderungsmitteln bezahlt. Herr Bundesminister! Sie müssen sich stärker dafür einsetzen, daß das abgeschafft wird! Das ist Wahnsinn, das ist Grausamkeit, und das ist nur schädlich! (Beifall bei den Grünen.)

Noch eines, Herr Bundesminister: Ich habe Ihren Aufschrei und auch den Aufschrei des österreichischen EU-Landwirtschaftskommissars bei den jetzigen Beschlüssen des Agrarministerrates betreffend der Einführung der sogenannten Herodesprämie vermißt. Diese Prämie bezweckt, daß männliche Kälber unmittelbar nach der Geburt getötet werden, um mit den Folgen der BSE-Krise zu Rande zu kommen.

Herr Bundesminister! Das ist nicht einmal eine Symptomkorrektur, das ist ein völlig verfehlter Weg! Wieder werden Milliarden und Abermilliarden in ein verrücktes System investiert, wobei wir wissen, daß der Ausweg ganz anders ausschaut, nämlich flächendeckende Ökologisierung, Produktion für die lokalen Märkte, Produktion höchster Qualität, Erhalt der klein- und mittelbäuerlichen Strukturen, Bewahrung des Konsumentenschutzes und weg mit dem grauenhaften Tierleid, das jeden Tag auf Österreichs Straßen passiert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Warum vertreten Sie dann noch die Fristenlösung?)

Herr Bundesminister! Das ist ein Schritt in die falsche Richtung. Und ich kann mich nur wundern, daß die ÖVP, daß deren führende Regierungspolitiker mit einem Akt gleichzeitig die Interessen der österreichischen Landwirtschaft aufgeben, die Interessen des Konsumentenschutzes mit Füßen treten und dazu noch die Fortsetzung eines entsetzlichen Tierleides in Kauf nehmen, das von der Bevölkerung – das garantiere ich Ihnen – so nicht mehr geduldet wird. (Beifall bei den Grünen.)


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15.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Sollredezeit: 10 Minuten.

15.11

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich nehme diese Anfragebesprechung gerne zum Anlaß, um einige Klarstellungen vorzunehmen.

Erstens: Österreich ist seit dem Zeitpunkt der Mitgliedschaft in der Europäischen Union, dem 1. Jänner 1995, im Bereich des Tierschutzes und im Bereich der Verbesserung der Tierhaltungsnormen ein aktiver und treibender Part in dieser Europäischen Union, der vieles bereits in die richtige Richtung beeinflußt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, ist Österreich in der Europäischen Union im Jahr 1995 massiv für eine EU-weite Regelung des Lebendtiertransportes und der entsprechenden Tierschutzstandards eingetreten. Wir haben für unsere österreichische gesetzliche Regelung leider – "noch" sage ich dazu – nicht die Mehrheit in der Europäischen Union gefunden, aber die Debatte geht in die richtige Richtung, und wir werden sie auch weiterhin in diese Richtung massiv beeinflussen.

Und ich möchte darauf hinweisen, daß es dank dieser österreichischen Initiative ab dem 1. Jänner 1997 das erste Mal in der Europäischen Union überhaupt eine EU-weite Regelung für Tierschutzstandards beim Lebendtiertransport gibt. Das war bisher noch nicht der Fall. Das ist auch auf unsere Stellungnahme und auf unsere Haltung zurückzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben auch in der Europäischen Union einiges erreicht. Ich denke etwa an das Avoparcinverbot, das nur dank unserer Stimmen letztendlich durchgesetzt wurde, an das Hormonverbot, an die klare Linie der Europäischen Union gegenüber Großbritannien im BSE-Fall, an die Verlängerung des Moratoriums bei BST, dem Leistungsförderer in der Milchproduktion, die dank unserer Stimme letztendlich gelungen ist.

Meine Damen und Herren! Und auch eine Klarstellung: Österreich hat erreicht, daß diese Verarbeitungsprämie für Kälber, die wir nicht unterstützt haben – ganz im Gegenteil! –, nicht EU-weit verpflichtend eingeführt wird. Frau Kollegin Petrovic! Wir werden diese Verarbeitungsprämie in Österreich nicht anbieten, sondern das bessere Modell, das wir durchgesetzt haben, nämlich die Vermarktungsprämie für Kälber, um den Kalbfleischmarkt wieder zu beleben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann Ihnen von dieser Stelle aus sagen, meine Damen und Herren, daß es der österreichischen Initiative zu verdanken war, daß diese obligatorische Verpflichtung einer Verarbeitungsprämie für die Mitgliedstaaten entgegen der Vorstellung mancher Mitgliedstaaten nicht verwirklicht wurde und wir sie in Österreich nicht anbieten werden, weil ich sie nicht für richtig halte.

Zur Frage Lebendtiertransporte: Den letzten Rat haben wir zum Anlaß genommen, die Kommission aufzufordern – und sie kommt dieser Aufforderung nach –, noch im November die entsprechenden Verordnungen für die Umsetzung des Lebendtiertransportgesetzes ab 1. Juli gemeinsam mit den Mitgliedstaaten durchzuführen. Frau Kollegin Petrovic! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß damit eines erreicht wird – und die Kommission hat das neuerlich bestätigt –: die Erstattungen im Bereich Lebendtiere an die Regulative des Tiertransportgesetzes und des Tierschutzgedankens zu binden. Und wer sich nicht daran hält, von dem werden die Erstattungen zurückgefordert werden. Es wird auch eigene Kontrollorgane der Europäischen Union geben. Die Einsetzung dieser Kontrollorgane ist bis dato an manchen Mitgliedstaaten gescheitert, weil sie das notwendige Budget für diese Kontrollorgane noch nicht zur Verfügung stellen.

Es wird auch die Verpflichtung seitens der Mitgliedstaaten eingeführt, die Lebendtierexporte zu kontrollieren, um die Erstattungsrückforderung einzuleiten. Die Europäische Union hat auch dank unserer Initiativen einige neue Projekte gestartet, wie beispielsweise die Unterstützung eines Kühllagers im Libanon, weil es objektiv gesehen Probleme in diesen Staaten gibt und auch dort geholfen werden muß. Wenn dort ein Kühllager dank EU-Hilfe entsteht, ist Lebendtiertransport nicht mehr notwendig.


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Sie wissen aber auch – ich sage das sehr offen –, daß es teilweise Probleme damit gibt. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Türkei hat eine Exportabschöpfung bei Lebendtieren je Tonne von 100 Dollar, bei Fleischimporten in die Türkei eine Abschöpfung je Tonne von 1000 Dollar. Warum? – Weil es in der Türkei ein wirtschaftliches Interesse gibt, die Verarbeitung dort zu haben. Und daher müssen wir seitens Österreichs und auch der Europäischen Union diesen Ländern helfen, wie etwa durch diese Aktion der Europäischen Union im Libanon.

Ich möchte aber auch darauf aufmerksam machen, daß wir die Frage Lebendtiertransporte nicht in dieser Generalität sehen dürfen, Frau Kollegin Petrovic. Ich möchte Ihnen das auch an einem Beispiel zeigen: Der bosnische Landwirtschaftsminister war bei mir, um im Zuge des Wiederaufbaus beispielsweise dafür einzutreten, daß er österreichisches Zuchtvieh bekommt, und bekanntlich wird man Zuchtvieh dort nicht tot einsetzen, sondern nur wenn es tatsächlich zur Wirkung kommt. (Abg. Wabl: Das ist billig! Das ist nicht das Problem!)

Wofür ich eintrete, ist ganz eindeutig – damit das klargestellt ist –, daß die Zahl der Lebendtiertransporte so gering wie möglich ist, daß sie, wenn sie durchgeführt werden, dem Tierschutz entsprechen müssen, und daß wir neue Impulse brauchen, und zwar auch bei der Erstattungspolitik. (Abg. Wabl: Das ist Demagogie vom Rednerpult aus!) Ich möchte Ihnen hier nur eine Zahl nennen, Frau Kollegin Petrovic: Während etwa im Jahr 1993 die EU ein Stück Lebendtier mit 780 Ecu gestützt hat, ist nunmehr die Stützung auf 304 Ecu je Stück Lebendvieh gesunken. Das heißt, sie wurde fast halbiert, weil auch die Kommission beziehungsweise auch die EU erkennt, daß das ein falscher Weg ist.

Und zur letzten Frage: Ich trete für eine ganz klare, scharfe Kontrolle ein. Ich trete dafür ein, daß jegliche Überschreitung, jegliches Nichteinhalten von Regulativen entsprechend sanktioniert wird, etwa durch das Rückfordern der Erstattungen, wenn Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten werden. Und wenn es strafrechtliche Vorwürfe gibt, dann trete ich eindeutig für die entsprechende strafrechtliche Ahndung derartiger Vorfälle ein. Wenn Sie zusätzlich konkrete Hinweise haben, bin ich gerne bereit, diese aufzugreifen. Diese Generalität genügt mir nicht, weil es, wie Sie auch wissen, in Österreich eine Reihe von konkreten Verfolgungen gegeben hat, wenn jemand Richtlinien und Bestimmungen nicht eingehalten hat. (Beifall bei der ÖVP.)

15.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Bundesminister, für die Stellungnahme.

In der nun folgenden Debatte betragen die Redezeiten jeweils 5 Minuten. – Kollege Wimmer ist zu Wort gemeldet.

15.19

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 14 Milliarden Schilling – das sind 1,4 Prozent des gesamten EU-Budgets – versickerten, wie wir gehört haben, 1995 vor allem durch Subventions- und Zollbetrug. Das sind unvorstellbare Summen vor dem Hintergrund, daß zum selben Zeitpunkt Staaten der Europäischen Gemeinschaft ihre Haushalte durch Sparprogramme auf Vordermann bringen müssen.

Rund die Hälfte dieser Betrugsfälle konzentriert sich auf den landwirtschaftlichen Bereich. Mehr als 1 800 Unregelmäßigkeiten kosteten den EU-Haushalt im Vorjahr 984 Millionen Schilling. Fast 1 Milliarde Schilling wurden 1995 veruntreut und ergaunert – man kann es nicht anders nennen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine Situation, die untragbar ist. Diesen kriminellen Handlungen gehört ein Riegel vorgeschoben. Die Institutionen der EU beziehungsweise die dortigen Parlamentarier haben daraus bereits sehr wohl eindeutige Konsequenzen gezogen, vor allen Dingen die sozialdemokratische Fraktion hat Forderungen erhoben, und ich möchte einige davon nennen:

Ich glaube, es ist ganz wichtig, daß die nationalen Zollverwaltungen enger vernetzt werden oder daß zum Beispiel die Einrichtung einer europäischen Finanzkontrolle mit Sanktionsmöglich


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keiten geschaffen wird. Vor allem wird die Einrichtung spezieller Antibetrugseinheiten als notwendig erachtet, denn gerade am Beispiel Frankreich zeigt sich, daß solch eine Antibetrugseinheit sehr gute Arbeit leisten kann. Die Franzosen haben jetzt nämlich eine solche Einheit geschaffen und haben Erfolg damit.

Aber auch die Kommission der Europäischen Union selbst hat einen ambitionierten Aktionsplan – der Herr Minister hat es ja bereits erwähnt – ausgearbeitet. Worum geht es dabei? – Es geht in erster Linie um strengere Strafen, aber es geht auch um die Möglichkeit, Fördergelder überhaupt einfrieren zu können.

Es gibt aber noch einen wichtigen Ansatz, meine sehr geehrten Damen und Herren, den wir nicht außer acht lassen dürfen: Im EU-Agrarbereich werden jährlich 4 000 neue Bestimmungen erlassen, das heißt, Schlupflöchern ist damit Tür und Tor geöffnet. Es war ja kein Zufall, daß im Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und SPÖ festgehalten wurde, daß bei der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik in Europa durch unseren Landwirtschaftsminister auf eine Vereinfachung und Entbürokratisierung hingewirkt werden soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben noch alle diese schrecklichen Bilder über den Transport von Schlachttieren sehr gut in Erinnerung. Wir alle wissen, daß es diese Lebendtiertransporte über Tausende von Kilometern auf Lastwagen oder auf Schiffen nicht geben würde, wenn nicht enorm hohe Subventionsgelder, und zwar in erster Linie nicht an die Bauern – das möchte ich hier betonen –, sondern an die Viehhändler und Transportlobbies bezahlt würden. (Abg. Aumayr: Und wer zahlt die? Wer zahlt die, Herr Kollege? – Abg. Koppler: Die Arbeiter, Frau Aumayr!) Da sind wir für ein kompromißloses Vorgehen und die Ausschöpfung des dafür vorgesehenen Strafrahmens, denn, meine geschätzten Damen und Herren, da kann es wirklich keinen Kompromiß geben!

Da diese kriminellen Fälle schwer einzudämmen sind und – wie ich behaupte – immer wieder vorkommen, sollten wir darüber nachdenken, Förderungen für den Transport von Schlachttieren mittel- oder langfristig überhaupt abzuschaffen. Ich glaube, es würde sich lohnen, darüber zumindest nachzudenken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Willi Sauer. Er hat das Wort.

15.23

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zur von Frau Kollegin Petrovic verlangten Besprechung der Anfragebeantwortung hat der Herr Bundesminister in sehr ausführlicher Weise Stellung genommen. Ich glaube, wir müssen eines unterscheiden: Auf der einen Seite geht es um den Transport von Schlachttieren und auf der anderen Seite um den Transport von Zuchttieren. Beides geschieht mit Hilfe von Transportmitteln, aber beides ist auseinanderzuhalten.

Wenn man auf der einen Seite Schlachttiere durch ganz Europa transportiert, dann ist das vielleicht das eine oder andere Mal nicht notwendig, wenn man aber auf der anderen Seite Zuchttiere transportiert – der Herr Bundesminister hat bereits darauf verwiesen, daß es nicht möglich ist, sie in Österreich einzuschläfern und in einem anderen Teil Europas wieder zum Leben zu erwecken –, so muß man natürlich andere Maßstäbe ansetzen. Wenn man nämlich bedenkt, daß gerade bei diesen Zuchttiertransporten die modernsten Transportmittel eingesetzt werden, dann frage ich in manchen Bereichen auch, wieweit das Tiertransportgesetz seine Berechtigung hat, ob man nicht dem Tier, dem man vom Tierschutz her auf der einen Seite helfen möchte, auf der anderen Seite mehr Strapazen auferlegt, wenn es bereits nach einigen Stunden wieder abgeladen und nach 24 Stunden wieder aufgeladen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist zu bedenken! Tierschutz ja – aber für das Tier und nicht gegen das Tier! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut!)


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Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn hier immer wieder von qualvollen Tiertransporten die Rede ist, so mag das in einigen speziellen Punkten stimmen, aber der Großteil – ich wage zu behaupten, es sind mehr als 99 Prozent – der Tiertransporte geht einen geordneten Weg. (Abg. Aumayr: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Wenn wir unsere Diskussionen immer wieder auf Einzelfälle aufbauen und aufgrund von Einzelfällen Emotionen wecken, dann muß ich sagen: Suchen wir uns diese Einzelfälle heraus, decken wir sie schonungslos auf, aber machen wir nicht immer wieder ein System oder eine ganze Organisation schlecht! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann aus einer vierzigjährigen Praxis in der Tierzucht reden, und ich lade all jene Skeptiker ein, mit mir nach Hause zu kommen und sich meine Tiere anzusehen, die sich sicher wohl fühlen. Da haben nicht nur die Tiere zu ihrem Besitzer, sondern da hat auch der Besitzer zu den Tieren eine enge Beziehung. Ich möchte Sie wirklich einladen, sich das einmal anzuschauen und nicht alles in einen Topf zu werfen.

Ich bin bereit und ich bin dafür, daß alles, was nicht rechtens ist, geahndet wird, aber ich bin dagegen, daß alles, was rechtens ist, schlechtgemacht wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Eine ausgezeichnete Rede!)

15.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Aumayr. – Bitte sehr. (Abg. Dr. Khol: Au weh!)

15.27

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister Molterer! Das einzige, was Sie in Sachen Tierschutz oder Tiertransport vorantreiben, das sind die Rinder auf die Verladerampe, aber sonst treiben Sie überhaupt nichts voran! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wundert mich ja gar nicht so besonders, daß Sie die Betrügereien in der EU nicht besonders aufregen. Wir haben mit Betrügereien und mit Schwindel bei den Tierexporten ja beste Erfahrungen in Österreich. (Abg. Murauer: Na geh! – Abg. Dr. Trinkl – sich die Ohren zuhaltend –: Nicht so laut!) Erinnern Sie sich vielleicht noch an diesen Ohrmarken-Schwindel-Skandal? – Er war vor einigen Jahren im Parlament, in den Medien, im Fernsehen, und der damals zuständige Minister und jetzige Kommissar Fischler hat alle erdrückenden Beweise vom Tisch gefegt, indem er gesagt hat, er übergibt das der Staatsanwaltschaft. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und was ist daraus geworden? – Seither hat man nichts mehr davon gehört, aber nicht, weil nichts herausgekommen ist.

Ich bin persönlich Zeuge eines Exportbetruges geworden, und zwar habe ich einen LKW-Transport aufgehalten, der laut Frachtpapieren Zuchtrinder aus Peuerbach exportiert. Nachdem ich das bei der Polizei angezeigt hatte und mit dem Fahrer dort war, hat er den Geburtsnachweis für diese Tiere vorlegen müssen, und es hat sich herausgestellt, daß das sieben- bis achtjährige Kühe waren.

Jetzt frage ich den Herrn Kollegen von der ÖVP als Züchter, ob es wirklich einen Züchter gibt, der sieben- oder achtjährige Kühe zur Zucht kauft. Das sind Schlachtrinder! Sie waren nur als Zuchtrinder umdeklariert, denn dafür bekommt man eine höhere Exportsubvention. Das war Betrug damals! Das war Betrug! (Abg. Freund: Wann war das?) Vor drei Jahren.

Und ich sage Ihnen noch etwas: Mir wurde von jemandem, der mit dieser Sache befaßt war, ganz glaubhaft mitgeteilt, daß es sinnlos sei, in dieser Sache zu ermitteln, und daß er frustriert sei, denn er stoße auf eine Mauer des Schweigens. Er hat gesagt, dort, von wo er hergekommen ist, bevor er zu mir gekommen ist, hätte er mindestens zwei Personen verhaften müssen. Und wissen Sie, woher er gekommen ist? – Von der Oberösterreichischen Landwirtschaftskammer (Abg. Trenk: Ah, da schau her!) , denn dort hat die Vergabe der Exportkontingente stattgefunden! (Abg. Schuster: Frau Kollegin, bleiben Sie bei der Wahrheit!)


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Und Sie haben kein Interesse gehabt, daß dieser Schwindel aufgedeckt wird, Sie alle, wie Sie hier herinnen sitzen, denn wir haben einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt, und Sie haben ihn abgelehnt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schuster: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Daß nun in der EU Subventionsbetrug in noch viel größerem Stil an der Tagesordnung ist, das wissen wir doch bitte nicht erst, seit wir Mitglied der Europäischen Union sind. Wenn sogar der Präsident des Europäischen Parlaments, Hänsch, sagt, mit Subventionsbetrug kann man in der EU weit mehr Geld verdienen als mit Rauschgifthandel, dann frage ich schon, in welch "feinen Verein" Sie uns da hineingejagt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ganze Einkauftrupps aus der EU sind in den Reformstaaten unterwegs und kaufen Rinder auf. Sie importieren diese Ostrinder in ein EU-Land – dafür hat der Handelsminister noch die Zölle halbiert, damit sie sie billiger in die EU hereinbekommen –, diese Ostrinder werden in einem EU-Land als EU-Rinder deklariert und gehen in den Export in ein Drittland – dafür gibt es bedeutend höhere Exportsubventionen von der EU –, und damit schließt sich ständig der Kreis. Ständig!

Fällt denn keinem Mensch auf, daß, obwohl die EU Jahr für Jahr Milliardenbeträge für die Reduzierung der Rinderbestände ausgibt, dort die Rinder nicht weniger werden, sondern immer mehr? Die müssen doch von irgendwo herkommen, Herr Kollege Schwarzenberger! (Abg. Schwarzenberger: Wissen Sie, daß der Großteil der Rinderexporteure Freiheitliche sind?!) Da hat sich die Mafia ein ganz feudales Netz geschaffen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Ich könnte Ihnen ganze Listen von freiheitlichen Schlachthofbesitzern aufzählen!) Die Mafia sitzt dort drinnen, Herr Kollege Schwarzenberger! Aber das macht Ihnen nichts! Das ist eine ehrenwerte Gesellschaft! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Diese Mafia hat sich ein feudales Netz geschaffen: zum Leidwesen der Kreatur, denn solange Lebendtiertransporte subventioniert werden, werden diese Tiere Tausende Kilometer durch Europa geschleppt (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , zum Leidwesen der Konsumenten, denn die wissen an und für sich überhaupt nicht ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz.

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (fortsetzend): ..., welches Fleisch sie kaufen, und zum Leidwesen der österreichischen Steuerzahler, denn diese zahlen genau die Zigmillionen Schilling, die direkt über Brüssel zur Fleischmafia gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächster Herr Abgeordneter Wabl.

15.33

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Heute haben wir aus den Worten des Herrn Bundesministers erfahren, daß die ÖVP und insbesondere die österreichische Bundesregierung heldenhaft für das österreichische Tiertransportgesetz gekämpft haben. (Abg. Rosemarie Bauer: Ja, so ist es! Genau! – Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann mich noch erinnern, die Grünen wollten irgendwelche Erleichterungen für die Tierhändler und für die Transporteure haben, da standen die ÖVP-Mannen auf (Abg. Dr. Khol: Und Frauen!) und die ÖVP-Frauen und haben gesagt: Bitte schön, keine Verwässerung! Nehmt dem Tiertransportgesetz bitte nicht den Stachel! Sie haben sich teilweise auch gegen die Tierschützer durchsetzen müssen, die ja ganz verrückte Vorschläge gehabt haben – im Interesse des Tierschutzes, im Interesse des Wohlbefinden des Tieres.

Meine Damen und Herren! Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie, Herr Minister, die Speerspitze des heldenhaften Kampfes für ein österreichisches Tiertransportgesetz dargestellt haben, aber ich bitte Sie, Herr Minister: Führen Sie doch diesen Kampf weiter und kommen Sie nicht mit Argumenten vor dieses Haus, die äußerst problematisch, um nicht zu sagen, leicht demagogisch sind!


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Herr Bundesminister! In diesem Zusammenhang über die Zuchttiertransporte zu reden, halte ich für nicht zulässig, denn selbstverständlich werden Zuchttiere transportiert werden müssen, und selbstverständlich ist es das Anliegen aller, daß diese Tiere möglichst schonend transportiert werden. Allerdings ist es so, daß es durch den geringen Marktwert auch dieser Tiere offensichtlich immer noch ertragreich genug ist, daß jene, die ausschließlich Profite maximieren, ohne weiteres in Kauf nehmen, daß 10 bis 15 Prozent der Tiere krepieren und verenden.

Meine Damen und Herren! Man muß sich vorstellen, daß von ungefähr 20 Millionen Tieren, die jährlich in Europa transportiert werden – da rechne ich jetzt die Kleintiere nicht dazu –, 2 bis 3 Millionen Tiere deshalb krepieren, weil es die Transporteure und die Händler offensichtlich nicht für notwendig erachten, die Tiere so schonend zu transportieren, daß sie eben nicht verenden.

Herr Bundesminister! Ein Beispiel sollten Sie bitte in der Öffentlichkeit nicht mehr erwähnen, nämlich das Beispiel Türkei. Sie haben hier gesagt, selbstverständlich verlangt die Türkei für eine Tonne Lebendtiere eine Abschöpfung von 100 Dollar und für eine Tonne Fleisch eine solche von 1 000 Dollar, weil die Türkei ein berechtigtes Interesse daran hat, im eigenen Land Arbeitsplätze nicht nur zu schaffen, sondern aufrechtzuerhalten. Ein Interesse!

Und jetzt – das muß man sich einmal vorstellen – treten Sie vor das österreichische Parlament und vor die Öffentlichkeit hin und sagen, Sie wollen natürlich den Türken, der türkischen Regierung und dem türkischen Volk, helfen.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Politik der Tiertransportsubvention verewigen Sie diesen Zustand, daß ein Land in der Tierproduktion nicht Anschluß finden kann an europäische Standards. Wenn Sie der türkischen Regierung und dem türkischen Volk tatsächlich helfen wollen, wäre es selbstverständlich vernünftig, daß Sie sich dafür entscheiden, daß Sie für Lebendtiertransporte kein Geld mehr ausgeben – außer es handelt sich um Zuchttiere – und daß Sie eben Fleisch subventionieren, wenn Sie schon meinen, daß Sie die Marktgesetze in diesem Bereich außer Kraft setzen müssen. Es läßt sich nämlich mittels einer einfachen Rechnung feststellen, daß im Gegensatz zu einer Tonne Lebendgewicht für eine Tonne Fleisch das Fünffache an Abschöpfung verrechnet wird.

Herr Bundesminister! Sie helfen damit nur der EU-Kassa und den Tiertransporteuren, die ausschließlich profitorientiert sind, und Sie tragen wenig bis gar nichts zu einer Entwicklung der Infrastruktur der Türkei bei, damit der Selbstversorgungsgrad der Türkei auch erhöht werden kann. Ich halte diese Argumentation nicht nur für unzulässig, sondern auch für sehr zynisch.

Meine Damen und Herren! Es gibt in diesem Zusammenhang nur eine Forderung: die restlose Abschaffung der Förderung von Tiertransporten. (Beifall bei den Grünen.)

15.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Damit erkläre ich die Debatte für geschlossen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen als nächstes zur Durchführung einer kurzen Debatte über einen Fristsetzungsantrag.

Es betrifft dies den Antrag des Abgeordneten Mag. Stadler, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Jörg Haider betreffend Begrenzung der Politiker- und Funktionärsbezüge eine Frist bis zum 26. November 1996 zu setzen.

Nach Schluß dieser jetzt durchzuführenden Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.


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Wir gehen in die Debatte ein. Der Erstredner hat 10 Minuten, die weiteren Redner haben je 5 Minuten. Falls sich ein Mitglied der Bundesregierung zu Wort meldet, gelten ebenfalls 10 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mag. Stadler. Ich erteile es ihm.

15.39

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Am 9. Juli 1996 hat der Nationalrat nach dem in der Öffentlichkeit bereits sattsam diskutierten Fall Höchtl eine Lex Höchtl in Form eines Entschließungsantrages beschlossen, wonach man eine Bezügekommission unter der Führung des Herrn Rechnungshofpräsidenten Dr. Fiedler einrichten wollte und dieser Bezügekommission den Auftrag erteilte, eine Einkommenspyramide für politische Funktionäre und Politiker zu konstruieren.

Meine Damen und Herren! Die Pyramide, die Herr Präsident Fiedler mit seinen Mitarbeitern erstellen sollte, konnte noch nicht erbaut werden, denn bis heute weiß Herr Präsident Fiedler nicht, nach welchem Bauplan er diese Pyramide errichten soll. Er weiß nicht, wo die Obergrenze ist, wo der Sockel ist, wie steil oder wie flach diese Pyramide ausgerichtet sein soll, weshalb Herr Kollege Khol – vollkommen richtig – in der Präsidialkonferenz versucht hat, dieser Bezügekommission einen Vorschlag für den inhaltlichen Fahrplan mitzugeben.

Meine Damen und Herren! Sie können sich gar nicht vorstellen, wie der Widerstand der Ampelkoalition gegen eine derartige inhaltliche Maßgabe für den Bau der Einkommenspyramide zustande kam und wie rasch Herr Kollege Khol seinen Vorschlag schubladisieren mußte. Es tut mir leid, Herr Kollege Khol, daß Sie sich mit Ihrem Papier nicht durchgesetzt haben, das zugegebenermaßen eine sehr verdünnte Form dessen ist, was sich die Bevölkerung in Österreich erwartet, was sich die Bevölkerung in Österreich auch zu Recht erwarten darf, weil diese bis zum Erbrechen geführten Diskussionen über Privilegienritter in Österreich die österreichische Bevölkerung längst satt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Acht Jahre nachdem der Nationalrat das letzte Mal eine Entschließung gefaßt hat unter dem Titel Begrenzung eines dem Politiker aus politischen Funktionen gebührenden Gesamteinkommens – das war schon einmal Thema in diesem Hohen Haus, im Ausschuß und hier im Plenum –, hätte der Bürger endlich ein Recht auf eine saubere Regelung. Dies nach vielen sattsam bekannten Fällen. So wären hier Kollege Höchtl und andere prominente Namen zu nennen, so etwa Präsident Maderthaner, Kollege Kostelka und auch Kollege Schwemlein, der damit argumentiert hat, er brauche dieses Zusatzeinkommen aus seiner Nichttätigkeit als Berufsschullehrer – zu diesem Zeitpunkt war er nämlich gar nicht mehr als Berufsschullehrer tätig –, um seinen Familienunterhalt leisten zu können, weil er als Politiker so wenig verdient. Bekannt sind auch der Fall Vranitzky, der Fall Heinz Fischer (Abg. Dr. Kostelka: Brauneder!) , Heinrich Neisser, Friedhelm Frischenschlager, Günter Stummvoll, Achs und Ederer. Kollege Morak war zwar an der Burg tätig, hatte aber nie einen Auftritt, weil er sich mit seinem Direktor nicht verträgt, wie wir alle wissen; er hat dafür aber seit Jahren eine ordentliche Gage kassiert.

All das sind Fälle, meine Damen und Herren, die in der österreichischen Öffentlichkeit berechtigtes Empören hervorrufen und die dazu beitragen, daß die politische Kaste, vertreten durch Rot und Schwarz, bei jeder Wahl ordentlich eine aufs Haupt bekommt, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da soll sich auch die ÖVP nichts vormachen, denn Frau Stenzel hat nur die Unzulänglichkeiten der Österreichischen Volkspartei zugedeckt, die auch gerade in dieser Frage vorhanden sind. Denn, Herr Kollege Khol, die österreichische Bevölkerung hat kein Verständnis dafür, daß ausgerechnet Sie es jetzt sind, der zunächst versucht hat, dieser Bezügekommission, dieser Pyramidenkommission eine inhaltliche Vorgabe, eine Art Grobbauplan mitzugeben, der sagt, jetzt vertagen wir das Ganze einmal bis zum Jahr 1998, weil die EU-Wahl jetzt hinter uns liegt. Die österreichische Bevölkerung muß somit zur Kenntnis nehmen, daß jetzt die Achtjahresfrist des Nichttätigwerdens seit dem Jahre 1988 auf eine Zehnjahresfrist des Nichttätigwerdens ver


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längert werden soll, wobei immer wieder mit schöner Regelmäßigkeit ein Privilegienfall nach dem anderen in die Öffentlichkeit dringt.

Es ist bedauerlich – und ich hoffe, Herr Präsident Fiedler hört mir jetzt einen Moment zu –, Herr Präsident, daß diese Bezügekommission unter Ihrer Führung vor der EU-Wahl nicht in der Lage war, einen ersten Vorhabensbericht zumindest über einen Bauplan bis zum 10. Oktober, wie das die Präsidiale auch diskutiert hat, vorzulegen.

Das einzige, was diese Bezügekommission bis heute vorgelegt hat, meine Damen und Herren, Hohes Haus, das ist eine Fahrtspesenabrechnung für Kommissionsmitglieder, die nach Wien zu Sitzungen der Bezügekommission angereist sind. Sonst ist noch kein Ergebnis dieser Bezügekommission bis heute zu verlauten und zu berichten gewesen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Fristsetzungsantrag hat daher seine inhaltliche und formelle Berechtigung. Es ist notwendig, daß die Einkommenspyramidenkommission weiß, was das Hohe Haus als Vertreter der österreichischen Bevölkerung will. Wenn unser Antrag am 27. November beschlossen wird, dann weiß Herr Präsident Fiedler, nach welchem Bauplan er seine Pyramide mit den Mitgliedern seiner Baukommission zu erstellen hat. Dann weiß er, wo die Richtung hingehen soll, dann weiß auch die Bundesregierung, mit welchen Vorschlägen sie an das Hohe Haus heranzutreten hat.

Denn die Vorschläge, die da in den Parteien diskutiert werden, sind ja zum Teil wirklich abenteuerlich, Herr Kollege Kostelka. Ihre eigene Partei diskutiert derzeit ein Bezügemodell, und zwar unter Federführung der Kärntner SPÖ. Nach diesem Bezügemodell soll der Bundeskanzler im Jahr 383 000 S netto mehr bekommen, weil er so ein "armer" Mann ist, meine Damen und Herren, netto wohlgemerkt! Der Bevölkerung greift er in die Tasche, 400 000 S netto möchte er gerne mehr haben, weil er so ein armer Mann ist, mit seiner Länderbankpension nicht auskommt, mit seinen Pensionsansprüchen aus der Bankwirtschaft nicht auskommt, mit seinem Mietzinszuschuß für seine Großwohnung nicht auskommt.

Er braucht 400 000 S netto mehr! Meine Damen und Herren! Das ist mehr, als viele Familien in diesem Lande, die aufgrund der Politik dieser Bundesregierung an der Armutsgrenze herumvegetieren müssen, in einem Jahr als Gesamteinkommen zur Verfügung haben. Das will die SPÖ dem Herrn Bundeskanzler zusätzlich in den Rachen schieben!

Meine Damen und Herren! Das sind die Dinge, die die Leute empören, die dazu führen, daß die österreichische Bevölkerung die Bezügedebatte in diesem Land längst satt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb wäre Eile geboten. Herr Kollege Khol! Dies sollte nicht bis zum Jahre 1998 verschoben werden, damit die Zehnjahresfrist erfüllt ist.

Auch jetzt gibt es in der Österreichischen Volkspartei wieder einen aktuellen Fall. Vor allem all jene Damen und Herren, die aus der Steiermark kommen, mögen sich doch bitte die Schlagzeilen in den steirischen Lokalmedien vergegenwärtigen, wo ein neuer Fall Smejkal aufgetaucht ist. Sie erinnern sich sicher daran, daß Frau Präsidentin Smejkal für einen Bürowechsel im Wiener Rathaus eine Millionenabfertigung kassiert hat, und zwar dafür, daß sie ein Büro geräumt und ein anderes Büro bezogen hat. Jetzt haben wir in der Steiermark den nächsten Fall. Diesmal hat ihn die ÖVP zu verantworten. Landesrat Paierl von der Österreichischen Volkspartei, der ehemalige Sekretär des früheren Landeshauptmannes Krainer, hat für eine 30monatige Tätigkeit in der STEWEAG, in der Steirischen Elektrizitätswerke AG, trotz Selbstkündigung eine Abfertigung von sage und schreibe 1,8 Millionen Schilling in die Tasche gesteckt. Meine Damen und Herren! Jüngster Fall, jetzt erst passiert, aktuell diskutiert in der Steiermark, Herr Paierl kassiert eine Abfertigung von 1,8 Millionen Schilling trotz Selbstkündigung. Während kein österreichischer Arbeitnehmer in diesem Land bei Selbstkündigung mit irgendeinem Schilling an Abfertigung zu rechnen hat, kassiert Herr Paierl nach 30monatiger Tätigkeit bei der STEWEAG, also im geschützten Bereich, eine Abfertigung in Höhe von insgesamt 1,8 Millionen Schilling.


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Meine Damen und Herren! Das ist der aktuellste Skandal, wo man sieht, daß die Koalition Rot und Schwarz in dieser Republik nichts aus der Debatte rund um Privilegienmißbrauch gelernt hat.

Daher sage ich all jenen, die jetzt die Problematik schieben wollen, eines heute voraus: Wenn Sie die Fristsetzung ablehnen, werden wir das zur Kenntnis nehmen. Wir sind das bei Ihnen gerade in der Privilegienfrage gewohnt. Wenn Sie auch inhaltlich unsere Vorschläge ablehnen, die Sie dann später ohnehin irgendwann einmal realisieren müssen unter dem Druck der konkreten Anlaßfälle, dann werden wir mit einem neuen Volksbegehren, für das wir jetzt bereits die Unterschriften haben, dafür sorgen, daß diese Verzögerungstaktik, die von der Koalition, aber namentlich diesmal von der Österreichischen Volkspartei betrieben wird, nicht greifen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.48


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Redezeit: 5 Minuten.

15.48

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Unernst, dein Name ist Stadler. Dieser Fristsetzungsantrag, mit dem Sie dem Herrn Präsidenten nach Ihren Worten den Bauplan für eine Pyramide übermitteln wollen, ist ein Antrag, der an die Bundesregierung gerichtet ist und nicht an den Präsidenten des Nationalrates. Daher hätte eine Beschlußfassung mit Sicherheit keinen Sinn. Sie könnte frühestens am 27. November erfolgen. Mitte Dezember haben wir, wie wir alle wissen, das Ergebnis jener Kommission zu erwarten, deren Grundlage Sie, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion, mitbeschlossen haben. Der Entschließungsantrag, der Grundlage für die Einrichtung dieser Kommission ist, wurde im Juni dieses Jahres mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und den Stimmen der Freiheitlichen gefaßt.

Meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion! Das Fundament der Pyramide, die letztendlich eine Forderung der Sozialdemokraten ist – ich darf Sie an einen Bundesparteitagsbeschluß der SPÖ erinnern –, haben Sie gemeinsam mit uns und der ÖVP errichtet.

Daher: Tun Sie doch jetzt nicht so, als wären Sie über den damals vorgegebenen zeitlichen Ablauf erstaunt. Schon in dieser Entschließung, die vor dem Sommer gefaßt worden ist, haben wir gesagt, daß ein entsprechender Bericht der Kommission bis Jahresende vorzulegen ist. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß der Bau von Pyramiden bei der heutigen Bautechnik nicht so lange dauern darf wie in grauer Urzeit. Was früher in Jahren zu bemessen war, ist jetzt in Wochen und in Monaten zu schaffen.

Bis Mitte Dezember soll die entsprechende Grundlage erstellt werden, und wir müßten im ersten Quartal des nächsten Jahres zu einer Entscheidung kommen. Aber das, was Sie hier fordern, meine Damen und Herren, ist schlicht und einfach das Ausschlagen des Ratschlages einer aus sieben Damen und Herren bestehenden Kommission, die völlig unabhängig ein Gutachten erstellen soll, wie in Zukunft Bezüge unter fairer Beurteilung der Arbeit, die wir hier leisten, der Belastung, die ein Abgeordneter zu tragen hat, und auch im Hinblick auf den entsprechenden Anspruch auf faire Entlohnung auszusehen haben.

Meine Damen und Herren! Daher in aller Deutlichkeit noch einmal: Die Pyramide ist eine Forderung der SPÖ. Diese Pyramide wird auf Basis einer Entschließung errichtet werden, die von SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen gefaßt wurde. Die Grundlage wird noch vor Jahresende vorliegen, wir werden diese unverzüglich umzusetzen haben. Für die Sozialdemokratie ist die Pyramide für die Bezüge in allen Gebietskörperschaften notwendig. Wir werden sie in den nächsten Wochen und Monaten zu erarbeiten haben, und wir laden Sie ein, daran konstruktiv mitzuarbeiten.

Kehren Sie zurück an den Verhandlungstisch! (Beifall bei der SPÖ.)

15.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster hat Herr Abgeordneter Dr. Khol das Wort. – Bitte sehr. Gleiche Redezeit.

15.52

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für unsere Demokratie in Österreich ist es wichtig, daß es eine für die Bevölkerung verständliche, für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Regelung für Politikergehälter gibt. Dabei wird der Bezug des Bundespräsidenten als Höchstbezug aus einem öffentlichen Amt angenommen, der Bezug beispielsweise eines Bürgermeisters einer 20 000 Bürgerinnen und Bürger umfassenden Gemeinde würde die Basis bilden. Dazwischen sollen die Bezüge aus allen öffentlichen Funktionen, auch der Selbstverwaltung, eingeordnet werden. Das ist ein wichtiges Ziel, wir halten daran fest, und wir werden unser Versprechen halten, daß wir einen diesbezüglichen Vorschlag umsetzen und in diesem Hohen Haus rechtzeitig beschließen werden.

Es gibt drei Modelle für Politikerbezüge. Das eine Modell ist jenes, das wir derzeit haben: Koppelung der Gehälter an einen Richtwert, der wiederum an den Bezug im öffentlichen Dienst anknüpft. Das heißt, der Bundespräsident soll einen bestimmten Prozentsatz mehr als das verdienen, was der höchste Beamte verdient, der Prozentsatz variiert bei Inhabern anderer Funktionen.

Das andere Modell ist das All-in-Modell, das heißt, der Politiker wird behandelt wie ein Freiberufler: Er bekommt ein Honorar, das nicht der Lohnsteuer, sondern der Einkommensteuer unterliegt, und trägt selber sozusagen alle Spesen wie ein Freiberufler selber.

Das dritte Modell ist das Leistungsmodell, das davon ausgeht, daß ein Grundgehalt bezahlt wird, und je nach Funktion des Politikers, also wenn er Ausschußvorsitzender, Schriftführer oder in einem Unterausschuß tätig ist, sollen gewisse Zuschläge gewährt werden.

Jedes dieser Modelle hat Vorzüge, jedes dieser Modelle hat Nachteile. Wir haben uns entschlossen – und dazu steht die Volkspartei –, daß wir unsere Gehaltsregelung und die Gehaltsregelung der Politiker nicht selber festlegen, sondern den Vorschlag einer unabhängigen Kommission abwarten, an deren Spitze ein geachteter Mann mit einer geachteten Funktion in dieser Republik steht, nämlich der Rechnungshofpräsident, der jenseits von Gut und Böse diese Vorschläge koordiniert und uns vorträgt.

Ich glaube, daß wir aus gutem Grund die Vorschläge dieser Kommission abwarten und nicht ständig sozusagen von der Galerie diese Kommission mit Zwischenrufen oder mit guten Ratschlägen bei ihrer Arbeit behindern sollten. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir warten geduldig, was diese Kommission uns liefert. Ich gehe, da ich die Arbeitskapazität des Rechnungshofes kenne, davon aus, daß wir einen entsprechenden Vorschlag bis Ende dieses Jahres haben werden.

Daher stimmen ich und meine Fraktion der Fristsetzung des Herrn Stadler nicht zu, denn ich kann das nicht ernst nehmen. Wir können nicht eine Kommission einsetzen, die aus sieben Fachleuten und einer Fachfrau besteht, und dann sagen: Es kommt jetzt auf einen Monat an.

Wir warten auf diesen Bericht, er wird bis Ende des Jahres kommen.

Meine Damen und Herren, noch etwas: Wir haben die Abschaffung des sogenannten Beamtenprivilegs, das heißt des arbeitslosen Einkommens von Beamten, die auch Mandatare sind, im Juli dieses Jahres beschlossen, und zwar unter Zeitdruck.

Ich werde mich mit allem, was ich kann, dafür einsetzen, daß wir die Vorschläge der "Pyramidenkommission" sorgfältig prüfen und versuchen, mit allen Parteien dieses Hauses einen Konsens zu erzielen, denn ich glaube, daß eine Pyramide dieser Art auf einem breiten Sockel ruhen soll. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich gehe also davon aus, daß wir die Vorschläge bis Ende des Jahres haben werden, daß wir die Beratungen mit den Parteien im Jänner nächstes Jahr aufnehmen werden und daß wir, sobald wir die Beratungen erfolgreich abgeschlossen haben, zu einem Dreiparteien-, Vierparteien- oder idealerweise Fünfparteienantrag kommen werden, wobei ich mir keine Illusion mache: Die letzte Politikerbezugsregelung, Herr Kollege Stadler, wurde von allen Parteien dieses Hauses beschlossen, auch mit den Stimmen der Freiheitlichen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Helmut Peter. – Bitte.

15.58

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Werte Mitglieder des Hohen Hauses! Es ist gut und notwendig, in der Frage der Bezüge von Politikern, also unserer eigenen Bezüge, immer wieder Druck zu machen. Es ist gut und notwendig, darauf hinzuweisen, daß das jetzt vorliegende Modell der Politikerbezüge undurchschaubar ist, daß es der Kaste der Politiker selbst schadet, weil es da und dort mißbräuchlich verwendet wurde, was selbstverständlich zu Empörung in der österreichischen Bevölkerung geführt hat.

Ich glaube, die Lösung, die wir suchen sollten, liegt ganz einfach darin, daß wir uns dazu bekennen, daß wir etwas leisten und dafür auch ein entsprechendes Honorar bekommen, das auch publik gemacht wird. Es sollte möglich sein, die Grundlage für diese Bezüge- oder Honorarpyramide in einem Oktavheft niederzulegen und so zum Verkauf anzubieten. Wir würden uns dadurch eine Menge Polemik bei politischen Versammlungen ersparen.

Der vorliegende Antrag, für den die Freiheitliche Partei eine Fristsetzung verlangt, ist meiner Ansicht nach unbrauchbar, nämlich aus zwei Gründen: Erstens, weil ich es wirklich für flach und populistisch halte, zu sagen, der Herr Bundeskanzler darf maximal 60 000 S netto verdienen. Ich halte das einfach für falsch, ich halte es für seicht, und ich halte es vordergründig dafür geeignet, an geeigneter Stelle entsprechende Aussagen treffen zu können, um sich dort bejubeln zu lassen.

Es ist einfach unsinnig, zu glauben, daß der Bundeskanzler der Republik – er heißt heute Vranitzky und morgen anders –, daß der Bundespräsident dieser Republik, daß die Damen und Herren Bundesminister mit einer derartigen Form von Entgelt abgespeist werden können, die mit den Verdienstmöglichkeiten, die sie in der Privatwirtschaft hätten, in keiner Weise korrelieren. Ich lehne daher diesen Entschließungsantrag und auch die Fristsetzung ab.

Ich meine aber, daß es gut war, heute darüber zu diskutieren, und ich werde mir die Worte des Herrn Kostelka und des Herrn Khol sehr gut merken, die beide gesagt haben: Mitte Dezember ist der Termin, zu dem sich die Bezügekommission unter Leitung des Rechnungshofpräsidenten äußern wird.

Wir werden dieses Ergebnis sehr genau prüfen. Ich habe auch gerne zur Kenntnis genommen, daß Herr Klubobmann Khol angekündigt hat, daß es gemeinsame Verhandlungen darüber geben wird.

Ich stimme Ihnen ebenfalls zu, daß es drei Modelle gibt. Ich sage Ihnen jedoch gleich: Das Allerschlechteste ist das, was wir jetzt haben. – Wir brauchen ein transparentes Modell, das klarmacht, daß ein Politiker auf derselben Basis arbeitet wie ein normaler ASVG-Bediensteter, was das Pensionsrecht betrifft. Abfertigungen, glaube ich, brauchen wir in der Politik nicht.

Ich meine – und das habe ich in unserem Modell schon vor eineinhalb Jahren klargemacht –, daß die Lösung als Freiberufler auf Honorarbasis das Richtigste ist. Da muß man sich aber auch dazu bekennen und sagen: Dieses Honorar entspricht den Aufgaben und der Verantwortung eines Abgeordneten.

Fest steht für mich, daß man die Leistung einer Abgeordneten und eines Abgeordneten oder einer politischen Mandatarin oder eines politischen Mandatars nicht messen kann. Es gibt Damen und Herren, die unendlich viel bewegen, wahnsinnig fleißig sind und im verborgenen


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blühen und da und dort sehr viel tun, was niemand sieht, was nicht meßbar und nicht einbringbar ist, und es gibt andere, die wohltönende Reden halten und in Wirklichkeit nichts bewegen.

Sie können das nicht messen, was ein politischer Mandatar an Verantwortung trägt. Der Wähler kann es messen am Ende einer Legislaturperiode und soll es dann beurteilen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

16.01

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar dan, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Wenn man dem Herrn Mag. Stadler zuhört und wenn man weiß, daß es um den Fall Brauneder und um den Fall Bauer und um den Fall Pawkowicz und um den Fall Schweitzer und um Herrn Ehrenvorsitzenden Götz geht, dann klingt das wie eine Namenssammlung des Proponentenkomitees für die Abschaffung von Politikerprivilegien. Das sind klingende Namen – Götz, Brauneder, Bauer, Pawkowicz, Schweitzer – in diesem Fall. Wie recht Sie doch haben, sehr geehrter Herr Mag. Stadler!

Schauen Sie doch einmal in Ihre eigenen Reihen, bevor Sie hier Begriffe verwenden wie – und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ja etwas, das von der rechten Seite immer kommt – "in den Rachen schieben". "In den Rachen schieben" haben Sie für eine Angelegenheit verwendet, bei der es darum geht, Leistung, die erwartet wird und honoriert werden soll, einfach abzugelten.

Das ist eine Wortwahl, Herr Mag. Stadler, die uns in der gesamten sogenannten Politikerprivilegiendiskussion und Bezügediskussion vor der österreichischen Bevölkerung noch viel mehr in Mißkredit bringt, als wir schon sind. Unser Image ist am Boden. Und Sie haben nichts anderes zu tun, als dieses Image auch noch zu treten. (Abg. Dr. Graf: Ihr Image ist am Boden!) A ber, Herr Dr. Graf, von Ihnen bin ich eigentlich nichts anders gewöhnt als – anders kann ich es nicht sagen; verzeihen Sie, Herr Präsident – blöde Zwischenrufe und noch ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich kann das nicht verzeihen. Bitte, diese Terminologie geht nicht!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): Dann sage ich, Herr Dr. Graf: nicht besonders angebrachte, nicht sehr intelligente Zwischenrufe und dazu der entsprechende Gesichtsausdruck! Feiner kann ich es nicht ausdrücken. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen, dem Liberalen Forum, der SPÖ sowie Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie sich die Mühe gemacht haben, diesen Entschließungsantrag auch wirklich zu lesen. Da steht nämlich ein interessanter Satz drinnen: "wie sie vom Bundesparteitag der FPÖ am 14. Jänner 1995 in Linz einstimmig beschlossen wurde" – nämlich diese 60 000-S-Regelung. Ich bin zusammengezuckt und habe mir gedacht: Um Gottes willen! Wir sind jetzt schon seit 14. Jänner 1995 im Nationalrat säumig. Genau dieselben Leute, die da rechts, die den auch von mir heftig proklamierten weniger schwerwiegenden Einfluß der Sozialpartner hier im Nationalrat sehr begrüßen, die wollen plötzlich, daß wir habtachtstehen vor Beschlüssen des Bundesparteitages der FPÖ. – Na das ist vielleicht ein Verständnis von Parlamentarismus!

Ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, meine, daß in dem Entschließungsantrag durchaus sinnvolle Sachen stehen, entsprechend auch der Intention der Beiträge der Grünen zur Bezügediskussion während der letzten Monate.

Aber: Herr Dr. Khol und Herr Dr. Kostelka sind die Hauptverantwortlichen. Wir haben – ganz schnell hat es damals gehen müssen – ein Gesetz beschlossen, das unsere eigenen Bezüge neu regelt. Husch pfusch ist das gegangen. Jeder hat gewußt, welche Tücken drinstecken. Sie von den Freiheitlichen haben das auch kritisiert.


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Jetzt verlangen Sie dasselbe: Innerhalb von drei Wochen sollen Dinge, die in diesem kurzen Zeitraum nicht entsprechend seriös klärbar sind, behandelt werden. Ja nehmen Sie sich denn selber überhaupt nicht ernst? (Abg. Mag. Stadler: Sie haben den Antrag nicht gelesen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meiner Ansicht nach stehen in unser aller eigenem Interesse zwei Dinge im Vordergrund – der Kollege Peter hat es vor mir schon gesagt –: Es geht um Durchschaubarkeit, um Transparenz. Es geht darum, daß nicht ständig bloß Neid geschürt wird, mit Argumenten, die wir schon tausendmal gehört haben, die uns keinen Millimeter weiterbringen, sondern es geht darum, daß die Bevölkerung ein Recht darauf hat, Politikerinnen und Politiker zu haben, die viel arbeiten, sich anstrengen, etwas Ordentliches zustande bringen, die dafür aber auch eine entsprechende Entlohnung bekommen.

Das System der letzten Jahre und Jahrzehnte ist von so viel Mangelhaftigkeit gekennzeichnet, daß niemand hier im Raum diesen Regelungsbedarf abstreiten wird. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Aber ich wünsche mir seriöse Arbeit, damit diese Diskussion nicht wie ein Perpetuum mobile in ein oder in zwei Jahren wieder zu führen ist. Deshalb lehne ich im Namen der Grünen die Fristsetzung für Ihren Antrag ab. (Beifall bei den Grünen, dem Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.07

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war zuerst eine sachliche Debatte, aber der Frau Kollegin Stoisits ist es wieder einmal herrlich gelungen, ins Fettnäpfchen zu treten.

Frau Kollegin Stoisits! Sie kritisieren, wenn es an einem Parteitag demokratische Beschlüsse gibt. Sie kritisieren, wenn sich die Freiheitliche Partei in Zeiten wie diesen und in Anbetracht eines Sparpakets, durch das die österreichische Bevölkerung gezwungen wird, einen Einkommensverzicht zu leisten, auferlegt, gegen soziale Ungerechtigkeiten vorzugehen und auch auf Einkommensteile zu verzichten.

Was haben denn Sie für ein Menschenverständnis? Sie treten hier immer auf als Sprecherin für Behinderte, für Minderheiten, aber wenn die Freiheitliche Partei gerade in dieser Hinsicht etwas tut, dann sind Sie auch dagegen. Ich glaube, Sie wissen gar nicht mehr, was Sie reden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich bin Ihnen ja indirekt wieder sehr dankbar, daß Sie mich da herausgefordert haben. Ich werde Ihnen etwas sagen: Alle Funktionsträger in unserer Fraktion, in unserer freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft führen alle Bezüge über 60 000 S an den Fonds ab. (Heiterkeit bei SPÖ, ÖVP, dem Liberalen Forum sowie den Grünen.) Der Fonds wird zum Teil von mir verwaltet. (Neuerliche Heiterkeit. – Allgemeine Unruhe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Kollege Marizzi! Ich erinnere Sie an eine Aussage beziehungsweise ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich kann kein Wort verstehen, und ich bitte Sie, es den Stenographen zu ermöglichen, mitzuschreiben.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Trattner.

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (fortsetzend): Herr Kollege Marizzi! Es gab doch eine Privilegiendiskussion auch innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion. Sie haben damals in einer Presseaussendung kundgetan, daß sämtliche arbeitslose Einkommen in einen Fonds kommen. Die Presseaussendung gibt es. Damals waren Sie Bundesgeschäftsführer. Ja bitte wo ist denn dieser Fonds?

Ich mache Ihnen jetzt ein Angebot: Wenn Sie das wirklich ernst nehmen, dann gründen wir doch einen allgemeinen Fonds, in den Ihre arbeitslosen Einkommen, Ihre Mehrfachbezüge und die


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von unserer Fraktion hineinkommen. Damit haben wir einen offiziellen Fonds, und dann können wir diese Ungerechtigkeit gegenüber der österreichischen Bevölkerung beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber Sie wollen ja diese Debatte überhaupt nicht! Sie wollen diese Debatte nicht, weil Sie nur Zeit schinden und alles auf die lange Bank schieben wollen. Das sieht man ja immer wieder. Diese Diskussion wird ja schon sehr lange geführt. Da wird zuerst einmal ein Arbeitskreis gegründet. – Nun haben wir einen Arbeitskreis gegründet, der soll einmal kreisen – Aufgaben kriegt er keine.

Arbeitskreis ist zwar jetzt nicht mehr so in, heutzutage gibt es Kommissionen, also gründet man schnell eine Kommission, um vorerst einmal zu beschwichtigen. Aber der Kommission gibt man keine Aufträge, man gibt der Kommission kein Anforderungsprofil, die Kommission weiß nicht, worum es überhaupt geht.

Es geht nämlich nicht nur um das Einkommen, sondern auch um die Privilegien. Es geht um Privilegien, die Politiker genießen, die andere Teile der österreichischen Bevölkerung nicht haben, und das müssen Sie einmal einsehen. Diese Privilegien ziehen sich nicht nur durch den Bereich der Politik, sondern durch den gesamten geschützten Bereich. All das muß in dieser Einkommenspyramide mit einbezogen werden. Alle Privilegien, die in dem Bereich ungerechtfertigt in Anspruch genommen werden, gehören einfach abgeschafft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deswegen muß man dieser Bezügekommission Vorgaben geben, weil es nicht nur um die Bezüge, sondern auch um die Privilegien geht.

Sehr geehrte Damen und Herren der sozialdemokratischen Fraktion! Tun Sie nicht immer so scheinheilig! Sie liefern ja überhaupt nichts an einen Sozialfonds ab! Wo ist denn Ihre soziale Kompetenz? – Die ist ja total abhanden gekommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Man hat es ja bei diesem Belastungspaket ganz eindeutig gesehen: Ihre soziale Kompetenz haben Sie über Bord geworfen. Sie sind die Privilegienritter par excellence geworden. Das müssen Sie dem österreichischen Wähler immer wieder sagen. Deswegen werden Sie auch die nächsten Wahlen hochkantig verlieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre damit die Debatte für geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung . Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Antrag, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Begrenzung der Politiker- und Funktionärsbezüge eine Frist bis zum 26. November zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Verhandlungen über den 12. Punkt der Tagesordnung betreffend den Sonderbericht des Rechnungshofausschusses wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist der Präsident des Rechnungshofes.

16.13

Präsident des Rechnungshofes Dr. Franz Fiedler: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Rechnungshof hat den Auftrag bekommen, die ordnungsgemäße Abwicklung der


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stillen Liquidation der DDSG zu überprüfen, und hat in Erfüllung dieses Auftrages dem Nationalrat einen diesbezüglichen Bericht vorgelegt, der heute Gegenstand der Debatte ist.

Der Rechnungshof hat bei seiner Prüfung festgestellt, daß die stille Liquidation ordnungsgemäß abgewickelt wurde. Es wäre jedoch meiner Ansicht nach verfehlt, es in diesem Zusammenhang bei dieser bloßen Feststellung, die eine Zusammenfassung des gesamten Berichtes ausmacht, bewenden zu lassen.

Gleichzeitig müssen wir feststellen, daß mit dieser stillen Liquidation das Ende einer Entwicklung erreicht wurde, die in mehrfacher Hinsicht bedauerlich ist:

bedauerlich für die DDSG selbst, denn es kann klarerweise für ein Unternehmen nicht aufbauend sein, wenn es still liquidiert wird;

bedauerlich für all jene, die – und das hat Herr Abgeordneter Edler sehr treffend ausgeführt – Arbeitsplätze in der DDSG hatten und diese Arbeitsplätze zum Teil verloren haben;

bedauerlich für den Tourismus, für die Tourismuswirtschaft auf der Donau, weil damit ein Stück Österreich verlorengegangen ist;

bedauerlich auch deshalb, weil die österreichische Flagge auf der Donau nunmehr nicht mehr in jenem Maße vertreten ist, wie wir uns dies alle wünschen würden;

bedauerlich schließlich für die öffentliche Hand und letztlich für den Steuerzahler, der dafür aufzukommen hatte, daß während der letzten Jahre, während der letzten Jahrzehnte viele Geldmittel in die DDSG geflossen sind, die unserer Ansicht nach einer besseren Verwendung hätten zugeführt werden können.

Man darf bei Betrachtung unseres Berichtes nicht unberücksichtigt lassen, daß dieser Bericht wie folgt beginnt – und ich darf hier wörtlich zitieren –: "Wie der Rechnungshof bereits in seinem Sonderbericht 1994 ausführte, erbrachte die Republik Österreich für die Aufrechterhaltung der DDSG und der Donaureisen GesmbH erhebliche finanzielle Opfer." – Ende des Zitats.

Dies ist wohl die bedauerlichste Feststellung, die der Rechnungshof im Zusammenhang mit der DDSG beziehungsweise mit dem Ende der DDSG zu machen hatte.

Ich kann an dieser Stelle nicht umhin, sehr deutlich anzumerken, daß diese Entwicklung für den Rechnungshof nicht überraschend kam und daß sie für all jene, denen der Rechnungshof die Berichte in der Vergangenheit vorgelegt hat, nicht überraschend kommen konnte.

Der Rechnungshof hat, was die Entwicklung der DDSG anlangt, mehrmals und wiederholt gewarnt und bereits vor Jahrzehnten seine Stimme erhoben, daß Überlegungen anzustellen wären, wie das weitere Schicksal der DDSG gestaltet werden sollte.

Ich erinnere nur beispielsweise an die Berichte des Rechnungshofes aus den Jahren 1978, 1984 und 1994. Die Empfehlungen und Anregungen, die der Rechnungshof in diesen Berichten abgegeben hat, fanden nicht jene Beachtung, die sich der Rechnungshof gewünscht hätte und die im Interesse der DDSG und auch im Interesse der Steuerzahler wünschenswert gewesen wäre.

Es erscheint mir daher aus Anlaß dieses, wie ich nun meine, letzten Berichtes, den der Rechnungshof über die DDSG erstattet, angebracht, an Sie, an die Abgeordneten des Nationalrates, aber auch an die Mitglieder der Regierung zu appellieren.

An die Mitglieder des Nationalrates richte ich den Appell: Unterstützen Sie den Rechnungshof, wenn er Empfehlungen abgibt, denn er ist auf Ihre Unterstützung angewiesen. Der Rechnungshof hat keinerlei exekutive Gewalt, er kann nur Empfehlungen aussprechen, er kann nur Anregungen geben. Er ist darauf angewiesen, daß seine Anregungen und Empfehlungen von jenen umgesetzt werden, denen gegenüber er berichtspflichtig ist, und das ist nun einmal in erster Linie der Nationalrat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie den Freiheitlichen.)


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Mein Appell an die in der Regierung Verantwortlichen: Nehmen Sie die Berichte des Rechnungshofes etwas mehr ernst, als dies in der Vergangenheit in Einzelfällen getan wurde. Der Rechnungshof bereitet nur Entscheidungsgrundlagen auf. Er selbst trifft keine Entscheidungen. Er erwartet, daß man sich mit seinen Empfehlungen auseinandersetzt, und er erwartet, daß man seine Empfehlungen ernst nimmt.

Ich glaube, der Fall DDSG ist ein exemplarischer. Er zeigt, daß es angebracht gewesen wäre, daß in der Vergangenheit jene Konsequenzen gezogen worden wären, die vom Rechnungshof aufgezeigt wurden. (Allgemeiner Beifall.)

Ich meine daher, daß aus diesem an sich negativ zu beurteilenden Anlaß, nämlich dem Ende der DDSG, eine positive Konsequenz gezogen werden sollte: Vermeiden wir alle gemeinsam – Rechnungshof, Regierung und Parlament –, daß es in Zukunft weitere Fehlentwicklungen wie jene bei der DDSG gibt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie den Freiheitlichen.)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Gabriele Binder. Nach ihren Ausführungen wird voraussichtlich über die Kenntnisnahme des Berichtes abgestimmt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.19

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann zum zweiten Mal nach einer längeren Unterbrechung der Behandlung der Tagesordnung zum Rechungshofbericht zur DDSG sprechen. Ich kann jedoch nicht gleich einsteigen. Ich hoffe, Sie verzeihen mir.

Kollege Trattner! Da ich mich selber durch Ihre Anschuldigungen sehr betroffen gefühlt habe, möchte ich folgendes – ich rede jetzt für mich – klarstellen: Es gibt innerhalb der SPÖ seit 1988 folgende Klärung: eine berufliche Funktion, eine politische Funktion, dafür Bezahlung. (Abg. Mag. Stadler: Zur Sache!) – Ich rede gleich zur Sache.

Wir haben den Viktor-Adler-Fonds gegründet. (Abg. Mag. Stadler: Wir reden jetzt nicht über den Viktor Adler!) Guter Mann! Lassen Sie mich ausreden. Ich habe auch etwas zu sagen. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. – Abg. Marizzi: Seien Sie einmal ruhig, Sie Unsympathler!)

Es gibt den Viktor-Adler-Fonds von der SPÖ, und ich habe mein arbeitsloses Einkommen dorthin eingezahlt. Im Gegensatz zu Kollegen der FPÖ im Burgenland weiß ich sehr genau, welchen sozialen Zwecken diese Mittel aus dem Viktor-Adler-Fonds zur Verfügung gestellt wurden. (Beifall bei der SPÖ.) Ich nehme für mich in Anspruch, hier das jetzt, nachdem ich am Wort bin, richtigzustellen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Und ich lasse mir nicht unterstellen, daß diese Mittel nicht dorthin gekommen sind, wo sie hingehören.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Ich bitte, diesen Teil jetzt zu beenden.

Abgeordnete Gabriele Binder (fortsetzend): Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich genau weiß, wohin meine Mittel, die ich in den Viktor-Adler-Fonds eingezahlt habe, gekommen sind, nämlich in soziale Bereiche. Punkt – so wie es der Herr Präsident gemeint hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Chronologie dieses Rechnungshofberichtes zur DDSG wurde schon aufgezeigt, es wurde schon erklärt, worum es geht. Der Herr Präsident hat gemeint, wir sollten die Erkenntnisse des Rechnungshofes sehr ernst nehmen. Ich weiß von Sitzungen und Rechnungshofberichten, daß sehr wohl Erkenntnisse der Überprüfungen des Rechnungshofes zur Umsetzung gelangt sind. Also es gibt schon auch diesbezüglich Veränderungen, und ich glaube, wir nehmen sehr wohl den Rechnungshofbericht und die Beurteilungen des Rechnungshofes sehr ernst.


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Zu dieser Thematik und zur Dampfschiffahrtsgesellschaft möchte ich meinen, daß der wichtigste Punkt in diesem Bericht folgende Aussage ist – ich zitiere –: In der Gesamtbeurteilung hielt der Rechnungshof abschließend fest, daß nach seiner Ansicht "die schließlich gewählte Variante einer Liquidation der Donaureisen GesmbH. günstiger als eine Privatisierung zu den angebotenen Bedingungen" war. "Diese Liquidation verletzte keine bestehenden Vorschriften."

Somit sind der Auftrag des Rechnungshofes und der Zweck des Rechnungshofberichtes erledigt. Ich möchte jedoch gerade zu dieser Thematik folgendes anhängen: Natürlich erfüllt es auch mich etwas mit Wehmut, daß ein Stück österreichische Identität durch diese Liquidation verlorengegangen ist. Ich bin aber zuversichtlich, daß trotz alledem die Donau als Wasserstraße genützt wird, daß sie vor allen Dingen in der Zukunft mehr Bedeutung haben wird. Bezüglich der Personenschiffahrt wünsche ich den privaten Betreibern für die Zukunft alles Gute und hoffe, daß ihre innovativen Maßnahmen zum Erfolg führen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich diese Debatte.

Wir stimmen ab über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht des Rechnungshofes in III-23 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes des Rechnungshofes stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit . Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

13. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst (III-18 der Beilagen) betreffend den Bericht des Österreichischen Bundestheaterverbandes 1994/95 (173 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen als nächstes zum 13. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies der Bericht des Kulturausschusses über den Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst betreffend den Bericht des Österreichischen Bundestheaterverbandes 1994/95.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der erste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Michael Krüger. – Bitte.

16.24

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der zuständige Bundesminister betritt soeben die Regierungsbank. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin wirklich froh über die Ermahnung – so möchte ich sagen –, die der Präsident des Rechnungshofes hier in Richtung Nationalrat geäußert hat, nämlich die Ermahnung, die Berichte und Anregungen des Rechnungshofes ernst zu nehmen und nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich auch nach den Erkenntnissen des Rechnungshofes zu verhalten. Denn der Rechnungshofpräsident hat mit Recht darauf hingewiesen, daß ein Exekutivrecht des Rechnungshofes nicht besteht und es allein in der Gestion des Nationalrates liegt, die Empfehlungen des Rechnungshofes auch zu beachten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage das deshalb, weil Gegenstand der Rechnungshofberichte wiederholt auch die Situation in den österreichischen Bundestheatern – Bundestheaterverband, Burgtheater, Akademietheater, Volksoper und Staatsoper – war.

In der Tat hat der Rechnungshof massive Kritik an der Einrichtung des Bundestheaterverbandes geübt. Zwischenzeitig ist einige Zeit verstrichen, und mittlerweile – darüber bin ich eigentlich


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sehr froh – besteht eine breite Konsensstimmung dahin gehend, daß ein akuter Reformbedarf bei den Bundestheatern vorliegt.

Ich verweise auf den hier zur Debatte stehenden Bundestheaterbericht 1994/95 und den darin enthaltenen Bericht des Generalsekretariates, in dem der Herr Generalsekretär ausführt, daß es notwendig ist, grundlegende organisatorische Reformen durchzuführen.

Herr Minister! Gestatten Sie, daß ich Sie in Ihrem kurzen Gespräch mit dem Fraktionskollegen und Regierungsmitglied Klima störe. Auch Sie, Herr Minister – das möchte ich hier durchaus positiv verstanden wissen –, haben sich in der letzten Zeit wiederholt dafür ausgesprochen, daß organisatorisch in der Verwaltung beim Bundestheaterverband einiges verbessert werden soll. Ich verweise etwa auf das Interview mit den "Salzburger Nachrichten" vom 9. Jänner 1996, in dem Sie ausführten, daß schon allein aufgrund der Größe der Bundestheater die Bundestheater ein klassischer Kandidat dafür seien, durch organisatorische Verbesserungen Kosten einzusparen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin grundsätzlich nicht allzu glücklich, daß erst am heutigen Tag der Bundestheaterbericht zur Debatte steht. Denn wir wissen, daß die korrespondierende Ausschußsitzung bereits am 31. Mai 1996 stattgefunden hat. Erst jetzt kommt der Bundestheaterbericht hier ins Plenum, und das ist bedauerlich, denn er kommt – so möchte ich fast sagen – zur Unzeit ins Plenum, denn auf der einen Seite liegen die Beratungen des Kunstausschusses schon wieder fast ein halbes Jahr zurück, auf der anderen Seite ist seither der Kunstausschuß nur einmal zusammengetreten, um die Expertenliste zu beschließen, also nicht in der Sache selbst, sondern lediglich deshalb, um Ladungsbeschlüsse zu erlassen. In den nächsten Monaten werden die Debatten mit den Experten durchgeführt werden. Danach wird es sicher wieder viel zu diskutieren geben.

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Tatsache, daß der Bundestheaterbericht erst heute dem Plenum zur Kenntnisnahme vorgelegt wird, darauf zurückzuführen ist, daß es am 31. Mai 1996 eine sehr heftige Debatte gegeben hat, nämlich die Debatte Morak kontra Peymann oder Peymann kontra Morak. Sie wissen ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß der Burgtheaterchef nicht gerade ein Anhänger der größten Toleranz ist und mit seinen Gegnern – damit meine ich auch seine innerbetrieblichen Gegner im Bundestheater –eben nicht fein und tolerant umgeht.

Im Fall Morak kontra Peymann hat man es wieder einmal ganz deutlich gesehen, wie Herr Peymann mit seinen Kritikern im eigenen Haus verfährt. (Abg. Dr. Karlsson: Der Stadler sagt, der Morak ..., und Sie sagen, der arme Morak! Was ist jetzt? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie gestatten uns doch, daß wir verschiedene Meinungen haben!)

Frau Kollegin Karlsson! Unterbrechen Sie mich nicht! Sie können sich sehr gerne zu Wort melden. – Das ist nicht eine Frage, ob ich in diesem Fall dem Standpunkt der ÖVP zustimme, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern das ist eine Frage, wie Toleranz von den Machthabern in diesem Land auch innerbetrieblichen Gegnern gegenüber geübt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und diese Toleranz oder Intoleranz, die in diesem Fall von Herrn Peymann geübt wurde, die offensichtlich Ihre Billigung findet – so müssen wir den Zwischenruf verstehen –, ist wirklich untragbar.

Frau Kollegin Karlsson! Sie heben die Toleranz und die Menschlichkeit immer in lichte Höhen und beschwören sie. (Abg. Dr. Karlsson: Entweder arbeitet der Morak nichts, wie Stadler sagt, oder ... !) Dann melden Sie sich auch einmal zu Wort zu dem Umstand, daß Herr Peymann hergeht und ganz einfach ein Auftrittsverbot – man könnte es pointiert als Berufsverbot bezeichnen – gegen Herrn Morak erläßt! Dann melden Sie sich hier dazu zu Wort! Aber dort, wo einzelne, in Kulturbetrieben tätige Intendanten oder Kunstmanager, die, wie aus Erklärungen sichtlich, Ihre Parteigänger sind, Intoleranz gegenüber einem politisch Andersdenkenden, wie zum Beispiel Herrn Morak, üben, verschweigen Sie sich.


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Frau Kollegin Karlsson! Ich weiß nicht, ob Sie in Ihrer Parteinahme, die Sie offensichtlich für Herrn Peymann üben, überhaupt eine repräsentative Mehrheit in Ihren eigenen Reihen haben. Das möchte ich stark bezweifeln.

Ich möchte etwa auf den ehemaligen Sozialminister Hesoun verweisen, der sich bekanntlich sehr emotionell zu Herrn Peymann geäußert hat. Er hat sich nämlich, und zwar am 14. Februar 1995, sehr kritisch mit der Tätigkeit des Herrn Peymann und vor allem mit seinen politischen Aussagen befaßt, auch mit seinen politischen Aussagen betreffend Regierungsmitglieder der Sozialdemokratischen Partei.

Der ehemalige Minister Hesoun hat sich sehr eindringlich und sehr ausführlich mit der Position des Herrn Peymann auseinandergesetzt und dazu auch geäußert. Ich zitiere wörtlich: Der Sozialminister erklärte, daß er mit seiner Kritik an Peymann breite – man staune! – Zustimmung in der SPÖ habe. (Abg. Dr. Karlsson: Das ist ja nicht der Punkt! Sie wissen genau, was der Punkt ist!)

Frau Kollegin Karlsson! Ich weiß nicht, ob die von Ihnen bekanntgemachte Meinung so sehr repräsentativ dafür ist, was in den Reihen der SPÖ tatsächlich von Peymann gehalten wird. Denn eines ist auch klar – das war nachzulesen in den Medien –: Herr Peymann ist ja sogar als einer der Sargnägel der SPÖ bezeichnet worden. Die Freude ist zwar beim Herrn Kunstminister ungebrochen über die Tätigkeit des Herrn Peymann, über seine politischen Äußerungen, über seine Aussagen in Pressekonferenzen, über seine Kommentare über Wahlergebnisse, aber ich glaube, daß in der ganzen Breite der Sozialdemokratie doch offensichtlich ein anderer Mainstream herrscht. Ich glaube schon, daß das ehemalige Regierungsmitglied Hesoun die Stimmung richtig zusammenfaßte, denn ich meine, daß der ehemalige Sozialminister Hesoun durchaus in den Wurzeln der Sozialdemokratie fest verankert ist und daher wußte, wovon er sprach. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme jetzt zu den Reformvorschlägen. Ich habe mich gefreut, daß es diesmal im Kulturausschuß, was die Expertenliste anlangt, eine einhellige Beschlußfassung gegeben hat. Minister Scholten und Generalsekretär Springer vertreten die Position der Bundestheater, und die Experten, die genannt wurden, werden ihre Vorschläge einbringen.

Erlauben Sie mir, daß ich die Reformvorschläge der Freiheitlichen Partei bekanntgebe, unbeschadet und unpräjudiziell selbstverständlich der Meinungen der Sachverständigen, denn es ist ja Sinn und Zweck, daß wir uns die Sachverständigen detailliert anhören und dann unsere jeweiligen Schlußfolgerungen ziehen. Denn es hat sicher keinen Sinn, wenn wir in die Ausschußverhandlungen hineingehen, ohnedies mit einer fixen unabänderlichen Meinung, und dann dort eine Scheindiskussion führen. Es erscheint mir vielmehr wichtig, zuerst tatsächlich die Sachverständigen zu hören, und jeder kann sich dann eine eigene Meinung bilden und seine persönlichen Reformvorschläge einbringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Reformansatz der Freiheitlichen geht zunächst dahin, eigene Gesellschaften für die einzelnen Theater des Bundestheaterverbandes zu schaffen, nämlich für Burg- und Akademietheater auf der einen Seite, für Oper und Volksoper auf der anderen, wobei zu sagen ist, daß man sicherlich darüber noch diskutieren muß. Ich bin schon sehr neugierig, wie sich die Experten dazu äußern werden, ob es nicht eine eigene Gesellschaft, die die Werkstätte zentral führt und dann individuelle Verträge mit den einzelnen Häusern abschließt, geben könnte. Der Bundestheaterverband sollte dann auf eine reine Holdingfunktion zurückgeführt werden.

Ich komme jetzt wieder auf den Präsidenten des Rechnungshofes zu sprechen, der bekanntlich davon gesprochen hat, daß den Auflagen und Empfehlungen des Rechnungshofes tunlichst Folge zu leisten ist, damit in der Zukunft nicht weitere wirtschaftliche Desaster stattfinden. Er hat betreffend den Rechnungshofbericht über die Bundestheater davon gesprochen, daß es unbedingt notwendig ist – etwa beim Burgtheater –, daß der künstlerische Leiter einen kauf


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männischen Leiter zur Seite gestellt bekommt und dann Entscheidungen von wirtschaftlicher Tragweite nach dem Vier-Augen-Prinzip getroffen werden.

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, es hat sicher nichts mit Kunstfreundlichkeit oder Kunstfeindlichkeit zu tun, wenn man so wie ich der Meinung ist, wenn öffentliche Gelder verwaltet werden – das ist auch in der Kunst so –, haben die Gesetze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit voll durchzuschlagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da kann es auch keine Ausnahmen geben. Daher sind wir der Ansicht, daß es einen kaufmännischen Leiter für die einzelnen Gesellschaften geben soll, denn, wie Herr Generalsekretär Springer richtig schreibt, die derzeitige kaufmännische Leitung ist nicht in den einzelnen Häusern angesiedelt, sondern im Bundestheaterverband.

Ein sehr wesentlicher Punkt, den ich hier noch ansprechen möchte, betrifft die Budgethoheit und die Kameralistik. Ich vertrete die Auffassung, daß wir von der Kameralistik, auch was die Bundestheater und die Ausgliederung, Teilrechtsfähigkeit oder Vollrechtsfähigkeit betrifft, wegkommen und eine Budgethoheit einführen sollten.

Mein Gedanke ist der, daß man jedem Haus ein Gesamtbudget zur Verfügung stellt, dieses Budget dann nach den künstlerischen und kaufmännischen Entscheidungen selbst verwaltet wird und die Ersparnisse, die erzielt werden, zumindest zum Teil im Haus bleiben. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Ansatz. Wenn ein Gesamtbudget von meinetwegen 600 Millionen Schilling für das Burgtheater, um das an einem Beispiel festzumachen, gewährt wird und es zu Einsparungen etwa in der Größenordnung von 30 Millionen Schilling kommt, so könnte ich mir vorstellen, daß es doch dem Erfolgsgedanken entspricht, wenn man 50 Prozent in der Gesellschaft beläßt und über diese 50 Prozent Profit im Ausmaß von 15 Millionen Schilling dann das Haus individuell in der weiteren Folge entscheidet und lediglich 50 Prozent wieder in das allgemeine Budget zurückfließen.

Derzeit ist es bekanntlich so – das ist wenig animierend, wirtschaftlich zu denken –, daß jegliche Ersparnisse dem allgemeinen Budget zufallen. Das ist auch der Grund, wieso die Kameralistik in der gesamten Budgetdiskussion in Frage zu stellen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir von den Freiheitlichen glauben, konstruktive Vorschläge eingebracht zu haben. Wir zementieren uns sicher nicht fest in der einen oder anderen Richtung, denn – ich sage es noch einmal – wir sind der Meinung: Es wird Aufgabe des Ausschusses und der Experten sein, zu einer entsprechenden, vernünftigen Erkenntnis über den Reformbedarf bei den Bundestheatern zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Morak. – Die Uhr wird wunschgemäß auf 10 Minuten eingestellt. Bitte.

16.40

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Grüß Gott, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Weil vorhin von innerbetrieblichen Gegnern gesprochen wurde: Das stimmt schon, nur habe ich mehr Angst vor dem außerbetrieblichen Gegner, wenn es richtig ist, was ich vom Genossen Stadler hier gehört habe. Da vermute ich ja fast schon, da gibt es eine Achse Peymann/Stadler: Der eine läßt mich nicht spielen, und der andere denunziert mich hier im Parlament. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man zur Kenntnis nimmt, daß in Deutschland die Investitionen im Kulturbereich sehr zurückgenommen wurden – ich weise nur darauf hin, daß in Berlin in den nächsten zwei Jahren 200 Millionen DM gestrichen werden –, dann wird einem klar, daß das sicher auch für Österreich Bedeutung hat, und zwar durchaus eine Bedeutung eines Menetekels. Sparmodelle für das Budget zeigen nämlich den großen Subventionsnehmern ihre Grenzen auf.

Bei uns ist die Ausgangssituation eine ähnliche, allerdings blieben lobenswerterweise – da muß man die beiden Regierungsparteien über den grünen Klee loben – die Kulturbudgets gleich hoch


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wie 1995, auch im nächsten Jahr sind sie gleich hoch. Das ist eine große Leistung, das muß man einmal sagen. Aber es ist nicht zu leugnen, daß sich die Bundestheater von diesem Subventionskuchen, der hier zur Verteilung steht, ein großes Stück abschneiden.

Michael Wimmer, ein Kulturanalytiker und Leiter des ÖKS, schreibt zu diesem Thema, daß 1,4 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für die Kulturförderung in unserem Land der Bund, die Gemeinden, die Länder beisteuern. Das ist international gesehen ein unvorstellbar hoher Wert. Da sind wir fast Weltmeister. Er schränkt das aber ein, indem er sagt, daß das alles in die institutionalisierten Bereiche geht, das heißt, in die Kunsthochschulen, die Museen, unter anderem auch in die Bundestheater und die Anteile, die der Bund an den Landestheatern trägt. Mehr oder minder 10 Prozent davon gehen in den zeitgenössischen Bereich der Kunstproduktion.

Das ist international gesehen allerdings wieder sehr, sehr wenig.

Ich komme jetzt zu den Strukturen an den Theatern. Wie anachronistisch nämlich die Strukturen an den bestehenden Theatern sind, zeigt sich im Bereich des Musicals. Mit diesen Strukturen, wie sie sich am subventionierten Theater entwickelt haben, kosten zwei Musicalbühnen den Steuerzahler 250 Millionen Schilling. Also das, was auf der ganzen Welt mit Einnahmen und mit Gewinn verbunden ist, kostet bei uns 250 Millionen Schilling!

Ich meine, daß das ein Erbstück ist, daß wir Theaterbetriebe oder Strukturen aus Theaterbetrieben übernehmen, die für diese Form des Theaters nicht geeignet sind und die wir zu adaptieren vergessen haben. (Bundesminister Dr. Scholten: ... Bundesbudget!) – S chon richtig, ich komme noch darauf.

In so einem Betrieb wird auf eine ganz andere Art und Weise gearbeitet als in den Bundestheatern. Das heißt, wir haben Durchsteher bei den Bühnenbildern, es sind immer dieselben Beleuchtungen, es gibt dieselben Computereinstellungen, und die Produktionen laufen zwei, drei, vier, fünf bis zehn Jahre.

Was lernen wir daraus? – Wir sagen nicht nur: Okay, die Vereinigten Bühnen Wiens verbrauchen das!, sondern sie haben eben auch die Struktur dieser Theater, also der traditionellen Theaterinstitutionen übernommen, und das sollte uns zu denken geben.

Wir erfahren also über den Umweg Musicaltheater etwas über die Strukturen und etwas über die Effizienz der technischen und organisatorischen Strukturen der anderen bestehenden Theater, also auch der Bundestheater. Die Organisationsformen traditioneller Theater sind mittelfristig, wenn alles so bleibt, wie es ist, der Tod der Theater. Das kann vom Gesetzgeber und von uns eigentlich nicht beabsichtigt sein. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinn ist auch die Kritik von Ioan Holender zu verstehen, der meint: Die Arbeitszeit von Technik, Chor, Ballett und Orchester sind nicht koordiniert, ich kann hier nur durch Bertriebsvereinbarungen überleben. Oder: Das könnte alles viel effizienter und billiger werden, ohne die sozialen Errungenschaften anzutasten. Ich bin auch für geregelte Arbeitszeiten, meint Hollender, aber daß der Chor am Nachmittag nicht proben kann, wenn am Abend eine Vorstellung ist, selbst wenn ein Ballett am Programm steht, ist absurd. Auch die kollektivvertraglichen Regelungen bei Gastspielen müssen überdacht werden. Hier sind wir so teuer, daß wir nur mehr in Japan gastieren können. Dafür wäre die Bundestheaterverwaltung eigentlich da. – Soweit Holender.

Oder: Die Uniformierung durch die gemeinsame Verwaltung hat für beide auch viele negative Seiten. Oder: Ich habe keinen Einfluß darauf, welche Fremdarbeiten vergeben werden und welche nicht, daher kann ich auch für eine Produktion nie eine ordentliche Kostenrechnung erstellen. – Soweit Ioan Holender.

Das nennt man also einen Reibungsverlust. Daß das natürlich Geld kostet, ohne daß das Theater etwas davon hat, versteht sich nach dieser Wortmeldung von selbst.


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ROI meint das anders, aber es ist in Wahrheit das gleiche: Je weiter entfernt von der eigentlichen Arbeitsdurchführung die Budget- und Mittelentscheidungen gefällt werden, umso unwahrscheinlicher ist dort eine präzise Kenntnis der benötigten Ressourcen. Es entstehen Ungerechtigkeiten, die Tendenz zu Insellösungen und unkontrolliertem Leistungsabbau. (Beifall bei der ÖVP.)

Ioan Holender meint das wesentlich prosaischer: Das Geld hat im Bundestheaterverband kein Mascherl. Ich finde das nicht gut. Es ist für jeden Betrieb schlecht, wenn die Stimmung herrscht, daß man das Geld, das man einnimmt, nicht zur Verfügung hat und gleichzeitig das Geld, das man nicht ausgibt, verliert beziehungsweise im nächsten Jahr weniger bekommt. – Das zu Kameralistik und zur Form der bestehenden Strukturen an diesem Theater.

Zum Bericht: Ich finde in diesem Bericht relativ wenig oder doch zumindest einiges nicht, was ich gerne finden würde. Wenn zum Beispiel da drinsteht: Regie, szenischer Dienst und Verwaltung. Was geht in Regie? Was geht in szenischen Dienst? Was geht in die Verwaltung?

Oder: Entgelte an Gäste, Externisten, Statisten, Substituten als eine Position. Was geht an Substituten? Was geht an Gäste? Was geht an Externisten?

Oder: Sonstiger Aufwand. Der "Sonstige Aufwand" macht bei der Staatsoper immerhin ungefähr 100 Millionen Schilling aus. Wie hoch ist der Anteil, den das Generalsekretariat hat, aufgeteilt auf die verschiedenen Häuser? Oder: Was kostet das Generalsekretariat den einzelnen Häusern?

Wenn auf Seite 133 die Ausgabendeckung für alle Häuser zusammen ausgewiesen ist, so ist das natürlich eine kosmetische Operation. Wenn Sie das, was im Bundestheaterbericht als Betriebsaufwand ausgewiesen ist, den Einnahmen der diversen Häuser gegenüberstellen, also den Deckungsgrad den Einnahmen gegenüberstellen, dann kommt für die Staatsoper der sagenhafte Wert 35 Prozent heraus, für die Volksoper noch immer 28 Prozent und für das Burgtheater und das Akademietheater 14 Prozent, und das ist wirklich sehr, sehr wenig.

Wenn man den Auslastungsrückgang im Burgtheater mit 5 Prozent und im Akademietheater mit 4 Prozent beziffert, bedeutet das im Burgtheater einen Rückgang auf 71,7 Prozent, im Akademietheater auf 87 Prozent. Wenn man dann noch berücksichtigt, daß die 100 Prozent im Burg- und Akademietheater überhaupt nicht 100 Prozent sind, sondern abzüglich der Sitze, die gesperrt sind, und abzüglich der Sitze, die das Bühnenbild verbaut, dann kommt man da auf einen noch wesentlich geringeren Wert.

Wenn wir dann hören, in Deutschland sei das alles viel schlimmer, dann tröstet mich das nicht wirklich, denn in Deutschland machen sie die Theater zu.

Ausnahmsweise gilt hier Gerhard Zeilers Wort: Wir müssen gesehen werden, sonst haben wir keine Gebühren(akzeptanz).

Die Entwicklung der Produktionsdichte ist mit fünf und sechs Produktionen im Bereich Burg- und Akademietheater nach wie vor immer noch zu gering, es sind beide Theater unter ihren potentiellen Möglichkeiten des Produktionsaufkommens.

Nach 1989 präsentierte die ÖVP erstmalig einen Vorschlag zur Ausgliederung der Bundestheater; er wurde 1993 noch einmal präzisiert. Im wesentlichen geht es dabei um die Autonomie der Häuser: weg von zentralistischen Organisationen, weg von nur ein bißchen Autonomie. Wir werden darüber diskutieren müssen, wie das ausschauen wird, und die Direktoren der Theater sind gefordert, ihren Beitrag dazu zu liefern.

Daß wir diskutieren müssen, ist "amtlich". Im Budgetprogramm der Bundesregierung für die Jahre 1996 bis 2000 lesen wir zum Kapital 71: Ausgliederung der Bundestheater. Da kann man nur sagen: Warum nicht gleich, Herr Minister? (Beifall bei der ÖVP. – Bundesminister Dr. Scholten: Das kann ich Ihnen sagen! – Abg. Morak geht zu Bundesminister Dr. Scholten. – Rufe bei der SPÖ: Zugabe!)

16.51


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Das wollen wir alle hören, Herr Bundesminister. (Bundesminister Dr. Scholten: Ich glaube nicht!)

Als nächste bitte Frau Stoisits zum Rednerpult. (Abg. Dr. Khol: Das dritte oder das vierte Mal?)

16.51

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Das zweite Mal, Herr Dr. Khol. – Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Morak! Herr Kollege Krüger! Am 15. November, also in zwei Wochen, wird im Kulturausschuß in einem Hearing darüber diskutiert, wozu wir jetzt vorweg ein bißchen etwas sagen. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Extrem sinnvoll erscheint mir das nicht, aber so ist es nun einmal. Ich sage das, weil der Kollege Krüger sozusagen beklagt hat, daß wir heute darüber diskutieren. Sei es, wie es sei, ich werde mich deshalb auch auf ein paar Stellungnahmen beschränken.

Der Vorschlag der Grünen – er erinnert mich auch an meinen Kollegen Willi Gföhler, der bedauerlicherweise nicht mehr bei uns ist und der hier schon vor zwei Jahren den Vorschlag gemacht hat, die Aufteilung des Bundestheaterverbandes in zwei GesmbHs, jeweils zuständig für Musik- und Sprechtheater, in Erwägung zu ziehen – wird Gegenstand dieses Hearings sein, zu dem alles, was Rang und Namen im Zusammenhang mit gedanklichen Vorüberlegungen über den Bundestheaterverband hat, geladen wurde. Von da erhoffen wir einfache Parlamentarier und Nichtmitglieder des Kulturausschusses uns neue Erkenntnisse.

Für mich ist völlig außer Streit gestellt, daß die Bundestheater eine ökonomische Basis – eben aus Mitteln der öffentlichen Hand – brauchen. Wenn wir das nicht außer Streit stellen, dann ist, glaube ich, jede weitere Diskussion müßig. Die Frage ist nur: Wie kommt man zu mehr Effizienz, wie kann Fehlentwicklungen, die sich im Laufe der letzten Jahre, ja Jahrzehnte eingeschlichen haben, gegengesteuert werden?

Meiner Ansicht nach kann das relativ einfach unter Zuhilfenahme von einfachen Kostenrechnungen geschehen. Darüber zerbrechen sich schlaue Leute auch schon seit Jahren den Kopf. Ich war noch Beamtin im Unterrichtsministerium, als von namhaften Schweizer Firmen bereits errechnet worden ist, daß man 100 Millionen – mehr noch; ich glaube, es war von 100 bis 140 Millionen die Rede – einsparen kann, wenn man auf Transporteffizienz achtet und bei der Technik und bei den Leistungsstandards einspart.

Für mich sind diese Ziffern zwar jetzt vom Kostenrechenstandpunkt nicht einschätzbar, aber für mich ist es eine Meßgröße, wenn ich daran denke, daß die Kulturinitiativen – seinerzeit aus dem Budget des Unterrichtsministeriums, jetzt vom Kunstministerium – aus dem Budget 40 Millionen insgesamt bekommen. Meine Damen und Herren, nur damit Sie die Relationen sehen: Der größte Brocken im Kulturbudget insgesamt sind die Bundestheater. Deshalb ist der Diskussionsbedarf groß, und das Parlament wird sich im Ausschuß seriös mit all diesen Dingen beschäftigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt da ein paar Dinge, die man nicht oft genug erwähnen kann. Das "Schmankerl" von den Wiener Philharmonikern und die Tatsache, daß sie noch immer nicht gewillt sind, weibliche Orchestermitglieder in ihre Reihen aufzunehmen, habe ich hier auch schon oft gebracht. Es kommt aber nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Information dazu. Im Internet gibt es eine interessante Diskussion darüber, habe ich gesehen. Nicht nur wir diskutieren hier bescheiden darüber, daß dieses – meiner Meinung nach weltbeste – Orchester auch das weltweit frauenfeindlichste Orchester ist. Das beschäftigt nicht nur uns, sondern das beschäftigt im World Wide WEB zahlreiche interessierte Diskutantinnen und Diskutanten rund um die Welt.

Herr Bundesminister! Ich habe nicht zum ersten Mal den Vorschlag gemacht: Geben Sie ihnen einfach kein Geld mehr, denn das zieht überall und immer. Vor allem die Drohung, Subventionen nicht zu gewähren, hat schon Mächtigere als den Herrn Resel beeindruckt.

Die Idee, daß der Bund – und jetzt komme ich noch einmal zum Gegenstand des heutigen Tages – Eigentümer der Bundestheater bleiben soll, ist für mich völlig klar. Was mir aber beim


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Kollegen Krüger immer abgeht – auch wenn er so seriös zu sprechen versucht wie heute (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der ist immer seriös, Frau Kollegin!) –, ist, daß der künstlerische Aspekt im Vordergrund steht. Aber wahrscheinlich ist das für ihn so schwierig, weil er den künstlerischen Aspekt ganz anders einschätzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir warten gespannt auf die Ergebnisse des Hearings, und wir warten dann gespannt – und da bin ich ganz beim Kollegen Morak – auf rasche Ergebnisse, die dann auch auf der bundesgesetzlichen Ebene umgesetzt werden müssen.

Abschließend, Herr Bundesminister, habe ich noch eine Frage – das ist jetzt unabhängig vom Bundestheaterverband, aber weil wir die Gelegenheit haben, Sie heute bei uns zu haben –: Ist das, was mit den zu Recht protestierenden Schriftstellerinnen und Schriftstellern bezüglich der Themen Steuern, Stipendien, Preise vereinbart wurde – gestern war ja, glaube ich, Ministerrat –, jetzt auch, so wie versprochen, sozusagen in Gesetzesform gegossen worden und auch in den Ministerrat eingebracht worden? Ich habe es selber nicht nachrecherchiert, aber es würde mich interessieren, ob Sie persönlich und die Beamten Ihres Hauses sich auch an Zusagen oder Versprechen, die gemacht werden, halten. (Bundesminister Dr. Scholten: Meistens!) – Ich habe nicht gesagt, daß das nicht passiert. In diesem Fall wäre es die Probe aufs Exempel wert. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen.)

16.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält Herr Abgeordneter Dr. Cap.

16.58

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Heute mögen wir uns, das ist fast wie eine Versöhnungsversammlung. Wir fallen uns um den Hals, es gibt ein Tête-à-tête des bislang kritischsten ÖVP-Kultursprechers mit dem Minister. Da könnte ich fast sagen: Warum erst jetzt?, das hätte auch schon früher stattfinden können.

Aber wenn es der Sache dient, ist das natürlich äußerst positiv, und daher sollte man in dieser Stimmung dann auch im Kulturausschuß weiterarbeiten. Nach diesem Hearing sollten wir dann wirklich versuchen, da etwas weiterzubringen. Denn die Problemstellung ist seit längerem bekannt und berührt ja auch sehr prinzipiell die Frage, ob bezüglich der Marktfähigkeit von Dienstleistungseinrichtungen innerhalb der Theater im Rahmen des bestehenden Systems wirklich Fortschritte erzielt werden können. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Und ich denke – und da würde ich tendenziell auch dem Kollegen Morak zustimmen und vielen, die sich diesbezüglich schon Gedanken gemacht haben –, daß man wahrscheinlich in der Struktur und im System etwas ändern muß, um wirklich hier mehr marktfähige Dynamik hineinzubringen. (Beifall des Abg. Morak. )

Ich möchte aber durchaus honorieren, daß in diesem Bereich vieles geschehen ist. Ich habe mir das ausheben lassen: Es sind sehr viele organisatorische Maßnahmen gesetzt worden. Es sind Planstellen, Mehrdienstleistungen eingespart worden, Presse und Information zusammengelegt worden, es kam zu einer Verkleinerung des Personalstandes der zentralen Hauswerkstätten.

Im Bereich des Kostümwerkstätten wurde ein neues Planungssystem eingeführt. Es wurde der Nutzungsgrad des Kostümfundus maßgeblich erhöht. Die Anzahl der Bediensteten des Publikumsdienstes wurde gesenkt, es wurden Garderobengebühren eingeführt. Es wurde die Innenreinigung verbessert, es gab Verbesserungen bei der Bühnentechnik, es wurde eine zentrale Controllingstelle eingeführt.

Viele Schritte wurden getätigt, bis hin zur Entwicklung eines Palettensystems für die Lagerung und den Transport von Kulissen, das in Auftrag gegeben wurde. (Ruf bei den Freiheitlichen: Hört, hört!) Das sind lauter Schritte, die man honorieren muß und die sehr positiv sind, die aber eigentlich darstellen, daß das nur bis zu einer bestimmten Grenze, in einem bestimmten Bereich möglich ist, und dann muß man sich wirklich überlegen, wie man das gesetzte Ziel im Endeffekt auch wirklich erreichen kann.


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Ich persönlich bin der Meinung, daß eine tiefgreifende Reform im Bundesverwaltungsbereich etwas ist, das wir alle immer wieder und gerne anstreben, das aber mit Schwierigkeiten verbunden ist, die uns ja mehr als bekannt sind. Das wissen wir auch aus anderen Bereichen. In der Tat gibt es daher erfolgreiche Modelle der Ausgliederung. Man muß sich nur ansehen, wie und unter welchen Bedingungen das stattfinden soll. Aber ich glaube, daß das eine Überlegung ist, die mit Sicherheit sehr sinnvoll sein kann, wenn man sie klug und verantwortungsvoll umsetzt.

Wenn es sich herausstellt, daß im Rahmen der bestehenden Organisationsstrukturen die Rationalisierungspotentiale im großen und ganzen ausgeschöpft sind, dann muß man wirklich über den Schatten springen und über neue Veränderungsperspektiven nachdenken. Irgendwie scheint es doch so zu sein – eine grundsätzliche Erkenntnis, an der schon ganze Gesellschaftssysteme mit diversen Reformprojekten gekiefelt haben, und die Jahre 1989 und 1990 stehen dafür, daß sich letztlich herausgestellt hat, daß auch hier Reformgrenzen im Rahmen des Bestehenden gegeben sind –, daß Marktfähigkeit und Dynamik die wohl beste Garantie sind, um kostensenkend in verschiedenen Organisationseinheiten wirken zu können. Das wird letztlich auch bei dem berühmten Musical-Beispiel die zentrale Frage sein.

Wenn es Konkurrenz gibt und wenn man sich nicht mehr auf Investitionen von außen einfach verlassen kann, wenn man sich selbst um Wirtschaftlichkeit kümmern muß, wenn man eine Rücklagefähigkeit der Mittel erreichen kann und wenn das eine Motivation ist, und wenn das alles letztlich dazu führt, daß man sich nicht mehr mit ungestrafften Verwaltungen, schwierigen Genehmigungsverfahren und schwerfälligen Koordinationsgremien auseinandersetzen muß, sondern der Kostenbereich absenkbar ist und die Effizienz gesteigert wird, und wenn es letztlich in Zeiten, in denen es mit dem Budget besonders schwierig ist, dazu führt, daß man Gelder einsparen kann, daß man im Dienstleistungs- und Verwaltungsbereich einsparen kann, wenn das im Endeffekt den Kunstschaffenden dient und wenn es auch dem Konsumenten dient, dann, glaube ich, sollte man ernsthaft darüber nachdenken, ob nicht Ausgliederungskonzepte im Endeffekt in eine Richtung weisen, die wirklich sinnvoll ist. Deswegen werden wir uns das jetzt einmal anhören.

Wir haben ja unter anderem auch einen Experten genannt, der diesbezüglich schon Erfahrung gesammelt hat. Wir werden uns das in aller Ruhe anschauen. Das ist keine ideologische Frage, sondern es ist ausschließlich eine Frage der Zweckmäßigkeit, der Sinnhaftigkeit: Wie verwende ich Mittel, und wie kann ich schauen, daß die Kunstschaffenden möglichst viele Mittel in knappen Zeiten zur Verfügung haben? – Das ist alles, und ich glaube, das ist eine Entwicklung, die wir auch im Kulturausschuß weiter fördern und in den Diskussionen dort berücksichtigen sollten. Dann können wir hierher zurückkehren. Und wenn wir Differenzen haben, können wir uns in einer härteren und kontroversiellen Debatte wieder damit auseinandersetzen. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Morak. )

17.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.

17.04

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Morak meint, man müßte die Koalition wegen der Gebarung der Bundestheater oder wegen des Geldes, das die Bundestheater bekommen haben, über den grünen Klee loben, so kann ich ihm nicht ganz beipflichten. Denn wenn man sich diesen Bericht anschaut, dann sieht man, daß die negative Entwicklung eigentlich fortgesetzt wurde. Wir sehen, daß das Publikum in Scharen ausbleibt, insbesondere im Burgtheater – Herr Kollege Morak hat es schon kurz erwähnt.

Im Berichtsjahr 1992/93 betrug die Auslastung im Burgtheater im Durchschnitt 77,32 Prozent. Sie ist im Berichtsjahr weiter, nämlich auf 71,69 Prozent, gesunken. Manche Vorstellungen hatten überhaupt eine katastrophale Auslastung von nur 59,35 Prozent, "Das goldene Vlies" oder "Die Geisel": 54,96 Prozent. – Ich glaube schon, daß man das auch erwähnen muß und daß es da wirklich keinen Grund gibt, irgend etwas über den grünen Klee zu loben.


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Es hat sich auch weiterhin keine Besserung dahin gehend ergeben, daß die Schließtage weniger geworden wären, sondern sie sind gleich geblieben oder noch mehr geworden. Das ist ja ein ewiges Problem. Und die Kosten sind ebenfalls gestiegen. Wenn Herr Cap gemeint hat, es seien Verbesserungen vorgenommen und da und dort etwas eingespart worden – ein Planposten, ein halber Planposten und so weiter –, dann muß ich sagen, das ist in manchen Bereichen schon möglich, aber im großen und ganzen sind die Gesamtkosten gestiegen, Herr Kollege Cap! Und das ist ja das, was uns hier eigentlich wirklich bedenklich stimmen sollte.

Meiner Meinung nach ist der Bericht wirklich sehr dürftig und sagt uns relativ wenig über die gesamte Verwaltung der Bundestheater. Man hält sich etwas zurück. Das ist ja auch klar, weil die Verantwortlichen ganz genau wissen, daß auch sie zu einem sehr großen Prozentsatz oder überhaupt die Schuld daran tragen, daß es ein solches Desaster gibt, und da möchte man sich natürlich nicht gerne selbst in den Vordergrund rücken.

Im Bericht steht auch, das Generalsekretariat ist zuständig für Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Qualitätskontrolle. Da steht dann weiter, daß im Jahr 1994 überlegt wurde, ob man die Kostenrechnung einführen soll, und im Jahr 1996 soll die Kostenrechnung eingeführt werden. – Da frage ich mich schon, wieso eigentlich das Generalsekretariat erst 1994 draufgekommen ist, daß man in diesem Bereich, der unendlich viele Kosten verursacht und Steuermittel verschlingt, eine Kostenrechnung einführen könnte. Wie ich mich vergewissert habe, gibt es diese Kostenrechnung jetzt noch immer nicht, das heißt also, eine Transparenz, was jedes Stück kostet, wie die Kosten zugerechnet werden, haben wir bis heute noch nicht. Ich finde daher, daß überhaupt kein Grund vorhanden ist, daß das Generalsekretariat sich großartig zuständig erklärt – und zwar positiv – für Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, denn es ist wirklich das ärgste Versäumnis, daß es bisher zu keiner Einführung der Kostenrechnung gekommen ist.

Genauso wenig Transparenz, wie wir mangels Kostenrechnung von den Inszenierungen erwarten können, finden wir auch in dem Bericht. Es ist schon angeschnitten worden, daß die größten Summen unter "Sonstiger Aufwand" zu finden sind. Die Staatsoper hat ihren Sonstigen Aufwand um mehr als 100 Prozent erhöht, und auch in den Gesamtausgaben machen die Sonstigen Ausgaben die größte Summe aus. Jetzt möchte ich wirklich wissen, was diese Sonstigen Ausgaben sind. Ich erwarte mir, daß im nächsten Bericht diese sogenannten Sonstigen Ausgaben ordentlich aufgeschlüsselt sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch etwas; das betrifft auch das Generalsekretariat: Es wurden im Berichtszeitraum insgesamt 50 000 Regiekarten und Dienstkarten ausgegeben. Da ist im Ausschuß gesagt worden, diese dienen dem künstlerischen und dem wirtschaftlichen Interesse der Bundestheater. Wissen Sie, was das ausmacht? Wenn man im Durchschnitt für eine Dienstkarte 300 S rechnet, dann sind das 15 Millionen Schilling für diese 50 000 Dienstkarten. Ich kündige an, daß ich eine schriftliche Anfrage an Sie, Herr Minister, richten werde, an wen diese Dienst- und Regiekarten gegangen sind, denn da herrscht meiner Meinung nach eine ganz grobe Verschwendung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind zwar insgesamt, wenn man den Gesamtabgang von 1,7 Milliarden nimmt, diese 15 Millionen Schilling auch nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin eine Summe, die man nicht verachten sollte und der man eben nachgehen sollte.

Ich glaube, Kollege Morak war es, der gesagt hat, es kann zum Tod der Theater führen, wenn zu sehr gespart wird. Ich möchte hier folgendes zitieren: Herr Peter Stein ist ebenfalls damit konfrontiert, daß gespart werden muß und so weiter. Er sagt: Solche Phasen des Streichens und Einsparens sind uns nicht schlecht bekommen. Wir haben in der Kultur die Tendenz, anzunehmen, wir müßten selbstverständlich Geld bekommen und dafür nichts tun, und auch mittelmäßige Talente müssen so hoch wie möglich bezahlt werden.

Ich glaube, diese Ansicht sollten sich auch die Bundestheater einmal zu eigen machen und doch versuchen, Kosten einzusparen – bei Qualitätswahrung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.11


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44. Sitzung / Seite 125

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Motter. – Bitte, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

17.11

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Cap, zu Ihrer Anpreisung der Einsparungen: Ich glaube, das ist doch eine Selbstverständlichkeit, die man nicht anpreisen muß. Also ich halte das für verfehlt. Jeder Betrieb wird sich immer wieder Einsparungen auferlegen, und es ist doch selbstverständlich, daß auch der Bundestheaterverband solche Einsparungen vornimmt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Bundestheaterbericht 1994/1995. Ich sehe diesen Bericht als eine Information, die ursprünglich gar nicht zur parlamentarischen Behandlung gedacht war, sondern als eine Serviceleistung für Interessierte an den verschiedenen Aufführungen der Theater, an Besetzungslisten, an den Produktionen und an der Auslastung der Häuser.

Herr Generalsekretär Dr. Springer führt in seiner Einleitung an, daß Anregungen aus den Beratungen des Kulturausschusses und den Plenardebatten in die Gestaltung des Bundestheaterberichtes eingeflossen sind. Ich sehe darin, Herr Dr. Springer, eine kooperative Zusammenarbeit zwischen dem Hohen Haus und dem Bundestheaterverband. Dies ist zudem auch notwendig, denn der Bundestheaterverband wird ja durch den Rechnungshof geprüft. Ich möchte dazu klar feststellen, daß von dieser Kontrolle ausschließlich die finanzielle Gebarung betroffen ist, nicht jedoch die künstlerische Programmgestaltung. Und das ist auch gut so.

Es würde mich zutiefst beunruhigen, wenn Politikerinnen und Politiker, egal in welcher Form, auf die Programmgestaltung unserer Musik- und Theaterhäuser Einfluß nehmen könnten. Was passieren würde, wenn eine solche Möglichkeit vorhanden wäre, kann man sich sehr leicht vergegenwärtigen, wenn man sich die verschiedenen Versuche von Politikern, die Uraufführung von Thomas Bernhards "Heldenplatz" zu verhindern, in Erinnerung ruft.

Meine Damen und Herren! Aber auch eine APA-Meldung von vorgestern gibt Anlaß zur Sorge. So erregte sich der freiheitliche Stadtrat Lothar Gintersdorfer über einen Beitrag der ORF-Sendung "Treffpunkt Kultur", der das neue Kabarettprogramm von Alfons Haider vorstellte. Hier wird der Moderator und Schauspieler als Möchtegern-Kabarettist und Heide-Schmidt-Höfling, der sich aufplustert und als Retter der Nation aufspielt, diffamiert. Sein Programm wird als peinlich schwach bewertet. – Man kann Programme bewerten oder nicht, aber ich glaube, es steht einem Politiker nicht zu, das zu bewerten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das paßt aber nicht zum Bundestheaterbericht!) Das paßt nicht zum Bundestheaterbericht? Es paßt sehr wohl!

Ich habe eingangs erwähnt, daß die Prüfung die finanziellen Möglichkeiten betrifft und daß sich die künstlerische ... (Abg. Dr. Ofner: Es gibt ein interessantes Naheverhältnis des Liberalen Forums zu Künstlern!) Das haben Sie festgestellt. Ich habe kein Naheverhältnis zu Künstlern, außer zu meiner Tochter, die Künstlerin ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.) Hier ist die APA-Meldung, falls Sie sie noch nicht gelesen haben!

Weiter heißt es darin, daß sich Schauspieler, Journalisten und Theaterdirektoren in den Dienst der herrschenden Klasse stellen, um gemeinsam mit ihr die Opposition kaltzustellen, eine Vorgangsweise, die an die Praktiken im früheren Ostblock erinnert – nachzulesen in der APA-Meldung vom 29. Oktober dieses Monats.

Meine Damen und Herren! Abgesehen von der Tatsache, daß die "F" nicht die einzige Oppositionspartei in Österreich ist und deshalb das Liberale Forum oder die Grünen wohl kaum zur herrschenden Klasse zu zählen sind, zeigt die Aussendung erschreckend deutlich, wozu es führen könnte, wenn Politiker oder Politikerinnen in die Programmgestaltung eines Veranstaltungshauses eingreifen könnten. (Beifall beim Liberalen Forum.) Denn zu welchen Auswüchsen solche Möglichkeiten führen, hat uns die Geschichte mit der nationalsozialistischen Propa


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gandamaschinerie sehr deutlich vor Augen geführt. Leider sind 50 Jahre später schon wieder solche Bestrebungen zu beobachten.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen versichern: Wir Liberalen werden das zu bekämpfen wissen! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Graf: Die liberalen Studenten wollen die Zensur wieder einführen!)

Meine Damen und Herren, zurück zum Bundestheaterbericht 1994/1995. Was uns in diesem Bericht nach wie vor fehlt, sind theaterpolitische Gedanken der Theaterdirektoren. Gerade diese theaterpolitischen Gedanken wären meiner Meinung nach eine vernünftige Weiterentwicklung dieses Berichtes und würden darüber hinaus der Information der Theater- und Operninteressierten dienen.

Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen ist uns die Information zugekommen – ich hoffe, daß sie stimmt –, daß aufgrund einer Initiative des Finanzministers ein Umdenkprozeß im Bundestheaterverband und im Ministerium bezüglich der Zukunft des Bundestheaterverbandes eingeleitet worden ist. Ein Hoffnungsschimmer tut sich auf. Denn seit Bestehen des Liberalen Forums war unsere Forderung, daß der Verband in einen eigenständigen Wirtschaftskörper mit einer gemeinsamen Holding umgewandelt werden soll. Wenn dem jetzt so ist, kann ich nur sagen, es war höchste Zeit.

Es würde sich jetzt anbieten, über die längst überfälligen Strukturreformen zu diskutieren, aber leider ist auch meine Zeit begrenzt. Ich hoffe jedoch, daß wir bald hier im Hohen Hause Gelegenheit haben, ausführlich darüber zu diskutieren. Denn wenn diese Reform nicht sofort in Angriff genommen wird, so wird der Apparat Bundestheaterverband, wie wir ihn kennen, nicht mehr lange finanzierbar sein. Es darf nicht sein, daß der Bundestheaterverband durch seine Eigenständigkeit, besonders auf dem Gebiet der Pensionen, der Politik der Bundestheaterbediensteten, der Beschäftigungsdauer von Künstlern und Künstlerinnen, besonders in bezug auf ihren Pensionsanspruch, die derzeitige Einnahmenpolitik der automatischen Verlustabdeckung weiterhin verfolgen kann. Man kann dann nicht erwarten, daß die Bevölkerung auch nur einigermaßen Verständnis für das Sparpaket aufbringen kann – insbesondere, was die sozialen Belange betrifft.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Es ist auch höchst an der Zeit, daß die Struktur der Bundestheater so geändert wird, daß ökonomisches Denken für die Leiter der Häuser Priorität bekommt. Denn es gibt in unserem Lande auch Kultureinrichtungen, Kulturinitiativen wie freie Gruppen, die auch in Zukunft Bundesmittel benötigen, aber zugegebenermaßen jetzt schon durch eine verfehlte Politik, was die Bundestheaterpolitik betrifft, stark benachteiligt sind. Wir Liberale haben ebenfalls Reformvorschläge, wir werden sie einbringen und hoffen auf eine fruchtbare Diskussion.

Abschließend, meine Damen und Herren: Wir Liberale geben, wie schon im Kulturausschuß durch die Vorsitzende dokumentiert, dem vorliegenden Bericht unsere Zustimmung. Allerdings habe ich eine Bitte noch zum Schluß: Vielleicht könnte der nächste Bericht wieder gebunden sein. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich nunmehr Herr Bundesminister Dr. Scholten gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

17.18

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eigentlich nur einzelne Punkte, die hier in der Debatte erwähnt wurden, aufklären. Zu allererst lassen Sie mich aber etwas Grundsätzliches zu dem Bericht sagen, den wir vorgelegt haben. Es gibt viele Budgetpositionen, die vom Budget 1995 auf 1996 und auf 1997 damit leben müssen und davon auszugehen haben, daß sie mit unveränderten finanziellen Größenordnungen zum Teil sogar zusätzliche Aufgaben wahrnehmen müssen. Es gibt allerdings wenige, ich glaube sogar, keine Budgetposition – das ist den Bundestheatern gelungen –, die dieses bereits von 1994 weg getan


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hat. Der Betriebsabgang der Bundestheater hat sich von 1994 weg nicht mehr verändert, trotz der in der Zwischenzeit eingetretenen Kostensteigerungen, insbesondere im Personalbereich.

Ich verstehe schon, daß sich die politische Debatte primär mit Kritikpunkten beschäftigt, aber ich möchte mich von dieser Stelle aus bei all jenen, die sich mit sehr viel Engagement und Ehrgeiz dem Ziel gewidmet haben, diese Sparsamkeit auch Realität werden zu lassen, bedanken. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn in der Debatte der letzten Dreiviertelstunde einzelne Punkte aus dem Bericht angesprochen wurden, dann wiederhole ich etwas, was ich bei der Diskussion des letzten und vorletzten, wahrscheinlich auch des drittletzten Bundestheaterberichts bereits getan habe: die Bitte, bevor etwas kritisiert wird, sich auch einigermaßen mit dem auseinanderzusetzen, was drinnen steht. Wenn also Frau Abgeordnete Partik-Pablé etwa behauptet, die Bundestheater würden erst per 1996 die Kostenrechnung einführen, dann zitiere ich aus dem Bundestheaterbericht: Die Umstellung der Kostenrechnung auf eine flächendeckende Vollkostenrechnung wird erfolgen. – Das ist ein gewaltiger Unterschied. Eine Kostenrechnung gibt es bei den Bundestheatern vermutlich seit zehn, fünfzehn Jahren – als ich dort 1988 begonnen habe, hat sie bereits voll funktioniert, sie muß also wohl schon einige Jahre vorher eingerichtet worden sein.

Es ist allerdings ein sehr schwieriger Punkt. Ich kenne kein einziges größeres Theater in Europa, das diesem Anspruch gerecht werden würde: eine deckende Vollkostenrechnung nach Kostenstellen zu haben. Sie haben das nicht gesagt. Der Unterschied zwischen Gesagtem und Gemeintem – wenn man an den Textvorlagen hängt – wird auch im Theater als wichtig erachtet. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist klar, daß man das meint!) Wenn es klar ist, dann ist es gut. (Abg. Haigermoser: Da hat man einen Souffleur!) Zum Beispiel, der flüstert ganz gut.

Die Frage einer Kostenstellenrechnung unter voller Zuweisung der Kosten nach den Produktionen ist im Theater eine schwierige – obwohl mathematisch sehr einfache –, hinsichtlich der Konsequenzen, die man daraus zieht, und wohl nur dafür würde man sie einrichten. Das ist eine schwierige Angelegenheit, weil wir erstens eine ganze Reihe von Zurechnungproblemen dabei haben und zweitens die Frage der Konsequenzen nicht damit beantwortbar sein würde, daß man sagt: Die Produktionen, die dann auf den Abend, auf die Produktion, auf die verkauften Karten oder was immer den teuersten Zuschuß auslösen, seien sozusagen die schlechten.

Es gibt häufig kulturpolitisch und literaturhistorisch ganz wichtige und zentrale Aufführungen, die in diesem Zusammenhang unter Umständen ganz schlechte Ergebnisse bringen würden. Das Ziel der Bundestheater ist mit Sicherheit nicht, aus einer derartigen Kostenstellenrechnung abzuleiten, daß diese abzusetzen seien.

Ein zweiter Punkt betrifft den sogenannten Sonstigen Aufwand, der mehrfach hier genannt wurde, insbesondere die Steigerung von 1993 auf 1994. In diesem Sonstigen Aufwand sind, und das habe ich auch schon im Ausschuß beantwortet, die Aufwendungen für die Gastspiele enthalten, und 1994 war ein sehr intensives Gastspieljahr. Sie werden im übrigen bei den Erträgen eine vergleichbare Position finden, weil diese Gastspiele nicht nur kostendeckend, sondern sogar überschußproduzierend durchgeführt werden konnten. Insbesondere bei der Staatsoper ist diese Position – das ist sozusagen der Beweis für meine Aussage – deshalb so stark angestiegen, weil die Staatsoper in Japan auf Gastspiel war.

Ein dritter Punkt betrifft die Ausgliederung. Ich denke, daß jede Debatte, die sich mit der Organisationsform eines großen, im wesentlichen von Steuerzahlern erhaltenen Betriebes beschäftigt, richtig und wichtig ist und daß dabei nichts tabuisiert werden darf. Zweitens ist jeder schlecht beraten, der für diesen Bereich Verantwortung trägt und sich dieser Diskussion nicht stellt. Es steht außer Zweifel, daß die Kameralistik für vieles an kaufmännischem Denken Hürden kennt, die nicht gerade motivierend wirken, und daher auch Ausgliederungen – sozusagen aus sich heraus – ihren Reiz haben.

Ich gebe noch zu bedenken – das ist meine persönliche, für mich geltende Vorgabe, auch für diese Diskussion –, daß Ausgliederungen, die als einzigem Zweck der Zerschlagung dieses Betriebes dienen, für mich persönlich nicht in Frage kommen. Ich empfehle Ihnen allen, die


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Diskussion nachzulesen, die derzeit hinsichtlich der organisatorischen Ordnung der Oper, des Schauspiels, des Balletts in Frankfurt läuft. Dort wurden buchstäblich Katastrophen erzeugt, weil man in eine unglaublich verzettelte GesmbH-Konstruktion gefallen ist, die diese Institutionen nicht nur unübersichtlich hat werden lassen, sondern auch zu grenzenlosen Interessenkonflikten zwischen den Leitern der verschiedenen Einrichtungen geführt hat. Derzeit ist das kulturpolitisch Thema Nummer eins in Frankfurt. Mit Kunst hat diese Debatte nichts zu tun, übrigens mit Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit auch nicht. Aber die haben jetzt viele GesmbHs in diesem Bereich.

Ich denke, es ist wichtig, diese Ausgliederungsdiskussion zu führen und auch jedes organisatorische Modell, das von Experten vorgeschlagen wird, zu überprüfen. Da sollte man sich keinem Vorschlag verschließen. Aber das Zerschlagen – ich habe mitgezählt, der höchste Vorschlag hier waren sechs verschiedene GesmbHs – kann, wenn die künstlerische Realisierungsmöglichkeit und die Wirtschaftlichkeit eine Rolle spielen, keine Antwort darauf sein.

Noch zwei Punkte, die mit den Bundestheatern nicht sehr viel zu tun haben – aber auch. Der eine betrifft die Subventionen an die Philharmoniker. Ich habe erklärt, daß ich mir nicht gut vorstellen kann, an eine Organisation Subventionen zu geben, die sich dem Ziel der Gleichberechtigung von Frauen und Männern nicht so stellt, wie wir uns das vorstellen. Allerdings machen diese Subventionen an die Wiener Philharmoniker im Verhältnis zu den Gesamteinnahmen des Orchesters, die am freien Markt erwirtschaftet werden, einen relativ kleinen Betrag aus. Wie mir über die Medien mitgeteilt wurde, wäre das Orchester – sinngemäß – schlecht organisiert, wenn es von diesem Betrag abhängen würde. Ich nehme also an, daß dieser auch nicht mehr beantragt wird, womit dieses Kapitel erledigt wäre, die Hauptsache aber noch nicht.

Der letzte Punkt betrifft die Besteuerung der Schriftsteller. Frau Abgeordnete Stoisits hat sich erkundigt und offensichtlich bezweifelt, daß ich mein Wort halten würde. – Bitte ihr mitzuteilen, daß es nie so war und auch nie so sein wird, daß ich mein Wort nicht halte. Wir haben eine Lösung besprochen, die legistisch möglich und durchsetzbar ist. Für die Preise wurde eine zweite Lösung besprochen, die gar keine legistische Konsequenz braucht. Ich halte beide Bestimmungen, die für Stipendien und Preise gelten, für leistbar und umsetzbar. Wir werden das auch politisch so vorschlagen. Man darf allerdings nicht vergessen, daß es hier nicht um ein paar Sätze Verordnung oder Erlässe geht, sondern um vielfältige Realisierungsmöglichkeiten – ich sage das absichtlich jetzt so allgemein – von Preisen und Stipendien. Man muß dabei zwischen öffentlich finanzierten und privaten unterscheiden, wobei dies wiederum auch rechtlich in unser System hineinpassen muß, damit es zu keinen Umgehungen kommt – was aber jene Autoren, die sich damit beschäftigt haben, sehr genau wissen.

Noch ein Wort zum Bundestheaterbericht. Herr Kollege Morak hat darauf verwiesen, daß im Moment im Ausland ganz andere Schritte gesetzt werden, die mit Kunst ganz sicher nichts mehr zu tun haben. Ich behaupte sogar: auch häufig mit Wirtschaftlichkeit nichts mehr zu tun haben. Ich glaube, daß es den Bundestheatern – in deutlich wahrnehmbaren Schritten, ohne diese fatalen Konsequenzen – bei voller Aufrechterhaltung des künstlerischen Betriebes gelingt, derartige Reformen zu setzen, was begrüßens- und dankenswert ist.

Der Vergleich mit den Musicals ist einer, zu dem ich – leise und nicht hörbar, ich wiederhole das gerne – nur gesagt habe, daß wir das Bundesbudget und nicht das Budget der Gemeinde Wien hier debattieren und daß vieles von dem, das sich in der Musical-Welt abspielt, nicht nur – wie Sie gesagt haben – auf einen Repertoire-Betrieb nicht übertragbar ist, sondern auch der Entfaltung von Literatur nicht zuträglich wäre, abseits der praktischen Formen, in denen dort gearbeitet wird. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Onodi. – Sie haben das Wort. 20 Minuten Redezeit.

17.31

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Österreich – und darauf ist jeder wohl stolz – leistet sich den Ruf einer Kulturnation. Von


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diesem Ruf lebt nicht nur das Österreich-Image auf der ganzen Welt, sondern von diesem Ruf profitiert auch zunehmend der boomende Städtetourismus. Und einen nicht unwesentlichen Beitrag zu diesem Ruf leisten eben auch die Bundestheater.

Der hohe Mittelbedarf dieser Institution ist seit den siebziger Jahren ein kulturpolitischer Streitpunkt, der gerade jetzt wieder an Aktualität gewinnt. Der Schwerpunkt der Kulturausgaben des Bundes liegt bei den Bundestheatern. Immerhin sind zirka 40 Prozent der Kulturausgaben durch die Bundestheater gebunden. Der Betriebsabgang betrug 1994 1,7 Milliarden Schilling. Angesichts dieser Tatsachen ist es zwar leicht, in ein Lamentieren auszubrechen, aber es ist schlichtweg falsch.

Sehr geehrte Damen und Herren! Vielmehr müssen wir die Kosten differenzieren und bereits beschrittene Wege zu Einsparungen konsequent weitergehen. Der Weg, durch eine Betriebsprüfungsfirma die Organisation des Bundestheaterverbandes zu untersuchen und daraus Vorschläge für Einsparungen zu erarbeiten, erscheint sinnvoll und gangbar. Betreffend der Einsparungen ist – wie man dem Bericht entnehmen kann – auch schon einiges geschehen: Im Bereich der Buchhaltung wurden durch EDV-Einsatz Kosten gespart, bei den Dekorations- und Kostümwerkstätten erfolgten ebenfalls Einsparungen in Millionenhöhe. Das gesamte Sparvolumen beträgt bereits etwa 38 Millionen Schilling. In Zukunft wird eine detaillierte Betriebsabrechnung vorliegen, die die Beurteilung der gesamten, sparsamen Budgetierung erlaubt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es erscheint auch sinnvoll, neue Einnahmen zu erschließen. Ich meine dabei aber nicht so sehr die Einführung von Garderobegebühren, wodurch zusätzliche Einnahmen von 4 Millionen Schilling zu erwarten sind, sondern die Öffnung der Burg unter dem Motto "Die andere Burg". So wird an den Abenden außerhalb der Repertoirevorstellungen das Haus für Lesungen, Soloprogramme und ähnliche Veranstaltungen geöffnet. Erst am 29. dieses Monats fand die vielbeachtete Lesung von Salman Rushdie und Erika Pluhar aus "Des Mauren letzter Seufzer" statt.

Auch das muß ein vorrangiges Ziel einer seriösen Sparpolitik sein: Die Reduktion von Kosten darf zu keinem Qualitätsverlust führen und die künstlerische Leistung nicht beeinträchtigen. Gerade das Burgtheater hat sich im letzten Jahrzehnt einen ausgezeichneten internationalen Ruf erarbeitet. (Abg. Dkfm. Dr. Stummvoll: Hat es schon vorher gehabt!) Ein reiches Repertoire verbindet sich mit glänzenden Schauspielernamen. Es ist ein Haus, in dem mehr denn je, entgegen aller bösen Zungen, österreichische Dramatiker aufgeführt werden. Sinnvolles Sparen, gerade im Bereich der Kunst, darf nicht zum Verlust des Kreativen führen – im Gegenteil! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Riedler. – Bitte, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

17.34

Abgeordneter Dr. Wolfgang Riedler (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Minister! Wenn wir schon vom Sparen reden, dann scheint es mir heute ein besonders gutes Zeichen zu sein, daß wir uns eine Kulturkampfdebatte erspart haben, die wohl der Nation nicht genützt hätte und nicht nützen würde. Ich bin sehr dankbar und froh darüber, daß von allen Seiten sehr seriöse Debattenbeiträge gekommen sind, und glaube, daß das auch die Zukunft der österreichischen Kulturdebatte prägen sollte.

Dennoch erlaube ich mir, auf ein oder zwei Punkte einzugehen, die von meinen Vorrednern angeschnitten worden sind.

Erstens auf einen Hinweis des Kollegen Morak, der mir sehr interessant erschienen ist. Er hat darauf hingewiesen, daß dem Bundesminister und der Koalition Lob zusteht. Im Gegensatz zur Kollegin Partik-Pablé bin ich durchaus der Auffassung, daß dort, wo Lob angebracht ist, Lob auch gegeben werden soll. Das Kulturbudget – er hat ja nicht vom Bundestheaterbudget gesprochen, sondern vom Kulturbudget – ist in Zeiten der Budgeteinsparungsmaßnahmen


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gleich geblieben und erreicht mit 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes international nach wie vor einen einsamen Spitzenwert. – Dieser Hinweis ist völlig richtig.

Weiters hat er aber ausgeführt, daß 10 Prozent dieses Budgets, die in die zeitgenössische Kunst gingen, wiederum ein relativ niedriger Wert wären. Prozentrechnen ist eine etwas tückische Sache. Wenn man dem auf den Grund geht, kommt heraus, daß 10 Prozent für zeitgenössische Kunst, also 0,15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – nach den Angaben des Kollegen Morak, die ich in der Kürze nicht überprüfen konnte, aber ich gehe davon aus, daß sie stimmen –, doch ein respektabler Wert sind. Es ergibt dies nämlich eine Summe von insgesamt 3,5 Milliarden Schilling, und das ist auch eine – Kollege Morak wird mir da vermutlich recht geben – international durchaus ansehnliche Zahl.

Zeitgenössische Kunst findet an den Bundestheatern in einem – nach meiner Auffassung – ganz ordentlichen und gerechtfertigten Ausmaß statt, wofür auch weiterhin die Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Der vorliegende Bericht zeigt recht deutlich, daß die Anstrengungen – vor allem im Verwaltungsbereich, aber selbstverständlich auch im künstlerischen Bereich – unseren Respekt verdienen.

Meine Damen und Herren! Im Bericht wird angeführt, daß neue Strukturen gesucht und geschaffen werden – wie das im Laufe der Zeit auch in jeder Verwaltung passieren soll –, Arbeitsabläufe von externen Betriebsberaterfirmen verbessert und in diesem Zusammenhang die entsprechenden Beratungen durchgeführt werden. Eine theatergerechte Form der Kostenrechnung ist natürlich eine Sache, die auch international nicht so oft erprobt worden ist, nämlich in dieser theatergerechten und auf die spezifischen Anforderungen ausgerichteten Art und Weise. Ich glaube, daß sich andere deutschsprachige Theater daran noch ein Beispiel nehmen werden, wie auch am theatergerechten Controlling.

Die Umstellung auf die Vollkostenrechnung hat der Herr Minister bereits angesprochen. Daß sie im Laufe des Jahres 1996 stattfinden wird, ist eine Leistung, die wir in Zukunft noch zu bewerten haben werden, die aber ebenfalls Anerkennung verdient. Last but not least darf darauf hingewiesen werden, daß die Erneuerung der Bühnentechnik in vorbildhafter Art und Weise durchgeführt worden ist, nämlich in einem sehr kurzen Zeitraum, der es ermöglicht hat, den Spielbetrieb in geordneten Bahnen weiterzuführen.

Zum Schluß noch eine Anmerkung zu Frau Kollegin Partik-Pablé, die darauf hingewiesen hat, daß das Burgtheater eine Senkung bei den Auslastungszahlen verzeichnen mußte: Da hat sie recht. Selbstverständlich muß es das Anliegen einer Theaterorganisation sein, diese Auslastungszahlen möglichst hoch zu halten. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß das dem Burgtheater teilweise durchaus gelungen ist und daß zum Beispiel im Bereich "Casino" die Auslastungszahlen von 67,8 Prozent auf 85,5 Prozent gestiegen sind – Leistungen also, die auch unter Peymann zustande gekommen sind.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist ein guter Bericht, den wir hier zur Kenntnis zu nehmen haben und zur Kenntnis nehmen sollten, und ich hoffe, daß die Entwicklung in dieser Art und Weise weitergehen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Abgeordneter Dietachmayr gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort. 20 Minuten Redezeit.

17.39

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zum Bericht des Österreichischen Bundestheaterverbandes 1994/95 kann gleich zu Beginn positiv vermerkt werden, daß die anläßlich der parlamentarischen Beratungen des Vorjahres formulierte Kritik nun zu einer Neugestaltung des vorliegenden Berichtes geführt hat. Der Bericht ist übersichtlicher geworden, bekam eine geänderte Gliederung, und durch verschiedene Ergänzungen spiegelt dieser die Tätigkeit des Verbandes besser wider als noch im Vorjahr.


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Viele Veränderungen im organisatorischen und kaufmännischen Bereich sind darauf zurückzuführen, daß der Bundesminister und das Generalsekretariat des Bundestheaterverbandes eine Betriebsberaterfirma beauftragt haben, die die Organisation des Bundestheaterverbandes untersucht, um Vorschläge und Einsparungsmaßnahmen zu präsentieren.

Der Erfolg solcher Umsetzungsprojekte hängt aber – und das sei vielleicht etwas kritisch angemerkt – auch davon ab, inwieweit die unmittelbar Betroffenen schon bei der Erstellung der Potentialstudie mit eingebunden werden. Die Akzeptanz von solchen Umstrukturierungsprozessen hängt sehr stark davon ab, inwieweit eine vollständige Information in allen Stufen der Durchführung an die Betroffenen erfolgt ist. Mißtrauen und Skepsis der Betroffenen könnten damit minimiert werden, und der Erfolg könnte sowohl quantitativ als auch qualitativ besser ausfallen. Das nur grundsätzlich zu dieser Beratungsfirma.

Nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit konnten Einsparungen erzielt werden. Auf die sind meine Vorredner schon eingegangen. Ich möchte das nicht im Detail nochmals wiederholen. Aber zum Beitrag der Frau Kollegin Motter muß ich schon etwas sagen: Sie hat gemeint, Kollege Cap hätte diese Einsparungen hier als "Anpreisungen" gebracht. Frau Kollegin Motter! Das Parlament hat genau diese Einsparungen gefordert! Und wenn der Bundestheaterverband jetzt Erfolge hat, dann sollte man diese Erfolge auch preisgeben!

Der überwiegende Teil der Einsparungen ist nämlich auch in den Folgejahren wirksam, und das sollte hier auch erwähnt werden. Zusätzlich sollen aber weitere Rationalisierungspotentiale, die von der Betriebsberatungsfirma aufgezeigt wurden, umgesetzt werden.

Für das Jahr 1996 wurde eine Vollkostenrechnung angekündigt, wo noch genauer und eindeutiger als bisher die erbrachten Leistungen entsprechend zugeordnet werden können, nämlich an jene Stellen, für die die Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden, sodaß eine feingliedrige Betriebsabrechnung im nächsten Jahr vorgelegt werden kann.

Zur Auslastung, zur Besucherstatistik möchte ich nicht mehr viel sagen, darauf sind meine Vorredner bereits eingegangen. Aber eines muß schon noch gesagt werden: Es gibt wahrscheinlich im Burgtheater mehr Auslastungsprobleme, weil meiner Meinung nach das Schauspiel nicht die Attraktivität hat wie ein Musiktheater. Die Auslastung der Staatsoper ist mit 96,5 Prozent in den letzten Jahren konstant hoch geblieben. Man muß dieser hohen Auslastung gerade in der Staatsoper einen noch höheren Stellenwert einräumen, denn es werden ja dort nicht nur die sogenannten Highlights aufgeführt, wie "Aida", "Carmen" oder "La Bohème", wo die Auslastung immer knapp unter 100 Prozent liegt, sondern auch eher weniger bekannte oder weniger gespielte Werke, wie "Gesualdo" von Schnittke oder "Maria Stuarda" von Donizetti oder "I Puritani" von Bellini, die vielleicht die Besucher nicht so in Massen anziehen, wie das bei bekannteren Opern der Fall ist.

Eines möchte ich abschließend noch zum Kollegen Morak sagen, der heute in einer APA-Aussendung schon davon spricht, daß die Ausgliederung der Bundestheater einen positiven Abschluß gefunden hat. Herr Kollege Morak! Wenn der nicht informierte Leser das liest, dann glaubt er, das wäre schon erledigt. Wir sind natürlich bereit, über diese Fragen zu diskutieren, aber eines muß man schon sagen: Eine Zustimmung wird es von unserer Fraktion erst dann geben, wenn auch sichergestellt ist, daß eine neue Form besser ist als die bisherige.

Was den vom Kollegen Morak angesprochenen Musicaltheater-Vergleich betrifft, muß angemerkt werden – abgesehen davon, daß die Musicaltheater nicht zu den Bundestheatern gehören –, daß es sich, wenn Sie Deutschland hernehmen, natürlich um ganz andere Vergleichswerte handelt. Diese Theater sind mit unseren relativ kleinen Theatern, wo noch dazu zwischendurch andere Aufführungen, wie zum Beispiel im Theater an der Wien, gespielt werden, einfach nicht vergleichbar. Ich denke an Stuttgart oder Bochum oder an das neue Musicaltheater in Wiesbaden, in denen zwischen 1 000 und 3 000 Personen Platz finden. Also nach diesen Kriterien kann hier nicht verglichen werden. Und es ist daher bei diesen Maßstäben immer, so leid es uns tut, mit einem Defizit zu rechnen.


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Grundsätzlich glaube ich, daß dieser Bundestheaterbericht einen objektiven und sehr guten Einblick in die Tätigkeit des vergangenen Spieljahres bringt. Daher können wir diesen Bericht mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen. Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Wir stimmen ab.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Kulturausschusses, den vorliegenden Bericht III-18 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme dieses Berichtes ist, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Der Bericht ist mit Mehrheit angenommen worden.

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst (III-53 der Beilagen) über den Hochschulbericht 1996 (Band 1 und 2) (376 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG) geändert wird (377 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Antrag 279/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend fehlendes aktives und passives Wahlrecht in Kollegialorganen für externe LektorInnen nach UOG 93 (378 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen jetzt zu den Punkten 14 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. Es sind dies:

der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst über den Hochschulbericht 1996 (Band 1 und 2),

der Bericht und Antrag des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz geändert wird, und

der Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Antrag 279/A (E) der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend fehlendes aktives und passives Wahlrecht in Kollegialorganen für externe LektorInnen nach UOG 93.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

17.47

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Da ich mein Zeitbudget bei der Kunstdebatte über Gebühr in Anspruch genommen habe, möchte ich mich nun aus Gründen der Kollegialität ganz kurz fassen.


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Herr Bundesminister! Unsere Fraktion wird sicher nicht zur Verfügung stehen, einer Einführung von Studiengebühren hier das Wort zu reden. Wir wissen, Herr Bundesminister, daß Sie selbst hier eine ablehnende Haltung eingenommen haben, daß Sie selbst gegen Studiengebühren sind. Die Zeichen der Zeit innerhalb der Sozialdemokratischen Partei sind aber offenkundig andere. Wir wissen ja, daß es einen Wechsel in der Person des Wissenschaftssprechers gegeben hat, vom Abgeordneten Stippel zum Abgeordneten Niederwieser. Und wir wissen gleichfalls, daß der Abgeordnete Niederwieser ein feuriger Anhänger von Studiengebühren ist und diesbezüglich in einem Boot mit Herrn Lukesch, dem Wissenschaftssprecher der ÖVP, sitzt.

Wir warnen daher aus freiheitlicher Position davor, daß hier großkoalitionär die Einführung von Studiengebühren bereits beschlossen wird. Wir lehnen sie ab. Es würde den bereits jetzt zumindest in Teilen bestehenden Sozial-Numerus-Clausus noch verstärken, gerade am Beginn eines Studiums, wo ohnedies ein sehr hoher Kostenaufwand insgesamt anfällt. Das Leben der Studenten noch durch Studiengebühren zu erschweren, erscheint unbillig und auch nicht zweckmäßig, insbesondere, Herr Bundesminister, auch unter Bedachtnahme darauf, daß die Studenten zu den Hauptverlierern des Belastungspaketes zählen. Das ist der eine Gedanke.

Der andere Gedanke – nur ganz allgemein – betrifft die Modalitäten im Wissenschaftsausschuß. Ich glaube, es kann in Zukunft nicht angehen, daß die Anträge, die Entschließungsanträge, die die Opposition – ganz gleich, welche Oppositionspartei – einbringt, ständig torpediert werden, indem ganz einfach mit der bestehenden Zweidrittelmehrheit der Regierungsparteien Vertagungen beschlossen werden, um dem Minister die Möglichkeit zu geben, Versäumtes nachzuholen. So kann es, glaube ich, in Hinkunft nicht mehr gehen.

Wenn diese Praxis so aufrechterhalten wird, daß man kühl lächelnd mit Zweidrittelmehrheit Vertagungsbeschlüsse faßt, um die Anträge der Opposition zu torpedieren, dann wird wohl nichts anderes übrigbleiben, als in Hinkunft einen Fristsetzungsantrag nach dem anderen hier im Plenum zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Herr Abgeordneter! Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

17.50

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gehofft, beim Kollegen Krüger auf mehr Dinge eingehen zu können, weil Substantielleres vorgebracht würde. Ich hoffe, das kommt noch von den anderen. Das Feuer, das Sie bei meiner Argumentation sehen, ist nicht vorhanden. Ich habe eine klare Position bezogen, nämlich in der Richtung, daß ich gesagt habe, man muß über diese Dinge auch offen reden können. Man muß offen über Rechnungen und Berechnungen reden können. Es ist eine Erklärung, die Diskussion zu führen, aber es ist kein feuriges Bekenntnis zu Studiengebühren, das Sie von mir gehört haben.

Der aktuelle Anlaß der Debatte ist jedoch der Hochschulbericht einerseits, eine Novelle zum Universitäts-Organisationsgesetz aufgrund einer – würde ich einmal sagen – demokratiepolitisch brisanten Ansicht des Verfassungsgerichtshofes und die Öffnung der Universitäten nach außen. Es ist mir klar, daß die Zeit nicht ausreichend beziehungsweise der Zeitpunkt nicht gerade günstig ist, um hier sehr ausführlich über die neuen Vorstellungen zu reden.

Der Bericht kommt alle drei Jahre. Er ist ausgesprochen umfangreich. Er ist eine Fundgrube für jeden, der sich mit Hochschulpolitik beschäftigt. Er ist ein Vorbild für viele Länder, die das gerne in diesem Ausmaß hätten, wenn es um Fragen der Evaluierung von Hochschulpolitik geht. Er hat, wenn überhaupt, Herr Bundesminister, nur einen Fehler: Ich hätte nämlich gerne auch die Personen gewürdigt, die diesen umfangreichen Bericht erstellt haben. Es ist die Abteilung I/B/14. Ich würde es begrüßen, wenn es das nächste Mal gelänge, eine Art Ehrentafel für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums und darüber hinaus zu erstellen, die diesen umfangreichen Bericht erarbeitet haben und denen unser größter Dank für diesen Bericht gebührt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Was fällt inhaltlich – und das möchte ich nur sehr kursorisch streifen – an diesem Hochschulbericht auf? – Wir haben zunächst die Umsetzung des Universitäts-Organisationsgesetzes zu bewältigen. Hier sind wir mittendrin. Es sind im Bericht auch klar die Punkte genannt, wo wir für das Jahr 1997 bereits Anpassungen vorzusehen haben, und ich hoffe, daß das zügig über die Bühne gehen kann.

Ein Zweites, was in diesem Bericht auffällt, ist, daß es sehr unterschiedliche Kosten je StudentIn und je AbsolventIn gibt. Es gibt viele Gründe dafür, aber wenn wir pro Hörer beziehungsweise Hörerin an der Wirtschaftsuniversität 37 000 S im Jahr feststellen, und an anderen Universitäten sind es 80 000, 90 000 S – das geht bis hin zu 316 000 S –, je Absolvent liegen die Kosten zwischen 600 000 und 3,2 Millionen Schilling und je Lehrstuhl zwischen 3 und 30 Millionen, dann glaube ich, ohne das hier jetzt im Detail erläutern zu können, daß einige Fragen offen sind, denen wir gerade in Zeiten knapperer Ressourcen nachzugehen haben.

Wenn ich bei den Zahlen bin, dann möchte ich auch sagen, daß es in diesem Bericht hinsichtlich der Drittmittel, die von den Universitäten, von den Instituten lukriert werden, doch bemerkenswerte, teilweise, würde ich fast sagen, kuriose Zahlen zu betrachten gibt, und zwar in der Richtung, daß bei den Drittmitteleinnahmen die gegenübergestellten Ausgaben manchmal höher sind als die Einnahmen. Das heißt, es werden zwar Drittmittel eingenommen, aber letztlich saugt das, was dafür aufzuwenden ist, die Drittmittel großteils wieder auf. Es ist mir klar, daß das auch im Detail anzuschauen ist, aber ich würde mir doch vorstellen, daß es eine Zielsetzung sein müßte, rund 5 Prozent des Budgets über Drittmittel hereinzubekommen.

Ein weiterer Punkt ist der Akademisierungsgrad der Wirtschaft. Das gibt eigentlich Anlaß zu größerer Sorge, weil das hochschulpolitisch nur schwer zu steuern ist. Wir haben nur ganz wenige Branchen der Wirtschaft, die tatsächlich ihren Anteil an Hochschulabsolventen gesteigert haben. Wir haben einige Branchen, die sogar weniger Akademiker beschäftigen, als das noch in den siebziger Jahren der Fall gewesen ist, und wir hatten den Großteil der Steigerungen in den Bereichen Rechts- und Wirtschaftsdienste, klarerweise bei Gesundheit, bei Unterricht und Forschung. Wir haben schon die Vorstellung, daß die von den Universitäten zur Verfügung gestellten und ausgezeichnet ausgebildeten Absolventen dann auch in den Betrieben in höherem Ausmaß eine entsprechende Beschäftigung finden. Denn ein Zeichen der Qualität unserer Wirtschaft wird es sein, in welchem Ausmaß Akademiker von ihr angenommen werden.

Punkt zwei ist die Novelle zum Universitäts-Organisationsgesetz. Und zwar betrifft das jene Bestimmungen über die Zusammensetzung der Habilitationskommissionen, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat.

Wir haben heute das UOG 75 zu novellieren, und es ist uns klar, daß diese Frage auch für das UOG 93 nicht ohne jede Bedeutung sein kann. Die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß nur jene mit entscheiden und beurteilen können, ob jemand das Habilitationsverfahren positiv abschließt, die selbst die Venia docendi haben, haben wir nie geteilt, und wir können sie auch in Zukunft nicht aus Überzeugung teilen, weil es hier nicht darum geht, selbst diese Gutachten zu erstellen, sondern es geht darum, über vorhandene Gutachten, die eingebracht werden in die Habilitationskommission, durch die Mitglieder entscheiden zu lassen.

Wir haben hier offen gesagt eine andere Auffassung als der Verfassungsgerichtshof. Ich halte es demokratiepolitisch sogar für bedenklich, was hier geschieht, weil man dann in anderen Gremien ebenfalls die Frage stellen könnte: Kann denn ein Gemeinderat entscheiden, wenn es um Baugutachten geht? Muß er selber Baumeister sein? – Nur als Beispiel.

Wir müssen dem trotzdem Rechnung tragen, weil der Auftrag des Verfassungsgerichtshofes klar ist. Wir werden dem auch Rechnung tragen, und wir tragen ihm in dem Ausmaß Rechnung, wie es der Verfassungsgerichtshof vorschreibt, nämlich in der Form, daß die Habilitierten bei diesen Entscheidungen nicht überstimmt werden können.

Ein zweiter Punkt in der UOG-Novelle, der sich in wenigen Zeilen verbirgt, ist die Öffnung, die Möglichkeit österreichischer Universitäten, in anderen Ländern tätig zu werden. Ausgegangen ist das Ganze von dem Wunsch nach einer Kooperation zwischen Bozen und Innsbruck. Aber das


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ist darüber hinaus für alle Universitäten von Bedeutung. Das kann genausogut für Linz, für Klagenfurt oder für Wien wichtig sein.

Sie haben gemeint, wir würden hier nicht auf Ihre Einwände Rücksicht nehmen. Wir glauben – weil auch der Vorschlag von seiten der Freiheitlichen kam, das zu ändern –, daß jene Formulierung, wie wir sie vorgesehen haben, den Intentionen am besten Rechnung trägt. Die Universitäten können in Zukunft unter Rücksichtnahme auf die Kosten auch frei in anderen Bereichen tätig werden, Angebote in anderen Ländern annehmen.

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Gedanken zu den künftigen Schwerpunkten anführen: Die UOG-Umsetzung habe ich erwähnt. Bei der Reform des Studienrechtes müssen wir auch stärker darauf Rücksicht nehmen, daß es einen beträchtlichen Teil – bis zu 40 Prozent laut Bericht – der Studierenden gibt, der nebenbei berufstätig oder sogar hauptsächlich berufstätig ist. Es geht um einen massiven, notwendigen Ausbau des Fachhochschulsektors. Es geht darum, mehr Frauen in die universitären Schaltstellen zu bekommen – dazu wird Kollegin Ablinger noch mehr sagen. Und es geht darum, auch in Zeiten knapperer Ressourcen die inhaltlichen Freiräume der Universitäten zu erhalten.

Gerade in Zeiten knapperer Mittel sind gute Entscheidungsgrundlagen besonders wichtig, damit man richtige Entscheidungen treffen kann. Dieser Bericht liefert solche Grundlagen in sehr hohem Ausmaß. Es wird unsere Aufgabe sein, die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen. Wir werden diesem Bericht, dessen hohe Qualität auch von allen Fraktionen im Ausschuß anerkannt wurde, gerne unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Maximale Redezeit: 17 Minuten.

18.01

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen kurz zum Ablauf der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses Stellung nehmen. Angesichts der krankheitsbedingten Abwesenheit des Herrn Ministers waren sich alle Oppositionsparteien darüber einig, daß eine derart wichtige Materie wie der Hochschulbericht sinnvollerweise nur in Anwesenheit des Herrn Ministers diskutiert und debattiert werden sollte. Gerade nach einer Phase vielfacher Unruhen an den österreichischen Universitäten, nach dem Sparpaket und vor der parlamentarischen Beratung so wichtiger Gesetzesvorhaben wie dem Universitätsstudiengesetz wäre die Möglichkeit einer ausführlichen Besprechung mit dem Ressortverantwortlichen sehr wichtig gewesen. Daher haben alle Oppositionsparteien für eine Vertagung der Tagesordnungspunkte 1: Hochschulbericht und 2: Aktuelle Aussprache plädiert. Die Tatsache, daß dies von den Regierungsparteien ignoriert wurde und die Besprechung des Hochschulberichtes trotz Abwesenheit des Herrn Ministers erfolgte, ist nur ein weiterer Beweis für den selbstherrlichen Umgang der Regierungsparteien mit dem parlamentarischen Verfahren. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Es bestand meiner Meinung nach auch keine unbedingte Notwendigkeit für die Beratung dieses Berichtes ohne den Herrn Minister. Wenn der § 27-Antrag zum Universitäts-Organisationsgesetz nicht beschlossen worden wäre, der nur eine kurzzeitige Überschreitung der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Fristen bedeutet, hätte dies sicherlich keine schwerwiegenderen Folgen als vielleicht eine Verschiebung einiger anstehender Habilitationsverfahren gehabt. Es sollte dabei auch nicht vergessen werden, daß der Grund für die Dringlichkeit dieses § 27-Antrages allein in der Säumigkeit des Wissenschaftsministers lag.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber den einzigen positiven Aspekt der Vorbehandlung des Hochschulberichtes auch nicht verschweigen. Dieser lag in der Tatsache, daß der Herr Minister von Herrn Sektionschef Dr. Höllinger vertreten wurde, und ich möchte mich hier deutlich für die sachkundige und ausführliche Beantwortung der im Ausschuß gestellten Fragen durch Herrn Dr. Höllinger bedanken! (Beifall beim Liberalen Forum.)


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Vielleicht erschien die Beantwortung auch deshalb so kompetent, weil sie sich angenehm von der oftmals sehr pauschalen Beantwortung von Ausschußfragen durch Herrn Minister Scholten unterschied. Ich darf daran erinnern, daß es mir schon oft passiert ist, daß ich vom Herrn Minister überhaupt keine Antworten auf meine Fragen bekam.

Nun zum Hochschulbericht. Meine Damen und Herren! Die Bewertung des Hochschulberichtes fällt nicht leicht, weil dabei zwei Dinge auseinanderzuhalten sind. Einerseits bietet der Bericht einen wirklich umfassenden und sehr gut strukturierten Einblick in den zahlen-, daten- und faktenmäßigen Status quo im Hochschulbereich. Wenn man den ausführlichen statistischen Teil einer genaueren Betrachtung unterzieht, gewinnt man einen teilweise überraschenden Einblick in den tatsächlichen Zustand unserer Universitäten. Nehmen wir als Beispiel nur die Auflistung des Planstellenstandes der einzelnen Fakultäten für 1996 her. Die medizinische Fakultät Wien weist einerseits inklusive der ordentlichen und außerordentlichen Professoren sowie der Assistenten und wissenschaftlichen Beamten 1 766 Planstellen aus. Andererseits betrug an derselben Fakultät im Studienjahr 1995/1996 die Zahl der Hörer und Hörerinnen 10 957. Das bedeutet, daß an der medizinischen Fakultät tatsächlich auf sechs Studierende eine Planstelle kommt – vor allem für Universitätsassistenten. An der medizinischen Fakultät Innsbruck beträgt das Verhältnis gar 5 : 1.

Nun ist mir schon bekannt – meine Kollegin, Frau Dr. Gredler, schaut mich schon ein bisserl vorwurfsvoll an –, daß in dieser Zahl auch das Personal der Universitätskliniken erfaßt ist, mit dem die medizinische Versorgung abgedeckt wird. Dennoch entspricht ein Verhältnis von 6 : 1 zwischen Studierenden und Universitätslehrern sicherlich nicht jener dramatischen Situation, wie sie im Zusammenhang mit dem Sparpaket von der medizinischen Fakultät Wien beschrieben wurde.

In statistischer Hinsicht bietet der Hochschulbericht also eine ausführliche Analyse. Er gibt darüber hinaus auch Auskunft über Ereignisse und Verhaltensergebnisse der letzten Jahre. So beinhaltet er zum Beispiel auch den Stand der Umsetzung des UOG oder auch die Entwicklung des Fachhochschulsektors.

Der Grund, warum wir diesem Bericht insgesamt nicht unsere Zustimmung geben, ist der, daß der Bericht in kaum einem Bereich über die Darstellung des derzeitigen Zustandes hinausgeht. Weder findet sich eine ehrliche Diskussion der Problemzonen des Hochschulbereiches, noch werden zukünftige Entwicklungen, politische Vorhaben und Visionen im positiven Sinn des Wortes angesprochen oder ausgeführt.

Ich habe diese Kritik bereits im Ausschuß erhoben, worauf mir Dr. Höllinger entgegnete, es gebe doch einige Kapitel, in denen über zukünftige Vorhaben berichtet werde. Als Beispiel nannte er in diesem Zusammenhang den Fachhochschulbereich.

Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, daß dies tatsächlich ein gutes Beispiel ist – allerdings ein Beispiel, das aufzeigt, welche Defizite in diesem Bericht bezüglich der Darstellung von Entwicklungen und politischen Vorhaben bestehen. Die Darstellung des Kapitels 3.5 "Entwicklung des Sektors bis zum Jahr 2000" umfaßt genau eine dreiviertel Seite.

Meine Damen und Herren! Lesen Sie diese fünf Absätze über die Weiterentwicklung des Fachhochschulbereiches. Sie finden dort Leerformeln, unverbindliche Aussagen und Andeutungen, aber keine ehrliche Diskussion der Problembereiche, wie etwa des Problembereichs zwischen Universitäten und den neu gegründeten Fachhochschul-Studiengängen, nichts zur Frage der Umschichtung von finanziellen Mitteln vom Universitäts- zum Fachhochschulbereich sowie keinerlei konkrete Aussagen darüber, bis wann das Spektrum der Fachhochschulstudien um die Bereiche Soziales und Gesundheit erweitert wird.

Vollends deutlich wird die inhaltliche Dürftigkeit dieses Kapitels, wenn wir es mit dem vor einem halben Jahr vorgelegten Bericht des Fachhochschulrates vergleichen. Meine Damen und Herren! Lesen Sie dort die Empfehlung des Fachhochschulrates und insbesondere die Beilage 21: "Vorschläge zur Weiterentwicklung des Fachhochschulentwicklungsplanes". – Keine einzige der dort angesprochenen Problemzonen, keiner der Vorschläge wird im Kapitel des


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Hochschulberichtes über den Fachhochschulbereich auch nur halbwegs zufriedenstellend aufgegriffen, diskutiert oder gar beantwortet!

Meine Damen und Herren! Der Hochschulbericht umfaßt natürlich viel mehr als den Bereich der Fachhochschulen. Ich wollte an diesem Beispiel nur aufzeigen, warum wir dem Bericht insgesamt nicht unsere Zustimmung geben können. Und ich möchte es noch einmal wiederholen: In diesem Bericht findet sich allzu deutlich eine wohl insgesamt für den derzeitigen Zustand der Politik der großen Koalition charakteristische Eigenheit, nämlich die Unfähigkeit zur politischen Planung, aber auch das Unvermögen, darzustellen oder zu diskutieren, wohin die politische Reise gehen soll, welche Reformen, Veränderungen und Ziele angestrebt werden. Stattdessen zieht man sich überall dort, wo auch nur der leiseste Verdacht besteht, daß irgendwelche sogenannten wohlerworbenen Rechte von irgendwelchen Interessengruppen angetastet werden könnten, auf eine Position politischer Unverbindlichkeit zurück, die kaum noch Ansatzpunkte für eine sachliche Diskussion bietet. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein paar kurze Bemerkungen zu den anderen in Verhandlung stehenden Gegenständen machen. Wir werden der Novelle zum UOG 1975 unsere Zustimmung geben, um dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofes Genüge zu tun. Ich möchte jedoch deutlich sagen, daß ich diese Entscheidung weder für sinnvoll noch für glücklich halte.

Ich hoffe, daß der Vorschlag von Herrn Professor Lukesch, den Studierenden zumindest im Bereich der Beurteilung der didaktischen Qualifikation von Habilitationswerbern eine stärkere Stellung einzuräumen, ehebaldigst umgesetzt wird. Wir werden auch dem Antrag der Grünen unsere Zustimmung geben, da wir es in der derzeitigen Situation, wo an manchen Instituten 50 Prozent der Lehre von externen Lektoren und Lektorinnen getragen wird, für sehr wichtig halten, diesen Personen die Mitwirkung in den universitären Gremien zu ermöglichen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

18.11

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir diskutieren heute einen sehr guten Hochschulbericht, und zwar in einer rezenten und dringenden Situation. Ich bin froh, daß wir den Verlockungen der Oppositionsparteien widerstanden haben, die Besprechung dieses Berichts zu verschieben, denn ich glaube, die Probleme der Universitäten verdienen keinen Aufschub. Wir müssen sie jetzt behandeln! (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Wort zu Herrn Kollegen Krüger. Herr Kollege Krüger hat den Kollegen Niederwieser als einen feurigen Verfechter der Studiengebühren bezeichnet und auch mich in diese Diskussion gebracht. Er hat dann gesagt: Wir Freiheitlichen sind dagegen. – Ich weiß allerdings nicht, wie lange Ihr Wort hält, Herr Kollege Krüger. Ich habe hier eine Meldung in den "Salzburger Nachrichten" vom – das ist gar nicht so lange her – 27. April 1996: Jetzt neu: Auch Freiheitliche überlegen Studiengebühren. (Ah- und Oh-Rufe bei der ÖVP.) – Und weiter heißt es: Eine interessante Wendung in der Haltung der Freiheitlichen zu den Studiengebühren. Während noch am Donnerstag erneut ein kategorisches Nein ausgesandt wurde, überraschte der Dritte Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder am Freitag mit der Mitteilung, er könne sich Studiengebühren zumindest für Langzeitstudenten durchaus vorstellen. – Meine Herren! Sie müssen sich also entscheiden, ob Sie über neue Wege der Hochschulfinanzierung mitdiskutieren oder ob Sie sich der Diskussion verweigern wollen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kiss: Was gilt jetzt?)

Aber wir wissen schon: Einmal stehen Sie da, dann wieder dort, dann wieder an einer anderen Stelle, und meistens sind Sie überhaupt von der Diskussion ausgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Der Hochschulbericht zeigt eines ganz klar auf: Der Universitätsbereich gleicht ein wenig einer Baustelle. Da gibt es neue Gebäudeteile, wie etwa das Universi


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täts-Organisationsgesetz 1993, die zum Teil schon bezogen sind. Natürlich muß man sich an die neue Umgebung erst gewöhnen. Mit der Autonomie fertig zu werden ist nach jahrzehntelanger Bevormundung durch das Ministerium – oder auch jahrzehntelangem Schutz – eine entsprechende Herausforderung.

Dann gibt es Teile, die mitten im Umbau sind, zum Beispiel das Universitätenstudienrecht, bei dem, wie bei jedem großen Bauvorhaben, die Betroffenen natürlich noch massiv mitdiskutieren. Manchmal habe ich den Eindruck, daß der Architekt zumindest beim ersten Entwurf noch nicht genau wußte, wohin er eigentlich wollte.

Und dann gibt es in diesem Universitätsbereich auch noch alte Teile, die ganz dringend einer Reform bedürfen – Stichwort Dienstrecht –, wo Bauherr und Handwerker erst mühsam versuchen, eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden, obwohl gerade dort die Probleme sehr drängend sind.

Mein Schluß daraus: Wir müssen das Reformtempo steigern und gemeinsam mit den Betroffenen den Turbo einschalten, damit wir endlich zum Ziel kommen! (Beifall bei der ÖVP.)

Mir gibt der Hochschulbericht, für dessen Verfassung ich den Verantwortlichen herzlich danke, Gelegenheit, entsprechende Schlüsse zu ziehen und neue Handlungsaufträge herauszulesen. Da berichtet der Hochschulbericht zunächst einmal über die Umsetzung des UOG 1993 nach dem Prinzip der Autonomie, der Selbstverantwortung und ähnlicher sehr wichtiger Merkmale.

Herr Bundesminister! Angesichts der Diskussionen im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes und der Bewältigung des Konsolidierungsbedarfs liegt ein für mich ganz wichtiger Schluß in der Tatsache, daß die Universitäten bereit sind, mit den Steuermitteln, die man ihnen anvertraut, effizienter und sparsamer umzugehen. Aber sie wissen besser als das Ministerium, in welchen Bereichen die Effizienz wirklich gesteigert werden kann, wo eingespart werden kann, wo der Ressourceneinsatz verbessert werden kann.

Die ÖVP hat schon bei der Beschlußfassung und Beratung des UOG 1993 darauf gedrängt, den Universitäten die volle Finanzautonomie, die volle Virementfähigkeit bei Personal- und Sachausgaben zu geben. Heute kommt noch eine Erfahrung hinzu: Wenn die Universitäten imstande sein sollen, für ihren eigenen Bereich mittel- und langfristige Entwicklungspläne aufzustellen, dann brauchen wir auch Zusagen über mehrjährige Budgetdotierungen dieser Universitäten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Gredler. )

Zweitens: Herr Bundesminister! Mich beunruhigt die Feststellung im Hochschulbericht, daß etwa 50 Prozent der Studienanfänger Orientierungsprobleme bei ihrer Studienwahl sowie bezüglich ihrer eigenen Fähigkeiten und beruflichen Absichten haben. Und diese Orientierungsprobleme münden natürlich in Studienzeitverzögerungen, in zu häufigem Studienwechsel und schließlich auch im erfolglosen Abgang von der Universität. Ich meine, wir könnten gerade dieser Gruppe von Studierenden durch eine beratende und daher letztlich auch sich selbst überprüfende Studieneingangsphase am besten helfen. Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie, diesen Weg mitzugehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens: Der Hochschulbericht enthält auch ein Kapitel über internationale Mobilität. Hinsichtlich der EU-Programme ist die Beteiligung österreichischer Studierender an den Mobilitätsprogrammen zwar durchaus erfreulich, wir müssen aber noch viel, viel besser werden. Kollege Niederwieser und ich haben daher einen Antrag eingebracht, der mit einer Verfassungsbestimmung sicherstellt, daß unsere Universitäten auch im Ausland tätig werden können. Das bedeutet erstens, daß die österreichischen Universitäten in Zukunft – so wie das für jede amerikanische Universität selbstverständlich ist – ein eigenes Auslandsprogramm für ihre Studenten entwickeln können, und zweitens bedeutet es – und das ist mir ein besonderes Anliegen –, daß die Kooperation mit Südtirol von Innsbruck aus verstärkt werden kann und auf einer klaren legistischen Basis steht. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Freiheitlichen haben die Bedeutung dieser Verfassungsbestimmung nicht erkannt. Sie haben durch Flucht in semantische Beckmesserei versucht, noch eine Nachdenkpause zu gewin


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nen, aber letztlich haben sie – zumindest im Ausschuß – die Haltung einer Totalopposition eingenommen, und zwar auch auf dem Rücken der Südtiroler. – Das soll hier einmal ganz klar gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Antrag – es wurde schon von Frau Kollegin Motter erwähnt – folgen wir dem Verfassungsgerichtshofurteil bezüglich der Mitwirkung der Studierenden bei der Beurteilung der wissenschaftlichen Qualifikation im Rahmen des Habilitationsverfahrens. Frau Kollegin! Ich bin wirklich entschlossen, im UOG 1993 diese durchaus begrüßte und positive Mitarbeit der Studierenden in den akademischen Kollegialorganen sach- und fachgerecht zu verstärken. Ich schlage daher vor, den Studierenden dort, wo sie besonders kompetent sind, nämlich bei der didaktischen Beurteilung eines Habilitationswerbers, ein entsprechend verstärktes Votum einzuräumen.

Ich komme zum Schluß. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wir müssen die "Baustelle Hochschulsektor" so schnell wie möglich zu einem Neubau werden lassen. Ein Neubau kostet immer auch Geld. In diesem Sinne begrüße ich es zwar, daß der Budgetanteil für die Wissenschaft und die Universitäten von 3,4 Prozent im Jahr 1990 auf 4 Prozent im nächsten Jahr ansteigen wird, es wird aber noch ein weiterer Finanzbedarf gegeben sein. Es sollte daher auch von Ihrer Seite, nicht zuletzt angesichts der vormittägigen Diskussion über den Verteilungsbericht, Diskussionsbereitschaft betreffend neue Wege der Universitäts- und Studienfinanzierung gezeigt werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte. Redezeit: 20 Minuten.

18.20

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Argumentation meines Vorredners, der Hochschulbericht sei zu dringlich, um ihn in Anwesenheit des Herrn Bundesministers nach dessen Genesung zu diskutieren, weil die Probleme an den Universitäten so dringlich seien, kann ich ja wirklich nur als Scherz empfinden.

Herr Abgeordneter Lukesch! Wenn ein Bericht in der Lage wäre, Probleme zu lösen, dann hätten wir in diesem Land, glaube ich, kaum irgendein Problem, denn Berichte haben wir sehr, sehr gute, sehr solide und akribisch zusammengestellte. Woran es fehlt, sind der politische Mut und die Bereitschaft, Lösungen anzugehen. Das wird mit Berichten leider nicht erreicht. (Beifall bei den Grünen.)

Gerade im konkreten Fall wäre es wichtig gewesen, den Bericht gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister zu diskutieren, weil im Bericht tatsächlich Probleme aufgeworfen werden, die gelöst werden müssen, wobei allerdings die politischen Ansätze, die jetzt in Realisierung stehen, dem unserer Einschätzung nach genau widersprechen.

Der Bericht weist einen gegenüber dem letzten Bericht dramatisch verkürzten Prognosehorizont auf. Ich frage: Warum wohl? Warum hat man eine Prognose, die im Hochschulbericht 1993 bis ins Jahr 2009 reichte, jetzt nur bis zum Jahr 2000 angesetzt? Aber selbst bei diesem kurzen Prognosehorizont ergibt sich eine Steigerung der Zahl der Studierenden um etwa 20 Prozent. – Die Antwort dieser Bundesregierung darauf: eine Kürzung der Lehraufträge um 10 Prozent.

Daß das keine Problemlösung ist, Herr Abgeordneter Lukesch, diesen Widerspruch, denke ich, werden auch Sie, der Sie ja das universitäre Geschehen und teilweise auch die Belastung der Studierenden und der Lehrenden und die Notwendigkeit, sich besser den Studierenden widmen zu können, das heißt individuellere Lehrveranstaltungen zu haben, kennen, wohl erkennen. (Abg. Dr. Lukesch: Frau Kollegin! Wir haben das anders gelöst bei uns! Da haben die Professoren auch einmal Übungen, die früher über Lehraufträge vergeben wurden, übernommen!) Es gibt sicher löbliche Ansätze in einzelnen Fällen. Insgesamt ist hier ein Problembereich angesprochen. Es sind nicht nur Professoren, ich kenne viele Leute, die teilweise unentgeltlich, ehrenamtlich oder sonstwie unterrichten. Es gibt Leute, die in ihrer Freizeit Studierende, die


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besondere Förderungen brauchen, in irgendeiner Weise in eine Art Tutorien einbeziehen. Eine Lösung einer staatlichen Bildungspolitik ist das nicht. Das wollen wir einmal festhalten.

Zum anderen: Es kann natürlich auch sein, daß man die Prognose nicht weiter vorziehen will, weil man damit rechnet, daß sie nicht zutreffend sein wird, weil man sich immer deutlicher, immer offener mit Fragen der Einschränkung der Studierenden befaßt. Das finde ich schon sehr bedauerlich. Ich habe Herrn Sektionschef Höllinger im Ausschuß direkt und persönlich darauf angesprochen, ob es auf der Ebene der Beamten und Beamtinnen des Ressorts Überlegungen in Richtung Studiengebühren gibt. Er hat das zweimal sehr vehement von sich gewiesen. Er hat gesagt, nein, diese gebe es nicht. Ich mußte dann am Tag nach dem Ausschuß den Medien entnehmen, daß Herr Sektionschef Höllinger sehr wohl an derartigen Studien sogar selbst mit beteiligt ist.

Das möchte ich eigentlich nicht auf sich beruhen lassen, weil ich es nicht für legitim halte, daß derartige Überlegungen angestellt werden. Ich halte sie für grundfalsch und aus vielen Gründen für einen sehr schlechten Ansatz, vor allem solange wir nicht insgesamt einmal diskutiert haben, was öffentliche Aufgaben und staatliche Investitionen sind. Daß hier einfach ein historischer Katalog von großteils repressiven Staatsaufgaben übernommen und zu 100 Prozent aus öffentlichen Steuereinnahmen gezahlt wird, während im Schulbereich, im Sozialbereich, im Hochschulbereich immer mehr ein nebuloses Prinzip der Eigenverantwortlichkeit und der Kostenüberwälzung postuliert wird, das kann und will ich nicht einsehen. Das ist verfehlt. (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt, was hier wirklich läuft und warum man nicht offen und ehrlich sagt, das wird diskutiert, und dann Argumente pro und kontra offenlegt, das verstehe ich nicht. Hier wird offenbar unter der Tuchent irgend etwas vorbereitet und dann tunlichst handstreichartig umgesetzt. Wenn Sie glauben, daß das die Vertrauenswürdigkeit der Bürokratie und insgesamt der Regierungspolitik erhöht, dann wird Ihnen da von der Bevölkerung und insbesondere vom Bereich der Universitäten her eine sehr eindeutige Antwort gegeben werden.

Zwei spezielle Fragen möchte ich noch ansprechen; sie sind auch in diesem Ausschuß abgehandelt worden, der ansonsten die Anträge der Opposition, auch wichtige Anträge, einfach schubladiert und vertagt hat, dies grundlos, obwohl die Materien absolut entscheidungsreif sind, wie etwa der Bereich der zahnärztlichen Ausbildung. Aber zwei Problemkreise sind entschieden worden, und auch da gibt es falsche Weichenstellungen, etwa zum einen die Demolierung der studentischen Mitwirkung im Habilitationsverfahren. Ich selbst habe an etlichen Habilitationsverfahren als Studentin teilgenommen. Ich weiß daher, wie qualifiziert die Mitwirkung der Studierenden in diesem Bereich war und ist, und ich kann nicht verstehen, warum Sie, insbesondere Sie als Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion, die Sie dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes im Ausschuß beklagt haben, das hier so kritiklos zur Kenntnis nehmen: Es ist eine politische Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gewesen. Ich kann sagen: No na, wenn hier ein Gremium, bestehend aus 13 Männern, Professoren, in eigener Sache auch mit entscheidet.

Dieses politische Erkenntnis hätte eine politische Antwort verlangt. Ich verstehe wirklich nicht, warum sich die Abgeordneten der Regierungsparteien bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit dazu bereit gefunden haben oder dazu veranlaßt wurden, Verfassungsbestimmungen zu beschließen, etwa wenn es um die Taxikonzessionen oder um einzelne, sogar rückwirkende Bestimmungen des Sparpaketes gegangen ist, warum man aber im Interesse der Wahrung der studentischen Mitwirkung in allen Bereichen des universitären Geschehens diesen politischen Mut anscheinend nicht aufzubringen bereit ist. Offenbar hat das auch für die sozialdemokratische Fraktion keine Priorität. Ich finde das falsch, und ich bedauere das. (Beifall bei den Grünen.)

Ein letzter Punkt, der mir auch großen Anlaß zur Sorge gibt: das abgelehnte aktive und passive Wahlrecht für externe Lektorinnen und Lektoren. Nach dem UOG 1975 hatten sie es, jetzt wird es ihnen genommen. Ich frage: Warum? Die externen Lektorinnen und Lektoren sind schon durch die Auswirkungen des Belastungspaketes überproportional betroffen. Jetzt wird ihnen


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auch noch die Befugnis zur Mitentscheidung, zur Mitbestimmung weggenommen. Die Ausführungen, die im Ausschuß von ÖVP-Abgeordneten dazu kamen, kann ich wirklich nur als blanken Zynismus empfinden. Sie gehen etwa so in die Richtung: Ja, wir wissen, die sind ökonomisch schlecht gestellt, in einer sehr unsicheren Position, es betrifft sehr viele Frauen, und – so quasi – das bissel Mitbestimmung kann da an der Schlechterstellung auch nicht mehr viel ändern. Wer schon ökonomisch tief in der Tinte steckt, braucht auch nicht mehr mitzureden. (Abg. Dr. Lukesch: Lesen Sie den zweiten Teil meiner Ausführungen! Sie sind unehrlich!)

Hier wird ein Mehrklassensystem im Mittelbau der Universitäten eingerichtet. Hier geht es einmal mehr in Richtung Verstärkung von Hierarchien anstatt eines partnerschaftlichen Systems an der Universität. Das ist falsch. (Beifall bei den Grünen.)

Ich sage auch an Ihre Adresse, Herr Abgeordneter Lukesch, der Sie sich hier so heftig in Zwischenrufen üben: Ich finde das ganz besonders beschämend. Sie haben damals im Ausschuß – ich habe mir das genau vermerkt – ein Hohelied auf die Internationalisierung unserer Jugend gesungen. Sie haben betont, wie wichtig es sei, internationale Kontakte zu pflegen und unsere Jugend auf die Anforderungen stärkerer internationaler Kontakte vorzubereiten.

Die Entsprechung im Bereich der österreichischen Hochschulen schaut so aus, daß wir – und das ist wirklich schon fast einzigartig – den ausländischen Studierenden kein passives Wahlrecht einräumen, weil Sie eine nackte und schlichte Angst davor haben, daß das auf andere gesetzliche Interessenvertretungen, insbesondere auf die Handelskammern, übergreifen könnte und daß Ihnen dort die zahlreichen ausländischen Unternehmer und Unternehmerinnen in Österreich bei den nächsten Wahlen die Rechnung für Ihre Politik in diesem Bereich präsentieren würden. (Abg. Tichy-Schreder: Frau Kollegin Petrovic! Sie haben jetzt bereits das Recht, zu wählen!)

Frau Abgeordnete Tichy-Schreder! Wenn Sie unserem Antrag auf Einräumung des passiven Wahlrechts im Universitätsbereich zustimmen werden, dann brauchen Sie sich auch nicht mehr dieser Kritik auszusetzen.(Abg. Tichy-Schreder: Wenn Sie nicht zuhören, tut es mir leid!) Solange aber beide Regierungsparteien aus unterschiedlichen Motiven diesen skandalösen Zustand in Österreich aufrechterhalten, brauchen sie nicht in Ausschüssen und bei sonstigen Gelegenheiten, bei irgendwelchen feierlichen Reden, von der Internationalisierung der Hochschulen und von der notwendigen internationalen Orientierung unserer Jugend zu reden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Scholten. – Bitte, Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

18.31

Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Satz zur Kollegin Tichy-Schreder: Diese haben das aktive, aber nicht das passive Wahlrecht, und darum ging es ja. (Abg. Tichy-Schreder: Ja, ich weiß! Auch das passive bei uns!) Offensichtlich nicht in der Form, wie es an den Universitäten hätte eingerichtet werden sollen. (Abg. Tichy-Schreder: Ich rede von der Wirtschaftskammer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einige Punkte klarstellen zu dem Bericht, ohne jetzt allzusehr ins Grundsätzliche zu kommen und diesen Anlaß mißbrauchen zu wollen. Ich war bei der Ausschußberatung leider nicht dabei – es tut mir leid, ich habe Grippe gehabt, das kann passieren –, aber ich habe sehr darum gebeten, daß man diesen Tagesordnungspunkt nicht von der Tagesordnung absetzt – ich bin der letzte, der meine eigene Beteiligung an dieser Debatte unterschätzt –, weil es ein völlig falsches Zeichen gewesen wäre, wenn wir dadurch zu einer massiven Verzögerung der Behandlung dieses Berichtes, der zu einem wichtigen Zeitpunkt auch Diskussionsgrundlage für viele wissenschaftliche oder universitätspolitische Themen sein soll, und der Kenntnisnahme durch das Parlament gekommen wären. Und es sind viele Damen und Herren dieses Hauses ungern konfrontiert damit, daß Berichte, die von einem Ministerium vorgestellt werden, die vom Parlament zur Kenntnis genommen


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werden sollen, dann reihum diskutiert werden, bevor sie hier behandelt werden konnten. Und ich hätte es sehr schade gefunden – ich bitte, das nicht als Unhöflichkeit zu verstehen; wichtige Diskussionen über diesen Bericht werden auch außerhalb dieses Raumes stattfinden –, wenn dadurch diese Dynamik unterbrochen worden wäre. Insofern bin ich dankbar, daß man das trotzdem im ursprünglichen Zeitplan gemacht hat.

Herr Kollege Lukesch! Betrachten Sie es jetzt mehr als eine Formulierung denn als einen Widerspruch zur Autonomie: Ich bin auch der Überzeugung, daß die Universitäten am allerbesten wissen, wo sie finanzielle Reformen ansetzen müssen. Die Frage ist noch, ob sie auch immer wissen, wann sie das tun müssen – was kein Widerspruch zur Autonomie ist. Die Dringlichkeit dessen, was wir hier sozusagen auch budgetbedingt zu tun haben – nicht die Dimension, mir geht es nicht um das Volumen –, widerspricht manchmal so mancher universitätsinternen Entscheidungsfindung.

Ich bin auch froh, daß wir das jetzt nicht nur politisch, sondern auch vis-à-vis den Vertretern und Vertreterinnen der Universitäten in einem ganz anderen Klima und mit einer ganz anderen Bereitschaft zum Dialog diskutieren, als das noch vor wenigen Monaten der Fall war. Aber man stößt oft auf das Argument: Ja, das sehen wir schon ein, daß wir das machen sollen, und da gibt es auch gute Modelle, und die erfordern auch Kooperation mit dem Ministerium, und das ist alles wunderbar. Aber jetzt werden wir das einmal eingehend diskutieren, beraten und in einer zwei- bis dreijährigen Übergangsfrist dann auch umsetzen können. Unser Problem ist, daß wir sozusagen mit den Realitäten des Staatshaushaltes akut umgehen müssen. Das ist kein Widerspruch zur Autonomie, aber ein Appell – ich glaube, Sie tragen ihn mit –, daß wir hier rasch entsprechende Schritte setzen müssen.

Ich bin im übrigen auch dafür – damit das auch klargestellt ist, weil das in der Öffentlichkeit sehr mißverständlich diskutiert wurde –, wenn eine Studieneingangsphase das Ziel der Beratung hat, wenn eine Studieneingangsphase das Ziel hat, Orientierung zu schaffen. Ich bin dagegen, wenn eine Studieneingangsphase das Ziel hat, in einer Prüfung zu enden, die regulativ für Studienplätze sein soll. Also ich bin ein kategorischer Gegner dessen, was dann unter der Metapher "Knock-out-Prüfung" gehandelt wird. Ich bin aber dafür – ich sage nicht, daß Sie das wollen, ich sage es für mich hier als Feststellung, ich kenne einige, die das sehr gerne anders hätten –, daß wir Orientierung und auch Vorbereitung auf den Studienbetrieb an sich und auf das jeweilige Studium stärken.

In dem Zusammenhang muß ich nur schon sagen: Solange ich Unterrichtsminister war, war eine stehende Floskel gerade von seiten der Kollegen von der ÖVP immer: Es kommen so viele an die Universitäten, die eigentlich nicht ausreichend vorbereitet sind. Darum sollen sich endlich die Schulen kümmern. – Mit dem Tag meines Wechsels vom Unterrichtsministerium ins Wissenschaftsministerium hat auch die Adresse dieses Punktes gewechselt. Jetzt heißt es: Es muß endlich an den Universitäten etwas geschehen. Ich glaube, daß man gerade in diesem Bereich nur im Verbund, nur gemeinsam vorgehen kann. – Nein, nicht den Kopf schütteln, genauso war es. Ich habe mir das nicht herausgesucht. (Abg. Dr. Lukesch: Um dieses Problem geht es aber nicht!) Mir aber. (Abg. Dr. Lukesch: Zu viele Studierende studieren zu lange das Falsche!) Mir geht es darum, hier festzustellen, daß sich die Adresse verschiedener Kritikpunkte je nachdem ändert, wer da vis-à-vis steht.

Ich glaube, daß das nur im Verbund lösbar ist, daß nur die Schulen und die Universitäten gemeinsam helfen können. Und ich wiederhole, daß ich sehr für ein Stärken all der Instrumente bin, die am Beginn des Studiums Orientierung, Information, Vorbereitung und auch Klarheit darüber, worauf man im Studium trifft, verschaffen.

Es sei kurz gesagt: Herr Abgeordneter Lukesch hat das als "Baustelle" bezeichnet. Ich zögere ein bißchen bei dem Vergleich, weil das sehr schnell in dem Sinne mißverstanden werden könnte, daß sozusagen kein Stein geordnet plaziert wäre. Aber wir haben derzeit – das ist richtig – eine der gewaltigsten und tiefgehendsten Reformen im Rahmen der Universitäten – ich zitiere einen Gesprächspartner von mir von heute nachmittag – seit dem Jahr 1975. Wir haben eine massive organisatorische Veränderung – mit und ohne Budget. Aber durch das Budget hat das


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natürlich noch eine eigene Dynamik bekommen. Wir haben über das Studienrecht, über das die Debatte in den nächsten Wochen dann so weit abgeschlossen sein wird, daß es dann auch im Parlament eingebracht werden wird, eine massive inhaltliche Veränderung buchstäblich des Regelnetzes, in dem sich Studium abspielt, und auch eine ganze Reihe von dienstrechtlichen und sonstigen Veränderungen im Zusammenhang mit Organisation, aber sehr wohl auch Inhalt des Studiums – natürlich auch mit dem Ziel, diese besonderen Verlängerungen von Studienzeiten zu verhindern, Studienzeiten kürzer werden zu lassen.

Diese Veränderungen bedeuten Verunsicherung. Das bestreite ich nicht. Ich bin froh – ich habe das vorhin angedeutet –, daß mein Eindruck der letzten Tage und Wochen ist, daß der Diskurs, der auch mit Vertretern und Vertreterinnen der Universitäten geführt wird, seit – ich sage jetzt einmal – dem Sommer ungleich sachlicher, kooperativer und ungleich stärker mit dem Ziel ausgestattet ist, daß wir gemeinsam diese Veränderungen nicht nur entwerfen, sondern auch bewerkstelligen. Ich habe heute nachmittag in einem Gespräch – und ich beginne damit auch gerne gleich hier – gesagt, daß es auch mir darum geht, öffentlich klarzumachen, daß an den Universitäten nicht nur viel, sondern sehr gut gearbeitet wird, daß wir gemeinsam – ich glaube, das sollte uns alle verbinden – die Universitäten und die dort Tätigen, seien es die Universitätslehrer und -lehrerinnen oder die Studierenden, vor Vorurteilen schützen sollten, die manchmal in der Öffentlichkeit gegen sie entwickelt werden. Das ändert nichts daran – das habe ich auch gesagt –, daß sich Universitäten naturgemäß aber auch einer gesellschaftlichen Debatte stellen müssen, insbesondere dann, wenn wir über die Verteilung von öffentlichen Mitteln sprechen.

Ganz kurz noch zur Frau Abgeordneten Petrovic. Ich habe vorhin betont, ich hätte gerne an dieser Ausschußdebatte teilgenommen. Ich habe dann nur einen Zweifel – der an meiner Verpflichtung, grundsätzlich an solchen Debatten teilzunehmen, nichts ändert –, denn ich habe es schon mindestens dreimal erzählt, und dennoch ändert sich nichts daran, daß das einfach stereotyp immer aufs neue wiederholt wird. Es hat kein Mensch die Lehraufträge um 10 Prozent gekürzt, es sind – und das ist ein großer Unterschied – die Mittel für die Lehraufträge um diesen Prozentsatz zurückgenommen worden. Das hatte aber nicht nur zur Folge – das ist an vielen Universitäten geschehen –, daß Professoren Lehraufträge übernommen haben, die dann eben nicht extra abgegolten werden, sondern es sind auch remunerierte Lehraufträge in nichtremunerierte umgewandelt worden – was, wie Sie genau wissen, nicht bedeutet, daß die Lehrenden kein Geld bekommen, sondern nur weniger –, und wir haben nach wie vor den Zustand – zugegeben: deutlich geringer als in der Vergangenheit –, daß externe Lektoren, aber solche, für die das soziale Argument, das Sie hier angeführt haben, bei weitem nicht zutrifft, remunerierte und auch nichtremunerierte Lehraufträge haben und ganz überrascht sind, wenn man sie fragt, ob sie das nicht auch ohne das machen würden, daß sie nicht schon längst darauf angesprochen wurden, weil sie in ihrem Hauptberuf ein Einkommen haben und es ihnen sozusagen zur Ehre gereicht, an einer Universität einen Lehrauftrag zu haben.

Dieses Potential, das heißt, die Verwandlung von remunerierten in nichtremunerierte Lehraufträge, sehr wohl auch das Einbeziehen von Universitätslehrern, die nicht extra dafür abgegolten werden, das stärkere Heranziehen jener, die Lehraufträge auch dann übernehmen, wenn sie keine Remunerierung dafür bekommen, ist stärker auszuschöpfen.

Das Ergebnis all dessen ist – das ist an vielen Fakultäten auch so eingetreten –, daß die Zahl der Lehraufträge überhaupt nicht zurückgegangen ist, und wenn, dann bei weitem nicht um 10 Prozent. Um 10 Prozent würde sie dann zurückgegangen sein, wenn jemand überhaupt nichts tut, sondern einfach das, was sich in Geldmitteln ausgedrückt hat, eins zu eins auf die Zahl umlegt und streicht. Das wäre aber, gelinde gesagt, phantasielos, um nicht zu sagen, dumm und verantwortungslos, und ist im übrigen ja auch nicht geschehen.

Das habe ich schon oft erzählt, ich erzähle es halt jetzt noch einmal, aber vielleicht würden auch Ausschußdebatten produktiver werden, wenn wir zumindest die Dinge, die beweisbar sind, dann als Veränderung in der Diskussion weitertransportierten.

Es hat sich Sektionschef Höllinger auch nicht an der Studie beteiligt, sondern er ist Herausgeber einer Serie in einem Verlag, die nicht öffentlich, sondern ausschließlich privat finanziert ist, in der


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relevante Studien zum Thema Hochschulpolitik veröffentlicht werden. Und – weil wir vorhin über den Bundestheaterbericht diskutiert haben – ich sage Ihnen: Ich stehe in der Kulturpolitik genauso wie in der Hochschulpolitik und in jedem Politikfeld für den Grundsatz, daß Meinungen sagbar und selbstverständlich auch publizierbar sein müssen, ob sie mir passen oder nicht. Ich bin sehr dafür, daß wir in diesem Land auch Meinungen mit entsprechender Öffentlichkeit publizieren können, die anderen nicht passen, und daher werde ich mir auch gefallen lassen müssen, daß man Dinge publiziert, die nicht dem entsprechen, was ich für richtig halte.

Dieser Auftrag ist noch dazu von meinem Vorgänger gegeben worden, ich hätte ihn aber genauso auch selbst geben können. Die Studie kommt zu einem Ergebnis, wie es auch das australische Modell vorsieht. Sie kennen das. Ich halte das aus politischen Gründen für falsch und bin daher ein Gegner von Studiengebühren (Beifall bei der SPÖ), aber publizieren wird man das doch noch können, ohne daß sich dann die Kollegen aus dem Ministerium gefallen lassen müssen, der Illoyalität bezichtigt zu werden. Wäre es loyal, wenn ein Beamter etwas, das er – noch dazu außerhalb seines Dienstes – betreut, ohne Steuergelder zu kassieren, deswegen, weil er Angst hat, daß das irgendwann einmal mißverstanden werden könnte, unterläßt? Meinem Begriff von Loyalität würde dieses Verhalten nicht entsprechen.

Letzter Punkt: Wir haben im Zusammenhang mit Studiengebühren auch überhaupt nichts unter der Tuchent vorbereitet, um es dann überfallsartig herauszuziehen. Die politischen Standpunkte sind aus politischen Gründen klar deponiert. Die Diskussion kann geführt werden, man wird in Diskussionen noch Dinge lernen, und ich will Diskussionen auch nicht kategorisch abschneiden. Nach alledem, was ich bisher zum Thema Studiengebühren gehört habe, inklusive auch der entsprechenden Studien, ist mein Standpunkt allerdings ein unverändert negativer.

Ein allerletzter Satz zum Thema Prognosen und Reformbereitschaft. Es steht in diesem Bericht ausdrücklich – ich habe diese Seite herausgesucht –, daß es nicht darum geht, hier eine Prognose im Sinne der Einschätzung zukünftiger Ereignisse abzugeben, sondern das ist eine einfache Hochrechnung auf Basis von Altersjahrgängen. Und das ist ein gewaltiger Unterschied.

Es wurde im Zuge des Beginns dieses Studienjahres auch von bis zu 65 Prozent Zuwachs bei den Neuimmatrikulierenden gesprochen. Die Wahrheit entspricht dem überhaupt nicht. Bei der vielzitierten medizinischen Fakultät in Wien – ich habe erst vor ein paar Tagen mit dem Dekan ein langes Gespräch gehabt – haben in diesem Studienjahr weniger Studierende – nicht viel weniger, aber doch weniger – als im vergangenen Jahr begonnen, was mich gar nicht freut. Nicht, daß ich da mißverstanden werde: Ich bin nicht glücklich, wenn es weniger Studierende an einer Fakultät gibt, aber wenige Tage zuvor wurden noch gigantische Zahlen genannt, nämlich statt 1 800 Neuimmatrikulierenden gäbe es 3 000. Die Wahrheit ist, daß es rund 1 650 gibt.

Damit erzeugt man doch einen bestimmten Eindruck. Das können wir uns hier, vielleicht auch noch unter Medienbegleitung, erzählen, aber ich bitte Sie, nicht zu vergessen, daß wir letztendlich als Adressaten dessen junge Menschen haben, die neben den privaten Entscheidungen vor der wahrscheinlich wesentlichsten Entscheidung ihres Lebens stehen, nämlich welchen Beruf sie ergreifen wollen und welche diesem Beruf vorangehende Ausbildung sie in Anspruch nehmen. Da halte ich Briefe hinsichtlich der Medizinstudenten, die vom früheren Dekan geschrieben worden sind, für genauso verantwortungslos – ich habe das auch öffentlich erklärt – wie das Publizieren von Phantomzahlen, die noch dazu wenige Tage später von der Realität überholt werden.

Die Universitäten sind in einem Umbruch begriffen. Dieser Umbruch ist davon belastet, daß er unter ökonomisch engen Bedingungen stattfinden muß. Manche meinen – vielleicht nicht zu Unrecht –, daß diese ökonomische Enge allerdings auch zu einer Stringenz dieser Umbruchphase zwingt. Das darf man auch nicht ganz vergessen. Das ist nicht zynisch zu verstehen, sondern in manchen Fällen ist es wohl so. Die Universitäten sind in einer Umbruchphase, die Unterstützung braucht, eine Umbruchphase, die so etwas wie eine Loyalität gegenüber diesen wichtigen Einrichtungen in Österreich braucht. Dieser Umbruch ist aber natürlich auch damit verbunden, daß wir diejenigen, die an den Universitäten tätig sind, fordern müssen, wenn sie sich nicht ohnedies selbst schon ausreichend gefordert haben.


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Ich bin wahrlich überzeugt davon, daß all das, was derzeit im Rahmen dieser Reorganisation an Bewegung an den Universitäten stattfindet, in einem System, in einer Struktur, in einem Zustand enden wird, der dem Zustand sowohl der Universitäten als auch des akademischen Lebens in Österreich als auch – und das möchte ich ausdrücklich betonen – der akademischen Freiheiten in Österreich zuträglich ist, aber wir müssen mit dieser Geschichte vorsichtig umgehen und uns die vielleicht da und dort bestehende Lust zur Polemik selbst nehmen, weil die Sache diese Vorsicht und diesen bedächtigen, wenn auch sehr zielgerichteten Umgang verlangt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

18.48

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Zunächst einmal danke für die klaren Worte hinsichtlich der Studiengebühren. Sie haben sich ja in der Vergangenheit immer klar dagegen ausgesprochen, und ich finde es auch ein klein wenig kindisch, Frau Abgeordnete Petrovic – bevor Sie gehen –, daß Sie den Beamten des Ministeriums Subversion insinuieren, wenn diese über Studiengebühren debattieren. Debattieren muß man dürfen, ebenso wie Herr Abgeordneter Lukesch eine Privatmeinung haben darf.

Zu den Studiengebühren insgesamt ist es aber nicht unsere Meinung, daß sie kommen sollen, weil Studiengebühren das Problem der Hochschulfinanzierung nur marginal lösen beziehungsweise nur einen marginalen Beitrag dazu leisten würden, insgesamt aber die soziale Symmetrie doch gefährdet wäre.

Zum Hochschulbericht selbst wollte ich einige Punkte ausführen. Das UOG 1993 führte zu mehr Dezentralisierung, das heißt, die Universitäten haben mehr Entscheidungskompetenzen im Sinne einer umfassenden Personal- und Budgetautonomie erhalten. Die entscheidende Frage dabei wird für mich sein, wie sich insbesondere die beabsichtigte strategische Teilung in kollegiale und monokratische Organe bewähren wird, inwieweit die Effizienz durch monokratische Organe erhöht wird und gleichzeitig die Kontrolle durch demokratisch zusammengesetzte Kollegialorgane gewährleistet bleibt.

Gestatten Sie mir ein Wort zum Fernstudiensektor. Der Fernstudiensektor ist in diesem Hochschulbericht mit einer Studentenzahl von knapp über 1 000 ausgewiesen. Er führt in Österreich ein echtes Schattendasein, was schade ist, weil der Fernstudiensektor vor allem im Sinne des lebenslangen Lernens auch für Berufstätige wichtig wäre. Ich denke, daß der Mitteleinsatz, der dafür geleistet wird, in keiner Relation zur Zahl der Studenten oder gar zur Zahl der Absolventen steht.

Daher wäre es sehr, sehr wichtig, auf diesem Gebiet etwas zu tun, sei es Kooperationen mit der Fernuniversität Hagen auszubauen, sei es zu anderen Kooperationen zu kommen. Auf alle Fälle muß auf diesem Sektor etwas geschehen.

Erfreulich ist die Entwicklung auf dem Sektor Forschung – und dies trotz restriktiver allgemeiner Budgets. 1995 wurden 35,6 Milliarden Schilling für Forschung und experimentelle Entwicklung aufgewendet. Das bedeutet gegenüber 1992 eine Steigerung um 17,4 Prozent. Wir liegen damit zwar noch immer unter dem OECD-Schnitt – knapp darunter –, aber immerhin ist dieses Ansteigen trotz restriktiver Budgets erfreulich. Kritisch zu bemerken bleibt jedoch, daß in Österreich vor allem seitens des privaten Bereichs mehr an Forschung wünschenswert wäre.

Eine Bemerkung zu den Frauen an Hochschulen: Obwohl in den letzten Jahren der Anteil von Frauen im Hochschulbereich ständig zugenommen hat und vor allem bei den Studienanfängern etwa der Repräsentanz der Gesamtbevölkerung entspricht, sind im wissenschaftlichen Bereich nur 20 Prozent Frauen und bei den Professoren gar nur mehr 3,5 Prozent Frauen vorhanden. Nun möchte ich ungern das Argument hören, daß man bei Berufungen wenig Frauen findet, sondern ich gehe davon aus, daß alle Anstrengungen zu unternehmen sind, und zwar gesellschaftlich zu unternehmen sind, um diese gravierende Ungerechtigkeit in absehbarer Zeit aus


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zugleichen. Was nämlich am meisten stört, ist die Tatsache, daß vor allem im Bereich der Professoren sich gegenüber den letzten Berichten so gut wie überhaupt nichts getan hat, daß also trotz gegenteiliger verbaler Beteuerungen keine Veränderung stattgefunden hat. Und da sind alle Anstrengungen anzusetzen.

Erfreulich im Bereich der Budgets 1997/98 ist, daß die Mittel gemäß dem Studienförderungsgesetz 1992 zugenommen haben, daß sich die Mittel von 1992 auf 1994 fast verdoppelt haben, nämlich von 719 Millionen Schilling im Jahre 1992 auf 1,4 Milliarden Schilling im Jahre 1994, sodaß rund 13 Prozent der inländischen Hörer und Hörerinnen gegenwärtig in den Genuß einer Studienbeihilfe kommen.

Zusammenfassend kann man sagen, daß sich der tertiäre Sektor in den letzten 25 Jahren gewaltig vergrößert und tiefe Spuren im österreichischen Bildungssystem hinterlassen hat. Es hat sich die Zahl der Studierenden fast verfünffacht. Es hat sich die Zahl der Abschlüsse in den letzten 25 Jahren verdreifacht. Das bedeutet, daß in Österreich derzeit etwa 7 Prozent der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren einen Hochschulabschluß haben. Im OECD-Schnitt sind es allerdings 11 Prozent.

Gemessen an der gesamten Wohnbevölkerung gibt es rund 330 000 Akademiker, und obwohl wir im OECD-Schnitt hinten liegen, gibt es gravierende Probleme für Absolventen der Universitäten, vor allem im Bereich der Geistes- und Naturwissenschaften, aber auch für Techniker. Es ist zwar die Arbeitslosenrate, gemessen an der durchschnittlichen Arbeitslosenrate, noch immer geringer, es kann aber nicht übersehen werden, daß zahlreiche Akademiker in Berufe drängen, für die sie überqualifiziert sind, und so zum Beispiel Maturanten vom Arbeitsplatz verdrängen. Es wird daher vieler Anstrengungen bedürfen, um die jungen Leute auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen und soziale Spannungen zu vermeiden.

Abschließend möchte ich sagen, daß der vorliegende Hochschulbericht einen ausgezeichneten Überblick über die Situation der österreichischen höheren Schulen vermittelt. Er bietet eine umfangreiche Darstellung mit einem sehr leicht überschaubaren statistischen Teil, sodaß man sich wirklich einen exakten Überblick über die Situation der österreichischen Hochschulen verschaffen kann, wozu ich auch den Verfassern des Berichtes abschließend noch herzlich gratulieren möchte. (Beifall bei der SPÖ.)

18.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

18.54

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Lieber Herr Kollege Lukesch! Ich knüpfe an die Feststellung des Herrn Bundesministers von der "Lust zur Polemik" an, und da fällt mir doch sofort der Herr Kollege Lukesch ein. Im Kampf gegen die Uhr dazu nur kurz:

Erstens: Studiengebühren. Ich glaube, daß Sie, Herr Kollege Lukesch, Ihr Studienmodell offenbar an einem ÖVP-Abgeordneten – nicht hier im Hause, sondern anderswo – orientiert haben, auf den zwei Kriterien zutreffen: a) er ist ein Langzeitstudent, b) er verdient als Europa-Abgeordneter so viel, daß er schon jetzt in den von Ihnen vorgeschlagenen Fonds zurückzahlen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen haben nie gesagt, daß wir absolut keine Studiengebühren wollen. Wenn Sie jedoch die "Salzburger Nachrichten" zitieren, so ist das genau der typische historische Fehler: Sie zitieren eine Quelle, die aus einer anderen Quelle zitiert, die ihrerseits aus einer Quelle zitiert, die mit dem Original nichts mehr zu tun hat. Ich will damit aber nicht beweisen, daß Sie kein Historiker sind – wir wissen, daß Sie einen anderen Beruf haben –, aber, Herr Kollege Lukesch, Sie sind auch kein Prophet. Zuvor noch: Was Sie als "verantwortungslose Beckmesserei" bezeichnet haben, versteht der Jurist schlicht und einfach als korrekte Gesetzessprache.


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Und – jetzt komme ich auf Ihre Prophetenrolle – bezüglich Ihrer Behauptungen wie "Totalopposition" und "auf dem Rücken der Südtiroler ausgehen" würde ich sozusagen den Verhandlungstag nicht vor dem Abstimmungsabend loben, denn Sie wissen ja nicht, was noch kommt und wie abgestimmt wird.

Damit bin ich beim zentralen Thema: Was im Zusammenhang mit dem Hochschulbericht diskutiert wurde, nämlich eine UOG-Novelle, sehen wir in dem Punkt, den Sie unter "Beckmesserei" subsumieren, legistisch etwas anders und auch inhaltlich ein bißchen anders. Wir stellen daher einen Abänderungsantrag. Damit wollen wir aber nicht unbedingt beweisen, Herr Kollege Lukesch, daß Sie kein Prophet sind oder sein sollen, sondern wir tun dies, weil wir wirklich glauben, daß sachliche Gründe dafür sprechen, auf die ich dann noch kurz zu sprechen komme.

Der Abänderungsantrag lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder, Dr. Michael Krüger, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Herbert Scheibner und Kollegen zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG) geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes (377 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Entwurf in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

§ 2a in Z 2 lautet:

"§ 2a. (1) Die Universitäten und Fakultäten sind berechtigt, mit anderen Rechtsträgern Vereinbarungen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Lehre (Studien und Prüfungen) abzuschließen.

(2) Die Universitäten sind berechtigt, mit inländischen wie auch ausländischen Einrichtungen Vereinbarungen über die Tätigkeit österreichischer universitärer Einrichtungen auf dem Gebiet der Lehre (Studien und Prüfungen) auch im Ausland abzuschließen." – Wobei unsere Geographie- und staatsrechtlichen Kenntnisse klar genug sind, Südtirol in diesem Fall als Ausland anzuerkennen.

"(3) Vereinbarungen gemäß Abs. 1 und 2 dürfen die Durchführung von ordentlichen Studien und Prüfungen oder deren Teile nicht ausschließlich aus der von ihr erfaßten österreichischen universitären Einrichtung in das Ausland verlagern. Derartige Vereinbarungen haben sicherzustellen, daß die von ihnen erfaßten Studien und Prüfungen den österreichischen Studien und Prüfungen gleichwertig sind.

(4) Vereinbarungen gemäß Abs. 1 und 2 bedürfen der Genehmigung des zuständigen Bundesministers."

*****

Soweit unser Abänderungsantrag.

Wir verkennen nicht, daß man diesen Zweck auch mit anderen, dürreren und vielleicht etwas weniger zutreffenden Worten herbeiführen kann. Grundsätzlich möchte ich aber etwas unterstreichen:

Erstens zum Ausschuß: Im Ausschuß hätte man uns auf die, wie ich meine, berechtigte Kritik der Freiheitlichen an dem dort vorliegenden Gesetzentwurf sagen können, worum es geht, nämlich um Einrichtungen in Südtirol. Wenn Herr Kollege Niederwieser mir das nicht so über den Tisch zugeflüstert hätte, hätte ich es nicht gewußt, und andere, die dieses Flüstern nicht hören


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konnten, haben es auch nicht gewußt. Also ich wünsche mir eigentlich im Ausschuß klare Worte über das, was gewollt wird, denn den Gesetzesbuchstaben war das nicht zu entnehmen, zumal das Wort "Südtirol" fehlt.

Aber selbstverständlich sind wir auch für Internationalität. Damit möchte ich einem Vorwurf begegnen, der mir gemacht worden ist – ich habe jetzt vergessen, wo und von wem; aus Höflichkeit –, nämlich daß wir die Internationalität nicht wollen. Genau unser Abänderungsantrag soll zeigen, daß wir sogar mehr wollen. Wir wollen mehr, denn ich stelle mir mit meiner Fraktion beispielsweise vor, daß man eine gesetzliche Grundlage für einen Schritt zu einem europäischen Studienbaukastensystem schaffen soll, sodaß sich etwa eine Wiener Fakultät gemeinsam mit der entsprechenden Preßburger Fakultät – ich greife hier etwas auf, das aus dem Beamtenkreis des Ministeriums kommt – aufgrund einer Vereinbarung überlegt, beispielsweise Europarecht für die Studenten dort und da identisch zu unterrichten und den Lehrkörper auszutauschen.

Kurzum: Ich habe diesen Abänderungsantrag gestellt, weil wir für diese Internationalität sind, weil wir meinen, die Internationalität gehört gefordert und auch gefördert, und weil wir eigentlich doch auch erkennen, daß die Universitäten ein bißchen einen Anschub in dieser Richtung brauchen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

18.59

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich ein paar Richtigstellungen treffen, Richtigstellungen und Anmerkungen zur Kollegin Petrovic, die sich aus dem Saal verabschiedet hat. Ihr Lektorenvorschlag ist kein Vorschlag zur Sanierung eines Problems, sondern die Fortschreibung eines unbefriedigenden Zustandes.

Der Herr Bundesminister hat schon den Universitäten und ihrem Personal dafür gedankt, daß sie so flexibel waren, die Lehrauftragskontingente und die Angebote aufrechtzuerhalten. Ich schließe mich diesem Dank an.

Ich schließe darüber hinaus an die Anmerkungen des Kollegen Posch an, der gemeint hat, die Studiengebühren würden die soziale Symmetrie stören. Das australische Modell und das in der BMWVK-Studie vorgestellte Modell stellen sie geradezu erst her, und darum geht es uns von der ÖVP. Ich denke, daß die eingeleitete Debatte ein Dialog über diese Fragen sein kann. Lösungsmodelle werden nach reiflicher Überlegung und Abwägung verschiedener Faktoren und Dimensionen vorliegen.

Ich schließe auch ganz knapp an die Bemerkung der Frau Kollegin Motter an, die anklingen ließ, an manchen Universitäten stünde es nicht so besorgniserregend, wenn man die Professoren-Studenten-Relation betrachtet. Sie hat von 1 : 5 an der Medizin in Graz und 1 : 6 in Wien gesprochen.

Ich halte ihr ein anderes Beispiel entgegen, wo ich durchaus Sanierungsbedarf im Sinne einer Baustellensituation sehe, nämlich die Grund- und Integrativwissenschaftliche Fakultät in Wien, wo wir ein Betreuungsverhältnis von 1 : 153 haben. Also es kann ja wohl nicht so sein, daß uns das nicht unruhig werden läßt.

Aus Anlaß des sehr sorgfältigen, ausführlichen und die politische Arbeit stimulierenden Hochschulberichtes kann ich sagen, daß ich mich über viele Daten freue, nämlich daß die Mädchen, die Frauen vor allem im Bereich der Erstinskribierenden aufgeschlossen haben und somit einen entsprechenden Bevölkerungsanteil repräsentieren.


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Was mir Sorge macht und was uns politischer Orientierungs- und Animationsauftrag sein muß, ist, daß der Anteil der Frauen bei den postgradualen Angeboten nur zwischen 25 und 35 Prozent beträgt, bei jenen Bildungsangeboten, wo gerade die Weichen für Karrierechancen, Einkommensvorstellungen, Lebensplanungsentwürfe gestellt werden und wo künftig über Orientierung, mit Information und Aufklärung noch viel Arbeit geleistet werden muß. Wenn wir lebenslanges Lernen ernst nehmen, dann müssen wir bereits nach dem ersten Studienabschluß damit beginnen.

Kollege Posch hat auch ein Problem angesprochen, nämlich das Nichtgreifen oder nur zaghafte Fruchtbarwerden der Frauenförderung an den Universitäten. Im Bericht wurde sehr schön gesagt, daß das Universitätsleben sich noch immer an der männlichen Erwerbsbiographie orientiert, und die flexible Lebensgestaltung, die Frauen leben (müssen) – in Klammern – oder wollen, findet weder im Pensionsrecht noch im Dienstrecht noch sonstwo Berücksichtigung. Wir müssen einen interministeriellen Dialog aufbauen, um diese Barrikaden abzubauen.

Kleines Aperçu dazu, es gibt auch ganz manifeste Behinderungen. Fragen Sie vor allem an der Hochschule für angewandte Kunst, was dort gerade bei der Listenerstellung wieder gegen Frauen passiert ist. So kann es sicher nicht weitergehen.

Handlungsbedarf lese ich auch aus dem Bericht in bezug auf Fachhochschulen heraus. Sie sind ein erfreulicher Sektor, ein neues Angebot in der Bildungslandschaft. Frauen greifen, wenn Sie so wollen, nicht in genügendem Maße so zu, wie wir uns das wünschen. Das liegt natürlich am inhaltlichen Angebot. Es liegt aber auch daran, daß wir den Fachhochschulentwicklungsplan erst erfüllen müssen und im Bereich der Pflege, bei den humanitären sozialwissenschaftlichen Bereichen noch Anbotsbedarf haben. Ich hoffe, wir kommen auch da bald ein Stück weiter.

Es gilt aber auch, Frauen auf die jetzigen Angebote viel stärker hinzuweisen. Wenn der Herr Minister zuvor gemeint hat, es gehe nur gemeinsam, zu einer besseren Orientierung und Information zu kommen, dann muß ich sagen, ich bin sehr froh, daß zum Beispiel Ministerin Gehrer angesichts der besorgniserregenden Situation, was das Lehramtsstudium betrifft, Maturantinnen und Maturanten geschrieben und sie darauf aufmerksam gemacht hat, wie lange sie nach Abschluß eines Lehramtsstudiums auf eine Anstellung zu warten hätten. Das ist eine ganz manifeste und brauchbare Hilfe bei der Studien- und Berufsentscheidung.

Ebenso bin ich sehr froh, daß der Bericht den Bereich Akademiker und Arbeitsmarkt anspricht. Er gibt Aufschluß darüber, daß es keine Sünde erster Art ist, wenn sich im Bereich des akademischen Studiums die Gremien Gedanken machen, welche Chancen ihre Abgänger auf dem Arbeitsmarkt haben. Das ist kein Sich-an-den-Hals-Werfen und Anbiedern an böse wirtschaftliche Wegelagerer und ausbeutende Unwesen und Unholde, sondern das ist Erziehung zum praktischen Leben und nicht Orientierung bloß auf Wissenschaft hin. (Beifall bei der ÖVP.)

Ohne daß wir im neuen, hoffentlich bald zu verabschiedenden UNIStG das Ziel und den Zweck von Universitätsstudien verraten – es bleibt bei der Berufsvor bildung –, darf diese Berufsvorbildung ernst genommen werden.

Ich komme auch schon zum Schluß und meine, daß in dem schon zitierten Hochschulbericht eine breite Basis für gute Arbeit enthalten ist, daß wir gut daran tun, die Autonomie an den Universitäten, vor allem auf finanzieller Ebene, zu verstärken, die staatliche Zentralverwaltung von Lehre und Forschung stärker zu entkoppeln, die Zusammenarbeit zwischen Uni, Industrie und Wirtschaft zu verstärken und nicht Forschungsergebnisse bloß dem Zufall zu überlassen, rasch ein neues Universitätsstudiengesetz zu verabschieden, die Kommunikation in den Universitäten und untereinander zu verbessern, um eine Profilbildung zu erreichen, ein Studienkostenbeteiligungsmodell zu erarbeiten und die Fachhochschulen zur Entlastung der Unis auszubauen, damit wir nicht, wie das Universitätskuratoriumsmitglied Universitätsprofessor Jürgen Mittelstraß sagt, an einer bösen Krankheit laborieren.

Der Wissenschaftstheoretiker und Philosoph meint, die Massenuniversitäten sind konturenarme Betriebe, die unter Elefantitis leiden und in denen Durchschnittlichkeit und Arbeitslosigkeit produziert werden oder zumindest drohen.


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Zum Stichwort "Baustelle". Wenn die Baustelle Universität so gelingt wie der Redoutensaal der Hofburg, also wenn alt mit neu kombiniert wird, bin ich sehr zufrieden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Dr. Grollitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. Die Gesamtredezeit Ihres Klubs beträgt aber nur mehr 6 Minuten. – Bitte.

19.07

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Verehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Gerne hätten wir mit Ihnen im Ausschuß über diesen interessanten Hochschulbericht diskutiert, Ihre Krankheit hat dies allerdings verhindert. Verhindert haben es aber auch Ihre Fraktionskollegen in der großen Einheitsfraktion, die den Vertagungsversuch der Opposition mit sehr fadenscheinigen Argumenten verhindert haben, und zwar ganz in Ihrem Sinn, wie Sie uns inzwischen selbst erklärt haben. Wir bedauern es trotzdem.

Ich schließe mich der Meinung von Dr. Lukesch nicht an, daß es so gebrannt habe bei diesem Thema und daß, wie er sich ausgedrückt hat, die Universitätsprobleme keinen Aufschub vertragen. Es ist bereits genügend Zeit durchs Land gestrichen, und die Universität hat ihre Probleme sicherlich nicht am Ende des heutigen Tages gelöst. Das zu Ihrem Einwand. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Grunde ist dieser, wie gesagt, sehr interessante Bericht eine Sammlung von Zahlen. Den Zahlensammlern und Interpreten, Ihren Beamten, verehrter Herr Minister, haben wir bereits im Ausschuß gedankt und wiederholen das hier gerne. Der Bericht enthält brauchbare Zahlen, und ich kann mir auch durchaus vorstellen, daß sie über diesen Kreis des Hohen Hauses hinaus genügend Diskussionsstoff bilden.

Im Sinne des § 18 Abs. 9 UOG 1993 hat der Bundesminister im geforderten und vorgelegten Bericht Lösungsvorschläge für die aufgezeigten Probleme zu unterbreiten. – So der Gesetzestext. Herr Bundesminister! Diese Lösungsvorschläge fehlen in den von Ihnen als Zwischenbericht bezeichneten Bänden völlig.

Im Kapitel Akademikerarbeitslosigkeit wird etwa die Problematik einer relevanten Größenvorgabe beklagt und nach einer eher optimistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung in Summe eine beträchtliche Steigerung angedeutet. Wenn ich Ihr geschätztes Ohr gerade für dieses Problem der Akademikerarbeitslosigkeit gewinnen darf, dann möchte ich sagen, Herr Bundesminister, es hätten sich die etwa 10 000 arbeitslosen Akademiker, die in diesem Jahr die Universitäten Österreichs verlassen werden, in diesem Bericht zumindest eine Andeutung von Ihnen erwartet, welche Lösungsvorschläge Sie für diese mit erheblichen Mitteln und in den meisten Fällen ausgezeichnet ausgebildeten jungen Menschen haben. Es ist ein Manko.

Ich weiß, und wir wissen, daß Sie keine Pauschallösungen anbieten können, das ist auch nicht zu erwarten. Aber, wie gesagt, eine Andeutung oder einen Strohhalm hätten sich diese jungen Menschen verdient, denn in einer Passage, wo es um die Beurteilung der künftigen Arbeitsmöglichkeit für Akademiker geht, wird empfohlen, Theologie oder Montanistik zu studieren. Als Vertreter der Montanistik muß ich Ihnen leider sagen, daß in diesem Jahr nicht einmal mehr die Hälfte der Absolventen die Aussicht hat, eine ihrem fachlichen Können entsprechende Arbeit zu finden. Von der Hälfte, die Arbeit findet, geht wieder mehr als die Hälfte ins Ausland.

Sie verweisen in diesem Bericht auch immer wieder – und das ist sicher nicht als konkreter Lösungsvorschlag zu bezeichnen – auf das Studiengesetz. Es wurde in der ersten Begutachtung zerrissen, es ist seither verschwunden, es wird gemunkelt, daß es umgearbeitet wird.

In der Abendausgabe einer Zeitung lese ich mit Erstaunen: Die Hochschülerschaft gibt bekannt: Im Laufe des Novembers wird der Wissenschaftsminister mit Rektoren, Professoren, mit Dekanen, mit allen Fakultäten und so weiter Gespräche führen und allfällige Schwierigkeiten ausräumen.


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Ich wünsche Ihnen viel Kraft und viel Erfolg, aber auch viel Ausdauer für die nächsten Tage. Auch wenn Sie trotz dieser vielen Aufgaben wenig Zeit haben werden, bitte ich Sie, Ihre Aufmerksamkeit der Österreichischen Hochschülerschaft und speziell einer von sozialistischen, grünen und alternativen Studenten beschlossenen Resolution zuzuwenden. Darin wird vorgeschlagen, daß Mitgliedern rechtsextremer Korporationen akademische Grade abzuerkennen sind.

Studentische Forderungen und Resolutionen haben die Gunst, überziehen zu dürfen. In diesem Falle haben aber die Ihnen ideologisch nahestehenden Studentinnen und Studenten klar über das Ziel geschossen.

In einer heutigen Presseaussendung wird festgestellt, daß sie mit diesem Versuch direkt an die Vorgangsweise des Dritten Reiches angeschlossen haben, wo die Aberkennung akademischer Grade von Regimegegnern gängige tägliche Praxis war. Abgesehen davon, daß der linksextreme Sektor bei dieser bedenklichen Diffamierungsaktion ausgelassen wurde, wird den Studentenverbindungen gleichsam a priori Rechtsextremismus nachgesagt.

Da das Leobener Hochschulleben vom studentischen Verbindungswesen begleitet und häufig getragen wird und Sie diese Ihre Herzeiguniversität mit Spitzenrankingwerten wohl kaum als rechtsradikal bezeichnen werden, darf ich Sie im Namen meiner Universität bitten, gegen diese Resolution klar Front zu beziehen. – Ich danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

19.13

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde, da alle schon auf die Uhr schielen, nicht mehr allzulang Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Ich möchte noch einmal auf jenen Teil des Hochschulberichtes eingehen, der sich mit den Frauen beschäftigt. Er ist deswegen so resignierend, weil die Zahlen so resignierend sind und weil ich vermute, daß hier möglicherweise ... (Abg. Dr. Lukesch: 52 Prozent der Inskribierenden sind weiblich!) Schütteln Sie nicht den Kopf, Herr Lukesch, dem werden Sie doch zustimmen. Das Problem ist, daß man in zwei Jahren wahrscheinlich wieder dieselbe Geschichte diskutieren wird. (Abg. Dr. Lukesch: Es dauert eine Zeitlang!) Es dauert eine Zeitlang. Wir werden das nicht mehr erleben, wenn es immer nur heißt, daß es eine Zeitlang dauert. Das hören wir schon so lange. Auch ich werde es wahrscheinlich nicht mehr erleben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie schon? Aha, gut, das würde mich freuen, es ist dann wahrscheinlich ein biologisches Wunder, wenn Sie das noch erleben werden. (Abg. Schwarzenberger: Sie müssen halt gesünder leben!)

Aber der Punkt ist der – schauen wir uns die Zahlen an –: Studienanfängerinnen 53 Prozent, Absolventinnen 44 Prozent, Frauen im wissenschaftlichen Mittelbau 20 Prozent, Professorinnen 3,5 Prozent. Also auch hier greift dieses eherne Gesetz, daß überall dort, wo die Hierarchie höher wird, immer weniger Frauen sind. Noch etwas: Es gibt keine Rektorin und keine Dekanin. Von 779 Institutsvorständen sind 27 Frauen. In den akademischen Senaten und Fakultätskollegien sind 81 Frauen und 498 Männer.

Dieser Bericht sagt in dankenswerter Weise sehr offen, daß die Universität als Arbeitsplatz noch immer eine Männerdomäne ist. Das heißt, Frauen dürfen dort studieren, sie dürfen aber nicht lehren. Kollegin Brinek hat bereits angeschnitten, daß Frauen wahnsinnig aufgeholt haben, vor allem im Bereich der Qualifikationen, im Bereich dessen, was ihr Lebenskonzept ist, wie Sie das dargestellt haben. Es hat ihnen allerdings nichts genützt. Und es ist so, wie wenn man Frauen an einen Tisch bittet, ihnen aber keine Stühle gibt. Das ist eine traurige Geschichte.

Wir müssen immer noch davon sprechen, daß es noch immer zuwenig Frauen sind, obwohl man uns versichert, daß es schon werden wird. Die Geduld hat aber wahrscheinlich auch einmal ein Ende, und es geht uns einfach zu langsam.


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Der Punkt ist einfach, daß wir uns mit diesem Phänomen, dieser sogenannten gläsernen Decke näher beschäftigen werden müssen. Kollegin Brinek wird mich da unterstützen. Wir werden das Phänomen dieser seltsamen gläsernen Decke wahrscheinlich gemeinsam angehen müssen. Dies findet seine Bestätigung im Hochschulbericht, wo steht, daß der vom Gesetzgeber eingeräumte Spielraum nicht genützt wird.

Es gibt zwei Möglichkeiten: Erstens: Es ist alles bestens, man braucht den gesetzlichen Spielraum nicht zu nützen. – Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Zweitens: Die Instrumentarien sind zuwenig griffig, und sie sind möglicherweise auch an den falschen Stellen angesetzt.

Ich würde sagen, für uns ist das eine große Herausforderung, und ich finde es sehr schön, daß die Gleichbehandlungsgruppe im Wissenschaftsministerium das schon sehr genau erkannt hat. Diese lädt zu einem zweitägigen Seminar ein, wo sie sich damit sehr genau beschäftigen wird. Und das, finde ich, ist eine gute Sache, und ich meine, das ist für uns durchaus eine Herausforderung. Offensichtlich sind die Instrumentarien, die wir den Universitäten geben, nicht die richtigen oder greifen nicht dort, wo sie eigentlich greifen müßten.

Zum Schluß noch zu dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bezüglich der Habilitationskommission. Ich muß auch sagen, bei mir läßt das Skepsis aufkommen. Denn wenn über die wissenschaftliche Qualifikation anderer nur mehr von Personen geurteilt wird, die die gleiche Qualifikation haben, dann, so meine ich, muß uns das ja auch in diesem Haus zu denken geben. Wenn man diese Logik fortsetzte, würde das bedeuten, daß über Ärztegesetze zum Beispiel nur mehr Ärzte abstimmen dürfen. Ich habe den Verdacht, daß dieses Gesetz möglicherweise Standesdünkel zum Gesetz erhebt. Ob das so gescheit ist, weiß ich nicht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

19.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Herr Abgeordneter, für Sie bleibt noch eine Redezeit von einer ganzen Minute übrig.

19.17

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Wenn es wichtig ist, bringt man wahrscheinlich auch in einer Minute allerhand hinüber.

Ich möchte mich ganz kurz mit dem Thema Fachhochschule auseinandersetzen. Im Ausschuß wurde gezeigt, daß keinerlei Handlungsbedarf besteht, den Fachhochschulrat neu zu besetzen. Wir sind diesbezüglich ganz gegensätzlicher Meinung. Dieses wichtige Gremium muß so rasch wie möglich wieder besetzt werden, wobei wir eine öffentliche Ausschreibung der Schlüsselpositionen verlangen möchten, damit Parteipolitik, die in diesem Gremium nichts verloren hat, hintangehalten werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir meinen, daß die im Fachhochschulbericht, der schon diskutiert wurde, erwähnten sogenannten arbeitserschwerenden Umstände, die hier beklagt werden, zwischen Fachhochschulrat und Bundesministerium so rasch wie möglich ausgeräumt werden müssen und daß eine Verbesserung der Koordination zwischen den Universitäten und dem Fachhochschulbereich stattfinden muß.

Eine Zwischenevaluierung der bereits eingerichteten Studiengänge, um nachzuweisen, daß die tatsächliche Praxisorientierung gewährleistet ist, wäre wünschenswert.

Zum Schluß möchte ich nur noch einmal gegen die Vertagung unserer Anliegen hinsichtlich Schaffung eines Zahnmedizinstudiums und der Schaffung von Ausbildungs- und Gesundheitspsychologen energisch protestieren. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Günther Leiner zu Wort gemeldet. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

19.19

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte nur ganz kurz drei Bemerkungen machen.

Zunächst zur Situation der Universität Salzburg. Die Berechnung des Zusatzbudgets, das allen österreichischen Universitäten noch zugeteilt wurde, beruht auf dem finanziellen Status der jeweiligen Universitäten von 1995.

Nun war die Situation in Salzburg so, daß damals gerade einige Planstellen nicht besetzt waren. Wie ich höre, wird dieses Budget 1998/99 fortgeschrieben. Das wäre eine Katastrophe für Salzburg, da einige Posten einfach nicht besetzt werden können.

Allein an der NAWI-Fakultät sind derzeit sechs Lehrkanzeln und weitere Planstellen vakant. Die diesbezügliche Vorgangsweise ist folgende – und das ist für mich eigentlich sehr bedenklich –: Es werden zwar die Stellen zugewiesen, aber die Verhandlungen können deshalb nicht beginnen, weil das entsprechende Budget nicht vorhanden ist. Das hängt schlußendlich vom Ministerium ab. Daher sind an dieser Fakultät der Ökologie, den Computerwissenschaften neun Lehrkanzeln versprochen worden, sechs sind zugeteilt und nur zwei sind besetzt.

Genauso wird auch an der Molekularbiologie, das ja ein Zukunftsfach ist, durch Professor Rheinberger, der an das Max-Planck-Institut nach Berlin geht, wieder eine Stelle vakant, die angeblich nicht nachbesetzt wird.

Das sind eigentlich kleine Katastrophen für uns in Salzburg, und ich würde Sie sehr bitten, Herr Minister, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen. Denn gerade an den kleinen Universitäten und Fakultäten wirken sich solche Sparmaßnahmen wesentlich katastrophaler aus als an den großen Fakultäten. Wir wissen, daß Entwicklungen der Universitäten nur teilweise planbar sind. Die Wissenschaft ist sehr flexibel.

Zweitens: Zum Hochschulbericht möchte ich nur folgendes sagen: Es ist in fast sämtlichen Studienrichtungen ein Plus zu verzeichnen – von Theologie mit 7 Prozent bis zu den technischen Fächern mit 22 Prozent. Nur Medizin hat ein Minus von 19 Prozent. Es wurde der Trend zum Medizinstudium nach jahrelangem stetigem Ansteigen der Zahl der Studenten gebremst. Ich glaube, daß das gar nicht so schlecht ist, daß gerade in der ärztlichen Ausbildung "Klasse statt Masse" ein Schlagwort sein muß und daß es nur besser werden kann, wenn man bedenkt, daß in Wien 2 500 Ärzte auf eine Ausbildungsstelle warten.

Drittens möchte ich auf den Antrag des Kollegen Pumberger betreffend das Zahnmedizinstudium zu sprechen kommen: Sie haben völlig recht. Der Zustand ist unbefriedigend. Es ist Handlungsbedarf gegeben, vor allem, wenn man bedenkt, daß ab 1. Jänner 1999 die Niederlassungsfreiheit gilt. Das wird ein Problem für uns, denn die Ärzte drängen herein. Österreich ist in einem Vakuum. Ich habe von einigen Kollegen in Deutschland bereits gehört, daß sie sich bei uns niederlassen werden. Wir müssen diese Unsicherheit sowohl bei unseren Kollegen als auch bei den Patienten und bei den Studienanfängern beseitigen.

Es gilt jetzt, Klarheit zu schaffen, sowohl für die Studenten als auch für die Patienten. Aber nicht mit dem Antrag der "F"ler. Der ist mir zuwenig. Erstens wollen wir kein eigenes Zahnmedizinstudium, und zweitens ist der Inhalt sehr mager.

Wir sind für die Beibehaltung des Zahnmedizinstudiums im Rahmen des Medizinstudiums – man kann das nicht trennen (Ruf bei den Freiheitlichen: Günther, tut’s einmal etwas, nicht nur reden!) –, danach soll ein eigenes Studium von drei Jahren folgen. So stellen wir uns das vor, und ich bitte Sie, Herr Minister, da wirklich tätig zu werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Die Redezeit, die Ihnen zur Verfügung steht, beträgt 16 Minuten.

19.24

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Bevor ich mich meinem eigentlichen Redeschwerpunkt, der Evaluation im Hochschulbericht, widme, möchte ich schon noch eine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Grollitsch machen.

Da geht es – wie immer formuliert – gegen Rechtsextremismus, und Herr Abgeordneter Grollitsch kommt zum Rednerpult und sagt: Laßt mir die Burschenschaften in Ruhe – sozusagen alle Burschenschaften unter Rechtsextremismus subsumierend. – Ich habe nicht viel mit Burschenschaften zu tun, aber daß alle rechtsextrem sind, das lasse ich mir von Ihnen auch nicht einreden.

Natürlich, in Ihren Reihen sind jene nicht zu übersehen, die in einer Art primitiver Stammesangehöriger ihre Narben zur Schau tragen, die sie in homophoben sadomasochistischen Initiationsritualen erworben haben, unter Drogeneinfluß, wo sie sich dann gegenseitig schwere Körperverletzungen zufügen. Ich meine, das ist unübersehbar, aber das heißt noch lange nicht, daß Rechtsextremismus und rechtsextreme Burschenschaften nicht etwas sind, wogegen sich andere Fraktionen wehren können, wofür wir auch entsprechende Gesetzesvorlagen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nun zum Hochschulbericht folgendes feststellen: Ich sehe den Hochschulbericht in einer gewissen Kontinuität. Was mich bei diesen Diskussionen von Berichten stört, ist, daß jeder für sich ahistorisch diskutiert wird. Dabei gibt es Entwicklungen.

Als vor drei Jahren der Hochschulbericht vorlag, habe ich in meiner Rede dazu gesagt, daß es mir fachlich nicht gerechtfertigt erscheint, einen Gegensatz zwischen Fernstudien und Präsenzuniversität zu machen, sondern daß sich ganz im Gegenteil aufgrund der neuen technologischen Entwicklung durchaus Synergieeffekte ergeben können. Und – siehe da – im aktuellen Hochschulbericht sind zu meiner Freude bereits derartige Bestrebungen angekündigt, wenn sie auch schwierig umzusetzen sind.

Wir werden nämlich nicht umhin kommen, uns von riesigen, massenhaften Frontalvorlesungen zu verabschieden. Wir werden nicht umhin kommen, uns davon zu verabschieden, Studenten aus ihren Heimatorten wegzubewegen, sondern wir werden sehr wohl die modernen Kommunikationstechnologien nützen müssen, um die Hochschule an den Wohnort der Studenten zu bringen und nicht die Studenten an den Hochschulort.

Was die Evaluierung betrifft, so sind schon sehr große Fortschritte und Berichte über einzelne Forschungsrichtungen, über die Lehre im Hochschulbericht enthalten. Es ist derzeit auch eine Verordnung über Evaluierung in Begutachtung. Und da gibt es gerade von der Hochschülerschaft, die hier so rüde kritisiert wurde, einige sehr positive Anregungen, zum Beispiel was die Veröffentlichung der Arbeitsberichte der Institutsvorstände betrifft, was eine andere Gestaltung des Berichtsformulars betrifft, sodaß sowohl die positiv als auch die negativ abgelegten Prüfungen erkennbar sind, da auch das zur Evaluierung beiträgt.

Eine weitere Anregung ist, didaktische Zentren einzurichten, denn es geht nicht an, daß schlechte Hochschullehrer zwar Jahr für Jahr als schlechte Hochschullehrer bezeichnet werden, dies jedoch völlig folgenlos bleibt. Genauso wie in jedem anderen Beruf besteht sehr wohl Fortbildungspflicht.

In die Evaluierung sollte auch einbezogen werden, inwieweit Frauenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit oder sonstige Diskriminierungen Inhalt der Lehrveranstaltungen sind.

Diese umfassende, transparente Evaluierung ist höchst notwendig und eilig, denn ohne hochschuldidaktische Umstellungen, ohne diese Konsequenzen kann man zumindest mit mir, die ich als einzige Abgeordnete von Wien Innen-West den Wahlkreis mit dem höchsten Studentenanteil vertrete – es gibt keinen anderen Abgeordneten direkt aus diesem Wahlkreis –, über Studiengebühren nicht reden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Horngacher. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

19.30

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dem Hochschulbericht 1996 entnehme ich, daß der Trend eines steigenden Zustromes zu den Universitäten in Österreich, der von den achtziger Jahren bis Mitte der neunziger Jahre ungebrochen war, auch in Zukunft anhalten wird.

Das bedeutet, daß wir in Zukunft sicherlich mit einer weiteren Verschärfung der monetären Situation und der Beschäftigungsprobleme der Akademiker zu tun haben. Laut Bericht waren im März 1996 immerhin 5 572 Hochschulabsolventen beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend gemeldet, und es gibt wirklich nichts Demotivierenderes für einen jungen Menschen mit abgeschlossener Ausbildung, als keinen Arbeitsplatz zu finden.

Daß das derzeitige System zukünftig schwer finanzierbar sein wird, wissen wir alle. Deshalb müssen wir uns ernsthaft überlegen, ob nicht doch die Einführung von Studiengebühren auf Kredit ein sinnvolles, ein ausgewogenes System für die Zukunft sein könnte. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade im ländlichen Raum ist es durch die Streichung der Freifahrt für Studierende zu einem Ungleichgewicht, einer Unausgewogenheit im Vergleich zu den Studierenden im städtischen Bereich gekommen. Während Studierende im ländlichen Raum höhere Anfahrtskosten in Kauf nehmen müssen, können Studierende in der Stadt billige Angebote in Anspruch nehmen. Diesbezüglich sollte Gleichheit hergestellt werden. Deshalb finde ich es gerechter, ein Modell einzuführen, das für Chancengleichheit sorgt.

Mit der Einführung von Studiengebühren auf Kredit hätten die Studierenden die Möglichkeit, unbelastet und motiviert zu studieren. Erst nach Beendigung ihres Studiums wäre die Rückzahlung fällig. Die Gebühren müßten also von den Studierenden nicht sofort bezahlt werden, sondern sie würden von einem Fonds vorgestreckt und sollten nach Studienende zurückgezahlt werden, sobald der ehemalige Student mehr verdient als das Durchschnittseinkommen. Er verdient ja deshalb mehr, weil er studieren konnte, daher soll er es auch zurückzahlen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wäre damit aber auch gewährleistet, daß schlechtverdienende Akademiker, Arbeitslose oder Eltern in Karenz noch nicht belastet werden. Ich sehe dieses Modell als einen zusätzlichen Leistungsanreiz, darüber hinaus wären die Chancen und Möglichkeiten gerechter verteilt.

Die Österreichische Volkspartei steht für Leistung und Chancengleichheit. Daher hoffen wir auch, daß sich andere dieses Modell genauer ansehen und dafür zu gewinnen sein werden. Das derzeitige System hat nämlich nicht bewirkt, daß Bauernkinder und Arbeiterkinder vermehrt an die Universitäten gekommen sind. Es ist vielmehr so, daß 50 Prozent der Ausgaben dem obersten Einkommensdrittel zugute kommen.

Wir haben sehr viele Studienabbrecher und eine zu lange Studiendauer. Was etwas kostet, wird mehr geschätzt, und nach diesem Prinzip sollten wir vorgehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch auf die Bedeutung der Fachhochschulen hinweisen. Die Forcierung dieses Ausbildungssystems könnte eine Aufwertung der Lehre bewirken. Noch immer scheuen Eltern davor zurück, vorwiegend wegen des Imageproblems, ihre Kinder eine Lehre machen zu lassen. Durch eine verbesserte Durchlässigkeit zu den Fachhochschulen könnte die Lehre für Jugendliche wieder attraktiv werden, und die Absolventen dieser Ausbildung haben gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Für Tirol erhoffe ich mir, daß mehr Fachhochschulen gebaut werden, da das besonders für die Bezirke fernab der Universitätsstädte zusätzliche Möglichkeiten einer fundierten und hochquali


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fizierten Ausbildung bedeutet. Daher bin ich dafür – ich werde dies immer wieder sagen –, daß die Fachhochschule Kufstein so schnell wie möglich realisiert wird.

Zur Frau Abgeordneten Motter: Sie haben recht. In diesem Bericht wird der Bereich der Fachhochschulen nur gestreift, doch wir haben vor kurzer Zeit einen sehr umfangreichen Fachhochschulbericht diskutiert.

Herrn Abgeordneten Niederwieser möchte ich sagen, daß ich mich nicht mehr auskenne. Ich habe gelesen, er sei für Studiengebühren, dann ist er es wieder nicht. – Sie sagen mir das am besten einmal selbst; es würde mich interessieren.

Herr Abgeordneter Krüger sagt, er sei gegen Studiengebühren, aber er wird sich als Oppositionspolitiker wahrscheinlich nicht besonders viele Gedanken über die Finanzierung in Zukunft machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Unterschätzen Sie mich nicht!)

19.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorläufig letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Es gilt ebenfalls eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 7 Minuten.

19.36

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zukunftssicherung Österreichs liegt in der Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit, und diese Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit kann nur in einer verbesserten Ausbildung liegen. Nur so können wir die Position Österreichs im internationalen Vergleich aufrechterhalten beziehungsweise verbessern.

Deshalb freut es mich ganz besonders, daß die positive Entwicklung im Bereich der internationalen Beziehungen, der Öffnung und der Bildungskooperation der Universitäten eingeleitet wurde. Diesbezüglich wurde im Berichtszeitraum einiges geleistet.

Es gibt bereits eine Vielzahl an Stipendien und Austauschprogrammen für Studien und wissenschaftliche Arbeiten, die von österreichischen Studierenden und Lehrenden in Anspruch genommen werden können. Natürlich haben Österreichs Studierende und Lehrende seit dem EU-Beitritt in diesem Bereich noch mehr Möglichkeiten zur Beteiligung an Bildungsprogrammen.

Um die Beteiligung an solchen Programmen zu unterstützen, wurde unsere nationale Betreuungseinrichtung erweitert und neu strukturiert, aber noch immer findet die Beteiligung nicht in dem Ausmaß statt, wie ich es mir wünschen würde.

Zum Beispiel wird das Programm zur Ausbildung und Mobilität von Wissenschaftern mit dem Kürzel TMR in Österreich noch viel zuwenig in Anspruch genommen – beispielsweise wurde im Aktionsbereich 2, das ist der Zugang zu Großforschungsanlagen, kein einziger Antrag aus Österreich beziehungsweise mit österreichischer Beteiligung eingereicht.

Allgemein kann man jedoch sagen, daß an den EU-Forschungsprogrammen im Zuge des 4. Rahmenprogramms Forscher und Forscherinnen aus Österreich mit über 1 400 Projektanträgen dabei waren, und von diesen 1 400 Projektanträgen wurden etwa 300 eine EU-Finanzierung bewilligt. Damit liegt Österreich mit einer Erfolgsquote von zirka 20 Prozent im europäischen Durchschnitt.

Noch kurz ein paar Worte zu den Möglichkeiten des Fernstudiums: Ich bin sehr froh, daß wir das mit dem Hochschul-Studiengesetz 1995 auch an unseren Universitäten eingeführt haben. Ich hoffe, daß diese Möglichkeiten erweitert und auch entsprechend genützt werden. Diesbezüglich liegt eine durchaus kostensparende und ressourcenschonende Perspektive für die Zukunft vor, gerade für Menschen im ländlichen Raum oder für Berufstätige, die an einem Ort leben, an dem sich keine Hochschule befindet. Für solche Personen würde sich dadurch eine bessere Möglichkeit ergeben, ein Hochschulstudium abzuschließen.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Hochschulbericht ist im großen und ganzen sehr ordentlich, gut gestaltet, sehr übersichtlich. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei den Beamten des Ministeriums und nehme diesen Hochschulbericht gerne zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters findet nicht statt.

Ich bitte jetzt, die Plätze einzunehmen, wir kommen zu einigen Abstimmungen . (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung; diese erfolgt über jeden Ausschußantrag getrennt.

Zunächst stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung, den vorliegenden Bericht III-53 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen .

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 377 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Brauneder und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Ziffer 2 des Gesetzentwurfes bezieht.

Ich werde zunächst über die vom Abänderungsantrag betroffenen Teile, hierauf über diese und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teil des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Brauneder und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 2 des Gesetzentwurfes eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über die Ziffer 2 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Da die Ziffer 2 § 2a Absatz 2 in der Fassung des Ausschußberichtes eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Absatz 2 Ziffer 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Ziffer 2 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen worden.

Ich stelle wiederum ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung, seinen Bericht 378 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Hinsichtlich der verteilten Mitteilung über die Zuweisungen gebe ich bekannt, daß die Regierungsvorlage 386 der Beilagen aufgrund eines Versehens unter jenen Vorlagen aufscheint, die dem Gesundheitsausschuß zugewiesen werden. Ich berichtige diesen Fehler und teile mit, daß die Vorberatung der Regierungsvorlage 386 der Beilagen durch den Ausschuß für Arbeit und Soziales erfolgt.

Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 313/A bis 324/A eingebracht worden sind.

Ferner sind die Anfragen 1412/J bis 1457/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 19.44 Uhr – das ist sogleich im Anschluß an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 19.44 Uhr