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55. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 31. Jänner, und Donnerstag, 1. Feber 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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55. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 31. Jänner, und Donnerstag, 1. Feber 2001

 

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 31. Jänner 2001: 9.02 – 24.00 Uhr

Donnerstag, 1. Feber 2001: 0.00  – 0.45 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema "Ergebnisse des Europäischen Gipfels von Nizza"

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über die Einrichtung einer unabhängigen Regulierungsbehörde in den Bereichen audiovisuelle Medien und Telekommunikation erlassen wird, ein Bundesgesetz über die Einrichtung der "Kommunikations-Kommission Austria" ("KommAustria") erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Kartellgesetz und das Signaturgesetz geändert werden

3. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat (UBKS-G)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 345/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz – RRG geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 347/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz (RRG), BGBl. Nr. 506/1993, idF BGBl. Nr. I 51/2000, geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 350/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

8. Punkt: Bericht und Antrag betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie


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55. Sitzung / Seite 2

zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes

9. Punkt: Bericht über den Dreiundzwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 1999)

10. Punkt: Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen

11. Punkt: Bericht über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 1999

12. Punkt: Bericht über den Antrag 351/A der Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz geändert wird (Poststrukturgesetz-Novelle 2000)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird

14. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen

15. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen

16. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

17. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll

18. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

19. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 1 bis 5 und die Bürgerinitiativen 1 und 2

20. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (325/A)

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Harald Fischl 21

Angelobung der Abgeordneten Evelyn Freigaßner 21

Personalien

Verhinderungen 21


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55. Sitzung / Seite 3

Geschäftsbehandlung

Einwendungen der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic gegen die Tagesordnung gemäß § 50 der Geschäftsordnung 21

Durchführung einer Debatte gemäß § 50 Abs. 1 der Geschäftsordnung 37

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 37

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 38

Dr. Josef Cap 39

Dr. Michael Krüger 41

Mag. Terezija Stoisits 42

Peter Schieder 43, 48

Dr. Michael Spindelegger 44

Helmut Haigermoser 45

Karl Öllinger 46

Dr. Andreas Khol 47

Einwendungen finden keine Mehrheit 48

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1420/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 48

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 106

Redner:

Dr. Evelin Lichtenberger 106

Gerhard Reheis 108

Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 109

Mag. Karin Hakl 111

Mag. Reinhard Firlinger 112

Dr. Gabriela Moser 113

Antrag des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 18/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen 49

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 49

Redner:

Dr. Peter Kostelka 114

Dr. Caspar Einem 117

Rosemarie Bauer 117

Dr. Martin Graf 118

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 120

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 121

Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 98/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und


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55. Sitzung / Seite 4

Genossen betreffend Änderung von Wahlordnungen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 30. Juni 2001 zu setzen 49

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 49

Redner:

Dr. Andreas Khol 121

Dr. Günther Kräuter 123

Paul Kiss 124

Dr. Reinhard Eugen Bösch 126

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 126

Annahme des Fristsetzungsantrages 127


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55. Sitzung / Seite 5

Antrag des Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 16/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem demokratische Grundrechte für nichtösterreichische StaatsbürgerInnen sichergestellt werden sollen, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 1. März 2001 zu setzen 49, 53

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 49

Redner:

Karl Öllinger 128

DDr. Erwin Niederwieser 130

Mag. Walter Tancsits 131

Dr. Helene Partik-Pablé 132

Mag. Terezija Stoisits 133

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 134

Antrag des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über die Anträge 67/A, 68/A, 81/A, 150/A, 169/A, 170/A und 329/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen und über den Antrag 333/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen – Ablehnung 49, 239

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Ausschussberichte 475 und 476 d. B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung 49

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 53

Unterbrechung der Sitzung 106

Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, die Regierungsvorlage 400 d. B. in der Fassung des Ausschussberichtes 468 und Zu 468 d. B. gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungssausschuss rückzuverweisen – Ablehnung 147

Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, den gemäß § 27 GOG über den Bundeskommunikationssenat eingebrachten Antrag in der Fassung des Ausschussberichtes 469 d. B. gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungssausschuss rückzuverweisen – Annahme 151

Antrag der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka, Dr. Michael Krüger und Genossen, den Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat (UBKS-G) (469 d. B.) gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Verfassungsausschuss rückzuverweisen – Annahme 151

Aktuelle Stunde (11.)

Thema: "Blau-schwarzer Raubbau an der Bildungsqualität"

Redner:

Dieter Brosz 22

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 25, 31, 37

Dr. Dieter Antoni 26

Dr. Gertrude Brinek 27

Mag. Karl Schweitzer 28

Dr. Alexander Van der Bellen 30

Beate Schasching 32

Mag. Walter Tancsits 33

Dr. Martin Graf 34

Theresia Haidlmayr 36

Ausschüsse

Zuweisungen 50, 238

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema "Ergebnisse des Europäischen Gipfels von Nizza" 53

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 53

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 53

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 60

Dr. Andreas Khol 63

Dr. Peter Kostelka (tatsächliche Berichtigung) 66

Dr. Andreas Khol (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 66

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigung) 66

Dr. Alexander Van der Bellen 67

Ing. Peter Westenthaler 70

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 74

Dr. Caspar Einem 78

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 79

Dr. Michael Spindelegger 79

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) 81

Mag. Ulrike Lunacek 81

Mag. Karl Schweitzer 83

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 85

Mag. Andrea Kuntzl 86

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 88

Dr. Evelin Lichtenberger 89

Wolfgang Jung 91

Dr. Peter Kostelka 93

Mag. Ulrike Lunacek (tatsächliche Berichtigung) 94

Georg Schwarzenberger 95


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55. Sitzung / Seite 6

Peter Schieder 96

Mag. Rüdiger Schender 98

Walter Murauer 99

Dr. Gerhard Kurzmann 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen betreffend Neutralität, Sicherheitsdoktrin und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union – Ablehnung 83, 102

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (400 d. B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über die Einrichtung einer unabhängigen Regulierungsbehörde in den Bereichen audiovisuelle Medien und Telekommunikation erlassen wird, ein Bundesgesetz über die Einrichtung der "Kommunikations-Kommission Austria" ("KommAustria") erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Kartellgesetz und das Signaturgesetz geändert werden (468 und Zu 468 d. B.) 102

Redner:

Dr. Josef Cap 102

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 104

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 134

Dr. Michael Krüger 136

Peter Schieder 138

Staatssekretär Franz Morak 139

Mag. Walter Tancsits 142

Mag. Reinhard Firlinger 143

Dr. Andrea Wolfmayr 144

Jutta Wochesländer 145

Dr. Sylvia Papházy, MBA 146

keine Beschlussfassung im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung 148

3. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat (UBKS-G) (469 d. B.) 148

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 148

Mag. Helmut Kukacka 149

Annahme der beiden Rückverweisungsanträge 151

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (401 d. B.): Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G) (470 und Zu 470 d. B.) 151

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 345/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz – RRG geändert wird (471 d. B.) 151

6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 347/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein


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55. Sitzung / Seite 7

Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz (RRG), BGBl. Nr. 506/1993, idF BGBl. Nr. I 51/2000, geändert wird (472 d. B.) 151

Redner:

Dr. Josef Cap 152

Mag. Cordula Frieser 153

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 154

Staatssekretär Franz Morak 158

Dr. Michael Krüger 159

Annahme des Gesetzentwurfes in 470 und Zu 470 d. B. 161

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 471 und 472 d. B. 161

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 350/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (475 d. B.) 162

8. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes (476 d. B.) 162

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 162

Dr. Andreas Khol 164

Dr. Michael Krüger 166

Mag. Terezija Stoisits 168

Mag. Walter Posch 171

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 173

Dr. Harald Ofner 174

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 176

Dr. Gottfried Feurstein 180

Dr. Reinhard Eugen Bösch 181

Karl Öllinger 182

Dr. Werner Fasslabend 184

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Michael Krüger, Dr. Andreas Khol, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend das Ergebnis der Restitutionsverhandlungen – Annahme (E 53) 165, 186

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 475 und 476 d. B. 185

9. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Dreiundzwanzigsten Bericht (III-39 d. B.) der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 1999) (359 d. B.) 186

Redner:

Dr. Ilse Mertel 186

Mag. Cordula Frieser 188

Dr. Sylvia Papházy, MBA 189

Dieter Brosz 190

Dr. Günther Kräuter 192


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55. Sitzung / Seite 8

Karl Donabauer 192

Edith Haller 193

Volksanwalt Horst Schender 194

Volksanwältin Dr. Christa Krammer 197

Kenntnisnahme des Berichtes 197

10. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (272 d. B.): Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen (398 d. B.) 197

Redner:

Dr. Caspar Einem 197

Dr. Michael Spindelegger 199

Wolfgang Jung 199

Mag. Ulrike Lunacek 201, 207

Dr. Michael Spindelegger (tatsächliche Berichtigung) 202

Mag. Walter Posch 203

Edeltraud Gatterer 204

Helmut Haigermoser 205

Genehmigung des Staatsvertrages 207

11. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss (III-60 d. B.) für das Jahr 1999 (439 d. B.) 207

Redner:

Mag. Werner Kogler 207

Ing. Kurt Gartlehner 208

Mag. Martina Pecher 209

Mag. Gilbert Trattner 210

Johann Kurzbauer 210

Hans Müller 21


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55. Sitzung / Seite 9

1

Edeltraud Lentsch 211

Hermann Böhacker 21


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55. Sitzung / Seite 10

2

Jakob Auer 213

Rudolf Edlinger 213

Robert Egghart 215

Annahme des Gesetzentwurfes 216

12. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 351/A der Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz geändert wird (Poststrukturgesetz-Novelle 2000) (435 d. B.) 216

Redner:

Kurt Eder 216

Mag. Reinhard Firlinger 217

Mag. Werner Kogler 218

Günter Kiermaier 219

Mag. Helmut Kukacka 220

Dr. Evelin Lichtenberger 221

Mag. Kurt Gaßner 222

Josef Edler 223

Rainer Wimmer 224

Annahme des Gesetzentwurfes 225

13. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (392 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird (434 d. B.) 225

Redner:

Dkfm. Dr. Hannes Bauer 225

Hans Müller 225

Annahme des Gesetzentwurfes 226

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (271 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (432 d. B.) 226

15. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (299 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (433 d. B.) 226

16. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (353 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (430 d. B.) 226

17. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (279 d. B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (431 d. B.) 227

18. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (354 d. B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (429 d. B.) 227

Genehmigung der fünf Staatsverträge in 271, 299, 353, 279 und 354 d. B. 227

19. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 1 bis 5 und die Bürgerinitiativen 1 und 2 (302 d. B.) 227

Redner:

Mag. Gisela Wurm 228

Edeltraud Gatterer 229

Dr. Gerhard Kurzmann 230

Theresia Haidlmayr 231

Dr. Robert Rada 232

Hermann Gahr 233

Gabriele Heinisch-Hosek 233

Anton Heinzl 234

DDr. Erwin Niederwieser 235

Entschließungsantrag der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend die Erlassung von eindeutigen Rechtsgrundlagen zur Ahndung von Verstößen gegen die Ökopunktepflicht – Ablehnung 236

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 236

20. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (325/A) 236

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 237

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 237

Dr. Harald Ofner 238

Mag. Terezija Stoisits 238

Zuweisung des Antrages 325/A an den Justizausschuss 238

Eingebracht wurden

Volksbegehren 50

445: Volksbegehren neue EU-Abstimmung

Petition 50

Petition betreffend "für die Sicherheit der Schulkinder" (Ordnungsnummer 20) (überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl )

Bürgerinitiative 50

Bürgerinitiative betreffend "Resolution gegen Kürzungen im Bildungsbereich" (Ordnungsnummer 16)

Regierungsvorlagen 50, 51

421: Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)

422: Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz – GewRÄG

423: Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz – Pkw-VIG

424: Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

428: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial und das Waffengesetz 1996 geändert werden sowie ein Truppenaufenthaltsgesetz erlassen wird

Berichte 50, 52, 53

III-83: Bericht betreffend die Jahresberichte 1996 bis 1999 der Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten und Stellungnahme des Bundesministers für Landesverteidigung; BM f. Landesverteidigung

III-85: Restitutionsbericht 1999/2000; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur

III-86: Bericht betreffend den Dritten Bericht zum Stand der Verwirklichung der Gleichbehandlung und Frauenförderung im Bundesdienst (Gleichbehandlungsbericht 2000); Bundesregierung

III-87: Bericht betreffend Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin; Analyse-Teil; Bundesregierung


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Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 11

III-88: Bericht betreffend jüngste Entwicklungen der Südtirol-Autonomie; BM f. auswärtige Angelegenheiten

Vorlage 19 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2000; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend die Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes (365/A) (E)

Dieter Brosz und Genossen betreffend Lehramtszeugnis für Behinderte (366/A) (E)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rundfunkgesetz, BGBl. 379/1984, idF BGBl. I 159/1999, geändert wird (367/A)

Beate Schasching und Genossen betreffend Aufforderung an die Bundesregierung zur Vorlage eines umfassenden Konzeptes für die Förderung der aktiven Sportausübung (368/A) (E)

Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend Sonder-Maßnahmenpaket zur Ausbildung von Experten in Informations- und Kommunikationsberufen (369/A) (E)

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung einer "Kommunikationsbehörde Austria" ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates erlassen wird sowie das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Signaturgesetz und das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 geändert werden (370/A)

Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Günter Kiermaier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird (371/A)

Dr. Peter Pilz und Genossen betreffend Neutralität und Sicherheitsdoktrin (372/A) (E)

Karlheinz Kopf, Ing. Gerhard Fallent und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989, geändert wird (373/A)

Anfragen der Abgeordneten


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55. Sitzung / Seite 12

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1778/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1779/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1780/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1781/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1782/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1783/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1784/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1785/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1786/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1787/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1788/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Europäischer Rat in Nizza – Auswirkungen auf nationale Politik (1789/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Umsetzung der Biodiversitätskonvention im Bereich Land- und Forstwirtschaft (1790/J)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Abwasseremissionen der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig (1791/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Struktur- und Aufgabenreform (1792/J)

Mag. Walter Posch und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Tauernschleuse zwischen Mallnitz und Böckstein (1793/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 13

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abdul M. Jebara (1794/J)

Dr. Peter Pilz und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Übergriffe der Polizei und Gendarmerie (Statistik 1999) (1795/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Einsparung der Bundessozialämter (1796/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1797/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1798/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1799/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1800/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1801/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1802/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1803/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1804/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1805/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1806/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Vertretung in Aufsichtsräten, Beiräten, Kommissionen und anderen Gremien (1807/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Weisungsgebarung des ehemaligen Justizministers Michalek (1808/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Finanzierung von Flügen – Parteiführertreffen der EDU – Zukunftskongress in Alpbach (1809/J)

Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Berufsschullehrer im dualen Ausbildungssystem (1810/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verfahren im Zusammenhang mit dem Konkurs Dkfm. Walter Pelzl beziehungsweise Europabank (1811/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Skurrilitäten ihrer bisherigen Amtsführung (1812/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Erreichung des Kyoto-Ziels im Bezug auf CO2-Emmissionen aus der Erzeugung von Raumwärme (1813/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 14

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend geplante Schließung der IESG – Abteilung Leoben (1814/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend geplanten Abbau des ArbeitnehmerInnenschutzes (1815/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Aufforderung zum Missbrauch des Aufsichtsrechtes (1816/J)

Beate Schasching und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend die Finanzierung für die Spitzensportler im Behindertensport (1817/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausserfernbahn (1818/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Änderung der Pflegegeldeinstufung (1819/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes für das Verwaltungsjahr 1999 (1820/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "funktionaler Ortskern" in Amstetten (1821/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Computer- und Interneteinsatz in Volksschulen (1822/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Drogensituation in Österreich (1823/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Drogensituation in Österreich (1824/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Drogensituation in Österreich (1825/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einvernahme von Peter Pilz durch die "SOKO-Datenmißbrauch" (1826/J)

Karl Dobnigg und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bahnhofsumbau Leoben (1827/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Werbeverpflichtung für Salzburger Schulen auf der Schul-Homepage (1828/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Sanierung der Fischer Deponie (1829/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 15

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend illegale Beschaffung sensibler Daten durch Peter Pilz (1830/J)

Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Aussagen des slowakischen Präsidenten Rudolf Schuster (1831/J)

Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Legasthenie in Österreich (1832/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Nötigung eines Staatsanwaltes durch den Journalisten Alfred Worm (1833/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Nötigung des Chefs der Wirtschaftspolizei durch den Journalisten Alfred Worm (1834/J)

Ing. Kurt Gartlehner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Unterhaltszahlungen und subsidiäre Verpflichtungen (1835/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Bundesstraßentunnels (1836/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausgliederung des Bundes: ÖBB (1837/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Magnetfeldtherapie (1838/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Antibiotikaeinsatz im Obstbau (1839/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1517/AB zu 1599/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (1518/AB zu 1602/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1519/AB zu 1654/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (1520/AB zu 1515/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1521/AB zu 1525/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Robert Egghart und Genossen (1522/AB zu 1506/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler und Genossen (1523/AB zu 1507/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen (1524/AB zu 1519/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen (1525/AB zu 1529/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (1526/AB zu 1552/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1527/AB zu 1562/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Ludmilla Parfuss und Genossen (1528/AB zu 1566/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brunhilde Plank und Genossen (1529/AB zu 1576/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (1530/AB zu 1585/J)

des Präsidenten des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1531/AB zu 1601/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen (1532/AB zu 1551/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1533/AB zu 1518/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1534/AB zu 1536/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1535/AB zu 1554/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1536/AB zu 1561/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (1537/AB zu 1590/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1538/AB zu 1526/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen (1539/AB zu 1514/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen (1540/AB zu 1520/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (1541/AB zu 1583/J)

des Präsidenten des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1542/AB zu 1666/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1543/AB zu 1524/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen (1544/AB zu 1530/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1545/AB zu 1538/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1546/AB zu 1542/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (1547/AB zu 1549/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1548/AB zu 1567/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1549/AB zu 1598/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen (1550/AB zu 1547/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Georg Oberhaidinger und Genossen (1551/AB zu 1573/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1552/AB zu 1570/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1553/AB zu 1568/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1554/AB zu 1613/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (1555/AB zu 1508/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1556/AB zu 1533/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (1557/AB zu 1556/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1558/AB zu 1521/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1559/AB zu 1544/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1560/AB zu 1535/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Robert Rada und Genossen (1561/AB zu 1557/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1562/AB zu 1607/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (1563/AB zu 1511/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Johannes Schweisgut und Genossen (1564/AB zu 1510/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1565/AB zu 1516/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 18

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Inge Jäger und Genossen (1566/AB zu 1555/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (1567/AB zu 1558/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1568/AB zu 1564/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1569/AB zu 1553/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1570/AB zu 1594/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1571/AB zu 1603/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Robert Rada und Genossen (1572/AB zu 1604/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1573/AB zu 1627/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1574/AB zu 1541/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1575/AB zu 1565/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1576/AB zu 1608/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1577/AB zu 1655/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen (1578/AB zu 1575/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1579/AB zu 1569/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brunhilde Plank und Genossen (1580/AB zu 1577/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1581/AB zu 1597/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brunhilde Plank und Genossen (1582/AB zu 1642/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1583/AB zu 1663/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1584/AB zu 1595/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (1585/AB zu 1578/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 19

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (1586/AB zu 1589/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1587/AB zu 1600/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1588/AB zu 1609/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1589/AB zu 1621/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1590/AB zu 1616/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (1591/AB zu 1692/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (1592/AB zu 1582/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (1593/AB zu 1584/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1594/AB zu 1615/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (1595/AB zu 1696/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1596/AB zu 1634/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1597/AB zu 1581/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1598/AB zu 1579/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Emmerich Schwemlein und Genossen (1599/AB zu 1587/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1600/AB zu 1622/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (1601/AB zu 1586/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (1602/AB zu 1580/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1603/AB zu 1611/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Robert Egghart und Genossen (1604/AB zu 1630/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 20

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen (1605/AB zu 1688/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1606/AB zu 1699/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1607/AB zu 1700/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen und Genossen (1608/AB zu 1649/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1609/AB zu 1624/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1610/AB zu 1623/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (1611/AB zu 1625/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1612/AB zu 1614/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (1613/AB zu 1619/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1614/AB zu 1612/J)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1615/AB zu 1679/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1616/AB zu 1660/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen (1617/AB zu 1610/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (Zu 1513/AB zu 1540/J)

*****

der Obfrau des Ausschusses für Menschenrechte auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (11/ABPR zu 11/JPR)

 

 


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 21

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
55. Sitzung / Seite 22

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich bitten, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 55. Sitzung des Nationalrates, die für heute, 9 Uhr, einberufen wurde.

Das Amtliche Protokoll der 54. Sitzung vom 18. Jänner ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und ohne Einspruch geblieben; es gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Schweisgut und Ing. Maderthaner.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde liegt mir die Mitteilung vor, dass Herr Abgeordneter Harald Fischl auf sein Mandat verzichtet hat und an seiner Stelle Frau Evelyn Freigaßner in den Nationalrat berufen wurde.

Der Wahlschein liegt vor, und die Genannte ist, wie mir berichtet wird, im Hause anwesend, sodass ich sogleich die Angelobung vornehmen werde.

Ich darf Frau Schriftführerin Annemarie Reitsamer bitten, die Gelöbnisformel zu verlesen. Die neue Mandatarin wird sodann mit den Worten "Ich gelobe" ihre Angelobung leisten.

Ich darf die Frau Schriftführerin bitten.

Schriftführerin Annemarie Reitsamer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordnete Evelyn Freigaßner (Freiheitliche): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße die neue Kollegin herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß § 50 (1) GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

9.05

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Einwendungen und das Verlangen liegen auch schriftlich vor. Die Grünen verlangen die Absetzung der Tagesordnungspunkte 2, 3, 4, 5 und 6. Das betrifft die Regelung über die Medien, vor allem die Regelung über die "KommAustria", weil wir der Meinung sind, dass das in dieser Form noch nicht entscheidungsreif ist und einer seriösen Debatte in einem Unterausschuss bedarf.

Ich ersuche, über dieses Verlangen nach der Aktuellen Stunde eine kurze Debatte durchzuführen.

9.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Sie haben die Einwendungen gehört. Wenn der Präsident den Einwendungen nicht beitritt, hat der Nationalrat darüber zu befinden, eine Debatte durchzuführen. Unserer bisherigen Praxis gemäß wird die Debatte nach einer Aktuellen Stunde oder nach einer Fragestunde durchgeführt, damit die zeitliche Ordnung nicht durcheinander kommt.

Ich mache von der Möglichkeit nach § 50 der Geschäftsordnung Gebrauch, die Redezeit in der Einwendungsdebatte auf 5 Minuten zu beschränken. Die maximale Rednerzahl pro Fraktion wäre drei, muss aber nicht ausgeschöpft werden.

Weitere Einwendungen liegen nicht vor? – Man könnte nämlich die Debatte über mehrere Einwendungen gemeinsam führen.

Die Einwendungsdebatte wird also nach der Aktuellen Stunde stattfinden.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen jetzt zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Blau-schwarzer Raubbau an der Bildungsqualität"

Als Erster gelangt ein Vertreter der antragstellenden Fraktion mit einer Redezeit von 10 Minuten zur Begründung zu Wort. – Herr Abgeordneter Dieter Brosz, Sie haben das Wort. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

9.07

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Grünen haben heute angesichts einer Entwicklung, die auch andere Themen für eine Aktuelle Stunde durchaus zugelassen hätte, das Thema Bildungspolitik gewählt, und wir haben auch einen sehr scharfen Titel gewählt: Wir sprechen von einem "Raubbau" dieser Bundesregierung an der Bildungsqualität.

Es wurden in diesem Hause mit den Budgetbegleitgesetzen, mit dem Finanzausgleich Beschlüsse gefasst – nicht von unserer Fraktion, sondern von Ihnen, teilweise leider auch mit Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion –, wodurch in Österreich, nach vorsichtigen Schätzungen, bis zum Ende dieser Legislaturperiode 7 000 Lehrerarbeitsposten abgebaut werden sollen. Und wenn die Bundesregierung ihre Ankündigung wahr macht, nämlich die Personalkosten einzufrieren, dann geht es noch um einige tausend Dienstposten mehr.

Es ist in diesem Zusammenhang von 12 000 Dienstposten die Rede. Das muss man sich einmal vorstellen! Das ist ein Zehntel der österreichischen LehrerInnen, die da in den nächsten paar Jahren abgebaut werden sollen. Wir halten das für einen absoluten Raubbau an der Bildungsqualität! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Vereinbarungen – und das ist es, was mich in der Vergangenheit wirklich massiv gestört hat – wurden von den Regierungsfraktionen – leider auch von Ihnen, Frau Bundesministerin – immer so dargestellt, als ginge es da um Privilegien für Lehrer und Lehrerinnen. – Wir sehen das überhaupt nicht so. Und ich muss Ihnen auch sagen, dass Ihre laufende Kritik daran, dass hier Falschinformationen verbreitet würden und das Panikmache sei (Abg. Böhacker: So ist es!), aus unserer Sicht absolut untragbar ist. (Abg. Mag. Schweitzer: Wir werden den Nachweis erbringen!)

Es sind in Österreich wirkliche Errungenschaften in der Bildungspolitik und in der Bildungsqualität gefährdet. Es geht in Wien unter anderem um den muttersprachlichen Unterricht. – Herr Kollege Schweitzer von der freiheitlichen Fraktion, Sie wissen, wovon wir reden. Sie wissen, dass Sie in Ihren Wahlkämpfen in Wien massiv Stimmung gegen Integrationsmaßnahmen,


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gegen muttersprachlichen Unterricht und gegen dessen Sinnhaftigkeit gemacht haben. Genau das ist jetzt gefährdet! (Beifall bei den Grünen.)

Wir hatten 2 000 Dienstposten – Frau Bundesministerin, das frage ich auch Sie ganz konkret –, die für besondere Maßnahmen im Integrationsbereich gewidmet waren. Wo sind diese Dienstposten, wenn das, was da kommen soll, Wirklichkeit wird? Diese zusätzlichen Dienstposten und Fördermaßnahmen wird es nicht mehr geben; sie werden in die normale Stundenzahl eingerechnet. Was passieren wird, ist klar: Der Normalunterricht, das, was nicht verändert werden kann, wird weiterhin stattfinden; das ist auch jetzt schon klar.

Sie können von "Panikmache" reden, wie Sie wollen – wir schauen uns an, was die Zuständigen in den Ländern sagen.

Schauen Sie sich beispielsweise an, was in Wien Landesschulinspektor Weidinger an Information an die Schulen weitergibt; er ist für die Pflichtschulen in Wien zuständig. Sie können uns nicht vorwerfen, wir würden "Panikmache" betreiben, wenn von den Verantwortlichen die entsprechenden Zahlen vorgelegt werden. Weidinger sagt, dass in Wien im nächsten Jahr bis zu 1 000 Dienstposten einzusparen sind; in dieser Legislaturperiode bis zu 1 500. – Das sind Fakten!

Davon betroffen sind etwa auch Integrationsmaßnahmen – und vor allem im Bereich der Behindertenpolitik wird in unverantwortlichem Maße gekürzt. Da geht es um Kürzungen um die Hälfte, um zwei Drittel, und das ist unverantwortlich. (Beifall bei den Grünen.)

Da Sie immer von "Panikmache" reden: Wir bekommen auch konkrete Fälle zugetragen. Es gibt in Niederösterreich Ankündigungen dahin gehend, was in Volksschulen passieren wird. Ich kann Ihnen auch die konkreten Fälle nennen. Da sollen Volksschulklassen zusammengelegt werden, und zwar nicht nur Parallelklassen. Da sollen dritte und vierte Volksschulklassen zusammengelegt werden, weil auf einmal ein, zwei Schüler fehlen, weil die entsprechenden Schülerzahlen nicht gegeben sind. Und selbst in Fällen, in denen absehbar ist, dass im nächsten Jahr, im übernächsten Jahr die Schülerzahlen wieder da sein werden, wird die Struktur angegriffen: LehrerInnen werden abgebaut, sie werden nicht mehr in den Schulen sein. Es werden Drittklassler, Viertklassler zusammengesetzt. – Das erinnert mich an längst vergangene Zeiten.

Natürlich könnte man über pädagogische Konzepte reden, aber darum geht es ja nicht. Aus Spargründen werden Klassengemeinschaften zerstört, werden Lehrer auf die Straße gesetzt. Ich frage mich: Welche Bildungspolitik ist denn das bitte? (Beifall bei den Grünen.)

Schauen wir uns die Situation in verschiedenen Bereichen an, beispielsweise in den Sonderschulen. Dort sind die Auswirkungen besonders drastisch, und zwar deshalb, weil dort in Integrationsklassen, in Klassen mit Behinderten, mit Schwerbehinderten, nicht nur ein Lehrer tätig ist, sondern auch zusätzliche Lehrkräfte zur Unterstützung in diesen Klassen sind. Diese Lehrer werden keine Mehrdienstleistungen mehr erhalten – das ist in Wien auch schon bekannt –, und das wird zur Folge haben, dass nicht mehr in allen Stunden, dort, wo Schwerbehinderte in der betreffenden Klasse sind, auch ein Integrationslehrer anwesend ist.

Ich frage Sie, ich frage die Zuständigen: Übernehmen Sie die Verantwortung für diese Situation? Übernehmen Sie die Verantwortung, wenn dort, beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen, etwas passiert? – Ich glaube das nicht. Ich glaube, die Lehrer werden da ordentlich im Regen stehen gelassen. (Beifall bei den Grünen.)

Nachdem Sie sicherlich die Situation in Deutschland verfolgen, wissen Sie ja, was in Deutschland passiert. (Unruhe im Sitzungssaal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) In Deutschland gab es in den Ländern eine ähnliche Situation: Es sind dort Dienstposten in großer Zahl abgebaut worden – und das hatte zur Folge, dass natürlich auch die Zahl der Studierenden zurückgegangen ist. Es gab nur sehr geringe Aussichten auf einen Job, und die Folge ist, dass in Deutschland bereits Lehrer abgeworben werden. Die Bundesländer werben sich gegenseitig Lehrkräfte ab. Es gibt einen eklatanten Lehrermangel.


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Diese Situation wird es in absehbarer Zeit auch in Österreich geben. Sie kennen es aus dem HTL-Bereich, aus dem Bereich der Technologieausbildungen. Genau dort, wo Sie davon reden, dass investiert werden muss, haben wir das Problem, dass die Ausbildungsplätze nicht zur Verfügung gestellt werden können, weil es einen Lehrermangel gibt. Diesen Mangel gibt es unter anderem deshalb, weil Sie nach wie vor nicht in der Lage sind, das, was bereits lange angekündigt ist, nämlich ein unterschiedliches, ein anderes Gehaltssystem mit höheren Einstiegsgehältern, auch tatsächlich umzusetzen.

Wenn Sie es nicht schaffen, den Lehrerdienst so attraktiv zu gestalten, dass die Lehrer auch wieder in die Schulen kommen, und wenn es Ihnen nicht gelingt, Lehrern, die jetzt weggehen, solche Angebote zu machen, dass sie nicht mit 10 000 S weniger wieder zurückwechseln sollen, dann werden Sie in zwei, drei Jahren, von mir aus in fünf Jahren, vor dieser Situation stehen. Ich frage mich nur, ob Sie das auch wollen und ob Ihnen das in diesem Ausmaß wirklich bewusst ist. (Abg. Großruck: Der Frau Minister ist mehr bewusst, als du glaubst!)

Nun in kurzen Punkten das, was wir uns vorstellen. – Was haben bitte höhere Klassenschülerzahlen mit modernem Unterricht zu tun? Es ist ganz klar – und das habe ich von Ihnen sehr gern gehört; ich teile da Ihre Ansicht –, dass man in einer Zeit, in der Wissen sehr rasch wächst, auch andere Wege gehen muss. Es müssen im Bereich des Wissen-Managements Fortschritte erzielt werden, es müssen auch andere Kompetenzen gefördert werden, soziale Kompetenzen etwa. Es geht gar nicht mehr so sehr um Detailwissen, es geht vor allem auch um einen attraktiven Fremdsprachenunterricht. Und genau in dieser Situation erhöhen Sie, erhöht die Bundesregierung, speziell auch die Kollegen von der FPÖ, die Klassenschülerzahlen. Das hat relativ wenig Aussicht auf Erfolg. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie sind sie im internationalen Schnitt?)

Die einzigen, die Ihnen zustimmen, sind interessanterweise die Gewerkschaften. Das ist etwas, was mich schon ziemlich verwundert. Sie sagen, die Lehrer betreiben Panikmache, die Schüler betreiben Panikmache, die Eltern betreiben Panikmache, alle sind panisch, alle rennen durch die Gegend – nur mit den Gewerkschaften haben Sie sich geeinigt.

Es gibt ein Modell, ein Jahresarbeitsnorm-Modell, über das in der nächsten Woche unter den Lehrern abgestimmt werden wird, dem interessanterweise – es ist ja weniger interessant, dass die Fraktion Christlicher Gewerkschafter da mitstimmt – auch die sozialdemokratischen Gewerkschafter durchaus positiv gegenüberstehen. (Abg. Mag. Schweitzer: Alois Denk!)

Mit diesem Jahresarbeitsnorm-Modell sollen die Sparziele der Bundesregierung eins zu eins umgesetzt werden. Ich frage mich: Was ist der Hintergrund, was ist die Begründung dafür, dass eine Gewerkschaft zustimmt, ein Sparpaket von 2 Milliarden Schilling umzusetzen? Das würde mich wirklich interessieren. (Abg. Mag. Schweitzer: Wer ist der Alois Denk?) Die Folgen – der Lehrerabbau – sind nicht zu verhindern. Die Klassenschülerzahlen werden trotzdem steigen.

Und ein Punkt scheint mir in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig zu sein, nämlich die Vorgangsweise bei dieser Abstimmung, die am Freitag beginnen wird. Es gibt einen Stimmzettel, der genau zwei Möglichkeiten bietet: Die LehrerInnen dürfen diesem Modell der Gewerkschaft zustimmen – 2 Milliarden Schilling an Einsparung –, oder sie dürfen den Budgetbegleitgesetzen zustimmen – 2 Milliarden Schilling an Einsparung. Ich halte es für ein Ding der Unmöglichkeit, wenn eine Gewerkschaft den Betroffenen zwei Varianten vorlegt, wo bei beiden nur umgeschichtet werden soll. Dieser Stimmzettel ist zutiefst undemokratisch, so etwas sollte es heute nicht mehr geben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, dass die Chance aber noch nicht ganz vertan ist, Frau Ministerin. Sie haben auch der Gewerkschaft angekündigt, man könne diese Budgetbegleitgesetze bis zum Schulbeginn noch rückgängig machen. Sie sagen aber: nur dann, nur wenn es kostenneutral ist.

Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie diese Maßnahmen zurück! Nehmen Sie die Erhöhung der Klassenschülerzahlen zurück! Kommen Sie zu einer Bildungspolitik zurück, die die Zukunft Österreichs im Bildungssystem sichert. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

9.17


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Thema dieser Aktuellen Stunde gelangt Frau Bundesministerin Gehrer zu Wort. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Ministerin.

9.17

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich stelle zu Beginn fest, manchmal wird etwas in einen Wahlkampf hineingezogen, was nicht dort hingehört, nämlich die Schule. Die Schule gehört nicht in einen Wahlkampf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Schule ist zu wichtig, als dass man damit parteipolitisches Kleingeld schlagen sollte. Gerade in diesem Bereich ist man schnell verunsichert. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Brosz, hat behauptet, 12 000 Dienstposten bei den Pflichtschullehrern würden gestrichen. (Abg. Öllinger: 12 000 hat er nicht gesagt!) Ich stelle fest: Das ist nicht wahr! Das ist nicht wahr! Es gibt eine Vereinbarung zwischen den Landeshauptleuten und dem Herrn Finanzminister, dass auch im Pflichtschullehrer-Bereich nach den Prinzipien der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit, aber auch der Wahrung höchster Qualität vorgegangen wird. Und das ist die Aufgabe von verantwortlichen Politikern: mit Steuergeldern sparsam umzugehen, aber die Qualität im Schulbereich zu sichern. Und das geschieht mit diesem Finanzausgleich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie sich nämlich diesen Finanzausgleich anschauen, dann werden Sie sehen, dass im Jahre 2005 ein Ziel angegeben ist: für zehn Hauptschüler einen Lehrer, für neun polytechnische Schüler einen Lehrer, für 14,5 Volksschüler einen Lehrer und für 3,2 Sonderschüler einen Lehrer. Wir liegen mit diesen Verhältniszahlen europaweit im Spitzenfeld – im Spitzenfeld! Und ich stelle klar fest: Mit 3,2 Schülern, die auf einen Sonderschullehrer kommen, sind alle Erfordernisse für Kinder mit besonderen Bedürfnissen abgesichert. Eine Integrationsgruppe hat vier Schüler; dafür wird ein Lehrer zugewiesen. Eine Schwerstbehinderten-Klasse kann bis maximal acht Schüler haben; dafür werden zwei Lehrer zugewiesen. Eine normale Sonderschulklasse hat 16 Schüler; dafür werden vier Lehrer zugewiesen. Es können also alle Förderangebote, alle Bedürfnisse erfüllt werden.

In Wien wird besondere Rücksicht auf die Heilstätten-Schulen genommen, denn ich will, dass gerade jene Kinder, die in diesen Spitälern sind, die krank sind, ganz besonders betreut werden. Da wird es keine Kürzungen geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns doch das Budget an: Für den gesamten Bildungsbereich ist eine Steigerung von 7,4 Milliarden Schilling zu verzeichnen! Wo ist da bitte ein Bildungsabbau? Wir sehen, dass in internationalen Studien Österreich hinsichtlich Ausgaben pro Schüler im Spitzenfeld liegt. Wir geben für einen Volksschüler um 50 Prozent mehr aus, als im OECD-Schnitt üblich ist. Im OECD-Schnitt werden für einen Volksschüler 3 800 Dollar ausgegeben, in Österreich werden 6 258 Dollar für einen Volksschüler ausgegeben. Das sind also mindestens 50 Prozent mehr als der OECD-Schnitt. Bitte sprechen Sie daher nicht von einem "Bildungsabbau"!

Nun komme ich noch zum Thema "Verunsicherung". – Herr Brosz, Sie haben behauptet, ich würde immer wieder sagen, Lehrer betreiben Panikmache, Eltern betreiben Panikmache. – Ich sage das nicht. Ich sage, dass manche Politiker auf Grund kurzfristiger wahltaktischer Überlegungen Verunsicherung und Angst in die Schulen hineintragen. Und das lehne ich ab! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber wenn Sie mir schon nicht glauben wollen, dann bitte ich Sie, dem Herrn Stadtschulratspräsidenten Dr. Scholz und dem Stadtschulrat in Wien zu glauben, die gestern ganz klar feststellten: Reine Panikmache!, beschwichtigt man im Stadtschulrat. Präsident Scholz versichert, dass das Angebot in Wiens Schulen, wie Nachmittagsbetreuung, Behindertenintegration und Maßnahmen im Ausländerbereich, aufrechtbleibe.


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Die Sprecherin des Wiener Stadtschulrates sagte weiters: Jetzt soll es im schlechtesten Fall eine Einsparung von 500 Dienstposten geben. Damit können wir leben. Dann ist nur die interne Verwaltungsstruktur betroffen, und pro Klasse steigt die Schülerzahl um eins. – Die niedrige durchschnittliche Schülerzahl kann maximal um eins steigen.

Deshalb stelle ich abschließend klar fest: Die Volksschulen, die Hauptschulen, die Polytechnischen Schulen und die Sonderschulen in Österreich bieten qualitativ hochstehenden Unterricht mit bestens ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern. Das ausreichende Budget ist durch eine verantwortungsvolle Budgetpolitik, bei der die Verantwortung im Vordergrund steht, gesichert. Die Eltern in Österreich können sich auf unsere Pflichtschulen verlassen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Die Redezeit für alle Teilnehmer an dieser Debatte beträgt jeweils 5 Minuten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

9.23

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn in diesen Tagen und eigentlich auch schon in den letzten Wochen und Monaten immer wieder Veranstaltungen, Kundgebungen, Unterschriftenaktionen, Dienststellenversammlungen und so weiter zu Problemen im Bildungsbereich stattfinden, so ist das doch wohl ein Beweis dafür, wie ernst die österreichische Bevölkerung Bildung generell nimmt.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Schuld an diesen Verunsicherungen, schuld an diesen vielen Missfallensäußerungen ist doch wohl ganz bestimmt nicht die Opposition, sondern Ihre Bildungspolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokraten teilen die Sorgen, Ängste und Unsicherheiten der Betroffenen. Bedauerlicherweise aber nehmen Sie Anliegen der Lehrer, Anliegen der Schülerinnen und Schüler, aber auch die Anliegen der Eltern nicht im erforderlichen Maße ernst. Die Lehrer sind verunsichert, die Lehrer sind verärgert. Und wenn dann in Protestaktionen und Dienststellenversammlungen diese Dinge an die Oberfläche kommen, dann muss ich sagen, die SPÖ steht auf der Seite der Betroffenen. (Abg. Haigermoser: Welche "Dinge"?)

Bedauerlicherweise, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben Sie den Weg einer Konsenspolitik im Bildungsbereich verlassen. Sie gehen den Weg der Konfrontation. Ich sage Ihnen, dass es während dieser Legislaturperiode, wenn sich diese Entwicklung nicht verändert, zu bildungspolitischen Rückschritten in Österreich kommen wird. Ihre Politik, Ihre Wendepolitik hat dazu geführt, dass der hervorragende internationale Ruf unseres Bildungswesens der letzten Jahrzehnte auf dem Spiel steht. Unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern und Finanzministern war das anders; da wurde in Bildung investiert.

Ich bringe Ihnen ein paar wesentliche Beispiele: In den vergangenen 30 Jahren ist die Zahl der Lehrer von 68 000 auf 125 000 gestiegen. Das ist doppelt so viel. Die Zahl der Schüler in den allgemein bildenden und berufsbildenden höheren Schulen, in Schulen also, die zur Matura führen, ist von 172 000 auf 306 000 gestiegen. Eine enorme Leistung! Die Zahl der Studierenden an den Universitäten und Fachhochschulen stieg von 53 000 auf 238 000; das sind viermal so viel, meine Damen und Herren.

Unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung wurde in allen politischen Bezirken Österreichs mindestens eine berufsbildende höhere Schule gebaut; die Zahl dieser Schulen ist von 414 auf 667 gestiegen. Es gibt in Österreich kein Bundesland, in dem nicht eine Universität, eine Fachhochschule oder Pädagogische Akademie steht.


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Österreich, meine Damen und Herren, hat in Bildung bisher richtigerweise enorm viel investiert. Wir haben daher hervorragend ausgebildete Menschen: Lehrer, Professoren, Ärzte, Wissenschaftler, Forscher. Und was sagen Sie zu diesen Errungenschaften? – Sie stellen sich in absolut unqualifizierter Weise hin und sprechen von der "Schuldenpolitik der SPÖ". Die Österreicherinnen und Österreicher sollen wissen, dass Sie es bereuen, dass die sozialdemokratisch geführten Bundesregierungen in Bildung investiert haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der kostenfreie Zugang zu Bildung an Schulen, an Universitäten, an Akademien, auch das freie Schulbuch, die Schülerfreifahrt und die Heimbeihilfe zählen zu den wichtigsten familien- und bildungspolitischen Maßnahmen der SPÖ-Regierungen. Das waren entscheidende Beiträge zur Chancengerechtigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese sozialdemokratischen Errungenschaften stellen Sie aber jetzt systematisch in Frage. Das soll plötzlich alles anders werden. Ihre Budgetbegleitgesetze, Ihre Studiengebühren, Ihre neuen Schüler- und Lehrerrelationen signalisieren ganz deutlich, dass sich diese Regierung von der Verantwortung und der Verpflichtung, der österreichischen Jugend eine kostenfreie Bildung zu garantieren, zu verabschieden beginnt. – Das, meine Damen und Herren, haben die ÖsterreicherInnen nicht gewollt, dafür haben Sie bei der letzten Nationalratswahl nicht die Stimmen der ÖsterreicherInnen bekommen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ihre phantasielose Kürzungspolitik wird im Bildungsbereich negative Folgen haben.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (fortsetzend): Die Klassenschülerzahlen werden steigen, die Zusatzangebote werden dramatisch reduziert werden, und die Qualität der österreichischen Bildung wird sinken. Damit erweisen Sie der österreichischen Jugend, aber auch dem Wirtschaftsstandort Österreich einen ganz, ganz schlechten Dienst. (Beifall bei der SPÖ.)

9.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek zu Wort. – Bitte.

9.29

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Zu meinem Vorredner eine kurze Bemerkung: Lehrer- und Lehrerinnensorgen werden auch von dieser Regierung ernst genommen. Aber unsere Maxime ist: nicht nur Sorgen ernst nehmen, sondern Lösungen anbieten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf dem Einbringer der Aktuellen Stunde, Herrn Kollegen Brosz, seine Sorgen nehmen und ihm ein bisschen Nachhilfe bezüglich der Schülerzahlen geben. Trotz insgesamt steigender Schülerzahlen hat sich die Klassenschülerhöchstzahl in den letzten Jahren nicht geändert. Diese liegt konstant bei durchschnittlich 25, obwohl die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den berufsbildenden und mittleren höheren Schulen in den letzten Jahren um 36 Prozent zugenommen hat. (Abg. Dr. Jarolim: Wer soll das glauben!)

Es ist auch zu bedenken – im Sinne des sorgfältigen Umgangs mit Steuermitteln –, dass die künftig zu erwartenden geringeren Schülerzahlen – in den Pflichtschulen sehen wir das schon – keinen Schul-Neubau erforderlich machen, weil ein Teil davon dann möglicherweise nachher leer stehen würde.

Ich möchte Kollegen Brosz und anderen Zweiflern auch noch sagen, dass sie sich die Details anschauen sollten. Wir sehen, wenn wir die Klassenschülerhöchstzahl betrachten, Folgendes: Wir haben im Werkstättenunterricht etwa sechs bis acht Schüler in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen und in den AHS durch die Wahlpflichtfächer auch eine de facto geringere Schülerzahl. Wir haben in den Hauptschulen Leistungsgruppen und damit ebenso eine de facto geringere Zahl. Und die Begleit- und Stützlehrer zur Integration von Kindern – behinderten


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Kindern und Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache – tragen dazu bei, dass die De-facto-Zahl der Schüler in den Klassen in Wirklichkeit geringer ist.

Die Frau Bundesministerin hat weitere Zahlen genannt, wir können auf diese Zahlen stolz sein. (Zwischenruf des Abg. Brosz. ) Die Lehrer haben ihre Sorgen genannt; dabei haben sie aber nicht – da sie etwas von Unterricht und Schule verstehen – die Klassenschülerhöchstzahl als erste Sorge und als erstes Manko genannt. – Lesen Sie die Lehrerarbeitszeit-Studie, und dann wissen Sie, wo die Lehrer der Schuh drückt: Da ist zum Teil das Disziplin-Problem, das Image-Problem, das vielleicht auch dadurch entstanden ist, weil Schule schlechter gemacht wird, weil die Leistung der Lehrer schlechter "geredet" wird – unter anderem auch von Ihnen –, als sie es in Wirklichkeit ist.

Dazu fällt mir ein Satz des Präsidenten des Wiener Stadtschulrates Scholz ein – ich darf ihn an dieser Stelle zitieren –: Manchmal muss man einen Berufsstand wie den der Lehrer vor sich selbst schützen. – Zitatende. Und manchmal müsste man vielleicht auch die Grünen oder die Opposition vor ihren eigenen Gedanken schützen, wenn sie die Schule kritisieren und ungerechtfertigt feststellen, was nicht der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen weiters folgende Zahlen in Erinnerung rufen: Für die Bereiche Bildung und Wissenschaft, für die Universitäten und für alle Schulen, wurden im Jahre 2000 105 Milliarden Schilling zur Verfügung gestellt, und im Jahre 2001 werden es 109 Milliarden Schilling sein. – Herr Kollege! Wenn Sie darin keine Steigerung sehen, dann brauchen Sie noch einmal Nachhilfe. (Zwischenruf des Abg. Brosz. )

Meine Damen und Herren! Das Jahresarbeitszeit-Modell ist im Gespräch, und ab morgen wird es eine Abstimmung unter den Lehrern darüber geben. Das wurde von den Lehrerinnen und Lehrern Österreichs lange Zeit gewünscht. Die Vorgangsweise, zu sagen, seid ihr mit den Vorschlägen der Bundesregierung, die im Budgetbegleitgesetz genannt sind, einverstanden, oder wollt ihr dieses Jahresmodell, ist legitim.

Meine Damen und Herren! Auch so manche Klage, die den Universitätsbereich betrifft, ist ungerechtfertigt. Richtig ist, dass wir auch dort investiert haben, dass im Vorjahr nach einer vernünftigen Einsparung im Bereich der Investitionen, für die Sach- und Personalausgaben eine Steigerung erreicht werden konnte und dass wir im Vergleich zu den OECD-Staaten im Bildungsbereich die "Silbermedaille" erreicht haben.

Meine Damen und Herren! Höchste Schulqualität ist gefragt. Wir sollten an ihr weiterarbeiten, wir sollten nicht ungerechtfertigt in Panikmache verfallen, wir sollten die Zahlen ernst nehmen, und wir sollten den Wiener Wahlkampf sein und die Lehrerinnen und die Lehrer in der Schule arbeiten lassen, damit die Schülerinnen und Schüler vorwärts kommen und wir diese Spitzenposition halten können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.34

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere meine werten Kollegen von der linken Bildungspolitik! (Abg. Öllinger: Sie haben gar keine! Das ist viel schlimmer!) Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen die Frage stelle, was jetzt gilt – Herr Kollege Brosz! Wir haben hier ein Plakat der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer, auf dem den Kollegen mitgeteilt wird, dass die Gewerkschaft mit der Bundesregierung verhandelt hat, um eine Reduktion der Planstellen zu verhindern. Sie schreiben – ich zitiere –: Im Verhandlungsweg konnten wir dies bisher auch erreichen, weitere Gespräche folgen. – Unterzeichnet ist dies von Hermann Helm, Fraktionsvorsitzender FCG, von Herbert Modritzky, Fraktionsvorsitzender FSG, und – das haben Sie, Herr Kollege Brosz, verschwiegen – auch von einem Alois Denk, den Sie ja kennen, der Fraktionsvorsitzender der ÖLIUG ist. Er hat das auch mit unterzeichnet, also steht auch Ihre


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Gewerkschaft hinter diesem Vorschlag! Kritisieren Sie daher nicht etwas, was von Ihrer Gewerkschaft unterstützt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Brosz: Unabhängige Gewerkschaft!)

Sie müssten schon einmal intern klären, wofür oder wogegen Sie sind, aber Linie hat es bei Ihnen noch nie gegeben, das wissen wir ja schon lange. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber es geht uns nicht um die paar Grünen, meine Damen und Herren: Sie wären es nicht wert, dass wir uns weiter mit ihnen auseinander setzen. Uns geht es um die Eltern, uns geht es um die Schüler. Meiner Ansicht nach ist es wichtig, dass die Elternvertreter dieses neue Dienstrecht, das von Ihnen so kritisiert wird, unterstützen.

Sie sagen, es sei ein mutiger Schritt zur Professionalisierung des Lehrerberufes: Der Entwurf sei ein mutiger Schritt zur Professionalisierung und führe zu einer neuen Sichtweise der Arbeitszeit eines Lehrers, betonte der Vorsitzende des österreichischen Dachverbandes der Pflichtschul- und Elternvereine, Kurt Kremzar, in einer Aussendung. Besonders positiv für ihn ist, dass im neuen Dienstrecht, Herr Kollege Antoni, ein transparentes Stundenkontingent für schulpartnerschaftliche Angelegenheiten enthalten ist. Genau das, was Sie fordern, wird von den Eltern begrüßt, und das freut mich.

Ich habe hier eine Aussendung des Kollegen Antoni, den Sie ja kennen. Er schreibt: Neues Landeslehrer-Dienstrecht war für die SPÖ bereits überfällig. – Mehr als überfällig, sage ich. Es ist ein sehr gutes Dienstrecht. Das ist ein wichtiger Ansatz, veraltete Strukturen, die aus Ihrer Regierungszeit stammen, im Bildungswesen aufzubrechen. – Sie sind froh, dass es dieses neue Dienstlehrerrecht gibt, damit die veralteten Strukturen, für die Sie verantwortlich zeichnen, endlich aufbrechen. Dazu gibt es großes Lob von Kollegen Antoni – jetzt aber spricht er hier genau das Gegenteil. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Kollege Antoni, Sie müssen sich im Klaren darüber sein, was Sie jetzt wollen. Wollen Sie dieses neue Modell, das Sie als positiv bewerten und in Ihrer Aussendung so hoch loben, oder Wahlkampf für Wien führen? – Dann sagen Sie: Heute rede ich nicht als Lehrervertreter, heute rede ich als Wahlkampfhelfer der SPÖ Wien. – Das wird akzeptiert, aber dann lassen Sie die Finger von der Bildungspolitik, denn die ist für den Wiener Wahlkampf zu schade, Herr Kollege Antoni! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sind nicht der Typ, der dieses reflexartige Nein von sich aus produziert, nein, das ist Ihnen eingeimpft worden. Kollege Antoni, Sie wissen genau: Anstatt die Begutachtung zu nutzen, wie es sonst (Abg. Silhavy: Kollege Schweitzer! Hier ist kein Kabarett!) – mein Gott! – die Art des konstruktiven Kollegen Antoni ist, bei der er seine Vorschläge einbringen kann, kommt er hier heraus und deponiert ein reflexartiges Nein.

Meine Damen und Herren von den Grünen und von der Sozialdemokratie, die sich dieses Demokratieverständnis, die Basisdemokratie, so auf die Fahnen geheftet haben: Wo bleibt denn dieses jetzt, wo es intensive Verhandlungen um ein neues Dienstrecht gibt, wo es eine groß angelegte Informationskampagne mit angeschlossener Diskussion gibt, wo es eine Urabstimmung unter allen Lehrern gibt, wo es eine breit angelegte Begutachtung gibt? Was ist denn los? Warum ist denn auf einmal diese basisdemokratische Vorgangsweise für Sie inakzeptabel, meine Damen und Herren von den Grünen? – Wegen des Wiener Wahlkampfes? Wegen des Wiener Wahlkampfes? (Abg. Brosz: Wegen des Stimmzettels!)  – Schämen Sie sich, die Bildungspolitik für den Wiener Wahlkampf zu missbrauchen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bringen Sie etwas ein! Wo sind denn Ihre Vorschläge? – Es gibt keinen einzigen Vorschlag vom Kollegen Brosz! Haben Sie einen konstruktiven Vorschlag gebracht, wie Sie es anders machen würden? – Kollege Antoni, haben Sie einen Vorschlag gebracht, wie Sie es anders machen würden? – Es gibt keinen einzigen Vorschlag. Wenn es darum geht, Vorschläge einzubringen, ist bei Ihnen Sendepause angesagt, meine Damen und Herren!


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55. Sitzung / Seite 30

Kritik, die nicht angebracht ist (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), ist es, was Sie in der Bildungspolitik zu Stande bringen – mehr jedoch nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.40

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Zunächst zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schweitzer: Herr Kollege Schweitzer, es freut mich, dass Sie offenbar unsere Bedeutung, die Bedeutung der Grünen, im rasanten Zuwachs sehen, denn Sie schreiben uns bereits Gewerkschaften zu, die ich für die Grünen nicht vereinnahmen würde. (Abg. Mag. Schweitzer: Die ÖLI gehört nicht Ihnen?) Die UG ist nicht unsere Gewerkschaft, die UG würde sich bedanken. (Abg. Mag. Schweitzer: ÖLI! ÖLI!) UG heißt "Unabhängige Gewerkschafter", vielleicht nehmen Sie das zur Kenntnis. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: ÖLI!)

Frau Ministerin Gehrer! In einem Punkt stimmen wir Ihnen zu, nämlich dass Österreich im Allgemeinen gute Schulen hat, und deswegen sind wir in Sorge, denn wir wollen, dass es auch so bleibt. Dass man über ein Thema von derartiger Bedeutung nicht reden soll, ist, Frau Ministerin Gehrer, doch lächerlich. Es geht um die Kinder in den Schulen, es geht um die Eltern dieser Kinder, und es geht – last but not least – um die Lehrerinnen und Lehrer


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55. Sitzung / Seite 31

(Abg. Böhacker: Um den Wiener Wahlkampf!), die sich in diesem Schulsystem abmühen und ihre verschiedenen Rollen – sie sind ja nicht nur als Lehrer im engeren Sinn, die den Kindern etwas beibringen, zu verstehen, sondern haben auch eine soziale Rolle – zum Ausdruck bringen wollen. Die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen gehen ja ohnehin am "Zahnfleisch".

Wenn Sie behaupten, Frau Ministerin Gehrer, dass die FAG-Vereinbarung, die Finanzausgleichsvereinbarung, Qualität sichere, kann ich dazu nur sagen: Wo denn? – Diese Finanzausgleichsvereinbarung bezieht sich auf die Einsparung von Kosten und auf die Reduktion von Stellen. Seit wann ist das etwas, was unmittelbar Qualität sichert? (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie sagen, es ändere sich nichts, dann, so glaube ich, kennen Sie Ihre eigene Vereinbarung nicht. Auch im Bereich der Behinderten ändert sich etwas, nämlich dass die Relation zwischen Schwerbehinderten und den anderen – so sage ich das einmal – in einer Klasse 16 : 4 war und in Zukunft 18 : 4 sein wird. Das macht einen Unterschied aus für die Kinder und für die Lehrer. Deswegen ist es kein Wunder, Herr Kollege Schweitzer, dass es in den Schulen rumort. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie ist es in Deutschland?) Gehen Sie in die Schulen! Gehen Sie hin, und stellen Sie sich den Dienststellenverhandlungen und Diskussionen! (Abg. Mag. Schweitzer: Wie ist es im rot-grünen Deutschland, Herr Kollege Van der Bellen?) Reden Sie mit den betroffenen Lehrern! (Abg. Mag. Schweitzer: Wie ist es in Deutschland?) Fahren Sie von mir aus auch nach Deutschland, aber ich möchte, dass Sie sich hier in Wien und in Österreich mit den Schulen, mit den Lehrern und mit den Eltern auseinander setzen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Wie ist es dort, wie sind dort die Verhältniszahlen?)

Nicht wir, Frau Ministerin Gehrer, tragen Verunsicherung und Angst in die Schulen! (Abg. Mag.  Schweitzer: Was ist im rot-grünen Deutschland? Wie ist es beim Joschka und Gerhard? – Abg. Haigermoser: Sie sind beim Joschka Fischer, nicht wir!) Da überschätzen Sie unseren Einfluss wirklich, sondern die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern der Kinder sind verunsichert und machen sich Sorgen – jawohl, so ist es –, weil Sie diese Maßnahmen im Rahmen des Budgets, im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen beschlossen haben. (Abg. Haigermoser: Wir brauchen keine "Putztruppe" hier in Österreich!)

Herr Kollege Haigermoser! Ich nehme – zu Ihren Gunsten! – nicht zur Kenntnis, was Sie da daherschwätzen. (Beifall bei den Grünen.)

Speziell in Wien, Frau Ministerin Gehrer, machen wir uns Sorgen. Das stimmt! Ob jetzt Wahlkampf ist oder nicht, wir dürfen uns Sorgen machen, auch wenn Wahlkampf ist, oder?! (Abg. Böhacker: Aber nicht so offensichtlich!) Ungefähr 1 000 Stellen sollen heuer eingespart werden. Soll sein, dass es im Rahmen der Verhandlungen mit der Gewerkschaft nur 800 oder "nur" – unter Anführungszeichen – 500 sein werden. Worüber verhandelt die Gewerkschaft? – Sie verhandelt de facto über Gehaltsabschläge bei den Lehrern, damit weniger Stellen eingespart werden müssen. Das ist die unangenehme Situation der Gewerkschaften. Ob man sich darauf überhaupt einlassen sollte, ist eine andere Frage. (Beifall bei den Grünen.)

Jawohl, weil Wahlkampf in Wien ist, sage ich noch einmal: Ich bedauere es sehr, dass weder diese Bundesregierung noch in der Vergangenheit die SPÖ-Wien die Mehrsprachigkeit von Kindern als Chance, als echte Chance wahrgenommen hat. Diese Kinder muss man selbstverständlich in Deutsch ausbilden, weiters in ihrer Muttersprache – das geht nicht automatisch – und in Englisch sowieso. Dann hätten wir in 10, 20 Jahren ein Potenzial, auch ein wirtschaftlich interessantes Potenzial von dreisprachigen Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Das wurde nicht wahrgenommen. In der Koalitionsvereinbarung steht ein ganz obskurer Punkt (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), nämlich dass die – wie nennen Sie das? – fremdsprachigen Kinder in den Klassen – vielleicht steht sogar "ausländisch" drin – 30 Prozent nicht überschreiten sollen. Eine Antwort darauf, wie Sie das machen wollen, ohne gröbste Verletzungen der sozialen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): ... und pädagogischen Standards, sind Sie bis heute schuldig geblieben. (Beifall bei den Grünen.)

9.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet in der Debatte hat sich die Frau Bundesministerin. Redezeit in der Debatte: 5 Minuten. – Bitte, Frau Ministerin.

9.45

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Van der Bellen hat gesagt, man müsse über ein Thema reden können, man dürfe sich Sorgen machen. – Selbstverständlich! Ich halte es aber für wichtig, dass gerade der Bildungs- und Schulbereich vom konstruktiven Bemühen geprägt ist und dass nicht mit falschen Behauptungen Verunsicherungen in den Schulbereich getragen werden.

Ich möchte das anhand eines Beispiels, das uns gerade geliefert wurde, aufzeigen. Von Herrn Klubobmann Dr. Van der Bellen wurde gesagt, dass das Verhältnis in Integrationsklassen früher 16 : 4 betragen habe und nun wohl 18 : 4 sein werde. – Woher nehmen Sie bitte diese Behauptung? – Es liegt in der Kompetenz jedes einzelnen Bundeslandes, diese Zahlen festzulegen, diese Einteilungen zu machen und seine eigenen Schwerpunkte zu setzen. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Wenn dem zuständigen Wiener Bürgermeister und der zuständigen Vizebürgermeisterin die Integration dermaßen wichtig sind, dann könnten sie ja in diesem Bereich Schwerpunkte setzen. Es wird gerade von der Opposition dauernd gefordert: weniger Gesetze, weniger Regeln, mehr Selbständigkeit der Länder, und auch der Föderalismus wird groß geschrieben. Wir vergeben nach einem bestimmten Verhältnis die Stellenpläne, und das Geld dafür ist vereinbart. Das Land kann unter Beachtung der Klassenschülerhöchstzahlen seine Gestaltung im Pflichtschulbereich selbst frei vornehmen. Es gibt dann keine Zahl mehr für Gruppenteilungen. Alles fällt in die Kompetenz des Landes. (Abg. Dr. Niederwieser: Das ist Zynismus!) Es ist unwahr, dass ab jetzt in einer Schule, in der es eine Integrationsklasse gibt, das Verhältnis 18 : 4 sein muss. Das meine ich mit Verunsicherung, die in die Schulen getragen wird.

Ich möchte noch Folgendes festhalten: Herr Abgeordneter Dr. Antoni, ich stimme Ihnen zu – Sie haben ein gutes Langzeitgedächtnis –: Wir haben gute Schulen, wir haben einen hohen Level, wir sind stolz darauf, und wir sichern mit diesem Bildungsbudget diesen Level. Aber irgendetwas scheint bei Ihrem Kurzzeitgedächtnis nicht zu funktionieren, denn mit einem sozialdemokratischen Bundeskanzler haben wir Koalitionsvereinbarungen ausverhandelt, in denen klar steht: Im Bereich der Schulen ist bis zum Jahre 2003 ein Volumen von je 1 Milliarde Schil


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ling einzusparen, und zwar als Dauereffekt. Es ist sicherzustellen, dass Maßnahmen im Bereich der Bundesländer auch analog wirksam bei den Landeslehrern umgesetzt werden. (Abg. Gradwohl: Wann ist das in Kraft getreten, Frau Bundesministerin?) Das heißt: Der sozialdemokratische Bundeskanzler Klima hat festgestellt, dass wir keine weiteren Schulden machen können, dass wir Schulden abbauen und den hohen Level in den Schulen sichern müssen. Und das tun wir! (Abg. Riepl: Wer hat das unterschrieben? – Kein Mensch!)

Meine Damen und Herren! Noch ein Wort zum Bereich Universitäten: Wir haben eine Weiterentwicklung, weil wir aus unseren guten Universitäten noch bessere machen wollen. Und ich bitte, sich auch in diesem Bereich nicht selbst schlecht zu machen. Es werden hohe qualitative Leistungen erbracht. Wir wollen aber gemeinsam eine Weiterentwicklung zu einer selbständigen Universität, zu einem neuen, flexiblen Dienstrecht. Ich begrüße es sehr, dass die Rektorenkonferenz im Rahmen ihrer Tagung gestern und vorgestern eine konstruktive Stellungnahme und konstruktive Beiträge zu diesem neuen Dienstrecht getätigt hat. Ich fordere alle auf, sich nicht einzumauern, denn in Senaten nein zu sagen und sich einzumauern, ist Zukunftsverweigerung. Wir brauchen Menschen, die an der Zukunft arbeiten.

Ich stelle daher abschließend fest: Der Bildungsschwerpunkt ist dieser Regierung ein wichtiges und großes Anliegen. Im Budget allgemein gibt es eine Steigerung von 6 Prozent, das Bildungsbudget aber steigt um 7,4 Prozent. Wir haben dazu die "Computermilliarde", wir haben dazu die "Universitätsmilliarde", und wir haben dazu 7 Milliarden Schilling für die Forschung. Bildung ist ein Schwerpunkt, und die Bildungsqualität ist bei dieser Regierung gesichert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Beate Schasching. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.50

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr verehrte Damen und Herren! Gleich vorweg, Frau Bundesministerin: Es gibt keine Vereinbarung zwischen SPÖ und ÖVP zu Einsparungen im Bildungssystem, und ich bin sehr froh, dass es das auch nie geben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters haben Sie gemeint, dass Ihnen das konstruktive Bemühen meiner Fraktion fehlen würde. – Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass es im Laufe dieser Legislaturperiode gerade die Opposition war, die inhaltliche Anträge und einige sehr gute Überlegungen im Unterrichtsausschuss einbrachte. Das war unser Beitrag zur konstruktiven Bildungspolitik – und es ist Ihre Fraktion und Ihre Bundesregierung, die jetzt den Sparstift ansetzt, das möchte ich klar festhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Da Sie uns immer wieder neue Zahlen und Statistiken präsentieren, möchte ich Sie fragen, wann Sie zuletzt in einer Schule waren und wann Sie zuletzt mit Lehrerinnen und Lehrern gesprochen haben, die auf Grund dieses Bildungsabbaus, den uns die Bundesregierung jetzt vorlegt, zu Recht verunsichert sind. Wann haben Sie das zuletzt hinterfragt?

Kollege Schweitzer hat unseren Bildungssprecher Antoni angegriffen und ihm vorgeworfen, er sei hier mit einem reflexartigen eingeimpften "Nein" herausgegangen. (Abg. Böhacker: So ist es!) – Dazu möchte ich feststellen, dass bei uns kein Guru im Süden Österreichs sitzt, der die Regierung am Gängelband hält und Vorgaben macht. Wir diskutieren und kommen dann zu Ergebnissen. Das ist der Unterschied, der die Sozialdemokratie von der FPÖ ganz wesentlich abhebt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Aber nun zur Situation und zur heutigen Bildungsdebatte: Ich möchte Ihnen nur ein paar Beispiele aus meinem Bezirk erzählen und Ihnen die Situation, wie sie sich in Niederösterreich und in St. Pölten darstellt, schildern und Ihnen erklären, was der Abbau im Bildungssystem für kleine Bezirke und für kleine Orte mit sich bringt, denn damit haben wir es hier zu tun. Wenn Sie Geld entziehen, dann entziehen Sie auch die Möglichkeiten, dann entziehen Sie Schülerinnen


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und Schülern ihre Lehrer – insbesondere wenn Sie Dienstposten streichen. Aber dazu wird es leider kommen.

Im Bezirk St. Pölten, in der Stadt, müssen wir ganz konkret damit rechnen, dass wir im Pflichtschullehrerbereich zwischen 18 und 30 Planposten verlieren werden. Für eine Stadt ist das nicht allzu viel, aber es können 18 bis 30 Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr weiterbeschäftigt werden. Ich glaube, sie werden nicht freiwillig, auch nicht mit noch so tollen Sozialplänen, in Pension gehen. Es werden die Jungen sein, die uns fehlen werden. Und das ist auch ein ganz wichtiger Punkt im Bildungssystem, dass wir darauf achten werden, junge und erfahrene Lehrer weiterhin in den Schulen zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Was bedeutet das für die Schülerinnen und Schüler? – Das bedeutet nicht nur, dass ihnen die Lehrer abhanden kommen, sondern das bedeutet auch, dass ihnen eine große Palette von Angeboten abhanden kommt. Legastheniker-Betreuung ist in diesem Schuljahr in St. Pölten schon nicht mehr möglich. Es sind bereits Klassen zusammengelegt, es sind bereits Leistungsgruppen zusammengelegt, und es sind bereits unverbindliche Übungen ausgespart. Im Bezirk St. Pölten/Land gibt es bereits sieben Volksschulen, die von der Zusammenlegung einzelner Klassen – aber nicht der gleichen Jahrgänge, sondern unterschiedlicher Jahrgänge – bedroht sind. Das ist ein sehr großes Problem für die Lehrerinnen und Lehrer, vor allem aber für die Schülerinnen und Schüler. Haben Sie mit ihnen bitte ein bisschen Mitleid! (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz kurz möchte ich noch darauf zu sprechen kommen, dass es auf Grund der Einsparung von voraussichtlich 80 Klassen im nördlichen Niederösterreich zu einer zusätzlichen – so möchte ich sagen – Entvölkerung des ländlichen Raumes kommen wird. Nicht genug damit, dass diese Bundesregierung Dienstposten bei der Gendarmerie einspart, dass es Postämterschließungen geben wird, dass Nebenbahnen aufgelassen werden, dass Finanzämter zusammengelegt werden, möchte man nun auch in diesen Krisenregionen die Schulqualität vermindern und Schulen schließen. Und das ist gerade für diese Bevölkerung ein Bruch aller bisher gekannten Versprechen. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie war die Demo gestern am Stephansplatz? Was war los am Stephansplatz?) – Ja, Herr Schweitzer, hören Sie ein bisschen zu! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Konsequenzen für unsere Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Elternschaft sind riesengroß. Sie haben es nicht nur mit den Grauslichkeiten der Bundesregierung zu tun, indem ihnen Sparmaßnahmen auf das Auge gedrückt werden, sondern sie müssen auch noch zusätzlich ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Beate Schasching (fortsetzend): ... in das Schulbudget investieren.

Daher möchte ich ganz am Schluss festhalten: Bildung und Ausbildung, beste Bildung und Ausbildung, unserer jungen Leute in Österreich waren der Sozialdemokratie immer schon ein zentrales Anliegen – und dafür werden wir auch in Zukunft gerne kämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Gleiche Redezeit. Er hat das Wort.

9.56

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Eingangs ein paar Zahlen zum schwarz-blauen "Abbau": Im Jahre 2001 sind 109 Milliarden Schilling an Bildungsausgaben vorgesehen – gegenüber 105,7 Milliarden im Jahre 2000 und 101,5 Milliarden Schilling im Jahre 1999. Wenn Sie dies als "Abbau" bezeichnen, dann kann ich mich des Eindrucks nicht verwehren, dass Sie die eine oder andere Mathematikstunde versäumt haben. Meiner Meinung nach ist das ein Zuwachs. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich ist es erforderlich und notwendig, im Rahmen der Budgetkonsolidierung auch für einen effizienten Einsatz dieser Mittel zu sorgen, und das hat diese Bundesregierung unter der Ver


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antwortung von Frau Bundesministerin Gehrer für den Bildungsbereich auch eindeutig gemacht. Das wird von so unabhängigen Zeugen wie dem Präsidenten des Wiener Stadtschulrates Kurt Scholz bestätigt, der Ihre Ausführungen betreffend "Einsparung", "Postenabbau" und die "Schließung von Klassen", so zuletzt im "Kurier" vom 3. Jänner 2001, als reine Panikmache bezeichnet hat. Ich danke Herrn Präsidenten Scholz für diese klaren Worte. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Man kann aber die gemeinsame Anstrengung des effizienten Einsatzes gestiegener Mittel natürlich auch politisch für eine Gemeinderatswahl verwenden. Das sieht dann folgendermaßen aus: Am 17. Oktober vergangenen Jahres unterzeichnet der Landeshauptmann von Wien Michael Häupl eine Vereinbarung, in der er die Einsparung von 1 400 Landeslehrerdienststellen zusagt. Das Ministerium, der Wiener Stadtschulrat, die Schulorganisation bemühen sich, diese Einsparungen durch Umverteilung – es sind nicht Personen, sondern Planstellen –, durch gezielten Einsatz, durch natürlichen Abgang hinzubekommen und das volle Bildungsangebot aufrechtzuerhalten. Das ist auch gelungen. Gleichzeitig aber läuft mit der Unterschrift des Landeshauptmanns von Wien unter die Vereinbarung vom 17. Oktober 2000 eine Kampagne in den Schulen an, mit der Eltern, Lehrer und Schüler gezielt verunsichert werden. In die Mitteilungshefte von Volksschülern wird eingetragen, dass sie wahrscheinlich ihre Lehrerin nicht mehr bekommen werden. Da wird 14-Jährigen erzählt, sie werden nächstes Jahr mit 60 Schülern in einer Klasse sitzen. – Ich frage mich: Hält man diese 14-jährigen Kinder wirklich für so dumm, dass sie das glauben. (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Da missbraucht man den pädagogischen Kredit von zehntausenden engagierten Lehrern in unserem Land, indem man sie mit solchen Argumenten vor Schülern und Eltern lächerlich macht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Zahlen wurden schon genannt. Das Verhältnis in der Volksschule beträgt 1 : 15 statt 1 : 13,8, in der Hauptschule 1 : 10 statt 1 : 9,2. (Abg. Brosz: Das stimmt gar nicht! Das ist 14,5!) – Meine Damen und Herren! Das ist effiziente Bildungspolitik, die wir trotz Ihrer versuchten Panikmache auch weiterhin aufrechterhalten wollen.

Ich sage Ihnen noch etwas, was gerade Wien betrifft: Frau Bundesministerin Gehrer hat schon vor zwei Jahren die Idee an die Schulbehörden, an die Behörden herangetragen, unsere Schulen und deren Umgebung zu drogenfreien Zonen zu erklären. Was ist jedoch die Antwort der Wiener Landesregierung, die nach der Art der SPÖ Panik unter Schülern und Eltern auslöst? – Sie setzt mit ihrer neuen Stadträtin Pittermann alles daran, die Herabsetzung der Grenzmengen zu verhindern und diesen Vorschlag, der meiner Meinung nach sehr sinnvoll ist, nicht aufzugreifen. (Abg. Schwemlein: Das ist so ein Holler, was du da redest! – Abg. Edlinger: Sie sind wirklich ein Laienschauspieler!)

Das ist der Unterschied, meine Damen und Herren! Richten Sie das Ihren Wiener Genossen aus!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (fortsetzend): Keine Panikmache beim Thema Schule und eine drogenfreie Umgebung – das ist unser Ziel für Schüler und Eltern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Gleiche Redezeit. – Bitte.

10.02

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Als Vater von drei schulpflichtigen Kindern (Abg. Schwemlein: Das legitimiert dich noch nicht, etwas von der Schule zu verstehen!) möchte ich Ihnen nur sagen, dass es tatsächlich so weit kommen musste, dass anlässlich der Wiener Gemeinderatswahl versucht wird, Kinder und Eltern parteipolitisch zu instrumentalisieren.

Es stimmt schon – Sie wissen das ganz genau –, dass das im Moment in Wien betrieben wird. (Abg. Öllinger: Was hat Tancsits gerade gemacht?) Ich sage – da schließe ich mich der Frau


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Bundesminister an –, die Schule und insbesondere unsere Kinder sind nicht Subjekte und auch nicht Objekte eines Gemeinderatswahlkampfes. Merken Sie sich das! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

An Ihre Adresse sei Folgendes gerichtet: Wenn Sie permanent von der Formel reden, Lehrerreduktion sei gleich Bildungsabbau, dann sage ich Ihnen von dieser Stelle aus, das stimmt so nicht. Das stimmt schlichtweg nicht! Ein ganz simples Beispiel: In Ihren Reihen sitzen 15 Pflichtschullehrer. (Abg. Haigermoser: Wie viele?) – 15 (Abg. Haigermoser: Na servas!), ein Viertel der Fraktion! Würde tatsächlich eine Lehrerreduktion einen Bildungsabbau bedeuten, dann wäre an den Schulen, an denen Ihre Lehrer heute nicht unterrichten, weil sie hier sitzen, der Bildungsabbau perfekt – oder? (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da sehen Sie wieder einmal, wie leicht man es verkraften kann, einige Lehrer nicht zu beschäftigen. Es ist ganz einfach! (Neuerliche Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da sehen Sie auch wieder einmal, wie dieser Bereich letztlich parteipolitisch instrumentalisiert ist und noch immer wird. Es kann doch kein Zufall sein, dass von einer Arbeiterbewegung kein Arbeiter mehr in dieser Fraktion sitzt, sondern nur noch Lehrer, Gewerkschafter und Parteiangestellte. Das kann es doch nicht sein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Burgenländische Landesregierung! – Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Ein Wort auch noch zu den Ausführungen des Kollegen Van der Bellen: Ihre Kindesweglegung haben wir heute wieder einmal demonstriert bekommen. Wenn Sie die Liste ÖLI, Österreichische Lehrer/innen Initiative – Grüne Gewerkschaftsfraktion –, nicht als Ihnen nahe stehend bezeichnen (Abg. Brosz: Grüne Unabhängige!), dann muss ich sagen, das ist nicht nur eine Kindesweglegung, sondern Sie beweisen damit zum wiederholten Mal Ihren sorglosen Umgang mit der Wahrheit. Das ist es nämlich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ist denn Faktum? – Im Finanzausgleich wurde auch das Bildungsbudget für die Länder mit beschlossen. Häupl und Laska haben das mitgetragen – inklusive Görg, das muss man dazu sagen. Letztlich kommt es zu einer Reduktion der Jugendbetreuung am Nachmittag. Jugendbetreuung ist aber gemäß der Kompetenzaufteilung am Nachmittag keine Bundesangelegenheit. Diese Bundesregierung ist auch angetreten, um Kostenwahrheit herzustellen. Wenn also Jugendbetreuung fehlt oder es daran mangelt, insbesondere in Wien, dann sind Häupl und Laska aufgerufen, diese Zustände endlich abzustellen. Statt permanent linken Organisationen Subventionsmillionen hinten hineinzuschieben, sollten endlich einmal die Jugendbetreuungsaktivitäten am Nachmittag finanziert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Bravoruf des Abg. Mag. Schweitzer. )

Die Aufgaben sollten endlich von den Bundesländern wahrgenommen werden. Deswegen ist es jetzt auch notwendig, dass es zu einer Gemeinderatswahl kommt. Man wird den Leuten sagen müssen, wer die Aufgaben in diesem Land tatsächlich wahrnimmt. (Abg. Öllinger: Das glaube ich auch!) Die Sozialdemokraten und auch die Kindeswegleger, die Grünen, nehmen die Aufgaben in diesem Land nicht wahr – schon gar nicht im Bildungsbereich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. )

Es stimmt ganz einfach nicht, dass durch diese Bundesregierung und die Budgetpolitik dieser Bundesregierung auch nur ein Lehrer gekündigt werden musste. Ich kenne keinen Lehrer, der gekündigt wurde, und es wird auch kein Lehrer gekündigt. Es werden einige Posten von Lehrern, die in Pension gehen, nicht mehr nachbesetzt. Das ist der einzige Unterschied. Verunsichern Sie nicht die Eltern und die Schüler und instrumentalisieren Sie sie nicht für Ihre parteipolitische Agitation! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin in der Debatte zur Aktuellen Stunde ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.


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10.07

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Ministerin Gehrer! Wir haben schon seit Jahren ein Problem, und dieses Problem werden wir wahrscheinlich so lange nicht lösen können, solange Sie sich gegen die Integration von behinderten Kindern wehren, was Sie bis jetzt erfolgreich getan haben. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Ich weiß nicht, woher Ihre Abneigung gegenüber behinderten Menschen rührt. (Abg. Mag. Schweitzer: Das ist ungeheuerlich! Das ist abenteuerlich, so etwas zu sagen!) Tatsache ist, dass Sie aber in den letzten Jahren immer, wenn es möglich war, versucht haben, und zwar erfolgreich, die Schulintegration wieder zunichte zu machen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Die hat ja Narrenfreiheit!) Als letzten großen Akt, Frau Ministerin, möchte ich Sie nur an die 19. Schulorganisationsgesetz-Novelle erinnern.

Frau Ministerin! Ich möchte jetzt nicht Ihr Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnis überprüfen, das ist nicht meine Aufgabe. Aber ich möchte Sie fragen, ob Sie noch wissen, was in der 19. SchOG-Novelle steht. Ich sage es Ihnen: Der sonderpädagogische Förderbedarf für sinnes- und körperbehinderte Kinder endet mit der Absolvierung der Grundstufen.

Was heißt denn das konkret, Frau Ministerin? – Das heißt, dass Ihr Stützlehrersystem, das Sie zuerst noch Leuten schmackhaft zu machen versucht haben, gar nicht mehr existiert; es existiert spätestens dann nicht mehr, wenn es sich um die erste Klasse Hauptschule oder um den Übertritt in eine Mittelschule handelt. Dann gibt es nämlich keine Stützlehrer mehr.

Frau Ministerin! Nehmen Sie zur Kenntnis: Das haben Sie mit der 19. Schulorganisationsgesetz-Novelle zunichte gemacht! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Sie können auch ein bisschen rechnen, davon bin ich überzeugt. Sie wissen, dass die Schulintegration auf der Strecke bleiben wird, wenn es um den Verteilungskampf geht. Wenn heute im Rahmen der Autonomie ein Bundesland eine gewisse Summe für die Anstellung von LehrerInnen übrig hat, dann wird es nicht so sein, dass man zuerst die Integrationsklassen plus Zusatzpersonal an Stützlehrern sicherstellt und dann schaut, was übrig bleibt, um die Schülerhöchstzahl nicht zu überschreiten et cetera. (Ruf bei der ÖVP: Woher wissen Sie das?)

Frau Ministerin! Wenn das so wäre, dann müssten Sie jedes Jahr entweder Hunderte, Tausende Kinder in Österreich von der Schule befreien oder sie zurückstellen, weil sich das nicht ausgehen würde. Das ist rechnerisch nicht möglich, denn dann könnten Sie nicht alle Kinder "beschulen".

Frau Ministerin! Damit kommen wir wieder dorthin, wo wir schon einmal waren – ich erinnere Sie, ich selbst war eines der Opfer, als ich 1961 in die Schule rollen wollte –: Mir wurde das wegen Lehrermangels, wegen Fehlens von Stützlehrern et cetera, et cetera verweigert. Diese Schulpolitik, Frau Ministerin, die es 1961 in Österreich gegeben hat, wollen Sie jetzt wieder erreichen.

Das heißt, Ihr "neu Regieren" bedeutet Rückschritt in die Vergangenheit (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), Rückschritt um 40 Jahre, Rückschritt in der Bildung und hat mit einer Qualitätssicherung in den Schulen, mit der Erreichung von höheren Niveaus und höchster Qualität et cetera überhaupt nichts zu tun. Das ist Schulpolitik der Vergangenheit.

Frau Ministerin! Im Zuge dieser Schulpolitik können Sie sich mit Herrn Sozialminister Haupt zusammentun. Sie können sich Ihre "Behindertenmilliarde" ersparen. Wenn Sie behinderten Kindern das Recht auf den Besuch der Regelschule nicht geben und ihnen den Bildungsweg bereits in der Volksschule verweigern, dann werden wir die "Behindertenmilliarde" zur Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht brauchen – leider nicht brauchen. Wer Kindern die Bildung vermasselt, darf sich nicht wundern, wenn das dann zu einer hohen Arbeitslosenrate führt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rosemarie Bauer: Das ist sagenhaft falsch!)

10.12


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Es wurde ein Ordnungsruf für den Zuruf des Kollegen Schweitzer verlangt, Frau Abgeordnete Haidlmayr habe "Narrenfreiheit". Ich möchte es damit bewenden lassen, diesen Ausdruck mit Entschiedenheit zurückzuweisen und zu bitten, auf die Wortwahl zu achten! (Abg. Ing. Westenthaler: Das gilt aber auch für Frau Abgeordnete Haidlmayr! Das ist unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zu Wort gemeldet hat sich noch einmal die Frau Bundesministerin. – Bitte.

10.13

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich weise es zurück, dass man mir unterstellt, ich hätte eine Abneigung gegen Behinderte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung Grüne –: Das darf man sagen, dass man Abneigung gegen behinderte Menschen hat?)

Ich habe die Integration in der Sekundarstufe 1 durchgesetzt, wir haben die Eingangsstufe durchgesetzt, wobei jedes Kind in die Schule aufgenommen wird. Ich weise es auch zurück, dass sich Kinder in einer Sonderschule nicht in einer Regelschule befinden. Eine Sonderschule ist eine hervorragende Förderschule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen, und die Sonderschullehrer erbringen ganz besonders große Leistungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zum Abschluss noch: Wie wenig Kompetenz, meine Damen und Herren von der Opposition, trauen Sie unseren Landeshauptleuten und den Landeshauptmann-Stellvertretern, den zuständigen Landesschulräten zu? Wie wenig soziale Kompetenz trauen Sie dem Bürgermeister und der Frau Vizebürgermeisterin von Wien zu? – Sie sind verantwortlich, die Sonderpädagogik, das besondere Angebot für Menschen mit besonderen Bedürfnissen in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zu stellen, und ich bin davon überzeugt, dass sie das tun werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre damit die Aktuelle Stunde für beendet.

Debatte über die Einwendungen gegen die Tagesordnung gemäß § 50 (1) GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wie bereits zu Beginn der Sitzung bekannt gegeben, hat Frau Abgeordnete Dr. Petrovic im Sinne des § 50 der Geschäftsordnung Einwendungen gegen die heutige Tagesordnung erhoben. Diese Einwendungen betreffen die Punkte 2 bis 6. – Ich trete diesen Einwendungen nicht bei, das heißt, die Entscheidung liegt nach Durchführung der beantragten Debatte beim Nationalrat.

Ich mache von der Möglichkeit Gebrauch, in dieser Debatte die Redezeit der einzelnen Abgeordneten auf 5 Minuten zu beschränken. Außerdem ist in § 50 GOG vorgesehen, dass keine Fraktion mehr als maximal drei Redner nominieren darf.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

10.15

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Grünen erheben Einwendungen gegen die Tagesordnung, und zwar in Bezug auf die Punkte, die die Einrichtung einer "Kommunikations-Kommission Austria", "KommAustria", und die Normen bezüglich Rundfunk und Fernsehen betreffen.

Es überrascht eigentlich (Abg. Böhacker: Nicht!) schon, dass die beiden Regierungsfraktionen im Ausschuss in dieser Frage nicht einmal durch Statements und Argumente von Personen, die ihren Fraktionen angehören, zu beeindrucken waren. Klubobmann Khol war es, der uns aus Alpbach wissen ließ, dass er ein umfassendes Medienpaket fordere. Da haben wir uns gedacht,


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55. Sitzung / Seite 38

das ist eine sehr vernünftige Forderung, das sollte man in Österreich machen: eine Novelle betreffend den ORF, aber auch eine umfassende Regelung für Privatfernsehen, Privatrundfunk und die Schaffung einer unabhängigen Behörde. Das haben wir immer für vernünftig gehalten.

Der freiheitliche Experte bei den Vier-Parteien-Gesprächen hat sich in einer ganz ähnlichen Art und Weise ausgedrückt. Im Ausschuss war es dann plötzlich anders. Da haben Sie gesagt: Man muss vor allem schnell sein; man kann jetzt kein umfassendes Paket machen, man kann auch nicht auf Argumente der Kritik eingehen. "Speed" ist wieder einmal angesagt. – Auf die Hintergründe komme ich gleich zu sprechen.

Dass die Kritik von Experten, die keinesfalls der Opposition nahe stehen, massiv war, möchte ich Ihnen nur an einem einzigen Beispiel vortragen. Ich zitiere das Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Wirtschaftsuniversität Wien, das sagt, dass das Konzept einer unabhängigen Regulierungsbehörde mittlerweile einem gemeineuropäischen Standard entspricht – ja, so ist es –, dass aber diese Unabhängigkeit durch die Ernennung der maßgeblichen Mitglieder auf Vorschlag der blau-schwarzen Bundesregierung nicht diesem Standard entspricht.

Ebenso wird die Schaffung eines Präsidenten mit umfassender Machtposition kritisiert, dem zwar keine inhaltliche Sachkompetenz zukommt, der aber eine Leitungsbefugnis hat, die so weit geht, dass er die Zusammensetzung von Spruchkörpern verändern kann. Das heißt, er kann die personelle Zusammensetzung der Entscheidungsgremien ad hoc verändern. Bravo kann ich nur sagen! Das scheint in Wirklichkeit der Grund für Ihre Eile zu sein (Abg. Wenitsch: Zum Thema!), denn es scheint tatsächlich darum zu gehen, noch rasch und ganz offenbar vor den Wiener Wahlen blau-schwarze parteipolitische Deals über die Runden zu bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Der ORF soll komplett schwarz eingefärbt werden. Und wir haben gestern mitbekommen, wie der Gegendeal lautet, nämlich die Sozialversicherung. Da wurde von blauer Seite urgiert, Sallmutter muss weg. – Ja, und so ist es offenbar passiert. Hier läuft ein parteipolitisches Schauspiel, das an Peinlichkeit und auch an demokratiepolitischer Würdelosigkeit nicht mehr zu überbieten ist. (Beifall bei den Grünen.)

Die Auswirkungen erleben wir ja. Österreich schaut jetzt auf das Thema Nummer eins, um BSE geht die Debatte, um einen Medikamentenskandal bei Schweinen. Es gibt Diskussionen im ORF, und was passiert? – VertreterInnen der Opposition werden ausgeladen. Ja nicht einmal die unabhängigen Tierschutzorganisationen, die diesen Skandal aufgedeckt haben, dürfen mehr auf das Podium.

Da entsteht eine Behörde, die vom öffentlich-rechtlichen Auftrag unabhängig wird – unabhängig von europäischen Standards und nur abhängig von Ihrer blau-schwarzen Machtpolitik! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vielleicht hätte ich gleich am Anfang sagen sollen, der rote Faden der Einwendungsdebatte sind die Argumente, die für eine Veränderung der Tagesordnung sprechen.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

10.21

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zunächst möchte ich festhalten, dass alle Anträge, die heute auf der Tagesordnung stehen, im Ausschuss erledigt worden sind. Zum anderen: Die Tagesordnung – und damit natürlich auch die Tagesordnung betreffend die "KommAustria"-Anträge – wurde in der Präsidialsitzung gemeinsam so festgelegt.

Es gibt also heute keinen formalen Grund, über die Neuordnung im Medienbereich keine Debatte zu führen. Es gibt aber auch keinen inhaltlichen Grund, die Debatte nicht zu führen, denn, wie Sie alle wissen, herrscht seit 15 Jahren Stillstand in der österreichischen Medien


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politik. (Abg. Öllinger: Und das ist die Bewegung!) Jetzt, und zwar im Oktober, hat die Bundesregierung einen Entwurf vorgelegt, der den europäischen Standards und auch den Entwicklungen im europäischen Bereich Rechnung trägt, um diesen Stillstand endlich aufzuheben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist das, was die Opposition besonders bestreitet, aber in Wirklichkeit mit Sachargumenten nicht wegargumentieren kann: Es wurde das Modell einer unabhängigen Behörde vorgelegt. (Abg. Dr. Mertel: In Ihrer Phantasie! Das hätten Sie gerne!) Das ist genau das, was Sie immer wieder fordern. Die Zeit des Packelns, Postenschacherns und Junktimierens in der Medienpolitik muss endlich der Vergangenheit angehören! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen auch ganz genau, dass es die Aufhebung der Privatrundfunkbehörde im Regionalradiogesetz durch den Verfassungsgerichtshof notwendig macht, jetzt über die "KommAustria" und über eine Neuordnung in diesem Bereich zu reden. Diese Notwendigkeit gibt es für das ORF-Gesetz nicht. (Abg. Heinzl: Wer hat Ihnen diese Rede geschrieben?)

Eines muss ich Ihnen schon vorhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition: Seit Oktober ist die Regierungsvorlage bekannt; seit Oktober bieten wir Gespräche an. Seit Oktober versuchen wir, mit Ihnen zu einer gemeinsamen Neuorientierung im Bereich der Medienpolitik zu kommen. Es ist uns leider nicht gelungen! Es ist uns nicht deshalb nicht gelungen, weil die inhaltliche Debatte überwogen hat, sondern es ist uns deswegen nicht gelungen, weil Sie gar keine Termine angeboten haben. Das erste gemeinsame Gespräch fand zwei Tage vor der Sitzung des Verfassungsausschusses statt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das heißt, die Opposition hat unsere Gesprächsangebote ignoriert und hat damit auch Gesprächsverweigerung betrieben. Heute wollen Sie auch nicht darüber reden, und zwar warum? – Weil Sie einen Offenbarungseid ablegen müssten, dass Sie die Vorlage ablehnen, in der ein zukunftsorientiertes, an EU-Vorgaben orientiertes Modell vorliegt und in dem eine unabhängige Behörde postuliert wird. Sie dokumentieren damit, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Sie weiterhin Stillstand in der österreichischen Medienpolitik wollen.

Ich möchte den Chefredakteur der "Presse" zitieren, der geschrieben hat: "Lieber lassen wir" – damit meinte er die Sozialdemokraten – "die Medienszene des Landes noch weiter verrotten, als der Regierung einen Erfolg zu ermöglichen."

Nur Sie übersehen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es wäre das nicht nur ein Erfolg der Regierung, sondern die "KommAustria" wäre ein Erfolg für unser Land. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Gleiche Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

10.25

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Das Problem ist, dass Sie keine unabhängige Medienbehörde wollen. Ihr Vorschlag war alles andere als ein Vorschlag für eine unabhängige Behörde. Sie wissen ganz genau, dass die Bestellungsvorgänge dafür so gestaltet waren, dass faktisch jede Besetzung der so wichtigen und verantwortlichen Positionen, die viel zu entscheiden haben und die die Medienlandschaft betreffen, ausschließlich von der Regierung, also von ÖVP und FPÖ, von diesen beiden Parteien, dominiert worden wäre.

Bei einer schein-unabhängigen Medienbehörde werden wir natürlich nicht mitmachen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich verstehe nicht, wieso jetzt plötzlich gehudelt wird. Das ist mir schleierhaft. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Khol. ) – Der Oberlacher, Klubobmann Khol, ist mit Staatssekretär Morak im


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September vorigen Jahres bei einer Medientagung in Alpbach gesessen. Wir hatten damals eine Diskussion. (Abg. Ing. Westenthaler: Seit zehn Jahren bringt ihr es nicht zusammen! Seit zehn Jahren! Zehn Jahre lang bringt ihr das nicht zusammen!) Herr Klubobmann Khol hat gesagt, wir werden am 5. Dezember ein Medienpaket präsentieren, da wird die Medienbehörde genauso vorgeschlagen werden wie die Novellierung des ORF-Gesetzes und das Privatfernsehgesetz. (Abg. Dr. Khol: Haben wir getan! Haben wir getan!)

Es ist eben nicht auf dem Tisch. Sachlich gehören natürlich alle drei zusammen, und das haben Sie damals auch gesagt. Aber Ihr Wort gilt nicht. Jetzt frage ich mich, warum das getrennt wird. Ich kann es Ihnen sagen: weil Sie natürlich vorhaben, auf den ORF Einfluss auszuüben, weil Sie Zensur haben wollen, weil Sie die Freiheit der Journalisten einengen wollen, weil Sie in Wirklichkeit in der Medienbehörde eine metternichsche Zensurkommission wollen, die bestimmt, was im ORF objektiv ist, was der ORF kommerziell darf und ob er das eine oder andere Sendungsformat machen darf.

Das geht so weit, dass Sie am liebsten bei "Taxi orange" mitgemischt hätten, wahrscheinlich wären Sie, Klubobmann Khol und Klubobmann Westenthaler, am liebsten im "Kutscherhof" gesessen. So weit geht das in Wirklichkeit! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Dabei werden wir nicht mitmachen! Die Leidtragenden sind tatsächlich die Privatradiobetreiber, die jetzt natürlich verunsichert sind. Die Leidtragenden sind jene, die Privatfernsehen machen wollen, weil auch das Privatfernsehgesetz noch nicht auf dem Tisch liegt. Heute wird plötzlich versucht, mittels der Tagesordnung einen zeitlichen Druck auszuüben, damit Ihr Zeitplan erfüllt wird, der aber sachlich nicht gerechtfertigt ist, da man nicht ausreichend entsprechende Gespräche führen kann. Das Problem ist noch dazu, dass Sie keinen Wettbewerb mögen. Sie wollen ununterbrochen die Telekom-Control, eine Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsmarkt. (Zwischenruf des Abg. Großruck. ) – Sie sind der Oberwettbewerb-Guru, Sie sollten schon gar nicht lachen, denn die Wahrheit ist, dass das Benützen des Handys, was gerade ein ÖVP-Abgeordneter während der Sitzung macht, nämlich mit dem Handy zu telefonieren (Abg. Kiss telefoniert mit seinem Handy), teurer wird, wenn der Wettbewerb eingeengt wird.

Sie wollen den Wettbewerb einengen, Sie wollen keine unabhängige Medienbehörde, Ihr Vorschlag ist um 17 Millionen Schilling teurer als unser Vorschlag. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben keinen Vorschlag! Ihr habt ja gar keinen Vorschlag! Sagen Sie mir: welchen Vorschlag? Sagen Sie mir einen Vorschlag!) Wir wollen, dass unabhängig reguliert werden kann, und wir wollen, dass der ORF weiterhin frei und unabhängig seine Aufgabe erfüllen kann. Das sind echte Unterschiede. (Beifall bei der SPÖ.)

Man muss sich nur anschauen, wie Sie mit der Republik umgehen, ob das jetzt die ÖIAG oder die Sozialversicherung ist. Da geht es ruck, zuck; da wird alles, was nicht regierungsloyal ist, was nicht auf Knopfdruck Ihren Befehlen unterordenbar ist, beseitigt. Das ist die Dritte Republik, die kommt, aber das ist eine Republik, die niemand außer Ihnen wollen kann, die Sie am Drücker sitzen und versuchen, all das umzusetzen.

Jetzt fehlt Ihnen noch der Medienbereich. Dann können Sie noch so eine ungeschickte und noch so eine schlechte Politik machen, wenn Sie es schaffen, im Medienbereich solche Strukturen aufzubauen, dass diese dann so berichten, wie Sie es wollen. Wenn der Himmel blau ist und Sie sagen, heute ist er mit Wolken verhangen, dann werden alle sagen, jawohl, Khol und Westenthaler sagen, der Himmel ist mit Wolken verhangen, dann werden alle berichten, er ist mit Wolken verhangen. So schauen dann die Wetternachrichten aus, die Sie machen.

Das kann nicht sein, und da wird es Widerstand geben, das kann ich Ihnen sagen! Das wird nicht sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn Sie die Freiheit der Journalisten im ORF, wenn Sie die Freiheit des Journalismus und der Berichterstattung einengen wollen (Abg. Mag. Schweitzer: Cap will Generalintendant werden! – weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), und wenn Sie diesen autoritären monokratischen Staat wollen, den Sie ja zu errichten versuchen, dann wird man eben beispielsweise im ORF die


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Seher und Hörer einmal stärker einbeziehen müssen. (Abg. Ing. Westenthaler: Na dann mach das doch!) Dann sollte man diese einmal fragen, ob sie diese Gängelung überhaupt wollen, die Sie von den Regierungsparteien da vorhaben. Ja, die sollte man überhaupt fragen – bis hin dazu, die Bevölkerung zu befragen (Abg. Ing. Westenthaler: Macht eine Volksabstimmung ...!), ob diese Gleichschaltung, die Sie vorhaben, wirklich kommen soll. – Wir sagen jedenfalls nein dazu! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er hat eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Das war die Bewerbungsrede des Cap für den Generalintendanten!)

10.31

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident Fischer hat mit Recht eingemahnt, hier den roten Faden über die Thematik nicht zu verlieren. Es war das zwar eine durchaus bemerkenswerte Rede meines Vorredners – nur war dieser nicht zu entnehmen: Ist er jetzt dafür, dass diese Tagesordnungspunkte abgesetzt werden oder nicht? Also eine klassische Themenverfehlung, Herr Kollege Cap! Das einmal gleich zu Beginn an Ihre Adresse. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie, Herr Kollege Cap, meinten auch, dass es in dieser Sache keinen Anlass für Schnelligkeit gebe. – Ich glaube Ihnen schon, dass Sie das einmahnen, haben Sie von der SPÖ doch das Prinzip des Stillstandes zum politischen Stilmittel Ihrer Medienpolitik erhoben – und das jahrelang, Herr Kollege Cap! Ihre Medienpolitik, die Medienpolitik der Sozialdemokratie verlief so nach dem "Mikado-Prinzip": Nur nicht rühren! – oder, um einen Titel des Lustspiels von Franz Grillparzer abzuwandeln: Wehe dem, der sich rührt! Das ist also Ihr Stilmittel, und deshalb wollen Sie hier gar nicht in der Sache diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Grund dafür, weshalb da Schnelligkeit angesagt ist – da Sie es bisher offensichtlich nicht verstanden haben, darf ich das noch einmal wiederholen –: Schnelligkeit deshalb, weil die vorläufigen Privatrundfunk-Lizenzen am 19. Juni 2001 auslaufen. Das wissen Sie doch, und Sie wissen weiters genau, dass auch Sie und die SPÖ von den Privatradiobetreibern geradezu bestürmt werden, endlich die "KommAustria", endlich die Novelle zum Privatradiogesetz zu schaffen, damit die Privatradiobetreiber von diesem Damoklesschwert der Einstellung befreit werden! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist der Punkt!)

Sie von der SPÖ haben es – trotz jahrelanger Bemühungen seitens der Privatradiobetreiber – nicht geschafft, eine gesetzliche Grundlage hiefür zu schaffen. Ich erinnere nur beispielsweise an das Regionalradiogesetz 1994; 1995 gestoppt durch den Verfassungsgerichtshof. Privatrundfunkbetreiber: Hunderte Millionen Schilling infolge einer dilettantischen Gesetzgebung der SPÖ-Medienpolitik sozusagen in den Sand gesetzt! – Zwei Jahre lang hat es gedauert, bis es zur Novelle 1997 kam. 1998: wieder Inbetriebnahme von Privatradiostationen. – Also auch da haben Sie von der SPÖ einen Gesetzespfusch zu verantworten! (Abg. Schwemlein: Die ÖVP war da natürlich nie dabei!) Der Verfassungsgerichtshof hat erst im vergangenen Jahr wieder diese Lizenzen aufgehoben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Sie können sich hier nicht mit Glaubwürdigkeit herstellen und behaupten, Sie würden sich jetzt im Interesse der Medienlandschaft in Österreich, im Interesse einer unabhängigen Medienbehörde, im Interesse eines unabhängigen ORF, im Interesse der unabhängigen Journalisten dafür einsetzen! Das machen Sie doch in Wirklichkeit nicht! Und Sie wissen doch selbst: Ihnen geht es nur um Postenschacher. Auch in den Parteienverhandlungen ist es Ihnen immer um folgende Frage gegangen: Ja wer bestimmt denn die Mitglieder der Medienbehörde? Sechs Mitglieder sollen das sein. Ihnen von der SPÖ ist es doch nur darum gegangen, dass Ihre Partei da die Mehrheit hat, um die Mitglieder der Medienbehörde bestimmen zu können.


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Herr Kollege Cap! Zu Ihrem Vorwurf "Postenschacher" an die Adresse der Regierungsparteien: Gerade die Sozialdemokratie sollte, was diesen Vorwurf anlangt, besonders vorsichtig und ruhig sein, ist es doch so, dass einer der härtesten Postenschacher der vergangenen Jahre, nämlich die Versorgung des Ex-Ministers Scholten in den weich gepolsterten Posten des Vorstandsdirektors der Kontrollbank zu einem tragischen Selbstmord geführt hat, nämlich zu dem des Herrn Praschak (Zwischenrufe bei der SPÖ), der einer rücksichtslosen und brutalen Besetzungspolitik der Sozialdemokratie nicht weichen wollte! – Wenn Sie, Herr Kollege Cap, hier von Postenschacher sprechen, so sind Sie da wirklich der Falsche! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )

Meine Damen und Herren! Zur inhaltlichen Debatte kommen wir ja noch. Ich habe dargelegt, warum wir ganz schnell diese Novelle zum Privatradiogesetz brauchen. Wir brauchen auch eine unabhängige Medienbehörde. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Beenden möchte ich meinen Debattenbeitrag mit dem Zitat eines Journalisten, der der FPÖ sehr ferne steht, und zwar schreibt Karl Danninger in den "Oberösterreichischen Nachrichten":

Nachdem die SPÖ "jahrzehntelang Medienpolitik im Besetzen von Spitzenpositionen im ORF, im Intervenieren und Sekundenzählen gesehen hat, blockiert sie jetzt Initiativen zu einer Regelung, die nicht aus Jux und Tollerei herbeigeführt, sondern von Höchstrichtern vorgegeben wird".

Diesem Zitat, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nichts mehr hinzuzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

10.35

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobro jutro, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zu den Ausführungen von Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer sowie denen des Herrn Kollegen Krüger: Dazu, wenn es darum geht, Blau-Schwarz hineinzudrücken, wo es nur irgendwie geht, dass man Posten so besetzt, wo immer es geht, brauche ich jetzt eigentlich gar nichts zu sagen, denn: Die Geschehnisse der letzten beiden Tage und das, was im Zusammenhang mit dem Hauptverband passiert, spricht ohnehin Bände, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Frau Kollegin Baumgartner-Gabitzer hat hier davon gesprochen, es gebe keinen "formalen Grund" dafür, die Punkte 2 bis 6 von der Tagesordnung zu nehmen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt nicht nur formale Gründe hiefür, sondern vor allem auch inhaltliche! Aber ich möchte Ihnen zunächst einmal die formalen Gründe aufzählen, damit Sie nicht selbst diesem Irrglauben unterliegen, den Sie da zu verbreiten versuchen. Die Grünen haben sich nie gegen eine unabhängige Medienbehörde gewehrt und haben auch in den Beratungen in der Präsidiale gesagt: Selbstverständlich sind wir dafür, dass das heute auf der Tagesordnung steht, wenn – wenn! – es eine Einigung darüber gibt, sprich Zweitdrittelmehrheit für eine Vorgangsweise. Dem haben sich die Grünen nicht versperrt. – Also keine Rede davon, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die grüne Fraktion dieser heutigen Tagesordnung hier zugestimmt hätte!

Das, was nämlich heute zu beschließen beabsichtigt wird – und das wird, wie ich meine, so beschlossen werden, weil eben die Mehrheitsverhältnisse so sind, wie sie sind –, dem können wir von unserer Fraktion keinesfalls zustimmen! Man sieht es ja ohnehin beim Hauptverband (Abg. Dr. Khol: Zur Sache!): Es geht Ihnen von den Regierungsparteien doch nicht um Sachlichkeit, nicht darum, Bestellungen nach Kompetenz, nach Wissen vorzunehmen, sondern einzig und allein darum: Wer ist ein Roter – weg mit ihm! Wer ist ein Blauer – hinein mit ihm! (Rufe bei den Freiheitlichen: Zur Sache!) Das ist doch Ihr einziges Kriterium! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn ich dann hier hören muss, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien, dass Sie von einer "unabhängigen Medienbehörde" sprechen, die aus 13 Mitgliedern


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bestehen soll, wobei zehn Mitglieder von der Bundesregierung bestimmt werden, kann ich nur sagen: So blöd kann doch niemand sein, zu glauben, dass das auch nur irgendetwas mit Unabhängigkeit zu tun hat, wenn Blau-Schwarz bitte zehn von 13 Mitgliedern bestimmt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, wenn Sie schon einer Abgeordneten der Grünen, die die demokratische Legitimation einer solchen Behörde bezweifelt, nicht glauben, dann vielleicht zumindest Universitätsprofessoren, die Ihnen, ebenso wie uns, Stellungnahmen und Gutachten zu Ihren demokratiepolitisch geradezu abstrusen Ideen übermittelt haben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Universitätsprofessor Dr. Rill schreibt ganz klar – sowohl Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von Blau-Schwarz, als auch uns –, dass es, was die Mitglieder der Medienbehörde anlangt, nicht nur um die Frage der Sachkompetenz, sondern eben selbstverständlich auch um den demokratiepolitischen Aspekt geht, handelt es sich doch dabei nicht nur um Aufgaben, die weit über das Erfordernis Sachverstand hinausgehen – Sachverstand, den man selbstverständlich immer haben sollte, wenn man in einem solchen Gremium sitzt. Es geht doch auch darum, dass da ganz wichtige sozialpolitische Aspekte berührt werden. Da geht es doch bitte um eine Zwei-Klassen-Informationsgesellschaft. Damit werden doch Weichen für die Zukunft gestellt, wobei ganze Gesellschaftsgruppen vom Ausgeschlossen-Sein bedroht sind, wenn man sich das sozusagen in einem Klüngel von 13 Damen und Herren ausmacht, wobei zehn von Blau-Schwarz bestimmt und hineingesetzt werden! Ganz unabhängig davon: Ich spreche diesen zukünftigen Mitgliedern nicht die Sachkompetenz ab, jedoch die demokratiepolitische Legitimation über so wesentliche Fragen der Gestaltung unserer Mediengesellschaft, tatsächlich und wahrlich legitimiert zu sein, darüber zu entscheiden. Das ist der Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Um auch noch inhaltlich einige Bemerkungen zu machen: Also bitte nichts lieber als ein umfassendes Gesamt-Medienpaket – so, wie es die blau-schwarze Regierung versprochen hat. Selbstverständlich: ein umfassendes Medienpaket! Und das war ja auch die Devise – aber nicht ein Stückwerk wie das, was heute Gesetz zu werden droht. Wo bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Staatssekretär, Herr Bundeskanzler, ist denn die Frage der freien Radios – auch eine wichtige demokratiepolitische Frage – in Ihrem Gesamt-Medienpaket geregelt?! Wo ist die Frage der Minderheiten-Radios gesamtdemokratiepolitisch geregelt?! – Nichts davon ist drinnen!

Nicht nur formale Gründe sprechen für die Absetzung dieser Vorlagen von der heutigen Tagesordnung, sondern vor allem inhaltlich gewichtige Argumente. Dass Sie sich selbst nicht ernst nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, zeigt doch die Tatsache, dass ein Gutachten in Auftrag gegeben wird (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), wonach bundesweite Frequenzen gesucht werden können. Dieses Gutachten kommt im März, aber dieser Gesetzentwurf wird heute beschlossen! (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Blödsinn! Das hat mit der "KommAustria" nichts zu tun! So ein Schwachsinn!) Das ist demokratiepolitischer Hohn und keine Vorgangsweise, wie wir sie uns wünschen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Auch er hat eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

10.41

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte die Einwände der grünen Fraktion für berechtigt. Die Regierungsfraktionen wollen eine Medienbehörde installieren, die sie "unabhängig" nennen, die aber nicht wirklich unabhängig – das nicht nur unserer Meinung nach, sondern auch der Meinung von Universitätsprofessoren nach – und auch nur mangelnd demokratisch legitimiert wäre.

Sie brauchen für die Zustimmung zu dieser Behörde unsere Stimmen. Diese geben wir Ihnen nicht. Unsere Sorge ist, dass Sie das Ganze auch machen, um den ORF gänzlich in Ihren Ein


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fluss zu bekommen, um damit mehr Berichterstattung zur Unterstützung von Schwarz-Blau zu erhalten. Sie von den Koalitionsparteien sagen in dieser Debatte: Nein, das wollen wir nicht! Sie sagen, es gehe Ihnen wirklich nur um die bessere Regulierung von audio-visuellen Medien und um den Telekommunikationsbereich. – Wir sagen darauf: Wenn das stimmt, dann ändern Sie doch Ihren Vorschlag für die Behörde und legen Sie auf den Tisch, was Sie im ORF und im Privatradiobereich wirklich vorhaben! – Das tun Sie nicht, das wollen Sie nicht tun.

Sie bringen heute das Gesetz ein, ein Gesetz, für das eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Sie wissen zwar, dass Sie diese nicht bekommen, wollen aber dennoch die Abstimmung, weil Sie für die Opposition eine Doppelmühle aufmachen wollen: Stimmen wir von der Opposition zu, dann haben Sie das, was Sie wollen. – Stimmen wir nicht zu, dann verwenden Sie das nicht, um weiterzuverhandeln, sondern dann nehmen Sie das als Ausrede dafür, den Versuch zu unternehmen, eine Behörde mit einfacher Mehrheit beim Bundeskanzleramt anzusiedeln und uns dann zuzurufen: Selber schuld! – Eine solche Strategie lehnen wir ab! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ihnen von den Regierungsparteien geht es um den ORF, um den politischen Einfluss, um den Regierungseinfluss – und deshalb wollen Sie auch nicht weiterverhandeln: nicht über die Ideen des ORF-Generalintendanten, die Regierungsvertreter aus dem Kuratorium zu streichen und weniger politischen Einfluss im ORF zu haben, nicht über den Vorschlag der "Kronen-Zeitung" über stärkeren Einfluss der Bürger und der Hörer- und Sehervertretung, ja die Hörer und Seher insgesamt aufzuwerten, eben an Stelle des Regierungseinflusses. Sie wollen – ruck, zuck! – gleichschalten! Dieses Vorgehen ist nicht in Ordnung!

Sie haben uns gesagt – und zu Recht vorgehalten –, dass meine Partei in der Vergangenheit da selbst auch Fehler gemacht hat. – Ja, aber diese Fehler haben wir eingesehen (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), und diese sind kein Argument – ja, wir sehen sie ein –, nun von uns zu verlangen, Ihnen zu helfen, noch etwas viel, viel Ärgeres zu tun, nämlich den unabhängigen, objektiven, österreichischen Rundfunk der blau-schwarzen Regierung zu unterstellen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

10.45

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir reden darüber, ob Punkte von der Tagesordnung gestrichen werden sollen und hören die Frage von der linken Seite dieses Hauses: Warum so hudeln? – Meinen Damen und Herren, ich darf noch einmal festhalten: Seit 17. Oktober 2000 ist diese Regierungsvorlage bekannt. "Hudeln" in diesem Zusammenhang heißt, dass Sie erst vergangene Woche bereit waren, überhaupt darüber zu reden, offiziell mit den Regierungsparteien darüber zu verhandeln. Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich glaube, dass dieser Vorwurf wirklich nicht berechtigt ist. Sie hatten genügend Zeit, sich darüber zu unterhalten – heute müssen Sie entscheiden.

Punkt zwei, meine Damen und Herren von der Opposition: Sie sagen uns, dass Sie nicht genügend eingebunden gewesen seien. – Wir haben ja gehört, worüber Sie informell mit uns reden wollten, heute hat es Kollege Cap ja noch einmal gesagt: über den ORF, über die Postenbesetzungen, über die Kuratoren, über den Präsidenten dieser neuen Behörde. – Sie interessiert die personelle Besetzung  – und sonst nichts! (Abg. Dr. Khol: Das ist der Punkt!) Aber dafür stehen wir nicht zur Verfügung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein  – in Richtung des Redners –: So jung und so ein Realitätsverweigerer! – Gegenruf bei der ÖVP.)

Punkt drei: Heute geht es um eine Entscheidung, und die Frage dabei lautet: Ist dieses Haus für eine unabhängige "KommAustria", die zukünftig als Medienbehörde für alle gleich und ohne Regierungseinfluss entscheiden muss, wer im Wettbewerb diese oder jene Frequenz bekommt,


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wer im Wettbewerb da oder dort durch eine Entscheidung dieser "KommAustria" zum Zuge kommt? Sind Sie dafür oder dagegen? Um diese Frage geht es heute!

Uns ist natürlich klar, dass Sie von der SPÖ das gerne von der Tagesordnung gestrichen sehen hätten (Zwischenruf des Abg. Schwemlein ), denn Sie wollen noch einmal probieren, ein Junktim da oder dort aufzubauen. Dabei sollten Sie aber immer Folgendes in Erinnerung behalten: Ihr Einfluss auf den ORF, den Sie von der SPÖ in der Vergangenheit unter Ihrem "glorreichen" Bundeskanzler Klima hatten, hat Ihnen auch nicht geholfen – diese Wahlen wurden verloren. (Abg. Schwemlein: Das hat damit nichts zu tun! Herr Kollege, Sie sind sehr schwach!) Von Klima ist in Österreich nichts geblieben – außer seinem Hund "Grolli", und dieser ist im Burgenland. Das sollten Sie sich bei versuchten Junktimen durchaus überlegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Peinlich sind Sie!)

Wir, meine Damen und Herren, sind für diese unabhängige Medienbehörde, die außerhalb des Verwaltungsapparates, ohne irgendeinen Einfluss eines Ministers arbeiten kann.

Wir sind dafür, dass Sie von der Opposition heute offen legen, ob Sie für oder gegen Unabhängigkeit sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Gleiche Redezeit, nämlich 5 Minuten. – Bitte.

10.48

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt wenigstens von der Medienbehörde gesprochen worden. Bei Petrovic war das überhaupt ganz anders. Da kamen vor: BSE, Telekom, ÖIAG, ORF, und bei Cap "Taxi orange", die Sozialpartnerschaft und Sallmutter. Es war das wirklich ein absoluter Kraut- und Rübensalat. Sie haben wieder einmal alles vermengt und haben der staunenden Öffentlichkeit einzureden versucht, das sei ein Wiener Schnitzel. Meine Damen und Herren, es wird Ihnen nicht gelingen, das so rüberzubringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ganz interessant war der Beitrag des Kollegen Schieder. Er hat in einem Halbsatz gesagt: Ja, wir von der Sozialdemokratie haben Fehler gemacht. (Abg. Schwemlein: Ihr macht natür-
lich keine!)
Jetzt muss man natürlich hinterfragen – nach dem Motto: nennen Sie Ross und Reiter! –: Was waren denn diese Fehler, Herr Kollege Schieder? – Die Fehler waren, dass Sie die Kuratoren in Ihrer Regierungszeit parteipolitisch besetzt haben, nämlich dergestalt, dass Sie die Ministersekretäre als Befehlsempfänger auf den Küniglberg entsandt haben. Und diesen Fehler, meine Damen und Herren, wird diese Regierung sicherlich nicht machen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Na ihr macht das nicht ...!)

Wir haben unabhängige Experten in das ORF-Kuratorium entsandt, und deswegen, weil sie als Unabhängige von der derzeitigen Regierung neu entsandt wurden, sind sie noch alle Mal keine "Söldlinge der Regierung", sondern frei, ungebunden und weisungsfrei, meine Damen und Herren! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das unterscheidet uns von Ihren Fehlern, Herr Kollege Schieder, die Sie ja zugegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Diese Einwendungsdebatte gegen die Tagesordnung ist daher – sagen wir es zurückhaltend – lächerlich. Da Cap gemeint hat, dass diese Regierung "hudelt": Herr Kollege Cap, die Zeit der Siebenschläfer-Regierung ist vorbei! Diese Regierung handelt! Der Winterschlaf in der Politik ist beendet, meine Damen und Herren! Es geht ums Handeln, es geht um einen unabhängigen ORF – und nicht um einen Rotfunk, meine Damen und Herren! Das unterscheidet uns ein weiteres Mal von Ihnen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ihnen, Herr Kollege Cap – ich habe "Taxi orange" noch nie gesehen –, der Sie offensichtlich sehr oft vor der "Glotze" sitzen dürften, verleihe ich jetzt den "Taxi orange"-Führerschein


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ehrenhalber, denn diesen haben Sie sich mit Ihrer Rede heute wirklich verdient. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Grünen, zu Ihnen und Ihrem Vorwurf "Postenschacher". Es ist ja wirklich interessant, mit welcher Kreidestimme Frau Stoisits und Frau Petrovic hier den "Postenschacher" angeprangert haben. Wenn man dann nämlich zum Eingemachten kommt, wird es ganz interessant, zu sehen, wofür, für welche Posten und Pöstchen höchstrangige Grün-Funktionäre sogar ihre Seele verkaufen. So geschehen jüngst in Salzburg, dort hat die SPÖ/ÖVP-Koalition besonders aufhorchen lassen, indem sie wenige Tage vor Weihnachten im Land vier Abteilungsleiter- und drei Referatsleiterposten vergeben hat: rasch, rasch, bevor das Objektivierungsgesetz am 1. Jänner 2001 in Kraft tritt. Es wurde dort noch schnell diese Sache über die Bühne gebracht, "unabhängig" natürlich – die anderen sind ja alle "Parteisöldlinge".

Damit da die Grünen auch nicht leer ausgehen, hat sich Herr Hüttinger, Klubobmann der Grünen im Salzburger Gemeinderat, noch einen Aufsichtsrats-Chefposten mit einverhandelt. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Da schau her!) Den hat er gleich mitgenommen, meine Damen und Herren, weil ja Weihnachten war. (Abg. Schwemlein: Wie war denn das mit dem Notar der Freiheitlichen, dem Herrn ...?) Und was hat Herr Hüttinger dafür hergeben müssen? – Er hat einen "Grundsatz" – unter Anführungszeichen – der Grünen über Bord gehen lassen und seine Zustimmung zum Bau eines riesigen Einkaufszentrums auf der grünen Wiese gegeben. Ein an sich immer wieder gepredigter "Wahnsinn", wie die Grünen sagen würden, Beton auf die grüne Wiese hinzuschütten. Da hat in Salzburg diese Bürgerliste gesagt: Dafür sind wir, damit wir einen Aufsichtsratsposten bekommen! (Rufe bei den Freiheitlichen: Interessant! Interessant!)

Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie sollten ob Ihrer Handlungen in Sack und Asche gehen! Sie sind die Postenschacherer – und diese Regierung ist für Objektivität! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort.

10.53

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Haigermoser! Nicht alle sind so einfach strukturiert wie Sie im Denken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist nicht so, dass man deshalb irgendwo zustimmt, weil man einen Posten erhält. Nicht in allen Fraktionen ist das so – bei Ihnen aber offensichtlich schon. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich erinnere nur daran, Kollege Haigermoser, dass die Freiheitlichen diejenigen waren, die damals, als die Telekom-Regulierungsbehörde errichtet wurde, "Regierungsnähe" gewittert haben, und zwar durch und durch. Und warum? – Weil sie zu wenige Posten erhalten haben.

Jetzt, bei der neuen Regulierungsbehörde "KommAustria", ist das natürlich alles anders! Wunderbar! Ich gebe schon zu: Die Freiheitlichen werden da wahrscheinlich nicht so viele Posten wie die ÖVP erhalten. Das ist offensichtlich das "Territorium" der ÖVP, aber dafür gibt es dann im Hauptverband der Sozialversicherungsträger und bei den Krankenkassen wieder etwas, wo dann die Freiheitlichen etwas kräftiger zulangen dürfen. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer hat gemeint, die Zeit des Packelns, des Postenschacherns und Junktimierens sei vorbei. (Ruf bei der ÖVP: Jawohl!) Formal mag sie Recht haben. Jetzt wird nicht gepackelt, sondern jetzt wird ab gepackt, ab gefertigt. Aus, ruck, zuck, vorbei! Wir haben beim Kollegen Sallmutter gesehen, wie das geht. Rechtswidrig wird da zwischen Tür und Angel aus dem Ministerrat heraus erklärt: Vorbei, Kollege Sallmutter, du bist es nicht mehr! – Da braucht man offensichtlich keinen Bescheid zu erlassen, wie das in einem Rechtsstaat üblich ist, um den Kollegen Sallmutter los zu werden, sondern da bedarf es nur eines Einflüsterers, der sagt: Der Sallmutter ist ein böser Bube, der


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hat da irgendeinen Beschluss gefasst! – und schon rennt ein entnervter Minister aus dem Ministerrat heraus und sagt: Weg mit dem Sallmutter!

So ist die Methode Ihres Regierens, wenn Sie es nicht so schaffen und wenn Sie es nicht auf die Art des Herrn Interventions-Ingenieurs Westenthaler schaffen, weil Sie sich selbst blamieren durch die ständigen Interventionen im ORF (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), weil es peinlich wird, wenn Herr Westenthaler einmal über die Leinwand, einmal zwischen den Türen, einmal vor der Tür, einmal hinter der Tür interveniert, weil ihm Herr Khol sagt: Du musst dich etwas zurücknehmen, Westenthaler, das fällt schon langsam auf! (Abg. Dr. Stummvoll: Sie sollten sich auch etwas zurücknehmen!)

Weil Sie es auf diese Art und Weise nicht schaffen und weil es auch nicht ganz besonders vernünftig ist, installieren sie eine "KommAustria"-Regulierungsbehörde, mit der Sie über Ihre Mittelsmänner den ORF ersticken wollen. Darum geht es Ihnen! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Reste an Selbstverwaltung und Unabhängigkeit, die es in unserem Land noch gibt, wollen Sie beseitigen! Und das gab es bisher ohnehin nur in unzureichendem Maße!, aber das ist das einzige, was ich Ihnen zuzugeben bereit bin, dass es bisher schon so war, dass Parteipolitik in der Selbstverwaltung, in den Sozialversicherungen, dass der Proporz auch im ORF eine Rolle gespielt hat! – Aber das, was Sie machen, ist noch viel unverschämter, ist viel eindeutiger (Beifall bei den Grünen), denn Sie scheren sich nicht einmal um formale Regeln, wie wir am Beispiel Selbstverwaltung in der Sozialversicherung deutlich vorexerziert bekommen haben. Sie scheren sich keinen Deut darum, dass es gesetzliche Regelungen gibt!

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Kommen Sie mir bloß nicht mit dem Titel "Objektivierungsverfahren"! Ja, haben Sie gesagt, auch beim ORF wird objektiviert, bei dieser Regulierungsbehörde. – Spätestens seit der Bestellung des Herrn Stojan zum Leiter des Kärntner Kulturamtes und dem, was Herr Stojan nachträglich dazu gesagt hat, wissen wir, wie Ihre Art von Objektivierung ausschaut.

Wenn der Betreffende, der da hineingeschummelt wurde – und das auch noch zugegeben hat –, das öffentlich erklärt, dann: Ruck, zuck, aus, ab in die Psychiatrie, und zwar mit Polizeieinsatz! Das Ihre Methode, wie Sie die Leute dann wieder los werden. (Abg. Achatz: Das ist unbeschreiblich, was Sie da sagen! Ein Skandal! – Abg. Mag. Trattner: Sie werden ohnehin nicht mehr ernst genommen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn jemand – dieser Fall von "Objektivierungsverfahren" war eindeutig genug – wie Herr Stojan erklärt: Ja, mir hat Herr Haider vorher erklärt, wir regeln das schon in diesem Objektivierungsverfahren ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): Wenn so etwas dann herauskommt, dann ist wirklich Furcht und Angst um die wenigen Institutionen in dieser Republik, die Ihrem Einfluss noch entzogen sind, angebracht – und vor allem Widerstand. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

10.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat das Wort. (Rufe bei der SPÖ: Oi je!)

10.58

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem jetzt sehr viel Staub aufgewirbelt wurde, möchte ich den Zuhörern und Zusehern erklären, worum es wirklich geht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)


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Seit Jahren wollen wir eine unabhängige, richterlich agierende Behörde, die in Streitigkeiten zwischen dem Monopolisten ORF, den Zuhörern und Zusehern und den Privatradios unabhängig entscheidet. (Abg. Parnigoni: Wie bei Sallmutter!) In einer Regierungsübereinkunft, die mit den Sozialdemokraten nicht zu Stande gekommen ist, stand dieses Ziel fest verankert. – Heute wollen wir es hier im Nationalrat diskutieren, im Ausschuss haben wir für dieses Ziel eine Mehrheit bekommen – und wir wollen heute der Öffentlichkeit vorführen, ob die Sozialdemokraten zur Unabhängigkeit von Kontrollbehörden stehen oder nicht. Darum geht es heute! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Es ist das seine zweite Wortmeldung. Da die Gesamtredezeit eines Abgeordneten in dieser Debatte 5 Minuten beträgt und Herr Abgeordneter Schieder noch 1 Minute und 41 Sekunden an Redezeit hat, stelle ich die Uhr auf 2 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.00

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgeordneter Khol spricht von Unabhängigkeit, Abgeordneter Haigermoser spricht von Unabhängigkeit und sagt, im Kuratorium des ORF hätte man gesehen, dass anstelle der Regierungsvertreter, die immer nur rot-schwarz gewesen seien – übrigens ist Herr Gredler drinnen gesessen, der von der Freiheitlichen Partei war –, unabhängige Fachleute eingesetzt worden wären. (Abg. Dr. Stummvoll: Stimmt das nicht?)

Diese Fachleute sind so "unabhängig", dass sie zu Ihren Fraktionen gehen. Schon bei der ersten Abstimmung, als der Vorschlag gemacht wurde, einen Rechnungsprüfer, der qualifiziert war und keiner Fraktion angehörte, durch einen FPÖ-Vorschlag und Vertrauten Haiders zu ersetzen, haben sie gleich samt und sonders für den Vorschlag gestimmt, den Haider-Vertrauensmann zu installieren.

Ihnen geht es nicht um die Unabhängigkeit! Und wenn es Ihnen darum geht, dann beweisen Sie es! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. ) Dann legen Sie kein Gesetz vor, das legistisch schlecht, inhaltlich falsch – zumindest teilweise inhaltlich falsch –, demokratiepolitisch bedenklich ist, sondern machen Sie Bestimmungen, die die Medien-Landschaft in Österreich erhalten, gehen Sie ab von Ihrem Ziel, den ORF entweder gleichzuschalten oder zu zerschlagen! Dieses Vorhaben ist nicht nur schlecht für die Meinungsfreiheit, sondern es wird auch schlecht sein für Österreich insgesamt. (Beifall bei der SPÖ.)

11.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Einwendungen.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die für die Einwendungen von Frau Abgeordneter Dr. Petrovic stimmen, das heißt, die dafür stimmen, dass die Punkte 2 bis 6 von der Tagesordnung abgesetzt werden, dies durch ein Zeichen bekunden. – Dies ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Daher bleibt es bei der ausgegebenen Tagesordnung für die heutige Sitzung. (Abg. Dr. Khol: Rot-Grün im Nationalrat! – Abg. Ing. Westenthaler: Rot-Grün heißt Blockade!)

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1420/AB

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 1420/AB der Anfrage 1405/J der Abgeordneten Dr. Lichtenberger und Genossen betreffend Umgehung der Ökopunkteregelung im


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Straßengütertransit durch Österreich, insbesondere mittels CEMT-Genehmigungen, durch die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

Fristsetzungsanträge

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass Herr Abgeordneter Dr. Kostelka beantragt hat, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 18/A der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird, eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Genossen beantragt, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 98/A der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Genossen betreffend Änderung von Wahlordnungen eine Frist bis 30. Juni 2001 zu setzen.

In beiden Fällen liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über den Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Die zweite kurze Debatte wird im Anschluss an die Debatte über den Fristsetzungsantrag des Abgeordneten Dr. Kostelka stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss der Debatte erfolgen.

Weiters hat Herr Abgeordneter Öllinger beantragt, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 16/A der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem demokratische Grundrechte für nichtösterreichische Staatsbürger und -bürgerinnen sichergestellt werden sollen, eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Auch hier liegt ein Verlangen auf Durchführung einer Debatte vor. Diese kurze Debatte wird im Anschluss an die Debatte über die vorhergehende Fristsetzung stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss dieser Debatte erfolgen.

Außerdem hat Herr Abgeordneter Dr. Kostelka beantragt, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über die Anträge 67/A, 68/A, 81/A, 150/A, 169/A, 170/A und 329/A der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen sowie über den Antrag 333/A (E) der Abgeordneten Mag. Maier und Genossen eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Die gegenständlichen Anträge werden gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Um die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzusehen.

Bei den Punkten 7 und 8 handelt es sich um den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 350/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Ing. Westenthaler, Dr. Khol, Mag. Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (475 der Beilagen) sowie um den Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Einrichtung eines allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie zur


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Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes (476 der Beilagen).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diese Ausschussberichte ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist somit einstimmig beschlossen.

Einlauf und


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Zuweisungen

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1778/J bis 1808/J.

2. Anfragebeantwortungen: 1517/AB bis 1617/AB,

Beilage zur Anfragebeantwortung: Zu 1513/AB;

Anfragebeantwortung durch die Obfrau des Ausschusses für Menschenrechte: 11/ABPR.

3. Volksbegehren:

Volksbegehren neue EU-Abstimmung (445 der Beilagen).

4. Regierungsvorlagen:

Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz – GewRÄG (422 der Beilagen),

Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz – Pkw-VIG (423 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (424 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial und das Waffengesetz 1996 geändert werden sowie ein Truppenaufenthaltsgesetz erlassen wird (428 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2000 (Vorlage 19 BA);

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 20 betreffend "für die Sicherheit der Schulkinder", überreicht vom Abgeordneten Anton Heinzl,

Bürgerinitiative Nr. 16 betreffend "Resolution gegen Kürzungen im Bildungsbereich";

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Ausschuss für Menschenrechte:

Petition Nr. 13 betreffend "Anerkennung der Verfolgung und Auslöschung der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich von 1915 bis 1917 als Völkermord im Sinne der UN-Konvention zur Verhinderung und Bestrafung von Völkermord vom 9. Dezember 1948", überreicht von den Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Dr. Johannes Jarolim,

Petition Nr. 16 betreffend "Menschenrechte auch für Sudetendeutsche!", überreicht vom Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler;

Unterrichtsausschuss:

Bürgerinitiative Nr. 6 betreffend "Sicherstellung und gesetzliche Verankerung der Tätigkeit der Schülerberater und Schülerberaterinnen an Berufsschulen";

Verkehrsausschuss:

Petition Nr. 6 betreffend "Verlängerung der Geltungsdauer von Kurzparkzonen in Wien, Ausnahmebewilligungen für Geschäftsleute und Freiberufler, Ergänzung des § 45 Abs. 4a der geltenden StVO", überreicht von der Abgeordneten Ilse Burket,

Petition Nr. 9 betreffend "Dringend dafür zu sorgen, dass schnellstmöglich die Lärmplage für die Anrainer der Inntal Autobahn in zwei Erler Ortsteilen durch die Errichtung einer Lärmschutzwand gemildert wird", überreicht von der Abgeordneten Edith Haller;

Wirtschaftsausschuss:

Petition Nr. 7 zur Rettung des Schönbrunner Bades, überreicht vom Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 358/A (E) der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen betreffend Wählbarkeit für in Österreich erwerbstätige Personen aus anderen EU/EWR-Mitgliedstaaten und gemeinschaftsrechtlich begünstigter Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU/EWR-Mitgliedstaates haben, in den gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen und zu den betrieblichen Interessenvertretungen (wie zum Beispiel Betriebsräten, Personalvertretungen, Jugendvertrauensräten);

Finanzausschuss:

Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) (419 der Beilagen),

Antrag 357/A der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird;

Gesundheitsausschuss:

Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (421 der Beilagen),

Antrag 359/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Kennzeichnung von Nahrungsergänzungsmittel,


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Antrag 360/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Verbot von Separatorenfleisch in Österreich,

Antrag 361/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Einführung einer verpflichtenden, klaren und transparenten Kennzeichnung von tierischen Produkten;

Gleichbehandlungsausschuss:

Antrag 355/A (E) der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend die Umsetzung eines frauenpolitischen Grundforderungskatalogs in Anlehnung an das Frauen-Volksbegehren;

Justizausschuss:

6. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien (399 der Beilagen);

Umweltausschuss:

Antrag 363/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Ratifikation und Umsetzung der Aarhus-Konvention in Österreich;

Verfassungsausschuss:

Antrag 364/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend weiterhin kostenloser Zugang zum RIS;

Verkehrsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 134/1999) geändert wird (418 der Beilagen),

Antrag 356/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Maßnahmen gegen Drogen im Straßenverkehr,

Antrag 362/A (E) der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend Erhaltung und Attraktivierung der Ausserfernbahn;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Außenpolitischer Ausschuss:

Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend jüngste Entwicklungen der Südtirol-Autonomie (III-88 der Beilagen);

Gleichbehandlungsausschuss:

Bericht der Bundesregierung betreffend den Dritten Bericht zum Stand der Verwirklichung der Gleichbehandlung und Frauenförderung im Bundesdienst (Gleichbehandlungsbericht 2000) (III-86 der Beilagen);

Kulturausschuss:

Restitutionsbericht 1999/2000 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-85 der Beilagen);

Landesverteidigungsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend die Jahresberichte 1996 bis 1999 der Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten und Stellungnahme des Bundesministers für Landesverteidigung (III-83 der Beilagen),


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Bericht der Bundesregierung betreffend Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin; Analyse-Teil (III-87 der Beilagen).

*****

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 4 bis 6, 7 und 8 sowie 14 bis 18 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.08

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass beim Fristsetzungsantrag Öllinger, Freundinnen und Freunde der "1. Mai" als Frist gesetzt worden sei.

Ich möchte Sie, da Sie diesen Termin offensichtlich irrtümlich genannt haben, korrigieren: Wir haben als Frist den 1. März gesetzt, weil mit diesem Termin auch die EU-Kommission von Österreich eine Entscheidung bezüglich des passiven Wahlrechtes verlangt hat.

11.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (in seinen Unterlagen blätternd): Im Antrag ist tatsächlich die Frist mit 1. März gesetzt. – Die Ausführung in meiner Vorlage ist sehr mangelhaft, und daher habe ich hier 1. Mai gelesen. Es ist 1. März, Herr Abgeordneter Öllinger. (Abg. Gradwohl: Und wieder sind die anderen schuld! – Abg. Schieder: Natürlich! Die Beamten sind schuld!)

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 10 "Wiener Stunden" vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 195, Freiheitliche und ÖVP je 145 sowie Grüne 115 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

1. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema "Ergebnisse des Europäischen Gipfels von Nizza"

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum Punkt 1 der Tagesordnung: Erklärung des Bundeskanzlers zum Thema "Ergebnisse des Europäischen Gipfels von Nizza".

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte stattfinden.

Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte.

11.10

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Tage des Europäischen Rats von Nizza liegen zwar schon ein bisschen zurück. Es waren dies Marathonver


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handlungen, die längste Tagung eines Europäischen Rats. (Die Abgeordneten der SPÖ halten Tafeln mit der Aufschrift in die Höhe: "Wer ist der nächste?" beziehungsweise: "Wer ist die nächste?") – Wer der Nächste ist, kann ich Ihnen sagen: der Europäische Rat in Stockholm. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber ich freue mich, dass Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, so mitdenken, wer die nächsten Europäischen Räte organisieren wird.

Nun, diese Tage von Nizza liegen schon ein bisschen zurück. Ich habe mir aber die Freiheit genommen – in Abstimmung mit den Fraktionen –, Sie informell zu informieren und Ihnen alle notwendigen Argumente darüber mitzugeben, was dort vereinbart wurde und wo wir stehen. Der Vertrag wird Ende Februar von den Außenministern unterzeichnet werden. Danach wird er in die österreichische Gesetzessprache gekleidet und Ihnen noch vor dem Sommer vorliegen.

Dieser Vertrag von Nizza ist aber auch in eine österreichische Geschichte eingebettet. Es ist zwar nicht geplant, aber dennoch eigentlich kein Zufall, würde ich sagen, dass wir ausgerechnet heute über die Vorkommnisse und die Ergebnisse von Nizza diskutieren, an dem Tag, an dem vor genau einem Jahr 14 Länder der Europäischen Union Sanktionen gegen Österreich vorgeschlagen und auch publiziert haben. Es ist genau heute der Jahrestag. Das ist ein Zusammentreffen, das deswegen sehr wichtig ist, weil damit eine ganz bestimmte Haltung sichtbar geworden ist, eine Haltung, die gegen den Geist der Europäischen Verträge gerichtet war, die nicht auf dem Boden des europäischen Rechts basierte.

Und das Schöne ist jetzt, dass in Nizza – auf unsere Initiative hin – eine gemeinsame, eine parallele österreichisch-belgische Initiative gesetzt wurde, um durch einen neu gefassten Artikel 7 solche Vorkommnisse gegen ein Mitgliedsland der Europäischen Union nie mehr möglich werden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An die Ausgangsposition vor einem Jahr erinnere ich mich noch sehr genau: Ich bin mit dem damaligen FPÖ-Obmann Jörg Haider in einem Wiener Hotel beim Mittagessen gesessen (Abg. Dr. Mertel: Wie üblich!) und wurde am Handy angerufen – nicht, wie in manchen Tagebüchern steht, von Antonio Guterres, dem portugiesischen Ministerpräsidenten und Ratsvorsitzenden, sondern von seinem Außenminister Jaime Gama, der mir gesagt hat – es war ihm nicht ganz angenehm, diese Botschaft überbringen zu müssen –, dass eine Konsultation soeben diese drei ungerechtfertigten Maßnahmen ergeben hat: keine bilateralen politischen Kontakte mehr, die Beziehungen auf technisches Niveau zurückgestuft, keinerlei Unterstützung für österreichische Kandidaten, wo immer sie antreten und auftreten. Von ihm wurde weiters noch gesagt, dies solle aber nicht publiziert, sondern das solle noch mit Österreich besprochen werden. – Sie wissen ja, wie es dann tatsächlich gekommen ist.

Ich möchte an dieser Stelle auch etwas sagen, was mich persönlich berührt hat: Ich war geschockt durch diese Ankündigung, denn so etwas hat es in der Geschichte Europas noch nie gegeben – und ich hoffe auch wirklich sehr, dass so etwas nie mehr vorkommen wird, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Sanktionen waren natürlich nicht gegen die Regierung gerichtet, sondern gegen das Land schlechthin. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPÖ und der Grünen.) Wen vertritt denn, meine Damen und Herren, ein österreichischer Botschafter? – Doch nicht mich! Er wird vom Bundespräsidenten ernannt, und es ist seine Pflicht, das ganze Land zu vertreten: Das ist das Grundgesetz der österreichischen Diplomatie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für wen steht denn ein österreichischer Kandidat, der möglicherweise eine ganz andere politische Gesinnung haben kann als die politischen Parteien, die derzeit die Bundesregierung unterstützen? – Er steht natürlich stellvertretend für ein Land und für seine Person! Daher ist diese Maßnahme tief ungerecht gewesen, sie hat sogar die individuellen Rechte und Möglichkeiten eines europäischen Bürgers beeinträchtigt – ein zutiefst anti-europäischer Verstoß, der da von unserer Seite zu beklagen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Und genauso das Dritte, die Konsequenzen, die dazu geführt haben, dass zumindest eine Zeit lang wissenschaftliche Kontakte, Schüleraustausch, geschäftliche Beziehungen in Frage gestellt, über Medien und politische Erklärungen geradezu problematisiert wurden: Wen, wenn nicht ganz Österreich, trifft denn so etwas? Regierungen oder Minister können sich wahrscheinlich am leichtesten "abschütteln", können sagen: Okay, wir konzentrieren uns auf die "Heimarbeit"! Das Land als Ganzes aber hat gelitten.

Ich sage auch offen, dass es bei manchem in Österreich – auch hier im Hohen Haus – etwas länger gedauert hat, bis man begriffen hat, dass da tatsächlich eine gemeinsame, feste, entschlossene Haltung notwendig ist, um ganz Österreich zu verteidigen. Und ich danke jenen, die es begriffen und das immer ganz selbstverständlich gelebt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es sei hier aber auch jenen gedankt, die viel früher als ihre Regierungen begriffen haben, dass dies eigentlich ein Verstoß gegen europäische Grundprinzipien ist. Ich möchte stellvertretend Helmut Schmidt, den früheren sozialdemokratischen Parteivorsitzenden und langjährigen deutschen Bundeskanzler zitieren, der gerade in diesen Tagen öffentlich erklärt hat: Er, Schmidt, war nicht gegen diese Sanktionen, weil er plötzlich mit der FPÖ oder mit der ÖVP sympathisieren würde – überhaupt nicht! –, sondern weil er von Anfang an das Gefühl hatte, dass da ein Limes, eine Grenze überschritten wurde, die eigentlich eine unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten eines Mitgliedslandes der Europäischen Union darstellt. – Und Helmut Schmidt hat Recht damit.

Ich saß vergangene Woche neben Jacques Delors, dem langjährigen und von allen hoch geschätzten sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten der EU, bei der Bertelsmann-Stiftung. – So viel übrigens zum Thema bis heute anhaltender "Isolationsfolter", die uns treffe. – Jacques Delors war von Anfang an – und er hat mir das im Privatgespräch wieder bestätigt – zutiefst gegen diese Sanktionen, weil er als einer von wenigen gleich begriffen hat, dass damit ein Flurschaden an der europäischen Idee angerichtet wird, den wieder gutzumachen es lange brauchen wird. (Abg. Mag. Muttonen: Lenken Sie nicht ab!)

Daher nochmals: Danke diesen zwei prominenten Sozialdemokraten, genauso wie etwa dem amerikanischen Ex-Außenminister Henry Kissinger, der auch beim Bertelsmann-Forum gewesen ist und genauso privat und öffentlich seine Missbilligung dieser Einmischung in innere Angelegenheiten eines Landes zum Ausdruck brachte.

Wichtig ist auch – nicht, um jetzt jemanden zu beschuldigen –, hier festzuhalten, dass wir gemeinsam mit der österreichischen Bevölkerung einen Weg gegangen sind und dabei Festigkeit, Entschlossenheit, aber auch Flexibilität bewiesen haben. Wir haben damit die Sanktionen früher weggebracht, als viele geglaubt haben und ich gehofft habe.

Daher: Danke auch den Franzosen, die in ihrer Präsidentschaft die Größe hatten, diese Sanktionen, und zwar ohne Wenn und Aber, zu beenden. Und ich habe auch Respekt vor den Belgiern, die sehr kritisch gewesen sind, dass sie in dieser Frage Schulter an Schulter mit uns in Nizza für eine Veränderung innerhalb der Europäischen Union gekämpft haben.

Das Ergebnis lässt sich sehen: Wir haben in harten Verhandlungen all unsere Vorstellungen durchgebracht: ein Frühwarnsystem innerhalb der Verträge, das Europäische Parlament muss zustimmen – dies ist keine Frage, die Regierungschefs in Telefonkontakten mit ihren Beratern zu klären haben –, ein rechtliches Gehör in allen Verfahrensstufen für alle Mitgliedstaaten, eine Begründungspflicht, eine Angemessenheit der Entscheidungen, eine regelmäßige Pflicht zur Überprüfung und eine nachprüfende Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof.

Wir sind zufrieden mit diesem Ergebnis von Nizza, und wir können auch stolz sein auf den Weg, den Österreich im letzten Jahr gegangen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein Zweites: Gerade auf europäischer Ebene haben sich manche Besorgnisse auf eine angebliche Entfremdung oder Entfernung Österreichs vom europäischen Weg bezogen. – Das Gegenteil war in diesen Monaten der Fall, und gerade Nizza hat dies schlagkräftig gezeigt. Wir


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haben zum Beispiel in diesen Monaten die Sparbuch-Anonymität europäisiert. Wir haben sie abgeschafft und durch ein besseres Bankgeheimnis ersetzt; das hätten wir schon längst machen sollen, dieses Versäumnis haben wir relativ rasch beseitigt. (Abg. Dr. Khol: Edlinger ließ das nicht zu!)

Vor einem Jahr noch haben wir massive Kritik von der Europäischen Kommission in puncto Budgetkonsolidierung gehört. – Jetzt spricht die Kommission von einem spektakulär besseren Budget durch Karl-Heinz Grasser, den Finanzminister, und die ganze Regierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Währungskommissär Pedro Solbes hat gesagt: Die Budgetsituation hat sich spektakulär verbessert, die österreichische Regierung hat ihre Anstrengungen zur Konsolidierung massiv verstärkt; es liegt eine große Wende vor. – Wir sind europäischer geworden, meine Damen und Herren, nicht entfremdeter oder isolierter! Und das möchte ich heute, an diesem Tag, an dem wir über Nizza reden, auch gerne festhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nizza kennzeichnet aber natürlich eine Zäsur, das möchte ich auch ganz offen aussprechen. Professor Weidenfeld hat bei der Bertelsmann-Stiftung wörtlich gesagt – ich halte das für völlig in Ordnung, und das trifft es auch –: Wir erleben gegenwärtig den leisen Abschied vom alten Europa. Wir befinden uns inmitten einer historischen Zäsur, die den Beginn einer neuen Epoche einläuten wird.

Wie immer ist ein solcher Neubeginn mit Chancen und Risken verbunden. Es geht um diese drei großen Szenarien, die jetzt herankommen, nämlich die Einführung der europäischen Währung in weniger als einem Jahr, die Erweiterung vor allem um unsere Nachbarländer – an dieser Stelle begrüße ich auch einige Botschafter hier auf der Galerie –, die Europa und insbesondere Mitteleuropa nachhaltig verändern wird, aber zugleich auch die Weiterentwicklung Europas in Richtung darauf, nicht nur eine wirtschaftliche Macht und nicht nur eine Zivilmacht zu sein, sondern auch eine politische Macht zu sein – mit allen Instrumenten: von der Währung und Wirtschaft bis hin zu einer gesicherten europäischen Grundwertebasis, aber auch einem militärischen oder zivilen Krisenmanagement.

Das ist eine ganz neue Situation, eine ganz neue Phase, in die wir eintreten, wobei wir aber auch aufpassen müssen, dass die europäische Agenda nicht zu einem "Glasperlenspiel" wird, das die Bürger eigentlich gar nicht mehr verstehen. Ich habe mir hier einen sehr spannenden Artikel mitgenommen, der im Dezember vorigen Jahres – knapp vor Nizza – in der "Zeit" erschienen ist. (Bundeskanzler Dr. Schüssel hält eine Seite einer Zeitung in die Höhe.) Dieser Artikel stammt von Tony Judd, einem jener großen Intellektuellen, die manchmal sehr kritisch mit dem Integrationsprojekt Europas umgehen. Aber ich finde, wir sollten so manche Kritik ernst nehmen und auch reflektieren.

Tony Judd sagt: Es muss möglich sein, dass man so große Weichenstellungen auch mit Pro und Kontra diskutiert, sodass man fähig wird, nicht alles mit einer Moralkeule als richtig und notwendig, ja geradezu alternativlos und zwangsläufig zu beschreiben. Und weiters: Keine einzige wichtige Entscheidung wird heute in Brüssel je als Dilemma formuliert, als Frage, bei der Vor- und Nachteile abgewogen werden. Es geht immer um das Projekt als moralische Fabel und dazu – in einem falsch verstandenen Globalisierungswahn – um die Idee, dass man quasi die Nationalstaaten abschaffen oder schwächen könnte.

Judd sagt weiters: Bereits um 1900 glaubten Ökonomen und politische Denker in Wien und Budapest, Nationalstaat und Nationalismus seien anachronistisch; Tschechoslowakei oder Österreich, Ungarn oder Polen seien bloß widersinnige demagogische Versprechungen in einer Zeit, da die Ökonomien unumkehrbar zusammenwüchsen.

Das ist richtig: Es geht nicht darum, etwas in Frage zu stellen, sondern es geht darum, Fragen zuzulassen und sie zu formulieren.

Und so gesehen war der Gipfel in Nizza meiner Ansicht nach ein ehrlicher Gipfel, denn er hat auch die Machtfragen thematisiert. Die Diskussionen waren so, dass wir tatsächlich manchmal


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mit unterschiedlichen europäischen Konzepten aufeinander geprallt sind. Ich persönlich erachte Nizza für einen Kompromiss – das ist klar; was auch sonst, wenn 15 Länder rund um den Tisch sitzen? –, aber einen Kompromiss, den man nicht kleinreden soll, sondern den man als Voraussetzung für diese Weichenstellungen ernst nehmen – und jetzt auch ratifizieren soll.

Das erste wichtige Ereignis ist natürlich, dass Nizza technisch und institutionell die Voraussetzungen für die Erweiterung geschaffen hat. Wir haben zum ersten Mal seit 40 Jahren, eigentlich seit der Gründung der Union, die Institutionen Europas nachhaltig angepasst. Das war schmerzlich, gar keine Frage, aber wir haben es geschafft. Damit können unsere Nachbarn in diese neue Union einsteigen, und sie haben die gleichen Rechte und Pflichten.

Übrigens war Österreich ein Anwalt dieser Gleichberechtigung unserer Nachbarn und der Kandidaten. Es scheint mir wichtig zu sein, dass wir nicht Mitglieder zweier Klassen im neuen Europa haben: die Altmitglieder und diejenigen, die neu eingeladen werden sollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben zweitens auf Vorschlag der Kommission auch einen konkreten Verhandlungsfahrplan beschlossen. Vor allem für die nächsten 18 Monate gibt es jetzt ganz genaue Vorstellungen darüber, wann welches Thema angenommen werden soll. Es gab sogar die Hoffnung – eine Hoffnung, die ausdrücklich formuliert wurde –, dass der erste Beitrittstermin so sein könnte, dass die am weitesten qualifizierten Kandidaten schon an der nächsten Europawahl teilnehmen können. Das ist ambitioniert, aber institutionell ist der Weg offen. Jetzt liegt es an den Kandidaten, dies auch in den Verhandlungen wirklich umzusetzen.

Wir haben auch zum ersten Mal ehrlich angesprochen, dass es Übergangsfristen geben muss, eine gewisse Flexibilität, um den Kandidaten entgegenzukommen. Es gibt derzeit Wünsche nach über – in Summe – 500 verschiedenen Übergangsfristen oder Übergangsmöglichkeiten von den verschiedenen Ländern, und es gibt einige wenige Bereiche, die auch für uns wichtig sind.

Ich möchte hier – so wie Deutschland und der deutsche Bundeskanzler, wir haben das auch in Nizza vorbesprochen – dringend die Notwendigkeit einer Übergangsfrist einmahnen, einer siebenjährigen Übergangsfrist ab dem Beitritt für die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und für grenzüberschreitende Dienstleistungen. Es sind eben nur Deutschland und Österreich mit einer jeweils über 1 000 Kilometer langen gemeinsamen Grenze direkt und unmittelbar von dieser Frage betroffen. Ich glaube, dass jetzt, nach diesen Ansagen, auch die Kommission an einem solch vernünftigen Plan arbeiten wird.

Die Frau Außenminister hat einige großartige Ideen, die wir jetzt auch umsetzen wollen: einerseits strategische Partnerschaften mit den Nachbarländern zu bilden, zugleich aber auch österreichische Gesprächs- und Verhandlungsforen sowie Informations-Plattformen im Inneren, damit dieses Projekt der Erweiterung geglaubt und auch von der Bevölkerung verstanden und angenommen werden kann.

Mit den Chancen muss man auch die Risken der Erweiterung sehen. Wir fürchten, dass gerade in den Grenzregionen Probleme auftauchen können. In dieser Hinsicht war Nizza für uns sehr wichtig, denn zum ersten Mal wurde – auf österreichische Initiative hin – die Kommission von den Staats- und Regierungschefs beauftragt, ein Programm zur Festigung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der Grenzregionen vorzuschlagen.

Ich habe vor wenigen Tagen Kommissionspräsident Prodi einen Brief geschrieben und ihm gesagt, dass wir hoffen, dass dieser Kommissionsvorschlag – schon vorbesprochen mit Kommissär Verheugen – bereits unter schwedischem Vorsitz vorgelegt wird, dass das PHARE- und das INTERREG-Programm besser aufeinander abgestützt werden und dass wir damit auch intern einen Impuls setzen, dass die Erweiterung wirklich eine Chance wird. – Ich hoffe, Sie gehen dabei mit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Am heikelsten waren natürlich die institutionellen Fragen, insbesondere – Sie wissen das – betreffend die Europäische Kommission. Vor allem die französische Präsidentschaft wollte die


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Reform für eine massive Verkleinerung der Kommission auf zehn Mitglieder nützen. Dahinter stand natürlich auch die Idee einer Hierarchisierung: Die großen Länder sollen eine stärker sichtbare Macht innerhalb der Kommission haben, manchmal alternativ, manchmal kumulativ.

Dagegen haben wir uns massiv gewehrt und haben da mit anderen kleinen Ländern einen meiner Ansicht nach wichtigen Erfolg erreicht. Viele nationale Regierungen haben heute mehr als 20 Mitglieder; Österreich hat eine der kleinsten europäischen Regierungen, und ich finde, das ist auch gut so. Aber ich glaube, dass man über die Effizienz der Kommission reden soll. Vor allem soll man den Präsidenten stärken, und das ist in Nizza geschehen mit der Regelung des Rücktritts eines Kommissionsmitglieds, wenn das Vertrauen des Präsidenten und des Kollegiums verloren geht. Es darf nicht sein, dass man dort sozusagen eine politische Pragmatisierung hat – ganz gleich, was jemand tut. Das war eine österreichische Initiative, und das ist in diesem Vertrag umgesetzt worden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der österreichische Vertreter – das ist für uns ein Grundprinzip – bleibt in allen europäischen Institutionen – der Kommission, dem Europäischen Gerichtshof, dem Europäischen Rechnungshof – sehr lange erhalten. De facto wird ab der nächsten Erweiterung der Verzicht der großen Länder auf den zweiten Kommissar unmittelbar wirksam, und dann gilt das Prinzip "Jedem Land ein Kommissar", bis das 27. Mitglied beigetreten sein wird. Das wird eine lange Zeit sein, das sage ich hier auch ganz offen. Erst nach dem Beitritt des 27. Mitgliedstaates wird ein gemeinsamer Beschluss darüber gefasst werden, wie die neue Situation aussehen soll, wobei dann schon eine ganz gleichberechtigte Rotation der Fall sein wird.

Der schwierigste Bereich betraf die Stimmgewichtungen. Das ist eine reine Machtfrage. Da haben wir natürlich einerseits unsere nationalen Interessen, vor allem aber auch die Situation, dass Österreich ein Land ist, das Nettozahler ist und das sich daher selbstverständlich auch die heutige, bessere Stellung kleinerer und mittlerer Länder bewahren möchte.

Wir haben im Vertrag festgeschrieben: Jeder Beschluss der Union darf nicht nur eine Mehrheit der Stimmen haben, er muss auch die Mehrheit der Staaten hinter sich haben. – Das ist ein Punkt, der von den großen Ländern zum Teil heftig bekämpft wurde. Ich meine, wir haben ein für uns sehr gutes Ergebnis erreicht. Im Verhandlungsprozess hatten wir zuerst acht, dann neun und am Ende zehn Stimmen. Das heißt, unser Verhältnis bleibt gut gewahrt. Wir haben in Zukunft einen Bevölkerungsanteil von 1,5 Prozent, einen Budgetanteil von 2,6 Prozent und ein Stimmgewicht von über 4 Prozent sowie nach der Erweiterung von rund 3 Prozent. Ich meine, dass wir mit diesem Ergebnis insgesamt gut abgeschnitten haben.

Für "Feinspitze": Geplant war von den größeren Ländern, dass die sechs Großen nach der Erweiterung 55 Prozent der Macht im Rat haben sollen. Nach den Verhandlungen haben wir genau ausgerechnet, wo wir stehen, und siehe da: Die Kleinen und Mittleren haben nach diesem Verhandlungsergebnis mit 51 Prozent zu 49 Prozent die Mehrheit. Wir haben dabei also nicht schlecht abgeschnitten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Schönheitsfehler – das muss man offen zugeben – besteht jedoch darin, dass die Stimmschwelle für eine qualifizierte Mehrheit zu hoch ist. Es gibt eigentlich drei Hürden, um überhaupt zu einem positiven Beschluss zu kommen: die Mehrheit der Stimmen aller Staaten, die Mehrheit der Stimmen der Staaten und zusätzlich eine Bevölkerungsmehrheit. Das ist natürlich ein Punkt, die ein absoluter Schönheitsfehler ist. Da haben wiederum die Großen ihre Interessen massiv durchgebracht, sie haben darum gekämpft, dass sie sozusagen eine Veto-Position haben.

Ich glaube überhaupt, wir sollten die Betrachtungsweise ändern. In der europäischen Gedankenwelt muss es wichtiger sein, etwas durchzubringen, als etwas blockieren zu wollen. In sensiblen Fragen muss man sowieso bei der Einstimmigkeit bleiben. Ich kann wirklich nicht erkennen, warum ein Beschluss, der mehrstimmig erfolgt, von vornherein weniger wert sein soll als ein Beschluss, der im Konsens erfolgt. Im Prinzip ist es immer besser, einen Konsens zu haben. Das geht aber nicht immer, wie wir ja auch innenpolitisch wissen.


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Der Übergang zur qualifizierten Mehrheit ist ein Thema, das die Außenministerin detaillierter besprechen wird. Mir ist wichtig gewesen, dass die sensiblen Punkte für uns voll gewahrt bleiben. Wasser, Raumordnung und Bodennutzung bleiben Materien der Einstimmigkeit, das heißt, da hat Österreich allein das Sagen. Das muss so bleiben, und zwar nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In der Frage Verkehr, wo es um sensible Fragen – grundlegende Fragen, internationale Verhandlungen – geht, muss es Einstimmigkeit geben. Ich glaube, dass Sie mir zustimmen werden, wenn ich sage, das war immer ein Anliegen aller österreichischen Parteien, wo immer sie stehen mögen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )  – Das haben wir voll gehalten, Frau Abgeordnete Lichtenberger, Sie können da ganz unbesorgt sein. (Abg. Dr. Lichtenberger: Transitvertrag!)

Was das Thema Asyl, Migration und Flüchtlingswesen betrifft, hat Österreich einen relativ kreativen Vorschlag eingebracht, der am Ende auch akzeptiert wurde. Es geht um das Erstrecht: Wenn die Europäische Union ihr Recht zum ersten Mal beschließt, dann muss dies einstimmig der Fall sein. Spätere Abänderungen können durchaus mit Mehrheit erfolgen. Das scheint deswegen sehr wichtig zu sein, weil niemand einen Blanko-Scheck darüber ausstellen soll, wie eine solche Asyl-, Flüchtlings- oder Migrationspolitik aussehen wird. Da wollen wir die Sicherheit haben, dass dies zunächst im Konsens geschieht. Es wird dies überhaupt ein ganz wesentliches Thema im Europa von morgen sein.

Der vierte Bereich, der ganz neu und entscheidend sein wird und der Europa weit über den Grad einer Wirtschafts- oder Zivilgemeinschaft hinaushebt, ist die Frage der Verteidigungs- und Sicherheitsunion. Hiezu hat es Vorbereitungen gegeben, die vor allem in den letzten Monaten sehr intensiv gewesen sind. Im November 2000 haben sich alle 15 Mitgliedstaaten zu glaubhaften und verbindlichen Zusagen durchgerungen, wie wir die europäische Position in diesem zivilen und militärischen Krisenmanagement verbessern können. Es sind die drei Gremien – das politische, das militärische und das Planungs-Komitee – jetzt permanent, dauerhaft und effizient eingerichtet worden. Wir haben Konsultationen mit allen möglichen Partnerorganisationen und Nachbarstaaten aufgenommen.

Was noch offen ist, ist der Teil, der eine Verpflichtung nicht nur für Soldaten mit sich bringt – Österreich hat sich zu 3 500 Soldaten verpflichtet, die wir im Krisenfall jederzeit einbringen können –, aber vor allem muss es auch einen Bereich geben ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Herr Bundeskanzler, wir haben in der Präsidialkonferenz eine Redezeit von 25 Minuten vereinbart; diese haben Sie jetzt ausgeschöpft.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel (fortsetzend): Darf ich noch zwei Schlusssätze hinzufügen? – Das ist deswegen wichtig, weil die Frage der Polizeieinheiten – da wird über 5 000 nachgedacht – unter schwedischem Vorsitz genauso beendet und geklärt werden soll.

Fünftens ist in Nizza eine Diskussion über die Zukunft Europas vereinbart worden. Diese soll nicht nur auf der Ebene der Regierungschefs starten, sondern da würde ich anregen, dass wir in Österreich mit dem Parlament, mit den Ländern, mit den Wissenschaftern und mit der Öffentlichkeit einen großen Diskussionsprozess auch bei uns starten, um festzulegen, welcher Beitrag Österreichs in diese Diskussion einfließen wird.

Ich hoffe sehr, dass Sie diesem Vertragserfolg von Nizza zustimmen. Wir werden uns noch öfter im Detail damit auseinander setzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Ausführungen.

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über die Redezeit sowie über die Reihenfolge der Redner zum Tagesordnungspunkt 1 wie folgt erzielt:


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In der ersten Runde wird jeder Redner pro Fraktion 15 Minuten zur Verfügung haben. Die Frau Vizekanzlerin folgt danach mit 15 Minuten. Nach der Frau Vizekanzlerin wird je ein weiterer Redner von jeder Fraktion eine Redezeit von 6 Minuten haben. Hinsichtlich weiterer Redner besteht keine besondere Vereinbarung.

Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. (Oje-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Das Ganze geht aber nach dem Verursacherprinzip!)

11.37

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich beim Herrn Bundeskanzler dafür, dass er durch das häufige Zitieren europäischer sozialdemokratischer Politiker klargestellt hat, dass die Verhängung der Sanktionen keine sozialdemokratische Verschwörung war, sondern auf Initiative seiner Parteikollegen Chirac und Aznar zustande gekommen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich würde ihn bei dieser Gelegenheit auch daran erinnern, wenn er über die Aufhebung ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )  – Herr Kollege! Hat der Heurige für Sie gestern zu lange gedauert? Sind Sie nicht imstande, zwei Minuten zuzuhören? (Abg. Ing. Westenthaler: Wir haben wenigstens Wein getrunken – und keinen Champagner! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben darauf hingewiesen, dass die Grundlage ... (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Er ist bereits unter der U-Bahn mit seinem Niveau! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen. – Abg. Edlinger: Am liebsten würdet ihr uns hinausschmeißen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, dass die Maßnahmen, die Sanktionen der EU-14, aufgehoben wurden, hat es aber unterlassen, auf einen Zusammenhang zu verweisen, der zumindest in der politischen Debatte relevant ist, nämlich auf den "Weisen"-Bericht, der die Grundlage für die Aufhebung dieser Maßnahmen ist. (Abg. Mag. Schweitzer: ... die ganze Übertragung!) Nach wenigen Monaten, Herr Bundeskanzler, würde ich Sie daran erinnern, noch einmal in diesem "Weisen"-Bericht nachzulesen, was dort über den politischen Charakter Ihres Koalitionspartners gesagt wird. Ihr Koalitionspartner hat bis zum heutigen Tag diesen Charakter nicht zum Positiven verändert, sondern – wie wir täglich merken – nur zum Negativen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben über die Europäisierung der österreichischen Innenpolitik gesprochen und dabei die Budgetkonsolidierung herangezogen. Sie haben dabei Kommissär Pedro Solbes zitiert, das aber, wie so oft, nur halb getan. Er hat in seiner Einschätzung darauf hingewiesen, dass die Budgetkonsolidierung nur dann eine nachhaltige sein wird, wenn die bisher gesetzten Einmalmaßnahmen durch nachhaltige Strukturreformen ersetzt werden (Abg. Großruck: Zum Beispiel im Hauptverband!) und nicht die Regierung bald wieder dazu übergeht, sich neue, zusätzliche Ausgaben im Sinne der Erhöhung von Transferzahlungen zu leisten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Lob, das Sie zitiert haben, haben Sie nur halb wiedergegeben, denn es ist nur der halbe Weg der Budgetkonsolidierung erreicht worden! Der zweite Schritt steht nämlich nach wie vor aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir uns nun den Ergebnissen von Nizza zuwenden und Sie in diesem Zusammenhang die Liberalität beschworen haben, die Diskussion in Alternativen und das Nicht-Festlegen auf eine alternativenlose Position, dann steht diese heute hier von Ihnen vorgetragene Haltung meiner Ansicht nach in eklatantem Widerspruch zu Ihrer eigenen Praxis als Regierungschef. Sie versuchen – so wie zuvor bei der Mediendebatte –, tagtäglich ausschließlich das, was die Regierung macht, als das einzig Schöne, Wahre und Gute darzustellen, und sind zur Diskussion über Alternativen nicht bereit. Was Sie für Europa verlangen, sollten Sie zuerst in Österreich praktizieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Irgendwie erweckt es den Eindruck, dass zur Verdeckung der realen Regierungspolitik immer irgendwelche Feindbilder erzeugt werden, die dazu dienen sollen, über die wahre Problematik hinwegzutäuschen. Sie tun doch so, als ob die Europäische Union das österreichische Wasser bedrohen würde, und wollen damit ungeschehen machen, dass es in Wirklichkeit Ihre Regierung ist, die durch den Verkauf der Bundesforste und ihrer Anteile den Zugang zu öffentlichem Wasser bedroht. Das ist nämlich die Wahrheit, die sich innenpolitisch stellt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn in Zukunft in den Zentralbereichen die Österreicherinnen und Österreicher weniger Zugang zum Wald haben werden, wenn ein Teil des Wassers an Private verkauft sein wird, dann wird nicht die Europäische Union dafür die Verantwortung tragen, sondern Ihre Bundesregierung mit ihrer falschen Privatisierungspolitik. Das können Sie nicht abschieben! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben die Ergebnisse von Nizza positiv gewürdigt, und Sie haben gesagt, die Voraussetzung für die Erweiterung sei geschaffen. (Abg. Großruck: Würdigen ist meistens positiv!) Ich würde einschränken und sagen: Die formalen Voraussetzungen für die Erweiterung sind nun gegeben. Sie sind durch die Veränderungen bei den Institutionen formal erbracht. Aber eine Frage, die heute alle bewegt, die sich mit Europa beschäftigen, ist folgende: Auf Grund dessen, dass es zu keiner Vereinfachung der Entscheidungsverfahren und zu keiner Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen gekommen ist, stellt sich die Frage, ob ein Europa der 20 oder 27, in dem es noch viel schwieriger als im Europa der 15 sein wird, in allen Detailfragen zu einem Konsens zu kommen, ob dieses Europa der Zukunft wirklich ein politisch, sozial und ökonomisch integriertes Europa sein wird oder ob Europa wegen dieser schlechten Vorbereitung wieder auf das Niveau einer Freihandelszone zurückfallen wird. (Abg. Jung: Das sind lauter sozialdemokratisch geführte Regierungen, Herr Kollege!)

Sie wissen ganz genau, dass das die große Herausforderung ist, vor der Europa steht und die zumindest in Nizza noch nicht bewältigt worden ist (Abg. Jung: Sagen Sie das dem Blair!), weil sich die Regierungschefs nicht auf ein Verfahren einigen konnten, mit dem Europa entscheidungsfähiger und entscheidungsfreudiger wird. Das ist gerade für Österreich eine ganz entscheidende Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn kleine Staaten vor allem im Zentrum Europas sind viel, viel stärker davon abhängig, dass es ein integriertes Europa gibt und nicht ein Europa, das nur durch die Zusammenarbeit der Staaten unter der Dominanz der großen Staaten geprägt ist.

Wir sind nicht nur auf Grund unseres europapolitischen Bewusstseins Mitglied der Europäischen Union geworden, sondern auch, weil wir glauben, dass die Österreicherinnen und Österreicher in einem integrierten Europa eine bessere Zukunft haben werden als in einem Europa der losen Zusammenarbeit. Dieser Schritt ist – leider, sage ich – in Nizza nicht gelungen. Diesen Schritt muss Europa erst tun, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie darüber sprechen, dass Europa nicht nur in wirtschaftlicher Zusammenarbeit besteht, dann bin ich mit Ihnen völlig einer Auffassung, dass es nicht so sein darf. Aber es muss doch möglich sein, anzumerken, dass es in Fragen der europäischen Sozialpolitik, in Fragen der europäischen Steuerpolitik und in Fragen der europäischen Innenpolitik nicht möglich war, in Nizza substantielle Fortschritte zu erreichen.

Wenn wir über ein Europa reden, das nicht nur die Angelegenheit der Diplomaten, sondern ein Europa der Menschen, der Arbeitnehmer, der Beschäftigten sein soll, dann ist es doch die entscheidende Frage, welchen Beitrag dieses Europa leistet, um ein friedliches, soziales und entwickeltes Zusammenleben zu garantieren.

Die Frage, die man sich stellen muss, lautet: Hat Nizza einen Beitrag dazu geleistet? (Abg. Großruck: Genosse Schröder ...!)  – Ich sage: Nein! Die Staats- und Regierungschefs haben die Pflichtübung erfüllt, die formalen Voraussetzungen zu erzielen. Aber ein Schritt vorwärts in Richtung mehr Qualität von Europa, wodurch Europa letztendlich auch an die Menschen näher


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herangebracht wird, dieser entscheidende Schritt ist in Nizza leider nicht gelungen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen uns natürlich diese Frage stellen, wenn wir über die Erweiterung diskutieren. Ich bin der Meinung, dass jedes Land Mittel- und Osteuropas das natürliche Recht hat, an der europäischen Integration teilzunehmen. Und ich teile völlig die Auffassung, dass man die Staaten nicht in einzelne Gruppen einteilen darf. Aber klar ist auch, dass jedes Land die Voraussetzungen für den Beitritt erfüllen muss. Daher stellt die Erweiterung nicht nur eine Anforderung an die Europäische Union, an Österreich dar, sondern auch an jene Staaten, die beitreten wollen. Das sind nicht nur ökonomische Anforderungen und nicht nur soziale Anforderungen, sondern auch Anforderungen im rechtlichen und im demokratischen Bereich. Aber es soll die Tür im Sinne der Ausweitung der Zone von Frieden und Stabilität offen sein.

Wenn man diese Perspektive teilt, dann muss man sich die Frage stellen, welchen Beitrag Österreich leistet, um diesen Prozess auch wirklich zu befördern, welchen Beitrag Österreich dazu leistet, dass es sich in Zukunft nicht mehr in der Randlage der Europäischen Union befindet, sondern geographisch, politisch und ökonomisch ins Zentrum Europas rückt.

Herr Bundeskanzler, da sage ich Ihnen ganz offen: Die Politik der letzten Monate mit Ihren Aussagen gegenüber dem slowenischen Staatspräsidenten, teilweise auch mit Aussagen von anderen Kollegen in der Regierung gegenüber tschechischen, polnischen und ungarischen Politikern, war kein Beitrag dazu, die Position Österreichs bei den Nachbarn zu stärken, sondern ganz das Gegenteil war der Fall, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich auch die Frage, ob das Format von Nizza, nämlich eine Regierungskonferenz, geeignet ist, die Zukunft Europas zu gestalten. Wenn jede dieser Regierungskonferenzen nach der Logik von "Was kann ich für mich herausholen?" abläuft und durch diese Methode in Wirklichkeit gemeinsame Ergebnisse blockiert werden, dann heißt das doch, dass Europa auf der Strecke bleibt.

Daher halte ich die Überlegung für völlig berechtigt, die da lautet: Es kann die Zukunft Europas nicht allein den Staats- und Regierungschefs überlassen werden, sondern es ist eine Art von Konvent, wodurch auch die Vorbereitung der Grundrechtscharta gekennzeichnet war, wahrscheinlich der bessere Weg, die unterschiedlichen Interessen Europas mit einzubringen, um dafür zu sorgen, dass es nicht immer ein Kampf einer Regierung gegen die andere ist, sondern die Interessen der Bürger und damit die Interessen Gesamteuropas in den Vordergrund gestellt werden.

Ich würde mich freuen, Herr Bundeskanzler, würde Ihre Ankündigung, eine breite Debatte auch in Österreich führen zu wollen, darin münden, dass die weitere Entwicklung Europas durch einen Konvent getragen ist und nicht durch eine Regierungskonferenz, denn das scheint mir für Europa der bessere Weg zu sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben darauf hingewiesen, dass im Zuge des Erweiterungsprozesses nicht nur positive Chancen für Österreich, sondern dass es da und dort auch Gefahren gibt, und zwar gerade in den Grenzregionen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir, wenn wir über österreichische Grenzregionen sprechen, bedenken müssen, dass wir über österreichische Ballungszentren sprechen, denn sowohl Linz als auch Wien und Graz befinden sich in der Nähe jener Grenzen, die die Erweiterungsgebiete umfassen werden. Und damit reden wir über einen Lebens- und Wirtschaftsraum, in dem ein Großteil der österreichischen Bevölkerung lebt.

Daher muss gerade in Österreich bedeutend besser als anderswo diese Erweiterung vorbereitet werden, und zwar nicht nur durch Übergangsfristen, sondern auch durch die Bereitstellung der geeigneten Infrastruktur, die das Wachstum in diesen Regionen auch befördert, nicht nur durch Übergangsfristen, sondern auch durch eine konsequente Bekämpfung der illegalen Beschäftigung schon heute, und nicht nur durch das Abschieben an die Europäische Kommission, die nun Programme machen soll, sondern durch eine eigene Initiative der österreichischen Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern und den Sozialpartnern. Die Erweiterung wird für die Erweiterungsstaaten und für Österreich nur dann ein Erfolg werden, wenn sie gut


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vorbereitet ist und die Ängste und Interessen der österreichischen Bevölkerung dabei ernst genommen werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Hört! Hört! Gusenbauer liest aus dem SPÖ-Programm!)

Da ich ein uneingeschränkter Verfechter der Erweiterung der Europäischen Union bin, weil ich der Meinung bin, dass sich das Projekt von Frieden und Stabilität in Westeuropa bewährt hat und daher einem größeren Europa zugänglich gemacht werden soll, da ich so ein Verfechter bin, bin ich daran interessiert, dass diese Erweiterung gut vorbereitet wird, damit sie ein Erfolg für alle Beteiligten wird.

Diese Verantwortung müssen wir gemeinsam wahrnehmen! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.53

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Meine Damen und Herren! Es ist fast ein Jahr, ziemlich genau ein Jahr her, dass die EU-14 jene Maßnahmen über Österreich verhängt haben, die später als die "Sanktionen" bezeichnet wurden. Was ist da vorgegangen? – Es sollte am Beispiel Österreichs, eines kleineren Landes, ein Exempel statuiert werden. Jede Mitte-Rechts-Regierung sollte unter Berufung auf europäische Grundwerte sofort mit der Faschismuskeule erschlagen werden, wenn Kommunisten und Sozialisten durch Parteien der Mitte und der Rechten ersetzt werden. Das war das Ziel, und dieses Ziel ist gescheitert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Grünen, Herr Van der Bellen, vor allem aber Herr Voggenhuber, haben diese Sanktionen betrieben und unterstützt. (Abg. Murauer: Das glaube ich!) Sie sind dann später klüger geworden, schneller als die Sozialdemokraten, wie sie überhaupt schneller sind als die Sozialdemokraten, und haben dann die Sanktionen abgelehnt, und zwar nicht, weil sie ungerecht und ungerechtfertigt sind, sondern weil sie nicht griffig, nicht wirkungsvoll sind und die Falschen treffen. Aber sie waren dafür.

Dann kommt mir in Erinnerung, dass doch der frühere Bundeskanzler Klima am 19. Februar vehement gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ demonstriert hat. Widerstand! Widerstand!, hat er gerufen. Die Trillerpfeife hat er geblasen, mit anderen prominenten Funktionären der Sozialdemokratie in Österreich, am Heldenplatz. (Abg. Mag. Schweitzer: Das war der Gusenbauer!)

Meine Damen und Herren! Was glauben Sie, was sich all diese Demonstranten gedacht haben, als sie am Sonntag in der "Kleinen Zeitung" gelesen haben, dass sich die Sozialdemokraten – bestätigt von Klubobmann Kostelka – intensiv um eine Regierungsbeteiligung der FPÖ unter sozialistischer Führung bemüht haben? Ja was glauben Sie, was sich die Hörerinnen und Hörer gedacht haben, als sie am 29. Jänner im ORF Eye-Witness-News – also Augenzeugenberichte – gesehen haben, wonach sich Herr Klima, Herr Schlögl, die Sozialdemokratie, zwei Tage lang bemüht haben, die FPÖ in die Regierung zu bringen? (Abg. Edlinger: Das ist absurd!)  – Herr Edlinger! Vielleicht wissen Sie nicht alles.

Herr Van der Bellen! Wie empfinden Sie das? Nehmen Sie hinterher Stellung zu meinen Ausführungen. Sie gehen zusammen mit den Sozialdemokraten auf den Heldenplatz demonstrieren, gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ, und dann sagt ein Jahr später im Fernsehen Herr Schlögl: Ich habe das gemacht!

Und dann kommt man drauf, eine Regierungsbeteilung der FPÖ zuerst als Unterstützung einer Minderheitsregierung, spätere Ehe möglich, scheiterte nur daran, dass das nicht schriftlich gegeben wurde. Wie können Sie so etwas erklären? (Abg. Dr. Stummvoll: Ungeheuerlich!)


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Was glauben Sie, was sich die Österreicherinnen und Österreicher denken, die gesehen haben, dass sich die Sozialdemokraten zwei Tage lang um die Freiheitlichen bemüht haben (Abg. Dr. Fischer: Dies ist unwahr!), aber dann, wenn die Freiheitlichen eine Regierung mit der ÖVP bilden, auf den Heldenplatz gehen und "Widerstand! Widerstand!" rufen? – Das, glaube ich, werden Sie, Herr Gusenbauer, und das werden Sie, Herr Van der Bellen, bitte zu erklären haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fischer: Eine Unwahrheit wird durch Wiederholung nicht wahrer!)

Meine Damen und Herren! Die Sanktionen waren ungerechtfertigt, sie waren Unrecht, aber das Schlimmste ist, sie waren dumm! Und Dummheit wird in der internationalen Politik sofort mit Lächerlichkeit bestraft.

Zu den Maßnahmen: Ich wurde zum Vizekanzler, der heute Bundeskanzler ist, so etwa um 13.30 Uhr gerufen, und da wurde mir erklärt – Wolfgang Schüssel hat mir gesagt –: Stell dir vor, Gama hat angerufen, es gibt hier drei Maßnahmen, aber das bleibt geheim, darüber wird noch verhandelt! (Abg. Dr. Niederwieser: Er hätte gar nicht reden dürfen mit dir!)

Meine Damen und Herren! Ich schäme mich, dass ich später erfahren musste, dass über österreichische Aufforderung diese Sanktionen drei Stunden später in den Zeitungen standen, in allen Medien waren, weil man erwartete, dass damit Druck auf die ÖVP ausgeübt werden könne, diese Regierung nicht zu bilden. Das ist von Österreich ausgegangen, so wurde gesagt. Wenn das wirklich stimmt, dann schäme ich mich dafür! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Heute, ein Jahr später, sind die Sanktionen weg. Unsere Außenpolitik hat eine neue und erfolgreiche Basis, und es ist auch die Europapolitik neu gestaltet worden. Kleinere Länder haben ihre Zähne gezeigt, und kleinere Länder sind in der Regierungskonferenz nicht überfahren worden. Die kleineren Länder – und da waren wir Österreicher führend dabei – haben den größeren Ländern in der Regierungskonferenz von Nizza die Zähne gezeigt.

Auch die Sozialistische Internationale ist gescheitert. Wenn in Italien Silvio Berlusconi und seine Koalition die Regierung übernehmen – das scheint so zu sein –, dann wird er das Glück haben, dass die Sozialdemokraten ihre internationalen Grenzen schon erfahren haben, und es wird dann dieses Exempel, das an Österreich probiert wurde, wegen Erfolglosigkeit nicht mehr wiederholt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Regierungsmitgliedern, bei der Frau Vizekanzler, beim Herrn Bundeskanzler, bei der Frau Außenministerin dafür bedanken, mit welch großartiger Haltung sie das internationale Mobbing, denn nichts anderes war es, überstanden haben, und dass sie keine Wirkung gezeigt haben, wie das in der Boxersprache heißt. Sie haben gelächelt, sie haben das mit großer Haltung und großer Würde ertragen, sie saßen auf dem längeren Ast. Ihre Geduld hatte Ursache, denn letztlich hat ihnen die Geschichte Recht gegeben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die einzig wirklich negative Auswirkung der Sanktionen, abgesehen von der großen Verstörung, die diese Maßnahmen im Inland bewirkt haben, die einzig wirklich negative Konsequenz war, dass das Euro-Projekt durch diese dumme Aktion zuerst in Dänemark gescheitert ist, damit in Schweden nicht versucht wird und damit Tony Blair, der Großbritannien in die Euro-Zone bringen will, auf Jahre zurückgeworfen wurde. Das ist eine schwere negative Konsequenz. Kleine Ursachen – große Wirkungen.

Aber im Übrigen – meine Damen und Herren, Sie kennen sicherlich das Sprichwort: Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade – hat diese Aktion gute Wirkungen gehabt. Als positiv empfinde ich, dass das Gerede vom deutsch-französischen Motor der Integration ein für alle Mal als Propaganda enttarnt wurde. Es kommt nämlich nicht auf den Motor an, sondern es kommt auf die Menschen an, die dort sind. Ein Schröder ist kein Helmut Kohl, und ein Jacques Chirac ist auch kein François Mitterrand. Wir haben es erlebt.


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Also der deutsch-französische Motor, der natürlich über uns drübergefahren wäre, um das im Klartext zu sagen, ist nicht gefahren. Wir haben unseren Sitz in der Kommission verteidigt, auch wenn die Kommission sich in dieser Sanktionenerfahrung nicht mit Ruhm bekränzt hat. Auch da kommt es sehr viel auf Menschen an. Ein Jacques Delors, ein aufrechter sozialdemokratischer Gewerkschafter, hätte nicht mit der Kommission unterstützt, wie mit Österreich verfahren wurde.

Meine Damen und Herren! Wir haben unsere Ziele in Nizza erreichen können. Wir haben den Sitz in der Kommission, wir haben ein Gewicht an Stimmen, das uns die Mitbestimmung sichert, es wird kein deutsch-französisches Direktorium geben, alle Staaten sind gleich. Es ist über österreichischen Vorschlag ein Verfahren eingerichtet, dass ein derart ungerechtes, rechtswidriges Sanktionsverfahren, ein Mobbing gegen ein Mitgliedsland nicht mehr vorkommen kann. Und schließlich ist der Grundsatz der Einstimmigkeit in ganz wichtigen Fragen erhalten geblieben, und zwar was das Wasser betrifft, was die Raumordnung betrifft, was unsere Atomenergiefreiheit betrifft. All das ist in Nizza von unserer Bundesregierung gesichert worden. Dabei hat sicherlich dieses Mobbing gegen Österreich geholfen, weil sich viele kleinere Länder gesagt haben, das darf es in Zukunft nicht mehr geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Gusenbauer! Ich wollte Ihnen noch sagen: Der Zweck heiligt nicht die Mittel. (Abg. Dr. Gusenbauer: Nein, das ist aber interessant!) Das haben Sie nicht gesagt, aber Sie haben ja seinerzeit mit Herrn Pierre Moscovici Champagner getrunken, und dort sind Sie bei dieser Gelegenheit dafür eingetreten, dass die Sanktionen über Österreich ein Jahr lang dauern und es ein internationales Monitoring geben solle. Ich verstehe schon, dass Sie darunter leiden, dass Sie nicht mehr in der Bundesregierung sitzen, es ist ein legitimer Zweck von Ihnen. Sie haben hier ja auch Taferl in die Höhe gehalten. Aber auch in diesem Fall muss ich Ihnen sagen, dieses aktionistische Mittel der Taferl können Jörg Haider und die Grünen besser als Sie anwenden. Die machen nettere Taferl. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie wollen natürlich wissen, wer der nächste Bundeskanzler oder die nächste Bundeskanzlerin sein wird. Das ist ein legitimer Zweck, aber dieser Zweck wird nicht durch das Mittel geheiligt, dass Sie im Ausland illegale Mittel, nämlich diese Sanktionen, mit Nichtfreunden Österreichs unterstützen. Handeln Sie in Zukunft als Patriot! Das sollte Ihr Lernprozess sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nizza ist der Beginn der Entwicklung einer europäischen Verfassung. Und ich habe dem Herrn Bundeskanzler sehr genau zugehört, als er diesen Verfassungsprozess skizziert hat. Ich glaube auch, dass wir dieses unübersichtliche Vertragswerk der Europäischen Union durch einen Verfassungsvertrag ersetzen sollten, in dem es europäisch geltende Grundrechte gibt, wo es eine Aufgabenteilung zwischen Brüssel, den nationalen Staaten, den Ländern und den Gemeinden nach dem Subsidiaritätsprinzip geordnet gibt, wo es eine genaue Regelung gibt, wie die Länder stärker an der Willensbildung beteiligt werden.

Ich glaube – und da habe ich dem Bundeskanzler zugehört, und das würde ich gerne verstärken –, dass wir das Verfahren des europäischen Grundrechtskonventes ergänzen sollten. Das war ein Grundrechtskonvent, in dem nichtentscheidungsberechtigte Experten, auch Politiker saßen. Die Folge davon war, dass diese Grundrechtscharta von keinem der großen Länder als verpflichtend und richtig angesehen wurde.

So kann das nicht gehen. Es muss bei dieser europäischen Verfassungsentwicklung das Europäische Parlament als Parlament eingebunden sein, und die nationalen Parlamente, also unser Nationalrat und unser Bundesrat, müssen in diese europäische Verfassungswerdung eingebunden werden. Herr Bundeskanzler, ich rechne damit, dass Ihre Zusage auch umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Der Vertrag von Nizza geht weiter. Es gibt ja einen Prozess danach. Mit den Sanktionen hat die österreichische Bevölkerung den Sturm überstanden, und ich möchte mich bei den Österreicherinnen und Österreichern auch für die Unterstützung bedanken, die uns geholfen hat, den Sturm zu überstehen.

Wissen Sie: Wenn irgendwo der Wind scharf bläst, dann gibt es die einen, die Unterschlupf suchen und die sich verstecken. – Unsere Bundesregierung aber hat diesen scharfen Wind da


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zu genützt, um Segel zu setzen, um das Schiff Europa und Österreich weiterzubringen. (Abg. Edlinger: Am Heldenplatz! Unterirdisch durchgekrochen ist die Regierung!) Ich danke ihr dafür. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.08


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Dr. Kostelka zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung, und stellen Sie dieser Behauptung den richtigen Sachverhalt gegenüber.

12.08

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Kollege Khol, wie Recht Sie doch haben, der Zweck heiligt nicht die Mittel und die Regierungsbeteiligung nicht die Unwahrheit. Sie haben in Ihrem Redebeitrag gesagt, dass ich mit Vertretern der Freiheitlichen über eine sozialdemokratisch-freiheitliche Regierung verhandelte. – Das ist unrichtig, und ich weiß, dass Sie wissen, dass das unrichtig ist.

Wahr ist vielmehr – lesen Sie nach, meine Damen und Herren, in der "Kleinen Zeitung"! –: Am 28. Oktober 1999 hat es ein Gespräch zwischen Schüssel und Haider gegeben, in dem alles vereinbart war: diese blau-schwarze Regierung. Dreieinhalb Monate, meine Damen und Herren, wurde verhandelt und sondiert – alles Chimäre. Ausgemacht war bereits alles davor, nämlich die Regierung Schüssel – Haider, wie sie damals noch gemeint war. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Vier Minister wolltet ihr uns geben! Vier Minister hat die SPÖ angeboten!)

12.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer persönlichen Erwiderung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet.

12.09

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wurde der Unwahrheit bezichtigt, also ich bin persönlich angesprochen, ich hätte nicht die Wahrheit gesagt.

Ich stelle klar: Kollege Kostelka hat im Dezember mit Klubobmann Scheibner anlässlich einer Tagung der Westeuropäischen Union über eine Unterstützung einer von der SPÖ gebildeten Regierung durch die FPÖ verhandelt. (Abg. Reitsamer: Nein!) In der "Kleinen Zeitung" wurde das bestätigt. Was Herrn Schlögl und Herrn Klima betrifft, wurde im "Report" am 29. Jänner von Herrn Schlögl persönlich bestätigt, dass es solche Verhandlungen gegeben hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. Sie kennen § 58 Abs. 2 GOG. – Bitte.

12.10

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Abgeordneter Khol hat behauptet, ich hätte mit Herrn Staatssekretär Moscovici Champagner getrunken. – Das ist richtig. Und ich sage dazu, er hat auch hervorragend geschmeckt, Herr Abgeordneter Khol.

Herr Abgeordneter Khol hat aber des Weiteren behauptet, ich hätte dort gefordert, dass die Sanktionen gegen Österreich verlängert werden sollten. – Wahr ist vielmehr, dass ich mit Moscovici darüber gesprochen habe, wie man einen Ausweg aus dieser Situation finden kann.

Und im Übrigen würde ich anmerken: Immer wenn sich Abgeordneter Khol betroffen fühlt, weil ihm Unwahrheit vorgeworfen wird, sollte das kein Anlass zu einer persönlichen Erwiderung sein (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!), denn er hat für sich in Anspruch genommen: "Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit." – Herr Khol! Das richtet Sie! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

12.11

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Überhaupt alle Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Ich werde zunächst kurz etwas über Nizza sagen und dann auf den Heldenplatz und die so genannten Sanktionen eingehen – also spiegelverkehrt zu Ihrem Aufbau, Herr Kollege Khol, vorgehen. (Abg. Ing. Westenthaler: Referiert das Inhaltsverzeichnis!)

Herr Bundeskanzler Schüssel! Natürlich ist an dem Vertrag von Nizza nicht alles schlecht. Das steht ja außer Frage. Wir finden es auch sehr gut, dass das Verfahren, das Procedere für die Wahl des Präsidenten der Kommission erleichtert, vereinfacht worden ist. Wir finden es insbesondere sehr gut, dass die Rechte des Kommissionspräsidenten gestärkt worden sind, insbesondere das Recht der Entlassung eines anderen Kommissionsmitgliedes. Und es gibt noch einige andere Punkte.

Aber da meine Zeit beschränkt ist, gehe ich nur auf das ein, was wir als besonders kritisch ansehen. Das ist erstens die fehlende Demokratisierung, fehlende Schritte in der Demokratisierung der Union, und zweitens die Frage, ob sich die EU wirklich handlungsfähiger gemacht hat in Bezug auf die Erweiterung. Das ist die große Preisfrage.

Was die Demokratisierung betrifft, Herr Bundeskanzler beziehungsweise Herr Kollege Khol, werden Sie mir, wie ich meine, ja zustimmen, das war ja praktisch nicht Thema dieses Ratsgipfels. Da ist überhaupt nichts weitergegangen, auch nicht bezüglich zusätzlicher Rechte, wesentlicher zusätzlicher Rechte des EU-Parlaments. Das war einfach nicht auf der Tagesordnung. Das war nicht Thema dieses Gipfels.

In diesem Zusammenhang, was anscheinend im Wesentlichen auch nicht Thema war, ist die Gewaltenteilung innerhalb der EU, wie wir sie auf nationaler Ebene seit Jahrzehnten – seit Jahrhunderten wäre übertrieben gesagt –, seit Jahrzehnten kennen, die Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Justiz und wie das auf EU-Ebene aussieht, in erster Linie mit der Dominanz des Rates.

An dieser Dominanz des Rates hat sich in Nizza, nach Nizza nichts verändert. Daher war ich sehr froh, von Bundeskanzler Schüssel heute zu hören, dass auch er einen Post-Nizza-Prozess unterstützt, zum Beispiel in einem Verfahren angenähert dem Konvent, wie er bei der Entwicklung der Grundrechtscharta vorgenommen wurde. Das ist ein ganz wichtiger Gedanke. Wenn in den kommenden Monaten klar wird, dass es einen ernst zu nehmenden Post-Nizza-Prozess geben wird, einen Verfassungsprozess, einen Prozess, der sich ernsthaft mit der Frage der Kompetenzabgrenzungen zwischen der EU und den einzelnen Mitgliedstaaten befasst, ist das für die Frage unserer Ratifizierung des Nizza-Vertrages nicht unwichtig. Ich sage es einmal so. Gegenwärtig stehen die Zeichen nicht auf Zustimmung.

Das zweite große Problem ist die Handlungsfähigkeit, die Effizienz, wenn Sie so wollen, der Entscheidungsfindung in der EU. Bundeskanzler Schüssel selbst hat ja die Frage behandelt, dass die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit bei weitem nicht in jenem Maße ausgebaut wurde, wie dies der Fall hätte sein müssen, und zwar schon in Bezug auf die 15, geschweige denn in Bezug auf 20 oder 27 Mitglieder der Union.

Aber nicht nur das. Die Beschlussfassung wurde nicht nur nicht vereinfacht, sondern sie wurde noch erschwert durch dieses dritte Erfordernis der Bevölkerungsmehrheit bei bestimmten Entscheidungen. Also mit einer Erhöhung der Sperrminoritäten bei Beschlussfassung in der EU wird man die Erweiterung sicher nicht wirklich betreiben können.

Es wurden in Nizza bestimmte technische Voraussetzungen erfüllt: Stimmgewichtung im Rat, Sitze der neuen Mitgliedsländer im EU Parlament, aber was darüber hinausgeht, ist nicht gelöst, und das enttäuscht uns Grüne ganz besonders, weil wir Erweiterungsbefürworter sind. Wir


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halten dies für ein historisches Projekt, für ein Projekt von historischer Größenordnung. Irgendwie ist Nizza in den nationalen Interessen stecken geblieben. Die große Vision hat gefehlt, auch bezüglich der Erweiterung. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt käme ich zum Heldenplatz, aber Klubobmann Khol ist mir abhanden gekommen. (Abg. Ing. Westenthaler  – auf den etwas abseits stehenden Abg. Dr. Khol weisend –: Da ist er!) Okay, danke. Wäre ja schade gewesen, Herr Khol.

Also erstens einmal: Am Heldenplatz waren damals 200 000 bis 300 000 Leute. (Abg. Dr. Khol: 150!) Sie sagen, es waren 150 000. Ich glaube nicht, dass Sie, Herr Khol, dort persönlich gezählt haben, oder waren Sie dort inkognito? (Abg. Dr. Khol: Die Polizei hat das gesagt! – Beifall bei den Grünen.) Haben Sie auch mitdemonstriert? – Eher nicht.

Also Hunderttausende von Menschen waren dort. Das war keine SPÖ-Demonstration, das war keine Grün-Demonstration, das war eine Demonstration ziviler Vereine, die das organisiert haben. Das weiß jeder. Ich war auch dort. (Abg. Dr. Khol: Sie haben ja nicht mit der FPÖ verhandelt!) Klar. Aber es war keine grüne Veranstaltung. Glauben Sie, dass wir 300 000 Leute auf den Heldenplatz kriegen? (Abg. Dr. Khol: 150 000 auch nicht!)  – Nicht ohne weiteres. Noch nicht, Herr Khol! Noch nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Klima und FPÖ. (Abg. Dr. Khol: Sie haben ja nicht mit der FPÖ verhandelt, aber der Klima hat es!) Ich habe nicht mit der FPÖ verhandelt. Das wollte ich zunächst einmal als Erstes sagen. Ich war nicht Mitglied des Verhandlungsteams der SPÖ. Deswegen kann ich naturgemäß zu dieser Frage unmittelbar wenig sagen. Aber jeder hat gewusst, dass es auf Seiten der ÖVP zum Beispiel Herrn Bartenstein gibt, der gute Kontakte zur FPÖ pflegt, und auf Seiten der SPÖ gab es auch bestimmte Politiker – ich brauche jetzt gar keine Namen zu nennen –, die über die Jahre solche Kontakte gepflegt haben.

Was ich selbst nur sagen kann, ist: Als die ganze Sache zu Ende war, also als die Regierungsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP geplatzt sind und die Idee einer Minderheitsregierung Klima, wie man so sagt, im Raume stand, habe ich mich schon gefragt: Eine Minderheitsregierung muss ja eine Zeit lang geduldet werden. Die Grünen reichen noch nicht aus (Abg. Böhacker: Werden auch nie ausreichen!) – da bin ich nicht Ihrer Ansicht –, eine SPÖ-Regierung zu dulden. Mit der ÖVP hatte man sich gerade zerstritten. Also war der Verdacht nahe liegend, dass es irgendjemanden gibt, der sich in der SPÖ damit befasst, ob die FPÖ und unter welchen Bedingungen et cetera, et cetera bereit wäre, einige Monate eine Klima-Regierung zu dulden. Das ist eine technische Überlegung eines politisch Interessierten.

Jahrestag der so genannten Sanktionen. (Ruf bei der ÖVP: Dann wäre der Klima noch hier, und der "Grolli" wäre nicht allein!)  – Das hat mich wirklich tief getroffen. Das war die schlimmste Nachricht dieser Woche. Der arme Hund! So geht man wirklich nicht mit Hunden um (Beifall bei den Grünen, bei der ÖVP sowie den Freiheitlichen), das muss einmal an dieser Stelle gesagt werden.

Zu den so genannten Sanktionen. Herr Bundeskanzler und Herr Kollege Khol! Es ist gut, dass Artikel 7 reformiert worden ist. Ich finde, das ist noch nicht das Gelbe vom Ei, aber es ist eine erste Reform des Artikels 7 EU-Vertrag.

Bundeskanzler Schüssel hat gesagt, dass diese Maßnahmen der EU-14 gegen den Geist der Europäischen Verträge verstoßen haben. – Welcher Geist ist das? – Ich sehe da zumindest zwei Geister: Der eine Geist, der meines Erachtens da tatsächlich verletzt wurde – und das habe ich damals, im vergangenen Jahr, auch relativ bald klargemacht –, ist die fehlende rechtliche Grundlage der Improvisation der EU-14; so kann es nicht sein.

Der andere Geist war aber das Motiv, das dahinter steht – und das geht aus dem Drei-"Weisen"-Bericht auch klar hervor –, die Frage – ich drücke mich ganz vorsichtig aus – der möglichen Verletzung des Artikels 6, nicht des Artikels 7. (Abg. Dr. Khol: 6, ja!) Hinsichtlich Artikel 6 – Demokratie, Menschenrechte, Grundfreiheiten und alles, was damit zusammenhängt – bestanden die Bedenken. Ich meine, was den Verdacht der Verletzung des Artikels 6 betrifft, ist


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das keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines EU-Landes. Das war es nicht im Falle Österreichs und das wird es hoffentlich auch nicht bei anderen Ländern sein, wenn beispielsweise der Vlaams Blok oder die Lega Nord in einer nationalen Regierung sind. Diese Art der Einmischung in Bezug auf Artikel 6 ist notwendig und legitim. (Beifall bei den Grünen.)

Das macht gerade die Identität der Europäischen Union aus. Hoffentlich! Was denn sonst, wenn nicht diese berühmten europäischen Werte, die in Artikel 6 – zugegeben: nur skizziert; aber immerhin! – zu finden sind. (Abg. Dr. Khol: Aber die Demokratie ist doch auch ein Grundwert! Die Wahl!) Ja eh. Und daran messe ich Sie ja, Herr Kollege Khol.

Es gibt den Bericht der "drei Weisen". Ein Drei-"Weisen"-Bericht wird auch in Zukunft möglich sein. Artikel 7 sieht ausdrücklich vor, dass unabhängige Persönlichkeiten durch den Rat ersucht werden können, innerhalb einer Frist und so weiter einen Bericht vorzulegen. Ein Drei-"Weisen"-Bericht, zweite Auflage, über irgendein Land. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist nicht definiert, was "Weise" sind!) Nein, eh nicht. "Unabhängige Persönlichkeiten", heißt es.

Jetzt frage ich schon: Haben Sie den Drei-"Weisen"-Bericht gelesen und daraus irgendwelche Konsequenzen gezogen? (Abg. Dr. Khol: Ja!) Ja, wirklich?

"Man kann hieraus nur schließen" – Ziffer 103 –, "daß das systematische Betreiben von Beleidigungsverfahren, um Kritik an zweideutigen Aussagen zu unterdrücken, Anlaß zu ernsthafter Sorge hinsichtlich der von der FPÖ in Österreich geführten politischen Auseinandersetzung gibt".

Das ist nach wie vor der Fall. Nach wie vor gibt es Einschüchterungsversuche auf allen Ebenen, Klagswellen gegen alle (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic ), die es wagen, entweder die Regierung oder die FPÖ im Speziellen zu kritisieren – daran hat sich nichts geändert! –, bis hin zum Versuch der Einschüchterung des ORF. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) – Meine Laune verbessert sich nie, wenn ich an die FPÖ denke, Herr Kollege Schweitzer! (Beifall bei den Grünen.)

Justizminister Böhmdorfer ist der einzige Minister, der in diesem Drei-"Weisen"-Bericht massiv angegriffen wird. Was an Schlechtem kann man über einen Minister noch sagen, als dass er seine Pflichten als Staatsorgan verletzt hat? – Konsequenz: Es sind mehrere Minister zurückgetreten, aber nicht Justizminister Böhmdorfer. (Abg. Dr. Ofner: Das wird er auch nicht!) Er ist immer noch Mitglied Ihrer Bundesregierung. (Abg. Dr. Ofner: Das bleibt er auch! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Gelernt daraus haben Sie vielleicht, dass das doch etwas zu weit gegangen ist, oppositionelle Abgeordnete einsperren zu wollen und so weiter. (Abg. Dr. Ofner: Das hat auch keiner wollen!) Deswegen überlegt man sich andere Methoden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Die Geldquellen abdrehen, widerspenstige Organisationen auf diese Art zur Räson zu bringen (weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner ), bis hin zu Herrn Sallmutter, wo Sie versuchen, auf rechtswidrige Weise Leute abzusetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber das ist noch gar nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist – ich darf Sie daran erinnern –: die FPÖ als "rechtspopulistische Partei mit extremistischer Ausdrucksweise" – diese Charakterisierung stammt nicht von mir, sondern von den "drei Weisen". Ziffer 92 – lesen Sie nach! (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Es gibt ein ganz einfaches, kleines Parteimitglied (Abg. Mag. Schweitzer: Blanker Unsinn!), das neulich öffentlich gesagt hat: Der junge Schimanek wird bei uns in Österreich verurteilt und eingesperrt, weil er an einer Wehrsportübung teilgenommen hat. (Rufe bei den Freiheitlichen: Acht Jahre!) – Das war Jörg Haider.

Können Sie sich noch daran erinnern, was diese "Wehrsportübung" war, Herr Kollege Khol? – Diese "Wehrsportübung" bestand unter anderem darin, dass diesen jungen Leuten beigebracht wurde, wie man anderen die Kehle durchschneidet. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das war die "Wehrsportübung"! – Das war eine eindeutig neonationalsozialistische Veranstaltung!


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(Rufe bei den Freiheitlichen: Joschka Fischer!) Und mit solchen Leuten, die öffentlich solche Äußerungen machen, Herr Kollege Khol, sind Sie in einer Koalition! Das ist Ihr Partner! (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) – Das ist der Artikel 6 nicht, der solche Äußerungen deckt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Ing. Westenthaler zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Dr. Van der Bellen –: Sie haben den Joschka vergessen, den berühmtesten aller Politbrüder!)

12.25

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Van der Bellen hat es wieder einmal zustande gebracht oder versucht – es gelingt ihm ohnehin selten –, ein bisschen Wirbel zu machen, und hat Aussagen kritisiert. Herr Van der Bellen, solange Sie sich nicht hier von diesem Rednerpult aus oder sonst irgendwo in der Öffentlichkeit einmal klar und deutlich von Ihrem bundesdeutschen Genossen, von Ihrem Genossen Joschka Fischer und seinen Gewalttaten distanzieren, sind Sie völlig unglaubwürdig, meine Damen und Herren von den Grünen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie waren es doch, der in der Zeit der Sanktionen zu Herrn Fischer gefahren ist und mit ihm dort Pressekonferenzen abgehalten hat – gegen Österreich – und die Sanktionen auch noch angekurbelt und auch noch vertreten hat. Sie waren es, der letztlich mit Herrn Fischer in trauter Eintracht gegen Österreich aufgetreten ist, Herr Kollege Van der Bellen! Das können Sie heute nicht abstreifen (Zwischenruf des Abg. Edlinger ), genauso wenig wie die ständigen Vorwürfe gegen Justizminister Böhmdorfer.

Leider, sage ich jetzt aus Ihrer Sicht, ist während Ihrer Rede – Sie können es daher nicht wissen – die neueste Meldung von Herrn Ludwig Adamovich hereingekommen – Sie kennen ihn, er ist der Präsident des Verfassungsgerichtshofes. Adamovich hat heute in einer bedeutenden Rede vor der Grazer Juristischen Gesellschaft festgestellt, dass nicht nur die Sanktionen "völkerrechtlich bedenklich" waren, sondern auch – und das ist sehr interessant; dabei geht er darauf ein, was die drei so genannten Weisen im Bericht über den Justizminister festgestellt haben – die Vorwürfe gegen Böhmdorfer im "Weisen"-Bericht eindeutig "zu streng" sind, weil sie sich auf das Verhalten – ich füge hinzu: auf nicht falsches Verhalten – des Ministers in seiner früheren Zeit als Anwalt beziehen und daher nicht legitim seien.

Das ist eine richtige Analyse. Das können wir voll unterstützen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofes gesagt, Herr Kollege Van der Bellen, das sollten Sie zur Kenntnis nehmen! (Abg. Edlinger: Als Minister soll er den Haider verteidigen, das ist klass! – Abg. Mag. Trattner: Edlinger, hör einmal zu!)

Ich möchte nur einen Satz noch zur Debatte, wie es damals wirklich war, beisteuern: Na selbstverständlich war es so, dass der damalige Parteivorsitzende Bundeskanzler Klima in seiner Verzweiflung, in der er sich damals wahrscheinlich befand, weil er keine Regierung zustande brachte, in einem Vier-Augen-Gespräch mit Jörg Haider einige Angebote machte. Ich verrate kein Geheimnis, weil es ja schon in vielen Publikationen gestanden ist, wenn ich sage: Natürlich hat er gesagt: Kommt, unterstützt eine Minderheitsregierung, dann kriegt ihr vier Minister! – Nur: Mit der FPÖ ist solch ein Geschäft nicht zu machen. Noch dazu wollte Klima keine schriftliche Vereinbarung. Er wollte uns also ein unmoralisches Angebot machen, und dieses haben wir nicht angenommen, sondern abgelehnt – aus heutiger Sicht ist das auch gut so, denn damit ist die heutige Regierung zustande gekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Am 31. Jänner 2000, also genau heute vor einem Jahr, haben sich tatsächlich die Ereignisse überschlagen. Es war ein unglaublicher, auch medial interessanter Tag: acht Eilt-Meldungen – ich habe es mir angeschaut – hat die APA versendet. Es war ein Tag, an dem stündlich andere Ereignisse stattgefunden haben.


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Begonnen hat es um 11.46 Uhr: Das war noch eine eher uninteressante Meldung. Da hat die SPÖ bekannt gegeben, dass es einen neuen Bundesgeschäftsführer gibt: Gusenbauer löst Rudas ab, war die Meldung um 11.46 Uhr. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Das stand am Beginn, war noch eher uninteressant, war auch keine Eilt-Meldung, sondern eine normale Meldung, dass es also einen neuen Bundesgeschäftsführer gibt.

Und dann ist es losgegangen: Um 12.34 Uhr: Belgiens Außenminister überlegt die Rückberufung des belgischen Botschafters.

Um 13.54 Uhr: Die EU-Länder stimmen Reaktion auf FPÖ-Regierungsbeteiligung ab.

Um 15.50 Uhr: EU-Ratspräsidentschaft kündigt Österreich-Erklärung an.

Um 17.15 Uhr: Frankreich stellt Abzug aller EU-Botschafter zur Diskussion. EU warnt Österreich ausdrücklich davor, die FPÖ in die Regierung zu nehmen.

Um 17.45 Uhr – das war keine Eilt-Meldung, sondern schon eine Alarm-Meldung, höhere Priorität, kommt in Rot über den Bildschirm –: EU: keine bilateralen Kontakte bei FPÖ-Regierungsbeteiligung.

Um 17.56 Uhr: Botschafterkontakte werden eingeschränkt.

Um 18.26 Uhr: Die EU droht Österreich mit den schärfsten Maßnahmen bei Koalition mit der FPÖ.

Dazu muss man wissen, dass sich diese Zuspitzung des Drohens durch die Sanktionierer und die Europäische Union zu dem Zeitpunkt abgespielt hat, als die entscheidende Verhandlungsrunde zwischen FPÖ und ÖVP zur Bildung der Regierung stattgefunden hat.

Das Schöne an diesem Tag ist, dass er auch mit einer Eilt -Meldung geendet hat: Um 21.36 Uhr: FP-VP-Verhandlungen: Einigung zum Budget.

Und das ist das Gute: Wir haben gearbeitet, wir haben gehandelt, wir haben eine Regierung gebildet, und wir haben uns nicht von diesen Drohungen beeinflussen lassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber das bestätigt das, was auch Klubobmann Khol ausgeführt hat: Bis zum Schluss wurde auf Biegen und Brechen mit vielen Telefonaten aus und nach Österreich versucht, diese Regierung zu verhindern – allein, es ist nicht gelungen.

Das, was in den nächsten Tagen seitens der österreichischen Opposition gemeinsam mit den Sanktionierern passiert ist, haben die Österreicher noch in bester schlechter Erinnerung: Die Opposition heizte die Debatte um die Sanktionen weiter an, und es begann dieser unsägliche Tourismus des damals dann schon Parteivorsitzenden Gusenbauer.

Herr Gusenbauer, ich muss Sie korrigieren, denn Sie haben wieder einmal nur die halbe Wahrheit gesagt: Na selbstverständlich haben Sie im Mai in Berlin Folgendes gefordert – ich habe es hier –: Gusenbauer fordert, Sanktionen sollen noch mindestens ein Jahr andauern! (Abg. Dr. Khol: Natürlich! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Sie haben in Berlin die Verlängerung der Sanktionen um ein Jahr gefordert!

Sie haben eine gemeinsame Erklärung mit der Sozialistischen Internationale abgegeben, in der Sie voll und ganz hinter den Sanktionen gestanden sind. Sie haben einen Parteitag abgehalten, auf dem die Obersanktionierer und Vertreter von dort eine Bühne bekommen haben und gegen Österreich auftreten durften.

Sie haben mit den Belgiern übereingestimmt. Und Sie werden heute noch etwas über sich ergehen lassen müssen: Sie haben natürlich mit – ich habe es mir aufgehoben, weil ich es vor ungefähr einem Jahr auch hier aufgestellt habe (der Redner stellt ein Foto auf das Rednerpult)  – den Sanktionierern, mit den Franzosen, Sie haben es selbst gesagt, guten Champagner ge


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trunken. Er hat Ihnen auch geschmeckt, als Sie angestoßen haben. Heute, am Jahrestag, denke ich, sollte man eine besondere Geste setzen.

Sie haben bisher leider noch immer nicht gesagt – das wird die Leute vielleicht interessieren –, welch guter Tropfen das war. War es Dom Perignon, war es Veuve Cliquot oder war es vielleicht Moët & Chandon? – Ich weiß es nicht, Sie haben es nicht gesagt, aber wir haben uns etwas überlegt, das auch in Verbindung mit Ihren heutigen und Ihren damaligen Ausführungen und auch mit den Sanktionen stehen soll (Abg. Dr. Martin Graf bringt eine Sektflasche zum Rednerpult – Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP), denn diese Sanktionen und auch viele Aussagen waren ein besonderer Holler. Deswegen schenken wir Ihnen heute einen guten Tropfen: echt österreichischen Hollersekt, den Sie heute von uns bekommen, Herr Kollege Gusenbauer. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich hoffe, Sie lassen sich heute, ein Jahr danach, diesen Tropfen gut schmecken, gehen aber auch ein bisschen – und da komme ich wieder zum Ernst der Sache zurück – in sich, wenn Sie diesen guten Tropfen hinunterrinnen lassen (Abg. Dr. Martin Graf überreicht Abg. Dr. Gusenbauer die Flasche Hollersekt), denn Sie haben heute meiner Meinung nach eine sehr große Chance versäumt. Am Jahrestag der Ausrufung der Sanktionen haben Sie eine große Chance versäumt: Mit dem einen Jahr Abstand hätten Sie heute eigentlich die Größe haben sollen, hier diesen Fehler einzugestehen und sich auch dafür zu entschuldigen, dass Sie damals Österreich Schaden zugefügt haben. Das wäre richtig gewesen, aber nicht Kulminationen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Gusenbauer! Das, was Sie an die Wand gemalt haben, ist ja nicht eingetroffen, aber Sie haben immer wieder versucht, zu sensibilisieren und diese Regierung auch international schlecht zu machen. Wir wissen, welche Rolle Sie bei den Sanktionen gespielt haben durch Ihre Reisen in die verschiedensten Länder. Selbst im November des vergangenen Jahres, als in Österreich eine große OSZE-Konferenz stattgefunden hat, haben Sie auch noch versucht, diese Regierung international schlecht zu machen, indem Sie in einer "Pressestunde" und dann auch gegenüber mehreren Medien davon gesprochen haben, dass diese Regierung nicht demokratisch legitimiert sei. Auch in diesem Zusammenhang wäre heute ein Wort des Bedauerns Ihrerseits nicht zu viel gewesen.

Zum Schluss sage ich Ihnen Folgendes: Sie setzen das ja noch immer fort. Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben gestern in einer Pressekonferenz, also um diesen Jahrestag der Sanktionen herum, allen Ernstes davon gesprochen, dass diese Regierung beziehungsweise eine Partei dieser Regierung auf Parteitagen politische Todesurteile verhängt, die dann in den Tagen danach von einzelnen Ministern exekutiert werden. Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben Demokratie wirklich nicht verstanden. (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Gusenbauer. ) Es ist das eine ungeheuerliche Entgleisung, die Sie zurücknehmen sollten! Das wollen wir von Ihnen und nichts anderes! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zu Nizza kann man durchaus sagen, dass auch Europa gelernt hat, selbstverständlich gelernt hat. Und wenn irgendetwas gut war, dann das Verfahren nach Artikel 7, das jetzt zumindest in einem ersten Schritt eingeleitet wurde, sodass solch absurde Nacht- und Nebelaktionen, wie sie diese Sanktionen eindeutig waren, nicht mehr möglich sind.

Der Bundeskanzler hat es gesagt: dass die Rechtsstaatlichkeit per Artikel-7-Verfahren selbstverständlich nun schrittweise auch verstärkt und verbessert wird, weil es eben keine willkürlichen Aktionen mehr geben kann, weil es Frühmechanismen gibt, weil das Europäische Parlament bei solchen Sanktionen auch zustimmen muss, weil es auch ein rechtliches Gehör, eine Anhörung in allen Verfahrensfragen gibt – auch ein Punkt, der uns zutiefst zuwider war, nämlich dass Österreich nicht einmal gehört wurde. Weiters gibt es eine Begründungspflicht, und letztlich müssen Entscheidungen auch angemessen sein – was diese Sanktionen mit Sicherheit nicht waren. Es gibt auch eine regelmäßige Überprüfungspflicht.

Wenn es einen einzigen klitzekleinen positiven Aspekt dieser Sanktionen gibt, dann jenen, dass es jetzt als Teilergebnis von Nizza zu diesem Verfahren gekommen ist, das wir selbstver


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ständlich begrüßen, das schon lange notwendig war und das letztlich auch durch Vorschläge freiheitlicher Politiker dort initiiert wurde. Das ist ein Erfolg, den wir gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Reaktionen auf den Gipfel von Nizza waren selbstverständlich zwiespältig. Die einen haben vom größten Gipfel in der Geschichte gesprochen, die anderen von Misserfolg und Rückschritt. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte.

Ich glaube, dass ein Punkt besonders hervorzuheben ist, nämlich dass es zu Beginn dieses Gipfels und auch schon in den Tagen davor zu einem sehr großen Gegensatz zwischen den großen und kleinen Ländern gekommen ist, der am Gipfel anfangs sehr deutlich war. Ich sage das ganz offen: Manch große Länder haben sich sehr, sehr kleinlich verhalten, aber kleine haben sich dann großartig verhalten. Das muss man auch sagen, wenn man das Ergebnis betrachtet, denn manche Großen wollten einfach die bestehenden, auch die Europäische Union prägenden Strukturprinzipien, nämlich dass in der Union selbst das Verhältnis der Völker nicht zu ihren Gunsten, also zu Gunsten der Großen verändert werden kann, vergessen. Sie vergessen dabei die grundsätzliche Gleichrangigkeit aller Staaten.

Das ist eben dieses eherne Prinzip, das es gibt, das Prinzip der Balance zwischen den bevölkerungsreichen, den so genannten großen, und den kleinen Mitgliedstaaten. Bei jedem Reformschritt, bei jeder Reform in der Europäischen Union muss diese Balance gewahrt bleiben. Und das wurde zu Beginn von vielen Großen einfach ignoriert. Am Ende aber hat sich wieder herausgestellt – und das ist letztlich auch ein gutes Ergebnis von Nizza –, dass diese Balance sowohl bei der Mitbestimmung als auch in anderen Bereichen gehalten werden konnte. Das ist auch ein Erfolg der österreichischen Bundesregierung auf diesem Gipfel, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Vieles wurde schon genannt: die grundsätzlich guten Auswirkungen, dass Österreichs Interessen nachhaltig durchgesetzt worden sind, und auch die österreichischen Einflussmöglichkeiten wurden selbstverständlich nicht verschlechtert. Der Versuch einer Achsenbildung Frankreich –Deutschland, eines so genannten Gravitationszentrums, einer Hierachie, die Europa aufgesetzt werden sollte, wurde letztlich zunichte gemacht, kam nicht zustande. Das ist auch eine gute Sache im Hinblick auf mögliche Veränderungen bei Mehrheits- und Einstimmigkeitsentscheidungen.

Es ist für uns Freiheitliche und auch für ganz Österreich, für diese Regierung einfach wichtig, dass in zentralen Bereichen die Einstimmigkeit aufrechterhalten geblieben ist, so etwa bei den Asylfragen, in der Wasserwirtschaft, Raum- und Bodenordnung und auch in den wesentlichsten Verkehrsfragen.

Man soll der österreichischen Bevölkerung schon auch sagen, dass es grüne und rote Politiker waren, die sich etwa für die Aufhebung der Einstimmigkeit bei Asylfragen ausgesprochen haben, und dass es vor allem grüne Politiker waren, die sich für die Aufhebung der Einstimmigkeit in der Wasserwirtschaft ausgesprochen haben, was für Österreich gravierende Nachteile mit sich gebracht hätte. Diese Politik wollen wir nicht verfolgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Zur Osterweiterung zwei Sätze: Natürlich liegt es an den Beitrittskandidaten selbst – darin gebe ich Ihnen Recht –, wie sie die Kriterien erfüllen. Ich bin aber auch sehr froh darüber, dass der österreichische Bundeskanzler und auch viele andere in Europa bereits festgestellt haben, dass es vor allem zu langen Übergangsregelungen für den Arbeitsmarkt kommen muss – sieben Jahre, das wurde schon erwähnt. Wir müssen diese Diskussion fortsetzen, weil es viele, viele Problembereiche gibt – grenznahe Atomkraftwerke, wir kennen die Unrechts-Dekrete: Avnoj und Beneš; all diese Punkte liegen auf dem Tisch. Auch die innere Sicherheit, die Frage der Finanzierbarkeit und letztlich der Bereich Einkommensunterschiede zwischen Österreich und den Beitrittskandidaten.

Ich glaube, es ist notwendig, im Rahmen der Vorbereitung der Erweiterung die Risken zu minimieren, aber auch ganz klar und deutlich zu sagen und immer wieder zu betonen, dass wir


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sehr wohl auf die Entwicklung unserer osteuropäischen Nachbarländer schauen, dass aber diese Erweiterung nicht zu Lasten Österreichs und seiner Bürger gehen darf. Und dafür wird sich auch diese Regierung einsetzen! Diese Versicherung können wir geben.

Im Post-Nizza-Prozess ist auch klar – das gefällt mir als österreichischem Parlamentarier –, dass es eine stärkere Einbeziehung auch der nationalen Parlamente in den Entscheidungsprozess der EU geben soll. Es ist richtig, in vielen Bereichen, auch in aktuellen Bereichen der Landwirtschaft, zu einer stärkeren Einbindung nationaler Parlamente zurückzukehren.

Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den nationalen Parlamenten ist wichtig, ist richtig und soll auch noch vertieft werden.

Zum Schluss meiner Ausführungen danke ich – auch das muss einmal gesagt werden – den Mitgliedern des Hauptausschusses, des "Feuerwehrkomitees", das am Sonntag mit den Verhandlern, mit der Regierung in Nizza in Kontakt stand; der sozialistische Vertreter jedoch war leider nicht anwesend. Aber das Parlament hat Stärke, hat Flagge gezeigt, und dafür herzlichen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Vizekanzler Dr. Riess-Passer. (Abg. Schieder  – in Richtung Freiheitliche –: Bitte nehmen Sie das Bild weg, Herr Kollege! – Abg Ing. Westenthaler entfernt das auf dem Rednerpult stehende Foto. – Weitere Zwischenrufe.)

12.41

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es war heute in dieser Diskussion um die Ergebnisse des Gipfels von Nizza und alles, was damit zu tun hat oder angeblich damit zu tun hat, sehr oft von europäischen Werten die Rede. Ich glaube, dass das jener Begriff ist, der im vergangenen Jahr wahrscheinlich am inflationärsten verwendet und auch am meisten fehlinterpretiert wurde.

Europäische Werte wurden angeführt als Begründung für die gegen Österreich verhängten Sanktionen – das ist heute schon vielfach gesagt worden –, und da gibt es Aufklärungsbedarf darüber, wie diese Sanktionen verhängt wurden. Es gibt auch verschiedene Publikationen, die in den letzten Tagen und Wochen erschienen sind, die einige sehr interessante Aspekte enthalten. Einer dieser Aspekte ist ja auch heute schon angesprochen worden, nämlich die Beteiligung aus Österreich oder die Anregung aus Österreich, die es in diesem Zusammenhang gegeben hat. Auch diesbezüglich ist, glaube ich, dringender Aufklärungsbedarf gegeben.

Ich darf heute in diesem Zusammenhang auch einen kleinen Beitrag zur historischen Wahrheit leisten, weil es schon öfter angesprochen wurde und weil es wichtig ist, das auch darzulegen, nämlich zur Frage der Regierungsbildung in Österreich und der verschiedenen Facetten, die es da gegeben hat, und auch zur Frage einer allfälligen Unterstützung einer SPÖ-Minderheitsregierung durch die Freiheitliche Partei.

Ich möchte hier noch einmal ganz deutlich sagen – ich habe das schon mehrmals gesagt; es ist auch unwidersprochen geblieben, weil es die Wahrheit ist –: Selbstverständlich hat es dieses Angebot an die FPÖ gegeben. Es ist uns dieses Angebot nicht nur von Herrn Schlögl übermittelt worden, sondern der Erste, der dieses Angebot oder dieses Ansinnen an uns herangetragen hat, war der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP), der gemeint hat, es sei doch im Interesse des Landes, eine solche Minderheitsregierung der SPÖ zu unterstützen, dafür drei oder vier von den Freiheitlichen als Vertrauensleute empfundene Personen in eine solche Regierung zu entsenden, und dann, nach einer gewissen Zeit, gemeinsam eine Regierung zu bilden, gemeinsam eine Koalition zu bilden, wenn – wie damals gesagt wurde – die SPÖ bis dahin das internationale Image der FPÖ ein bisschen aufpoliert hätte und dem nichts mehr entgegenstünde.


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Dieses Angebot von Michael Häupl wurde wenige Tage später vom damaligen Bundeskanzler Klima wiederholt und noch einmal deutlicher und ausführlicher dargelegt. Ganz zum Schluss ist, nachdem die Hoffnung schon im Schwinden war, der damalige Innenminister Schlögl diesbezüglich noch einmal an uns herangetreten.

Ich sage das deshalb, weil ich einfach nicht akzeptiere, dass Sie, Herr Kollege Gusenbauer, sich da herstellen und eine Art Um schreibung der Geschichte vornehmen. Das ist die Wahrheit, und das soll man auch sagen. So ist es gewesen und nicht anders. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mindestens ebenso wichtig wie die Frage, wie diese Sanktionen zustande gekommen sind und wer daran beteiligt war, ist für mich aber auch die Frage, warum diese Sanktionen zustande gekommen sind. (Abg. Jäger: Warum?) – Das Warum werde ich Ihnen gleich sagen.

Die Sanktionen wurden damit begründet, dass man gesagt hat, man müsse europäische Werte verteidigen. Europäische Werte sind für mich: Solidarität, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung der Mitgliedstaaten, das Wahren von demokratischen Grundsätzen. Aber all diese europäischen Werte wurden durch die Verhängung der Sanktionen gröblichst verletzt. Am gröbsten wurde jener Grundsatz verletzt, der sagt: Der Souverän ist das Volk. Jedes Volk in jedem Mitgliedstaat hat das Recht, seine eigene Regierung zu bestimmen, und da gibt es keine Überinstanz. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Wurm zeigt ein Plakat mit der Aufschrift: "Wer ist der Nächste?")

Die EU-14 haben sich bei der Verhängung der Sanktionen also auf eine Macht berufen, die es gar nicht gibt, nämlich darauf, dass sie sozusagen eine Art moralische Überinstanz über demokratisch legitimierte Regierungen in den Mitgliedstaaten sind. (Abg. Silhavy zeigt ebenfalls ein Plakat mit der Aufschrift: "Wer ist der Nächste?") So etwas gibt es natürlich nicht, so etwas wird es auch in Zukunft in der Europäischen Union nicht geben. Und um es anders zu sagen, Frau Kollegin: Der König in diesem Fall war ziemlich nackt, splitterfasernackt im Falle der EU-14. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Den wirklichen Beweggrund für diese Sanktionen hat aber der deutsche Außenminister Joschka Fischer, der heute ja schon mehrmals zitiert wurde, ziemlich deutlich gemacht. Er hat nämlich damals gesagt: Den Österreichern – wohlgemerkt: Er hat nicht gesagt "der österreichischen Regierung", sondern "den Österreichern"! –, hat Joschka Fischer gesagt, muss eine Lektion erteilt werden! (Ah-Rufe bei den Freiheitlichen.)  – Und das war eigentlich der wahre Beweggrund, der dahinter gestanden ist, dass es ein paar Mächtige in der Europäischen Union gibt, die für sich selbst das Recht in Anspruch nehmen wollen, in Hinkunft darauf Einfluss zu nehmen, was in den einzelnen Regierungen der Mitgliedstaaten geschieht und wer regieren darf.

Die Lektion wurde aber Gott sei Dank anderen erteilt. Ich bezweifle auf Grund der heutigen Debatte jedoch, dass sie auch wirklich alle gelernt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn man die Lektion gelernt hätte, Herr Klubobmann Van der Bellen, dürfte man nicht darüber philosophieren, ob es verschiedene Arten von Gewalt gibt – gute und schlechte (Abg. Dr. Van der Bellen: Das sagen Sie uns!), bessere, gefährlichere und weniger gefährliche, linke und rechte Gewalt; so in etwa waren Ihre Ausführungen. Gewalt ist immer zu verurteilen, egal, ob sie von links oder von rechts kommt. Da gibt es keine moralischen Qualifikationen, sondern von Gewalt muss sich jeder distanzieren. Ich bedauere sehr, dass Sie das nicht getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Die Abgeordneten Jäger, Mag. Wurm und Huber zeigen neuerlich Plakate mit der Aufschrift: "Wer ist der Nächste?")

Wer der Nächste ist, Frau Kollegin, kann ich Ihnen gerne sagen: Der Nächste auf der Rednerliste ist Herr Kollege Einem! – Das ist ein Gratisservice der Regierung, da in der sozialdemokratischen Fraktion offensichtlich keine Rednerlisten verteilt wurden. Also: Der Nächste ist Caspar Einem. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion! Ich verstehe natürlich den Schmerz, der Sie bewegt, nach 30 Jahren der Regierung nicht mehr an der Macht zu sein. Dieser Schmerz ist dann besonders bitter, wenn man gemeint hat, das Land gehöre der Partei. Und so haben Sie es ja in den letzten 30 Jahren verstanden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben geglaubt, dieses Land gehöre Ihnen und damit auch alle Positionen, die in diesem Land zu besetzen sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Es gehört keiner Partei, es kommt nicht darauf an, ob jemand rot ist, sondern darauf, ob jemand reformwillig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es kommt auch nicht darauf an, ob jemand schwarz ist, sondern ob jemand bestqualifiziert ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob jemand blau ist, sondern ob jemand verantwortungsbewusst ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es kommt auch nicht darauf an, ob jemand grün ist, sondern es kommt darauf an, ob jemand Sachpolitik vor Parteipolitik stellt. – Und nur und ausschließlich nach diesen Kriterien wird diese Bundesregierung ihre Personalentscheidungen treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine weitere Auswirkung dieser Sanktionen ist – diese möchte ich als durchaus positiv bezeichnen –, dass sich Österreich insgesamt und auch diese Bundesregierung dazu verstanden haben, dass es darauf ankommt, österreichische Interessen gegenüber den Partnern in der Europäischen Union selbstbewusst zu vertreten. Das Ergebnis von Nizza hat, glaube ich, gezeigt, dass diese Bundesregierung dies auch getan hat.

Herr Kollege Gusenbauer, der so wie immer kurz nach seiner Wortmeldung das Plenum verlassen hat, hat in seiner heutigen Rede erklärt, dass das Ergebnis von Nizza ein negatives ist, weil der große Wurf nicht gelungen sei. – Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, nur bitten, Herrn Kollegen Gusenbauer mitzuteilen (Abg. Dr. Mertel: Wir sind keine Erfüllungsgehilfen!), dass er, wenn er schon diese Kritik äußert, sie dann bitte auch beim nächsten Treffen der sozialdemokratischen Regierungschefs in Europa vorbringen soll. Die Mehrheit der Regierungschefs, die in Nizza verhandelt haben, sind doch sozialdemokratische Regierungschefs und Mitglieder der Sozialistischen Internationale. Seine Kritik wäre daher in erster Linie dorthin zu richten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was Österreich bei diesem Gipfel von Nizza erkämpft hat, ist etwas, was nicht nur für Österreich, sondern auch für die Europäische Union insgesamt wichtig und zukunftsweisend ist, nämlich dass es auch in Hinkunft gleichberechtigte Kommissare geben wird, dass es eine individuelle Verantwortlichkeit der Kommissionsmitglieder gibt und dass die Einstimmigkeit in zentralen Fragen – wie bei den Eigenmittel-Beschlüssen und in der Frage von Wasser-, Boden- und Raumordnung – erhalten bleibt, und zwar auch bei der Wahl der Energieträger und in Fragen der Asyl-, Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Das ist ein ganz zentrales Anliegen Österreichs gewesen und ist auch für die Europäische Union und die kleineren Mitgliedsstaaten von großer Bedeutung, auch für die Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Besonders wichtig ist für mich aber auch die so genannte Post-Nizza-Agenda: das, was nach Nizza, was in Zukunft auf der Tagesordnung stehen wird. Dabei geht es vor allem um die Fragen der Verstärkung der Rechte der nationalen Parlamente, und zwar nicht nur, indem nationale Parlamente zu einem Vollzugsorgan von Entscheidungen auf EU-Ebene gemacht werden, sondern indem nationale Parlamente schon in den Rechtsetzungsprozess mit einbezogen werden, und es geht auch um die klare Kompetenztrennung zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union.

Dies halte ich überhaupt für die zentrale Frage, nämlich die Klärung des Verhältnisses zwischen der Europäischen Union und den Nationalstaaten, aber nicht im Sinne von machtpolitischen Interessen, sondern von Kriterien der Subsidiarität. Es sollen nämlich alle Entscheidungen so nahe wie möglich am Bürger getroffen werden. Das ist einer der zentralen Punkte nicht nur für Österreich, sondern auch für viele andere Mitgliedstaaten.

Dem steht jene Haltung diametral entgegen, die in den letzten Monaten leider Gottes auch bei Freunden des Herrn Kollegen Gusenbauer, bei seinen Parteifreunden durchgedrungen ist, die


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sich nämlich als eine Art "Avantgarde" Europas fühlen. Diese so genannte Avantgarde Europas gibt es nicht, sondern es gibt gleichberechtigte Mitgliedstaaten – egal, ob sie groß oder klein sind –, und so wird es auch in Zukunft sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Unsere Vision von Europa ist nicht eine Vision der kulturellen und politischen Vereinheitlichung und Gleichmacherei, sondern eine Vision der Einheit in der Vielfalt, und das muss auch die Grundlage unserer künftigen Entscheidungen sein. Integrationspolitik kann kein Wettrennen nach dem Motto "Wie schnell machen wir etwas?" oder "Machen wir etwas möglichst schnell!" sein, sondern Integration ist auch eine Frage der Qualität. Und auf der Jagd nach dem Integrationsfortschritt darf eines auf jeden Fall nicht auf der Strecke bleiben, nämlich die Menschen, die Bürger in diesem Europa.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist meines Erachtens in vielen Bereichen an dieser Kernfrage vorbeigegangen. Wir haben gerade in den letzten Wochen erleben müssen, dass eine vorschnelle Integration und eine zu wenig gut überlegte Integration, wie sie zum Beispiel in Fragen der gemeinsamen Agrarpolitik stattgefunden hat, sich zum ganz gravierenden Nachteil für die Menschen in Europa auswirkt. Was wir heute rund um BSE oder die Futtermittel-Skandale erleben, ist das Ergebnis einer Politik, bei der man einfach nicht darauf geachtet hat, dass das Lebensinteresse der Menschen im Mittelpunkt stehen muss, und nicht die Massenproduktion und die möglichst billige Produktion, wie das eben der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe heute in einem Kommentar einer österreichischen Tageszeitung zu dieser Problematik den Begriff "Hochleistungskühe" gelesen, und ich muss sagen, dass mich das sehr betroffen gemacht hat, weil das eine Tendenz in Europa ist, die darauf ausgerichtet ist, alles nur mehr nach den Kriterien der Produktionsmenge, der möglichst schnellen Produktion und des möglichst billigen Preises zu betrachten.

Es gibt Hochleistungsmotoren, Hochleistungsturbinen und alles Mögliche dieser Art, aber wir wollen keine "Hochleistungstiere" züchten! Das kann nicht die Zukunft Europas sein, das führt zu katastrophalen Auswirkungen, wie wir gesehen haben, und es wird die besondere Aufgabe Österreichs sein, innerhalb der Europäischen Union klarzumachen, dass politische Klugheit und Weisheit auch darin bestehen können und müssen, auch einmal einen Schritt zurückzugehen, wenn man einen Weg als Irrweg erkannt hat. Und die gemeinsame Agrarpolitik ist ein Irrweg der Europäischen Union! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das heißt, Integrationspolitik kann nicht so schnell wie möglich, sondern muss so gut wie möglich erfolgen. Das gilt auch für die Osterweiterung; die gute Vorbereitung ist ein wesentlicher Punkt dabei. Die Einhaltung der Spielregeln von allen, auch von jenen, die dieser Union beitreten wollen, ist eine wesentliche Grundvoraussetzung. Das Bekenntnis zu Werten wie Menschenrechten ist gerade im Hinblick auf die Beneš-Dekrete und die AVNOJ-Beschlüsse eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang, und natürlich auch das Bekenntnis zu einer guten Nachbarschaft.

Ich sage das heute gerade auch im Hinblick auf Temelin, weil diesbezüglich zur Diskussion steht, dass Tschechien die Einhaltung des Melker Abkommens sicherstellen muss. Das ist eine ganz wesentliche Frage der Vertragstreue. Vertragstreue muss in einer Europäischen Gemeinschaft die Grundlage des gemeinsamen Handelns sein, und das muss man von allen Partnern auch entsprechend verlangen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, dass es für Österreich entscheidend ist, dass wir uns dazu bekennen, dass wir eine aktive Rolle in dieser Europäischen Union spielen, dass wir nicht ein kleines Rädchen sein, sondern die Fahrtroute der Europäischen Union entscheidend mitbestimmen wollen, und dass wir, wenn es notwendig ist, auch einmal ins Lenkrad greifen. – Danke. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Pum


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berger  – in Richtung SPÖ –: Das ist der Nächste! – Abg. Ing. Westenthaler: Das "Feuerwehr-Komitee" ist nicht da! Geschwänzt! – Abg. Dr. Khol: Das "Feuerwehr-Komitee" ist nicht da!)

12.57

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin, Sie haben vorhin unter anderem gerade sehr ausführlich ausgeführt, wie wichtig es wäre, dass man nicht primär auf die Geschwindigkeit achtet, sondern darauf, dass man die Qualität erreicht und dass man mit allen Betroffenen – mögen sie groß oder klein sein, haben Sie gesagt – auch die entsprechende Kommunikation pflegt. – Ich würde mir wünschen, dass das Grundsätze sind, die Sie auch im innenpolitischen Bereich anwenden, und nicht nur als Moralpredigt nach außen halten. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Khol hat in seiner Rede behauptet, es hätte Verhandlungen der SPÖ gegeben, die darauf abgezielt hätten, gemeinsam mit den Freiheitlichen eine Regierung zu bilden. – Herr Abgeordneter! Sie wissen, dass das nicht der Fall ist (ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen), Sie sollten es daher auch nicht behaupten. (Abg. Großruck: Aber Gespräche hat es gegeben, oder?)

Es hat nie Verhandlungen der SPÖ gegeben, die darauf abgezielt haben, gemeinsam mit den Freiheitlichen eine Regierung zu bilden, und es wird auch keine solchen Verhandlungen mit diesen Freiheitlichen geben, darauf können Sie sich verlassen! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Gehörst du noch zur SPÖ oder nicht mehr?)

Es ist aber auch so, dass zu meinem großen Erstaunen auch der Herr Bundeskanzler in seinen Ausführungen zu dem, was er gerne Sanktionen nennt, Dinge gesagt hat, an die er ja nicht einmal selbst glauben kann. – Herr Bundeskanzler! Ich finde das nicht wirklich anständig: Sie wissen, dass Sie hier Dinge dargestellt haben, die so nicht sind, und ich denke, auch Sie sollten die Österreicher nicht für dumm halten. Sie sind nicht dumm! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen sehr genau, wo ihre Interessen liegen. Es hat mich daher auch gewundert, Herr Bundeskanzler, dass Sie nicht ein einziges Wort über die Grundrechts-Charta verloren haben: darüber, dass in Nizza unter anderem auch die Schaffung von Grundrechten für die Menschen in Europa, für die Bürgerinnen und Bürger, zur Diskussion gestanden ist. Aber die Rechte der Menschen in Europa waren Ihnen nicht einmal ein Wort wert. Das halte ich für bemerkenswert. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Österreicherinnen und Österreicher, meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen sehr genau, wo ihre Interessen liegen. Die Österreicherinnen und Österreicher haben seit Jahren ein großes Interesse daran, dass es in diesem Land sozial gerecht zugeht, dass Fairness zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herrscht und die soziale Absicherung stimmt. Das war mit ein Grund, warum 30 Jahre lang die Sozialdemokraten den Bundeskanzler gestellt haben, und das ist mit ein Grund, warum die Sozialdemokraten noch immer die stärkste Partei sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was die Österreicherinnen und Österreicher an Europa vermissen, ist, dass diese soziale Dimension, dass die Dimension der sozialen Absicherung in Europa gegen die Auswirkungen der Globalisierung verstärkt und dass die Beschäftigung in Europa als ein wesentlicher Politikbereich betont wird. Das, worüber Sie uns heute nichts erzählt haben, ist die Frage, wie die Alltagsinteressen der Menschen in Österreich und in Europa verfolgt werden sollen. Sie haben uns über einige Formalfragen berichtet, Sie haben uns darüber berichtet, dass die österreichische Bundesregierung gefunden hat, ein eigener Kommissar sei wichtig, aber von den Alltagsfragen der Menschen ist keine Rede gewesen, und das ist der Grund, warum die EU so relativ schlecht angeschrieben ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierung hat, darin der Kommunikationsstrategie der Freiheitlichen folgend, in der Frage des Schutzes des österreichischen Wassers ein Gespenst aufgebaut, um es dann "mannhaft" bekämpfen zu können. – Es hat nie eine Gefährdung des österreichischen Trinkwassers gegeben, das zu retten es gegolten hätte! Was es gibt, ist jeden Tag ein Inserat von Landesgesellschaften oder von privaten Gesellschaften, die


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sich damit brüsten, wohin sie jetzt ihr Wasser verkaufen wollen. Und was es gibt, ist die Absicht dieser Bundesregierung, die Bundesforste und wesentliche Teile davon zu verkaufen, samt den Wasserreserven!  – Das gefährdet die Interessen der Menschen am österreichischen Trinkwasser!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Redezeit erlaubt es nicht, auch noch auf die Aspekte der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik einzugehen, aber auch diesbezüglich, Herr Bundeskanzler, sollten Sie den Menschen in Österreich beizeiten sagen, wohin Sie gehen wollen.

Wollen Sie den Weg gehen, den Solana zuletzt in Wien beschrieben hat und der auf die Schaffung einer auch militärisch gestärkten europäischen Großmacht hinausläuft, die dann genauso wie die USA irgendwo in der Welt ihre Interessen nötigenfalls auch mit Gewalt verfolgt? Wollen Sie den Weg gehen, dass österreichische Soldaten dann zum Beispiel in Somalia einmarschieren und sterben? Oder wollen Sie den Weg gehen, den wir bisher gegangen sind: den Weg, der auf die Selbstverteidigung hin orientiert ist, bei dem es darum geht, dass wir uns verteidigen, wenn wir angegriffen werden, auch mit militärischen Mitteln, der aber nicht dazu führt, dass wir anfangen, Großmachtträume zu träumen? – Dazu möchte ich Ihre Antwort hören, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend: Nizza hat keinen großen Erfolg, nicht für Österreich und vor allem nicht für Europa gebracht. Der einzige wirkliche Erfolg ist, dass es gelungen ist, die formellen Voraussetzungen für den Beitritt neuer Mitglieder zu schaffen. Ich kann Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, nur auffordern, dass Sie jetzt Voraussetzungen dafür schaffen, dass dieser Beitritt auch für die Menschen in diesem Lande erfolgreich verläuft, und dabei sind wir bereit, mit Ihnen zu gehen, falls Sie diese Interessen ernst nehmen und nicht nur davon sprechen, dass Sie Übergangsfristen wollen. In dieser Frist muss etwas geschehen, und die Signale dafür möchten wir von Ihnen endlich konkret hören. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend (den Vorsitz übernehmend): Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.03

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Ich beginne mit dem zu berichtigenden Sachverhalt. Es wurde behauptet, ich wisse, dass es die Unwahrheit sei, dass die Sozialdemokratie mit den Freiheitlichen um eine Regierungsbeteiligung verhandelt habe.

Der berichtigte Sachverhalt ist: Ich weiß, dass die Sozialdemokratie mit den Freiheitlichen um eine Regierungsbeteiligung verhandelt hat – und um die Unterstützung einer Minderheitsregierung, geführt von Viktor Klima, der seinen Hund im Burgenland allein gelassen hat. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Klima hat auch seine Genossen allein gelassen!)

13.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

13.04

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Kollege Einem, ich kann gut verstehen, dass es für Sie ein schmerzlicher Prozess der Geschichtsaufarbeitung ist, heute zu hören und aus vielerlei Mund bestätigt zu erhalten, was Ihre Parteiführung nicht alles gemacht hätte um den Preis der Macht, um an der Regierung zu bleiben. Sie wäre alle Konstellationen eingegangen, nur um ja weiter in Österreich regieren zu können. Und es ist tatsächlich schmerzlich, wenn man das heute als Sozialdemokrat, der offenbar nicht dieser Meinung ist, zur Kenntnis nehmen muss. Aber dieser Aufarbeitungsprozess bleibt Ihnen nicht erspart. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Meine geschätzten Damen und Herren! Das Ergebnis von Nizza hat zunächst einmal das gebracht, was diese Union vorwärts bringen wird, nämlich dass man festgestellt hat, erweiterungsfähig zu sein. Das ist auch für uns Österreicher ganz wichtig, denn dieser Erweiterungsprozess, der in den nächsten Jahren Platz greifen wird, hat diesen formellen Beschluss der Europäischen Union erfordert, sodass es jetzt und in nächster Zukunft möglich und notwendig ist, dass die Beitrittskandidaten ihre Voraussetzungen erfüllen. Aber dass es diesen Beschluss "Die Union ist erweiterungsfähig" gegeben hat, das bringt die Entwicklung für die nächsten Jahre nach vorne, und das ist gut so.

Zweiter Punkt. Was die Detailregelungen anlangt, so denke ich, dass wir nicht nur als Österreicher zufrieden sein können. Die Diskussion in der Europäischen Union war ja eine Diskussion von Groß gegen Klein. Und wir als kleines Land haben einen Beitrag dazu geleistet, dass die kleinen und mittleren Länder der Europäischen Union jetzt und in der erweiterten Union ihren Stellenwert behalten. Darum war es wichtig, einen Kommissar zu haben und in jeder Institution vertreten zu sein: Weil es nicht nur für uns, sondern weil es für jedes Mitgliedsland erforderlich ist, Informationen zu erhalten, mitzugestalten in dem Sinne, dass man Vorschläge machen kann. Und das kann man wohl auch einem Beitrittskanditaten – unseren Nachbarländern zum Beispiel – aus unserer Sicht nicht vorenthalten. Darum war es richtig, dass jedes Land in jeder Institution vertreten bleibt, und es ist ein Erfolg auch unserer Verhandler, dass das durchgegangen ist.

Das Thema war die Stimmgewichtung. Wenn wir statt der jetzt vier Stimmen künftig zehn Stimmen haben werden, und die Großen statt zehn Stimmen künftig 29, dann zeigt das, dass sich an der Regel, dass kleinere Länder ein relativ stärkeres Gewicht haben als größere, nichts geändert hat. Auch das ist gut für die kleinen und mittleren Länder. Es hat von Anfang an in der Europäischen Union für die kleineren ein relativ stärkeres Gewicht gegeben, und das soll auch so bleiben. Auch das war ein Erfolg, der nicht gerade leicht zu erringen war.

Die Frage, worüber es weiterhin Einstimmigkeit geben soll und worüber es Mehrstimmigkeit geben wird, war für Österreich wohl die größte Hürde. Was heute so geredet wird, etwa, es wäre ohnehin ganz klar gewesen, dass die Wasserressourcen einstimmig bleiben, stimmt doch nicht! Meine Damen und Herren! Sie selbst haben in den Diskussionen im Hauptausschuss doch miterlebt, welche Vorschläge – etwa von der französischen Präsidentschaft – auf dem Tisch gelegen sind, um die Mehrstimmigkeit einzuführen. Meiner Ansicht nach ist das wohl der größte Erfolg von Wolfgang Schüssel als Chefverhandler Österreichs: dass die Frage der Wasserressourcen weiterhin der Einstimmigkeit bedarf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte auch als Mitglied des Hauptausschusses durchaus sagen, dass ich stolz darauf bin, dass das, was wir dort in Sitzungen erarbeitet haben, Punkt für Punkt von dieser Bundesregierung beim Gipfel in Nizza umgesetzt wurde.

Meine Damen und Herren! Dass sich die Opposition diesbezüglich enthalten hat, ist deren Problem. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir haben konstruktiv daran gearbeitet, und ich bin stolz darauf, dass diese Bundesregierung auf Punkt und Beistrich das erfüllt hat, was wir als Parlament ihr mitgegeben haben.

Zum Abschluss ein paar Worte zur Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren. Aus meiner Sicht ist doch wohl klar, dass die Entwicklung, dass Europa selbst eine Bereitschaftstruppe für das Krisenmanagement aufbauen will, von uns natürlich unterstützt werden muss. Meine Damen und Herren: Wer in diesem Europa daran glaubt, dass diese Europäische Union nicht nur eine Wirtschafts- und Zollunion, sondern auch eine Friedensunion werden soll, der muss sich solidarisch daran beteiligen, und auch Österreich muss wie alle anderen Länder einen glaubhaften Beitrag dazu leisten, notfalls mit Truppen einzuschreiten. Aus meiner Sicht muss man das abseits von allen Tabus und abseits von allen historischen Relikten einfach zur Kenntnis nehmen und sich diesem Prozess öffnen. Und es wäre wohl auch für die Opposition ein guter Prozess, einmal intensiv darüber nachzudenken, und wir laden Sie dazu ein, in der Sicherheitspolitik mit uns an einem Strang zu ziehen.


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Meine Damen und Herren! Ich denke daher, dass Nizza für Österreich ein großer Erfolg war, aber auch, wie ich meine, für die kleinen und mittleren Länder in Zukunft eine Beteiligung am gesamten Prozess dieser zukünftigen europäischen Integration sichergestellt hat.

Nach diesem Jahr 2000, in dem wir Sanktionen erlebt haben, können wir, wie ich meine, heute auch sagen, wir sind gestärkt daraus hervorgegangen, denn wir sind wohl stärker in der Außenpolitik als je zuvor, wir haben ein Selbstbewusstsein in der Außenpolitik gefunden, und wir sind als Österreicher auch bereit für diese erweiterte Union, unser nächstes, großes Ziel. Dafür danke ich auch der Bundesregierung, insbesondere dem Herrn Bundeskanzler, der das glaubwürdig, mit Gelassenheit und Professionalität vorgelebt hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.10

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Spindelegger hat mit Nachdruck, zu mir gewandt, immer wieder erklärt, es müsse für die Angehörigen der SPÖ schmerzlich sein (Abg. Dr. Stummvoll: Das stimmt auch!), von mehreren Menschen, die das hier behauptet hätten, zu hören, dass es tatsächlich doch Verhandlungen zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen zur Bildung einer gemeinsamen Regierung gegeben habe. (Abg. Dr. Spindelegger: Berichtigen Sie das nicht, dass es nicht schmerzvoll war!)

Diese Tatsachenbehauptung, Herr Abgeordneter Spindelegger, ist falsch. – Richtig ist, dass es nur eines ist, das für uns schmerzlich ist, nämlich dass hier mehrere in dieser Frage die Unwahrheit gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger : Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

13.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

13.11

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Vizekanzlerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist in den letzten Stunden seit dem Vortrag des Herrn Bundeskanzlers zum Europäischen Gipfel in Nizza des Öfteren erwähnt worden, dass Nizza dazu beigetragen habe, die Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union zu sichern. Er hat sogar gemeint, dass für einzelne Länder der Beitritt eventuell schon vor der nächsten Europawahl möglich sein könnte.

Wir würden uns das sehr wünschen, aber ich denke, dass diese Aussicht doch sehr euphorisch ist, wenn man sich die Ergebnisse von Nizza genau ansieht. Außerdem hat es in den letzten Wochen von sehr wichtigen Personen in diesem Bereich Aussagen gegeben, wie zum Beispiel von Erweiterungskommissar Verheugen, der die schwedische Präsidentschaft ein bisschen einzubremsen versuchte, weil er meinte, diese gehe dieses Thema etwas zu rasch an.

Auch der Erweiterungsbeauftragte der österreichischen Bundesregierung, Herr Dr. Busek, hat gemeint, wie das tatsächlich gehen soll, sehe er nicht wirklich, denn wenn man sich den Haushalt der Europäischen Union ansehe, dann sei die Aussicht, dass die Erweiterung innerhalb der nächsten drei Jahre vor sich gehen soll, nicht wirklich realistisch. Da sind also noch massive Dinge zu tun, die eine rasche Erweiterung derzeit noch nicht erlauben.

Außerdem sind in Nizza einige Punkte beschlossen worden, wie zum Beispiel, dass die Entscheidungsfindung mit den zweifachen Mehrheiten um einiges komplizierter wurde. Auch das vereinfacht es nicht wirklich, die neuen Länder aufzunehmen.


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Auch die Lösung betreffend der Kommissare ist zwar aufgeschoben, aber nicht wirklich gelöst. Man hat sich halt jetzt auf etwas geeinigt, aber in zehn Jahren – oder wann auch immer – muss man das Ganze neu verhandeln. Eine Lösung kann das wohl nicht wirklich sein; und auch keine, bei der Österreich eine wichtige Rolle gespielt hat.

Herr Klubobmann Khol hat gemeint – er hat sich auf die Zeit nach den Sanktionen bezogen, sehr wohl auch auf Österreichs Rolle in Nizza –, dass unsere Außenpolitik jetzt wieder eine neue und erfolgreiche Basis habe. – Ich sehe das nicht! Ich konstatiere eher, dass wohl das Gegenteil der Fall ist. Ich habe außer dem, was hier gesagt wurde, was Sie in Nizza präsentiert haben, keine eigenen Initiativen von Seiten Österreichs gesehen. Die Außenministerin hat in der Vergangenheit des Öfteren tolle Ideen bezüglich einer strategischen Partnerschaft, einer "Österreich-Plattform" vorgestellt. Wo sind die geblieben? – Das ist in den letzten Wochen anscheinend in den internen Debatten um die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin untergegangen.

Gestern in der Sendung "Report" hat auch der österreichische EU-Kommissar Fischler gemeint, dass Österreich in Bezug auf die Erweiterung endlich initiativ werden sollte. – Frau Ministerin! Ich habe diesbezüglich von Ihnen noch nichts gehört. Wir haben mittlerweile fast Februar, und es wird wohl Zeit, dass da etwas geschieht. (Beifall bei den Grünen.)

Was sollte denn geschehen? Wo ist denn die Qualifikationsoffensive für die Bevölkerung an den Grenzen? – Ich habe nichts davon gehört. Da geht es eher in die Richtung, dass eine Freiheitliche in Niederösterreich, Frau Rosenkranz, wieder einmal eine Volksbefragung zur EU-Ost-Erweiterung fordert. – Viel Spaß bei den internen Koalitionsberatungen dazu!

Aber wo ist die "Österreich-Plattform"? Wo ist diese strategische Partnerschaft? – Das Einzige, was ich in den letzten Wochen zum Wort "strategisch" gehört habe, waren die militärstrategischen Überlegungen rund um die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin. Diese wurde uns übrigens nicht richtig vorgelegt, wir bekamen sie irgendwann zugesandt.

Zuerst wollte die Bundesregierung die Beistandsgarantie in der EU verankern. Man hat aber spätestens in Nizza festgestellt, dass das nicht gelingen wird, und jetzt versucht man es eben anders. Jetzt versucht man es über die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, mit der Österreich jeglichen Anspruch auf eine eigenständige Außenpolitik aufgibt.

Herr Kollege Spindelegger hat vorhin gesagt, es gehe um eine Friedenspolitik. Ich frage Sie, ob die Antwort auf die Bedrohungen, die in der Sicherheitsdoktrin stehen – nämlich nicht mehr die militärischen Bedrohungen, sondern Dinge wie Menschenrechts- und Demokratieverletzungen, Umweltprobleme, internationale Kriminalität, Energie- und Ernährungsfragen –, die ist, diese Bedrohungen über die NATO zu lösen. Über ein Militärbündnis wollen Sie sie lösen? – Das ist wohl nicht die richtige Möglichkeit! (Abg. Dr. Spindelegger: Das steht überhaupt nicht drinnen!)  – Das steht sehr wohl drinnen.

In dieser Doktrin werden Bedrohungsszenarien dargestellt – diese stimmen im Großen und Ganzen –, und als Lösung wird dann plädiert – sehr verschämt gesagt – für den Euroatlantischen Sicherheitsverbund. (Abg. Dr. Spindelegger: Wir sind schon in der NATO-"Partnerschaft für den Frieden"! – Abg. Dr. Petrovic: Ja, leider!)

Was Sie hier machen, ist, dass Sie den Österreichern und Österreicherinnen verkaufen wollen, die Neutralität sei obsolet, man beschränke sich auf die Bündnisfreiheit, die ein ganz wichtiger Teil der Neutralität ist – aber nicht der einzige, wohlgemerkt! Keine permanente Truppenstationierung und keine Teilnahme an Kriegen, das gehört auch dazu. Jetzt sagen Sie jedoch, wir wollen die Bündnisfreiheit, und Sie sagen insgeheim: Wir gehen zum Euroatlantischen Sicherheitsverbund.

Wissen Sie, was Sie hiemit tun? – Sie versuchen, den Österreichern diese Bündnisfreiheit quasi als Trojanisches Pferd zu verkaufen, und Sie hoffen, dass die Österreicher und Österreicherinnen das nicht merken. Wenn es dann endlich so weit ist, dass die Neutralität abgeschafft sein wird – denn das ist Ihr Ziel! –, dann ist der Weg frei in die NATO.


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Da wir sehen, dass Sie die falschen Schlussfolgerungen ziehen – wobei ich sehr wohl eine friedenspolitisch orientierte Außenpolitik verlangen würde, der die Verteidigungspolitik untergeordnet ist und nicht umgekehrt; genau das ist es nämlich, was Sie tun –, aus diesem Grund bringe ich jetzt einen Entschließungsantrag ein, in dem es darum geht, festzuhalten, dass Sie weiterhin auf der Neutralität bestehen und dass Sie eben nicht vorhaben, mit diesem Trojanischen Pferd der Bündnisfreiheit den Österreichern einzureden, dass wir die Neutralität nicht mehr brauchen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Lunacek, Dr. Lichtenberger, Freundinnen und Freunde betreffend Neutralität, Sicherheitsdoktrin und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Bundeskanzlers

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der Entwicklung einer neuen Sicherheitsdoktrin die geltenden Verfassungsbestimmungen über die Neutralität zu beachten, sodass die Vollziehung durch die Bundesregierung dem Gesetzesbefehl, wie er aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Neutralitätsgesetz (598 der Beilagen, VII. GP) hervorgeht, folgt.

2. Sollte diese Sicherheitsdoktrin verfassungsändernde Vorhaben beinhalten, die der Neutralität widersprechen, so sind diese noch vor Beschlussfassung durch die Bundesregierung jedenfalls einer Volksbefragung zu unterziehen.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht bei einer weiteren Betrachtung auch in einem sachlichen Zusammenhang zum gegenständlichen Punkt der Tagesordnung und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

13.18

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Vizekanzler! Frau Außenminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Lunacek, die von Ihnen zu Recht angesprochene "Österreich-Plattform" wird sicher schon in den nächsten Tagen Gestalt annehmen. Ich darf Ihnen sagen, dass im Grenzland Burgenland bereits die "Burgenland-Plattform" getagt hat, es Ihre Parteikollegin Krojer jedoch vorgezogen hat, an dieser gemeinsamen Arbeit nicht teilzunehmen. (Abg. Mag. Lunacek: Auf Einladung der Freiheitlichen?) Damit ist es Ihrer Fraktion vorbehalten geblieben, sich aus einer gemeinsamen Arbeit selbst auszuschließen und nicht im Interesse des besonders betroffenen Burgenlandes Ideen einzubringen, wenn es darum geht, den Beitritt der osteuropäischen Staaten auch für die betroffenen Grenzländer einigermaßen verkraftbar zu machen. Das ist allein Ihrer Fraktion vorbehalten geblieben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute bereits mehrfach den Beweis dafür geliefert bekommen, dass es insbesondere die Oppositionsführer Gusenbauer und Van der Bellen waren, die sich intensiv bemüht haben, über diese Bundesregierung – besonders im Ausland – sehr negativ zu reden, um die Bildung dieser Regierung unmöglich zu machen, massiv unterstützt – das ist heute noch wenig angesprochen worden – von einigen Printmedien, vor allem immer wieder von Wochenjournalen, die nicht gerade freundschaftlich über diese Bundesregierung berichten und geradezu ein Zerrbild dieser Bundesregierung und der Republik Österreich entwickelt haben.


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Natürlich wurde dieses Zerrbild von ausländischen Medien dankbar übernommen und zeitweise sogar zu einem Horrorszenario weiterentwickelt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber damit – das sollten wir heute noch anmerken – wurden auch die Grundlagen für die Verhängung der Sanktionen geliefert, die Grundlagen, die dann von einigen europäischen Staatsmännern dankbar aufgenommen wurden, weil sie damit auch ganz persönliche Interessen besser verfolgen konnten.

In der Wochenendausgabe der "Presse" war ein hervorragender Artikel von Andreas Schwarz zu lesen, in dem er diesbezüglich eine ausgezeichnete Analyse geliefert hat. So schreibt er zum Beispiel, dass Chirac nicht der einzige Opportunist in diesen Tagen war. Ich zitiere Schwarz:

"Auch Aznar zählte zu den Speerspitzen gegen die neue Regierung in Österreich – und als er wieder gewählt war, zu den Speerspitzen für die Aufhebung der Sanktionen." – Zitatende.

Es war immer wieder die Frage, ob sich ein europäischer Staatsmann gerade vor Wahlen befand, oder ob die Wahlen bereits vorbei waren. Dementsprechend sah dann auch die Position zu Österreich aus.

Diese Liste lässt sich mit Herrn d’Alema oder mit dem belgischen Außenminister, vor allem aber auch mit den deutschen Freunden der Grünen und der Sozialdemokraten fortführen. Dort sind ja Politiker jener Generation am Werk, die, wie Schwarz meint – ich zitiere –: "die Standpunktlosigkeit gerne als Programm verkauft und frei von allen Wendehals-Dünkeln immer dort zu finden ist, wo scheinbar der Wind in den Rücken bläst – ein Rechts-links-Schema, ein ‚Reaktionär versus Gutmensch‘ schien auch ihm" – Schröder, Ihrem Freund – "ein todsicheres Popularitätsmittel, bloß Bevölkerung und deutsche Medien haben es ihm nicht gedankt: Seine Haltung gegenüber Österreich wurde abgelehnt." – Zitatende.

Und die Haltung, die Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie und von den Grünen, vertreten haben, wurde von unserer Bevölkerung genauso abgelehnt. Die Gusenbauer’sche und Van der Bellen’sche Nestbeschmutzeraktion, die heute schon mehrfach dargestellt wurde, ist nicht wirklich aufgegangen, zumindest nicht so aufgegangen, wie Sie es sich vorgestellt haben.

Nur dem unermüdlichen Einsatz – das muss heute auch einmal gesagt werden – der Regierungsvertreter unserer beiden Parteien ist es zu verdanken, dass die österreichische Position in Europa heute eine gestärkte ist, dass sich Österreich zum ersten Mal wirklich in europäische Entscheidungen eingebracht hat, wie es das Ergebnis von Nizza zeigt. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Dieses Ergebnis von Nizza trägt auch eine österreichische Handschrift. Das wurde hier schon ein- oder zweimal deutlich gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine österreichische Handschrift, an der Sie nicht mitgearbeitet haben. Sie haben sogar noch Interesse daran gezeigt, österreichische Interessen zu verkaufen.

Frau Kollegin Lichtenberger! Da ich damals in der "ZiB 3"-Diskussion, in der Sie eiskalt die Unwahrheit gesagt haben, nicht mehr die Gelegenheit dazu hatte (Abg. Dr. Lichtenberger: So ein Pech!)  – die Unwahrheit ist Ihnen ja wirklich schon immer locker über die Lippen gekommen –, sage ich Ihnen heute Folgendes: Sie haben ganz massiv gegen die Beibehaltung der Einstimmigkeit zum Beispiel in der Wasserfrage gearbeitet, Sie sind dagegen aufgetreten und haben nachweislich auch mehrfach hier in diesem Haus dagegen gestimmt. Die Anträge und Ihr Abstimmungsverhalten sind in den Protokollen nachzulesen, Frau Kollegin Lichtenberger! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Beweisen Sie das einmal!)

Die Unwahrheit zu sagen gehört bei Ihnen zum Programm – da ist auch Kollege Van der Bellen nicht ausgenommen, und der "Anpilzler" da oben sowieso nicht. Er wird ja dann vom Lauf der Zeit widerlegt. Darüber reden wir aber ein anderes Mal, Herr Kollege Pilz, über die vielen Anschüttungen, die Sie vorgenommen und die sich dann als haltlos erwiesen haben. (Abg.


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Dr. Pilz: Da waren wir noch auf freiem Fuß!) Aber das ist Ihre Methode. Diese Methode wird Sie jedoch nicht zum gewünschten Ziel führen, das sage ich Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben bei dieser Nestbeschmutzeraktion den Kürzeren gezogen, und Sie werden auch bei Ihren anderen "Anpilzl"-Aktionen den Kürzeren ziehen. Glauben Sie mir das! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste spricht Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

13.25

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Am 26. Februar werde ich namens Österreichs den Europäischen Vertrag von Nizza unterzeichnen. Das ist für mich Anlass genug, noch einmal dem Ad-hoc-Komitee des Hauptausschusses für die wirklich gute Kooperation während der langen und sehr schwierigen Verhandlungen in Nizza zu danken.

Lassen Sie mich daran auch einige allgemeine Bemerkungen anschließen. Natürlich ist der Europäische Vertrag von Nizza ein großer Kompromiss. Das heißt, es ist nicht all das zustande gekommen, was man sich in Europa gewünscht hätte und was auch wir uns gewünscht hätten. Aber für Österreich haben wir all das erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Eigentlich müsste man als österreichischer Abgeordneter auf jeden Fall damit sehr zufrieden sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Weiters – das ist heute in dieser Debatte natürlich schon oft gesagt worden –: Das Wesentliche war, die Europäische Union tatsächlich für neue Staaten beitrittsreif zu machen. Auch das ist uns gelungen – und die Erweiterung ist nun das nächste große Ziel.

Bevor ich auf diese Erweiterung und die damit im Zusammenhang stehende strategische Partnerschaft, Frau Abgeordnete Lunacek, eingehe, wollte ich noch ganz kurz zwei Themen etwas stärker ausführen, die vielleicht in der heutigen Debatte nicht so besprochen wurden. Das eine Thema ist die Frage der Stimmgewichtung, vor allem die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit. Ich möchte noch einmal sagen: Österreich hätte sich in den zwei Hauptfragen, nämlich in der Sozialpolitik, aber auch in der Steuerpolitik, wesentlich weiter begeben, aber meist waren es Großbritannien, Dänemark und Schweden, aber auch andere, sozialdemokratisch geführte Regierungen, die hier nicht mitgegangen sind. Die Kritik muss daher bitte tatsächlich an diesen Staaten angebracht werden und sicher nicht bei uns. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das zweite Thema, das heute auch wenig angeschnitten wurde, ist die ganze Frage der verstärkten Zusammenarbeit. Sie wissen ja, dass lange die Frage eines möglichen Kerneuropa, einer Avantgarde, einer Pioniergruppe im Gespräch war. Diesbezüglich wurde klar – das ist auch ein großes österreichisches Verdienst, zusammen mit anderen mittleren und kleineren Ländern, mit denen wir gleich Allianzen gebildet haben –, dass es jetzt eine Möglichkeit gibt, zusammenzuarbeiten, aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Es müssen immer mindestens acht Mitgliedstaaten mitmachen, eine qualifizierte Mehrheit muss die verstärkte Zusammenarbeit genehmigen, und eine verstärkte Zusammenarbeit muss immer allen Mitgliedstaaten offen stehen, die das wollen, und sie muss weiters die Ziele und den Besitzstand der Union ebenso berücksichtigen wie die Rechte der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten.

Es wurde von Herrn Abgeordnetem Einem angeführt, dass zu wenig Demokratisierung gegeben sei. Offensichtlich kennt er jene Beschlüsse nicht, die besagen, dass überall dort, wo die qualifizierte Mehrheit eingeführt wird – und das ist bitte bei 30 Bestimmungen der Fall –, selbstverständlich auch ein Mitentscheidungsrecht des Europäischen Parlaments gegeben ist. Auch das ist ein wichtiger Punkt.

Nun lassen Sie mich auf die Erweiterung zu sprechen kommen. Das Wesentliche war die Herbeiführung dieser Erweiterungsfähigkeit. Damit bin ich genau dabei, Frau Abgeordnete


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Lunacek, das, was ich versprochen habe, in die Tat umzusetzen. Mein Haus arbeitet sehr intensiv an dieser strategischen Partnerschaft. Das Konzept wird in einigen Tagen fertig sein.

Zum Zweiten: Die "Österreich-Plattform" wird derzeit schon aufgebaut, und – wie vom Herrn Abgeordneten Schweitzer gesagt wurde – auch die Frage der Grenzregionen befindet sich bereits in Arbeit. Das heißt, man muss entsprechende kleine Strukturen schaffen. Man muss das ja vorbereiten. Ich habe noch nie etwas gesagt, was ich nicht auch in die Tat umsetze. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Lunacek: Auch nicht die niederösterreichischen Freiheitlichen?!)

Diesbezüglich können Sie ganz beruhigt sein, da sind wir auf dem besten Wege. Und um den 1. April herum, sobald es meine Zeit erlaubt, werde ich diese Plattform auch vorstellen.

Noch ein wichtiger Punkt in der Debatte ist der so genannte Post-Nizza-Prozess. Da würde ich darum bitten, dass wir lieber gleich von Anfang an über die Zukunft der Union sprechen und das nicht als "Post-Nizza-Prozess" bezeichnen. Wir sollten mehr in Richtung Zukunft denken.

Es ist tatsächlich so, dass wir auch aus der letzten Debatte und bei der Grundrechts-Charta gelernt haben, die ich hier sehr wohl anspreche, dass es sicher gut war, dass es einen solchen Konvent gegeben hat. Aber im Unterschied zur Debatte über die Grundrechts-Charta sollte – und muss selbstverständlich – diese Debatte am Ende auch in eine Regierungskonferenz münden, denn sonst würde die Debatte ausufern. Es müssen schließlich die nationalen Regierungen dem auch zustimmen.

Die großen Themen sind folgende: die Rolle der nationalen Parlamente, die Frage, ob es einmal eine zweite Kammer geben wird – das muss erst diskutiert werden –, aber auch die Frage – ganz wichtig! – der Aufteilung der Kompetenzen, die ja gerade uns ein wesentliches Anliegen ist und bei der wir auch viel an eigener Erfahrung einbringen können. Natürlich gilt es auch, den Wildwuchs der Verträge zu durchforsten, eine Vereinfachung der Verträge zu erreichen, denn wir müssen tatsächlich wesentlich bürgernäher sein.

Zur Grundrechts-Charta. Man musste das hier nicht neu betonen, wir haben das immer wieder gesagt: Für uns war und ist die Grundrechts-Charta ganz wesentlich, wobei wir uns gewünscht hätten – und es auch tun hätten können –, dass die Grundrechts-Charta in einen verbindlichen Katalog übergeführt wird. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die allerwesentlichsten Punkte, die ich anführen wollte, und ich würde sehr darum ersuchen, dass wir hier gemeinsam in eine offene Diskussion eintreten.

Ich bin der Meinung: Es steht tatsächlich die zukünftige Union auf dem Spiel. Und ich frage: Was ist interessanter – das möchte ich schon auch sagen – als ein bedeutendes, ein mächtiges, ein starkes Europa, das sich dann gegenüber den anderen starken Mächten selbstverständlich behaupten kann? – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

13.32

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat seine Erklärung und die meisten Debattenredner der Regierungsparteien haben den Bericht des Bundeskanzlers über die Ergebnisse von Nizza im Zuge der Diskussion dazu benutzt, um die letztjährigen Maßnahmen der EU-14 zu reflektieren. Ich kann nicht umhin, festzustellen, dass eine gewisse lustvoll-wehleidige, nostalgische Betrachtung dieser für Österreich einzigartigen Situation zu verspüren war. Sie haben die Sanktionsrhetorik des Frühjahres wieder ausgepackt. Zu dieser Sanktionsrhetorik gehörte damals und gehört auch heute, dass Sie das Sanktionsmärchen darlegen wollen, dass die Sanktionen gegen das Land verfügt worden seien (Abg. Dr. Stummvoll: Das stimmt ja auch!), obwohl Sie ganz genau wissen, dass die Sanktionen gegen eine Bundesregierung verfügt worden sind, der eine, wie im "Weisen"-Bericht beschrieben wird, rechtspopulistische Partei mit radikalen Elementen angehört.


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Sie haben nicht dazu gesagt, dass als die wesentliche Begründung zur Empfehlung der Aufhebung der Maßnahmen der EU-14 seitens der "drei Weisen" folgende genannt wurde: Durch die Wirkung der Sanktionen nach innen, durch die Art der Darstellung dieser Maßnahmen nach innen, wurden verstärkt nationale Gefühle im Land geweckt, und man wollte dem ein Ende setzen.

Wenn wir uns das vergangene Frühjahr vor Augen halten, dann fällt auf, dass Sie immer dann, wenn Sie politisch in Bedrängnis waren, wenn Sie Belastungen im Parlament darlegen mussten, die Debatte über die Maßnahmen der EU-14 in der Form hervorgezaubert haben, wie Sie es auch heute wieder versucht haben. Daher stellt sich mir die Frage: Warum versuchen Sie heute wieder, diesen Nebelvorhang vor die aktuelle Politik zu ziehen? – Es liegt auf der Hand, dass Sie offensichtlich Gründe dafür haben, denn diese Woche ist – in allen Medien und öffentlichen Diskussionen – von der Bilanz über ein Jahr Ihrer Politik, über ein Jahr Wendepolitik geprägt.

Da muss man sich die Frage stellen, was in diesem Jahr passiert ist und wie Ihre Politik heute in einem "Weisen"-Bericht bewertet werden würde. Was als Bilanz Ihrer Politik in diesem Jahr bleibt, ist ein gnadenloser Machtrausch, eine Politik, die die Ärmeren ärmer macht und die Reichen reicher, gesellschaftspolitische Rückschritte, bewusste Spaltung der Gesellschaft als Instrument der Politik und viel Inszenierung.

Einen gnadenlosen Machtrausch mussten wir vor wenigen Tagen bei einer gespenstischen Veranstaltung in Oberlaa beobachten (Abg. Achatz  – auf leere Bankreihen der SPÖ weisend –: Ihre Rede interessiert nicht einmal Ihre eigenen Kollegen! Ihre Anschüttungen interessieren nicht einmal die eigenen Kollegen!), wo Frau Riess-Passer in martialischer Art und Weise den Kopf des Herrn Sallmutter forderte. Ich will den Kopf des Herrn Sallmutter, ich will ein Opfer sehen, sagte sie. (Ruf bei der SPÖ: Zuhören! – Abg. Achatz: Alles leer bei der SPÖ!)

Ich glaube schon, dass Ihnen das alles unangenehm ist, aber es schildert einfach die Realität, Frau Kollegin. (Abg. Achatz: Das interessiert niemanden, nicht einmal die eigenen Kollegen!)  – Ich lasse mir von Ihnen das Wort nicht nehmen, nur weil es Sie nicht interessiert. Sie können den Saal verlassen, wenn es Sie nicht interessiert, was ich bedauern würde, Frau Kollegin! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Achatz: Ich wollte Sie nur aufmerksam machen! – Abg. Schieder: Gebt eine Ruhe!)

Sie machen eine Politik, mit der die Armen ärmer gemacht werden. Ich erinnere an das Paket über die "soziale Treffsicherheit". (Abg. Mag. Posch hält ein Tafel mit der Aufschrift "Wer ist die Nächste?" in die Höhe. – Abg. Achatz: Wer ist die Nächste?) Bisher haben wir in diesem Land unter "sozialer Treffsicherheit" verstanden, dass darüber nachgedacht wird, wie diejenigen, die die Unterstützung des Staates besonders brauchen, diese auch wirklich bekommen. Seit Sie regieren, wissen wir, "Treffsicherheit" heißt, jene zu treffen, die am schlechtesten dran sind.

Gesellschaftspolitische Rückschritte, bewusste Spaltung der Gesellschaft – lesen Sie nach in den Kommentaren der Zeitungen! Es wird seit einem Jahr vor allem der Klimawechsel in diesem Land diskutiert. Zum ersten Mal mussten wir erleben, dass in diesem Land Vertreter einer politischen Partei systematisch ein Spitzelwesen aufgebaut haben und all jene in Polizei und Justiz, die beauftragt waren, dieses Spitzelwesen aufzudecken, bedroht und eingeschüchtert haben.

"Einschüchterung" ist überhaupt ein wichtiges Wort im Zusammenhang mit Ihrer Politik. Es wird breitflächig gegen alle, die es wagen, anders zu denken, mit unterschiedlicher, oft struktureller Gewalt vorgegangen. Frau Vizekanzlerin! Das haben Sie nämlich in Ihrer Auflistung vergessen, zu erwähnen: strukturelle Gewalt – das ist ein Klavier, auf dem Sie gerne spielen. Und Einschüchterung ist da ein wesentliches Element.

Welche Rolle spielt der Herr Bundeskanzler? Damit würde ich mich auch noch gerne auseinander setzen. – Herr Bundeskanzler! Sie sind vor einem Jahr mit dem Versprechen angetreten, die FPÖ zu zähmen. Ziehen wir doch auch da eine kurze Zwischenbilanz, wer wen gezähmt hat! Sie, Herr Bundeskanzler, stehen heute als Moderator des freiheitlichen Machtrausches da. Wenn die Frau Vizekanzlerin in Oberlaa nach dem Kopf des Herrn Sallmutter ruft,


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dann wird in den nächsten Tagen von Ihnen schöngeredet, warum das auch tatsächlich sein muss.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ich möchte nur ganz vorsichtig darauf aufmerksam machen, dass es beim gegenständlichen Tagesordnungspunkt um den Europäischen Gipfel von Nizza und die diesbezügliche Erklärung des Herrn Bundeskanzlers geht. Bitte stärker auf diese Themenstellung einzugehen. (Die Abgeordneten Mag. Posch und Dr. Heindl: Der Geist von Nizza!)

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (fortsetzend): Ich knüpfe an die Worte des Herrn Bundeskanzlers über die Sanktionen an, denen er breiten Raum gewidmet hat, und reflektiere, warum er es offensichtlich für notwendig hält, dieses Thema heute wieder aufzuwärmen.

Herr Bundeskanzler! Sie werden etikettiert als der "schweigende Kanzler". Es stellt sich natürlich die Frage: Warum bekommen Sie dieses Etikett? Warum schweigen Sie? (Abg. Dr. Fekter: Sehr klug! – Abg. Dr. Stummvoll: Manchmal ist schweigen besser als reden!) Ist es so, dass Sie zu den Vorfällen, die ich im Detail wegen der beschränkten Redezeit nicht anführen kann, nichts zu sagen haben? – Davon gehe ich nicht aus. Oder ist es vielmehr so, Herr Bundeskanzler, dass Sie immer weniger zu reden haben? Die Frage ist: Herr Bundeskanzler, wer hat wen gezähmt? (Beifall bei der SPÖ.)

13.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

13.39

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dieser Polemik meiner Vorrednerin werde ich wieder versuchen, auf Inhalte einzugehen. Ich möchte in meinem kurzen Debattenbeitrag die Bedeutung der Beschlüsse von Nizza für den Wirtschaftsstandort Österreich hervorheben. (Abg. Mag. Posch: Für Sachpolitik ...!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allein die Feststellung der Erweiterungsfähigkeit, die Bausteine, die für die Erweiterung der Europäischen Union, für die Gestaltung des Erweiterungsprozesses, für den Terminkalender, für die Weiterführung der Europäischen Integration gelegt wurden, haben für den Wirtschaftsstandort Österreich eine überragende Bedeutung.

Die Unternehmer, die gesamte Wirtschaft begrüßt daher die Ergebnisse von Nizza. Wir begrüßen sie auch deshalb, meine Damen und Herren, weil wir die Chancen immer als größer erachtet haben als die Risken – nichts im Leben ist ohne Risiko, aber die Chancendimension ist wesentlich größer. Betrachten wir doch die wirtschaftliche Entwicklung und die Bedeutung des Wirtschaftsstandortes Österreich seit dem Wegfall des Eisernen Vorhanges: Diese letzten zehn Jahre waren vor allem außenwirtschaftlich gesehen eine einzige Erfolgsstory für unsere Wirtschaft. Lassen Sie mich zur Untermauerung dessen nur ein paar Zahlen nennen.

In den letzten zehn Jahren haben sich Österreichs Exporte nach Osteuropa von 38 Milliarden Schilling auf 123 Milliarden Schilling mehr als verdreifacht. Und der Anteil der Osteuropa-Exporte an den Gesamtexporten stieg von 10 Prozent auf 16 Prozent. Wissen Sie, was das heißt? – Das heißt, dass allein die Exporte nach Osteuropa vor zehn Jahren ungefähr 50 000 Arbeitsplätze in Österreich gesichert haben, jetzt sichern unsere Exporte nach Osteuropa aber 120 000 Arbeitsplätze!

Meine Damen und Herren! Wenn wir im Vorjahr, im Jahre 2000, das seit 1945 geringste Handelsdefizit in diesem Land hatten, dann war das auch ein Erfolg der Expansion unserer Betriebe in die osteuropäischen Staaten. Und wenn wir heute – nur um ein Einzelbeispiel zu nennen – in der Situation sind, dass der Exportmarkt Slowenien mengenmäßig so wichtig ist wie Japan und China zusammen – Japan und China zusammen 15 Milliarden Schilling Exporte, allein Slowenien ebenfalls 15 Milliarden Exporte! –, oder wenn heute Ungarn nach Deutschland, Italien und der Schweiz das viertwichtigste Handelsland Österreichs ist, dann zeigt das die


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unglaublichen Chancen, die wir strategisch haben, wenn wir die Europäische Union in Richtung Osten erweitern.

Lassen Sie mich als Mandatar einer Grenzregion noch etwas sehr deutlich sagen. Glauben Sie mir, ich kenne die Sorgen und Ängste unserer Bürger in den Grenzregionen, aber ich bin sehr dankbar, dass inzwischen auch konkrete Zahlen auf dem Tisch liegen. Es hat vor wenigen Tagen das Institut für Raumplanung eine Zahlenreihe der letzten zehn Jahre vorgelegt, und daraus ergibt sich Folgendes:

In Österreich grenzen 25 politische Bezirke an die Beitrittskandidaten Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien. Von diesen 25 politischen Bezirken, zu denen auch Bezirke aus meinem Wahlkreis gehören, hatten 22 Bezirke eine stärkere Beschäftigungsdynamik, als sie der österreichische Durchschnitt hatte.

Auch das zeigt die ungeheure Dimension dieser Chance. Wenn 25 Bezirke an vier Beitrittsländer grenzen, und davon 22 Bezirke in diesen zehn Jahren einen höheren Beschäftigungsanstieg hatten, als der österreichische Durchschnitt betrug, dann zeigt das auch die beschäftigungspolitischen Chancen, die sich aus einer Osterweiterung ergeben. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Zukunft betrifft, meine Damen und Herren, seien nur drei Punkte erwähnt. Erstens ist, wie ich glaube, die Entscheidung für eine differenzierte Vorgangsweise bei den Beitrittskanndidaten, je nach den Fortschritten, die sie in ihrer Entwicklung haben, sehr positiv. Zweites Positivum – der Bundeskanzler hat es heute erwähnt –: Wir brauchen flexible Übergangsregelungen für den Arbeitsmarkt, die Personenfreizügigkeit und auch den Dienstleistungsverkehr. Keine Frage, wir brauchen das, und sieben Jahre sind wahrscheinlich ein sehr vernünftiger Zeitraum.

Dritter Punkt: Ich bin sehr froh darüber, Herr Bundeskanzler, und möchte mich auch im Namen meiner Grenzregion Waldviertel für diese Initiative bedanken, die vom Bundeskanzler – er hat es heute schon erwähnt – bei Kommissionspräsident Prodi gestartet wurde, um ein entsprechendes Programm zur Erhaltung und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Grenzregionen zu erstellen. Auch wenn die Chancen strategisch bei weitem überwiegen, so müssen wir doch sagen: Für eine Übergangsphase müssen wir diese Grenzregionen stärken. Erst dann wird es, wenn diese Beitrittskandidaten Mitglieder der Europäischen Union geworden sind, Fairness im Wettbewerb geben, weil es dann nicht mehr möglich sein wird, zu Arbeitskosten, die teilweise ein Sechstel der österreichischen sind, zu Umweltkosten, die einen Bruchteil jener ausmachen, die wir in Österreich haben, also mit derartigen Billigimporten nach Österreich zu kommen. Erst dann ist ein fairer Wettbewerb möglich!

Ich bedanke mich für die Verhandlungsführung des Herrn Bundeskanzlers, der Frau Außenministerin und der Frau Vizekanzlerin und freue mich, dass diese Regierung ihren Beitrag zu dieser historischen europäischen Einigung in Nizza geleistet hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

13.45

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat von der richtungsweisenden Idee in Nizza, von den großen Beschlüssen, die dort gefallen sind, gesprochen. Ich möchte mich jetzt, zumindest in der Redezeit, die ich habe, auch damit auseinander setzen, was denn von diesen richtungsweisenden Beschlüssen bei der Bevölkerung angekommen ist.

Ich habe die Gelegenheit genützt und sehr viel mit Menschen – mit jüngeren, mit älteren – diskutiert, einfach um einmal zu sehen: Was ist als Botschaft bei ihnen gelandet? Was haben sie von Nizza mitbekommen?


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Wissen Sie, was sie von Nizza mitgekommen haben? – Und leider unterscheidet sich Österreich in dieser Hinsicht nicht von vielen anderen europäischen Staaten und Ländern! – Die Menschen sagen: Brüssel ist Babylon, das Ganze ist kompliziert, das Europäische Parlament ist nichts wert, und jeder Vertreter eines Nationalstaates kommt zurück und sieht seine Hauptleistung nicht darin, welchen Schritt Europa in die Zukunft, in die zukünftige Zusammenarbeit gemacht hat, sondern die Hauptleistung ist klar und deutlich, dass Eigen interessen gewahrt worden sind – was zwar auch wichtig ist, das will ich nicht bestreiten. (Beifall bei den Grünen.)

Aber nur das zu kommunizieren, nämlich dass es gelungen ist, dieses, jenes und auch solches Interesse durchzubringen und die anderen Nationalstaaten dafür anzugreifen, dass sie jeweils gleich gehandelt haben, lässt von der europäischen Politik, von einem neuen europäischen Geist nichts übrig. Der Euro wird nicht genügen, um europäische Identität zu schaffen (Abg. Großruck: Aber er hilft mit!), um auch europäische Aufbruchstimmung zu erzeugen, die für diesen Prozess der Erweiterung notwendig ist.

Solange man grundsätzliche Fehler macht, wie etwa das Europaparlament ins Eck zu stellen, immer weiter ins Eck zu drängen, und den nicht direkt gewählten Ministerräten die ganze Macht in die Hand zu geben, werden wir dieses Bild von "Brüssel ist gleich Babylon", "Brüssel ist undurchschaubar" und "Brüssel macht all das, was gegen uns ist", nicht aus den Köpfen der Bevölkerung bringen. Meine Damen und Herren! Damit kommen wir nicht weiter! (Beifall bei den Grünen.)

Mit besonderem Stolz wurde darauf hingewiesen, dass man zum Beispiel die Einstimmigkeit in Verkehrsfragen beibehalten konnte. Ja, meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie haben alle – die Bevölkerung hat es – die Nachrichten gehört und gelesen, die vorher und nachher in diesem Bereich über die Rampe gekommen sind, die Nachrichten darüber, dass man die Einstimmigkeit bewahrt hat, dass sich aber die europäische Kommission um den Transitvertrag und die darin geregelte Höchstgrenze der Öko-Punkte natürlich nicht kümmert, überhaupt nicht kümmert, wodurch Westösterreich, aber zunehmend auch Ostösterreich unter einer Verkehrslawine ersticken wird! (Beifall bei den Grünen.)

Niemand hat dabei erwähnt, dass uns die ganze Einstimmigkeit überhaupt nichts nützt, wenn im so genannten COREPER die österreichische Vertretung dafür stimmt, dass man gegen die Stimme Österreichs Beschlüsse fassen kann!

Was aber in der Bevölkerung besonders deutlich angekommen ist, ist die Unterordnung der europäischen Außenpolitik unter die Militärpolitik. Und die Befürchtungen – ich sage es Ihnen in aller Deutlichkeit –, dass Österreich unter die Decke der NATO kriecht, ist in weiten Kreisen der Bevölkerung sehr stark vorhanden.

Sie unterschätzen meiner Ansicht nach, was es für Auswirkungen hat, wenn der Verteidigungsminister dieser Regierung unverhohlen Gefallen daran findet, jetzt endlich ein Argument dafür zu haben, Abfangjäger kaufen zu können. Sonst wäre es doch wirklich schwer argumentierbar gewesen, in Sparzeiten die Menschen mit derartigen Budgetausgaben zu belasten. Das war deutlich sichtbar! Und viele Menschen haben mich darauf angesprochen, dass diese Regierung offensichtlich nur ein Argument zur Militarisierung sucht und ihr bestimmte europäische Prozesse, die sehr gelobt worden sind, in der Militarisierung sehr entgegenkommen. Das wird genutzt! (Beifall bei den Grünen.)

Zum Schluss noch ein Wort zum Kollegen Schweitzer, der sich jetzt offensichtlich entfernen musste. (Abg. Jung: Ja, er muss nach Schweden!)  – Ich weiß nicht, muss er dort oben Sekt trinken? Ich weiß nicht, was er da tut. (Abg. Jung: Nein, dort trinkt man etwas anderes! Er arbeitet dort! Im Auftrag des Parlaments!) Er kann es ja nicht lassen, Dinge zu unterstellen, die so offensichtlich unwahr sind (Abg. Jung: Nein, Sie können es nicht lassen!), dass es ihm eigentlich wehtun müsste, wenn er dieses Gefühl dafür noch hätte. Wenn er sich nur genauer erinnern könnte, wäre ich ja schon zufrieden, weil es gerade in der Wasserpolitik um größte Vorsicht und Genauigkeit auf europäischem Level, aber auch daheim, geht.


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Wenn nämlich nun die Decke heruntergezogen wird, dann sieht man, was herauskommt: Nach außen wird großartig gesagt, dass wir unser Wasser gegen die europäischen Wasserräuber geschützt haben. Aber dass wir es auf Knall und Fall verkaufen wollen und können beziehungsweise dass Molterer das will und dass die Grünen dagegen arbeiten werden, darauf können Sie sich verlassen! (Abg. Schwarzenberger: Römerquelle verkauft schon, Gasteiner verkauft schon!)

Das zeigt den wahren Geist, der hinter der Wasserpolitik steckt: Privatisieren auf Teufel komm heraus, damit die Normen schwächen, die Österreich in diesem Bereich heute noch eine hohe Qualität sichern, und damit langfristig die Konsumentinnen und Konsumenten, die das Lebensmittel Wasser, dessen Qualität und den Zugang, auch den kostenmäßig erschwinglichen Zugang dazu brauchen, in Gefahr bringen!

Die Hauptsache ist, wir können selber verkaufen. Das scheint das Schlagwort zu sein, nach dem diese Regierung handelt. Es nützt aber der Ökologie nichts, es nützt den Konsumentinnen und Konsumenten nichts, und es nützt auch den Österreicherinnen und Österreichern nichts, wenn Wasser dem privatisierten Wettbewerb ausgesetzt wird. Wir haben es in England schon erlebt, wie das ausgeht.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Würden Sie hier Ihre Scheinheiligkeit einmal abstreifen, dann hätten Sie meinen Respekt! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Böhacker: "Scheinheiligkeit" hat schon einmal einen Ordnungsruf bekommen!)

13.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

13.53

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Regierung! Hohes Haus! Kollege Gusenbauer hat vorhin ein vernichtendes Urteil über Nizza gefällt und gefragt: Hat Nizza einen positiven Beitrag zur EU geleistet? – Seine Antwort war: Nein! Er hat gefragt: Hat Nizza mehr Qualität für die EU gebracht? – Seine Antwort war: Nein!

In einigen Punkten hat er dabei durchaus Recht gehabt, sie sind zutreffend. Aber für wen? – Sie sind für diejenigen zutreffend, die die Kommission stärken wollten, für diejenigen, die mehr Rechte für das europäische Parlament wollten und für diejenigen, die die nationalen Rechte und vor allem die Vetomöglichkeiten einschränken wollten. Diese Mitglieder waren enttäuscht. Wir waren es nicht!

Enttäuscht war zum Beispiel Deutschland, das gehofft hat, erstens mit weniger Beiträgen daraus hervorzukommen und zweitens eine stärkere Position im Rahmen des Parlaments als Folge seiner gestiegenen Bevölkerungsgröße zu erhalten. Frankreich, der angebliche Achsenpartner, hat ihm nämlich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Deutschland war enttäuscht.

Enttäuscht war aber auch Frankreich als der Veranstalter, der diese Konferenz zu einem glanzvollen Auftakt für den Präsidentschaftswahlkampf missbrauchen wollte. Sie ist knapp am Fiasko vorbeigegangen.

Wir waren von den Ergebnissen der Konferenz nicht enttäuscht. Nicht enttäuscht waren auch andere Staaten wie Großbritannien, das seine Interessen durchgesetzt hat, oder Belgien, nämlich hinsichtlich des Konferenzortes, oder Spanien, zum Beispiel, was die Beiträge betrifft. Diese Staaten haben ihre Eigeninteressen brutal durchgesetzt, von europäischen Idealen war dabei überhaupt keine Rede. Trotzdem oder gerade deswegen verließen diese Staaten zufrieden den Verhandlungstisch. Der Egoismus machte sich wie fast immer in der so genannten Gemeinschaft bezahlt.

Und wie stand es um Österreich? – Wir Freiheitlichen sehen die Außenpolitik als Realpolitik. Es ging uns bei der Konferenz von Nizza vor allem um die Durchsetzung folgender Punkte:


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Es ging uns darum, keine vitalen Rechte an die Brüsseler Bürokratie abzutreten, vor allem im Transitbereich, von dem ohnehin schon zu viel nach Brüssel gegangen ist. Wir wollten kein Direktorium der Großen, in dem zwei oder drei Staaten alleine die Richtung bestimmen können. Wir wollten und wollen keine Eingriffsmöglichkeit, Frau Kollegin Lichtenberger, in die Verfügungsgewalt über das Wasser.

Ich erinnere mich noch sehr gut an den EU-Wahlkampf, als wir Freiheitlichen – und das ist mir selbst mehrfach in Diskussionen passiert – belächelt und verspottet wurden, weil wir vor der Gefahr eines Ausverkaufs der Wasserrechte, unseres wichtigsten Rohstoffes warnten. (Abg. Dr. Lichtenberger: Aber selber verkaufen schon!) Wir wurden, und das sei ebenfalls klar und deutlich gesagt, auch von jenen belächelt, welche sich heute die Verteidigung des Wasserschlosses Österreich gerne an die eigene Fahne heften möchten. Auch das muss einmal deutlich gesagt werden! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen sowie des Abg. Murauer. )

Wir waren außerdem gegen eine substantielle Einschränkung des Vetorechts, der letzten Bastion der kleinen Staaten. Damit eng verbunden, wollten wir die Fremden-, Asyl- und Flüchtlingspolitik in österreichischen Händen behalten, und letztlich ging es auch darum, einem Missbrauch des Artikel 7 vorzubeugen, mit dem wir am Beginn des Jahres so schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Und wir waren nicht enttäuscht, wir haben uns in diesen Punkten durchgesetzt – nicht aus Bestemm, nicht aus Willkür oder Parteiinteresse, sondern für Österreich und für seine Bevölkerung.

Eine wichtige Lehre, die wir aus diesem Prozess zu ziehen haben, ist, dass das Parlament sich in seiner Arbeitsweise ändern muss. Einerseits müssen – und diesbezüglich ist auch das Außenministerium gefordert, aber auch wir müssen uns bessere Wege überlegen – die Informationen aus Brüssel über das Außenministerium schneller in dieses Haus gelangen, andererseits haben wir aber auch eine Holschuld, und in dieser Hinsicht wäre es gerade das Medium Internet, das uns Abgeordneten viel mehr Möglichkeiten bietet, als wir im Augenblick wirklich nutzen. Um eine Waffengleichheit mit den Brüsseler Institutionen zu erreichen, müssen wir uns jedenfalls überlegen, wie wir das tun wollen und auch können.

Ich möchte abschließend die Gelegenheit nützen, um der Außenpolitik dieser Regierung, die nun seit fast einem Jahr arbeitet, ein gutes Zeugnis auszustellen. (Abg. Dr. Kostelka: No na!) Wir haben uns erfolgreich, im Wesentlichen auch dank Ihrer Arbeit, Frau Minister, behauptet, und das Ausland hat mittlerweile begriffen – Herr Kollege Kostelka, Ihr Klub macht übrigens anscheinend gerade eine Klubsitzung ohne den Klubobmann, Sie sollten vorsichtig sein! (Abg. Dr. Kostelka: ... das ist bei euch die Übung!)  –, dass diese Regierung, Herr Kollege Kostelka, durch die österreichischen Wähler gewählt wurde, nur durch diese auch wieder abgewählt werden kann – und nicht durch Druck und nicht durch zweifelhafte Hilfe aus dem Ausland! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dies sei aus aktuellem Anlass auch in Richtung Russland deutlich angemerkt, dessen wichtige Rolle in Europa wir zwar durchaus anerkennen, aber eine Einmischung in die österreichische Politik kann und darf nicht akzeptiert werden – und sollte auch von keiner Partei in diesem Haus akzeptiert werden, meine Damen und Herren. Der Österreicher braucht keine Ratschläge aus dem Ausland. Unsere Bürger erwarten das von uns und erwarten auch, dass wir in diesen Fragen gemeinschaftlich und geschlossen auftreten. Familienstreitigkeiten werden intern ausgetragen und nicht mit fremder Hilfe!

Für uns war diese Konferenz erfolgreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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13.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte.

13.58

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzler! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wenn man den Reden der Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ zugehört hat, dann musste man feststellen: Nizza und die Europäische Union hat sie in Wirklichkeit nicht interessiert. Wichtig waren das Abfeiern des ersten Jahrestages der Regierungsbildung und die Dolchstoßlegenden in Zusammenhang mit den Sanktionen. Es waren aber auch andere Dinge in diesen Reden enthalten. Man hat wie schon im letzten Jahr bei Ihren Rednern manchmal den Eindruck bekommen, Österreich war bis zum Februar 2000 ein Land, das in Armut und Diktatur gelebt hat. – Genau das Gegenteil ist wahr! Und das wissen die Österreicher. (Abg. Schieder: Sehr richtig! – Abg. Böhacker: Kein Applaus!?)

Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund war es wirklich aufregend, Herr Bundeskanzler, Ihnen zuzuhören. Ihre Äußerungen, die wir jetzt, mehr als ein Monat nach den Entscheidungen in Nizza, gehört haben, stehen doch im Widerspruch zu allen Diskussionen, die es in der Zwischenzeit gegeben hat, und auch zu den Reaktionen, die es unmittelbar danach aus den Reihen Ihres Koalitionspartners gegeben hat. Haider hat damals – ich darf Sie erinnern – noch davon gesprochen, dass sich die "grenzenlose Kompetenz der Dummheit" bei diesem Rat erwiesen habe. Er hat darüber hinaus gemeint, dass Sie an der kurzen Leine der Vizekanzlerin gehangen seien.

Herr Bundeskanzler, was ist jetzt wahr? War es ein Sieg für Österreich und für Schüssel? Oder wurde die grenzenlose Kompetenz der Dummheit der Europäischen Union nur deswegen in Grenzen gehalten, weil Sie an der kurzen Leine Ihrer Vizekanzlerin gehangen sind?

Lassen Sie mich aber ernst auf diese Ergebnisse eingehen. Sie, Herr Bundeskanzler, wissen, dass der Hauptausschuss mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ, wenige Tage, ja wenige Stunden bevor Sie nach Nizza geflogen sind, einen Beschluss gefasst hat, in dem die österreichischen Verhandlungspositionen klar aufgezählt worden sind. Eine der wesentlichsten Positionen war, dass der Kommissar auf Dauer auch den kleinen Ländern, also auch Österreich, erhalten bleiben muss. – Fazit: Weg ist er! Zwar nicht jetzt, aber der Zeitpunkt, nämlich der Beitritt des 27. EU-Landes, ab dem Österreich wie auch einer Reihe von anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union kein Kommissar mehr zusteht, ist heute schon fixiert.

Genau dasselbe ist im Zusammenhang mit der Stimmgewichtung geschehen. Meine Damen und Herren, Sie feiern, dass Österreich bei der nächsten EU-Wahl vier Mandate weniger haben wird sowie dass in den Räten der Stimmenanteil Österreichs von 4,59 Prozent auf 4,2 Prozent reduziert wird und bei den EU-27 überhaupt nur mehr 2,9 Prozent bedeutet. An der Sperrminorität ist Österreich nicht mehr mit 15,38 Prozent, sondern mit 14,5 Prozent beteiligt.

Österreich ist in der Europäischen Union schwächer geworden. Die kleinen Länder sind schwächer geworden. Und Sie als selbsterklärte Schutzmacht der Beitrittskandidaten werden den mehrheitlich mittleren und kleinen Staaten, die zur Europäischen Union stoßen werden, erklären müssen, warum auch sie mit einer schwächeren Position in die Europäische Union eintreten werden.

Dabei blieb uns das Schlimmste ja noch erspart, meine Damen und Herren, da ÖVP und FPÖ im Europäischen Parlament sogar einer Entschließung zugestimmt haben, nach deren Umsetzung Österreich überhaupt nur mehr zehn Mandate im Europäischen Parlament zustehen würden. Und das wäre überhaupt der "Super-GAU" gewesen.

Die Entscheidungsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union hat sich nicht wirklich erhöht, sie ist sogar durch neue Mehrheiten komplizierter geworden. Es ist in diesem Zusammenhang auch praktisch nicht zu einer Weiterentwicklung der Entscheidungsfähigkeit durch die Reduzierung der Zahl der Einstimmigkeitsentscheidungen gekommen, und das EU-Parlament wurde nicht gestärkt.

Meine Damen und Herren! Es wurde in diesem Zusammenhang die Erweiterungsfähigkeit nur formal verwirklicht, "formal" deswegen, weil fixiert wurde, mit welchen Stimmenanteilen diese


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Beitrittskandidaten in die Europäische Union kommen werden. Aber funktional ist das Ergebnis genau umgekehrt: Entscheidungen wurden damit jetzt schwieriger und werden noch ungleich schwieriger werden nach den osteuropäischen Beitritten.

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat auch die Sicherheitspolitik angeschnitten. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf einige aktuelle Diskussionen eingehen. Die österreichische Sicherheitspolitik beruht nach wie vor auf dem Neutralitätsgesetz, ob Sie es wollen oder nicht. Herr Bundeskanzler, Frau Vizekanzlerin, Frau Bundesministerin, Sie sind auf diese Verfassung vereidigt, und solange es gilt – und dafür wird die Sozialdemokratie sorgen –, werden Sie auf diesem Boden auch zu stehen haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Inhalt des Neutralitätsgesetzes ist, dass Österreich sich an keinen Kriegen beteiligt, dass es keine fremden Truppen auf österreichischem Territorium gibt und dass drittens ein Beitritt zu einem Militärpakt nicht zulässig ist. – Ihre Diskussion über eine Bündnisfreiheit in diesem Zusammenhang ist eine intelligente, aber durchschaubare Finte. Und was bedeutet sie, meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler? – Sie bedeutet, dass Sie von diesen drei Begriffen willkürlich einen wählen und sagen: Ein Beitritt zu einem Militärbündnis wird nicht angestrebt. Was Sie damit – argumentum e contrario – aber auch sagen, ist: Wir wollen Kriege führen!, und: Wir wollen Truppen auf österreichischem Territorium!

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen das auch beweisen. Das Truppenaufenthaltsgesetz, das Sie in Begutachtung haben, ist eine Rechtsgrundlage für fremde Truppen – und zwar systematisch – auf österreichischem Territorium. Und die Absicht, sich an kriegerischen Auseinandersetzungen, an Maßnahmen, an Sanktionen ohne UN-Mandat zu beteiligen, ist im Übrigen laut Völkerrecht das Führen von Kriegen. Das steht in diesem Zusammenhang dahinter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Wir sagen dezidiert nein zu einem NATO-Beitritt, und zwar deswegen, weil wir davon überzeugt sind, dass die NATO nicht das zukünftige Sicherheitskonzept Europas ist. Das, was wir brauchen, ist ein europäischer Sicherheitskonsens, und dazu gehört mehr als die Zustimmung von 17, 18, 19 oder wie vielen Staaten auch immer.

Wiederholen wir am Beginn des 21. Jahrhunderts nicht die Fehler der Polarisierung, die in Europa nach 1945 verständlicherweise gemacht werden mussten! Wir sind heute freier und sollten gerade auch als Österreicher den Blick offen in die Zukunft richten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.08


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Lunacek zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.08

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schweitzer von den Freiheitlichen hat zuvor behauptet, die grüne Landtagsabgeordnete Grete Krojer im Burgenland hätte eine Aufforderung oder eine Einladung zur Teilnahme an der "Österreich-Plattform" oder einer "Österreich-Plattform"-Sitzung im Burgenland nicht angenommen.

Richtig ist, dass Frau Landtagsabgeordnete Krojer eine Einladung von Herrn Abgeordneten Schweitzer von den Freiheitlichen zu einer "Burgenland-Plattform" erhalten hat – und nicht eine der Bundesregierung oder der Außenministerin. Und dass eine Abgeordnete der Grünen einer Einladung eines freiheitlichen Abgeordneten nicht nachkommt, dessen Partei dafür bekannt ist, für eine Volksabstimmung gegen die Erweiterung zu plädieren, gegen Ausländer zu hetzen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie hetzen! Wir machen das nicht, Sie hetzen gegen uns!) und auch die Menschen diesseits und jenseits der Grenze nicht in einen Dialog, sondern gegeneinander bringen zu wollen – dass eine Abgeordnete der Grünen dort nicht hingeht, ist nur logisch! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte.

14.09

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die SPÖ tut sich heute sehr schwer. (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht nur heute!) Der Gipfel von Nizza (Abg. Dr. Kostelka: Wie ist das mit dem Spitzelskandal, Herr Kollege?)  – sollte er ein Misserfolg oder ein Erfolg sein?

Einerseits ist derzeit noch die Mehrheit der EU-Länder von sozialdemokratischen Regierungschefs geführt (Abg. Dr. Stummvoll: Aber nicht mehr lange!), andererseits wollen Sie aber den Gipfel von Nizza als einen europäischen Misserfolg darstellen. (Abg. Parnigoni: Warum reden Sie nicht von BSE? Das ist viel vernünftiger!)

Wenn Abgeordneter Kostelka hier behauptet, wir wüssten jetzt schon, dass wir bei der Erweiterung keinen Kommissar mehr haben würden, dann kennt er sich wirklich sehr schlecht aus (Abg. Dr. Kostelka: Ab dem 27.!), denn in Wirklichkeit ist es so, dass die größeren Länder den zweiten Kommissar, den sie derzeit noch haben, verlieren werden (Abg. Mag. Posch: Warum reden Sie nicht über BSE? Das wäre vernünftiger!), und erst wenn wir mehr als 27 Länder in der Europäischen Union haben (Abg. Dr. Kostelka: Dann ist er weg!)  – und das wird noch sehr lange dauern –, dann muss eine Neuregelung gefunden werden. Das heißt aber noch überhaupt nicht, dass wir dann keinen Kommissar mehr stellen können.

Herr Klubobmann Kostelka! Sie werden wahrscheinlich von Ihrer eigenen Fraktion nicht mehr ernst genommen, denn als Sie zum Rednerpult schritten, waren ganze sechs Abgeordnete der SPÖ im Saal, und erst im Laufe Ihrer Rede waren dann wieder bis zu etwa einem Viertel Ihrer Abgeordneten anwesend. (Abg. Schieder: So voll ist es bei Ihnen auch nicht!) – Wenn unser Klubobmann spricht, dann sind unsere Reihen immer fest geschlossen! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie erklären, Österreich will Kriege führen, so ist das wirklich an den Haaren herbeigezogen! Haben Sie denn vergessen, dass Klima es war, der in Berlin die Entscheidung mit getroffen hat, dass im Kosovo Truppen eingesetzt werden? Hier war dies also Bundeskanzler Klima – oder ist er in der Zwischenzeit schon von der SPÖ ausgeschlossen worden? Ich habe darüber bisher noch nichts gehört.

Nun aber zum eigentlichen Thema: Der Gipfel von Nizza war die Voraussetzung dafür, dass das gemeinsame Haus Europa weitergebaut und weiterentwickelt werden kann. Voraussetzung dafür war, dass es zuerst eine Entscheidung darüber gibt, wie die Gremien zusammengesetzt werden und auch welche Stimmengewichtung die Beitrittsländer mit einbringen. Diesbezüglich konnte ein Kompromiss erzielt werden. Wenn der geschäftsführende Klubobmann Kostelka hier darauf hingewiesen hat, dass im Hauptausschuss wir oder die beiden Regierungsparteien dies und jenes verlangt haben, dann kann ich dazu nur sagen: Das, was die beiden Regierungsparteien im Hauptausschuss verlangt haben, hat unser Bundeskanzler bei den Verhandlungen in Nizza auch vollinhaltlich durchsetzen können. Hier sind die Interessen Österreichs gewahrt worden! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich war schon etwas enttäuscht darüber, dass SPÖ-Obmann Gusenbauer sich auf ein derart niedriges Niveau herabbegibt, zu behaupten (Ruf bei der ÖVP: Das ist sein Niveau! Er hat kein anderes!), dass, wenn die Bundesforste 15 000 Hektar von ihren 860 000 Hektar verkaufen, die Wasserreserven in Österreich gefährdet seien. – Das ist ein halbes Prozent unserer Waldflächen insgesamt!

Weiters hat er behauptet, die Öffnung des Waldes sei damit in Gefahr: Derzeit sind 82 Prozent aller Waldflächen in Österreich in privater Hand, und die Öffnung des Waldes ist nicht in Gefahr, und wenn um ein halbes Prozent mehr in privater Hand ist, ist sie genauso wenig in Gefahr! (Beifall bei der ÖVP.)


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55. Sitzung / Seite 96

Offensichtlich wird der Parteivorsitzende Gusenbauer von seinen Mitgliedern nicht informiert, denn in der vergangenen Woche hat Minister Molterer im Landwirtschaftsausschuss berichtet, dass 0,2 Prozent der Forstfläche auf Grund des Forstgesetzes sozusagen Sperrgebiet sind und weitere 0,8 Prozent auf Grund der Jagdgesetze, wobei es sich um Einzugsgebiete für Fütterungen, Wildgatter und ähnliche Bereiche handelt. Es geht dabei also um 1 Prozent von 850 000 Hektar. Angesichts dessen zu behaupten, die freie Begehbarkeit des Waldes sei gefährdet, ist wirklich sehr kühn – oder Gusenbauer kennt sich wirklich nicht aus.

Noch ein Letztes, und zwar zu meinem eigentlichen Thema: Kein anderer Bereich ist in der Europäischen Union so vergemeinschaftet wie die Landwirtschaft. Alle Marktordnungen, alle Quoten werden dort fixiert. Aus diesen Gründen haben wir auch größtes Interesse daran, dass bei den Erweiterungsverhandlungen nicht nur die Arbeitnehmer mit Übergangszeiten geschützt werden, sondern dass auch die Landwirtschaft mit Maßnahmen geschützt wird. Eines verlangen wir auf jeden Fall: Dass die gleichen Qualitätsansprüche und die gleichen Hygienevoraussetzungen auch von diesen Ländern erfüllt werden können, bevor sie beitreten. (Beifall der Abgeordneten Stadler und Hornek. ) Alles andere kann nur in Übergangsregelungen festgelegt werden.

Noch etwas, meine sehr geschätzten Damen und Herren: Die derzeit größte Krise für die Landwirtschaft in Europa ist BSE, allerdings nicht auf die EU allein bezogen, denn die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union und hat, bezogen auf seine Größe, nach England und Portugal den höchsten Anteil an bereits BSE-positiven Rindern. Österreich, Finnland und Schweden haben Gott sei Dank bisher noch keinen BSE-Fall. Obwohl es schon mehr als 15 000 Schlachtungen gegeben hat, bei denen Tests durchgeführt wurden, waren bisher alle Ergebnisse negativ.

Mit ein Grund dafür ist auch, dass wir bereits 1987 mit der ökosozialen Agrarpolitik begonnen haben und dass wir bei uns nie versucht haben, ... (Abg. Schieder: Aber bei den Schweinen gilt die anscheinend nicht!)  – Das ist ein Medikamentenskandal, und hier muss ich schon sagen, Herr Abgeordneter Schieder: Bitte nicht so verallgemeinern! Wir haben in Österreich 82 000 Schweinehalter, und wenn bei 40 oder 50 ein Missbrauch festgestellt wird, dann darf nicht die ganze Branche in Mitleidenschaft gezogen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Jeder ist zu viel!) Auch wir werden nicht sagen, ganz Wien ist drogenverseucht, weil es hier vielleicht mehr Drogendealer gibt als anderswo. Auch hier kann man nicht verallgemeinern, sondern man muss jeden speziellen, einzelnen Fall bekämpfen. (Ruf bei der ÖVP: Richtig!)

Es hat sich daher gezeigt, meine sehr geschätzten Damen und Herren, dass Österreich mit seiner Agrarpolitik innerhalb der EU Vorreiter war. Wir sind auch dafür, dass wir vor der Erweiterung eine Größendegression bei den Marktordnungszahlungen einführen.

Ich hoffe, dass der deutsche Bundeskanzler Schröder nicht nur kurzzeitig vom Saulus zum Paulus geworden ist, denn bei der Beschlussfassung der Agenda 2000 hat er noch erklärt: Die Schrebergarten-Landwirtschaft in den Alpenländern wird keine Zukunft haben, auch die Landwirtschaft wird sich industrialisieren müssen.

Wir sind immer gegen Industrialisierungen aufgetreten und werden das, auch in einer erweiterten Europäischen Union, weiterhin tun. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Wenitsch. )

14.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Der weiß was über Landwirtschaft! Da kann man was lernen!)

14.17

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, es hat mich gewundert: Bei Sprechern von uns haben Sie eingemahnt: "Zur Sache!", beim Sprecher Ihrer Fraktion hingegen haben Sie das unterlassen. Aber keine Angst: Ich werde zur Sache sprechen. (Ruf bei der ÖVP: Können Sie das?)


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55. Sitzung / Seite 97

Das Problem bei Gipfeln, so wie in Nizza, ist eigentlich für die Regierungen aller Länder dasselbe: Man macht sich vorher stark; dort muss man dann schauen, was man durchbringt; und wenn man heimkommt, dann muss man das Wenige, das man erreicht hat, aus innenpolitischen Gründen und zur eigenen Imagepflege als großen Sieg verkaufen.

Ich glaube, dass aus diesem Grund die Überlegung, die auch Dr. Gusenbauer heute hier angestellt hat, nämlich dass man über den Kreis der Regierungschefs hinausgehend einen Konventcharakter in Erwägung ziehen und versuchen sollte, verschiedene Kräfte eines Landes mit einzubinden und auch eine größere demokratische Basis für Entscheidungen und für die Vorbereitung von Entscheidungen zu finden, eine richtige ist. Das wäre gut für die Europäische Union, und das könnte auch wieder ein Stück einer neuen Außen- und Sicherheitspolitik, einer neuen internationalen Politik sein: Außenpolitik und internationale Politik nicht, so wie in der Vergangenheit, bloß von einer Regierung und von einem Außenamt aus, also nicht bloß im diplomatischen Bereich, zu betreiben, sondern auch die parlamentarische Dimension stärker einzubinden und auch die Gesellschaft selbst, die NGOs und deren Einrichtungen stärker mit einzubeziehen. Das würde der EU gut tun, und ich glaube, es wäre auch von Vorteil für die einzelnen Länder, wenn sie auf diese Weise den Schritt zu einer neuen Form der Außenpolitik, der internationalen Politik, vor allem auch in der EU, tun würden.

Das zeigt sich ja auch an den einzelnen Fragen: Wenn es darum geht, das Parlament zu stärken, zum Beispiel auf Kosten der Regierungen, dann tut sich natürlich ein Regierungsvertreter oder ein Regierungschef im Kreis seiner Kollegen schwer, sich dort wirklich für das Parlament "reinzuhauen" und auf eigene Rechte zu verzichten. In diesem Kreis, in dieser Atmosphäre gilt der, der dem Parlament wenig zubilligt, mehr als der, der sagt: Ich will meine Kompetenzen einschränken und bin daran interessiert, dass das Parlament mehr Rechte bekommt. – Umso mehr wäre es richtig, hier eine neue Form zu finden.

Das hat mir auch im Bericht ein bisschen gefehlt, dass die Frage der Stärkung der Parlamente im Detail besser angesprochen wird. Ich bin froh, dass die Frau Außenministerin dann die verstärkte Zusammenarbeit – ein wesentliches Ergebnis von Nizza – erwähnt hat. Ausführungen dazu habe ich beim Bundeskanzler und bei der Frau Vizekanzlerin vermisst. Es wäre interessant zu hören: Was hat Österreich hier vor? Gibt es Vorgespräche? Wie gedenkt man das neue Instrument der verstärkten Zusammenarbeit für unser Land zu nutzen? Was gibt es diesbezüglich an Überlegungen?

Auch zur Grundrechtscharta wurde einiges gesagt, aber ich erinnere mich noch genau an die Hauptausschusssitzung: Wir haben davor gewarnt, dass hierbei eine Doppelgleisigkeit mit der Menschenrechtskonvention entsteht oder sogar ein Standard gefunden wird, der unter dem der Menschenrechtskonvention liegt. Auch hier haben wir heute nicht erfahren: Was ist geschehen, was kann geschehen, wie wird man hier für die Zukunft Schritte setzen, um eine falsche, schlechte Doppelgleisigkeit zu vermeiden?

Mir fehlen auch mehr Ausführungen zur strategischen Partnerschaft. So richtig es für unser Land ist, dass wir uns bemühen, auch mit den Beitrittsländern aus unserem Teil Europas eine verstärkte Zusammenarbeit, eine Partnerschaft zu haben, so müssen wir doch sehen, dass der, der für diese Erweiterung in der Union gesprochen hat und wirkt, vor allem Deutschland ist und nicht Österreich und dass man den Beitritt dieser Länder, vor allem Polens, in dem jeweiligen Land und in der EU stärker mit der Bundesrepublik Deutschland verknüpft als mit unserem Land.

Ich frage mich auch, ob es gescheit ist, die Frage der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen – obwohl ich der Meinung bin, dass es hiezu deutliche Erklärungen dieser Länder geben sollte, damit hier zu einer die Vergangenheit betreffenden Frage eine Klarstellung erfolgt – von unserer Seite aus mit dem EU-Beitritt dieser Länder zu verknüpfen. Dass uns das helfen wird, wenn wir mit diesen Ländern eine stärkere Partnerschaft aufbauen wollen, das bezweifle ich!


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Mir haben auch die Antworten auf die Fragen gefehlt – oder auch nur Hinweise in diesem Zusammenhang –, wie nach Nizza zu bewerten ist, dass die Erweiterung der EU auf Gesamteuropa noch Generationen dauern wird, wie man sich diese Übergangszeit vorstellt, ob es hier genügen wird, wenn man die Beitrittswerber der dritten oder vierten Gruppe dann warten lässt, oder ob man nicht Mittel und Wege finden sollte, deren Einbindung – auch demokratiepolitische Einbindung – in Europa zu stärken. Durch einen Ausbau – und nicht durch eine Aushöhlung – des Europarates könnten zum Beispiel Maßnahmen und Schritte in diese Richtung gesetzt werden. Auch die OSZE könnte dabei eine gewisse Rolle spielen. Vor allem sollte man überlegen, den Europarat zu dem Organ auch für diese Frage zu machen und ihn auch wieder verstärkt mit Leben zu erfüllen.

Auch was die Beziehungen zwischen EU und UNO betrifft, sind hier natürlich Überlegungen anzustellen. Es wird die EU nur stark sein können, wenn es auch auf weltweiter Ebene eine entsprechende Zusammenarbeit gibt. Hier sind Überlegungen auch im Hinblick auf eine Stärkung der Vereinten Nationen anzustellen, nicht bloß im österreichischen, sondern auch im europäischen Interesse.

Ich glaube, diese Debatte – und ich habe bei allen Ausführungen von Seiten der Regierung sehr genau zugehört – hat ein bisschen darunter gelitten, dass Sie sie mehr als eine Jahrestagsfeier angelegt haben und die wirklichen Fragen, die in Nizza entstanden sind, nur am Rande oder gar nicht behandelt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. – Bitte.

14.24

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich lege hier ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union ab. Ich glaube, dass die Europäische Union eine Chance für die Jugend ist, und ich glaube, dass die Europäische Union eine Chance für die Zukunft ist. Daher ist es auch gut, wenn die Entwicklung weitergeht, wenn eine Institutionenreform diskutiert wird. Es geht darum, mehr Demokratie in die Europäische Union zu bringen, es geht darum, eine europäische Grundrechtscharta zu entwickeln, die aber dann auch – und da, Herr Kollege Schieder, gebe ich Ihnen durchaus Recht – mit Rechtskraft und Rechtsverbindlichkeit ausgestattet sein sollte.

Es ist aber auch so – da bin ich mir sicher –, dass diese Entwicklung wohl überlegt und vorbereitet sein muss. Die Politik kann hier nicht in einer überschwänglichen Euphorie, Vernunft und Weitblick außer Acht lassend, voranstürmen, sondern es geht hier darum, diese Reformen zielgerichtet, zweckmäßig und vernünftig voranzutreiben.

Das beste Beispiel hiefür ist die bevorstehende Osterweiterung: Hier müssen wir behutsam vorgehen. Es ist notwendig, dass wir auch die österreichischen Interessen wahren, dass wir auch die Interessen vor allem der österreichischen Arbeitnehmer wahren. Daher ist es auch notwendig und wird es notwendig sein, Übergangszeiten auf dem Arbeitsmarkt festzusetzen und festzuschreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir fordern aber auch ein partnerschaftliches Verhalten von unseren potentiellen zukünftigen Partnern in der Europäischen Union. Wenn ich höre, dass sich in der Frage Temelin bei der tschechischen Regierung möglicherweise die Atomlobbyisten durchgesetzt haben, wenn ich bedenke, mit welcher Überheblichkeit, mit welcher Arroganz die tschechische Regierung mit den Sorgen – den berechtigten Sorgen! – der österreichischen Bevölkerung und vor allem der Mühlviertler Bevölkerung umgegangen ist, dann ist dieses Verhalten einer tschechischen Regierung, die Partner in einem gemeinsamen Europa sein will, dem nicht zuträglich und ist kein partnerschaftliches. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Genauso verhält es sich in der Frage der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen. Auch hier sind Klarstellungen notwendig, auch hier ist es notwendig, dass sich die tschechische und


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die slowenische Regierung, dass sich diese Staaten von diesen Unrechtsnormen deutlich distanzieren, dass sie sich nicht nur davon distanzieren, sondern dass diese Unrechtsnormen auch aufgehoben werden. Daher ist es auch notwendig, dass diese Bundesregierung darauf beharrt, dass ein möglicher Beitritt mit der Aufhebung dieser Bestimmungen verknüpft wird. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es hat aber die Europäische Union auch an Glaubwürdigkeit verloren. Die ungerechten und durch nichts begründbaren Sanktionen haben das Vertrauen in Europa geschwächt. Die Sanktionen waren EU-rechtswidrig, sie waren unzweifelhaft ein Verstoß gegen den europäischen Geist, und sie waren unzweifelhaft ein unzulässiger Eingriff in die einzelstaatliche Souveränität eines Mitgliedstaates. So etwas kann und darf auch in Zukunft nicht toleriert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es war schlichtweg der Versuch der Sozialistischen Internationale, hier ein Exempel zu statuieren: dass nicht sein kann, was nicht sein darf, dass nicht eine Mitte-Rechts-Regierung eine sozialistische Regierung ablösen kann. Dieser Versuch ist Gott sei Dank gescheitert, und ich hoffe, dass es auch ein Beispiel für viele andere Staaten war, damit die Europäische Union einen echten Demokratisierungsschub verzeichnen kann.

Es war allerdings ganz im Gegenteil so, dass – und das ist ja mittlerweile hinlänglich belegt – auf Zuruf aus Österreich, von Klima, von Rudas und von anderen Ihrer Kollegen, Ihre europäischen Genossen sofort zugeschlagen haben, die Sanktionen verhängt haben, ohne dem Beklagten rechtliches Gehör zu gewähren. Diese unwürdigen Sanktionen wurden in Absprache mit der Sozialistischen Internationale verhängt.

Dann ist Herr Gusenbauer – es ist heute schon mehrmals angesprochen worden – Champagner schlürfend durch Europa gereist, es haben die Grünen ihre links-linken Verbündeten und Freunde aus dem Ausland mobilisiert, und es war ein Herr Außenminister Joschka Fischer – und das ist ja geradezu grotesk –, der jetzt in Europas Zeitungen Polizisten prügelnd abgebildet wird und der ein mehr als aufklärungswürdiges Verhältnis zu Linksterroristen hat, es war dieser Joschka Fischer, der an diesen Sanktionen ganz federführend beteiligt war, der so den Stab über Österreich gebrochen hat.

Sie, meine Damen und Herren, haben damals aber nicht dazu beigetragen, Österreich zu verteidigen. Sie haben Österreich in dieser schwierigen Situation, um Ihren eigenen politischen Interessen zu dienen, verraten. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher ist es gut, dass die jetzige Bundesregierung für die Österreicher verhandelt, denn diese Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass Reformen und Weiterentwicklung der Europäischen Union maßvoll, ordentlich und gut vorbereitet vorangetrieben werden. Diese Bundesregierung wird aber auch dafür Sorge tragen, dass die Europäische Union demokratisch reifer wird, damit es zu derartigen politischen Amokläufen, wie sie in der Sanktionenfrage passiert sind, in Zukunft nicht mehr kommen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

14.31

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Natürlich war der Gipfel von Nizza erfolgreich, natürlich war unsere Vertretung durch die österreichische Bundesregierung erfolgreich! Wenn ich nur an die sicherheitspolitischen Aspekte denke, dann gratuliere ich dazu, dass die Sicherheitspolitik hier beim Namen genannt wurde! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Österreich hat sich zur EU-Erweiterung bekannt. Wir haben hierbei natürlich auch ein strategisches Interesse, meine Damen und Herren, aber mit der Erweiterung wird der Gründungsidee der Europäischen Union Rechnung getragen, indem man Frieden und Freiheit als Grundsätze an die Spitze Europas, auch für die neuen Staaten, stellt und Menschenrechte, soziale Sicher


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heit, ökologische Verantwortung und Wohlstand als Grundlage für Stabilität und Sicherheit sieht. Wer sich dem verschließt, handelt nicht europäisch, handelt nicht im Sinne Nizzas, handelt nicht im Sinne Europas. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Österreich hat auch deshalb einen Erfolg verzeichnet, weil gerade die kleineren Mitgliedstaaten bei diesem Gipfeltreffen ihr Interesse entsprechend eingebracht haben und weil darüber hinaus wichtige Weichen für eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestellt wurden. Wir haben seit 1990 eine veränderte Situation in Europa, und die Sicherheitspolitik Europas und Österreichs hat dem Rechnung getragen. Ich erinnere daran, dass in der SPÖ/ÖVP-Koalition unter Kanzler Klima der Vertrag von Amsterdam und die Petersburger Aufgaben unterschrieben worden sind (Abg. Schieder: Petersberger, nicht -burger!) – richtig, Herr Abgeordneter Schieder, Sie haben Recht: Petersberger; wir stimmen, wie sehr oft, auch hier überein –, und es wurde in diesem Zusammenhang festgestellt und begründet, dass man friedenserhaltend und Frieden schaffend mitwirken will, ja – in unserem Interesse – mitwirken muss!

Nizza hat weitere Schritte beziehungsweise Erleichterungen auf diesem Weg beschlossen und eine verbindliche Zusage auch für nationale Beiträge mit angestrebten militärischen Mitteln definiert. Ich darf schon erwähnen, dass sich Österreich bereit erklärt hat, im Rahmen des europäischen Krisenmanagements bei internationalen Operationen mitzumachen, Kräfte bereitzuhalten, die mitwirken, den Frieden auch in einem Europa der Erweiterung zu sichern. Die schwedische Präsidentschaft hat den Auftrag, Mechanismen auszuarbeiten, um die angestrebte Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der NATO weiter zu vertiefen.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Regierung hat mit der Diskussionsunterlage, mit der Vorlage der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin dieser neuen Situation ebenfalls Rechnung getragen und im Zuge dieses grundlegenden Wandels der europäischen Sicherheitspolitik hier einen nächsten Schritt gesetzt.

Worum geht es in der Sicherheitspolitik Europas? – Die sicherheitspolitische Lage hat im Wesentlichen drei Zonen: die stabil integrierten Staaten in Europa und NATO-Europa-Staaten, dann jene Staaten, die eine EU- und NATO-Perspektive haben, und schließlich jene Staaten, die sich dem Stabilitätskern noch nicht angeschlossen haben. Wir werden uns aber weiterhin intensiv den Organisationen, die uns Sicherheit bieten, wie UNO, OSZE, Europäische Union und NATO zu widmen haben. Die vitalen Interessen Österreichs sind dabei die Gewährleistung der territorialen Integrität, der Schutz der Rechtsstaatlichkeit, der demokratischen Verfassung und der inneren Sicherheit, die Sicherung der wirtschaftlichen Interessen sowie unserer Grundwerte und die Wahrnehmung der österreichischen Interessen in der Europäischen Union.

Es freut mich, meine Damen und Herren, dass ein Kernsatz über all dem als Überschrift steht: Sicherheit ist bestimmt nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. – Bitte.

14.37

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Regierungskonferenz von Nizza wird – und das liegt nun einmal in der Natur der Sache – unterschiedlich bewertet: das hängt immer vom eigenen Standpunkt, von der eigenen Interessenlage, aber auch vom Verhandlungsergebnis, das man in Nizza erreichen konnte, ab. So hat etwa der französische Staatspräsident – wie wir alle wissen, ein "besonderer Freund" Österreichs – diesen Gipfel als großen Erfolg der französischen Präsidentschaft gefeiert; andere Politiker, die nicht wie Chirac in der innenpolitischen Klemme steckten, waren da schon etwas vorsichtiger, und auch die Medien haben vorsichtig-kritische Berichte veröffentlicht.

Aus österreichischer Sicht – und die sollte uns hier im Nationalrat vor allem beschäftigen – können wir mit den Verhandlungsergebnissen unserer Regierungsvertreter durchaus zufrieden


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sein, denn sie haben in Nizza die Interessen unseres Landes und seiner Bevölkerung sehr erfolgreich vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das betrifft, meine Damen und Herren, die behutsame Ausdehnung von Mehrheitsentscheidungen in jenen Bereichen, wo dies sinnvoll war; gleichzeitig konnte aber in den sensiblen Bereichen wie der Einwanderungspolitik, der Asyl- und Flüchtlingspolitik das Prinzip der Einstimmigkeit erhalten bleiben. Es ist auch gelungen, in der wichtigen Frage der Wasserbewirtschaftung, der Raumordnung und der Bodennutzung die vitalen österreichischen Lebensinteressen wirksam zu schützen.

Wäre es, meine Damen und Herren, nach den Vorstellungen der linken Opposition – der Sozialdemokraten und auch der Grünen – gegangen, dann wäre dieses Verhandlungsergebnis wohl nicht erzielt worden, denn sie waren für die Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips, sie hätten unser Wasser europäischen Mehrheitsabstimmungen ausgeliefert, und sie hätten auch in der Asylpolitik wie schon in den Jahren davor die Grenzen weit aufgestoßen. – Es waren also die Regierungsparteien, die durch das Beharren auf der Vetomöglichkeit Schaden von unserem Land abgewendet haben.

Als besonderer Erfolg Österreichs ist mit Sicherheit die Novellierung des Artikels 7, den die Frau Vizekanzlerin auch schon angesprochen hat, im EU-Vertrag zu bewerten. Gegen den Widerstand Frankreichs konnte eine Änderung dieser Bestimmung erreicht werden. Wir erinnern uns: Unter Berufung auf den Artikel 7 waren im Februar vergangenen Jahres von 14 EU-Staaten die Sanktionen gegen Österreich verhängt worden, ohne dass wir zu den absurden Vorwürfen auch nur hätten Stellung nehmen können. Das ist jetzt, nach Nizza, nicht mehr möglich, weil das Anhörungsrecht verankert worden ist. Überdies unterliegt ein solches Verfahren in Hinkunft, wie wir wissen, der Kontrolle des Europäischen Gerichtshofes.

 

Aber auch bei der Reform der EU-Kommission ist ein wichtiges Ziel erreicht worden. Die Individualverantwortung der Kommissare wurde endlich durchgesetzt. Das heißt, dass nicht die gesamte Kommission wie seinerzeit unter Santer zurücktreten muss, wenn sich einzelne Kommissare Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. Jetzt kann der Kommissionspräsident unfähige oder korrupte Kommissare auch einzeln entlassen.

Der Anlass für die Regierungskonferenz in Nizza war die notwendige Institutionenreform, die die Europäische Union in die Lage versetzen sollte, ab einem bestimmten Zeitpunkt weitere Staaten als Mitglieder aufzunehmen. Der Weg dorthin, meine Damen und Herren, ist aber zweifellos noch weit, denn es liegt nun an den Kandidatenländern selbst, jene Reformen rasch durchzuführen, die sie zur Erfüllung der Beitrittskriterien brauchen. Es wird von diesen Staaten, und ich hoffe, von diesen Staaten alleine abhängen, wann sie den gemeinschaftlichen Rechtsbestand einhalten können. Die Beitrittsfähigkeit – und darüber soll sich niemand täuschen – besteht erst dann, wenn die Voraussetzungen dafür objektiv erbracht sind und die Sicherheit gegeben ist, dass das Gemeinschaftsrecht auch tatsächlich angewendet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eine überhastete – und damit komme ich schon zum Schluss –, schlecht vorbereitete Ost- und Südosterweiterung nützt weder der Europäischen Union noch den Beitrittswerbern. Ich bin aber überzeugt davon, dass die österreichische Bundesregierung im so genannten Nach-Nizza-Prozess ähnlich erfolgreich sein wird wie vor dem Regierungsgipfel. Es ist wichtig, die Interessen der österreichischen Bevölkerung weiterhin so nachdrücklich wie bisher zu vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Lunacek und Genossen betreffend Neutralität, Sicherheitsdoktrin und Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (400 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über die Einrichtung einer unabhängigen Regulierungsbehörde in den Bereichen audiovisuelle Medien und Telekommunikation erlassen wird, ein Bundesgesetz über die Einrichtung der "Kommunikations-Kommission Austria" ("KommAustria") erlassen wird sowie das Bundes-Verfassungsgesetz, das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Kartellgesetz und das Signaturgesetz geändert werden (468 und Zu 468 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Ich gehe davon aus, dass es keine mündliche Berichterstattung gibt, und wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.44

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Hohes Haus! Wir haben heute hier die Gelegenheit, über die Medienbehörde noch ein zweites Mal eingehender zu diskutieren. Ich möchte noch einmal zur Historie des Ganzen etwas sagen und darlegen, warum es meiner Auffassung nach die beiden Regierungsparteien so eilig mit dieser Materie haben, warum man das ganz schnell im Verfassungsausschuss behandelt hat und warum man das auch im Plenum jetzt noch einmal ganz schnell diskutieren will.

Mir ist das Ganze deswegen unverständlich, weil im September des vorigen Jahres Klubobmann Khol bei der besagten Podiumsdiskussion sachlich begründet angekündigt hat, dass es eine Präsentation der Mediengesetze in einem Medienpaket geben wird. Er hat dann noch – quasi als "Krampuspaket" – den 5. Dezember genannt. Und er hat mit dieser Ankündigung natürlich auch Recht gehabt: Das gehört ja wirklich alles zusammen, eine Zusammenfassung ist ja wirklich sachlich gerechtfertigt. Umso unverständlicher ist es mir, warum man dann von diesem Vorhaben abgerückt ist.

Man versucht jetzt mit aller Gewalt, eine Medienbehörde zu konstruieren, in der quasi alles integriert sein soll. In dieser sollen ja nicht nur Infrastrukturfragen oder Wettbewerbsfragen zu behandeln sein, da sollen natürlich auch Fragen der Lizenzvergabe im Hinblick auf Privatradio, Privatfernsehen, Internet behandelt werden, und es soll natürlich dann auch der ORF darin vorkommen – und wahrscheinlich irgendwann einmal auch die Publizistikförderung und die besondere Presseförderung. Das ist dann eine Einrichtung, die nicht unbedeutend für die weitere Entwicklung der Medienlandschaft in Österreich ist und die nicht unbedeutend ist auch aus – ich sage es ganz offen heraus – machtpolitischen Gründen. Natürlich will man dann gewisse Dankbarkeiten haben, wenn es die eine Lizenzvergabe im Privatradio-Bereich gibt, und vielleicht eine andere Dankbarkeit, wenn es die eine Lizenzvergabe im Privatfernseh-Bereich gibt. Das ist ja keine Frage!

Aber der Streitpunkt, den wir immer gehabt haben, war folgender: Die Konstruktion der Medienbehörde, wie Sie sie vorlegen und wofür Sie auch eine Zweidrittelmehrheit benötigen und auch wollen und die Sie als unabhängig bezeichnen, ist im Endeffekt politisch keine unabhängige Medienbehörde. Das muss man wissen. Das ist sie nicht, denn den Vorschlag für die Besetzung der Kommissionen hat die Bundesregierung zu machen, und Sie haben in Wirklichkeit keine Qualifikationserfordernisse für die so genannten Experten festgeschrieben. Das kann im Endeffekt dann fast ein jeder sein, Hauptsache – und das ist meiner Meinung nach die politische Quintessenz –, er oder sie ist loyal gegenüber den beiden Regierungsparteien. Und das zieht


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sich durch beim Bestellungsmodus sämtlicher drei Kommissionen, natürlich auch der Geschäftsführer, des Vizepräsidenten und des Präsidenten.

Was wir immer in Frage gestellt haben, war die von Ihnen behauptete Notwendigkeit, dass es einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten gibt. Und wozu soll es eigentlich drei Kommissionen geben? Warum findet man nicht mit zwei Kommissionen und daher mit nur zwei Geschäftsführern das Auslangen? – Diese Frage konnten Sie bis heute nicht beantworten.

Der Vorteil unseres Modells, das wir jetzt präsentiert haben, ist, dass es um 17 Millionen Schilling billiger ist. Da habe ich aber noch gar nicht dazugerechnet, dass bei unserem Modell die Geschäftsführung von der Telekom-Control, die Sie dauernd auflösen und verschmelzen wollen, nicht mit hoch bezahlten Bezügen spazieren gehen muss. Da kommen nämlich in Wahrheit noch ein paar "Milliönchen" dazu.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist zwar erfreulich, dass um diese Tageszeit der Plenarsaal so gut gefüllt ist, allerdings muss ich eine ganze Reihe von Einzelgesprächen verzeichnen, die es dem Redner wirklich schwer machen, sich Gehör zu verschaffen. Ich bitte daher, wenn es unbedingt dringende Dinge zu besprechen gibt, das außerhalb des Plenarsaales zu tun und dem Redner eine faire Chance zu geben! – Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Vor allem sollte man einer Medienbehörde eine faire Chance geben, und die hat sie natürlich nicht, denn dieser jetzt vorliegende Vorschlag ist alles andere als der Nachweis eines Vorschlages für eine unabhängige Medienbehörde, weshalb dieser natürlich auch keine Chance hat, dass wir ihm die Zustimmung geben.

Und das ist nicht subjektiv, das ist objektiv, und wenn Sie sich das genau anschauen, können Sie nachvollziehen, dass es genau so ist. (Abg. Haigermoser: Sie sagen nicht, was objektiv ist! – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Cap legt fest, was objektiv ist!) Das Problem ist, dass Sie damit im Telekommunikationsbereich den Bestrebungen derjenigen nachgeben, denen die Telekom-Control in Wirklichkeit viel zu wettbewerbsfreundlich war. Trotz hoher Marktanteile hat man echte Schwierigkeiten, beispielsweise am Handy-Markt, die entsprechenden Gewinnerwartungen auch zu realisieren. Da wollen Sie in Wirklichkeit Wettbewerb abbauen. Und das Problem ist, dass Sie mit dieser Großkonstruktion auch viele Posten schaffen, was viel Geld kostet. Mich wundert, dass sich Ihr Finanzminister Grasser da noch gar nicht zu Wort gemeldet hat, denn das Ganze würde bei Ihrem Modell um 17 Millionen Schilling mehr kosten.

Erklären Sie mir einmal, wozu Sie einen Präsidenten, Vizepräsidenten und drei Geschäftsführer brauchen, und, und, und! (Abg. Haigermoser: Wo bitte?) Wir reden jetzt gerade von der Medienbehörde, Sie waren geistig vielleicht schon ganz woanders. (Abg. Haigermoser: Ja, es sind alle deppert außer Ihnen!) Es steht jetzt die Medienbehörde auf der Tagesordnung, und dieser Punkt ist jetzt zu behandeln, weil Sie ja wollten, dass er auf die Tagesordnung kommt.

Also das, glaube ich, ist das Problem dabei, und da haben wir eben eine andere Vorstellung.

Das Zweite ist, dass Sie den ORF auf mehreren Ebenen in den Griff bekommen wollen, unter anderem auch dadurch, dass es in der Medienkommission die Möglichkeit geben soll, über die Objektivität zu urteilen. Klubobmann Westenthaler kommt dann mit seinen Beschwerden vielleicht leichter durch, denn das ist dann ein Gremium, das er mitbesetzt, anders als bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes, in der von neun Richtern acht Laien sind und wo es wirklich schwer ist, sich mit parteipolitischen Initiativen durchzusetzen.

Es sollen dann möglicherweise überhaupt die Werbezeiten, die Entscheidungen der Geschäftsführung in diesem Gremium diskutiert werden und, was vor allem und besonders ins Auge sticht, es soll darüber geurteilt werden, was öffentlich-rechtlich ist und was nicht öffentlich-rechtlich ist. Genau das wollen Sie mit dieser Medienbehörde! Da können Sie doch nicht verlangen, dass eine demokratische Opposition auf so einen Vorschlag einsteigt.


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Resümieren wir: Es wird letztlich für die Handy-Benützer teurer, weil Sie den Wettbewerb reduzieren wollen. Es wird für den ORF-Zuseher und -Zuhörer nicht mehr eine so objektive Berichterstattung geben, weil Sie darauf Einfluss nehmen wollen, was objektiv ist und nicht objektiv ist. Möglicherweise wird es bestimmte Sendungsformate auch nicht mehr geben, beispielsweise "Taxi orange", weil so etwas dann unter Umständen Ihren öffentlich-rechtlichen Vorstellungen nicht mehr entspricht. Es wird für den Steuerzahler teurer, weil dieses Modell um 17 Millionen Schilling teurer ist per anno als der Vorschlag, den die Sozialdemokraten eingebracht haben. Und dieses Gremium ist vor allem demokratisch nicht ausreichend legitimiert, sondern es ist eine regierungsabhängige Medienbehörde, weil sämtliche Besetzungen der Funktionen in dieser Medienbehörde die Bundesregierung vorschlagen kann, vorzuschlagen hat, wodurch sich natürlich der totale parteipolitische Einfluss von ÖVP und FPÖ in dieser Medienbehörde wieder findet.

Deswegen lehnen wir diesen Vorschlag ab! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Jahrelang habt ihr im ORF interveniert, und trotzdem seid ihr in der Opposition!)

Sie müssen jetzt zurück an den Start und sich neu überlegen, ob Sie wirklich bei diesem Modell bleiben, wobei ich glaube, dass es bei Ihnen Kräfte gibt, die dieses Modell in der Form mit den Verfassungsbestimmungen gar nicht wollen, sondern die in Wahrheit wollen, dass die Medienbehörde dem Bundeskanzleramt weisungsgebunden eingegliedert und untergeordnet ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Das wollt ihr! Ihr wolltet das!) Das ist Ihr wahres Ziel, und Sie suchen nur jemanden, der Ihnen dabei behilflich ist. Auch da werden Sie Pech haben, denn wir werden den Österreicherinnen und Österreichern genau erklären, was Ihr wahres Ziel und Ihr wahres Begehren dabei sind. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

14.53

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss ganz kurz auf meinen sehr geschätzten Vorredner eingehen. Je länger ich Ihnen in Fragen der Medienbehörde und Fragen der "KommAustria" zuhöre, desto mehr komme ich zur ganz sicheren Überzeugung, dass Sie eigentlich unser Gesetz überhaupt nicht gelesen haben, Herr Abgeordneter Cap.

Es hat heute auch schon die Einwendungsdebatte gezeigt – und wenn die Diskussion noch so emotionell und lautstark geführt wird –, dass es Ihnen eigentlich nur um Personen und Posten geht. Es geht überhaupt nicht um Inhalte. Ich habe zu meinem großen Bedauern eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Strukturen dieses Gesetzes vermisst. (Abg. Parnigoni: Dann nützen Sie Ihre Redezeit und erklären Sie uns das!)

Seit 15 Jahren gibt es in Österreich keine Medienpolitik. Herr Abgeordneter Schieder hat erfreulicherweise auch zugegeben, dass die SPÖ hier Fehler gemacht hat. Und jetzt meine ich, Herr Abgeordneter: Machen Sie nicht wieder Fehler! (Abg. Parnigoni: Hat die ÖVP auch irgendetwas getan in dieser Republik in den letzten Jahrzehnten, oder hat sie in der Pendeluhr geschlafen? – Abg. Murauer: Sehr viel Vernünftiges, Herr Kollege!)

Ich möchte Ihnen zu der Frage der Medienpolitik Gerd Bacher, wohl einen der Berufensten in Fragen der Medienpolitik, aus der "Presse" zitieren, der schreibt:

"Was über diese Schicksalsfragen unserer Mediendemokratie gelogen, geheuchelt und an Unwissen verkündet wird, ist umso fataler, als es sich ,nur‘ darum handelt, wie Österreich in Zukunft informiert beziehungsweise desinformiert werden wird, ..."

Ein weiteres Zitat von Herrn Danninger aus den "Oberösterreichischen Nachrichten" (Abg. Parnigoni: Das haben Sie heute schon einmal vorgelesen! Diese Rede haben Sie heute schon einmal gehalten!):


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"Im Besitze der medienpolitischen Unschuld, die von der SP beinahe unnachahmlich gemimt wird, ist die SP ganz bestimmt nicht. Nachdem sie jahrzehntelang Medienpolitik im Besetzen von Spitzenposten im ORF, im Intervenieren und Sekundenzählen gesehen hat, blockiert sie jetzt Initiativen zu einer Regelung, die nicht aus Jux und Tollerei herbeigeführt, sondern von Höchstrichtern vorgegeben wird.

Die SP lehnt die Bildung einer weisungsungebundenen Medienbehörde ab. Sie tut dies im Wissen darum, dass in der von der Regierung vorgelegten Konstruktion die Forderungen ihrer eigenen Medienexperten erfüllt sind." – Zitatende.

Warum eigentlich eine "KommAustria"? Das ist auch ganz leicht erklärt. Auch dazu möchte ich ein Zitat von Kurt Horwitz aus den "Vorarlberger Nachrichten" bringen:

In einer Zeit der vernetzten Medien und der immer stärker zusammenwachsenden Technologien von Print, Online, elektronischen Medien und Kommunikationsanbietern – Stichwort: alternative Telefonbetreiber und Internet-Provider – ist die Zusammenführung der bisher getrennt agierenden Medienbehörden durchaus sinnvoll. Die Regierung ist mit diesem Plan auf dem richtigen Weg. – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Und das ist sie auch, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte ganz kurz noch die Inhalte erläutern. Wie Sie alle wissen, ist geplant, drei Kommissionen einzurichten, eine Medien-, eine Infrastruktur-, eine Wettbewerbs-Kommission, und für gemeinsame Fragen eine verstärkte Kommission. In diesen Kommissionen ist jeweils der Vorsitzende hauptamtlich und zwei weitere – bei der Medienkommission fünf – nebenberuflich tätig.

Zu der von der Opposition immer vorgebrachten Beschuldigung, dass wir in diese Kommissionen nur abhängige, nicht unabhängige Experten entsenden würden, muss man schon sagen, dass bei der Medienkommission – und um die geht es Ihnen ja wahrscheinlich –, die eine verstärkte Kommission ist und aus sechs Mitgliedern besteht, ein Vorschlag, nämlich der Vorsitzende, von der Bundesregierung erstellt wird, weiters die vier Parlamentsparteien Mitglieder hineinnominieren sowie ein Ländervertreter drinnen ist. Das heißt, es ist die Pluralität, die im Parlament verwirklicht ist, auch in der Medienkommission verwirklicht, und man kann nicht über Gesetze Ergebnisse von Wahlen nachträglich berichtigen. Das ist einfach unmöglich.

Ganz kurz zu den Verhandlungen. Auch hier möchte ich Gerd Bacher zitieren, und das ist das, was mir persönlich auch wirklich sehr Leid tut. Auch für Herrn Abgeordneten Cap hat Gerd Bacher sehr eindeutige Worte gefunden: "In der SPÖ gefällt sich der gescheite Cap wider sein besseres Wissen als Mullah der Medienpolitik." (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sosehr es angenehm ist, sich mit Herrn Cap persönlich zu unterhalten, ich ersuche Sie wirklich dringend: Verblödeln Sie nicht die österreichische Medienpolitik, sehr geehrter Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte noch ein Zitat bringen, auch dieses Mal von der SPÖ. Wenn Sie sich erinnern, wurde im Juni 1997 ein unabhängiger Bundesasylsenat gebildet, und diesem ist der jetzt vorgeschlagene unabhängige Bundeskommunikationssenat nachgebildet, es ist also eine völlig gleiche Konstruktion. Und damals hat Frau Abgeordnete Hlavac von der SPÖ folgende Worte zum Bundesasylsenat gefunden:

"Besonders bedeutend scheint mir die Schaffung eines unabhängigen Bundesasylsenates als zweite Instanz zu sein. ... Ich denke, daß damit in Entscheidungen des Asylrechts ein großes Maß an Unabhängigkeit gewährleistet ist." – Dieser Meinung sind wir auch, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hervorheben möchte ich noch: Die heutige Diskussion ist deswegen vor allem bedauerlich, weil allen Experten – und selbstverständlich werden in erster Linie Experten in diese Kommissionen gesendet werden, weil es hier um eine Zukunftsfrage der Österreicherinnen und Österreicher


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geht – von sämtlichen Oppositionsparteien unterstellt wird, dass sie nichts anderes seien als Handlanger der Parteipolitik. Und das haben diese Damen und Herren nicht verdient. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die nächste Rednerin wäre Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Es ist aber nur mehr eine Minute Zeit, da um 15 Uhr eine kurze Debatte angesetzt ist. Ich unterbreche daher bis 15 Uhr die Sitzung.

(Die Sitzung wird für kurze Zeit unterbrochen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer (den Vorsitz übernehmend): Meine Damen und Herren! Ich nehme jetzt, um 15 Uhr, die ganz kurz unterbrochene Sitzung des Nationalrates wieder auf.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 1420/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung der Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie mit der Ordnungszahl 1420/AB.

Die Anfragebeantwortung ist an alle Mitglieder des Hauses verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch einen Schriftführer oder eine Schriftführerin erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache die Erstrednerin, Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, darauf aufmerksam, dass sie zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung hat.

Eine allfällige Stellungnahme eines Mitglieds der Bundesregierung ist ebenfalls mit 10 Minuten beschränkt. Die weiteren Debattenredner haben eine Redezeit von 5 Minuten.

In diesem Sinne erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Lichtenberger das Wort.

15.02

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe diese Beantwortung der Anfrage zu den so genannten CEMT-Kontingenten – wir werden in der Debatte sicher noch darauf kommen, was sich dahinter versteckt – deswegen hier zum Thema gemacht, weil das eine Frage, ein Problemkreis ist, bezüglich dessen dringend vor April 2001 die weitere Vorgehensweise entschieden werden sollte, um gröbere und noch größere Probleme in Bezug auf die Belastung durch transitierende LKW in Österreich zumindest etwas einbremsen zu können.

Auslöser für die Anfrage, die ich gestellt habe und die heute zur Besprechung gelangt, die sehr ausführlich beantwortet ist – allerdings mit wenig Daten –, war der Bericht der Europäischen Kommission zum Erfolg der Beschränkungen innerhalb des Transitvertrages. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang nämlich festgestellt, dass mit Hilfe der Ökopunkte-Regelung ein großer Schritt zur Entlastung der Umwelt gesetzt worden sei und dass deswegen die im Transitvertrag festgeschriebene Obergrenze auslaufen könne. Ich will jetzt nicht auf die Details der Transitverkehrsregelung eingehen, aber in diesem Bericht der Kommission wurde von dem die Ergebnisse Beurteilenden prominent erwähnt, dass einer der großen Faktoren im Bereich der Verkehrsbelastung auch die so genannten CEMT-Kontingente seien.

CEMT-Kontingente sind Kontingente, die schon im Transitvertrag von der Ökopunkte-Pflichtigkeit ausgenommen wurden und die auch – und das ist besonders bemerkenswert – eine besondere Wachstumsrate zu verzeichnen haben. CEMT-Kontingente sind Kontingente, die LKW zur Durchfahrt durch Österreich berechtigen, auch wenn sie keine Ökopunkte zum Durchfahren durch Österreich haben. CEMT-Kontingente sind – und das ist das Besondere, was alle von uns, auch die Klein- und Mittelbetriebler im Transportsektor, aufwecken sollte – eine wettbewerbsverzerrende, unzulässige Begünstigung der besonders Großen auf dem Markt. In den Regelungen für die Vergabe von CEMT-Kontingenten steht klar, dass sie diejenigen bekommen


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sollen, die besonders viel fahren und besonders viel fahren können. Das steht im Regelwerk drinnen. Das ist im Jahre 1974 entstanden und von der Kommission auch mit der Absicht gemacht worden, die Liberalisierung – ich sage dazu: die Zentralisierung – auf dem Güterverkehrsmarkt in Europa voranzutreiben.

Nun zur Anfrage. Die Anfragebeantwortung, die ich von der Frau Ministerin bekommen habe, wirft ja nur ein kleines Schlaglicht ins große Dunkel einer Regelung, die dringend verändert werden muss. Im Wesentlichen, Frau Ministerin, können Sie mir nur mitteilen, dass man über die Details dieser so genannten CEMT-Kontingente, mit Hilfe derer die Großen auf dem Markt unzulässig und wettbewerbsverzerrend begünstigt werden, nichts sagen könne: Es gibt keine Zahlen über Durchfahrten, es gibt keine Details; man weiß zwar ungefähr die Tonnenkilometer, die gefahren werden, aber die Daten, die in Paris bei der Zentrale landen, werden nicht ausgewertet.

Sie, Frau Ministerin, schreiben in dieser Anfragebeantwortung auch, dass es ein unzulässiger Mehraufwand wäre, sich mit dieser Frage auseinander zu setzen. Hier, Frau Ministerin, muss ich Ihnen widersprechen. Angesichts der uns drohenden Debatte über die Frage des Wegfalls der Obergrenze bei den Fahrten im Transitverkehr, die uns im April ereilen wird und die – entgegen allen Aussagen über Einstimmigkeit – mit allergrößter Wahrscheinlichkeit gegen den Willen Österreichs von der Kommission so entschieden werden wird, muss man hier, und zwar sofort, Klarheit, Licht ins Dunkel nicht nur in Österreich, sondern auf europäischer Ebene bringen.

Auf europäischer Ebene gibt es nämlich einen Prozess, der nicht nur für das viel zitierte Westösterreich und die Transit-Täler entscheidend ist, sondern der besonders auch Ostösterreich stark betreffen könnte. Heute schon ist es so, dass die großen Unternehmen aus Österreich, aber vor allem auch aus den Niederlanden und aus Luxemburg die so genannten CEMT-Kontingente, also den Freibrief zum Durchfahren, die in den mittel- und osteuropäischen Ländern frei werden, aufkaufen. Damit entstehen Riesenstrukturen, die jeglichen Vertrag unterlaufen können, die jegliche Transitregelung in Europa kaputtmachen können.

Diese CEMT-Kontingente – und hier sehe ich auf europäischer Ebene ein so genanntes Window of Opportunity – müssen nun, und zwar sofort, angegangen werden, Frau Ministerin. Sie haben jetzt die Aufgabe, sich auf europäischer Ebene Bündnispartner – und Sie finden sie bei den KMUs sicher – zu suchen, diese CEMT-Kontingente endlich zu kontrollieren und in Frage zu stellen. (Beifall bei den Grünen.)

Sie schreiben zwar in Ihrer Anfragebeantwortung, dass innerhalb Österreichs die CEMT-Kontingente nur an die besonders "sauberen" LKW gehen, aber die Kontrolle dessen fehlt uns vollständig. Wir wissen keinen Beistrich drüber – keinen Beistrich! –, wie "sauber" die wirklich sind und wie oft diese "sauberen" LKW durchfahren und durch viele Fahrten die Schadstoffreduktion natürlich schon wieder massiv überkompensieren.

Frau Ministerin! Die Lösung dieser Frage ist wichtig, weil wir nach 2003 eine Anschlussregelung an den Transitvertrag brauchen und weil wir jetzt schon mit der Debatte darüber beginnen müssen, dass ein Freibrief, ein Gratisschein für die Großen auf dem Markt weder in eine europäische Verkehrslogik noch in eine europäische Wettbewerbslogik und schon gar nicht – und das am Allerletzten – in eine europäische Umweltpolitik passen kann.

Diese Kontingente müssen Sie, Frau Ministerin, jetzt in Frage stellen und müssen Sie jetzt kontrollieren. Folgendes macht mich schon nachdenklich: Ich erlebe da einen Herrn Weingartner, der immer dann, wenn gerade schönes Wetter ist, zum Transitkämpfer in Tirol mutiert, sich aber dann weigert, Strafen auszusprechen, wenn es Vergehen gibt. Aber ich kenne auch den Brief der Wirtschaftskammer, die klar und deutlich zum Ausdruck bringt, dass sie nach 2003 null Beschränkungen im Transit haben will.

Da hätte ich Herrn Stummvoll – wenn er da wäre – schon einmal ganz gerne gefragt, wie denn das alles zusammenpasst. Ist es denn jetzt wirklich die klare Linie der neuen Koalition, jegliche Begrenzungen im Transitvertrag aufzuheben und keine Nachfolgeregelung für den Transit


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vertrag für die Zeit nach 2003 zu suchen? Wenn sich diese Linie durchsetzt, dann brauchen wir über diese Frage nicht zu diskutieren.

Ich glaube, es ist hoch an der Zeit, diese Kontingente in Frage zu stellen, sie zu kontrollieren und sich nicht nur darauf – und das ist meine Nachfrage an Sie, Frau Ministerin – zu berufen, dass es ein unzulässig hoher Aufwand sei. Wir werden diesen Aufwand betreiben müssen, Sie werden ihn betreiben müssen im Interesse der transitgeplagten Österreicherinnen und Österreicher, um argumentativ gegen die EU-Verkehrskommission bestehen zu können, wenn diese Ihnen sagt: Vergesst den Transitvertrag, die CEMT-Regelungen machen ohnehin viel mehr aus!

Die Daten, die Sie mir dazu zum Teil mitgeteilt haben, sind deutlich: Von 1996 bis 1998 gab es eine Verdoppelung der Tonnenkilometer, die mit Hilfe dieser Kontingente gefahren wurden. Eine Verdoppelung in zwei Jahren – das muss doch ein Alarmsignal ersten Ranges sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir brauchen diese Daten auf europäischer Ebene, und wir brauchen ein konzertiertes Vorgehen gegen diese CEMT-Kontingente. Sie werden BündnispartnerInnen auf europäischer Ebene suchen und auch finden müssen, um das durchzubringen, was die Verkehrslogistik in Europa in Sachen Umweltschutz und Anrainerschutz endlich auch ein bisserl umsteuert. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Nächste auf der Rednerliste ist Herr Abgeordneter Reheis. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.12

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ökopunkte-Regelung, Verstöße gegen die Ökopunkte-Pflicht, ein mehr als skurriler Streit um die Bestrafung der Ökopunkte-Sünder zwischen Landeshauptmann Weingartner und Ihnen, Frau Bundesministerin, Transitbelastung, Road-Pricing, CEMT-Genehmigung und so weiter – das sind die vielen Sorgen und Belastungen einer immer stärker betroffenen Bevölkerung, die wir Sozialdemokraten hier im Hohen Haus bei jeder Gelegenheit mit Ihnen diskutieren. All diese Punkte haben allerdings bis dato von Ihrer Seite, von Seiten der Regierungsparteien, leider keine Lösung – nicht einmal annähernd! – erfahren.

Diese Sorgen der wohl am schlimmsten vom Transit betroffenen Bevölkerung, nämlich der Bevölkerung von Tirol, sind Ihnen von der schwarz-blauen Regierung offensichtlich egal, denn seit dem Regierungswechsel vor nunmehr einem Jahr müssen wir eine Null-Verkehrspolitik von freiheitlichen Ministern erleben. Ihr Vorgänger, Frau Ministerin, Kurzzeitminister Schmid, und auch Sie haben in Ihrer Amtszeit – so schreibt es die Tiroler Presse – den Ruf eines "Anti-Tirol-Ministers" eingeheimst.

Meine Damen und Herren! Unser Land erstickt im Verkehr, aber Sie waren bisher nicht in der Lage, die Transitproblematik auch nur annähernd in den Griff zu bekommen. Sie waren nicht in der Lage, auf europäischer Ebene die Ökopunkte-Pflicht, die Ökopunkte-Problematik zugunsten Österreichs zu regeln. Wir müssen leider auch befürchten, dass die Ökopunkte-Obergrenze von 108 Prozent Basiswert fallen wird.

Bezüglich Transitvertrag verkündeten Sie zwar am 14. Dezember 2000 nach einem ersten Gespräch mit EU-Verkehrskommissarin de Palacio noch jubelnd, dass das Ökopunkte-System bis 2003 weiterlaufen wird, die EU-Verkehrskommissarin machte allerdings bereits am 20. Dezember 2000 öffentlich klar, dass die Mengenbeschränkungen für LKW in Österreich im Transitvertrag gestrichen werden sollen. Weder ist klar, wie die Ökopunkte-Regelung nach der erneuten Mengenüberschreitung 2000 fortgesetzt wird, noch wie die Transitvertragsregelung über das Jahr 2003 hinaus aussehen wird.

Was werden Sie gegen die neuerliche Überschreitung des Ökopunkte-Kontingentes im Jahre 2000 unternehmen? Haben Sie Konsequenzen in Brüssel eingefordert? Werden Sie dafür sorgen, dass ein Revisionsverfahren eingeleitet wird? Wenn ja, bis wann haben wir eine dies


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bezügliche Entscheidung? Was geschieht zum Beispiel mit der Brennermaut-Klage? Wie werden Sie sich entscheiden, Frau Bundesministerin? Was sagen Sie zum Mautstretching im Unterinntal? Wann gibt es diesbezüglich Entscheidungen?

Die Senkung der Brennermaut ist keine verkehrspolitische Alternative, zumal ja seit dem 1. Jänner 2001 die Schweiz eine Schwerverkehrsabgabe einhebt und wir mit einem stärkeren Umwegverkehr durch unser Land zu rechnen haben.

Sie sind diesem Hause bisher die Antwort darauf, was Sie betreffend die Verlängerung des Transitvertrages nach 2003 unternehmen werden, schuldig geblieben. Wie wird in dieser Angelegenheit von Ihrer Seite mit der EU weiter verhandelt?

Eine weitere Frage: Was passiert mit den gesparten Ökopunkten? Werden diese zukünftig in Abzug gebracht? Oder: Was passiert mit den notorischen Ökopunkte-Sündern, mit jenen, die immer wieder ihr Kontingent überschreiten? Wird es da von Ihrer Seite aus Konsequenzen geben? Wir fordern, dass diese notorischen Ökopunkte-Sünder strengstens bestraft werden, nämlich bis hin zur Durchführung eines Gewerbeentzugsverfahrens! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Werden Sie die Umgehung der Ökopunkte-Regelung im Straßengütertransit durch Österreich mittels CEMT-Genehmigung in Anbetracht der EU-Erweiterung mitverhandeln? Im Zuge der Erweiterung der EU müssen auch die Fahrten des Ost-West-Transits mitverhandelt werden. Hier bietet sich die Gelegenheit, die CEMT-Fahrten neu zu regeln. Bis dato ist jede fünfte Transitfahrt eine Fahrt mit CEMT-Genehmigung. Das muss im Rahmen der Erweiterungsverhandlungen im Transitvertrag geregelt werden. Das heißt, CEMT-Genehmigungen müssen zukünftig im Rahmen des Ökopunkte-Systems erfasst werden, und das bedeutet die Ausweitung des Ökopunkte-Systems auch auf alle neuen Beitrittsstaaten. Der technische Standard der Fahrzeuge der Länder außerhalb des Ökopunkte-Systems ist ja als schlechter einzustufen als jener der im Ökopunkte-System fahrenden LKW. Die Beitrittsverhandlungen bieten die Gelegenheit, dieses System mitzuverhandeln.

Frau Bundesministerin! Auch im Streit hinsichtlich der Bestrafung von Ökopunkte-Sündern mit Landeshauptmann Weingartner ist endlich eine eindeutige Rechtsklarheit zu erzielen. Nach wie vor übt Weingartner Kritik an der Rechtsqualität Ihres Schreibens. Offensichtlich empfindet er Ihr Schreiben nicht als Weisung, deshalb auch die klare Frage: Haben Sie Tirols Landeshauptmann Weingartner eine diesbezügliche Weisung erteilt? Steht in Ihrem Schreiben auch das Wort "Weisung"?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Gerhard Reheis (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Wir haben heute in dieser Angelegenheit einen Entschließungsantrag betreffend Ökopunkte-Kontrollen eingebracht und an die Verkehrssprecher verteilt. Wir laden Sie ein, diesem Antrag beizutreten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Reheis! Ich nehme an, das ist ein Selbständiger Entschließungsantrag, der dem Ausschuss zugewiesen wird, denn in dieser Debatte können nur Anträge gestellt werden, die Anfragebeantwortung zur Kenntnis zu nehmen oder nicht zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Dr. Niederwieser: Nein! Der Antrag kommt später!)  – Gut.

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Frau Ministerin. (Abg. Ing. Westenthaler: Lernt endlich einmal die Geschäftsordnung!)

15.18

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Abgeordnete des Hohen Hauses! Herr Abgeordneter Reheis, Ihre Kritik ist sehr umfassend, insbesondere was die jetzige Regierung betrifft, aber ich glaube, viele dieser Punkte, die Sie an


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geführt haben, müssten Sie eher an jene adressieren, die vor uns gearbeitet haben, und insbesondere auch an jene, die die Position des Transits und die Verkehrsstrategie in Österreich ausverhandelt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das führt zu einem ganz wesentlichen Punkt: Erstmals wird von einer Regierung wirklich konsequent vorgegangen! Ich habe von Anfang an gesagt, dass es um eine glaubwürdige Position geht, und zur glaubwürdigen Position gehört auch, dass wir unsere Hausaufgaben machen. Lange währte die Diskussion – und Sie haben sie auch heute wieder aufgegriffen – in der Frage: Sind unsere Gesetze ausreichend, um Missstände bei Regelungen, die wichtiger Bestandteil im Transitvertrag sind, zu bereinigen? – Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Bereits Bundesminister Schmid hat zwei Gutachten in Auftrag gegeben, und beide zeigen ganz klar auf, dass die Strafbarkeit gegeben ist und dass mit einer Änderung der Gesetzeslage – durchaus auch mit einer von Ihnen vorgeschlagenen – keine weiteren Regelungen möglich sind. Das wissen Sie auch ganz genau.

Daher kann der Vorwurf, dass wir uns für das Land Tirol nicht einsetzen, wirklich nicht angenommen werden. Ganz im Gegenteil! Erstmals wird auch durchgegriffen! Es kann schon sein, wenn es das eigene Land betrifft und der Durchgriff bei Unternehmen erfolgt, was manchmal nicht so angenehm ist, doch wir müssen alles unternehmen, um von unserer Seite zu zeigen, dass uns das wichtig ist.

Somit bin ich bei einem ganz generellen Thema; da können wir nämlich auch gleich das Thema CEMT-Kontingente mitbehandeln. Tatsache ist, dass diese Ausnahmeregelungen auch Bestandteil des Vertrages waren. Insgesamt – und das habe ich auch in der Anfragebeantwortung ausgeführt – sind 22 Prozent aller Fahrten nicht im Detail analysiert; das darf ich auch Ihnen sagen, Frau Abgeordnete Lichtenberger. Sie wissen aber ganz genau, dass sich diese Menge nicht allein aus den CEMT-Kontingenten ergibt, sondern auch aus einer Fülle anderer Punkte.

Tatsache ist, dass wir jetzt nicht verwässern können, indem mögliche Ausnahmeregelungen, die wir im EU-Vertrag schon haben, diskutiert werden, um den anderen Ländern die Möglichkeit zu geben, weiterhin mit ihrer Argumentation Recht zu bekommen, dass unsere Verträge keine guten sind, nämlich keine guten, die einhaltbar sind, die einfach kontrollierbar und auch exekutierbar sind.

Ich glaube, es tut uns in Österreich nicht gut, jetzt ein System zu kritisieren – zu einem Zeitpunkt, den Sie ganz bewusst monieren, zu dem wir nämlich in bilateralen Vereinbarungen auf unser System beharren müssen, um auch für 2003 eine richtige Lösung zu bekommen. Jeder diskutiert darüber, dass die Ökopunkte-Lösung beibehalten werden müsse, aber intern in Österreich wird darüber diskutiert, dass wir auch Lücken in der Kontrolle haben – wie soll man da gestärkt in der EU auftreten? Ihre Argumentationen sind leider kontraproduktiv, wenn sie auch fachlich, und das sage ich Ihnen ganz deutlich, richtig sind. Wir haben Lücken! Wir haben Lücken, die sich auch mit unseren nationalen Gesetzen leider nicht schließen lassen. Daher ist es wesentlich, dass wir alles, was wir in der Kontrolle und in der Exekutierbarkeit tun können, auch machen. So sind auch meine Aktivitäten zu verstehen. Das ist die Konsequenz. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist auch die Konsequenz, mit der wir auftreten müssen, damit wir eine starke Verhandlungsposition haben.

Es geht darum, im Rahmen der Amtshilfe dafür zu sorgen, dass auch in den anderen Ländern die Regelungen eingehalten werden. Das führt mich wieder zurück zur Gesetzesänderung. Mit den Regelungen, die wir in unserem nationalen Gesetz haben, können wir gar nichts machen. Es ist ausverhandelt worden, dass es eine Amtshilfe, also eine Mithilfe bei der Erkundung von illegalen Ökopunkte-Fahrern gibt, und darauf müssen wir insistieren.

Wenn wir nicht stark auftreten, dann vertreten wir unser Land nicht! Mit einer internen Diskussion darüber, welche Gesetze zu adaptieren sind, damit wir Entschuldigungen dafür haben, etwas zu verlängern, können wir unsere Position sicherlich nicht stärken. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.24


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55. Sitzung / Seite 111

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.24

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Lichtenberger, ich habe bereits Ihre Anfrage mit einigem Befremden gelesen, und ich komme nicht umhin, gleich einleitend zu sagen, dass Gott sei Dank nicht alles, wovon Sie persönlich keine Kenntnis haben – "hatten" muss man sagen, denn Sie wurden ja jetzt aufgeklärt –, gleich eine Grauzone darstellt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte einmal ganz sachlich darauf eingehen, worüber wir hier eigentlich reden. Wir reden über ein Abkommen, das im Rahmen der CEMT, das ist die Österreichische Verkehrsministerkonferenz, abgeschlossen wurde, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Österreich noch nicht Mitglied der Europäischen Union war; ein Übereinkommen über multilaterale Kontingente für den Straßengüterverkehr. Damals, als es noch keine Ökopunkte-Regelung gab, und damals, als Beschränkungen international, multilateral, außerhalb der EU für Österreich noch sehr viel schwieriger waren, als sie es heute sind, hat man ein Abkommen geschlossen, in dem Beschränkungen der Art vorgesehen wurden, dass unter bestimmten Voraussetzungen, die genau normiert wurden, Transitgüterfahrten durch Österreich zugelassen wurden.

Diesbezüglich gehen andere europäische Staaten einen anderen Weg als Österreich damals und im Rahmen der CEMT seither. Andere Staaten beschränken diese Kontingente nämlich überhaupt nicht, wohingegen Österreich bestimmte Bedingungen an die Erteilung dieser Kontingente geknüpft hat. Zum einen ist in diesem ganz klaren, rechtlichen Regelwerk eine genau begrenzte Höchstzahl an LKW, die fahren dürfen, festgelegt. Jeder Staat, der Mitglied dieses Abkommen ist, kann wählen: entweder 16 Genehmigungen für konventionelle LKW – das sind solche, die nicht besonders leise und nicht besonders abgasarm sind – oder doppelt so viele, also 32 Genehmigungen für "grüne" LKW, die verpflichtende Lärm- und Abgasvorschriften einhalten müssen, oder noch einmal doppelt so viele, nämlich 64 Genehmigungen für "supergrüne und sichere" LKW mit noch strengeren Abgasvorschriften und zusätzlich verpflichtenden Sicherheitsvorschriften.

Es ist also weiterhin so, dass über österreichischen Druck vereinbart wurde, dass sowohl die Lizenzen für "grüne" und "supergrüne" LKW als auch die CEMT-Genehmigung selbst bei jeder Fahrt mitzuführen sind. Deswegen kann ich nicht verstehen, wenn hier gesagt wird, es werde nichts überprüft und es könne auch nichts überprüft werden. Selbstverständlich muss, wenn ein LKW beispielsweise durch Tirol rollt und die Ökopunkte kontrolliert werden und dieser LKW über keine Ökopunkte verfügt, nachgeprüft werden, weshalb dieses Fahrzeug durch Österreich fahren darf. Und hierzu dienen die Ausweise gemäß CEMT.

Die CEMT-Genehmigungen wurden bei Abschluss des Transitvertrages bei der Ökopunkte-Regelung berücksichtigt. Ich gebe Ihnen Recht – darin sind sich, glaube ich, mittlerweile alle Parteien einig –, dass diese Ökopunkte-Regelung keine geglückte war, riesige Lücken aufweist und dass das leider noch nachwirkt. An dem CEMT-Abkommen allerdings liegt dies, so muss ich mit Bedauern feststellen, nicht. Von 2,3 Millionen Transitfahrten sind fast 80 Prozent ökopunktepflichtig, aber der Umkehrschluss ist nicht zulässig, dass deswegen jeder fünfte LKW ein CEMT-LKW wäre. – Das hat Herr Reheis nämlich zuvor behauptet, und das wollte ich gerne richtig stellen. – Es ist vielmehr so, dass auch noch mit anderen Staaten, die nicht CEMT-Mitglieder sind, weitere bilaterale Abkommen bestehen.

Was das Volumen dieser CEMT-Fahrten betrifft, wissen wir, dass beispielsweise 1999 1,57 Millionen Tonnenkilometer pro Genehmigung transportiert wurden. Wenn wir uns das einmal durchrechnen, Frau Lichtenberger, etwa am Beispiel der Strecke Kufstein–Wörgl, dann würde das bedeuten, dass mit einer Genehmigung 400 Fahrten zwischen Kufstein und Brenner hin und her pendeln dürften – und das jährlich! Das bedeutet, dass pro Genehmigung im Durchschnitt etwas mehr als eine einzige Transitfahrt täglich möglich wäre.


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55. Sitzung / Seite 112

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (fortsetzend): Wir haben in Tirol wahrhaftig viel größere Sorgen als dieses CEMT-Abkommen. Etwas macht mich daher sehr glücklich, nämlich: dass heute hier drei Tiroler geredet haben und dass der Frau Bundesminister und dem gesamten Hohen Haus sicherlich bewusst wurde, dass die Situation bei uns in Tirol eine besondere ist. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Redezeit: 5 Minuten. Er hat das Wort.

15.30

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist ein Problem, wenn man sich – wie die beiden Erstredner bewiesen haben – bezüglich der Materie nicht sehr schlau macht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Was?) Ich bin Kollegin Hakl dafür dankbar, dass sie hier sehr sachlich für Aufklärung gesorgt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier werden nämlich in der politischen Diskussion von Vertretern der Oppositionsparteien immer wieder Dinge unzulässig vermischt. Eines, Frau Kollegin Lichtenberger, muss ich Ihnen schon sagen: Österreich ist historisch eine Reihe von Verträgen eingegangen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die man alle ändern kann!) Ob diese Verträge jetzt gut oder nicht gut sind, ist eine andere Frage, aber einem Grundsatz muss man als demokratische Partei schon huldigen, und der heißt: "Pacta sunt servanda". (Abg. Dr. Lichtenberger: Das gilt auch für den Transitvertrag!) Wenn die Verträge nicht gut sind, Frau Kollegin Lichtenberger, d’accord, dann müssen wir uns ausgiebig darüber unterhalten, wie wir da herauskommen, und das tun wir, das tut dieses Ministerium.

Ich erachte es schon als großen Hohn, wenn Sie in Ihrer Anfrage unter Frage 14 oder 15 formulieren: Was hat eigentlich das Bundesministerium seit 1993 gemacht?! Ich kann Ihnen sagen, Sie hätten die Frage anders formulieren sollen. Sie hätten schreiben sollen: Von 1993 bis 2000 wurde nichts gemacht, ab 2000/2001 wird das gemacht, was jetzt gerade die Frau Ministerin erzählt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) So aber war Ihre Fragestellung, Frau Kollegin Lichtenberger, wieder einmal grün, links, tendenziös, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, lehnen wir ab!

Meine Damen und Herren! Drei Punkte gibt es, das wurde schon angeschnitten: erstens die CEMT-Regelung, die im Wesentlichen aus dem Jahr 1974 – bitte hören Sie gut zu: 1974! – resultiert, die dann verschiedentlich adaptiert wurde für multilaterale Fahrten, zweitens die bilateralen Abkommen und drittens im Jahr 1994, als der Transitvertrag ausverhandelt wurde, diese Reduktion, wobei aber klar war, dass das eingerechnet wurde.

Nun wissen wir – und das wurde in der Debatte heute auch schon gesagt –, dass das Ökopunkte-System nicht nur vom Verhandlungsergebnis her problematisch ist, sondern – ich möchte noch einen Schritt weitergehen –: Die Ökofahrten beinhalten auch einen systemtechnischen Fehler. Denken Sie einmal nach, Frau Kollegin Lichtenberger: Wenn heute ein LKW, der eine CEMT-Genehmigung hat, der aber auch gleichzeitig das Kasterl für Ökopunkte-Fahrten mitführt, von Ungarn über die Grenze nach Österreich kommt und bei Passau Österreich wieder verlässt, so hat dieser LKW ein Zeitfenster von 6 oder 7 Stunden. Dafür drückt er keine Fahrt, also keine Abbuchung, weil er ja die CEMT-Genehmigung, eine gültige Genehmigung hat. Das Ökopunkte-System erfasst ihn aber beim Grenzeintritt und auch wieder beim Grenzaustritt, innerhalb des Zeitfensters, und er wird als Schwarzfahrer verbucht. – Da liegt ein Systemfehler vor, Frau Kollegin, das müssen Sie einmal begreifen!

Wir müssen alles tun, um eine Versachlichung der Debatte in diesem politischen Meinungsbildungsprozess herbeizuführen, und dürfen nicht einfach losschießen und sagen: Das ist ein Schmarrn, die Ministerin hat nichts gemacht! – Das, bitte, reicht uns nicht. Gewöhnen Sie sich


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an, mit uns sachlich zu diskutieren! Das Gleiche gilt im Übrigen auch für reguläre Transitfahrten, auch da liegt ein Systemfehler vor.

Suchen wir nach einem Weg, solche Fehler zu korrigieren, dann kann man mit uns auch vernünftig reden. Nur eine Besprechung einer Anfragebeantwortung zu verlangen, damit Sie in Tirol vielleicht wieder ein bisschen Wirbel erzeugen und sagen können, die Ministerin hätte schon wieder nicht "funktioniert", so wie es Ihnen politisch in den Kram passt, das, Frau Kollegin Lichtenberger und auch Herr Kollege Reheis, ist uns wahrhaftig zu wenig. Sie müssen sich schon kreativere und konstruktivere Wege einfallen lassen, damit wir auf diesen Zug aufspringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Redezeit: 5 Minuten. Ich erteile ihr das Wort.

15.35

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Jugendliche und ZuhörerInnen auf der Galerie! Dass das Transitthema jetzt brennt und 2003 in hellen Flammen stehen wird, das, glaube ich, ist jedem klar. Jeder verfolgt immer wieder die Meldungen, die aufzeigen: die Zunahme der Fahrten, die Zunahme der Umweltbelastung in den sensibelsten Regionen, die es gibt, nämlich in den Alpenregionen, in jenen Regionen, wo auch das Ökosystem am sensibelsten reagiert und die Menschen am meisten leiden.

Es ist jetzt an der Zeit – und deshalb, Frau Ministerin, verstehen Sie unsere Besprechung Ihrer Anfragebeantwortung als Signal –, alle möglichen Instrumente und Mittel wahrzunehmen, um den auslaufenden Transitvertrag durch eine Folgeregelung zu ergänzen beziehungsweise zu ersetzen beziehungsweise Maßnahmen, Instrumente zur Verfügung zu haben, damit wir dann nicht endgültig dem Transitmoloch anheim fallen. So ist das zu verstehen.

Ein Part des Transits, nämlich 22 Prozent, und davon wieder die Hälfte, ganz korrekt gesprochen, fällt auch auf Kontingente, die im Rahmen des CEMT-Vertrages 1974 ausverhandelt worden sind. Jetzt könnte man einmal sachlich über CEMT diskutieren, dann werden Sie mir in der Tatsache und in der Beurteilung sicherlich zustimmen, dass CEMT ein Freibrief für Transitfahrten ist, weil er insgesamt ein Mittel dafür ist, Transitfahrten zu liberalisieren. Und insofern erachte ich es als Ihre sachliche Aufgabe, Frau Ministerin, im Sinne der Weiterführung eines Transitvertrages, im Sinne der Eindämmung der Fahrten durch die Alpen in Ihren Fachgremien, bei den Ministerratsgesprächen, bei den verschiedenen Verhandlungen, sei es in Brüssel, sei es an anderen Orten, mit "hard facts" zu argumentieren.

Deshalb ist es so gefährlich, dass Sie diese Grauzone, die diese ungefähr 200 000 Fahrten im Rahmen des CEMT darstellen, daten- und faktenmäßig nicht genau abstecken können. Seit 1992 ist vor allem seitens Ihrer Vorgänger keinerlei Aktivität dahin gehend zu vermerken gewesen, diese Grauzone auszuleuchten und "hard facts" zu sammeln. Das ist hier und jetzt Ihre Aufgabe, und deshalb haben wir heute die Besprechung dieser Anfragebeantwortung verlangt. (Beifall bei den Grünen.)

Das muss jetzt und heute massiv als Signal hinausgehen: Sie nehmen es ernst, wir nehmen es ernst, 2003 darf nicht Schluss sein mit Beschränkungen, sondern 2003 muss ein Ersatzsystem kommen, denn die Zuwachsraten innerhalb dieses Graubereichs von CEMT machten 1998 immerhin 5 250 Tonnenkilometer aus. Das ist eine Verdoppelung gegenüber 1994! Und das sind Zahlen und "hard facts", mit denen Sie argumentieren müssen, Daten, die Sie beim Sekretariat in Paris noch näher erfragen müssen. Die Antwort Ihrer Mitarbeiter auf diese detaillierte Fragestellung unsererseits vermittelt eine eindeutige Botschaft: Wir wissen zu wenig, und dieses Zu-wenig-Wissen schränkt unsere Argumentationsbasis ein! – Da ist anzusetzen, und wir wollen, dass vor allem Sie hier tätig werden, und diese Diskussion heute dient dazu, dass Ihnen das Rückgrat in diese Richtung gestärkt wird.


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Noch zwei Bemerkungen zu meinen VorrednerInnen. Frau Kollegin Hakl! Ich hätte mir auf Grund Ihrer ersten Rede, die Sie hier gehalten haben – eine engagierte Rede im Sinne der Betroffenheit der Bevölkerung in Tirol, im Sinne der Betroffenheit der Bevölkerung an anderen Transitrouten –, erwartet, dass Sie diese Linie der Betroffenheit weiterführen, aber Sie sind abgewichen zu einer Linie der Frächterlobby, würde ich fast sagen, zumindest habe ich diesen Eindruck gewonnen. Und das ist meines Erachtens schon sehr bedenklich, wenn eine engagierte Kollegin innerhalb der ÖVP – es vergehen keine sechs Monate – plötzlich zum Wendehals auch in diesem sensiblen Kapitel der Transitpolitik wird. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben nämlich manches vertauscht. Ich möchte Sie jetzt nicht schulmeistern, aber: 1974 war die Europäische Ministerratskonferenz am Werk und nicht die Österreichische. Das muss man auch einmal als kleines Bonmot festhalten.

Zu meinem anderen Vorredner: Es geht sicherlich darum, Herr Kollege Firlinger, die Verträge, so schlecht sie auch sind, zu ändern. Wir müssen sie nolens volens hinnehmen, aber es gilt, sie zu verändern, und Sie tun mir zu wenig dazu, dass sie verändert werden. Ich bin durchaus Ihrer Meinung, dass wir sie zur Kenntnis nehmen müssen, was nützt es?, aber das Zur-Kenntnis-Nehmen hat auf der anderen Seite der Medaille das Aktiv-dagegen-Ankämpfen und das Aktiv-dafür-Eintreten, dass es besser wird und dass die Bevölkerung vor Ort nicht unter dieser massiven Steigerung des Transits leiden wird.

Alle Richtungen bei dieser Entwicklung weisen in diese fürchterliche Zukunftsperspektive, vor allem in Anbetracht dessen, dass wir jetzt zum Nord-Süd-Transit noch einen verstärkten Ost-West-Transit bekommen werden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Es wurde schon am Vormittag diskutiert, dass die Ostöffnung, die Ost-Erweiterung mehr Verkehr bringen wird, und zwar auch im Rahmen des CEMT. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich schließe die Kurzdebatte zu der Anfragebeantwortung, in deren Rahmen alle vier Fraktionen zu Wort gekommen sind.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen als Nächstes zu der Kurzdebatte über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Kostelka, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 18/A der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen betreffend Geschäftsordnungsreform eine Frist bis zum 1. Mai 2001 zu setzen.

Nach Schluss der Debatte wird die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag erfolgen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Erstredner hat eine Redezeit von 10 Minuten, alle anderen Redner eine solche von 5 Minuten. – Herr Abgeordneter Dr. Kostelka, bitte.

15.41

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der heute nachfolgende Fristsetzungsantrag der ÖVP zeigt, dass diese Regierung von einem sehr eindimensionalen Demokratiebegriff ausgeht: Verfassungsentwicklung ist für sie anscheinend ausschließlich die Verwirklichung des FPÖ/ÖVP-Regierungsprogrammes und deren Parteiprogrammes.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen: Das wird nicht stattfinden! (Beifall bei der SPÖ.)


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55. Sitzung / Seite 115

Meine Damen und Herren! Kollege Khol hat sich in einem Brief an mich gewandt und darin mitgeteilt, dass wir im Verfassungsausschuss endlich zu arbeiten beginnen sollen. In einer Presseaussendung hat er davon gesprochen, dass sein Entschließungsantrag nichts anderes als ein Notwehrrecht gegen einen Vorsitzenden ist, der seinen Pflichten nicht nachkommt.

Herr Kollege Khol! Das ist blanke Chuzpe! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wortwahl! Sprache der Gewalt!) Das ist eine Verdrehung der Tatsachen! Eine Verweigerung der Arbeit ist von Ihrer Seite gekommen. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass es insgesamt 35 Präsidialen gab und dass in jeder dieser Präsidialsitzungen von uns der Wunsch geäußert wurde, gerade diese Verfassungsprobleme anzudiskutieren. Sie haben sich davon verabschiedet! Sie haben "Nein" gesagt! Sie wollen kein Demokratiepaket, das diesen Namen verdient, haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Endenwollender Applaus!)

Für Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und von FPÖ, besteht das Demokratiepaket aus zwei Teilen: aus dem Antrag auf Briefwahl und aus dem Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung nach einem großen Volkbegehren. (Abg. Dr. Khol: Zur Sache, Herr Präsident! Er spricht zum nächsten Fristsetzungsantrag!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang muss man sagen, dass, was die Geschäftsordnung und die verfassungsmäßigen Bestimmungen bezogen auf die Geschäftsordnung betrifft, eine Einheit zu sehen ist. Es gehört nämlich die Schaffung eines Minderheitsrechtes auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses genauso dazu. (Abg. Dr. Khol: Jetzt kommt er zur Sache! Es nützt!)

Wir glauben, dass die Verfassung eine Einheit ist, und wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kollege Khol, Herr Professor Khol, trennen nicht künstlich zwischen Artikel 56 und Artikel 26.

Es ist Scheindemokratie, die Sie in diesem Zusammenhang schaffen wollen!

Als Beispiel dafür möchte ich Ihren Volksabstimmungs-Antrag anführen. Wir haben uns diesen genau angesehen, meine Damen und Herren: Demokratie wird ausgerufen, aber kein einziges Volksbegehren der insgesamt 24 bisher – seit 1945 – stattgefundenen Volksbegehren hätte zu einer Volksabstimmung geführt.

Das ist Scheindemokratie! Sie führen den Bürger genauso an der Nase herum wie uns – zumindest versuchen Sie es – (Abg. Ing. Westenthaler: Das habt ihr gemacht! Das war eure Zeit!), denn nichts anderes bedeutet es, die Kautelen, die Sie vorsehen, einzuführen.

Sie sagen: Natürlich findet nach einem Volksbegehren eine Volksabstimmung statt, wenn der Nationalrat dem nicht entspricht, aber es darf in diesem Zusammenhang nicht Verfassungsrecht berührt werden, nicht Gemeinschaftsrecht berührt werden, keine völkerrechtlichen Verpflichtungen berührt werden, und finanzielle Mehrbelastungen dürfen auch nicht stattfinden!

Das ist Scheindemokratie! – und zwar deswegen, weil Sie in Wirklichkeit ein Recht schaffen, das bei 24 Volksbegehren seit 1945 kein einziges Mal zur Geltung gekommen wäre. Das ist Ihre Politik, nämlich beim Fenster hinaus zu sagen: Wir wollen Demokratie!, aber Ihren eigenen Parteifunktionären mitzuteilen: Das machen wir ohnehin nicht, weil das viel zu gefährlich ist! – Das ist Ihre "Aufrichtigkeit" in diesem Zusammenhang!

Meine Damen und Herren! Wir glauben, dass es eine Einheit der Verfassungsreform zu geben hat. Ich habe Ihnen mehrmals Termine vorgeschlagen. – Herr Kollege Khol, Sie schrieben einen langen Brief, in dem Sie behaupteten, ich hätte Termine abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das glaubt Ihnen die eigene Fraktion nicht!) Sagen Sie mir einen einzigen Termin, den meine Fraktion im Zusammenhang mit dem Verfassungsausschuss abgelehnt hat!

Sie haben in diesem Ihren Brief nicht einmal in Ihrem Schlusssatz Recht. In diesem Ihrem Brief schreiben Sie nämlich im Schlusssatz, dass ich Ihnen auch für den 2. Februar Vorschläge


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gemacht habe, und meinen, dass es bezeichnend sei, dass auf diesem Vorschlag kein einziger ÖVP- und FPÖ-Vorschlag aufscheint. – Das stimmt!

Und wissen Sie, warum? – Weil wir nämlich vorgeschlagen haben, zuerst die Beratungen über unsere Anträge aufzunehmen, diese den eingesetzten Verfassungsunterausschüssen zuzuweisen, um dann dort über alles zusammen eine entsprechende Diskussion durchzuführen.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie haben unsere Anträge bisher im Verfassungsausschuss nicht einmal an beraten. Zu Ihren Anträgen haben Sie Unterausschüsse eingesetzt, aber für diese setzen Sie auch keine Termine fest, und zwar deshalb, weil Sie im Grunde genommen nicht diskutieren wollen.

Herr Kollege Khol! Haben Sie zum Unterausschuss betreffend eine Tierschutz-Vorlage jemals einem Termin zugestimmt? Hunderte Termine haben wir Ihnen vorgeschlagen, doch keiner war möglich. Genau das Gleiche ist in Sachen wirtschaftliche und soziale Grundrechte der Fall.

Genau das Gleiche ist bei Ihrem Antrag betreffend das Demokratiepaket der Fall. Dazu hat es von Ihrer Seite keine Terminvorschläge gegeben. Sie wollten im Grunde genommen auch nicht arbeiten. Was Sie wollen, ist Scheindemokratie!

Der wahre Grund für diese Diskussion, meine Damen und Herren von der Koalition, ist relativ leicht zu erraten, wenn man die Unterlagen von Ihrem Kongress in Alpbach liest. Darin findet sich nämlich im Kapitel "Demokratie" kein Wort von dem, was von Ihnen in diesem Zusammenhang als prioritär bezeichnet wird. Darin ist lediglich der Schmus über die Bürgergesellschaft zu lesen, den alle Österreicher und Österreicherinnen schon bis zum Hals-Heraushängen kennen. Weil Ihnen selber aufgegangen ist, dass es damit wohl nicht gehen wird, dass Sie damit nicht in die Medien kommen, haben Sie diesen Antrag erfunden. Dieser Antrag, meine Damen und Herren von der Koalition, ist aber ein Akt der Unehrlichkeit, weil nämlich auf diese Art und Weise Untätigkeit verschleiert werden soll. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren von der Koalition! Was ich von Ihnen einfordere, ist schlicht und einfach, dass Sie Ihre eigenen Aussagen umsetzen. Sie haben am 16. Dezember 1999 im Unterausschuss und im Komitee ausdrücklich erklärt, dass Sie zu einer Verfassungsänderung bereit sind und einer qualifizierten Minderheit ein Recht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen geben werden. Sie haben darüber hinaus auch davon gesprochen, dass es weitere verfassungsmäßige Rechte geben wird.

Dies haben Sie aber anscheinend in der Zwischenzeit vergessen. Sie wollen nämlich nichts mehr von einem umfassenden Objektivierungsgesetz wissen. Das verstehe ich im Grunde genommen, denn bei der Politik, die Sie machen, kann man nicht für Objektivierung sein. Weiters wollen Sie nichts mehr von zusätzlichen Rechten für die Volksanwaltschaft wissen. Sie wollen in diesem Zusammenhang nur Show!

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie die Mitglieder des Verfassungsausschusses nicht wie den Herrn Sallmutter behandeln können. Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine Mehrheit von 54 Prozent keine Zweidrittelmehrheit ist.

Sie werden auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Sozialdemokratie an jedem Verfassungsgesetz mitzuwirken hat und dafür sorgen wird, dass die blau-schwarzen Bäume nicht in den Himmel wachsen.

In allem Ernst: Sie haben einen fairen, einen offenen Gesprächspartner in uns – dann, wenn Sie wirklich über die Verfassung, wenn Sie wirklich über die Weiterentwicklung der Verfassung reden wollen! Sie werden in uns aber keinen Kooperationspartner finden, wenn es um Ihre Verlegenheitsgags bei Ihren Kongressen in Alpbach geht! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Zeiten werden schwer auch für den Klubobmann! Vor leeren Bankreihen der eigenen Genossen spricht er zu den Sesseln!)

15.51


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55. Sitzung / Seite 117

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

15.51

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist im Anschluss an das, was Klubobmann Kostelka soeben gesagt hat, wirklich wert zu sagen – und zwar ist das an Ihre Adresse, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, gerichtet –, dass Demokratie in dem Verständnis, das ihr nicht nur die Lehre, sondern auch wir beimessen, nicht nur bedeutet, dass die einfache Mehrheit entscheidet, sondern dass Demokratie auch ein System bedeutet, in welchem es unter anderem darum geht, möglichst vielen Interessen der Bevölkerung angemessen Rechnung zu tragen. Das ist der Grund dafür, warum wir heute diese Debatte über einen Fristsetzungsantrag führen.

Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sehen das offenbar anders. Sie haben in Ihrem Koalitionspakt vereinbart, bestimmte Dinge zu tun, wie etwa die Briefwahl einzuführen und unter bestimmten Bedingungen die Volksabstimmung zwingend vorzusehen, wenn ein Volksbegehren entsprechend viele Stimmen erreicht hat. Aber Sie werden für die eine oder andere Maßnahme auch unsere Zustimmung brauchen.

Wir sind nun bereit, über Dinge, die Sie für wichtig halten, als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen, wir sind bereit, einen Diskussionsprozess mit Ihnen zu führen und gegebenenfalls auch zu einem Abschluss zu kommen, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, was nicht so ohne weiteres gehen wird, ist, dass Sie die Vorstellung realisieren, dass Sie ohnehin ein bisschen mehr als die absolute Mehrheit haben und daher jene Verfassungsänderungen machen, die Sie wünschen, und meinen, irgendwie werden wir schon zustimmen, aber jene Änderungen, die wir für notwendig halten, etwa die Schaffung eines Minderheitsrechts auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, einfach nicht behandeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition! Sie haben sich auch angewöhnt, uns, wenn wir sagen: Wir stehen nicht für jeden Wunsch zur Verfügung und verlangen, dass Sie mit uns über bestimmte Dinge reden!, vorzuwerfen, dass wäre Junktimiererei oder die alte Packelei, von der Sie sich verabschiedet hätten. Mitnichten haben Sie sich davon verabschiedet, Sie sind nur nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es Interessen von Menschen in dieser Republik gibt, die Sie nicht gewählt haben und deren Interessen wir vertreten und deren Interessen hier auch legitim vertreten werden können und müssen.

Das andere ist, dass Sie auch sehen sollten: Die Zwei-Drittel-Erfordernisse in der Verfassung sind ja nicht deshalb eingeführt worden, damit es schwerer ist, zu entscheiden, sondern deshalb, um sicherzustellen, dass der Großteil der Bevölkerung durch die Entscheidungen, die getroffen werden, auch vertreten wird. Darum lohnt es sich, sich zu bemühen, und das erwarten wir auch von Ihnen.

In diesem Sinne appellieren wir nicht nur, sondern weisen auch deutlich darauf hin: Sie werden uns für Verfassungsbestimmungen, die Sie in der Regierung oder anderswo beschließen, wobei Sie sagen: Friss Vogel oder stirb!, nicht als Partner finden, weil das keine demokratische Methode der Veränderung unseres gemeinsamen Staatswesens ist. Es ist nicht Ihr Staatswesen auf Grund Ihrer Mehrheit von 54 Prozent, sondern es ist das Staatswesen aller Österreicherinnen und Österreicher, und dafür werden wir entweder gemeinsam Verantwortung tragen, oder Sie werden auch Ihre Entwürfe nicht durchsetzen können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

15.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.55

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Einem! Sie haben gemeint, bei der Debatte um die Demo


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kratie geht es Ihnen darum, möglichst vielen Interessen Rechnung zu tragen. Wissen das die Wiener auch? Weiß das auch Herr Landeshauptmann Häupl? – Denn im Gegensatz zum Wiener Landtag besteht hier im Nationalrat, und zwar seit Jahrzehnten, die Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, doch Sie tun so, als ob die Demokratie plötzlich den Bach hinuntergehen würde. (Abg. Dr. Einem: Die Wiener haben es als Minderheitsrecht!)

Seit zirka 13 Jahren sind die Beratungen sogar medienöffentlich, und 1997 – erinnern Sie sich noch? – wurde eine eigene Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse im Einvernehmen mit der SPÖ und den Grünen installiert. Diese Verfahrensordnung wird derzeit im Untersuchungsausschuss betreffend "Euroteam" getestet. Dieser Ausschuss hat erst vor einigen Monaten mit der Arbeit begonnen beziehungsweise seine Arbeit aufgenommen. Und ich muss schon feststellen, dass damit erstmals seit zehn Jahren ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde. In den neunziger Jahren haben Sie, die SPÖ, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen immer wieder verhindert.

Wir wollen diesen Untersuchungsausschuss in Ruhe arbeiten lassen und daraus auch Erkenntnisse gewinnen. Dieser Ausschuss bindet gewaltige Kapazitäten des Klubs, und ich darf Sie daran erinnern, dass, um diese bewältigen zu können, die Regierungsparteien sogar Oppositionsanträgen auf Zurverfügungstellung von zusätzlichen Budgetmitteln im Budgetausschuss zugestimmt haben. Das heißt, die Opposition hat zusätzliche Mittel verlangt, und wir haben dem zugestimmt.

Es war immer schon unsere Auffassung, dass man in ein laufendes Verfahren nicht eingreifen soll, und wir wollen daher die aus dem laufenden Untersuchungsausschuss gewonnenen Erfahrungen abwarten. Sollte sich allerdings dabei die Notwendigkeit für eine Verbesserung ergeben, so sind wir von der ÖVP natürlich sehr gerne bereit, darüber in intensive und seriöse Gespräche einzutreten.

Ein Minderheitsrecht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, das Sie so sehr monieren, ist in Europa, mit Ausnahme Deutschlands (Abg. Dr. Einem: Und Wien!), unbekannt. Aber selbst das angebliche Minderheitsrecht im Deutschen Bundestag ist eigentlich nur ein theoretisches, da in diesem Gremium im Gegensatz zu unserem Parlament eine hohe Konsenskultur herrscht, was ja leicht festzustellen ist, und dort der Untersuchungsauftrag in der Regel einvernehmlich festgelegt wird. Außerdem kennt das deutsche Verfassungsrecht die im österreichischen Recht unbekannte Organklage, die beim Vergleich mit Deutschland auch in Österreich geprüft werden müsste. (Abg. Dr. Khol: Richtig!)

Im Übrigen ist das österreichische Parlament in der Ausstattung mit Minderheitsrechten eigentlich Spitzenklasse in Europa. So hat beispielsweise der Deutsche Bundestag im Vergleich zu Österreich keine Möglichkeit, Rechnungshof-Sonderprüfungen und dergleichen anzuordnen. Alles in allem genommen sehen wir von der ÖVP daher keine Notwendigkeit, dem Fristsetzungsantrag der SPÖ zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Er hat das Wort.

15.59

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist immer interessant zu beobachten, wie man mit dem Standort letztlich auch den Standpunkt wechselt, was man bei der SPÖ immer dann bemerkt, wenn sie als jetzige Oppositionspartei plötzlich Demokratie entdeckt (Abg. Dr. Kostelka: Ich habe das schon als Vertreter der Regierungspartei gefordert!)  – ich kann Ihnen zitieren, was Sie gefordert haben –, wenn sie Verfassung entdeckt, wenn sie die Geschäftsordnung entdeckt. (Abg. Dr. Kostelka: Habe ich das getan oder nicht?)

Gerade mit der Geschäftsordnung, Herr Kollege Kostelka, stehen Sie am meisten auf dem Kriegsfuß. Sie können nämlich nicht einmal einen Antrag richtig einbringen, wie wir gemerkt haben. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist leicht primitiv!) Lernen Sie einmal die Geschäftsordnung, die Sie selbst beschlossen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Nach welchem


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55. Sitzung / Seite 119

Muster gehen Sie vor? Immer wenn Sie in Bedrängnis kommen, attackieren Sie! Nach Muster 378! Immer dasselbe! Eigenartig!)

Es ist hochinteressant, dass Sie beim Thema "Recht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen" plötzlich das Thema "Volksbegehren" entdecken und sagen, 24 Volksbegehren hätten kein Ergebnis gebracht. Da frage ich Sie: Wer hat denn damals regiert? Waren nicht Sie damals in der Regierung? Oder haben Sie das schon vergessen? Das ist natürlich schon bedenklich! (Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka. )

Selbstverständlich, dieses Hohe Haus ist auch dazu da, dass man Fragen stellen kann. Oder ist das jetzt plötzlich untersagt? Ich sage Ihnen, Herr Kollege Kostelka: Ich kann Ihre Wortmeldungen zu diesem Thema aus dem Jahre 1999 zitieren und auch jene des Präsidenten Fischer, wie er zu diesem Problem gestanden ist. (Abg. Dr. Kostelka: Machen Sie es, was Sie gesagt haben, oder machen Sie es nicht?)

Damals hat er, Präsident Fischer, Ihnen in der Gesinnung nicht fernstehend, Folgendes gesagt:

"Wenn man nun dieses Minderheitsrecht konstruiere, werde man allerdings unleugbar Probleme haben. Man könnte sich darüber einigen" – philosophierte er weiter –, "dass ein Untersuchungsausschuss, wenn möglich, auf Grund eines Konsenses zu einem aktuellen Fall eingesetzt werden soll."

Wissen Sie, was Konsens bedeutet? – Konsens bedeutet letztlich Einstimmigkeit. Das wird Ihnen doch nicht fremd sein. (Abg. Dr. Kostelka: Ihr sucht doch nicht Einstimmigkeit!) Konsens bedeutet sicherlich nicht ein Minderheitsrecht.

Präsident Dr. Fischer hat das damals bestenfalls noch als "subsidiäres Recht" gesehen, wie er dann weiter ausführte. Eben aus dieser Fülle der Probleme, die es unwidersprochen gibt, wurden Erfahrungsberichte eingeholt, wurden Experten und ausländische Parlamentarier gehört. Wir haben das alles hinter uns. Wir haben sehr viele Standpunkte gehört, und nun – und das ist das Entscheidende; auch in der damaligen Debatte im Dezember 1999, was gar nicht lange her ist, war man übereingekommen, dass man einmal an einem Probefall oder an einem Anlassfall dieses neue Instrument testen soll, und dabei sind wir ja gerade – gibt es einen Untersuchungsausschuss, und wir schauen uns die Verfahrensergebnisse an.

Bei einem Untersuchungsausschuss – das sollte ein Minderheitsrecht sein, da ist unsere Meinung nach wie vor ungebrochen – kommt es nicht so sehr darauf an, ob die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein Mehrheits- oder Minderheitsrecht ist. Das ist schon auch wesentlich, keine Frage, aber viel wesentlicher ist doch, wie die Verfahrensordnung gelebt wird, wie im Ausschuss die Beschlussfassungen erfolgen, wo im Ausschuss die Abgrenzung zwischen Mehrheits- und Minderheitsbeschlüssen stattfindet.

Wenn man es nämlich so löst, wie es jetzt der Wiener Landtag gelöst hat – auch im Wesentlichen letztlich in einer Ho-ruck-Aktion –, dass man zwar die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erstmalig zulässt, im Ausschuss selbst aber dann alles so streng normiert, dass es letztlich für die Minderheit kaum möglich ist, Kontrolle auszuüben, dann hat das mit Demokratie nichts zu tun. So wollen wir es nicht lösen!

Wenn man im Beipack, so wie es die Sozialdemokraten in Wien gemacht haben, Oppositionsrechte noch daneben beschneidet, indem man außerordentliche Plenarsitzungen einschränkt und Ähnliches, dann schießt man über das Ziel hinaus, dann hat man in Wirklichkeit die Opposition geschwächt. Das wollen wir nicht! Wir sind lange genug in Opposition gewesen und haben diese Probleme alle erkannt. Es kommt auf den gelebten Inhalt an. Und da sind die Sozialdemokraten immer anderer Meinung, egal, ob sie jetzt in den Oppositionsreihen sitzen oder auf der Regierungsseite. So darf es nicht sein!

Sie selbst bejammern in Einhelligkeit mit den Grünen permanent, an nahezu jedem Plenartag, dass die Geschäftsordnung restriktiv ist. Diese Geschäftsordnung haben Sie und die Grünen gemeinsam mit der ÖVP beschlossen – gegen den Willen der Freiheitlichen. Heute leben Sie


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relativ schlecht mit dieser Geschäftsordnung, aber Sie haben sie beschlossen. Ich habe hier von diesem Rednerpult aus damals schon gesagt: Beschließen Sie diese Geschäftsordnung in dem vollen Bewusstsein, Sie könnten auch einmal in der Opposition sein! Sie haben diesen meinen Rat nicht beherzigt. (Abg. Ing. Westenthaler: Und jetzt ist es so weit!) Jetzt ist es so weit. Und Sie werden es verstehen müssen, dass jetzt die beiden Regierungsparteien gemäß der von Ihnen beschlossenen Geschäftsordnung in diesem Hohen Haus agieren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Martin Graf (fortsetzend): Das muss und wird zulässig sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Gleiche Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

16.04

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Das jeweils oppositionelle Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Recht einer qualifizierten Minderheit wird seit sehr langem immer wieder in diesem Haus diskutiert. Es ist hier gesagt worden, der jeweilige Standpunkt bestimme die Haltung. (Abg. Dr. Khol: Standort !) Das mag schon so sein, aber ich erinnere mich, Herr Dr. Khol, sehr gut auch daran, dass Zusagen gemacht worden sind, und ich bedauere es, dass diese so schnell in Vergessenheit geraten, und zwar jenseits der Standpunkte als Regierungs- oder Oppositionspartei. Da waren es auch Sie, Herr Dr. Khol, der damals – ich kann mich noch gut erinnern, wir sind im Lokal VII gesessen – gesagt hat, wenn es Schutzrechte für Zeuginnen und Zeugen und wenn es eine neue Geschäftsordnung gibt, dann stehe grundsätzlich der Möglichkeit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen auf Antrag der Minderheit nichts mehr entgegen.

Seither ist vieles passiert, an dessen Klärung die Öffentlichkeit großes Interesse hat: Skandale, Vorfälle, die bis heute nicht aufgeklärt sind; von den politischen Hintergründen der Kurdenmorde über die Verflechtungen im Bankenbereich, die beim Praschak-Selbstmord hervorgekommen sind, über Lassing bis hin jetzt zu den Verflechtungen im Agrarbereich, zu den Medikamenten-Skandalen, wo ganz offenkundig ist, dass es da Konnexe in die Politik hinein gibt, die hoffentlich strafrechtlich nicht relevant sind, aber wahrscheinlich politisch.

Das haben Sie zugesagt, aber dieses Versprechen ist von Ihnen gebrochen worden. Wir nehmen das zur Kenntnis, aber eines werden Sie auch zur Kenntnis nehmen müssen: dass wir nicht locker lassen und hier so lange Fragen dazu stellen werden, bis Sie auch aus der Öffentlichkeit so laut gestellt werden, dass Sie diese Untersuchungsausschüsse werden einrichten müssen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das wird Ihnen nicht gelingen!)

Das werden wir ja sehen! Es gibt ein paar Fragen, die Sie zwar mit großem Bestreben unter den Teppich zu kehren versuchen, aber das öffentliche Interesse lässt sich nicht so leicht beschwindeln. Das ist nicht so leicht zu erreichen, wie Sie offenbar gegebene Versprechen brechen.

Es ist mir aber am Ende dieser kurzen Kurzdebatte doch noch wichtig, eine kurze Bemerkung zum Stil in der vorangegangenen Kurzdebatte zu machen. Da hat Herr Abgeordneter Firlinger an die Adresse meiner Kollegin Eva Lichtenberger gesagt, sie hätte sich, als sie diesen Antrag gestellt hat, vorher nicht genügend schlau gemacht, und er hat, als er dann an das Rednerpult trat, gesagt, so, jetzt solle es wieder zu einer Versachlichung kommen.

Wir kennen von Männern diese Art, Diskussionen gegenüber Frauen zu führen, zur Genüge. (Ah-Rufe bei den Freiheitlichen. – Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Von der Art der Argumentation, jenseits Ihres guten Rechts, anderer Meinung zu sein, lebt Demokratie, und davon lebt auch die Debatte in diesem Hause, aber gerade an die Adresse einer sehr kompetenten Frau, die sich sehr lange mit diesen Fragen beschäftigt hat, derartige Worte zu gebrauchen, das ist eine Art von politischem Mobbing, das ist sexistisch (ironische Heiterkeit bei


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den Freiheitlichen), das ist impertinent, das ist plump, deplatziert und absolut entbehrlich – und da bin ich noch sehr höflich. Diese Art und Weise werden Sie sich auch noch abgewöhnen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Haigermoser: Ach so! Geh! Was machen Sie noch? Wollen Sie auch die Mundbirne einführen nach dem Muster der maria-theresianischen Halsgerichtsordnung?)

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher diese Kurzdebatte.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen nun zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 18/A der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen eine Frist bis zum 1. Mai dieses Jahres zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag auf Fristsetzung zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag hat nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die dritte Kurzdebatte betrifft den Antrag der Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 98/A der Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler eine Frist bis zum 30. Juni 2001 zu setzen.

Darüber werden wir jetzt die Debatte durchführen und nach Schluss der Debatte abstimmen.

Wir gehen in die Debatte ein. Der Erstredner hat eine Redezeit von 10 Minuten.

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Khol.

16.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Meine Damen und Herren! Ciceros Reden – eine der bekanntesten beginnt mit "Quousque tandem ... Catilina ...". (Zwischenruf des Abg. Dr. Gusenbauer. ) Wie lange noch, Herr Kollege Kostelka, werden Sie unsere Geduld in Anspruch nehmen? (Abg. Dr. Kostelka: Akzeptieren Sie einen Termin!) Ich habe also Catilina mit Kostelka verglichen, und das ist schon sehr ehrend für ihn. Herr Vorsitzender des Verfassungsausschusses: Wie lange noch werden Sie unsere Geduld in Anspruch nehmen und unsere Anträge vom 1. März 2000 nicht auf die Tagesordnung des Verfassungsausschusses setzen? (Abg. Dr. Kostelka: Das ist die Unwahrheit zum System erhoben!) Am 1. März 2000 haben wir diese Anträge eingebracht – und bis heute stehen sie nicht auf der Tagesordnung. Wir haben heute beantragt, dem Verfassungsausschuss eine Frist zu setzen: Bis zum 30. Juni soll er berichten, sonst, Herr Kollege Kostelka, werden wir auch ohne Ihren Bericht hier im Plenum über die Anträge abstimmen, denn unsere Geduld hat ein Ende. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Am 22. September 2000 haben wir in der Präsidialsitzung angeregt, dass man alle wichtigen Verfassungsmaterien nach Körben ordnet und dann Unterausschüsse einsetzt. Kollege Kostelka hat gesagt, bis zum 11. Oktober werde er das vorlegen. Die Mühle hör’ ich wohl, allein ich seh’ kein Mehl. Wir haben diese Vorschläge immer noch nicht! (Abg. Dr. Kostelka: Am 1. Oktober haben Sie den Brief gekriegt!) Am 11. Oktober 2000 habe ich die Fragen noch einmal thematisiert. Daraufhin wurden von der SPÖ Gespräche auf Fraktionsebene angeregt. (Abg. Dr. Kostelka verlässt den Sitzungssaal.)  – Na ja, er kann sich die Liste seiner Missetaten nicht anhören. Er verlässt fliehend die Walstatt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In der Präsidialsitzung vom 19. Dezember habe ich dieses Thema neuerlich angeschnitten. Daraufhin hat Kollege Kostelka gesagt, er werde mit der Fraktionsführerin Dr. Baumgartner Gespräche führen. Die Gespräche wurden immer noch nicht aufgenommen, wir haben keine Termine bekommen.


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55. Sitzung / Seite 122

Meine Damen und Herren! Wir lassen es nicht zu, dass wichtige Forderungen an unsere Bundesverfassung mit weniger wichtigen junktimiert werden und Ausschussberatungen nur stattfinden, wenn wir diese Junktims akzeptieren. Das werden wir nicht gestatten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Und Sie bestimmen, was wichtig ist?!)

Die Italiener haben ein Sprichwort: Quando il sol‘ tramonta l‘asino s‘impunta! Übersetzt, auf Deutsch: Am Abend wird der Faule fleißig! Erst als wir diesen Fristsetzungsantrag angekündigt haben, ist Herr Kostelka plötzlich fleißig geworden, und er hat heute Fristsetzungsanträge auf die Tagesordnung gesetzt, die sonst nie auf die Tagesordnung gekommen wären. Nur unterscheiden sich diese von den unseren: seine werden abgelehnt, und unsere werden angenommen. Das ist eben der Unterschied. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben auch plötzlich einen Brief bekommen, man könnte eine Sitzung des Verfassungsausschusses am 2. Februar abhalten, also übermorgen. "Wenn die Sonne zwischen den Bergen ist, wird der Esel fleißig!" – so lautet das italienische Sprichwort. Gegen Ende der Woche sollen wir das machen. Plötzlich gibt es Termine, weil man natürlich das Licht der Öffentlichkeit scheut. – So wird das aber nicht gespielt werden!

Wir haben am 1. März 2000 Anträge gestellt, die folgenden Inhalt hatten: Wir wollen, dass Volksbegehren, die von 15 Prozent der Wahlberechtigten unterstützt werden, zwingend zu einer Volksabstimmung führen. Eigentlich wollten wir 10 Prozent. Aber als wir das seinerzeit mit den Sozialdemokraten für eine gemeinsame Regierungsprogrammatik vereinbart haben, haben die Sozialdemokraten gesagt: 10 Prozent – das kommt überhaupt nicht in Frage. Wir können nur 15 Prozent machen. – Gut, haben wir gesagt, wenn wir damit die Verfassungsmehrheit bekommen, 15 Prozent. Auch da muss ich sagen, dass die größeren Volksbegehren natürlich alle zur Volksabstimmung geführt hätten, denn bei zirka 5 Millionen Wahlberechtigten sind das 750 000 Unterschriften; das Frauen-Volksbegehren, das Tierschutz-Volksbegehren, das Atom-Volksbegehren, eine ganze Reihe von Volksbegehren hätte dann zu einer Volksabstimmung geführt.

Präsident Fischer und Herr Gusenbauer sind ja auch zu Anhängern der direkten Demokratie geworden. Die letzten Anregungen zu Volksabstimmungen kamen von diesen beiden Herren in der Frage der Budgetbegleitgesetze. Wenn man hier für die direkte Demokratie ist, dann bitte immer und überall – und nicht nur dann, wenn man sicher ist, dass der eigene Vorschlag – hoffentlich, Gott sei Dank! – ohnehin abgelehnt wird. So war es doch bitte! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Vorschlag war die Einführung der Briefwahl. Natürlich brauchen wir dringend die Briefwahl, die durch ein Verfassungsgesetz einzuführen ist, weil der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, das müsse so sein. Österreich ist eines der ganz wenigen Länder, das die Briefwahl nicht kennt. In anderen Ländern stimmt man schon per E-Mail ab, und wir fahren immer noch mit der Postkutsche. Das ist ja unglaublich! Und warum? – Weil die Sozialdemokraten mir gesagt haben: Das kostet uns ein Mandat. (Abg. Schieder: Nein!)  – Zwei, meinen Sie, Kollege Schieder? Ich weiß das nicht. (Abg. Schieder: Nein, eben nicht!) Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so pessimistisch. (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Stellen Sie gleich auf E-Mail um!)

Aber das kann doch nicht wirklich davon abhängen, ob es ein Mandat bringt oder nicht, sondern man muss doch danach trachten, dass möglichst viele Menschen von ihrem demokratischen Grundrecht Gebrauch machen können. Daher werden wir für die Briefwahl eintreten, mit allem, was wir können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sicher! Überhaupt kein Problem!) Das werden wir sehen! (Abg. Dr. Gusenbauer: Wenn Sie sehen können, werden Sie sehen!) Spätestens am 30. Juni werden wir über die Briefwahl abgestimmt haben, und dann werde ich sehen, Kollege Gusenbauer, ob Sie der Einführung des Briefwahlrechtes zustimmen oder nicht.

Interessant ist ja auch, dass bei dieser Fristsetzungsdebatte zuerst über den Untersuchungsausschuss geredet wurde. Bitte: Die Briefwahl haben wir nicht, aber einen Untersuchungs


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ausschuss haben wir, einen guten Untersuchungsausschuss, er arbeitet gut. Darüber hat niemand von Ihnen geredet. Sie haben alle vom Demokratiepaket geredet. Das ist natürlich die wichtige Frage.

Interessant ist ja auch, dass die Sozialdemokratie über einen Fristsetzungsantrag eine Debatte verlangt hat, welche die Geschäftsordnung betrifft, aber über einen zweiten Fristsetzungsantrag keine! Das ist die Fristsetzung betreffend Tierschutz. Und da, denke ich, hat diesmal die Klubführung der Sozialdemokratie klug gehandelt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das verstehe ich: Der arme "Grolli"! – Abg. Schwarzenberger: Total abgemagert!) Wenn ich mir anschaue, was in den Zeitungen steht, was in "NEWS" dazu steht, dass nämlich der so genannte First Dog "Grolli", der in dieser Republik berühmt geworden ist, seit Monaten allein in einem Bauernhof im Südburgenland ohne Bezugsperson dahinvegetieren muss – ein Auge ist blutunterlaufen, wahrscheinlich hat er Flöhe, und eine fremde Person bringt ihm einmal am Tag Frolic oder Trockenfutter oder wie das alles heißt –, muss ich sagen: Wer Wasser predigt und Wein trinkt, ist unglaubwürdig! (Abg. Silhavy: Gratuliere zu Ihrem "Niveau"!) Wer Tierschutz verlangt und einen Hund so behandelt – nein, das ist nicht richtig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin mit Tieren aufgewachsen, ich bin für Tierschutz. Ich bin dafür, dass man auch die Haustiere besser schützt. Aber das macht man, indem man die Tiere besser pflegt – und nicht damit, dass man Fristsetzungsanträge stellt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: War das jetzt ein Angebot? Nehmen Sie den "Grolli"?)

Das ist eben der Unterschied. Die einen stellen Anträge, von denen sie wissen, dass sie nicht angenommen werden – und die anderen handeln. Wir glauben, dass es besser ist, Tiere gut zu behandeln, als Fristsetzungsanträge zu stellen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Sie nehmen also den "Grolli" in Obhut?)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach der Geschäftsordnung kann eine Fraktion gar nicht zwei Debatten zu Fristsetzungsanträgen in einer Sitzung abhalten lassen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Die Redezeiten betragen ab jetzt 5 Minuten. – Bitte.

16.20

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den Thesen des Spanners des Verfassungsbogens, des Klubobmannes Khol – das meiste kann er ja nicht ernst gemeint haben, was er gesagt hat –, zurück zu den Niederungen der Praxis. Weg, Herr Klubobmann Khol, von Ihren Thesen hin zu den Unterlassungen und Handlungen von Ihnen hier im Parlament! Wenn Sie glauben, dass Sie mit ein bisschen Latein, ein bisschen Italienisch und ein bisschen Englisch über die Wirklichkeit hinwegtäuschen können, dann irren Sie sich. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wohin sich die Demokratie tatsächlich entwickelt, werde ich Ihnen jetzt an einigen Beispielen erläutern:

Heute zum Beispiel beklagt Frau Baumgartner im Zusammenhang mit dem ORF-Disput, dass die SPÖ angeblich nicht zu Terminen bereit sei. – Ja, meine Damen und Herren, wer ist denn seit April 2000 nicht bereit, einem Termin zu einer Sitzung des Unterausschusses zum Tierschutz zuzustimmen? Wer verhindert denn Woche für Woche, Monat für Monat, ja schon ein Jahr diesen Termin? Ist es nicht dieselbe Frau Dr. Baumgartner mit Hilfe von Klubobmann Khol? Meine Damen und Herren! Sie fordern Sitzungen ein, wo es Ihnen passt, und Sie blockieren Sitzungen, wo es Ihnen nicht passt, nämlich beim Thema Tierschutz, wo sie dringender denn je wären. Und Sie wollen die Demokratie weiter entwickeln?

Herr Klubobmann Khol! Wie schaut es auf Ebene der Regierung aus? Überfallsartig, meine Damen und Herren, hat die Frau Vizekanzlerin im Ministerrat ein Gesetz zur Sportförderung eingebracht, ohne Begutachtung, ohne mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen. Jetzt werden Sie sagen: Das ist rechtlich zulässig. Nur, meine Damen und Herren, ist es demokratiepolitisch


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legitim, dass der Ausschussvorsitzende Grollitsch von der FPÖ diesen Entwurf inhaltlich lobt, obwohl Oppositionsabgeordnete diesen Entwurf gar nicht gesehen haben? (Rufe bei der SPÖ: "Grolli!") Ist es demokratiepolitisch legitim, dass die Regierungsfraktionen die Unterlagen erhalten, die Opposition jedoch nicht? – Und es ist bezeichnend, dass die Frau Vizekanzlerin gemeint hat: Ja, was wollen Sie denn, das ist doch ohnehin schon lange bekannt, dass ich mit dem komme.

Meine Damen und Herren! Das ist eine Weiterentwicklung der Demokratie, dass die Regierungsfraktionen Unterlagen bekommen, aber die Opposition nicht? Wissen Sie, was die Frau Vizekanzlerin heute hier gesagt hat? – Sachpolitik komme bei ihr vor Parteipolitik. Meine Damen und Herren, das richtet sich ja wohl von selbst! (Beifall bei der SPÖ.)

Um Klubobmann Khol noch einen Gefallen zu tun: Reden wir über den Untersuchungsausschuss! Den Vorsitz hatte ja der Abgeordnete Haupt, meine Damen und Herren. Es ist natürlich demokratiepolitisch auch nicht ohne, dass ein Regierungspolitiker hier in einem Kontrollbereich den Vorsitz führt. Alle Bedenken wurden natürlich weggewischt. Gerade Haupt hat uns immer in Schalmeientönen erklärt, wie er sich Demokratie vorstellt. Wir alle erinnern uns an diese Wortschleifen. Nimmermüde hat er uns erklärt, wie er sich Demokratie vorstellt. Und jetzt als Minister? Meine Damen und Herren! Jetzt hat er sein wahres Gesicht gezeigt. Er ist entlarvt als ganz brutaler Machtpolitiker. Nehmen Sie das zur Kenntnis, meine Damen und Herren von der FPÖ! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: "Brutaler Machtpolitiker"?)

Aber es kommt ja noch besser: Wer folgte denn nach im Untersuchungsausschuss? Ein Oppositionspolitiker? Jemand von der SPÖ? Jemand von den Grünen? – Nein, meine Damen und Herren, die Wahlkämpferin Partik-Pablé ist die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Das muss man sich einmal vorstellen! Was wird Sie dort tun? Sie wird den Vorsitz führen, sie wird dort anklagen, kommentieren, urteilen, verurteilen. (Abg. Dr. Mertel: Inquisition!)  – Inquisition in Reinkultur, meine Damen und Herren! Das einzig Positive ist, dass die Karikaturisten in Österreich derzeit Hochkonjunktur haben. Aber das ist immer ein schlechtes Zeichen für die Demokratie.

Meine Damen und Herren! Auch in Kabaretts gibt es viel politischen Stoff. Aber auch das ist meistens ein Vorbote von finsteren Zeiten. Herr Klubobmann Khol! Sie verlangen Zustimmung zu Ihren Plänen, was die Machtübernahme im ORF betrifft, was die Scheindemokratie mit Ihrem Antrag betrifft, und Sie verweigern zugleich der Opposition das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, ein ganz elementares Recht. (Abg. Dr. Khol: Wir haben doch einen Untersuchungsausschuss!) Und ich mache Sie darauf aufmerksam, Herr Klubobmann Khol, es versteht jedermann, dass die Kontrolle in einem Staat nicht die Mächtigen selbst besorgen sollen, sondern die Opposition.

Sie fordern die Briefwahl. Diese ist ziemlich umstritten, da muss man noch viel diskutieren: persönliches Wahlrecht, geheimes Wahlrecht und vieles mehr. Und nicht einmal Strafbestimmungen stehen in dem Entwurf, meine Damen und Herren! Wo ist denn eigentlich der Justizminister? Lassen Sie mich auch das noch sagen: Das war ein demokratiepolitisches Schelmenstück, das Sie hier aufgeführt haben, dass Sie den parteiunabhängigen Minister Michalek in die Wüste geschickt und den Parteianwalt der FPÖ auf die Regierungsbank gesetzt haben.

Meine Damen und Herren! Angesichts all dessen soll die SPÖ Vertrauen haben bei sensiblen Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit Wahlrechten zu klären sind? Meine Damen und Herren! Zu Ihrem Antrag kann es keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Eine Neinsager-Partei! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Er hat das Wort.

16.25

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Einen kleinen Nachtrag zu meinem Klubobmann Dr. Khol in der Angelegenheit "Grolli". Es soll der guten Ordnung halber erwähnt sein: Wenn Klima den "Grolli" schon allein in Limbach verkümmern


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lässt, dann hat sich zumindest der schwarze Ortsvorsteher erbötig gemacht, "Grolli" zu pflegen. Das ist koalitionäre Eintracht, wie es früher einmal der Fall war, am Beispiel eines armen Hundes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Kostenlos macht er das!)  – Und das macht er noch dazu kostenlos. Nein, der Wahrheit muss Genüge getan werden, unser Ortsvorsteher macht das kostenlos: aus reiner Liebe zu diesem Tier.

Aber zur Sache. Der Vorredner hat in der Angelegenheit "Briefwahl" gleich einmal in Bausch und Bogen gesagt: Das ist nichts, das passt nicht, das wird nichts. Ich weiß nicht, welche Kontakte Kollege Kostelka und auch Kollege Kräuter mit den Basisfunktionären in der SPÖ haben. Wo auch immer ich mit Funktionären, Parteiobmännern, Bürgermeistern, Vizebürgermeistern an der Basis geredet habe, zum Beispiel bei uns im Burgenland, etwa mit dem neuen Landeshauptmann von der SPÖ, als er noch Bürgermeister war, hat es immer genau gleich lautend wie bei uns in der ÖVP geheißen: Wir brauchen die Briefwahl, weil es jenes Instrument ist, das als Einziges garantiert, dass alle Österreicher, alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger ihr Wahlrecht am Wahltag ausüben können, wenn sie nicht zu Hause sind. (Abg. Bures: Wie waren die Wahlen im Burgenland?) Und wir glauben, dass wir mit diesem Briefwahlvorschlag genau in diese Kerbe schlagen. Ich nehme einmal an, dass Sie Ihr Ohr da oben in Wien nicht mehr dort haben, wo die Basis argumentiert. (Abg. Bures: Die Wahlergebnisse im Burgenland sprechen eine andere Sprache!)

Ich bin überzeugt davon, dass, wenn beispielsweise die Kollegen aus dem Burgenland zu diesem Thema redeten, sie mir Unterstützung in meiner Argumentation gäben. In Wirklichkeit ist es doch so: Senioren, denen es gut geht, verreisen an Wahlsonntagen. Wochen und Monate vorher wurden diese Reisen geplant. Sie können nicht wählen, weder bei Nationalratswahlen noch bei Bundespräsidentenwahlen, noch bei Landtagswahlen, geschweige denn bei Gemeinderatswahlen. Und Unternehmer beispielsweise, die sich auf Messen im Ausland befinden – nein, sie haben kein Wahlrecht an diesen Tagen. Und wie ist es beispielsweise mit Menschen, die im Krankenhaus liegen? Natürlich können sie, wenn sie in Wien im AKH liegen, ihr Recht als Gemeindebürger bei einer Gemeinderatswahl nicht ausüben. Und selbstverständlich ist es auch nicht möglich, wenn Privatpersonen auf Urlaub fahren, irgendwohin in die weite Welt – und wir vergönnen es ihnen ja, dass es ihnen gut geht –, dass sie ihr Wahlrecht ausüben. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Mit der Argumentation, dass dies Schein demokratie sei, demaskiert sich ein Kostelka, demaskiert sich eine SPÖ, denn das ist alles andere als scheindemokratisch. Das ist basis demokratisch! Das will der Bürger von uns, und das ist Wahlrecht, wie wir es dem Bürger auch in die Hand geben wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen also beim Briefwahlrecht drei Positionen argumentieren. Wir treten mit Ihnen in die Gespräche ein, und wir sind zuversichtlich, dass jene, die die Basisfunktionäre repräsentieren, genau in unsere Richtung hin mitstimmen werden. (Abg. Dr. Gusenbauer: Da sollten Sie sich nicht täuschen!) Wir wollen, dass an Wahltagen in Zukunft keine Österreicherin, kein Österreicher – egal, ob bei einer bundesweiten Wahl, bei einer Landeswahl oder bei einer Gemeinderatswahl – ihr beziehungsweise sein Wahlrecht auf Grund dessen, dass wir kein Briefwahlrecht haben, versäumt.

Wir wollen als Zweites, dass das Auslandsösterreicher-Wahlrecht, das ein relativ kompliziertes ist, entfällt, und wir wollen als Drittes, dass das Wahlergebnis bereits am Wahltag definitiv für endgültig erklärt werden kann. (Abg. Parnigoni: Na freilich! Zuerst wollt ihr schwindeln und es dann gleich bestätigen lassen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, wenn Sie den Entwurf gelesen haben, Kollege Gusenbauer, werden Sie auch sehen, mit welchen vernünftigen, nachvollziehbaren, von der Gemeinde her instruierten Schritten die Auslandsösterreicher in diese Richtung hin geführt werden können, genau wie auch alle Inländer. Es ist ein guter Weg, der mit diesem Kompendium in die Gespräche eingeführt wird. Ich verstehe es nicht, warum Sie sich wehren. Im Übrigen hatten Sie bei den Verhandlungen, als es darum gegangen ist, ob die SPÖ noch einmal mit der ÖVP in eine große Koalition träte, damals im Jahre 1999 und in den Jännertagen 2000, eigentlich nichts mehr dagegen, der


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Briefwahl zuzustimmen. Wie Klubobmann Khol gesagt hat, es ist Ihnen halt nur um dieses eine Mandat gegangen. Jetzt, da ÖVP und FPÖ gemeinsam diesen Antrag einbringen, bin ich zuversichtlich, dass wir demokratiepolitisch den richtigen Weg gehen, allen Bürgern dieses Landes, allen Österreicherinnen und Österreichern, auch den Auslandsösterreichern auf Dauer das Briefwahlrecht und damit das Wahlrecht bei allen Wahlgängen zu ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Er hat das Wort.

16.30

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser auch von uns Freiheitlichen unterstützte Antrag hat im Wesentlichen die Einführung der Briefwahl zum Schwerpunkt. Die Kollegen von der ÖVP sind schon im Detail darauf eingegangen.

Es geht um mehr direkte Demokratie, indem klargestellt wird, dass Volksbegehren, wenn sie die Zustimmung von mehr als 15 Prozent der Stimmberechtigten bekommen, zwingend zu einer Volksabstimmung führen müssen. Aber es soll im Rahmen dieses Antrages auch über mehr Rechte für die Volksanwaltschaft in Bezug auf die Gesetzesinitiative debattiert werden. Es sollen ferner Petitionen und Bürgerinitiativen nicht mehr mit Ende einer Legislaturperiode verfallen. Es soll sich auch bei der Bestellung von Höchstrichtern endlich einmal etwas in Richtung wirklicher Objektivierung bewegen, meine Damen und Herren. (Abg. Silhavy: So, wie Sie selbst in einem Ausschuss ...!)

Die Redner der SPÖ haben vorhin in ihren Debattenbeiträgen und auch zum Tagesordnungspunkt davor immer wieder das Thema "mehr Demokratie" ins Treffen geführt. Meine Damen und Herren, wir wollen Ihnen deshalb mit diesem Fristsetzungsantrag bis zum 30. Juni die Gelegenheit geben, zu beweisen, dass Sie mehr Demokratie wollen. Dass wir es so beurteilen, dass es nicht zutreffend ist, wenn Sie eine Zustimmung zu dieser Fristsetzung und auch zu den Themen in diesem Antrag nur dann geben, wenn die Geschäftsordnung geändert wird, ist wohl klar, meine Damen und Herren! Sie haben diese Geschäftsordnung gegen die Stimmen von uns Freiheitlichen vor nicht allzu langer Zeit hier im Nationalrat beschlossen. Diese Geschäftsordnung war Ihnen damals recht, deshalb muss sie Ihnen auch heute recht sein.

Wir werden heute den Fristsetzungsantrag zu diesem Demokratiepaket beschließen, und die SPÖ wird sich dann bis zum 30. Juni deklarieren müssen: dass sie gegen eine Verbesserung des Wahlrechts ist, dass sie gegen mehr direkte Demokratie ist, dass sie gegen mehr Rechte für die Volksanwaltschaft, gegen eine verbesserte Behandlung von Petitionen und Bürgerinitiativen und auch gegen eine Objektivierung bei der Bestellung von Höchstrichtern ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

16.33

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist vorhin gesagt worden, dass es im Verfassungsausschuss die Usance gebe, die verschiedenen Materien dann bestimmten Körben, Unterausschüssen zuzuweisen. Das mag bei Regierungsanträgen so sein. Für Oppositionsanträge – und da spreche ich mit größerer Erfahrung als die Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion – haben Sie meistens nur einen anderen Korb bereit. Aber nichtsdestoweniger sollte es möglich sein, über Anträge der Regierung, so sie zu Verbesserungen führen, mitzudiskutieren und daran konstruktiv mitzuarbeiten.

Ein wenig fehlt mir allerdings der Glaube an die Ernsthaftigkeit des Anliegens. Ich habe ein bisschen den Eindruck, Sie sind sich so sicher, dass das auf Grund der innenpolitischen


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Konstellation – der geringen Zuneigung, die die ehemaligen Regierungspartner füreinander empfinden – nicht zustande kommen wird.

Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Dr. Khol. (Abg. Dr. Khol: Bitte!) Wenn es Ihnen ernst ist mit dem Mehr an direkter Demokratie und der Aufwertung von Volksbegehren, die sehr erfolgreich waren und die Latte von 500 000 Stimmen überwunden haben, dann fallen mir dazu ad hoc drei Volksbegehren ein, die seit langem auf eine positive Erledigung warten. Sie haben allesamt diese Hürde genommen, und es bestünde aus meiner Sicht kein Einwand dagegen, sie einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Wir werden Ihnen im Rahmen eines Antrages Gelegenheit geben, darüber abzustimmen, ob Sie denn das Frauen-Volksbegehren, das Tierschutz-Volksbegehren – inklusive "Grolli" – und das Gentechnik-Volksbegehren so behandelt wissen wollen, wie Sie es in Zukunft als generelle Regel vorsehen. Wenn wir das erreichen können, dann steigen wir aber mit Tempo auch in die andere Debatte ein. Also geben Sie sich einen Ruck – hic Rhodus, hic salta –, und stimmen Sie einer Volksabstimmung über diese drei erfolgreichen Volksbegehren zu! (Beifall bei den Grünen.)

In Sachen der sonstigen Vorstöße der ÖVP zur Wahlrechtsreform ersuche ich um eine Klarstellung seitens der ÖVP. Ich habe dieser Tage, mit Schreiben vom 23. Jänner, ein mittlerweile schon ziemlich umfangreiches Konvolut von Stellungnahmen bekommen zur Enquete-Kommission betreffend Wahlrecht und betreffend das Anliegen der ÖVP, eine mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen und Wahlergebnissen durch Veröffentlichung von Meinungsumfragen hintanzuhalten.

Für diejenigen, die das schon wieder vergessen haben – die Politik ist etwas Kurzlebiges –, erinnere ich daran, das war seinerzeit diese ganz ernsthaft vorgetragene Absicht der ÖVP: Wenn wir nicht Nummer zwei werden, dann gehen wir in Opposition! – Wir wissen, dass über dieses Versprechen, diese Zusage der ÖVP in den Medien sehr breit berichtet worden ist und dass das natürlich auch das Augenmerk auf die Meinungsumfragen gelenkt hat. Das Ergebnis ist bekannt: Die ÖVP wurde Nummer drei und sitzt in der Regierung.

Dann hat sie uns mit dem Ansinnen konfrontiert: In Zukunft soll man das aber nicht mehr machen dürfen, solche Meinungsumfragen, die unter Umständen schädlich sein können, zu veröffentlichen. – Darüber machen Sie eine Enquete-Kommission, und das wird – wenn es zu dem Ergebnis führt, dass die Nationalratswahlordnung geändert werden muss – selbstverständlich entsprechende legistische Konsequenzen haben.

Jetzt frage ich Sie, was Sie wollen. Wollen Sie jetzt wieder – so wie beim ORF – den Schnellschuss, bevor wir dieses Gutachten abwarten und die Enquete-Kommission machen, quasi eine Enquete ad pompam velat ostentationem? Oder wollen wir wirklich auch über die Expertenmeinungen ernsthaft reden? – Ein wenig Klarheit, bitte, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! (Beifall bei den Grünen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: In dieser Kurzdebatte ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 98/A der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler eine Frist bis zum 30. Juni des heurigen Jahres zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.


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Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen als Nächstes zur Kurzdebatte betreffend den Antrag des Abgeordneten Öllinger, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 16/A ebenfalls eine Frist zu setzen, und zwar bis zum 1. März 2001. Nach Schluss der Debatte wird die Abstimmung durchgeführt werden.

Ich gehe in die Debatte ein, erteile das Wort dem Abgeordneten Öllinger und weise darauf hin, dass seine Redezeit 10 Minuten beträgt.

16.39

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Nachdem Sie, Herr Präsident, schon die Frist bis zum 1. März angesprochen haben, möchte ich gleich noch einmal darauf zurückkommen. Wie Sie vielleicht wissen, geht mit dem Schreiben der Europäischen Kommission an die Republik Österreich, das im Dezember 2000 an das Außenministerium gerichtet wurde, ein relativ mühseliger Prozess der Auseinandersetzung mit der Republik über die Einhaltung der EU-Verträge in einem Punkt in eine entscheidende Phase.

In dem Schreiben teilt die Kommission der Republik mit, dass sie innerhalb einer Frist von zwei Monaten – diese geht mit Ende Februar zu Ende, darum auch unsere Fristsetzung mit 1. März – die Republik auffordert, bis 1. März beziehungsweise Ende Februar entscheidende Schritte zu setzen, die garantieren, dass Österreich bezüglich des passiven Wahlrechts bei Arbeiterkammer- und Betriebsratswahlen für EU-, EWR- und assoziierte BürgerInnen den Vertragsverpflichtungen nachkommt.

Diese Auseinandersetzungen zwischen Österreich und der Europäischen Kommission gehen schon auf das Jahr 1997 zurück. Ein erstes Schreiben – Österreich erklärt: Ja, wir machen ohnehin etwas. Es folgte ein zweites Schreiben – Österreich erklärt: Wir hätten ohnehin etwas gemacht, aber wir waren uns nicht darüber einig, wie wir das machen sollten. Danach erging ein drittes Schreiben – Österreich erklärt: Ja, wir sind noch nicht weitergekommen.

Danach kam es zu einem Schreiben vom 20. Jänner 2000 – das ist jetzt auch schon mehr als ein Jahr alt – an die Republik. Dieses Schreiben wurde vom Bundeskanzler im Februar 2000 beantwortet, und zwar am 15. Februar. Es ist interessant, was der neue Bundeskanzler Dr. Schüssel darauf antwortete: Was die vorgesehene Änderung des Arbeiterkammergesetzes und des Arbeitsverfassungsgesetzes betrifft, wird ein Entwurf des zur legistischen Vorbereitung zuständigen Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales übermittelt.

Na ja, ich würde sagen: eine glatte Halbwahrheit, meine Damen und Herren, mit der da geantwortet wurde! Natürlich gab es diesen Entwurf des Sozialministeriums. Aber wie Kollege Feurstein sicher weiß, war zu diesem Zeitpunkt über den Entwurf schon längst entschieden. Es gab nämlich schon im Jahr 1998 eine Entscheidung im Parlament, mit der der Entwurf des Sozialministeriums wieder verworfen wurde, und zwar auf Drängen von ÖVP-Ministern in der Bundesregierung, speziell eines damaligen ÖVP-Ministers, des Herrn Fasslabend. Er wollte nicht, dass Österreich den Anforderungen der europäischen Verträge – aber, meine Damen und Herren, nicht nur Anforderungen Europas und der Europäischen Union, sondern eigentlich auch einem demokratischen Selbstverständnis – Rechnung trägt.

Ein demokratisches Selbstverständnis dieser Republik würde es doch gebieten – wir haben das anlässlich einer Debatte vor ein paar Monaten schon diskutiert; Herr Kollege Graf ist jetzt gerade nicht sichtbar –, und es würde quasi schon als selbstverständlich gelten, dass diejenigen, die hier beschäftigt sind und hier arbeiten, bei Wahlen, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit stehen, ihr Wahlrecht ausüben können, und zwar auch ein passives, also selbst kandidieren können.

Der Bundeskanzler übermittelt also im Jahre 2000 ein Schreiben, in dem steht, dass es da ohnehin schon einen Entwurf gebe. Er schreibt nicht dazu, dass dieser Entwurf aus dem Jahr 1998 stammt und von der ÖVP – von der ÖVP, die er selbst repräsentiert – schon längst niedergestimmt wurde. Na, was ist das, meine Damen und Herren von der Österreichischen


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Volkspartei? Ist das die Wahrheit, ist sie es auf diese Art und Weise? Glauben Sie wirklich, dass man die Europäische Kommission für dumm verkaufen kann? Dass man ihr schreiben kann: Ja, es wird ohnehin an dem Thema gearbeitet – obwohl schon längst klar ist, dass von diesen beiden Parteien niemand das passive Wahlrecht haben will?

Dann schreibt er noch dazu: Es ist jedoch zu betonen, dass über eine Änderung dieser Gesetze bisher keine politische Einigung erzielt werden konnte. – Besonders amüsant und interessant ist, er schreibt, dass auch die weitere Vorgangsweise des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Hinblick auf die Neubildung der Bundesregierung derzeit noch nicht abgeschätzt werden kann.

Das war Mitte Februar – da hat man alles abschätzen können! Da gab es schon die Koalitionsvereinbarung, und dort stand nicht, dass die österreichische Bundesregierung dem Rechnung tragen wird. Es stand aber auch nicht drin, dass sie dem nicht Rechnung tragen wird. Allerdings, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben Sie eine Präambel unterschrieben, die Sie eigentlich dazu verpflichten würde.

Abschließender und beruhigender Satz: Die Republik Österreich wird die Europäische Kommission jedoch über die weiteren Entwicklungen jedenfalls auf dem Laufenden halten. – Nun, da nichts ins Laufen gekommen war, konnten Sie die Europäische Kommission offensichtlich auch nicht auf dem Laufenden halten. Wir halten nach wie vor bei dem Stand, dass diese beiden Parteien kein Interesse daran haben, ein demokratisches Recht für Arbeitsmigranten und -migrantinnen hier in unserem Land zu verwirklichen.

Da möchte ich Sie doch noch mit einer interessanten Entwicklung in der Gemeinde Wien bekannt machen. Dem "Kurier" von heute ist Folgendes zu entnehmen: Rot-schwarze Annäherung in der Integrationspolitik.

Sie wissen, wie die Vorsituation war: Die Österreichische Volkspartei wollte immer – auch aus nahe liegenden Gründen, aber dennoch im Prinzip genauso richtig, wie wir das auch fordern – die Öffnung der Gemeindebauten für Ausländer, wollte aber nie ein kommunales Wahlrecht für Ausländer. Die Sozialdemokratische Partei wollte – auch aus nahe liegenden Gründen, aber nichtsdestotrotz weniger unrichtig – dieses kommunale Wahlrecht, aber nicht die Öffnung der Gemeindebauten.

Man glaubt es kaum – vor allem hier herinnen dürfte das kaum jemand von den Regierungsparteien verstehen –, aber die beiden Parteien sind offensichtlich einer Einigung darüber, dass in Wien beides möglich sein soll, kommunales Wahlrecht und die Öffnung der kommunalen Bauten, sehr nahe gekommen. Interessant ist auch, was Herr Görg dazu sagt: Die VP habe kein Problem damit, eine solche Regelung, nämlich das kommunale Wahlrecht, im Gleichklang mit anderen EU-Staaten umzusetzen.

Herr Görg spricht offensichtlich nur für die Wiener ÖVP. Die Bundes-ÖVP hat ja ein großes Problem und große Widerstände, die Regelung des passiven Wahlrechtes bei Arbeiterkammerwahlen, aber auch bei allen anderen Kammerwahlen, auch bei den Hochschülerschaftswahlen umzusetzen (Beifall bei den Grünen), obwohl da der Gleichklang mindestens im gleichen Maße geboten wäre.

Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie daran, dass es eine Frist gibt, die Ende Februar abläuft. Dann wird die Europäische Kommission – so ist es nun einmal – zum Europäischen Gerichtshof gehen. Es steht schon so fest wie das Amen im Gebet, was das Ergebnis sein wird, auch wenn Kollege Khol noch immer eine Rechtsmeinung aus dem Jahr 1994 präsentiert – die er sich ohnehin nicht herzuzeigen traut –, indem er davon spricht, dass die Kammern hoheitliche Aufgaben haben und deshalb nicht das passive Wahlrecht gewähren müssen. (Abg. Dr. Martin Graf: So ist es ja!)

Herr Kollege Khol! Auch wenn diese Auffassung falsch ist – sie ist ausjudiziert, auch am Beispiel Luxemburg (Abg. Dr. Khol: Eben nicht!)  –, entledigt Sie nichts des Problems, dass Sie auf alle Fälle bei den Betriebsratswahlen diesen Gleichklang herstellen müssen, auch wenn Sie –


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fälschlicherweise! – für die Kammern diese hoheitlichen Tätigkeiten behaupten. Aber Sie wollen lieber durch die Europäische Kommission vor den Kadi, vor den Europäischen Gerichtshof vorgeladen und verurteilt werden in einer Sache, die von den Menschenrechten her betrachtet mehr als peinlich ist, gerade für diese Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen.)

16.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeiten betragen ab jetzt 5 Minuten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

16.49

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich einleitend feststellen, dass die sozialdemokratische Fraktion diesem Fristsetzungsantrag zustimmen wird. Die Thematik drängt, sie drängt seit vielen Jahren. Ich erinnere daran, dass es die frühere Sozialministerin Lore Hostasch war, die einen Antrag bereits fix und fertig im Ministerrat eingebracht hatte, mit dem das Wahlrecht im Bereich der Arbeiterkammerwahlen geregelt werden sollte, und dass es die Volkspartei war, die das damals nicht zugelassen hat. (Abg. Dr. Khol: Bin ich heute noch stolz darauf!)

Ich denke, Herr Kollege Khol, es gibt wenig Grund, stolz darauf zu sein, wenn aus Europa dann die Antwort kommt – gerade für einen, der immer sagt, er sei ein Europäer – und uns eindeutig den Auftrag gibt, dieser demokratiepolitischen Forderung Rechnung zu tragen.

Aber es gibt bei dieser Geschwindigkeit, bei der Reformgeschwindigkeit, welche die neue Regierungskonstellation an den Tag legt, große Unterschiede. Es gibt Themenbereiche, da hat man es furchtbar eilig, da geht es wirklich ganz, ganz schnell. Wenn ich etwa die Hochschülerschaft hernehme – das ist auch in diesem Antrag drinnen, und es gibt heute Abend dann noch einmal einen Antrag von uns über das passive Wahlrecht bei den Hochschülerschaftswahlen –: Das geht in die neunziger Jahre zurück. Anfang der neunziger Jahre gab es die ersten Beschlüsse der Österreichischen Hochschülerschaft, meist einstimmige Beschlüsse aller Fraktionen, also auch jener, die der ÖVP zugezählt werden, auch jener, die den Freiheitlichen zugeordnet werden, aller Fraktionen bei den Hochschülerschaftswahlen, man solle dort das passive Wahlrecht für alle Studierenden einführen.

Zehn Jahre vergehen, elf Jahre vergehen. Es kommt eine neue Regierungskonstellation, die es besonders eilig mit den Reformen hat – und wieder nichts mit diesen Vorschlägen der Hochschülerschaft! Kollege Graf! Wenn ich daran denke, mit welcher Schnelligkeit der Wunsch der Hochschülerschaft erfüllt wurde, das "e-voting" einzuführen! Das hatten Sie in den entsprechenden Gremien noch gar nicht richtig behandelt, sondern es hat nur der ÖH-Vorsitzende in einem Gespräch im Ministerium gemeint, das hätten sie gerne – und schon war es im Gesetz drinnen.

Ich sage da gar nichts Negatives gegen dieses "e-voting", überhaupt, wenn es entsprechend verfassungsrechtlich abgesichert ist, aber da ist es auf einmal schnell gegangen. Beim Wunsch auf Mitbestimmung hingegen geht es ganz, ganz langsam, weil Mitbestimmung und Ausbau der Demokratie offensichtlich keine Anliegen sind, die diese neue Regierung zu vertreten gedenkt, sondern das Gegenteil ist der Fall. Nicht die Mitbestimmung aus bauen, sondern ab bauen ist Ihre Devise. Daher haben Sie hier kein Tempo.

Aber auch in anderen Bereichen haben Sie absolut keine Eile. Heute lesen wir, dass auch das Road-Pricing für LKW wieder verschoben wird. Nach zweijährigem Nachdenken, nachdem Minister Farnleitner das schon einmal entschieden hatte, sagt man wieder: Jetzt schauen wir uns einmal in Ruhe an, ob da nicht auch elektronische Systeme in Frage kämen. – Nichts gegen elektronische Systeme, aber Sie verhindern damit seit Jahren, dass die LKW die Schäden, die sie verursachen, auch bezahlen.

Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Aber da gibt es keine Eile, da gibt es nur Verzögerungspolitik von einem Monat auf das andere, von einem Jahr auf das andere.


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Bezüglich der Hochschülerschaftswahlen erinnere ich die Freiheitlichen an Herrn Professor Brauneder, der das sehr vertreten hat, und ich erinnere auch an den Kollegen Lukesch, mit dem wir das immer wieder verhandelt haben. Sie haben gemeint, darüber können wir sehr wohl nachdenken, wir werden schauen, ob wir das nicht nach gewissen Erfahrungen mit den Wählern im EWR-Raum umsetzen können.

Jetzt wäre es so weit. Jetzt stünde das Hochschülerschaftsgesetz wieder zur Beschlussfassung, zur Novellierung an – und es ist wieder nicht so weit. Im Gegenteil, und das sollte man, denke ich, den Studierenden auch einmal sagen: Ich rechne nicht damit, dass diese Regierungskonstellation jemals zu einem Ausbau der Mitbestimmungsrechte bei den Hochschülerschaftswahlen kommen wird. Sie haben ja in Ihrer Konstellation das Konfliktpotential, dass die Freiheitlichen eigentlich gar keine gesetzlichen Interessenvertretungen wollen und sie es noch nicht so weit gebracht haben, dass Sie auch deren Abschaffung zustimmen.

Daher unsere Fristsetzung. Bekennen Sie sich hier zur Demokratie, bekennen Sie sich dazu, dass jene, deren Anliegen in Gremien zu behandeln sind, auch mitwählen dürfen! Das ist unsere Forderung an Sie. (Beifall bei der SPÖ.)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. – Bitte.

16.55

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Zufälligkeiten der Geschäfts- und Tagesordnung ermöglichen uns zwei Kurzdebatten hintereinander, in denen es um Wahlrecht geht. In der vorangegangenen, von uns jetzt befristet, geht es schlicht und einfach darum, endlich die Möglichkeit zu schaffen, dass Hunderttausende Österreicher im In- oder im Ausland, solche, die krank zu Hause sind, die verreist sind, ihr Wahlrecht ausüben können. – Da war kein Bedarf, möglichst rasch zu handeln. (Abg. Öllinger: Der Unterschied ist: Die Österreicher können im Inland und im Ausland wählen! Die dürfen zweimal wählen!)

Heute geht es dem Herrn Kollegen Öllinger darum, das passive Wahlrecht einzuführen für Personen, die nicht unter die Verträge des Europäischen Rechts fallen. (Abg. Öllinger: Das stimmt ja nicht! Sie haben ja keine Ahnung!) EU-Bürger und EWR-Bürger haben das Recht, in Österreich auch gewählt zu werden, und das haben Sie uns hier verschwiegen. Es besteht daher kein Bedarf für die von Ihnen vorgetragene Fristsetzung, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens haben wir heute Morgen gehört: Nicht hudeln bei der Gesetzgebung, nicht drüberfahren, wir sind gegen Fristsetzungen. – In diesem Fall, meine Damen und Herren, gebe ich Ihnen völlig Recht. Es besteht überhaupt kein Bedarf, die Behandlung bis 1. März zu befristen.

Zweitens: Sie begründen es mit einer Grundrechtsproblematik. Meine Damen und Herren! Wählen zu dürfen und vor allem gewählt zu werden ist ein Staatsbürgerrecht.

Drittens, meine Damen und Herren: Sie vermischen die Anliegen. Es wird auf der einen Seite von der Hochschülerschaft gesprochen, obwohl das jetzt aus einem Antrag aus dem Ausschuss für Arbeit und Soziales kommt. Es wird vom Betriebsrätewahlrecht gesprochen. Wir haben schon immer gesagt, an einem konstruktiven Gespräch in Bezug auf Betriebsräte durchaus interessiert zu sein. Es waren die sozialdemokratischen Gewerkschafter, die in den letzten Jahren immer wieder von hinten herum gefragt haben, ob man denn das ohnehin ablehnen werde, damit sie in den Betrieben keine Schwierigkeiten haben.

Und Sie vermischen es weiters mit dem passiven Wahlrecht zur Arbeiterkammer. Hier ist wiederum keine Befristung notwendig, denn ein von Ihrer Fraktion angestrengtes Wahlanfechtungsverfahren ist im Gang. Offensichtlich fürchten Sie das Ergebnis bei den österreichischen Höchstgerichten, und deshalb wollen Sie das vorher mit einem Husch-Pfusch-Gesetz abbiegen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich darf auch ein bisschen an das Gedächtnis meines Vorredners appellieren. Im Jahre 1998 wurde das Arbeiterkammergesetz, das das passive Wahlrecht für Nicht-Österreicher verweigert, mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ in diesem Hohen Haus beschlossen. Bitte, vergessen Sie in diesem Zusammenhang auch nicht, dass Ministerratsentscheidungen einstimmig fallen.

Ich sehe daher nicht ein, aus welchem Grund die sozialdemokratische Fraktion bei gleicher Rechtslage heute einen völlig anderen Standpunkt einnimmt und diesen auch noch binnen eines Monats durchbringen will.

Und vergessen Sie letzten Endes nicht, es haben vor etwa fünf Jahren Mitgliederbefragungen in den Arbeiterkammern stattgefunden, und die Mitglieder haben sich mit überwältigender Mehrheit zur Weiterexistenz der auf Pflichtmitgliedschaft beruhenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften Arbeiterkammern entschlossen. Werfen Sie das nicht leichtfertig über Bord! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Gleiche Redezeit.

17.00

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei den Reden der Herren Abgeordneten Öllinger und Niederwieser habe ich mir gedacht, der Wunsch ist der Vater des Gedankens, da sie offensichtlich annehmen oder hoffen, dass der Europäische Gerichtshof in ihrem Sinn entscheiden wird.

Tatsächlich ist es doch so – das wissen Sie ganz genau! –, dass es um die Auslegung eines Artikels im EU-Vertrag geht. Die EU hat überhaupt nicht erfasst, dass es so etwas wie eine Zwangsmitgliedschaft bei einer Körperschaft gibt, denn das ist wirklich etwas Einmaliges in ganz Europa. Sie hat wahrscheinlich geglaubt, es handelt sich um den ÖGB, wo man nicht mitwählen darf. Aber eine Zwangsmitgliedschaft war so weit außerhalb des Denkbereiches der EU-Fachleute, dass man eben zu einer falschen Entscheidung gekommen ist. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Niederwieser hat geradezu vorwurfsvoll gesagt, dass die Freiheitlichen keine Zwangsmitgliedschaften wollen. Natürlich wollen wir das nicht! Sie wissen ganz genau, dass wir schon seit langem sagen, dass, wenn man einer Interessenvertretung angehören möchte, dies freiwillig erfolgen, aber niemals auf Zwang beruhen soll, wie das in Österreich üblich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dass wir überhaupt in die Lage gekommen sind, über diese ganze Problematik zu diskutieren, haben wir der ehemaligen Sozialministerin Hostasch zu verdanken, weil diese nämlich, ohne mit irgendjemandem Einvernehmen herzustellen, die in einem Brief der EU-Kommission dargelegte Ansicht geteilt hat und gesagt hat, das sei auch ihre Ansicht. Ihre rein subjektive politische Ansicht hat Frau Hostasch gewissermaßen als Ansicht des österreichischen Parlaments hingestellt. (Abg. Silhavy: Das kann ja wohl nicht wahr sein! Das kann doch nicht Ihr Niveau sein, Frau Dr. Partik-Pablé!)

Frau Silhavy! Es ist nicht so, dass das nicht wahr sein darf, sondern das ist ganz einfach wahr. Überzeugen Sie sich! Führen Sie in Ihrer Fraktion Gespräche mit den Leuten, die sich auskennen, und die werden Ihnen das bestätigen, was ich sage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Grundrechtsproblematik betrifft, hat mein Vorredner schon darauf hingewiesen, dass das Wahlrecht ein Staatsbürgerschafts recht ist. Es muss doch jedem Staat freistehen, seinen Staatsbürgern besondere Rechte einzuräumen und auch den Status von Bürgern, die ausländischer Herkunft sind, festzulegen und anders, divergierend zu gestalten. Dieses Recht nimmt natürlich auch Österreich für sich in Anspruch und hat eben kein Wahlrecht für die Arbeiterkammerwahlen und kein Wahlrecht in einem gewissen Teil für die Hochschülerschaftswahlen festgelegt. Man kann doch diese Grundsatzfrage, welche


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Rechte eingeräumt werden, nicht von den Beitragszahlungen abhängig machen, wie das in diesem Fall geschehen ist, denn die Arbeiterkammerbeiträge kommen ja den einzelnen Mitgliedern zugute. Da gibt es Schulungen, da gibt es Kredite, da gibt es Aktionen – alles Dinge, bei denen die Angehörigen der Arbeiterkammer auch in den Genuss ihrer Beiträge kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass wir uns dazu bekennen sollen, dass Österreich die Rechte für die österreichischen Staatsbürger eben verschieden darlegt. Eigentlich würde ich annehmen, dass auch Grüne und Sozialdemokraten in diese Richtung tendieren, aber ich werde leider Gottes immer wieder vom Gegenteil überrascht.

Das gilt auch für die österreichischen Hochschülerschaftswahlen. Es ist doch wirklich ein Anliegen österreichischer Politiker, die österreichischen Hochschulen nach ihren Kriterien zu gestalten, so zu gestalten, wie es sich die österreichische Gesellschaft vorstellt. Ausländische Studierende sind Gäste, gern gesehene Gäste, und sie nehmen auch gerne das Recht in Anspruch, in Österreich zu studieren. 13 Prozent aller Studierenden sind aus dem Ausland. Das heißt also, dass wir in Österreich einen sehr guten Zuspruch an ausländischen Studenten haben. Die Hälfte dieser ausländischen Studenten sind EU-Bürger und damit ohnehin wahlberechtigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaffen wir doch die Zwangsmitgliedschaft ab, dann ersparen wir uns das gesamte Problem (Beifall bei den Freiheitlichen), und wir ersparen es auch den einzelnen – jetzt Zwangs-  Mitgliedern, Beiträge zu bezahlen für eine Organisation, der sie gar nicht angehören wollen. Schaffen wir doch freiwillige, freie Vereine! (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. ) Dann kann jeder, der möchte, sich dort vertreten lassen, Beiträge bezahlen und auch am Vereinsgeschehen mitbestimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

17.05

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Tancsits! Niemand ist davor gefeit – selbst Sie und die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP-Fraktion nicht! –, klüger zu werden. Und um klüger werden zu können, und das in angemessener Frist, haben wir heute den Fristsetzungsantrag gestellt. Sie selbst, Herr Tancsits, haben uns ja vorgeführt, dass auch die sozialdemokratische Fraktion klüger geworden ist. Sie hat aber – wie nennt ihr das immer? – aus Zwängen der Koalition mit der ÖVP anders handeln müssen, als sie es heute, sozusagen vernunftbedingt, auch tatsächlich richtigerweise tut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und deshalb haben wir den Antrag gestellt. Das, was scherzhaft klingt, hat aber einen sehr ernsten Hintergrund. Ich kann Ihnen als Abgeordnete des Nationalrates, aber auch als Bürgerin sagen, dass ich es wirklich satt habe, dass man in Österreich wissentlich und willentlich eine Politik macht, die lautet: Was schert uns der EuGH mit einer möglichen Entscheidung weiß Gott wann, wenn wir bis dahin Zeit und Terrain gewinnen! – Das ist es, was die Position der Regierungsfraktionen ausdrückt, und da meine ich vor allem die ÖVP.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den Freiheitlichen wäre das geradezu ein ehrenhaftes Motiv, hätten sie ausschließlich dieses Motiv. Über die Freiheitlichen will ich mich jetzt gar nicht auslassen. Die Freiheitlichen sind in ihrer Ablehnung von tiefer Abneigung gegenüber ausländischen Arbeitskräften in Österreich, von tiefer Abneigung gegenüber ausländischen Studierenden in Österreich geprägt. Das ist der wahre Grund, warum Sie diesen Gesetzesbestimmungen nie zustimmen werden, wie ich Sie einschätze, und warum Sie selbstverständlich auch keinen Grund für eine Frist für diese Anträge der grünen Fraktion sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe des Abg. Dr. Ofner. )


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Frau Kollegin Partik-Pablé hat zwar versucht, sozusagen eine formelle Kurve zu kratzen, aber selbst die gelingt ihr nicht in dieser xenophobischen Beseelung. Selbst die gelingt nicht, denn auch da vergisst sie auf den "kleinen Mann". Das hat ja ihr Beispiel mit der so genannten Zwangsmitgliedschaft gezeigt. Entspräche es tatsächlich der Wahrheit, dass man in Österreich die Pflichtmitgliedschaft, beispielsweise bei der Arbeiterkammer oder auch bei der Hochschülerschaft, Zwangsmitgliedschaft nennen kann, dann wäre es doch geradezu im ideologischen Unterbau der Freiheitlichen, sich für diese armen, geknechteten, zwangsverpflichteten Mitglieder, die ja zahlen müssen, einzusetzen, damit sie dann wenigstens in Funktionen kommen können, damit sie wenigstens wählen können.

Das passt alles hinten und vorne nicht zusammen, denn was Sie nicht wollen, das sind Ausländer in Positionen in Österreich. Das ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Es geht Ihnen um Posten! Das ist Postenschacher, den Sie da betreiben!)

Aber jetzt komme ich wieder zur ÖVP, die ich durchaus für vernunftfähig und vernunftbegabt halte. – Ich sehe, Kollege Öllinger hat da gewisse Zweifel. Aber ich habe diesen Glauben, denn sonst würde mir die Arbeit hier manchmal überhaupt keinen Spaß mehr machen, und ich habe auch schon Erfahrungen gemacht, Karl Öllinger, die diese Vermutung durchaus bestätigt haben, dass es Vernunftbegabte und Einsichtige gibt.

Aber die Frage, dass man, wie schon einmal gesagt, willentlich und wissentlich eine Verurteilung beim EuGH riskiert, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Frage müssen Sie uns erst einmal plausibel erklären. Heute haben wir stundenlang über das Bild Österreichs innerhalb der EU, aber nicht nur innerhalb der EU, sondern auf der ganzen Welt, gesprochen, darüber, wie staatsmännisch sich, repräsentiert durch den Bundeskanzler, dieses Land darstellt, wie makellos angeblich alles ist. Es gibt überhaupt keine Probleme. Es ist halt nur so, dass es in Österreich als einzigem Land der EU kein passives Betriebsratswahlrecht gibt, aber das kümmert den Herrn Bundeskanzler nicht.

Herr Bundeskanzler! Auch wenn ich über jeden Tag, den diese Regierung im Amt ist, tiefe Trauer empfinde, würde ich mir eines wünschen: dass es Ihnen tatsächlich und schrittweise gelingt – die Fristsetzung gäbe eine Möglichkeit dazu –, Österreich diesbezüglich europareif zu machen, denn davon hätten Sie etwas, beispielsweise ausländische Arbeitskräfte in Österreich, und auch die Terezija Stoisits. (Beifall bei den Grünen.)

17.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen, denn wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 16/A der Abgeordneten Öllinger und Genossen eine Frist bis 1. März 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme nunmehr die Verhandlung über den 2. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

17.11

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Debatte über die Medien und den ORF zieht sich auf Grund der


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zwischengeschalteten Kurzdebatten offenbar über den ganzen Tag, und das ist vielleicht gar nicht so schlecht.

Wir haben jetzt einige Punkte im Zusammenhang mit einer Reform der Demokratie, der demokratischen Spielregeln in Österreich erörtert und durchaus auch verschiedene Standpunkte dazu gehört. Aber ich denke, wie immer Instrumente der direkten Demokratie in Zukunft ausgestaltet sein werden, wie immer sich das Wahlrecht verändern wird, für eine funktionierende Demokratie ist die Frage, wie über aktuelle Angelegenheiten, über Wahlen, über Skandale, über innenpolitisch brennende Fragen berichtet wird, jedenfalls wichtig. Wesentlich ist auch, nach welchen Spielregeln dieses Haus vorgeht beziehungsweise nach welchen Spielregeln diejenigen, die für Medien in Österreich verantwortlich sind, die Programme ausrichten, auch Menschen, die anderer Meinung sind, vorzugsweise der Opposition, Gelegenheit zu einer Stellungnahme geben müssen. Das heißt, diese Fragen im Umgang mit Medien sind wirklich sehr bedeutungsvoll.

Ich habe die Forderung immer halbherzig gefunden, dass Personen, die bekanntermaßen den politischen Parteien nahe stehen, generell im ORF nichts zu suchen hätten. Ich halte das für falsch, denn natürlich ist gerade ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch ein Spiegelbild der demokratischen Zustände in einem Land. Daher halte ich es im Prinzip für richtig, wenn sich auch die unterschiedlichen politischen Interessen in diesem öffentlichen Rundfunk artikulieren können. Aber artikulieren heißt erstens einmal, dass nicht notwendigerweise dann Entscheidungen so zu treffen sind, und zweitens heißt es, dass die verschiedenen Interessen, vor allem die Interessen derer, die nicht an der Macht sind, Gehör finden müssen.

Mit der "KommAustria" schaffen Sie jetzt eine Regelung, die nicht nur von der Opposition kritisiert wird, sondern bei der auch namhafte Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft der Meinung sind, dass das Objektivitätsgebot dadurch verletzt sei. Da wird eine Behörde zusammengestellt, die von den Ernennungsrechten her ganz überwiegend im Einflussbereich der Regierenden steht. Daher glaube ich, dass das eine Rückwirkung auf alle Entscheidungen, die im Bereich dieses Mediums getroffen werden, hat, und ich glaube auch, dass es einer der maßgeblichsten demokratiepolitischen Rückschritte ist. Deswegen lehnen die Grünen diese Regelung ab. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Sie haben immer gesagt, es sei Eile geboten, denn der Verfassungsgerichtshof habe Teile von vorläufigen Bewilligungen aufgehoben. Dazu muss ich schon die Frage stellen: Wie kam es denn zu solchen Regelungen, die solch eine geringe Bestandfestigkeit hatten? – Dafür hat auch irgendeine Regierung verantwortlich gezeichnet. Ich habe den Eindruck, dass die ÖVP da nicht ganz unbeteiligt war – aber okay, das ist halt in Vergessenheit geraten. Aber selbst wenn es so ist, dass wir sagen, es besteht jetzt Handlungsbedarf, sollte man, glaube ich, zumindest die Stoßrichtung der notwendigen Handlungen doch auch nach den Empfehlungen der Expertinnen und Experten ausrichten.

Ich habe überhaupt niemanden auf der Ebene der Fachleute getroffen, der oder die nicht gesagt hätte, dass zum Beispiel eine integrierte Frequenzplanung notwendig sei. Jetzt ist in diesem Bereich ein Gutachten in Auftrag gegeben, aber das wollen Sie nicht abwarten. Das heißt, es ist ganz ähnlich wie bei der Wahlrechtsenquete: Wir beschließen einmal etwas, und wenn dann das Gutachten anders ausschaut, dann werden wir es entweder ignorieren oder eben wieder ein Stückwerk schaffen und neu adaptieren. Das ist auch von der legistischen Vorgangsweise her gerade bei solch einem wichtigen Medium gefährlich und wird von uns daher auch scharf kritisiert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Frau Kollegin Petrovic! Das hat nichts damit zu tun! Beim Privatfernsehgesetz warten wir das Frequenzgutachten ab!)

Wieso können Sie nur einen einzelnen Teil herausnehmen und sagen, da warten Sie? Insgesamt brauchen doch alle diese Medien Frequenzen und Zuteilungen, und es geht auch um ein weiteres bundesweites Radio. Da können Sie mir nicht einreden, dass Sie praktisch nur mehr eine Nische oder einen Restbestand übrig lassen, und alles andere muss sich danach richten. Genau das hätte dafür gesprochen, dieses Gutachten jetzt abzuwarten, von mir aus auch eine Übergangsregelung zu schaffen und dann das von Ihnen, Herr Dr. Khol, selbst geforderte umfassende Medienpaket vorzulegen.


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Meine Damen und Herren! Es ist auch der Vergleich mit dem Asylsenat angesprochen worden. Erstens einmal denke ich, dass diese Materien nicht vergleichbar sind, denn Sie wissen doch so gut wie wir alle, dass es gerade bei der Berichterstattung um Angelegenheiten von tagtäglicher Aktualität und natürlich um politische Interessen geht. Das ist doch gar keine Frage. Das heißt, Sie und die Redakteurinnen und Redakteure wissen, dass da Druck ausgeübt wird.

Es wird jetzt eine Kommission mit einem schwarzen Präsidenten, einem schwarzen Vizepräsidenten geben, von dem ich höre, dass er noch dazu aus dem Kabinett eines Ministers kommen wird. Die nächste Frage wird sein: Welches Ohr wird denn bei diesem Gremium besser gespitzt sein? – Ich fürchte, es wird das rechte Ohr sein, das besser hört. Die Vorwirkungen erleben wir schon jetzt: Je heißer eine Debatte ist – ich spreche jetzt nur die Tierskandale, die jetzt Gott sei Dank an die Öffentlichkeit kommen, an –, desto unerwünschter ist die Opposition. Dort dürfen nicht einmal mehr unabhängige Vereine, die besonders kritisch waren, zu Wort kommen, sondern dort zieht man sich zurück auf möglichst brave und angepasste Statements, damit nur ja nicht die Frage der politischen Verantwortung aufkommt.

Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren: Mit dieser wirklich parteipolitischen, machtpolitischen Regelung werden Sie vielleicht kurzfristig einige sehr unangenehme Debatten von der ÖVP fernhalten und ein bisschen auf die lange Bank schieben können; langfristig und mittelfristig werden Sie damit aber sicher erreichen, dass dieses Medium insgesamt uninteressanter wird, weil sich die Bevölkerung nicht so leicht hereinlegen lässt. Man merkt sehr schnell an einem Programm, ob es die kritischen, die heißen Themen aufgreift oder ob man eher vorsichtig ist und bloß die Mächtigen nicht verstimmen will.

Ich denke, Sie leisten in einer Zeit des immer härteren Wettbewerbs auch der kommerziellen Lebensfähigkeit und Überlebensfähigkeit des ORF mit seinem ganz wichtigen und von den Grünen gestützten öffentlich-rechtlichen Auftrag einen sehr schlechten Dienst. Ich hoffe, dass diese Regelung – in diesem Fall, hoffe ich – keinen allzu langen Bestand haben wird und dass Sie auch über den Druck des Marktes so weit kommen werden, dass Sie einen wirklich freien und unabhängigen Rundfunk und eine freie und unabhängige Behörde zulassen werden. (Beifall bei den Grünen.)

17.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.21

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Kollegin Petrovic meinte zuletzt, dass die Bevölkerung ohnedies eine Sensibilität habe in der Einschätzung, wer denn hinter den Medien steht, wie denn die politische Besetzung bei den Medien, insbesondere im Rundfunkbereich, ausschaut. Wenn diese These stimmt, dann schaut es beim ORF so aus, dass er rot geprägt ist. Herr Kollege Schieder! Auch Sie werden die Umfrage in der Bevölkerung kennen, die das ganz klare Ergebnis gebracht hat, dass die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung davon ausgegangen ist, dass der Österreichische Rundfunk überwiegend rot dominiert ist. Nicht umsonst ist der Begriff "Rotfunk" ein geflügeltes Wort. (Abg. Schieder: Das kenne ich wahrlich nicht, ganz im Gegenteil!) – Sie kennen es nicht? – Ich kenne Sie gut genug, Herr Kollege Schieder, dass ich in Ihrem Lächeln eine Mentalreservation orten darf! – Soviel sei zur Frage der Sensibilität der Bevölkerung in der Einschätzung von Medien und Unabhängigkeit der Medien gesagt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Medienkommission soll nach dem vorliegenden Gesetzentwurf aus insgesamt sechs Mitgliedern bestehen. Diese Mitglieder sollen unabhängig und weisungsfrei gestellt werden. Von diesen sechs Mitgliedern, meine Damen und Herren, werden vier Mitglieder von den im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien entsandt. Jede hier vertretene Partei kann zumindest ein Mitglied nominieren. Das heißt, dass etwa die Grünen bei insgesamt sechs Mitgliedern der Medienkommission ein Mitglied nominieren können. Da muss ich Sie schon fragen, Frau Kollegin Petrovic: Wie halten Sie es denn beim ORF, wo von 35 Kuratoren einer ein grünes Kuratoriumsmitglied ist? Ist Ihnen das genug:


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einer von 35? Bei einem von sechs sagen Sie, dass das zu wenig sei, dass der Einfluss der Regierung zu stark sei?

Ich komme jetzt zur "KommAustria", noch einmal zur Medienkommission, den Mitgliedern und dem Verständnis der Grünen von den Mitgliedern in Radiobehörden und in einer möglichen Medienkommission, in der "KommAustria". Frau Kollegin Petrovic hat mir im Verfassungsausschuss vorgehalten, dass ich in meiner Eigenschaft als Anwalt für private Unternehmer im Verfahren vor der Privatrundfunkbehörde bezüglich Stiftungen eine andere Meinung vertrete als das freiheitliche Mitglied, also das von der FPÖ entsandte Mitglied in der Regionalradiobehörde. Das ist verräterisch und bezeichnend in zweierlei Hinsicht: Erstens einmal ist es wohl der beste Beweis dafür, dass die FPÖ im Gegensatz zu Ihnen imstande ist, ein wirklich unabhängiges Mitglied dorthin zu entsenden, denn sonst würde er wohl meiner Meinung beitreten. Zweitens ist es auch insofern verräterisch – Kollege Brugger lacht schon –, als Frau Petrovic in Kenntnis meiner Schriftsätze ist, die ich keineswegs als Politiker, sondern ausschließlich dort als Anwalt eingebracht habe.

Da frage ich mich schon: Ist das jetzt ein grüner Spitzelangriff auf Anträge von freiheitlichen Anwälten, die sie in ihrer Eigenschaft als Anwälte im Zivilberuf einbringen? Wie halten Sie es denn da mit der Verschwiegenheit in der Behörde? Gibt es da nicht auch so etwas wie eine Art Amtsgeheimnis? Oder ist es im Grünen Klub üblich, dass dann Pressekonferenzen abgehalten werden und das grüne Mitglied unmittelbar nach den Sitzungen der Privatrundfunkbehörde Auskünfte darüber gibt, wie die Stimmung war, was genau gesagt wurde, wie Anträge von Anwälten, die der Freiheitlichen Partei nahe stehen, beurteilt werden? – Das ist Ihr Verständnis von einer Behörde, das ist mir schon klar. Wenn Sie diesen unmittelbaren Konnex zwischen dieser Rapportierpflicht – so sage ich jetzt einmal – zwischen dem Mitglied, das Sie dorthin entsenden, und Ihnen als Stellvertretender Klubobfrau sehen, dann wird eines klar: Wie der Schelm denkt, so ist er. Dann wird auch klar, wieso Sie glauben, dass wir möglicherweise eine ähnliche Konstellation herbeiführen könnten, die eine Unabhängigkeit in Frage stellen könnte. – Das wollte ich Ihnen schon sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Cap hat völlig richtig gesagt, dass die Mitglieder der Medienkommission auf Vorschlag der Bundesregierung zu bestellen sind. Nur hat er es natürlich bewusst unterlassen weiterzulesen. Ich darf das nachholen. Es steht natürlich in der Vorlage, dass von diesen sechs Mitgliedern – wie ich bereits erwähnt habe – vier von den im Nationalrat vertretenen Parteien zu nominieren sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen die "KommAustria". Wir brauchen sie, weil sie dem internationalen Standard der elektronischen Medien entspricht. Ich erinnere daran, dass die FCC, die Federal Communication Commission, in den USA bereits seit 1934 existiert. Ich erinnere daran, dass es innerhalb der letzten Jahre eine Konvergenz bei den Medien, sowohl was den Inhalt als auch was die Kommunikation betrifft, gegeben hat. Das ist sicherlich nicht spurlos an Ihnen vorübergegangen. Wir brauchen sie auch deshalb, weil wir hauptberufliche Mitglieder für diese so notwendigen Aufgaben, die es zu regeln gibt, benötigen.

Derzeit erfüllt die Regionalradiobehörde diese Voraussetzung nicht, weil dort keine hauptberuflichen Mitglieder arbeiten. Wir brauchen die Behörde aber auch, um den Rechtsschutz zu verbessern. Wenn es eine erste Instanz und eine zweite Instanz in Form des Bundeskommunikationssenates und darüber hinaus die Möglichkeit einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gibt, so ist das gegenüber dem jetzigen System und gegenüber dem jetzigen Rechtsregime eine ganz deutliche Verbesserung. Das, was wir aber nicht brauchen, ist ein weiterer Stillstand, für den Kollege Cap und Frau Petrovic verantwortlich zeichnen und für den sie so vehement eintreten.

Ich darf nochmals daran erinnern, dass die SPÖ für die Mediengesetzgebung der letzten Jahrzehnte verantwortlich war, dass sie dafür verantwortlich ist, dass es in Österreich als dem letzten Land in Europa noch immer kein Privat-TV-Gesetz gibt, dass sich Albanien mit Recht darüber aufregt, in dieser Frage mit Österreich verglichen zu werden und Österreich als "Medien-Albanien" zu bezeichnen, dass Albanien eine Art von Ehrenerklärung fordert und die


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einschlägig bewanderten Journalisten dazu übergehen, zu sagen, dass Österreich ein "Medien-Kongo" ist, weil es noch immer kein Privat-TV-Gesetz gibt. Dafür sind Sie verantwortlich. Sie sind verantwortlich dafür, dass Sie dreimal im Bereich des Privatradios einen Murks gemacht haben, dass die Privatradiobetreiber in Österreich noch immer nicht im Besitz von endgültigen Bescheiden sind, da diese zweimal aufgehoben wurden. Sie sind dafür verantwortlich, dass Hunderte Millionen Schilling in den Sand gesetzt wurden – frustrierte Investitionen, Stranded Investments nennt man das. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass der Einzige, der sich in den vergangenen Jahrzehnten in diesem Land ernsthaft mit Medienfragen befasst hat, der Verfassungsgerichtshof ist, der zum Ausdruck gebracht hat, dass er gerade im Bereich des Privat-TV-Gesetzes nicht einschreiten kann, weil er nicht dazu da ist, eine gänzliche Säumigkeit des Gesetzgebers zu substituieren. Er kann nur im Einzelfall einschreiten. – Das sollte Ihnen zu denken geben.

Darum appelliere ich an Sie: Geben Sie Ihre Blockadepolitik auf! Werfen Sie Ihren Arbeitstitel "Metternich-Behörde" – diesen derart lächerlichen Arbeitstitel – weg! Metternich gibt es nicht mehr. "Metternich" ist heute nur mehr eine Sektsorte. Werfen Sie ihn über Bord! Treten Sie in vernünftige Verhandlungen ein! Vielleicht können wir dann in den kommenden Wochen noch zu einer breiten, konsensualen Lösung kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schieder. Die Uhr ist wunschgemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.29

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Speed kills. Speed kills – quality in diesem Fall. Das wäre ein Gesetz, ein Vorhaben gewesen, das nicht nur lange Zeit verhandelt gehört, sondern auch in den zuständigen Gremien ordentlich behandelt gehört hätte.

Das ist eine Materie, die nach einem Unterausschuss schreit – nach Hearing, nach Beiziehung von Fachleuten, nach dem Einholen von Expertenmeinungen. (Abg. Ing. Westenthaler: Nach vielen Jahren!) Das kann sehr rasch geschehen. Wir haben hier schon in ein, zwei Tagen Hearings abgeführt.

Nein, Ihnen ist es darum gegangen, das sehr schnell über die Bühne zu bringen und nicht auf die tatsächlichen Fragen einzugehen. Bei einer Medienbehörde wäre es doch wichtig gewesen, auch über den Umfang der Tätigkeit der Behörde ein bisschen zu diskutieren. Klar ist, dass es nach Ihrem Vorschlag eine Behörde für Telekom und audiovisuelle Medien werden soll.

Die Frage wäre: Inwieweit geht es, das Internet und die künftige Verknüpfung hineinzunehmen? – Das wäre eine hochinteressante und wahrscheinlich auch rechtlich relevante Frage gewesen. Es wäre die Frage zu stellen gewesen: Wie weit kann und darf der ORF in manchen Bereichen vertreten sein, wenn seine Partner und auch Konkurrenten in dieser Landschaft, die Privaten aus Deutschland und auch die Öffentlichen aus Deutschland, die über Kabel in Österreich vertreten sind, nicht darunter fallen?

In großen Ländern, die ein Markt für sich sind, in denen es kaum einen ausländischen Einfluss gibt, ist es klar, dass das keine offenen Fragen bei einer Medienbehörde sind. In einem kleinen Land, in dem ein Teil der Medienlandschaft vom Ausland importiert wird, ist das sehr wohl eine Frage, ob es richtig ist, einen österreichischen Teil zu regeln und den anderen Teil, gerade den ausländischen Teil, ungeregelt zu lassen, ob dadurch nicht eine falsche, eine schlechte, eine unfaire Konkurrenzsituation geschaffen wird. – All das hätte in aller Ruhe beraten gehört, aber das wollten Sie nicht.

Unsere Sorge ist, dass Sie das Ganze deshalb so schnell und in dieser Form haben wollten, weil Sie auch auf diesem Weg einen Einfluss auf den ORF und seine Berichterstattung gewinnen wollen. Sie haben gefragt: Wie soll denn das von diesem Gesetz aus in Bezug auf den ORF gehen? – Das ist folgendermaßen konstruiert, Herr Staatssekretär: Wenn eine Verletzung des Rundfunkgesetzes zu beraten ist, dann macht das jetzt die richterliche Behörde, die Rundfunk


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kommission. In Zukunft ist es so, dass das auf diese "KommAustria" übergeht, das heißt, dass auch andere Bereiche des § 31 Rundfunkgesetz von der Behörde beraten werden können, also auch Fragen seiner eigenen Finanzgebarung, seiner Sparsamkeit, seiner Wirtschaftlichkeit, der Vereinbarkeit bestimmter Programmformen sowie Fragen betreffend den öffentlichen Auftrag. All diese Fragen, die derzeit nicht zur Kommission gehen oder nicht in ihr beraten werden, können in Zukunft von dieser Behörde entschieden werden.

Selbst wenn die Gebührenfrage – am Anfang gab es ja die Absicht, auch die Gebühren hineinzunehmen – ausgenommen bleibt, ist diese Behörde ein Instrument geworden, um den ORF in verschiedenen Bereichen zu gängeln. Das wollen wir nicht! Das hätten Ihnen Fachleute bei den Beratungen auch gesagt, dass das in dieser Vorlage enthalten ist und dass es falsch ist, dass das enthalten ist, und darum wollten Sie die Fachleute im Ausschuss auch nicht hören!

Drittens: Es wäre vernünftig gewesen, das in Zusammenschau mit den anderen rechtlichen Regelungen, mit dem von Ihnen beabsichtigten ORF-Gesetz, mit dem Privatradiogesetz zu betrachten. All das sind bestehende Einrichtungen. Das sind rechtliche Operationen am lebenden Organismus. Das hat sofort einen Einfluss. Das hätte zusammen und nicht getrennt beraten gehört.

Wir hatten viertens die Sorge, dass auf eine Frage nicht eingegangen wird beziehungsweise diese nicht berücksichtigt wird, nämlich die Frage des terrestrischen digitalen Fernsehens. Sie lassen das offen, obwohl ein Auftrag des Parlaments, eine Entschließung an die Regierung vorliegt, hiezu einen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht wäre Voraussetzung für dieses Gesetz gewesen. Sie bringen ihn nicht. Sie bringen ein Gesetz und wahrscheinlich danach einen Bericht, der dann nicht mehr jene Bedeutung hat, weil er nicht mehr in diese Form einfließen kann.

Fünftens und letztens: Unsere größte Sorge ist, dass die Kommission nicht unabhängig ist, dass durch diese Vorlage nicht gewährleistet ist, dass diese "KommAustria" tatsächlich als eine unabhängige, nicht interessengebundene Behörde arbeitet. Hier müsste der Bestellungsmodus anders sein. Wir haben dazu Vorschläge gemacht. Es liegen Vorschläge vor, dass es vorwiegend richterliche Mitglieder sein sollten. Es liegen unterschiedliche Vorschläge vor.

All das hätte in Ruhe beraten gehört, um, wenn eine Medienbehörde geschaffen wird, eine zu schaffen, die für dieses Land segensreich ist und nicht den Unternehmungen schadet, sondern ihnen nützt und auch dem Gedanken Rechnung trägt, dass das bei der Bewältigung der Verzahnung und der großen, neuen, technischen Herausforderungen hilft.

Sie machen das Gegenteil: Sie benutzen diese Chance, um sich einen weiteren Zugang zu mehr Einfluss auf den ORF zu schaffen. Das ist schade, das ist politisch schädlich, und das ist auch für unser Land – wie ich heute schon einmal gesagt habe – wahrlich nicht gut! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

17.36

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben heute in der Früh bei der Einwendungsdebatte, sowohl Herr Schieder wie auch Dr. Cap, zwei Formulierungen gebraucht, die ich so nicht stehen lassen kann, und zwar wurden die Begriffe "gleichschalten" und "zerschlagen" immer im Zusammenhang mit dem ORF und der Mediensituation in Österreich erwähnt. Cap hat von einer "Gleichschaltung, die Sie vorhaben", gesprochen.

Ich möchte das im Namen der Bundesregierung in aller Form zurückweisen. Ich möchte Ihnen schon sagen, dass gerade ich mir meine Vorgangsweise in der Gesprächsführung in der Politik und besonders in Medienfragen gut überlegt habe. Gerade bei solch sensiblen Themen, so glaube ich, sollte man sich die Worte sehr genau überlegen und vor allem belastete Begriffe wie diese beiden nicht verwenden – noch dazu, wo Sie das zur besten Sendezeit übers Fernsehen


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getan haben. Das ist der Sache und auch den Bestrebungen der Bundesregierung nicht angemessen. Ich will das noch einmal in aller Form zurückweisen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie bringen immer alles in Zusammenhang mit dem ORF. Ich habe die Diskussion sehr bewusst auf die Basics gerichtet, das heißt auf das, was Grundlage ist, um über Medienpolitik in diesem Land urteilen zu können. Ich sage Ihnen auch: Wir haben sehr verantwortungsvoll Medienpolitik betrieben, nämlich in kleinen Schritten, und wir werden das weiterhin tun.

Wir haben die Fernsehsignalrichtlinie beschlossen. Wir haben die Fernsehrichtlinie beschlossen. Wir haben das Fernsehexklusivrechtegesetz beschlossen. Wir haben ein Frequenzgutachten für TV und Radio in Auftrag gegeben. Wir haben das Regionalradiogesetz repariert. Wir machen das Privatradiogesetz, und es wird eine "KommAustria" geben. Ich möchte schon sagen: immer in der Wertschätzung der Arbeit, die die Kolleginnen und Kollegen im ORF machen, immer in der Wertschätzung dessen, was der ORF für dieses Land bedeutet.

Jetzt muss ich auch einmal sagen, ich war immer bemüht, eine sachliche Diskussion zu führen: keine politische Diskussion, sondern eine Diskussion der Sache, die das Gesetz betrifft. Wenn Sie mir Vorwürfe machen, es würde Parteipolitik und nicht Medienpolitik gemacht, dann sage ich Ihnen bezüglich des Bestellungsmodus – abgesehen davon, dass es eine Verfassungsfrage ist –: Die ITC in England wird von der Regierung bestellt, die FCC vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, die CSA in Frankreich natürlich vom Parlament und von der Regierung. Alle uns bekannten Modi, wie solch eine Behörde bestellt wird, laufen nach demselben Schema ab. Wir haben uns bemüht, das zu berücksichtigen und in den Gesetzwerdungsprozess einzubringen.

Dann muss man auch sagen: Es muss, wenn schon, dann gleiches Recht für alle gelten. Die alte Bundesregierung hat die Telekom-Control und die Telekom-Control GesmbH beschlossen und dort die verantwortlichen Leute bestellt – die noch immer im Amt sind. Wieso das damals gut war und wieso das jetzt verwerflich sein soll, das müssen Sie mir erst erklären!

Natürlich ist die Privatrundfunkbehörde ebenso vom Parlament und von der Regierung beschlossen worden. Das heißt, das Modell existiert, das funktioniert auch in diese Richtung. Nur, glaube ich, sollte man dieses System der heutigen Zeit anpassen.

Sie haben das angesprochen, Herr Kollege Schieder! Sie haben vom Internet und von all diesen Sachen geredet. Natürlich wissen wir all das. Natürlich wissen die Herren vom Verfassungsdienst all das. Glauben Sie mir, wir haben lange darüber nachgedacht, und es war lange genug Zeit, darüber zu beraten. Wenn man hätte verhandeln wollen, dann hätte man das können. Das ist seit Oktober klar. (Abg. Schieder: Im Parlament nicht! Im Ausschuss nicht!) – Ich darf Ihnen sagen: Der Verhandlungsführer der größten Oppositionspartei dieses Landes hat meine Handynummer und meine Telefonnummer, und ich war Tag und Nacht für ihn erreichbar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen: Im Bereich der audiovisuellen Medien gibt es so etwas wie fundamentale Veränderungen: die Austauschbarkeit der Übertragungsnetze. Das ist in der Zwischenzeit jedem klar, dass wir Inhalte über jede Form übermitteln können, sei es Ton, Wort, Bild, Daten und so weiter.

Zweitens: Die traditionellen Abgrenzungen zwischen Individual- und Massenkommunikation beziehungsweise zwischen Rundfunk und Telekommunikation verschwimmen. Wir müssen diese Herausforderungen bewältigen. Wir können nicht immer nur sagen, wir schalten eine ORF-Diskussion vor, bevor wir in diesem Land etwas im Telekommunikationsbereich bewegen.

Wenn die SPÖ die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit beim Zustandekommen der "KommAustria" heute verweigert – nach all den Wortmeldungen, die ich bisher gehört habe, vermute ich es, und ich habe gut aufgepasst –, dann stimmt mich diese Haltung sehr traurig, das muss ich offen gestehen. Nur weil es darum geht, dass man der Regierung keinen Erfolg


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gönnt, und weil man an einer sachlich nicht argumentierbaren Junktimierung mit dem ORF-Gesetz festhält, betreibt die Opposition ein Spiel auf Kosten der Medienunternehmer dieses Landes und auf Kosten der Medienkonsumenten dieses Landes. Mit der unabhängigen und weisungsfreien "KommAustria" haben wir einen modernen, den Vorgaben der EU und des Europarates entsprechenden Vorschlag auf den Tisch gelegt.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie wissen ganz genau, dass durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom Juni des letzten Jahres die Privatrundfunkbehörde im Regionalradiogesetz als verfassungswidrig erkannt wurde. Grundgedanke der "KommAustria" ist, dass die Regulierung insbesondere des audiovisuellen Mediensektors auf Grund seiner großen demokratiepolitischen Bedeutung durch eine weisungsfreie, unabhängige Behörde erfolgen soll.

Es geht darum, eine unabhängige Institution, die für die Regulierung sowohl von Medien als auch von Telekommunikation zuständig ist, zu verwirklichen, der rapid gewachsenen Gefahr von Marktmissbräuchen entgegenzuwirken, die anachronistische Zweiteilung der Bewilligung im Hörfunkbereich, von Lizenzvergabe und Frequenzplanung aufzuheben und Verwaltungsstrukturen zu vereinfachen sowie die Koordination der Regulierungstätigkeit, die gerade im Bereich der oben beschriebenen Konvergenz immer dringender wird – ich nenne das Prinzip des One-Stop-Shop –, zu verbessern.

Um Ihnen ein Beispiel zu geben, warum ich die Einrichtung der "KommAustria" als notwendig erachte: Soeben ist der neueste Bericht der Kommission zur Ermittlung der Konzentration, kurz KEK, in Deutschland erschienen. Die KEK ist jene unabhängige Behörde in Deutschland, die sich, wie der Name schon sagt, speziell mit den Fragen der Medienkonzentration beschäftigt. Der über 450 Seiten umfassende Bericht zeigt in hervorragender und umfassender Weise nicht nur die vielseitigen Verflechtungen der Medienunternehmen in Deutschland auf; er widmet sich darüber hinaus eingehend der Darstellung der Medienkonzentration auf europäischer und internationaler Ebene.

Es handelt sich um ein höchst aktuelles Kompendium, in welchem die heutigen Verschränkungen der Unternehmen des Medien- und Telekommunikationssektors analysiert werden. Hier werden die komplexen Fragestellungen zu Konvergenz, insbesondere des digitalen Fernsehens, im Lichte des nationalen, aber auch des europäischen und weltweiten Marktes ausführlich beschrieben. Hier wird gesagt, welche Bedrohung des Wettbewerbs durch Monopolbildung zu befürchten ist.

Analysen wie diese dienen der Medienpolitik als ganz wesentliche Entscheidungsgrundlage. Um aber derartig tief greifende, die Komplexität der Materie auch wirklich umfassende Untersuchungen durchführen zu können, bedarf es hochspezialisierten Know-hows und vor allem der erforderlichen Infrastruktur für die Forschung. Schließlich muss diese Forschungsarbeit objektiv sein, also losgelöst von der Tagespolitik.

Für genau diese Aufgabe wäre die "KommAustria", wie sie die Bundesregierung dem Parlament zur Beschlussfassung vorgeschlagen hat, prädestiniert. Wir brauchen in Österreich ein solches Know-how, einen solchen Know-how-Träger, um die auf uns zukommenden Probleme zu bewältigen. Zur Verdeutlichung: Da es bisher verabsäumt wurde, die Frequenzsituation im Rundfunkbereich objektiv darzustellen, mussten seitens der Bundesregierung Gutachten vergeben werden, im Falle des Fernsehens etwa an eine deutsche Firma, weil keiner der österreichischen Bewerber ausreichend qualifiziert war.

Ich meine aber, dass das nicht die Zukunft für dieses Land sein kann, vor allem nicht im Medienbereich. Ich bitte Sie noch einmal, sich Ihre Entscheidungen genau zu überlegen. Entscheiden Sie sich für die "KommAustria"! – Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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17.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.46

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wurde hinlänglich dargestellt und erläutert, dass die "Kommunikations-Kommission Austria" in erster Linie nicht ein Erfordernis ist, um einen modernen Medienmarkt zu regulieren, sondern dass sie notwendig ist, um einen solchen für Österreich überhaupt erst einmal zu ermöglichen. Einer meiner Vorredner, Herr Abgeordneter Krüger, hat zu Recht die internationale Entwicklung aufgezeigt, aus der wir gesehen haben, dass in den freien Märkten in den meisten westeuropäischen Staaten und in Übersee selbstverständlich Regulierungsbehörden und -kommissionen in der einen oder anderen Art tätig sind.

Vergessen wir dabei nicht, dass wir es in Österreich – einer kleinen Volkswirtschaft – auf dem Mediensektor mit einem Markt von 88 Millionen deutsch sprechenden Menschen zu tun haben, mit dem wir eng verzahnt sind. Wenn wir nicht rasch die Möglichkeit nützen, hier marktregulierend, leitend, Rahmenbedingungen setzend einzugreifen, dann werden es andere auf diesem Markt der 88 Millionen deutsch Sprechenden für uns tun – der erste Grund, warum wir rasch handeln und dieses Gesetz zum Abschluss bringen müssen.

Meine Damen und Herren! Der zweite Grund liegt in der so genannten Konvergenz der verschiedenen Medien. Personal Computer und Fernsehen sind im Zusammenwachsen. In zwei Jahren werden wir mit UMTS arbeiten, Radio und vielleicht auch TV damit bedienen können. Werden hier nicht bald die Vorkehrungen getroffen, um Rahmenbedingungen setzend, den Markt regelnd tätig sein zu können, dann herrscht Chaos – ein weiterer Grund, warum heute diese Entscheidungen fallen sollen.

Ich möchte noch auf ein Drittes hinweisen, nämlich auf den ORF, den die Opposition aus dem Gesamten herauszunehmen wünscht, wie wir es in den Beratungen immer wieder gehört haben und wie ich es auch aus den Gremien des ORF – ich sage das als Hörer- und Sehervertreter sehr bewusst – kenne.

Meine Damen und Herren! Jede Regelung würde nur unzulänglich greifen. Immerhin ist der elektronische Mediensektor in Österreich vom ORF geprägt. Er hat das Gebührenmonopol, er hat deutlich mehr als 50 Prozent Marktanteile am TV-Sektor, und er hat vor allem die Definitionsmacht über das, was öffentlich-rechtlich ist.

Bei allem Bekenntnis zur Unabhängigkeit: Ich bin nicht damit zufrieden, dass sich diejenigen, die Definitionsmacht haben und über ein Gebührenmonopol verfügen, auch selbst kontrollieren und sagen: Das ist oder ist nicht öffentlich-rechtlich! – Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass die Verwirklichung dieses Vorhabens – "Taxi orange" fährt jetzt auf allen ORF-Kanälen – in irgendeiner Form unter den Begriff des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fallen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich halte es daher für notwendig, die "Kommunikations-Kommission Austria" einzurichten, und ich appelliere noch einmal an die Opposition, die Schaffung der weisungsfreien Behörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Artikels 133 Ziffer 4 der Bundesverfassung durch Ihre Stimmen zu ermöglichen. Diese Kommission ist notwendig, und wir wollen die Möglichkeit geben, eine unabhängige Behörde mit richterlichem Einschlag zu schaffen.

Die Sache liegt in Ihrer Hand, Sie müssen mit einem Ja oder Nein entscheiden; "weiß nicht" gibt es in diesem Fall nicht.

Ich appelliere an Sie, eine weisungsunabhängige Kommunikationsbehörde zu ermöglichen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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17.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Nürnberger: Für welche Partei redet er heute?)

17.51

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kollege Nürnberger, ich werde Ihnen genau erklären, wozu ich spreche. (Abg. Nürnberger: Für welche Partei?) Mir ist es wichtig, dass wir auch in diesem Bereich die Dinge klar auseinander halten, und ich bedauere außerordentlich, dass die sozialdemokratische Fraktion und auch die grüne Fraktion Gespräche, die es auch noch sozusagen in der Endphase gegeben hat, um vielleicht doch noch zu einem Kompromiss zu kommen, dazu benützt hat, das Ganze scheitern zu lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich – das wurde heute schon vielfach gesagt – braucht diese unabhängige Regulierungsbehörde. Ich sehe das nicht unbedingt nur aus dem Blickwinkel der Vielfalt der Medien heraus, sondern ich sehe das auch unter dem Aspekt der Zugangsregulierung, also etwas mehr von der Telekommunikationsseite und von den technischen Konvergenzmöglichkeiten her, die auf Österreich zukommen, und vielleicht weniger aus der Sicht, wie man Machtkonzentrationen oder Kartellbildungen verhindern kann – obwohl natürlich beides wichtig ist. Wir müssen uns mit beidem beschäftigen.

Als nicht zulässig habe ich es erachtet, dass in den letzten Gesprächen darüber immer von einem "Junktim" gesprochen wurde: Machen wir sozusagen mehrere Gesetze in einem Paket! Die beiden haben miteinander nur sehr am Rande zu tun. Es hat auch in der Vergangenheit immer wieder Gesetze gegeben – ich könnte Ihnen jetzt wirklich viele aufzählen –, bei denen es so war: Zuerst wurde die Regulierungsbehörde geschaffen, und dann hat man sich zügig daran gemacht, die Gesetze zu adaptieren.

Wichtig ist zunächst einmal, dass diese Institution ins Leben gerufen wird, aber Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, sind dabei, das alles zu verzögern – und das wird zum Nachteil und zum Schaden Österreichs sein. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ich bedauere das wirklich und hätte mir gewünscht, dass es in letzter Minute doch noch zu einem Kompromiss kommt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Heute wurde hier auch schon das Thema Medienkonvergenz angesprochen. Diese wird in den nächsten zehn Jahren rasant voranschreiten. Diese kleinen Dinger (der Redner hält ein Handy in die Höhe) – wenn UMTS kommt, vielleicht etwas größeren Dinger; es werden dann "Interfaces" sein – werden sehr viel transportieren. Man wird damit nicht nur konventionell telefonieren oder E-Mails versenden, sondern auch surfen können. Aber nicht nur das: Man wird damit auch Videos, Nachrichten, ganze Sendungen mit sehr hohen Übertragungsraten transportieren können. Und diese Entwicklung wird sehr rasant vor sich gehen. (Abg. Schieder: Aber das ist nicht drin im Gesetz!)

Doch, doch, Herr Kollege Schieder: Es geht darum, dass wir diese entscheidungsbefugten Behörden rasch und zügig zusammenführen. Aber was da von Ihrer Fraktion immer wieder an Argumenten gebracht wurde, auch von Kollegen Cap, ist schon etwas eigenartig: So passt Ihnen beispielsweise der Bestellvorgang nicht. Drei Regulatoren wurden in der vergangenen Legislaturperiode eingerichtet: der Telekomregulator, der Schienenregulator und ebenso Regulierungen im Bereich des Luftverkehrs. All das wurde nach demselben Bestellmechanismus eingerichtet: Die Regierung hat bestellt, hat eine Kommission mit mehr oder minder richterlichem Einschlag eingerichtet, und diese hat dann die Fälle entschieden. Damals hat es von Ihrer Seite keinen Aufschrei gegeben; da war alles recht. Klar, denn der Minister, der die Bestellung vorgenommen hat, war ein Roter. Dann hat man sich einen Roten hineingeholt – und die Sache war sozusagen paletti! Das war Ihre Politik, und damit waren Sie natürlich sehr zufrieden.

Jetzt aber, weil eine andere Regierung Initiativen ergreift, weil es nicht mehr die Roten in diesem Bereich sind, ist das Ihrer Meinung nach alles schlecht, wird von Ihnen ein Schreckgespenst an die Wand gemalt, ist alles ganz fürchterlich, und es werde, so Ihre Aussagen, zu fürchterlichen Repressalien kommen. All diese Argumente haben wir zwar gehört, meine Damen und Herren von der SPÖ, nur: Sie stimmen einfach nicht! Sie betreiben Schwarzweißmalerei oder in dem Fall Rotweißmalerei, was aber in Wirklichkeit mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hat.


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Ich kann nur an Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, den Appell richten, dieses Spielchen zu beenden und zu einer sachlichen Politik zurückzukehren, damit wir – wenn es nicht heute ist, dann eben in vier oder sechs Wochen – diese "KommAustria" einrichten können. Es liegt in Ihrer Hand, dass es zur wirklich besten Lösung für Österreich auf diesem Sektor kommt. Sie haben es in der Hand, ob die beste Lösung kommt – oder ob wir uns eben mit der zweitbesten Lösung zufrieden geben müssen. Verhindern aber – das kann ich Ihnen heute schon sagen – werden Sie das nicht können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Wolfmayr. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten gestellt. – Bitte.

17.57

Abgeordnete Dr. Andrea Wolfmayr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Medien und Telekommunikation in einer unabhängigen und weisungsungebundenen Regulierungsbehörde zusammenzufassen und die durch rasante technische Entwicklung auftretenden neuen Erfordernisse des Marktes zu berücksichtigen, das ist ja nicht etwas, was diese Regierung eiskalt und blitzschnell durchboxen will, so aus reinem Geltungsbedürfnis vielleicht. Dieser Entwurf kommt ja auch – wie wir heute schon einige Male gehört haben – nicht völlig überraschend: Seit September weiß die Opposition davon und wird selbstverständlich zu Gesprächen aufgefordert, ja fast schon inständig dazu gebeten.

Längst ist eine solche Einrichtung fällig. Deutschland, die Schweiz, Großbritannien, Italien haben bereits diesbezügliche Regelungen getroffen. Sogar Tony Blair hat mit der Medienbehörde "Offcom" einen unserem Gesetzentwurf verwandten Weg beschritten. Nur mit Ihrer Zustimmung, meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, kann es zu dieser unabhängigen und neuen Medienbehörde kommen. Das wissen Sie – und nützen das auch weidlich aus.

Ohne Zweidrittelmehrheit kommt es zu einem Gesetz "zweiter Wahl" – und das wollen Sie offensichtlich: den kurzlebigen und zweifelhaften "Vorteil" für Sie, unseren Gesetzentwurf zu blockieren, seine Unabhängigkeit zu dementieren, in üblicher Weise zeitlichen Aufschub, weitere Gespräche und Expertenmeinungen fordernd, wohl wissend, dass die Zeit dafür fehlt, vor allem deshalb, weil die ebenfalls von der geplanten Regelung betroffenen Privatradios – zum dritten Mal! – sozusagen in der Luft hängen, wenn es zu keiner entsprechenden Regelung kommt.

Diese Ihre Vorgangsweise hat ja inzwischen Methode: Stell dich taub, fordere Gespräche und behaupte in der Öffentlichkeit, die Gegenseite sei nicht gesprächsbereit, du seist nie zu Gesprächen aufgefordert worden – und dann erkläre, es sei zu spät, und bezichtige diese Regierung autoritärer Hau-ruck-Vorgangsweisen, sprich von einer Alternative, die du hättest, weitaus besser selbstverständlich und viel, viel billiger – konkret haben wir gehört: 17 Millionen –, und dann beschuldige die Regierung, sie wolle ja bloß Einfluss gewinnen durch Besetzung von Posten mit ihren Leuten!

Kein Wort mehr davon, dass alle Parteien und Länder in dieser Medienkommission vertreten sein werden, kein sachliches Detail – nichts, das dieses konstruierte Feindbild stören könnte!

Das absehbare und beabsichtigte Ergebnis und seine Wirkung in der Öffentlichkeit: Verunsicherung, kein Anstreben eines Konsenses – ganz im Gegenteil! Und vor allem: Es wird nicht mehr gesprochen über die Inhalte des Gesetzentwurfes für "KommAustria". – Schade!

Meine Damen und Herren! Käme es heute zu der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung mit Zweidrittelmehrheit, gäbe es sehr schnell eine neue, effiziente österreichische Medienbehörde – und über ihr als absolut wirksame Kontrollinstanz den Bundeskommissionssenat, durch detaillierte Unvereinbarkeitsbestimmungen und restriktive Enthebungsmöglichkeiten abgesichert und an Vorschläge des Obersten Gerichtshofes, der Vereinigung der Österreichischen Richter und der Österreichischen Rechtsanwaltskammer gebunden.


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Und wenn einem das noch zu wenig ist: Es gibt immer noch den Rechnungshof und das Parlament. Unabhängiger und parteiferner geht es also wahrscheinlich gar nicht. (Abg. Mag. Prammer: Als das Parlament?)  – Die Vertretung all dessen.

Aber es ist wohl einfacher, zu behaupten, es handle sich um einen "politischen Deal", bei dem es einzig um die Verteilung blauer und schwarzer Einflusssphären ginge. Und einfacher ist es auch, durch gezielte Verweigerung von Kommunikation jede Mitarbeit und Mitverantwortlichkeit zu verweigern, im Gegenzug aber diejenigen, die sehr wohl um eine Lösung bemüht sind, als "autoritär" zu brandmarken. Noch einmal: schade!

Die Entwicklung und Regulierung des explodierenden Kommunikationsmarktes werden dadurch behindert, neue Marktentwicklungsmöglichkeiten werden verzögert. Ein einfacher und kostengünstiger Zugang der Konsumenten wäre durch dieses Gesetz möglich, effiziente Kontrolle und greifende Maßnahmen gegen Missbrauch von Marktmacht ließen sich praktizieren – aber nein: Lieber behauptet man polemisch, diese Regierung gebrauche "Metternich-Methoden". Mit sachlicher Argumentation hat das nichts mehr zu tun, auch nicht damit, dass man "im Sinne des Konsumenten" handelt.

Was Sie sich einzig und allein versprechen, scheint parteipolitisches Klein- oder vielleicht auch größeres Geld zu sein. – Schade! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wochesländer. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.02

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! 25 Jahre meines Berufslebens war ich Rundfunkmitarbeiterin. Zumindest 20 Jahre davon waren von totaler Abhängigkeit vom Monopolisten ORF geprägt. Keine Chance, zumindest auf elektronischer Medienebene der Leibeigenschaft zu entrinnen.

Sie können mir glauben: Die Mehrzahl meiner Kollegen hat genauso wie ich nach Liberalisierung von Hörfunk und Fernsehen gefiebert. Als es dann 1995 zur Aufhebung des Hörfunkmonopols gekommen ist, war das – auf Grund des legistisch verpatzten Sendestarts – zwar nur ein blasser Hoffnungsschimmer, aber doch eine Chance für eine uneingeengte Berichterstattung, für neue Programm- und Sendeformen und dergleichen.

Und so frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition: Wie können Sie es verantworten, dass durch Ihre Verzögerungspolitik nun wieder der Weiterbestand von zumindest 26 Privatradios gefährdet ist?! – An Sie, Herr Präsident Verzetnitsch, und an Ihre Kollegen als Arbeitnehmervertreter: Ist Ihnen bewusst, dass das wieder zugleich den Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten würde?

Dass jetzt unbedingt und raschest eine neue, unabhängige Regulierungsbehörde zu schaffen ist, dafür, meine Damen und Herren von der SPÖ, kann ich Sie des Verschuldens nicht ganz freisprechen, denn das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betreffend § 13 Regionalradiogesetz beweist, dass die Privatrundfunkbehörde von Ihnen verfassungswidrig installiert wurde.

Die Regierungskoalition hingegen beweist mit ihrem Gesetzentwurf zur Errichtung der "KommAustria" nicht nur ihre Kompetenz in puncto Mediengesetzgebung, sondern hat auch das Gebot der Stunde zum raschen Handeln erkannt, denn im Hinblick auf das Zusammenwachsen von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie in eine Multimediawelt wäre deren Funktionalität ohne neue Regulierungsinstanz nicht gegeben.

Ihre Argumente – so leid es mir tut! – sind für mich daher nicht überzeugend. Es scheint Sie offensichtlich nicht zu kümmern, wenn Sie Ihr machtpolitisches Spiel auf Kosten der Medien


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55. Sitzung / Seite 146

unternehmer, der Medienkonsumenten und – last, but not least! – auf Kosten der Medienmitarbeiter des Landes betreiben.

Man könnte hier – und so weit erlaube ich mir auch, das zu tun – anmerken, dass die jahrzehntelange Symbiose von SPÖ und ORF von Ihnen sozusagen unter Denkmalschutz gehalten beziehungsweise neu stimuliert werden soll. Vielleicht ist Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, aber auch der Fortbestand der Privatradios gar nicht so wichtig, weil Sie eben sozusagen die Zahlen des Radiotests für das zweite Halbjahr 2000 des ORF heranziehen und damit zufrieden sind und sagen: Die Bevölkerung, die Konsumenten, die Rezipienten sind dadurch bestens versorgt!

Für mich ist es ein bisschen schwierig, diese Zahlen zu akzeptieren. Ich finde es schon etwas eigenartig, wenn ORF-Generalintendant Weis sagt, man werde den Gang zum Verfassungsgerichtshof anstreben, falls – nach seinen Worten – die Medienbehörde "KommAustria" im Verfassungsrang beschlossen wird. Da stellt sich mir schon die Frage: Fühlen sich der ORF und sein Generalintendant, weil er das so sagt, auf Grund des Gesetzes der freien Marktwirtschaft "ausgeliefert"? Bedenkt man, dass Ö 3 und Ö 1 die einzigen bundesweiten Rundfunksender sind, so kommt dies ja wieder einer Monopolstellung gleich.

Mit der "KommAustria" als unabhängiger Regulierungsinstanz ist ein fairer, chancengleicher und funktionsfähiger Wettbewerb gegeben. Gesichert sind dadurch kostengünstiger Zugang, Meinungsvielfalt und Qualität der Rundfunkprogramme, um nur einige dieser absoluten Positiva zu nennen. Garantiert ist aber auch das oberste Prinzip der Unabhängigkeit der "KommAustria" durch ihre verfassungsrechtliche Absicherung.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Ich appelliere an Sie – sowohl als Politikerin als auch als ehemalige Journalistin –, diesem Gesetzentwurf doch noch die Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.06

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Empfehlungsentwurf des Europarates vom 20. Dezember 2000 beinhaltet Unabhängigkeit und Aufgaben von Kontrollbehörden für den Rundfunksektor. Es wird den Mitgliedstaaten empfohlen, transparente und unabhängige Kontrollbehörden einzurichten – sofern sie sie nicht schon haben.

Das Gemeinschaftsrecht sieht auch die Einrichtung einer unabhängigen Regulierungsbehörde für den Telekom-Sektor vor.

In der Schweiz wird derzeit statt zweier getrennter Einrichtungen für Telekom und Rundfunk eine einzige unabhängige Behörde eingerichtet. Und auch die britischen Sozialdemokraten – die Sozialdemokraten! – werden die Agenden von TV, Radio und Internet unter das Dach einer einzigen unabhängigen Konvergenzbehörde bringen.

Mit der Einrichtung der "KommAustria" will auch die Regierungskoalition eine einzige, unabhängige Konvergenzbehörde in Österreich schaffen. Bisher wurden die Regulierungsaufgaben in den Bereichen Telekom und Rundfunk von einer Vielzahl von Behörden wahrgenommen. Das ist auf Grund der aktuellen Entwicklungen nicht mehr zeitgemäß. Es ist sinnvoll, die Regulierungsaufgaben einer einzigen unabhängigen Regulierungsbehörde zu übertragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nach dem Prinzip des One-Stop-Shop soll die "KommAustria" transparent, modern und innovativ zu einer Vereinfachung der Verwaltungsstrukturen führen. Die "KommAustria" ist – wir haben es gehört – unabhängig, an keine Weisungen gebunden und untersteht der Kontrolle des Parlaments.


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55. Sitzung / Seite 147

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es heute gelesen: In der österreichischen Printmedienlandschaft ist der Deal perfekt: "NEWS", "profil", "FORMAT", "trend" und acht weitere Magazine unter einem einzigen Verlagsdach! Das Ende des Pluralismus in der österreichischen Magazinlandschaft geht Hand in Hand mit der Marktmacht von "Kurier" und "Kronen Zeitung" und der Dominanz des ORF. Und wenn ich heute auch lese, dass die Fernsehbeilage von "Kurier" und "Krone" künftig in Deutschland produziert und redaktionell erstellt werden wird, dann kann ich Andreas Unterberger nur beipflichten, der in diesem Zusammenhang bereits vor Tagen von einem "medialen Trauerspiel" gesprochen hat.

Je monopolistischer die Medien sind, desto mehr werden sie auch zu Machtinstrumenten für politische und geschäftliche Interessen. Ich denke da etwa an die politische Karriere eines Silvio Berlusconi, die ohne sein Medienimperium sicherlich nicht möglich gewesen wäre. Ich denke weiters an die Geschäfte eines Rupert Murdoch, der im liberalen Hongkong seinen eigenen Medien Zensur verordnet, weil er noch bessere Geschäfte mit Peking im Auge haben dürfte.

Der Zusammenschluss von Medien ist unaufhaltbar, das sehen wir ganz aktuell in Österreich. Und gerade deshalb ist die "KommAustria" als unabhängige Regulierungsbehörde unter Kontrolle des Parlaments wichtig. Gerade deshalb will die Regierungskoalition den Bundeskommunikationssenat als Berufungsinstanz gegen die Entscheidungen der "KommAustria"; über den Bestellvorgang haben wir ja schon von Frau Dr. Wolfmayr gehört.

Auch unter diesem Aspekt ist für mich die Junktimierung der Opposition – "KommAustria" ja, aber nur gemeinsam mit dem ORF-Gesetz – nicht nachvollziehbar. Da handelt es sich um Opposition um der Opposition willen; nur Wohlmeinende können das als Verzögerungstaktik ansehen.

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer hat heute bereits "Presse"-Chefredakteur Dr. Unterberger zitiert, und ich möchte dieses Zitat über die "KommAustria" noch ein wenig vervollständigen.

Die "KommAustria" "soll die vorhandenen Kontrollrechte des Kanzleramtes dem politischen Weisungsrecht entziehen und unter unabhängiger Leitung zusammenfassen. Die SPÖ verweigert aber ihre (verfassungsmäßig notwendige) Zustimmung: Lieber lassen wir" – die SPÖ also – "die Medienszene des Landes noch weiter verrotten, als der Regierung einen Erfolg zu ermöglichen." – Zitatende.

Werte Damen und Herren von der Opposition und ganz besonders Herr Kollege Dr. Cap! Hand aufs Herz: Haben Sie das wirklich notwendig?!

Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Haltung überdenken und heute zur "KommAustria" ein klares Ja sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Zunächst ist über den Rückverweisungsantrag, den die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen zum Gesetzentwurf in 468 der Beilagen gestellt haben, abzustimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, den Gegenstand an den Verfassungsausschuss rückzuverweisen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 468 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.


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55. Sitzung / Seite 148

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen wurde, sodass kein Gesetzesbeschluss des Nationalrates im Sinne des § 82 Abs. 2 Z. 1 der Geschäftsordnung vorliegt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

3. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat (UBKS-G) (469 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.13

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Frage an die Regierungsparteien. Der nun in Verhandlung stehende Gesetzesantrag betreffend Bundeskommunikationssenat setzt voraus, dass der gerade abgelehnte Antrag, der nicht die verfassungsrechtliche Mehrheit gefunden hat, beschlossen wird. Ich stelle daher die Frage: Sollen wir diese Diskussion hier tatsächlich führen? Da Sie allerdings Ihrerseits keine weiteren Schritte gesetzt haben, darf ich Sie auffordern, doch Größe zu zeigen und diesen Antrag zurückzuziehen, denn ich meine, es ist relativ sinnlos, hier etwas zu beschließen, wofür die Voraussetzungen fehlen.

Weiters möchte ich sagen, dass es gut ist, dass jener Gesetzesvorschlag, der im vorigen Tagesordnungspunkt enthalten war, nicht beschlossen wurde und dass es leider Gottes so ist, dass wir heute einmal mehr feststellen müssen, dass Sie, insbesondere die Damen und Herren von der ÖVP, in Ihrer Politik doch einen erheblichen Wandel durchgemacht haben, einen Wandel, der mich schon etwas alarmiert.

Feststellen konnten wir heute auch – in letzter Zeit übrigens immer öfter –, dass Sie von den Koalitionsparteien versuchen, eine virtuelle Welt zu gestalten, dass Sie versuchen, der Öffentlichkeit ein Problem darzustellen, das als solches gar nicht existiert, indem Sie, Herr Kollege Khol, sogar von Terminen, von der Ablehnung von Terminen sprechen, die es nie gegeben hat, dass Sie also versuchen, der Öffentlichkeit offensichtlich etwas vorzugaukeln und dann auf dieser Basis Politik zu machen.

Ich halte das für einer Demokratie unwürdig und darf Sie daher von dieser Stelle aus auffordern, zu einem Sachdiskurs zurückzukehren, zu einem Diskurs, der an der Thematik orientiert ist, und nicht eine Vorgangsweise zu wählen, wie wir sie in der Vergangenheit nur von der FPÖ gekannt haben, eine Vorgangsweise, die aus demokratiepolitischen Gründen völlig inakzeptabel ist! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nochmals zur grundsätzlichen Frage: Sie haben zwei Alternativen, und zwar die eine, die verfassungsrechtliche Mehrheit zu bekommen, und die zweite, die Lösung so zu belassen, wie Sie das in Aussicht gestellt haben, nämlich direkt beim Bundeskanzler.

Man muss schon klar sagen: Bei all Ihrer Gesprächsverweigerung, bei all Ihrem Unwillen, tatsächlich eine Lösung in Bezug auf eine Behörde zu finden, die dann tatsächlich unabhängig gewesen wäre, werden Sie von uns als Oppositionspartei doch nicht erwarten, dass wir dem zustimmen – nachdem Sie uns bei diesem unwürdigen Diskussionsvorgang so sehr durch den Kakao gezogen haben, durch Ihre Gesprächsverweigerung, obwohl Sie dann so tun, als hätten Sie uns eingeladen, dem zuzustimmen. Damit würden wir dieser Verhöhnung hier sogar noch


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Rechnung tragen. Aber dass wir den Kakao, durch den Sie uns ziehen wollten, auch noch trinken, das werden Sie von uns wohl doch nicht erwarten!

Noch einige wenige Punkte zu dieser meines Erachtens überflüssigen Vorlage. Ich hätte mir erwartet, dass Sie, was die Voraussetzungen anlangt, hineinschreiben, dass eine berufliche Praxis bei jenen Leuten vorliegen soll, die Mitglied des Bundeskommunikationssenates sein sollen. Warum das nicht drinsteht, weiß kein Mensch. Offenbar haben Sie sich irgendetwas dabei gedacht, uns aber jedenfalls nicht kommuniziert.

Sie haben in die Verfahrensvorschriften hineingenommen – was abenteuerlich ist! –, dass einer Berufung gegen Bescheide der "KommAustria" keine aufschiebende Wirkung zukommt. – Ich halte das für wirklich abenteuerlich und kann nicht nachvollziehen, was da dahinter steckt.

Darüber hinaus möchte ich auch noch auf das "Argument" eingehen, der Bundesasylsenat wäre mehr oder weniger eine Vorgabe gewesen, wäre etwas gewesen, was auch dabei als "Vorlage" sozusagen heranzuziehen gewesen sei. Es ist heute schon einmal gesagt worden: Den Bundesasylsenat und die "KommAustria"-Behörde zu vergleichen, ist deshalb schon völlig unsinnig, weil Sie eben auf der einen Seite parteipolitisches Interesse daran haben, da Ihre Macht einzusetzen.

Ihnen persönlich, Herr Staatssekretär Morak, weil Sie heute so bemüht waren, Sachlichkeit einzufordern, nehme ich das jederzeit ab, aber wenn Sie sich anschauen, was im ORF tatsächlich passiert – man sieht beispielsweise plötzlich die grauenhafte Erscheinung des Klubobmannes Westenthaler bei einer Fernsehsendung eingeblendet, wo er in die Sendung hineinzuzensurieren versucht –, dann werden Sie hoffentlich verstehen, dass wir nicht davon ausgehen können, dass lediglich die Formalfassung ausschlaggebend ist, dass ausschlaggebend ist, Demokratie und Unabhängigkeit durchzusetzen, sondern dass es auch darauf ankommt, was dahinter steckt.

Dieser Auftritt und die Art und Weise, wie Sie diese Diskussion geführt haben – wir haben gesehen, dass es Ihnen in Wirklichkeit rein um machtpolitische Gelüste geht – und wie Sie auch sonst in der letzten Zeit in der Regierung fuhrwerken, haben uns gezeigt, dass wir unsere Zustimmung dazu nicht geben können. Daher bin ich froh darüber, dass es beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt nicht die verfassungsmäßig erforderliche Mehrheit gegeben hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

18.19

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Mit der Ablehnung unseres "KommAustria"-Gesetzentwurfes haben Sie nur bewiesen, was wir ja auch in vielen anderen Bereichen der Politik feststellen können, dass Sie nämlich den Blick fest in die Vergangenheit gerichtet haben. Und dort verharren Sie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenuf des Abg. Grabner. )

Nur nichts ändern am Status quo, das ist Ihre Politik, nichts ändern am Status quo, von dem Sie glauben, dass Sie es sich dort bequem eingerichtet haben, meine Damen und Herren von der SPÖ! Und deshalb sind Sie bei allen Liberalisierungsfragen, insbesondere bei den Medien, auch bei den elektronischen Medien, immer auf der Bremse gestanden – und dort stehen Sie auch heute noch!

Das war in der Medienpolitik schon immer so. Die letzte große medienpolitische Weichenstellung ist in Wirklichkeit in den späten sechziger Jahren erfolgt, nämlich mit der großen Rundfunkreform, meine Damen und Herren. Es war damals die Regierung Klaus – im Übrigen


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mit den Stimmen der Freiheitlichen Partei –, die das große Rundfunk-Volksbegehren der unabhängigen Presse umgesetzt (Abg. Haigermoser: Richtig!) und einen regierungsfernen ORF geschaffen hat. (Abg. Schieder: Das brauchen wir jetzt wieder!) Schon damals gemeinsam die ÖVP mit den Stimmen der Freiheitlichen, schon damals haben die Sozialisten dagegen gestimmt, meine Damen und Herren.

Aber es hat nicht lange gedauert, dann hat beim Rundfunk schon die Gegenreform Kreiskys eingesetzt und jener Medienkannibalismus, jener ORF-Kannibalismus, von dem Gerd Bacher immer gesprochen hat, nämlich die Verparteipolitisierung der Gremien des ORF, die parteipolitische Vereinnahmung des ORF durch die Sozialdemokraten.

Das ist die historische Wahrheit, meine Damen und Herren. Das lässt sich nachweisen, und an diesen Positionen halten Sie auch heute noch fest. Und die Krokodilstränen, die Sie hier über den angeblichen Druck der Regierung auf den ORF vergießen, diese Krokodilstränen sind doch in höchstem Maße unglaubwürdig! Es ist Ihnen schon in der Vergangenheit nicht um die Unabhängigkeit des ORF gegangen. Daran hat sich bis heute auch nichts geändert. Es geht Ihnen einzig und allein um die Wahrung Ihrer politischen Interessen im ORF! Sagen Sie das doch! Alles andere ist doch die Unwahrheit, ist doch in Wirklichkeit nur eine Vorspiegelung, ein Scheingefecht, meine Damen und Herren.

Das wissen im Übrigen auch die Menschen im Lande. Das wissen sie, denn das Wort vom Rotfunk hat heute noch eine relativ große Zustimmung in der Bevölkerung, und ich denke, angesichts Ihrer heutigen Haltung wird sich an dieser Position auch nichts ändern.

Aber diese Bundesregierung ist angetreten, um die bisherige Stagnation in der Medienpolitik zu überwinden. Die Konvergenz der Medien in Österreich und die Schaffung einer unabhängigen Medienbehörde werden wie in anderen europäischen Staaten auch in Österreich politische Realität werden. Davon bin ich überzeugt, und daran wird auch Ihr Widerstand nichts ändern, meine Damen und Herren.

Gerade die Opposition müsste doch Interesse daran haben, dass es für den Medienbereich unabhängige Kontrollbehörden gibt, deren handelnde Personen eben nicht dem Weisungsrecht der Regierung oder des Bundeskanzleramts unterliegen. Aber Ihnen ist es offensichtlich nie um eine moderne Medienpolitik oder um eine moderne Medienmarktordnung gegangen, sondern um parteipolitische Einflussnahme. Daher verquicken Sie auch immer das Rundfunkgesetz und seine Reform mit der Medienbehörde, meine Damen und Herren, weil es Ihnen in Wahrheit um einen parteipolitischen Kuhhandel geht und Sie sich mit einem Junktim zwischen dem ORF auf der einen Seite und der Medienbehörde auf der anderen Seite partei- und personalpolitische Zugeständnisse und Gegengeschäfte herausverhandeln wollen. Aber darauf wird sich diese Regierung nicht einlassen, meine Damen und Herren.

Selbstverständlich muss sich auch der Rundfunk der Kontrolle in Bezug auf seinen gesetzlichen Auftrag stellen. Es ist überhaupt keine Frage, dass natürlich auch "KommAustria" die Kompetenz über den ORF haben muss. Aber selbstverständlich bleiben auch die Unabhängigkeit und der unabhängige Rechtsstatus des ORF und aller seiner Organe bestehen. Aber natürlich kann der ORF nicht selbst festlegen, was denn sein öffentlich-rechtlicher Auftrag ist, was man darunter zu verstehen hat, und er kann auch nicht sagen: Aufgrund meiner Definition lege ich auch noch das Gebührenmonopol fest! – Meine Damen und Herren, das wird nicht gehen! Dafür wird es einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, und da wird es auch der Kontrolle der Öffentlichkeit und dieser Medienbehörde bedürfen.

Meine Damen und Herren! Auch wenn heute die SPÖ die Zweidrittelmehrheit verweigert hat, werden wir selbstverständlich bei diesem Thema nicht lockerlassen, und wir werden alles tun, um eine entsprechende Medienbehörde auch mit einfachgesetzlicher Mehrheit zustande zu bringen.


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Meine Damen und Herren! Daher stelle ich folgenden Antrag:

Antrag

der Abgeordneten Mag. Kukacka, Dr. Krüger und Kollegen auf nochmalige Verweisung des Berichtes und Antrages des Verfassungsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat (UBKS-G) (469 der Beilagen) gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundeskommunikationssenat (UBKS-G) (469 der Beilagen) wird gemäß § 73 Abs. 3 Ziffer 2 GOG nochmals an den Verfassungsausschuss verwiesen.

*****

Dieser Antrag ist bereits eingebracht worden und liegt auch schriftlich vor. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Zunächst ist über die Rückverweisungsanträge der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen sowie der Abgeordneten Dr. Krüger, Mag. Kukacka und Genossen zum Gesetzentwurf betreffend den unabhängigen Bundeskommunikationssenat abzustimmen.

Da beide Rückverweisungsanträge zum Inhalt haben, den Gegenstand an den Verfassungsausschuss rückzuverweisen, lasse ich darüber gemeinsam abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, den Gesetzentwurf in 469 der Beilagen an den Verfassungsausschuss rückzuverweisen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (401 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G) (470 und Zu 470 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 345/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz – RRG geändert wird (471 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 347/A der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Regionalradiogesetz (RRG), BGBl. Nr. 506/1993, idF BGBl. Nr. I 51/2000, geändert wird (472 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 4 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.28

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Na ja, wir haben heute auch die Frage der Lockerung der Beteiligungsgrenzen für Medienunternehmer zu behandeln, die berühmte Regelung mit 26 Prozent Erstbeteiligung, 10 Prozent Zweit- und 10 Prozent Drittbeteiligung. Ich glaube, dass das sehr wohl sinnvoll war, als wir das seinerzeit beschlossen haben, damit einfach mehr Radiounternehmer, mehr Radiobetreiber die Chance haben, das zu tun. Was jetzt eintreten wird, ist, dass es zu einer Konzentration in diesem Bereich kommen wird. Ich finde das nicht richtig, und daher, so glaube ich, ist es auch nicht sinnvoll, dass das hier letztlich beschlossen wird. Aber die Mehrheit wird das hier beschließen, sie wird auch die Sendegebiete neu definieren und wird auch, sofern die Frequenzgrundlage dafür gegeben ist, österreichweites Privatradio ermöglichen.

Ich möchte aber – nachdem ich jetzt begründet habe, warum es nicht klug ist, diese Veränderung vorzunehmen, und warum wir daher auch nicht zustimmen – doch noch auf die Ausführungen meines Vorredners zum vorangegangenen Tagesordnungspunkt eingehen. Das Ganze ist ja sozusagen eine breite Medienpalette und Mediendiskussion, und ich glaube, dass es durchaus sinnvoll ist, auch dazu noch etwas zu sagen.

Herr Staatssekretär! Sie haben heute wiederum von Gesprächsverweigerung gesprochen. Wir haben natürlich keine Gesprächsverweigerung betrieben! Es hat ja erst vor kurzem eine dreistündige Diskussion oder Verhandlung gegeben. Wir haben halt nur immer wieder darauf gewartet, dass das Versprechen von Herrn Klubobmann Khol eingelöst wird, dass endlich die Novelle zum Rundfunkgesetz eingebracht wird und das Privatfernsehgesetz vorliegt.

Die Novelle verzögert sich, und das Privatfernsehgesetz geht erst, wenn irgendein Frequenzgutachten da ist, also muss man weiter warten. Das hat nichts mit Junktim zu tun, das hat auch nichts mit Postenschacher oder sonst etwas zu tun. Das ist Ihre Ausdrucksweise, die Sie immer wieder hier einbringen, einfach weil Sie nicht wollen, dass es auch darüber eine breite, seriöse Diskussion gibt, und weil Sie offensichtlich keinen Wert darauf legen, dass die Opposition – in diesem Fall die Sozialdemokraten – an dieser Debatte beteiligt ist.

Aber, Herr Abgeordneter Kukacka: Sprechen Sie bitte nicht vom "Rot-Funk"! Im ORF-Kuratorium hat die ÖVP im Moment 18 Kuratoren – wenn wir das jetzt einmal auf den Tisch legen –, sie hat im ORF-Kuratorium eine absolute Mehrheit! Sprechen Sie also nicht vom "Rot-Funk"! (Abg. Mag. Kukacka: Das ist Ihr Gesetz! Das Gesetz ist Ihnen passiert, weil Sie geglaubt haben, Sie bleiben immer an der Regierung!)

Sie kennen die Situation in den Landesstudios. Wenn Sie über Privatisierung und über die Reform des ORF reden, dann sollten Sie auch einmal ein bisschen über die Landesstudios sprechen, etwa über das Anhörungsrecht, das der Landeshauptmann hat, wenn der Landesintendant beschlossen wird – und Sie sollten hin und wieder auch die "Landesrundschau" anschauen.

Da habe ich – das war wirklich interessant – einmal die "Niederösterreichische Landesrundschau" gesehen. Der erste Beitrag in dieser "Landesrundschau" war: Die Landesgeschäftsführung der ÖVP-Niederösterreich präsentiert mit dem Landesparteiobmann den Beststeller "55 Jahre ÖVP in Niederösterreich", ein langer Beitrag über diesen "Knüller" auf dem Buchmarkt.

Dann kam der zweite Teil: Ein Mähdrescher fährt verträumt über das Land. Dann kam der dritte Beitrag: Straßenball, die neue Mode in den niederösterreichischen Städten. Peppel, peppel, peppel, wir spielen Straßenball! (Der Redner macht die Geste des Ballaufschlagens.) Und am Straßenrand zwei begeisterte Zuseher: die niederösterreichische Landesrätin der ÖVP und Herr Landeshauptmann Pröll, der dann kommentiert: Es ist die neue Mode! In den Städten spielen


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wir Straßenball! Peppel, peppel, peppel. Und das ist "Rot-Funk"? – Da kann ich nur lachen über diese Definition! Nur lachen kann ich darüber! (Beifall bei der SPÖ.)

Und das könnte man endlos fortsetzen. Wenn wir wirklich privatwirtschaftliche Kriterien in den Landesstudios einführen, dann können Sie gleich die Reden der Landeshauptleute gänzlich abschaffen, denn die Einschaltquoten bei den Reden der Landeshauptleute befinden sich unter der statistischen Wahrnehmungsgrenze, weil sich in Wahrheit niemand mehr solche amtlichen Verlautbarungen ansehen kann. Und das läuft bei Ihnen unter "Rot-Funk". (Abg. Mag. Kukacka: Das ist Ihr Gesetz!)

Wenn ich mir die Diskussionen im ORF-Kuratorium anschaue, wie Sie gut, schlecht ... Was die "Panorama"-Redaktion betrifft, wurden 600 Seiten angefertigt, und zwar von zwei Instituten darüber, ob sie überhaupt objektiv berichtet. Das war die Initiative der beiden Kuratoren Khol und Westenthaler.

Und jetzt wird in Bezug auf das Sendeformat "Taxi orange" hier schon diskutiert, ob das überhaupt dem Auftrag des Öffentlichrechtlichen entspricht. – Das kann nur ein Ahnungsloser wie Herr Abgeordneter Tancsits hier eingebracht haben, der weder "Taxi orange" noch "Big Brother" gesehen und daher noch immer nicht verstanden hat, dass "Taxi orange" – das kann man nun mögen oder nicht – die öffentlich-rechtliche Antwort auf "Big Brother" war, und das sage ich auch hier in diesem Rahmen.

Aber Sie wollen auch über das diskutieren, Sie wollen letztlich alles in Ihr regierungsloyalitätsperspektivisches Konzept einbauen. Das ist Ihr Verständnis von Medienpolitik. Aber kommen Sie doch nicht zu uns und sagen Sie doch nicht, wir stellen da irgendwelche Postenschacher-Überlegungen oder sonst irgendetwas in dieser Art an! Also eine etwas ehrlichere Diskussion würde uns in diesem Zusammenhang schon weiter bringen, als Ihnen das bisher gelungen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.33

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Grund des Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses vom 29. Juni 2000 war es notwendig, das alte Regionalradiogesetz durch das neue Privatradiogesetz zu ersetzen. Der Verfassungsgerichtshof hat erkannt, dass die Übertragung der Aufgabe der Vergabe von Privatrundfunkbewilligungen an eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag verfassungsrechtlich nicht zulässig ist.

Nunmehr sollen im neuen Privatradiogesetz die fernmelderechtlichen und die rundfunkrechtlichen Agenden zusammengeführt werden. Darüber hinaus werden wir im Privatradiogesetz die restriktiven Beteiligungsbeschränkungen für Medieninhaber lockern. Wie schon erwähnt, konnten sich Gesellschafter an Privatradios höchstens mit 26 Prozent und an zwei weiteren mit jeweils 10 Prozent pro Bundesland beteiligen. Nunmehr können Medieninhaber aber mehrere Sender betreiben beziehungsweise sich an mehreren Sendern zu mehr als 25 Prozent beteiligen, wenn deren Versorgungsgebiete sich nicht überschneiden.

Ausgeschlossen bleibt natürlich das gleichzeitige Betreiben eines bundesweiten Radios und eines Regionalradios. Neu ist außerdem, dass für Privatradios Programmübernahmen von anderen Sendern von nunmehr maximal 60 Prozent erlaubt sind, während früher nur 40 Prozent erlaubt waren.

Herr Kollege Cap! Ich vermag wirklich nicht zu verstehen, warum Sie dieser Sendeausweitung nicht zustimmen können. Sie haben uns hier erklärt, dass Sie dem nicht zustimmen werden, aber Sie haben nicht gesagt, warum nicht. Und so bleiben Sie uns auf allen diesen Diskussionspunkten ... (Abg. Dr. Cap: Das habe ich gesagt! Der Konzentrationsprozess ...!)  – Nein, Sie haben das nicht gesagt, Sie haben nur gesagt, wir werden dem nicht zustimmen.


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Ich bitte Sie, tausend Blumen! Jetzt ist die Situation die, dass zum Beispiel Ö 3 45 Prozent Höreranteil hat, und der nächste Privatradiobetreiber, nämlich der Sender 88,6, hat lediglich 16 Prozent. Also wo sehen Sie das Verblühen der tausend Blumen? Ich vermag das nicht zu ersehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Beitrag der Sozialdemokraten zum Privatradiogesetz war ein Initiativantrag, der den § 13 in den Verfassungsrang erheben wollte. Sie, Herr Kollege Schieder, haben gesagt: Wir haben in der Vergangenheit Fehler gemacht. – Ja, Sie haben Fehler gemacht, aber Sie haben aus diesen Fehlern nicht gelernt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Auer: Noch schlimmer!) Sie reagieren nämlich mit dem Uraltreflex, dass einfachgesetzliche Regelungen, die der Verfassungsgerichtshof aufhebt, sofort in den Verfassungsrang erhoben werden. Aber diese Uraltreflexe, Herr Kollege Schieder, werden wir nicht nachvollziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte nämlich diese Vorgangsweise nicht nur für eine Unterminierung des Verfassungsgerichtshofs und somit der Rechtssicherheit, sondern ich halte das insgesamt für demokratiepolitisch äußerst bedenklich. (Abg. Schieder: Aber das Umgekehrte, nämlich ein Verfassungsgesetz mit einfacher Mehrheit, das passt Ihnen, das machen Sie! Das sind doch doppelte Maßstäbe!)

Herr Kollege Schieder! Sie vergleichen jetzt Äpfel mit Birnen. (Abg. Schieder: Nein, das sind nicht Äpfel und Birnen!) Ich habe leider sehr wenig Redezeit, aber wir werden das im Ausschuss, da ja eine Rückverweisung erfolgte, sicherlich noch ausführlich diskutieren.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Sie waren niemals bereit, an dieser Neuordnung der elekronischen Medienlandschaft in Österreich mitzuarbeiten. Für Sie war es von Vornherein klar, dass der Status quo möglichst erhalten werden sollte. Und Sie haben sich auch sachlich nie eingebracht. Erst vor ein paar Tagen hat Herr Dr. Cap der Öffentlichkeit ein Zweiseitenpapier präsentiert. (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) Zwei Seiten, zehn Überschriften mit knappem Text. – Verehrter Herr Dr. Cap! Wir haben uns wirklich eine bessere Opposition verdient! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Krüger.  – Abg. Schieder: Sie sieht sich als Regierung, die Frau Kollegin!)

18.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. Die Uhr ist wunschgemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Trinkl  – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Petrovic –: Jetzt können Sie sich auszeichnen!)

18.38

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Also ich denke, in der Politik gewöhnt man oder frau sich mit der Zeit ab, zu glauben, man hätte für irgendetwas irgendetwas verdient. Wir könnten genauso sagen, wir sind schon lange der Meinung, wir hätten uns eine seriösere Arbeit und Debatte dieser Regierung verdient.

Wir nehmen zur Kenntnis, die Dinge sind so, wie sie sind. Aber um eines würde ich Sie doch ersuchen, nämlich um ein bisschen Stimmigkeit in Ihrer Vorgangsweise. Wenn es jetzt so ist – und wie gesagt, wir haben das nicht zu bewerten –, dass sich für die "KommAustria"-Regelung nicht die erforderlichen Mehrheiten gefunden haben, dann sollte man doch auch im Ausschuss darüber reden, was jetzt damit wird. Sie stimmen aber einer Rückverweisung nicht zu. Besonders interessant ist: Der Rückverweisung betreffend den Bundeskommunikationssenat stimmen Sie aber zu. Also über das eine Thema werden wir dann reden, aber ich fürchte, wir werden uns im Ausschuss schwer tun, wenn wir nicht über alles reden.

Und an die Adresse meiner Vorrednerin: Nein, es ist nicht so, dass das Judikat des Verfassungsgerichtshofes uns dazu verhält, eine Regelung dieser Art, wie Sie sie vorgelegt haben, zu machen. – Ganz im Gegenteil! Ich sehe auch bei dieser Regelung grobe, schwere verfassungsrechtliche Bedenken, aber Sie hören gewöhnlich nicht darauf. Ich nehme auch das zur


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Kenntnis. Das, was der Verfassungsgerichtshof oder dieses Erkenntnis nahelegt, ist eben die Schaffung einer unabhängigen Behörde, worüber wir heute schon in sehr unterschiedlicher Art und Weise nahezu den ganzen Tag sprechen.

Ich weiß nicht, warum Sie das nicht tun, was die Grünen in Sachen Privatradio seit langer, langer Zeit verlangen, fordern, wünschen, anregen, denn ich glaube nicht, dass das ein Anliegen ist, das den Regierungsparteien so fremd ist oder das ihren machtpolitischen Intentionen derart entgegenläuft, dass sie sich dem überhaupt nicht nähern könnten. Wir sehen uns als Sprecherinnen und Sprecher der Anliegen der freien, nichtkommerziellen Radios, weil wir glauben, dass diese Sparte ganz wichtige, wenn auch teilweise kleine Bedürfnisse abdeckt und dass damit auf lokale, auf regionale Interessen, aber auch auf die Anliegen einer speziellen Gruppe, einer ethnischen Gruppe, einer sprachlichen Minderheitengruppe besser eingegangen werden kann. (Abg. Dr. Grollitsch: Und wer zahlt es?)

Genau das ist die Frage: Wer bezahlt es? Wir haben ein Beispiel aus Frankreich gesehen, dort gibt es eine Lösung. Wir haben gesagt, bitte, wir sind gesprächsbereit, und zwar über verschiedene Lösungen. Natürlich kann man über ein Aufteilen der Werbeeinnahmen sprechen. Man kann aber auch etwas anderes machen, und das ist unser Vorschlag, der Ihnen schriftlich vorliegt und über den Sie abstimmen können. Es gibt auch einen Abänderungsantrag, den ich hiermit ausdrücklich erwähne, in dem diese Frage auch mit angesprochen ist, nämlich eine finanzielle Sicherheit für freie, nichtkommerzielle Radios.

Ich habe im Ausschuss hinzugefügt, das ist ein Vorschlag der Grünen. Wir würden gerne auch über ein anderes Finanzierungsmodell reden. Aber dazu haben wir nichts von den Regierungsparteien gehört! Dass diese freien Radios so quasi von Licht, Luft und Sonne irgendwie überleben können, also bitte, das zu glauben ist naiv! Sie sind definiert als nicht kommerziell, das heißt, sie sehen sich einer kulturellen, einer übergeordneten Zielsetzung verpflichtet, und daher denke ich mir, es ist eine öffentliche Aufgabe, den Bestand und die Arbeitsmöglichkeiten dieser Radios sicherzustellen. Und es ist unsere Kritik, dass Sie das einmal mehr nicht gemacht haben. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Anliegen, das wir auch in unserem Antrag betont haben, scheint uns besonders wichtig zu sein. Gerade in Österreich und gerade in Zeiten wie diesen mag es sein, dass wir Meinungsunterschiede haben, aber dann soll man sie auch aussprechen und nicht so tun, als hätten Sie die beste aller Regelungen vorgelegt und die böse Opposition sei nicht gesprächsbereit.

Ich spreche über Konzentrationsbestrebungen. Wir wissen, dass gerade im Bereich der elektronischen Medien ein enormer Trend in Richtung Konzentration vorhanden ist, und wir wissen außerdem, dass wir in Österreich aus verschiedensten Gründen, die nicht allein von dieser Koalitionsregierung zu verantworten sind, bereits eine überhohe, und zwar die weltweit höchste Konzentration haben.

Wenn wir jetzt – gerade auch mit der vorläufigen Regelung – eigentlich jede Art von Machtkonzentration freigeben, nicht mehr mit klaren gesetzlichen Bestimmungen verhindern, dass sich in diesem Bereich ganz dominante, marktbeherrschende Stellungen herausbilden, dann wird das dazu führen – und Herr Kukacka weiß ganz genau, was dann passiert –, dass diese Konzentrationen eintreten. Daher haben wir von den Grünen den Vorschlag gemacht: bundesweit nicht mehr als 30 von 100, und in einem Bundesland nicht mehr als 40 Prozent. Das heißt, Medienunternehmer, die bereits einen derartigen Marktanteil haben, sind von weiteren Beteiligungen im Radiobereich ausgeschlossen

Da kann es sein, dass wir einen Meinungsunterschied haben. Aber ich habe von Ihnen noch gar nicht klar gehört, wie Ihre politischen Vorstellungen sind. Aber hinter diese Fassade: Bitte, die anderen haben nicht reden wollen! können Sie sich wirklich nicht mehr zurückziehen. (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) Da haben Sie den Antrag der Grünen schwarz auf weiß!


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Unsere Vorstellungen haben wir zu Papier gebracht. Ich glaube, wie gesagt, dass wir im Bereich der Existenzsicherung für die freien, nichtkommerziellen Radios sogar zu einem gemeinsamen Nenner hätten kommen können, bedauere, dass das nicht der Fall ist, und schlage spät, aber doch, vor: Diskutieren wir die ganze Materie wirklich als Paket noch einmal im Ausschuss, wie Khol es vorgeschlagen hat! Wir hätten vielleicht einen einfacheren Weg gehen können, aber manchmal sind die Wege dieser Koalitionsregierung offenbar kompliziert und mühsam. (Beifall bei den Grünen.)

18.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten gerade noch ausreichend erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Petrovic und Genossen auch schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freunde und Freundinnen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage (401 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G), in der Fassung des Ausschussberichtes, wird wie folgt abgeändert:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Regierungsvorlage (401 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G), in der Fassung des Ausschussberichtes, wird wie folgt abgeändert

1. In § 3 Abs 4 entfällt das Wort "gesellschaftsrechtlichen".

2. In § 6 Abs. 2 Z 1 wird nach der Wortfolge "oder im Fall" die Wortfolge "von Programmen nichtkommerzieller Hörfunkveranstalter oder" eingefügt.

3. In § 7 Abs 4 wird nach dem Wort "gleichgehalten" ein Punkt gesetzt; die beiden folgenden Nebensätze und der letzte Satz entfallen.

4. § 9 Abs 1 bis 3 werden wie folgt abgeändert:

"(1) Bei der Erteilung einer Lizenz ist insbesondere auch darauf zu achten, daß hiedurch auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene der Konzentration im Medienbereich – sei es auch im Zusammenwirken mit Printmedien – kein Vorschub geleistet wird.

(2) Eine Lizenz darf daher an einen Antragsteller nicht erteilt werden, wenn

a) an dem Radiounternehmen Medieninhaber (Verleger), oder Mediendienste beteiligt sind, die über einen Marktanteil von mehr als 30 v.H. im gesamten Bundesgebiet verfügen;

b) an dem Radiounternehmen Medieninhaber (Verleger) oder Mediendienste beteiligt sind, die in dem Bundesland des geplanten Verbreitungsgebietes über einen Marktanteil von mehr als 40 v.H. verfügen;


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c) an dem Radiounternehmen Medieninhaber (Verleger) oder Mediendienste beteiligt sind, die bereits im Bundesland des geplanten Versorgungsgebietes an mehr als einem Hörfunk- oder Fernsehveranstalter, insgesamt an mehr als drei in- oder ausländischen Hörfunk- oder Fernsehveranstaltern über mehr als 50 v. H. der Kapitalanteile oder Stimmrechte halten.

(3) Anteile eines Medieninhabers (Verlegers) oder Mediendienstes und von Personen oder Personengesellschaften, die mit ihm gemäß Abs 4 verbunden sind, sind für die Ermittlung von Beteiligungsgrenzen gemäß Abs 2 zusammenzurechnen."

5. § 9 Abs 5 entfällt, der Abs 6 wird zu Abs 5.

6. In § 10 Abs 1 Z 2 entfällt der letzte Halbsatz, ("insbesondere für die Schaffung...") und wird nach dem Wort "Planungen" ein Punkt gesetzt; Z 3 entfällt, Z 4 wird zu Z 3

7. In § 16 Abs. 6 wird nach den Worten "gilt nicht für" die Wortfolge "Programme nichtkommerzieller Hörfunkveranstalter und für" eingefügt.

8. Nach § 16 Abs. 6 wird folgender Absatz 7 angefügt:

"(7) Nichtkommerzielle Hörfunkveranstalter (Freie Radios) sind nicht auf Gewinn gerichtete Veranstalter von Hörfunkprogrammen, deren Programmangebot

1. überwiegend gemeinnützige Ziele und die Förderung der Diskussion sozialer und kultureller Anliegen verfolgt, wobei den in anderen Medien im Verbreitungsgebiet unterrepräsentierten Gruppen oder Organisationen Gelegenheit zur Darstellung ihrer Meinungen, insbesondere durch Einräumung von Sendezeit zur Gestaltung eigener Beiträge, gegeben wird,

2. keine Werbung gemäß § 19 Abs. 1 bis 4 enthält."

9. Nach § 32 Abs 5 wird folgender Abs 6 eingefügt, die Abs 6 und 7 werden zu den Abs 7 und 8.

"(6) Hörfunkveranstalter, deren Gesellschaftsstruktur den Bestimmungen des § 9 nicht entsprechen haben binnen 2 Jahren den gesetzmäßigen Zustand herzustellen."

Begründung:

1. Auch die Umwandlung eines Vereines in eine GmbH sollte nicht ausgeschlossen sein. Ebenso sollte eine Einzelperson die Möglichkeit haben eine GmbH zu gründen und die Lizenz an diese zu übertragen. Nach den vorgeschlagenen gesetzlichen Bestimmungen ist dies ausgeschlossen.

2. Entsprechend einem dringenden rechtspolitischen Bedürfnis wird gleichzeitig vorgeschlagen, im Privatradiogesetz die Berücksichtigung von nichtkommerziellen Hörfunkveranstaltern zu regeln. Die rasante Entwicklung am Mediensektor hat gezeigt, daß nicht bloß kommerzielle Gruppen an der Produktion von Privatrundfunk interessiert sind, sondern ebenso auch nichtkommerzielle Veranstalter, die mit ihren Programmen ideelle Ziele verfolgen. Die Vermittlung von Medienkompetenz, Bereitstellung von medialen Artikulationsmöglichkeiten, Aktivierung zum emanzipatorischen und eigenverantwortlichen politischen Handeln für den/die einzelne/n (oft auch medial unterrepräsentierte(n) BürgerIn sind die Hauptfunktionen nichtkommerzieller Freier Radios, die weder durch den Markt noch durch den öffentlich-rechtlichen Auftrag in ausreichendem Ausmaß gewährleistet werden. Freie Radios sind somit eine demokratiepolitisch wichtige Ergänzung für ein voll entwickeltes Mediensystem.

Um diese begrüßenswerten Aktivitäten der schlagwortartig umrissenen "Zivilgesellschaft" im Bereich des Privatradiogesetzes zu berücksichtigen, wird im § 16 Abs. 7 eine entsprechende Definition vorgesehen und die sonstigen Bestimmungen des Privatradiogesetzes entsprechend angepaßt.

3. Bei einer Liberalisierung des Hörfunks sollte verhindert werden, daß es zu weiteren Sendemonopols (z.B. durch die Zeitungsverleger) kommt. Die Konzentration in Österreichs


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Medienlandschaft ist derzeit eine der stärksten in Europa. Die Öffnung des Radiomonopols für Privatradios, insbesondere freie Radios, soll auch dazu beitragen, dieser Medienkonzentration entgegenzuwirken. Bei der Erteilung der Lizenz ist abgesehen von den Lizenzvoraussetzungen auch darauf Bedacht zu nehmen.

Eine Lizenz darf demnach an Personen nicht erteilt werden, an denen Medienunternehmen beteiligt sind, deren Marktanteil entweder im Bundesgebiet 30 % überschreitet, oder deren Marktanteil in dem Bundesland in dem das Radio ausgestrahlt werden soll 40 % überschreitet. Außerdem sollten in- und ausländische Medienunternehmen, die an mehr als 3 Rundfunkveranstaltern mit mehr als 50 % beteiligt sind ausgeschlossen sein.

Zur Feststellung des Marktanteiles ist derzeit von den Optimadaten auszugehen. In diesem Zusammenhang wird jedoch angeregt, daß der Bundeskanzler jährlich die Erarbeitung einer Statistik des Verbreitungsgrades der einzelnen Medien in Österreich in Auftrag gibt, sodass auch in Österreich diesbezüglich amtliche statistische Daten herangezogen werden können. Im übrigen wird im Zusammenhang mit der Medienkonzentration noch einmal auf den Bericht des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung und Medien über Medienkonzentration und Meinungsvielfalt vom 27.4.1992 verwiesen.

4. Um Umgehungen allfälliger Beteiligungsbeschränkungen zu verhindern ("durch die Zwischenschaltung einer Privatstiftung", wie es in den erläuternden Bemerkungen zur RV heißt) soll die in der RV vorgeschlagene Bestimmung beibehalten werden. Die vorgesehene Abänderung nimmt dieser Bestimmung jede Wirkung. Bei Vorliegen eines beherrschenden Einflusses kann bereits jetzt eingegriffen werden. Gerade aber aufgrund der Vollzugsprobleme, die in diesem Zusammenhang entstanden, wurde diese Bestimmung in die RV aufgenommen. Mit der Abänderung ändert sich nichts. Die erste Macht des Staates war offensichtlich wiedereinmal aktiv.

5. Im Oktober 2000 hat der Infrastrukturminister ein Gutachten in Auftrag gegeben, da erhoben werden soll, ob und welche Frequenzen für weitere, insbesondere eine bundesweite Radiolizenz zur Verfügung stehen. Wenn es nicht nur für die Schublade gemacht werden soll, wäre es sinnvoll gewesen, wie im Fernsehbereich, das Ergebnis dieses Gutachtens abzuwarten. Nach dem derzeitigen Wissensstand (siehe auch Frequenznutzungsplan) gibt es nicht ausreichend Übertragungskapazitäten für ein bundesweites Privatradio. Solange daher nicht klar ist, ob überhaupt ausreichend Übertragungskapazitäten für einen bundesweiten Hörfunk vorhanden sind, ist es unsinnig einzelne Frequenzen nicht zur Verbesserung von Versorgungsmängeln bestehender Versorgungsgebiete bzw. Vergrößerung bestehender Versorgungsgebiete bzw. Schaffung neuer Versorgungsgebiete zu nutzen, sondern sie einer bundesweiten Radiolizenz – für die es voraussichtlich nicht genügend Übertragungskapazitäten gibt – vorzubehalten.

Außerdem ist zu bedenken, dass der Begriff bundesweiter Hörfunk nicht definiert ist. Gerade die Bestimmungen betreffend die Frequenzzuordnung hat aber der VfGH bereits einmal als verfassungswidrig aufgehoben, da diese Regelungen nicht dem Legalitätsprinzip entsprechend determiniert waren. Ich hatte gehofft, dass die Regierungsparteien daraus gelernt haben und die Warnungen der Grünen nicht neuerlich in den Wind schlagen. Wann kann man von einem bundesweiten Hörfunk sprechen? Ist dazu eine 50-, 60-, 70-prozentige oder noch höhere Versorgung der Bevölkerung Österreichs notwendig? Muss jedes Bundesland in einem bestimmten Ausmaß versorgt werden?

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Staatssekretär Morak. – Bitte.

18.45

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Ich werde auch weiterhin der Versuchung widerstehen, hier über das


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ORF-Gesetz zu sprechen, weil es meiner Meinung nach nichts damit zu tun hat, wenn wir über ein Privatradiogesetz reden.

Worüber reden wir wirklich, außer dass wir auch das zum Gegenstand der Polemik machen? – Wir reden über ein Gesetz, das gerade in diesem sensiblen Bereich, wo es sehr klare Marktdominanten gibt, ein One-Stop-Shopping-Prinzip einführt, sodass rundfunkrechtliche und fernmelderechtliche Bewilligungen in einem ausgestellt werden können.

Wir reden über Marktanteilsmodelle, über ein neues Marktanteilsmodell, nämlich die Orientierung an der Anzahl der erreichten Einwohner und der Anzahl der an einem bestimmten Ort erreichbaren Programme eines Medienverbundes. Wir reden über bundesweite Radios. Das wird möglich werden. Weitere Frequenzen und die nötige Transparenz dazu wird das Radiofrequenzgutachten, welches vor kurzem in Auftrag gegeben wurde, bringen.

Es wird einen Vorrang für die Verdichtung von Sendegebieten geben. Das heißt, mehr Leute werden die Station, das Programm empfangen können. Medienunternehmen können sich in Hinkunft zu 100 Prozent an Hörfunkveranstaltern beteiligen, es gibt keine Veranstaltergemeinschaften mehr, die zwingend vorgeschrieben sind und die in der Vergangenheit einerseits zu Marktverzerrungen geführt haben, andererseits aber auch zu einem erfolglosen Bemühen der zuständigen Behörde, die Einhaltung dieser Regelung zu kontrollieren.

Die Programmübernahmen werden ausgeweitet werden. Die Übernahmen können bis zu 60 Prozent der täglichen Sendezeit ausmachen. Es ist das, was man einen starken Liberalisierungsschub in diesem Bereich nennen könnte.

Es wird weiters möglich werden: die Ausdehnung der Dauer von Ereignishörfunk von zwei Wochen auf drei Monate, der Entfall der Verpflichtung – ich habe es schon erwähnt – der Behörde, auf eine Veranstaltergemeinschaft hinzuwirken, die klarstellende Erfassung von Privatstiftungen als Anteilsinhaber an Hörfunkveranstaltern und ein höherer Anteil bei der Programmübernahme von anderen; ich habe dies schon erwähnt.

Ferner wurden zahlreiche praktische Erfahrungen in das neue Gesetz eingearbeitet, zum Beispiel die erhöhte Rechtssicherheit für Hörfunkverstalter bei der Frage des Erlöschens der Zulassung bei Nichtausübung und die Neuordnung der Überprüfung der Zuordnung von Frequenzen.

Ich denke, wir haben hier einen liberalen Ansatz gewählt. Ich glaube, es ist das, was man positive Diskriminierung nennt. In diesem Sinne – in diesem Fall ist die Beschlussfassung schon klar – ersuche ich um Zustimmung zu diesem Gesetz. Ich glaube, es ist ein wesentliches Gesetz für den Medienstandort Österreich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Die Uhr ist wunschgemäß auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

18.49

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Ich komme auf die Argumentation der Kollegin Petrovic zurück, die in völliger Verkennung des Inhaltes des Urteils des Verfassungsgerichtshofes hier breit doziert hat, dass der Verfassungsgerichtshof eine weisungsfreie, unabhängige, im Verfassungsrang stehende Medienbehörde verlangt. (Abg. Dr. Petrovic: "Verfassungsrang" habe ich nicht gesagt!)

Frau Kollegin Petrovic! Ich glaube, Sie haben dieses Erkenntnis nicht gelesen. Ich darf Ihnen sagen, ich habe das als Anwalt und erfolgreicher Beschwerdeführer in 26-facher Ausfertigung zugestellt erhalten. Ich habe es einmal gelesen, auch ein zweites Mal, und weiß daher sehr genau, was drinnen steht.


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Der Verfassungsgerichtshof sagt, dass die Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag in diesem Fall verfassungswidrig ist, und zwar deshalb, weil diese Behörde Verwaltungsagenden zu vollziehen hat. Verwaltung ist aber eine Sache, die letztlich einem Bundesministerium untersteht, und dieses Bundesministerium unterliegt der parlamentarischen Kontrolle. Aber durch die Installierung dieser Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag ist diese Kontrollmöglichkeit nicht gegeben.

Daraus folgt, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Die eine Möglichkeit ist die Einrichtung einer unabhängigen weisungsungebundenen "KommAustria", und die andere Möglichkeit, die der Verfassungsgerichtshof als völlig gleichwertige, ja als system- und verfassungsimmanente Möglichkeit sieht, die Ministerverantwortlichkeit zum Tragen zu bringen, ist, dass er sagt, dass Medienangelegenheiten eben einer Ministerverantwortung unterliegen und dann auch über Lizenzanträge zu entscheiden ist. Da es hiebei nicht um civil rights geht, haben dies also Beamte zu vollziehen, die dem Bundeskanzler oder dem zuständigen Ressortmitglied weisungsgebunden sind; somit besteht volle parlamentarische Kontrolle. Das ist nichts anderes als das, was der Verfassungsgerichtshof sagt.

Wir sagen, uns ist selbstverständlich eine weisungsungebundene Behörde lieber. Daher haben wir die "KommAustria" vorgeschlagen und sind sehr betrübt, dass Sie diesem Vorschlag nicht beigetreten sind. Letztlich wollen Sie uns offensichtlich keinen anderen Weg ermöglichen als jenen, da wir ja nicht die Verfassungsmehrheit haben, mit einfacher Mehrheit hier eine Schmalspur-"KommAustria" einzurichten, die dann, weil es der Verfassungsgerichtshof verlangt, weisungsgebunden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Privatradiogesetz: Die letzte Media-Reichweitenanalyse hat Folgendes gezeigt – das wurde von Kollegin Cordula Frieser bereits dargelegt; ich darf zusammenfassen –: Der ORF hat als Einzelunternehmer in Österreich einen Marktanteil von 80 Prozent. Dem gegenüber stehen 20 Prozent, die sich auf rund 50 Marktteilnehmer aufteilen. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal dieses Ungleichgewicht vor! Auf der einen Seite steht einer mit 80 Prozent, und auf der anderen Seite stehen 50, die sich den Kuchen von 20 Prozent aufzuteilen haben.

Ich habe ein bisschen einen Blick hinter die Kulissen, ich kenne Jahresberichte, Jahresabschlüsse, Gewinn- und Verlustrechnungen und dergleichen. Es ist, so glaube ich, auch kein Geheimnis, wenn man hier sagt und festhält, dass es kaum ein privates Radio, wenn man vielleicht von der Antenne Steiermark, von 88,6 und von ein, zwei anderen Radios absieht, gibt, das in der Lage ist, schwarze Zahlen zu schreiben.

Da kann ich jetzt nicht sagen: Der ORF ist so tüchtig, der ist so gut, und alle anderen sind so blöd, die sind nicht dazu in der Lage. Nein, das kann ich nicht sagen, denn es muss etwas im Regelungsmechanismus falsch sein. Dass angesichts dieser dramatischen Entwicklung Korrekturbedarf besteht, das wird hier wohl niemand bestreiten.

Eine dieser Korrekturen besteht darin – das hat Kollegin Cordula Frieser auch gesagt –, dass diese unsinnigen Beteiligungsbeschränkungen wegfallen. Ich weiß das von Generalversammlungen, denn die Beteiligungsbeschränkungen bestehen darin, dass viel zu viele verschiedene Gesellschafterinteressen vertreten werden und man sich nicht einigen kann. Auf der Strecke bleiben dabei die notwendigen Investitionen, die erforderlich sind, um wirklich einen vernünftigen Wettbewerb betreiben zu können.

Damit komme ich zur Frage der Marktkonzentration, die Frau Kollegin Petrovic hier angesprochen hat. Bei der Marktkonzentration soll jenes Modell Platz greifen, bei dem ein und derselbe Rundfunkveranstalter nicht ein und denselben Hörer zweimal erreichen soll – das heißt, er soll dann beispielsweise eine nationale Frequenz bekommen, sofern das überhaupt möglich ist. Das Gesetz sieht das vor. Es soll möglich sein, wenn das Frequenzgutachten so ausgeht, dass dieser bundesweite nicht auch weiter ein regionaler Rundfunkbetreiber ist. Und der regionale soll nicht gleichzeitig ein lokaler Betreiber in seiner Region sein. Ich glaube, das ist ein sehr vernünftiges Modell, um zu starke Marktkonzentrationen zu verhindern.


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Aber ich darf doch eines sagen, Frau Kollegin Petrovic, wenn Sie hier Krokodilstränen zur Frage der Marktkonzentration auf dem Mediensektor vergießen. Ich habe keine einzige Meldung der grünen Fraktion, geschweige denn der Medienpolitikerin Petrovic gehört, als es um die Marktkonzentration ging, die dieser Tage vom Kartellgericht erster Instanz noch nicht rechtskräftig genehmigt wurde und worüber die Arbeiterkammer sagte, am Magazinsektor in Österreich – und das ist weltweit so – komme es zu einem 100-prozentigen Monopol durch Zusammenschluss der Unternehmen, die die Titel "FORMAT", "NEWS", "profil", "tv media", "e-media", "yachtrevue", "golfrevue" und andere Special Interest-Zeitschriften herausgeben.

Dazu habe ich kein Wort gehört. Eine 100-prozentige Marktposition am – wie das Kartellrecht sagt – relevanten Sektor der wöchentlichen Nachrichtenmagazine! Da geht es ja auch um Interessen von Journalisten, die nicht mehr ausweichen können. Und wenn Sie hier – ich will Ihnen das durchaus zubilligen – mit Recht einwenden, dass man sich über die Marktkonzentration auf dem Mediensektor in Österreich Gedanken machen muss, wenn Ihnen das ernst ist, dann müssten Sie doch wohl dort, wo es um wesentlich mehr geht als um ein paar Radios, auch klare Worte verlieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 470 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über die von dem Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen haben eine Abänderungsantrag eingebracht, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Bejahung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, ebenfalls um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 471 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 472 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit und damit angenommen.

7. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 350/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol, Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (475 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes (476 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Schieder: Herr Präsident! Jetzt wurde der Antrag verteilt, über den Sie abgestimmt haben!)

18.59

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein wichtiger Moment für das österreichische Parlament, dass wir diese Gesetzesvorlagen heute diskutieren und gemeinsam beschließen werden. Es ist genauso selbstverständlich, dass wir das tun, wie ich es auch für selbstverständlich erachte, dass auch die parlamentarische Opposition die Leistung würdigt, dass dieses Abkommen und die dazugehörigen Gesetze zustande gekommen sind. (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte betonen, dass ich es begrüße, wenn wir in dieser Frage zu einem gesamtösterreichischen Konsens gelangen, weil das eine außerordentlich wichtige Frage für uns darstellt. Ich möchte in diesem Zusammenhang allen an den Verhandlungen Beteiligten meinen ausdrücklichen Dank aussprechen, in erster Linie Herrn Botschafter Dr. Sucharipa und Herrn Gesandten Dr. Winkler, die sich hiebei Verdienste erworben haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesen Gesetzen wird die Geschichte der Aufarbeitung unserer Vergangenheit, der österreichischen Vergangenheit, weiter fortgesetzt. Es ist ganz wesentlich, dass wir anlässlich der Beschlussfassung dieser Gesetze auch unsere historische Mitverantwortung an einem der finstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte einbekennen. Wiewohl Österreichs Staatlichkeit durch den "Anschluß" aufgelöst wurde und sich nicht wenige Österreicher dem NS-Unrechtsregime unter Einsatz ihres Lebens entgegenstemmten, fanden sich auch viele, die sich am Raub, Terror und an den Vernichtungsfeldzügen der Nazis als willige Vollstrecker beteiligten, die als bösartige Profiteure dabei waren oder auch nur als Mitläufer. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Österreich – das ist wohl wahr – war völkerrechtlich ein Opfer des NS-Imperialismus, aber nicht alle Österreicher empfanden das so, und es war auch nach 1945 ein weiter, schmerzhafter und schwieriger Weg zu diesen differenzierten Einsichten, die im Übrigen erstmals von einem


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sozialdemokratischen Bundeskanzler, nämlich von Dr. Franz Vranitzky, vor der österreichischen und der internationalen Öffentlichkeit artikuliert wurden. Damit wurde ein Paradigmenwechsel in der Debatte über die Vergangenheitsbewältigung und über die Bewertung der Ereignisse zwischen 1938 und 1945 eingeleitet. Ich möchte ausdrücklich meinen Respekt und meine Anerkennung für Dr. Vranitzky zu seinen Erklärungen im Jahre 1991 vor dem Nationalrat und im Jahre 1993 in Israel bekunden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich tue dies vor allem deswegen, weil ich der Auffassung bin, dass wir all das, was wir jetzt tun, nicht in erster Linie machen, um gegenüber der internationalen Öffentlichkeit ein Signal zu setzen. Ich glaube, wir machen das in allererster Linie für uns selbst, denn das Bild, das wir uns von unserer Vergangenheit machen, bestimmt auch unsere politische Gegenwart. Geschichtsbilder haben auch eine Wirkung und eine Wirkungsmacht für die Interpretation der Gegenwart und für die Gestaltung der Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir gedenken daher jedes Jahr – vor allem am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus – in erster Linie der Opfer. Wir gedenken aber der Opfer nicht nur wegen der Wirkung nach außen, sondern auch um unserer selbst willen, weil wir mit diesem Blick auf die Vergangenheit auch einen Blick auf die Zukunft werfen. Das Wesentliche dabei ist, dass wir in diesem Zusammenhang immer wieder unsere Grundwerte bekräftigen und uns auch dazu bekennen, dass wir an den demokratischen Grundwerten der Zweiten Republik festhalten wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Man braucht eigentlich nie etwas über das "Dritte Reich" und seine Gewalttaten gehört zu haben, um zu wissen, dass man Menschen nicht verfolgen darf, dass man Menschen nicht misshandeln darf, dass man Menschen nicht totschlagen darf. Wir müssen jedoch sogar die Erfahrung machen, dass Menschen, die ein enormes Wissen über die Geschichte des Nationalsozialismus haben, trotzdem Menschen sein können, die zu rechtsextremer Gewalt und auch zu menschenfeindlichen Gesinnungen neigen; das heißt, das Wissen um die Vergangenheit allein verhindert solche Gewalttaten nicht, denn aus dem Wissen allein entsteht weder eine persönliche Moral, noch entstehen daraus ethische Überzeugungen.

Die Erinnerung kann uns allerdings helfen, zu verstehen, und sie kann uns zeigen, was geschieht, wenn die Würde von Menschen von Staats wegen außer Kraft gesetzt wird und die Vernichtung der Würde des Menschen Ziel und Inhalt von Politik ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ethische Überzeugungen sind nie ein für alle Mal gesichert. Sie müssen gelernt und täglich vorgelebt werden. Die Menschenwürde ist nicht erst dann in Gefahr, wenn Häuser angezündet oder Menschen durch die Straßen gehetzt werden. Daher möchte ich ganz deutlich sagen, dass sich – auch wenn wir jetzt in weiten Bereichen bei den materiellen Fragestellungen die Restitutionsangelegenheiten erledigt haben werden, auch wenn es da und dort noch Diskussionen über offene Fragen gibt und offene Fragen auch in Zukunft immer wieder von einzelnen Betroffenen diskutiert werden – die politische Formulierung, die da und dort gewählt wird, dass man mit dieser Lösung nun einen Schlussstrich ziehen könnte und dass das letztendlich eine Wiedergutmachung wäre, nicht durchsetzen darf. Ich möchte als Klubobmann meiner Fraktion deutlich sagen: Für diese Art von Verbrechen gibt es keine Wiedergutmachung, und einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung dieser schrecklichen Taten der Vergangenheit kann es für uns nicht geben! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich bin der Auffassung, dass wir mit diesen Restitutionsgesetzen eine der letzten Chancen wahrnehmen, manchen der wenigen Überlebenden noch eine finanzielle Geste zu zeigen. Viele, die diese Geste schon längst hätten bekommen sollen, sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gestorben, sofern sie überhaupt das Glück hatten, der Hölle des Nationalsozialismus zu entkommen. Ein Großteil der jüdischen Mitbürger in unserem Land, der Roma, der Sinti, der Homosexuellen und anderen ist es nicht gelungen, die Hölle des Nationalsozialismus zu überleben. In Bezug auf sie hatten wir überhaupt nie die Chance, diese Art von finanzieller Geste zu setzen. In Bezug auf die wenigen Überlebenden haben wir nun diese Chance. Daher bin ich sehr froh darüber, dass wir diese Chance als österreichische Demokraten gemeinsam wahrnehmen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich glaube, mit der Beschlussfassung der heutigen Gesetze, vor allem wenn sie mit einem Bekenntnis zur historischen Verantwortung und der Wahrnehmung der historischen Verantwortung auch für die Zukunft verbunden sind, setzen wir einen wichtigen Schritt für uns und für Österreich. Ich bin der Meinung, dass wir dabei kleinliche Streitereien in den Hintergrund treten lassen sollten und den guten gemeinsamen Schritt in den Vordergrund stellen sollten.

Es wäre auch schön gewesen, wenn es in der gestrigen Sitzung des Verfassungsausschusses zur Anhörung von Herrn Jahoda und von Herrn Muzicant gekommen wäre, weil sie die beiden waren, die bereit waren, sich gemeldet haben, im Verfassungsausschuss für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen. Das wäre die Möglichkeit gewesen, ihnen als einem Teil der Verhandlungsgruppen gegenüber auch den politischen Willen zu dokumentieren und das Verständnis hinter einzelnen gesetzlichen Regelungen noch einmal gemeinsam zu erläutern. Es ist leider nicht dazu gekommen.

Ich glaube, dass wir daher die heutige Diskussion und die Beratungen vor der Beschlussfassung dazu nützen sollten, die Klarstellungen, die es gestern nicht gegeben hat, heute zu erreichen. Das würde dem Beschluss der Restitutionsgesetze zusätzliches politisches Gewicht verleihen. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

19.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! In der Präambel zu unserem Regierungsabkommen stehen folgende Worte, die ich dem Hohes Haus noch einmal in Erinnerung rufe:

"Österreich stellt sich seiner Verantwortung aus der verhängnisvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts und den ungeheuerlichen Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes: Unser Land nimmt die hellen und die dunklen Seiten seiner Vergangenheit und die Taten aller Österreicher, gute wie böse, als seine Verantwortung an. Nationalismus, Diktatur und Intoleranz brachten Krieg, Fremdenhass, Unfreiheit, Rassismus und Massenmord. Die Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Verbrechens des Holocaust sind Mahnung zu ständiger Wachsamkeit gegen alle Formen von Diktatur und Totalitarismus."

"Die Bundesregierung bekennt sich zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Sie wird für vorbehaltlose Aufklärung, Freilegung der Strukturen des Unrechts und Weitergabe dieses Wissens an nachkommende Generationen als Mahnung für die Zukunft sorgen. Hinsichtlich der NS-Zwangsarbeit wird die Bundesregierung im Lichte des Zwischenberichts der österreichischen Historikerkommission ... um sachgerechte Lösungen bemüht sein."

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung und der gesamte Nationalrat haben in dieser Frage Wort gehalten. Der gesamte Nationalrat hat eine neue Bestimmung zum Minderheitenschutz in die Bundesverfassung aufgenommen. Der gesamte Nationalrat hat die Gesetzgebung betreffend die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter beschlossen. Und ich freue mich, dass heute auch dieses Entschädigungsfondsgesetz sowie die Novelle zum Nationalfondsgesetz voraussichtlich einstimmig beschlossen werden. Ich möchte dem Präsidenten des Nationalrates, Heinz Fischer, für seine Bemühungen zur Erzielung dieser Einstimmigkeit danken, ebenso dem Vorsitzenden des Verfassungsausschusses, Herrn Abgeordnetem Dr. Peter Kostelka. (Beifall bei der ÖVP und der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen.)

Wir haben damit unsere Verantwortung wahrgenommen, wie es auch in der Debatte über die Errichtung des Nationalfonds im Jahre 1995 ausgedrückt wurde – ich zitiere –:

"Die Geschichte jeder Nation kennt dunkle und helle Stellen. Und die moralische Größe einer Nation erweist sich im Umgang mit den dunklen, mit den dunkelsten Stellen der eigenen Geschichte. Ich glaube, daß wir Österreicher in diesem Zusammenhang durchaus einiges an Nachholbedarf haben, war doch 1938 Österreich erstes Opfer des Nationalsozialismus, aber es war nicht nur Opfer. Es hat – und das ist mit aller Ehrlichkeit und Offenheit einzugestehen, und


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das sollte uns keine Schwierigkeiten machen, ... – auch in den Reihen unserer Landsleute Täter gegeben, und nicht wenige." – Ich möchte mich diesen Worten anschließen; sie sind nicht von mir.

Wir kommen daher unserer Verantwortung nach, wenn wir heute die Novelle zum Nationalfondsgesetz beschließen, mit der endlich jenen armen Menschen, die im Jahre 1938 ihre Wohnungen, ihre Mietrechte, ihren Hausrat verloren haben und damit ihrer Existenzgrundlage beraubt wurden, 150 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt werden.

Und ich freue mich auch, dass wir heute einen Entschädigungsfonds als einen "General Settlement Fund" mit 210 Millionen Dollar dotieren, weil damit eine Entwicklung abgeschlossen erscheint. Was damit gemeint ist, bringen die Abgeordneten Kostelka, Krüger, Khol und Stoisits in einem Entschließungsantrag aller vier im Hohen Haus vertretenen Parteien zum Ausdruck, den ich nunmehr zur Verlesung bringen möchte:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Krüger, Dr. Khol, Mag. Stoisits und Kollegen betreffend das Ergebnis der Restitutionsverhandlungen, eingebracht am 31. Jänner 2001 im Zuge der Debatte zum Entschädigungsfondsgesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Nationalrat drückt sein Bedauern darüber aus, daß in den seit 1945 gesetzten umfangreichen Maßnahmen der Restitution, Entschädigung und Sozialleistungen für Opfer des Nationalsozialismus Lücken und Unzulänglichkeiten festzustellen waren, und begrüßt, daß die Restitutions- und Entschädigungsgesetzgebung jetzt abgeschlossen werden konnte.

Der Nationalrat ersucht die zuständigen Regierungsmitglieder, den Empfehlungen der Schiedsinstanz für die Naturalrestitution von öffentlichem Vermögen Rechnung zu tragen.

*****

Mit dieser Entschließung wird der Schlussstein ausdrücklich anerkannt und auch gewürdigt.

Meine Damen und Herren! Konzentrierte und unglaublich schnelle Verhandlungen haben dieses Ergebnis zustande gebracht. Ich habe bereits Präsident Fischer und Peter Kostelka erwähnt, möchte aber auch den Regierungsbeauftragten Botschafter Sucharipa, Botschafter Dr. Winkler und dem Vertreter der Wirtschaft, Dr. Herbert Pichler, ausdrücklich danken und anerkennen, dass in nur drei Monaten ein Ergebnis zustande gebracht und auch die Gunst der Stunde – da der stellvertretende Finanzminister Stuart Eizenstat in den letzten Tagen seiner Regierungstätigkeit diese Sache zum Abschluss bringen wollte – genutzt wurde.

Auch Stuart Eizenstat ein herzliches Dankeschön. Er hat uns – krank, wie er ist – viel geholfen, mit dem Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit! Es haben mir Augenzeugen der Verhandlungen berichtet, wie er eingegriffen hat, und ich glaube, die Republik ist ihm Dank schuldig. (Allgemeiner Beifall.)

Lassen Sie mich mit einem Zitat von Vizefinanzminister Eizenstat schließen. Er hat am 10. Jänner in einer Pressekonferenz Folgendes gesagt:

"Was ich sagen möchte, und ich meine das in ganz aufrichtiger Weise: Wenn wir ein Abkommen erzielen, ... so wird dafür auch Anerkennung zu zollen sein, und zwar nicht nur der Regierung, dem Bundeskanzler, sondern auch dem Parlament, das insgesamt eine starke Unterstützung, und zwar quer durch alle Parteien unter der Führung des Kanzlers, geleistet hat, ... aber vor allem, wenn der Herr Bundeskanzler mir diese Worte gestattet, weil ich seine Führungsstärke über alle Maßen bewundere.


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Der Dank gebührt auch der Bevölkerung dieses Landes. Es ist für ein Land nicht leicht, zurückzublicken, wir alle sind beschäftigt, mit dem Blick in die Zukunft, mit den Problemen der Gegenwart – für die Tatsache, dass die Österreicherinnen und Österreicher diesen Prozess unterstützt haben, ist der österreichischen Bevölkerung zu danken, und ich bin absolut überzeugt, dass es der Welt eine Menge darüber sagen wird, wo Österreich im 21. Jahrhundert steht. Es wird dies ein Stärkungsprozess sein beziehungsweise ist es bereits, wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat, Ihre Vergangenheit zu betrachten, Lehren daraus zu ziehen und auf deren Grundlage Gerechtigkeit walten zu lassen, und die Tatsache, dass der Bundeskanzler, das Parlament und die Bevölkerung dazu bereit sind, stellt eine enorme historische Leistung größten Ausmaßes für dieses Land dar."

Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Fischer. )

19.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Krüger, Dr. Khol, Mag. Stoisits und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht damit mit zur Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

19.18

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Die Republik Österreich braucht sich für die Wiedergutmachungs- beziehungsweise Entschädigungsgesetzgebung in Sachen Aufarbeitung der Folgen des Nationalsozialismus weder besonders zu schämen noch mit besonderem Stolz auf die Schulter zu klopfen – nicht zu schämen deshalb, weil das heute zu beschließende Gesetz keineswegs das erste Gesetz ist, mit dem der Versuch unternommen wird, zumindest eine finanzielle Wiedergutmachung, nämlich dort, wo menschliche Wiedergutmachung nicht mehr möglich ist, in die Tat umzusetzen.

Es hat bereits im Jahre 1946 das so genannte Nichtigkeitsgesetz gegeben. In weiterer Folge wurden sieben Rückstellungsgesetze erlassen. Nach den einschlägigen Dokumentationen wurden in der Republik Österreich vor den zuständigen Rückstellungssenaten und den darüber stehenden Oberbehörden insgesamt 43 000 Rückstellungsverfahren abgewickelt. Es gab eine Vielzahl von gesetzlichen Besserstellungen in der Sozialversicherung, und erst in der vorvergangenen Legislaturperiode konnten wir das Nationalfondsgesetz beschließen.

Wenn ich sage, dass wir, was die Wiedergutmachung anlangt, aber auch nicht mit besonderem Stolz in die Vergangenheit zu blicken brauchen, so bezieht sich das darauf, dass es politisch immer wieder Strömungen gegeben hat, die davon gesprochen haben, "die Sache in die Länge zu ziehen".

Es ist natürlich fast anmaßend – das gebe ich schon zu –, am heutigen Tag als Abgeordneter, der erst im Jahre 1994 angelobt wurde, hier leise Kritik an den Vorgängen im Nationalrat zu üben, weiß man doch, welch gewaltige Anstrengungen Österreich unternehmen musste, um aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges wieder eine blühende Demokratie, ein blühendes Land zu schaffen.

Mit dem heutigen Gesetz und den heutigen Gesetzesvorlagen wird etwas sehr Wesentliches bewirkt: Es soll ein für alle Mal ein Schlussstrich unter die noch offenen finanziellen Forderungen von Opfern und ihren Erben gezogen werden. – Einen Schlussstrich kann man nur unter materielle Ansprüche ziehen. Ich habe bereits wiederholt und auch im Ausschuss gesagt, dass man sich zu jeder Zeit – ob das 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ist, ob später oder wann immer – der geschichtlichen Betrachtung und auch der geschichtlichen Verantwortung zu stellen hat. Ich glaube, dass mit diesem Gesetz die Republik Österreich einer sehr wichtigen Verantwortung nachkommt.

Ich möchte noch einen geschichtlichen Rückblick machen und versuchen, auf die furchtbaren Ereignisse in den späten dreißiger Jahren und in den vierziger Jahren einzugehen.


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Die Truppen des "Deutschen Reiches" sind 1938 in Österreich einmarschiert. Über die Art und Weise sowie die Bewertung dieses Einmarsches gibt es verschiedene Theorien.

Wir kennen die Moskauer Deklaration von 1943, die besagt: Österreich war das erste Opfer Hitler-Deutschlands. Und erst vor ganz kurzer Zeit hat einer der prominentesten Widerstandskämpfer, die Gott sei Dank noch am Leben sind, nämlich Fritz Molden, gesagt, dass es keines gewaltsamen Einmarsches bedurft hätte, wenn Österreich freiwillig im "Deutschen Reich" aufgegangen wäre. – Ich glaube, das ist etwas sehr Wesentliches! Wir dürfen doch nicht außer Acht lassen, dass der Einmarsch letztlich deshalb durchgeführt wurde, weil die österreichische Regierung eine Volksabstimmung in Freiheit angeordnet hat. Weil die deutschen Machthaber den Ausgang einer derartigen, wie ich glaube, von Patriotismus getragenen Volksabstimmung gefürchtet haben, ist es zum Einmarsch gekommen. Und eine Volksabstimmung in einem besetzten Land, in dem Menschen auf Grund ihrer Rasse, ihrer Abstammung, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer politischen Einstellung verfolgt und eingesperrt werden, kann man naturgemäß nicht als reguläre Volksabstimmung bezeichnen, weil sie ja eine einzige Verfälschung des wahren Willens der Österreicherinnen und Österreicher war.

Aber ich verkenne auch nicht, dass Österreicher maßgeblich in die Todesmaschinerie des Holocaust eingebunden waren. Es hat unter ihnen maßgebliche Schreibtischtäter gegeben. Ich selbst habe die Protokolle der Wannsee-Konferenz, die 1942 stattgefunden hat, eingesehen und diesen fürchterlichen bürokratischen Zynismus, der damals geherrscht hat, zur Kenntnis nehmen müssen: Es wurde gesagt, man müsse die noch auf deutschem Staatsgebiet befindlichen Angehörigen der jüdischen Bevölkerung dem härtesten Front- und Straßenbaueinsatz unterziehen, unter schwersten Bedingungen, sodass davon auszugehen sei, dass die jüdische Bevölkerung und Rasse in Zentraleuropa fast zur Gänze vernichtet werde. Sofern es aber dann noch immer Überlebende geben sollte, sei dem Leben auch dieser Menschen ein Ende zu bereiten, da diese ja nach der völlig irrwitzigen Rassenlehre besonders dazu geeignet wären, sich dann zu vermehren und besonders gestählte Menschen hervorzubringen.

Auch diese Rolle, die Österreicher sowohl als Schreibtischtäter als auch als KZ-Schergen gespielt haben, soll durchaus nicht verkannt werden!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stellen uns dieser Verantwortung. Es gab Lücken in der Entschädigungs- und Restitutionsgesetzgebung, die mit Recht aufgezeigt wurden. Diese Lücken sollen geschlossen werden. 150 Millionen Dollar werden, wie mein Vorredner bereits ausgeführt hat, nun aufgewendet, um den Verlust von Mietrechten, Hausrat, beweglichen Sachen und dergleichen auszugleichen, und eine Gesamtabfindungssumme von 210 Millionen Dollar soll einbezahlt werden, um noch offene Entschädigungsansprüche abzugelten.

Dann allerdings, wenn diese Gelder ausbezahlt sind, ist auch der Schlussstrich unter die finanziellen Forderungen gezogen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was ich sehr bedauere und nicht unausgesprochen lassen kann, sind die heutigen Störversuche des Vorsitzenden der Kultusgemeinde, Dr. Ariel Muzicant. Ich bin persönlich massiv betroffen, wenn er davon spricht, er, Muzicant, "habe den Eindruck, als ob der eine oder andere immer noch ,die Herrenrasse‘ hervorkehre, ‚und den Opfervertretern erkläre, wo es langgehe‘." – Das meint er mit Bezugnahme auf die Ausschussmitglieder.

Ich muss sagen, das ist der furchtbaren NS-Phraseologie entnommen, und ich bin wirklich entsetzt. (Abg. Öllinger: Es ist besser, Sie hören auf!) Ich fühle mich damit auch persönlich angegriffen (die Abgeordneten Dr. Pilz und Mag. Stoisits: Besser aufhören!), wenn man gerade bei einem Gesetz, bei dem es doch darum geht, den Geist der Übereinkunft und der Versöhnung zu beschwören, derartige Worte für Verhandlungsführer, Verhandler und Ausschussmitglieder findet (Abg. Mag. Posch: Es ist besser, Sie hören auf! – Abg. Edlinger: Ein absolut peinlicher Mensch ist das!), die sich wirklich dafür eingesetzt haben, dass es auch zu dieser Gesetzgebung gekommen ist.


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Ich bedauere, dass hier offensichtlich die persönliche Befindlichkeit des Herrn Muzicant darüber, dass er gestern nicht beigezogen wurde – wir haben gesagt, es sollten dann auch andere Opfervertreter beigezogen werden, nämlich beispielsweise die der Roma und Sinti –, über die Interessen dieser Opferschutzgesetzgebung gestellt wird. Aber wir werden uns nicht aufhalten lassen. Und ich bin sehr froh darüber, dass die Leiterin des Nationalfonds der Republik Österreich, Frau Hannah Lessing, heute erklärt hat:

"Der Anfang ist bereits gemacht. Wenn der Nationalrat heute, Mittwoch, die Entschädigungen für NS-,Arisierungs‘-Opfer beschlossen haben wird, kann der Nationalfonds an jene Personen, die bereits im Computer erfasst sind, schon Fragebögen ausschicken. Darin werden mögliche Ansprüche auf die nun zur Verfügung stehenden Mittel abgefragt."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es kann der Nationalrat sicher nicht aufgehalten werden, diese wichtigen Gesetze zu beschließen, um den jetzt noch lebenden Opfern rasch die nötige finanzielle Genugtuung zu leisten beziehungsweise deren finanzielle Ansprüche zu befriedigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

19.30

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde vorwirft, NS-Phraseologie zu verwenden, nur weil er nicht mit allem einverstanden ist, was die blau-schwarze Regierung, auch der Opposition, vorgeschlagen hat, hier heute einvernehmlich zu beschließen, dann halte ich das für so eine Ungeheuerlichkeit (Beifall bei den Grünen und der SPÖ), dass mir jetzt eigentlich alles entfallen ist, was ich Ihnen im Anschluss an die Wortbeiträge meiner Kollegen, die vor mir gesprochen haben, auch in Bezug auf Dr. Krüger, sagen wollte.

"NS-Phraseologie" – wenn man davon spricht, dass es kein Freikaufen von der Geschichte gibt, denn so interpretiere ich den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde! Es ist kein Freikaufen von der Geschichte, wenn heute hier wichtige, wesentliche, in gewisser Hinsicht richtungweisende Gesetze beschlossen werden, denn ein Freikaufen von der Geschichte gibt es nicht. Und insofern gebe ich allen Recht; eigentlich war es bis jetzt nur Kollege Gusenbauer, der davon gesprochen hat: Es gibt keinen Schlussstrich unter den Holocaust, den gibt es nicht, und den wird es nie geben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist keine Frage von finanzieller Abgeltung, es ist keine Frage der Höhe von Entschädigungen, es ist unsere Verantwortung, dass wir trachten, dass es dieses Freikaufen nicht gibt und dass es diesen Schlussstrich nicht gibt, meine Damen und Herren.

Ich habe schon einmal – es war 1995 in einer der letzten Sitzungen vor der Sommerpause – hier eine ähnliche Diskussion mit einer ähnlichen Tragweite, was den Inhalt des Gesetzes betrifft, erlebt, und das war anlässlich der seinerzeitigen Beschlussfassung des Nationalfondsgesetzes. Anlässlich der Beschlussfassung des Nationalfondsgesetzes hat Johannes Voggenhuber, der damals für die Grünen all diese Verhandlungen begleitet hat und sie auch, so meine ich, gepusht hat, Folgendes gesagt: Während wir die Erinnerung festhalten müssen, werden die Überlebenden noch immer von ihr festgehalten. Während wir die Erinnerung wach halten, werden sie von ihr wach gehalten, und während wir uns vom Geschehen entfernen, werden sie noch einmal vom Schrecken eingeholt.

Diese Worte – und man kann das in den Protokollen des Nationalrates nachlesen – sind so etwas wie ein Wegbegleiter für das, was heute zur Beschlussfassung steht. Ich meine, dass wir heute mit dieser Beschlussfassung eine Antwort darauf geben, was damals viele Kommentatoren, auch viele Politikerinnen und Politiker kritisch hinterfragt haben, auch bei dieser wesentlichen Leistung des Nationalfonds, nämlich ob Österreich die Chance einer solchen Entlastung in gewisser Hinsicht von der Schuld und von der Verantwortung, die man hat, auch


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wahrgenommen hat. Ich meine, dass diese Gesetze, die heute zur Beschlussfassung hier anstehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Schritt sind, jungen Menschen in diesem Land, die das Recht und die Pflicht haben, die Geschichte ihres Landes zu kennen, sie aber auch zu verstehen, eine Möglichkeit zu bieten, die Geschichte ihres Landes zu kennen, zu verstehen, und dass wir ihnen damit auch ein wenig von der Verpflichtung, die wir als jetzt schon ältere Generation haben, auch abnehmen.

Die jungen Leute, aber auch wir alle haben aber auch das Recht, unbelastet von der Geschichte dieses Landes leben zu können. Und wir von der grünen Fraktion sehen diese Gesetze, denen wir heute die Zustimmung geben – wir sind ja auch mit eingebunden gewesen in diesen sehr kurzen, es war im Wesentlichen eine Woche, Prozess der legistischen Fassung des Übereinkommens von Washington –, als einen Teil der Verpflichtung, die wir auch den zukünftigen Generationen gegenüber haben, unbelastet von der Geschichte leben zu können, aber niemals so, dass das ein Freikaufen von der Verantwortung und von der Geschichte ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Heute wurde in den bisherigen Reden vielen gedankt und wurden viele erwähnt. Ich möchte auch danken, aber ich möchte vor allem jenen danken, die 56 Jahre Geduld hatten, darauf zu warten, dass das heute geschieht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Nämlich den Opfern und den Erben, die heute auch bedacht werden, denen gebührt Dank.

Ich habe tiefsten Respekt vor einem dieser Opfer, das gestern hier in den Gängen vor dem Budgetsaal auf und ab gegangen ist und gewartet hat, eine Chance zu bekommen, im Verfassungsausschuss des Nationalrates uns symbolisch die Hand zu reichen: Moshe Jahoda, ein Wiener, der vertrieben wurde, dessen Familie vernichtet, ermordet, vergast wurde, dem alles geraubt wurde, was man einem 11-Jährigen nur rauben kann. Und dem, einem alten Herrn, er ist nicht mehr der Jüngste, haben Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, die Chance genommen, uns die Hand zu reichen. Das ist gestern passiert, und das, Michael Krüger, hat mich betroffen gemacht! Das hat mich betroffen gemacht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es hat mich betroffen gemacht, dass es in einer Art und Weise banal zugeht, das ist alles so provinziell, das ist alles so tief, ich kann und will es auch gar nicht schildern, weil es absolut nicht im Einklang mit der Würde dessen steht, was hier insgesamt geschaffen wurde.

Deshalb der Dank an jene, die so viele Jahre Geduld hatten, aber auch der Dank an jene, die es in den letzten Monaten und vor allem in den letzten Tagen geschafft haben, dass wir im Nationalrat – die Verhandlungen in Washington hat nicht der Nationalrat geführt, sondern Regierungsvertreter – die Chance haben, diesen Akt heute zu setzen, indem das legistisch umgesetzt wird. Ich habe tiefsten Respekt vor jenen, die das in so kurzer Zeit geschafft haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ihnen gebührt Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ und ÖVP.)

Die Gesetze, die wir heute beschließen, haben im Wesentlichen drei Aspekte, und einer ist für mich der allerwichtigste und der allerwesentlichste, nämlich die Novelle zum Nationalfondsgesetz, die garantiert, dass 150 Millionen Dollar sofort und umgehend an Überlebende des Holocaust und NS-Opfer ausbezahlt werden können – sofort und umgehend! 150 Millionen Dollar, das ist eine Summe, die stattlich ist. Das ist aber auch eine Summe, die keineswegs imstande ist, zu restituieren, auch nicht symbolisch, sondern das ist eine Summe, wo jeder einen Betrag bekommt, der damals eine Wohnung verloren hat und heute noch lebt. Das ist nämlich die Voraussetzung. Aber es geschieht sofort. Es kann, wenn Sie heute die Zustimmung zu diesem Gesetz geben, in einigen Wochen mit der Auszahlung begonnen werden. Der Nationalfonds der Republik Österreich mit seinem bewährten Team, seiner Geschäftsführung und Generalsekretärin wird das sicherlich so zur Zufriedenheit umsetzen, wie man das schon von der Arbeit des Nationalfonds in den letzten Jahren gewohnt ist. Und das ist für mich der wesentlichste und wichtigste Punkt dafür, dass wir diesem Paket insgesamt unsere Zustimmung geben, denn hier wird schnell und unmittelbar etwas getan.


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Was die 210 Millionen Dollar im "General Settlement Fund" betrifft, wird es – und da liege ich sicher nicht falsch – Jahre dauern, bis Überlebende oder Erben unmittelbar mit Auszahlungen rechnen können; das bedingt die Konstruktion dieses Entschädigungsfonds. Also frühestens in zweieinhalb bis drei Jahren wird Geld dort fließen. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es umso wichtiger, dass alle Aspekte des Restitutionsgedankens auch miterfasst sind. Es sind und können nie alle Aspekte erfasst sein, wenn es Verhandlungen gibt zwischen der einen Seite, die etwas geben soll, und der anderen Seite, die etwas fordert, unter Vermittlung vom bereits erwähnten Vizefinanzminister der USA Stuart Eizenstat. Eizenstat war Vermittler, hat aber eine sehr wesentliche Rolle gespielt und wird auch noch eine spielen, nämlich in der Frage: Gibt es diese schon so oft genannte Rechtssicherheit für Österreich?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl ich mit Überzeugung diesem Gesetz zustimme, weil ich es für notwendig halte, sage ich genauso überzeugt, es wird nie Rechtssicherheit geben können, weil nicht alle Aspekte umfassend, in allen Details davon erfasst sind. Wir müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass es das Recht von Beraubten, von Bestohlenen, von Enteigneten ist, sich mit Rechtsmitteln dagegen zu wehren und diese Wege einzuschlagen. Es ist eine andere Frage, meine Damen und Herren, ob sie mit ihren Klagen und mit ihrer Vorgangsweise erfolgreich sind; ich möchte jetzt nicht prognostizieren, wie es sein wird. Aber wir haben keine Rechtssicherheit, denn nach den Geschehnissen zwischen 1938 und 1945 kann niemand Rechtssicherheit haben, weil das, was da passiert ist, nicht – weder mit Worten noch mit Gesten, noch mit Geld und Zuwendungen – abfindbar ist.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der dritte Aspekt dieser heutigen Gesetzgebung, nämlich die Naturalrestitution, auch so ein sensibler. Und deshalb habe ich großes Verständnis für jene, die jene Passagen im Gesetz kritisieren, in denen es klar heißt, restituiert, nämlich wirklich zurückgegeben, wird das, was heute dem Bund gehört, und wo nicht definitiv drinsteht, auch das, was Gemeinden und Länder besitzen, wird unmittelbar zurückgegeben. Ich hoffe sehr, dass der politische Druck und der politische Wille in den Ländern und in den Gemeinden dazu führen werden, dass sie eine ähnliche Vorgangsweise einschlagen wie jene, die der Bund nicht einzuschlagen beabsichtigt, sondern einschlagen muss. Darum ist mir ja die Entschließung, die selbst ich unterzeichnet habe, eine viel zu weiche, in der steht: Wir ersuchen zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir ersuchen in dem Bewusstsein die Mitglieder der Bundesregierung, Naturalrestitution durchzuführen, weil sie dazu verpflichtet sind, weil sie sowohl moralisch, das ist gar keine Frage, als auch rechtlich dazu verpflichtet sind. Nach diesem Abkommen und nach der Beschlussfassung dieser Gesetze sind sie auch rechtlich dazu verpflichtet, das zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ein allerletzter Aspekt. Es hat in diesen hektischen letzten Tagen Entwürfe, Stellungnahmen der Fraktionen und wieder Entwürfe gegeben – ich weiß nicht, wie viele Stufen es gegeben hat –, und im allerersten Entwurf war eine Passage enthalten, die sicher Ihnen allen ausgesprochen plausibel erscheinen wird. Um es ganz kurz zu fassen: Herrenloses, sprich erbloses Vermögen, das noch in Händen der Republik ist, soll, wenn sich Erben nicht ausfindig machen lassen, wenn man so will, den Opfern, in dem Fall dem Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinde Österreich, zufallen. Nicht die Republik soll profitieren von der Tatsache, dass sich Erben nicht feststellen lassen, sondern wir sollten gewillt sein, das den Opfern in ihre Hände zurückzugeben. Und das sah der erste Entwurf auch vor.

Das sieht der jetzt zur Beschlussfassung vorliegende Entwurf nicht mehr vor, und ich kann Ihnen sagen, warum nicht: weil die Freiheitliche Partei und die Österreichische Volkspartei das hinausreklamiert haben, weil sie das nicht drinstehen haben wollen. Sie wollen nicht, dass drinsteht, die Israelitische Kultusgemeinde soll das bekommen. Deshalb steht das nicht drinnen. Der Druck auf uns – das gilt auch für die Sozialdemokraten –, trotzdem diesen Konsens nicht zu brechen, war so groß, dass ich nicht wusste, was man tun soll: entweder alles platzen lassen oder mit dabei sein. Und ich habe mich für die grüne Fraktion aus Verantwortungsbewusstsein für das Zweitere entscheiden.


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Nichtsdestotrotz bitte ich Sie jetzt, meine Damen und Herren, im Zuge dessen, was Sie jetzt in der Diskussion gehört haben und was Sie auch noch vom Herrn Bundeskanzler hoffentlich in klaren Worten hören werden, nämlich das Bekenntnis zu Mitverantwortung und die Entschuldigung bei den Opfern, dem Abänderungsantrag, den ich jetzt verlesen werde, Ihre Zustimmung zu erteilen, um in letzter Minute noch diese Korrektur anbringen zu können; er ist schon eingebracht.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Terezija Stoisits und FreundInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

§ 27 Abs. 2 des Entschädigungsfondsgesetzes lautet:

"Antragsberechtigt sind weiters Erben von antragsberechtigten Personen gemäß Abs. 1 in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches; wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist, der Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinde Österreich. Im Fall einer aufgelösten Vereinigung ist auch eine Vereinigung antragsberechtigt, die von der Schiedsinstanz als deren Rechtsnachfolgerin angesehen wird."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollen uns nicht bereichern an geraubtem Vermögen von Menschen, die das Unglaublichste erlebt haben, das in Worten nicht ausdrückbar ist und wo mir die Phantasie fehlt, es mir vorzustellen. Darum bitte ich Sie: Stimmen Sie diesem Abänderungsantrag zu! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit zur Verhandlung beziehungsweise zur Abstimmung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte.

19.46

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Wiedergutmachung ist eine rechtliche, politische, materielle, aber auch eine ethische und moralische Forderung. 6 Millionen Morde kann man nicht wiedergutmachen, Milliarden geraubten Vermögens nicht wirklich rückerstatten.

Die Einzigartigkeit der Verbrechen Nazideutschlands an den Juden Europas entzieht sich in Wahrheit jeglichen Kategorien des Denkens. Angesichts der historischen Dimensionen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik kann es nur Annäherungen geben. Die Frage der Reparationen ist eine – fast möchte man sagen – unendliche Geschichte. Sie hat insgesamt 56 Jahre gedauert. Fragen der Reparation, der Rückerstellung und Rückerstattung, der Wiedergutmachung waren von jüdischer Seite bereits vor 1939 Gegenstand von Überlegungen, aber auch die Alliierten haben sich im Londoner Abkommen damit beschäftigt.

Österreich und die Alliierten waren somit von Anfang an mit diesen Forderungen konfrontiert. Während sich jedoch die Wiedergutmachung in der deutschen Diskussion schnell auf eine außenpolitische Dimension bezogen hat, indem sie materielle Leistungen an den Staat Israel einbezogen hat und diese materiellen Leistungen mit einem Deutschland zu gewährenden moralischen Kredit verbunden hat, war die Geschichte in Österreich ein klein wenig anders. Eine Mitschuld des österreichischen Volkes, aus der sich eine Pflicht zur Wiedergutmachung ergeben hätte, wurde definitiv abgelehnt. Eine Bereitschaft, Wiedergutmachung zu zahlen, hätte die Opferthese des österreichischen Staates unterminiert. Wozu etwas wiedergutmachen, wenn man selbst Opfer war?


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Und insofern möchte ich den Einwand des Abgeordneten Khol, des mutigsten Verfassungspatrioten, relativieren, der da gesagt hat: Österreich war nicht nur Opfer des Nationalsozialismus, sondern es gab auch Täter. – No na! Aber was sagt das über das Wesen des Nationalsozialismus aus? (Abg. Dr. Khol: Wissen Sie, wen ich zitiert habe, Herr Kollege Posch? Den Abgeordneten Kostelka!) Ja, es ist in Ordnung, das Zitat ist ja in Ordnung. Aber was kommt dann? (Abg. Dr. Khol: Weil ich damit gerechnet habe, wenn ich das sage, dass ich von Ihnen einen Einwand kriege!)

Die Realität zeichnet nämlich ein düsteres Bild, wenn man dem Bericht der Historikerkommission folgt, wonach unter den Nazis kein Vermieter gezwungen war, jüdische Mieter hinauszuwerfen. Es hat nach dem Anschluss Mitte März 1938 mehr als ein Jahr gedauert, ehe die Nationalsozialisten ein Gesetz erlassen haben, wonach es zulässig war, Mieter allein deswegen auf die Straße zu setzen, weil sie Juden waren. Und trotzdem wurden vorher 44 000 Wohnungen arisiert. Die Krüger’sche abenteuerliche These vom Einmarsch, die er heute aufgestellt hat und der in der letzten Sequenz der Heldenplatz fehlt, ist daher nur die halbe Wahrheit, wenn man diese Dinge beschreibt.

Die Konzeption von Österreich als erstes Opfer Hitlers, der Konsens über Österreichs Neutralität und auch der Staatsvertrag haben in Wahrheit den Anspruch der überlebenden Juden auf Rehabilitierung erschwert. Wo es Opfer gab, wo es kein Gewissen gab, da war es auch politisch nicht notwendig, Restitution zu leisten.

Eine umfassende moralische, gesellschaftliche und kulturelle Rehabilitierung der Juden, all jener, die emigrieren mussten, unter ihnen zahlreiche Wissenschaftler, Philosophen, Dichter, zahlreiche Geistesgrößen der Ersten Republik, diese umfassende moralische, gesellschaftliche und kulturelle Rehabilitierung der Juden hat es in Wahrheit in keinem der drei Nachfolgestaaten des "Dritten Reichs", weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in der DDR, noch in Österreich, gegeben. Das war, wenn Sie so wollen, die späte Rache Hitlers.

In den neunziger Jahren ist unter dem Titel "Vergangenheitsbewältigung" einiges in Bewegung geraten. Abgeordneter Gusenbauer, unser Parteivorsitzender, hat schon auf die Rede Vranitzkys hier im Nationalrat im Jahre 1991 hingewiesen. Auch Herr Schüssel hat, wenn auch in differenzierterer Form, darauf Bezug genommen, ohne dieser Stellungnahme eine Eindeutigkeit folgen zu lassen.

Es hat die Rede Klestils im Jahr 1994 in Jerusalem gegeben, die Beachtung gefunden hat, es hat den Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus gegeben, die Veranstaltungen hier im Parlament, die Einsetzung des Nationalfonds, die Einsetzung der Historiker-Kommission, das Versöhnungsfondsgesetz zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter und jetzt das Restitutionsabkommen. Es ist wahr, es haben Maria Schaumayer und auch Ernst Sucharipa großartige Arbeit in diesem Zusammenhang geleistet.

Dr. Schüssel hat gesagt, wichtig sei es, dass es der Regierung innerhalb eines Jahres gelungen sei, etwas Substantielles für die Opfer zu tun. Dem stimme ich zu. Sie haben sich auch optimistisch bezüglich der finanziellen Abdeckung gezeigt. Sie haben gesagt, die Vorabsprachen seien so gestaltet, dass Sie mit Zuversicht sagen können, die 360 Millionen Dollar auch wirklich aufbringen zu können. Ich glaube Ihnen, und ich hoffe, dass es nicht so wird wie bei der Zwangsarbeiterentschädigung. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man sich auf einen Schlüssel von 50 : 50 von Staat und Wirtschaft geeinigt hat, hat die Wirtschaft in Österreich bis jetzt leider nur 150 Millionen Schilling gezahlt, und die Regierung hat den Insolvenzfonds um 3,8 Milliarden Schilling geplündert und quasi das Unmaß besessen, die Zwangsarbeiter aus dem Insolvenzfonds zu zahlen und quasi die Arbeitslosen sühnen zu lassen, die Arbeitslosen für die Zwangsarbeiter zahlen zu lassen. Das widerspricht jedem fundamentalen Schuld- und Sühneverhältnis. – So viel zur technischen Seite der Vergangenheit.

Wie umfangreich dieser größte Raubzug der Geschichte war, beweist allein die Tatsache, dass rund 200 Milliarden Schilling geraubt wurden. Das ist eine relativ große Summe, wenn man sie mit der Wiedergutmachungssumme von 1 Milliarde Dollar vergleicht.


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Schwerer jedoch als die materiell-technische Seite wiegt die geistige Auseinandersetzung, das geistig-kulturelle Erbe, und da stehen wir erst am Beginn. Ich meine die Kontinuität antisemitischen und rassistischen Denkens, die geistige Restitution, und das ist nicht abzutrennen, denn die Wahrheit ist konkret.

Herr Bundeskanzler! Ich weiß schon, Sie halten das aus, Sie halten sehr viel aus – Augen zu und durch! –, aber Tatsache ist, dass Herr Klubobmann Westenthaler zum Beispiel erklärt hat, dass Österreich bereits 300 Milliarden Schilling als Entschädigung an jüdische Naziopfer gezahlt hat und dass man damit Schluss machen muss. Da muss man den Anfängen wehren.

Wenn Herr Dr. Haider sagt, es müsse Schluss sein, es sei eine trügerische Hoffnung des Bundeskanzlers, dass er ungeteilten Applaus an der Ostküste bekommen wird, Herr Muzicant sei erst dann zufrieden, wenn man für ihn auch jene 600 Millionen Schilling Schulden bezahlt, die von ihm in Wien angehäuft worden sind, dann muss man den Anfängen wehren.

Wenn Herr Prinzhorn im Vorjahr gesagt hat, es gehe um eine Angleichung von Systemen, die längst überfällig sei, das sei letzten Endes nichts anderes als das Beenden einer Zweiklassengesellschaft, die in höchstem Maße asozial ist, dann muss man fragen: Was ist der politische Kern dieser Aussagen? Was meint er konkret damit? Ist die gegenwärtige Diskussion zum Beispiel, von der AK-Vizepräsident Dirnberger meint, es sei ein "eiskalter Putsch blauer Desperados", unter dieser Systemangleichung zu verstehen und einzureihen? – Da muss man den Anfängen wehren!

Wenn der Landeshauptmann von Kärnten von "parasitären Elementen" spricht, dann muss man den Anfängen wehren. Wenn die Frau Vizekanzlerin davon spricht, dass Gewerkschafter nichts Besseres zu tun haben, als darüber nachzudenken, wie man den "Staat schädigen" kann, dann muss man den Anfängen wehren.

Oder wenn in der heutigen Debatte Herr Abgeordneter Schweitzer zur Frau Abgeordneten Haidlmayr gesagt hat, sie habe ja "Narrenfreiheit", dann muss man den Anfängen wehren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 9. Februar 2000 gesagt: "Österreichs NS-Vergangenheit erfordert eine besonders wache und kritische Auseinandersetzung und die notwendige Sensibilität für die Strukturen und die Mechanismen des nationalsozialistischen Unrechtssystems." – Das stimmt, das ist es!

Und diese Sensibilität wünsche ich vor allem Ihnen und Ihrer Koalition, Sie brauchen sie! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

19.56

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, dass das heute ein historischer Moment ist, wenn wir hier stehen und die Möglichkeit haben, diese Restitutionsgesetze zu beschließen. Ich glaube auch, dass das historische Gesetze sind, dass das ein historisches Abkommen mit den USA ist, und ich möchte daher heute in meinen kurzen Ausführungen das Gemeinsame über das Trennende stellen. (Allgemeiner Beifall.)

In weniger als einem Jahr ist eines der großen Vorhaben dieser Bundesregierung umgesetzt worden. Es sind zwei wichtige Themen besprochen, verhandelt und auch gelöst worden, und zwar die Frage der Zwangsarbeiter und die Restitutionsfrage.

Ich meine, dass das der größte bisherige Erfolg dieser Bundesregierung ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Ich möchte auch sagen, dass ich ein bisschen stolz darauf war, Österreicherin zu sein, als Herr Staatssekretär Eizenstat via Fernsehen Ihnen, Herr Bundeskanzler, allen Verhandlern, aber auch dem österreichischen Volk seine Hochachtung für diese Leistung ausgesprochen hat.

Nachdem Lösungen lange nicht angegangen wurden, haben jetzt ernsthafte und konstruktive Gespräche stattgefunden, und diese haben gezeigt, dass auch schwierige Materien gemeinsam gelöst werden können. Die Lücken in der Restitutionsgesetzgebung konnten geschlossen werden. Ich glaube – auch das hat einer meiner Vorredner, Herr Dr. Krüger, festgestellt, und darauf wurde von unserer Seite immer hingewiesen –, es ist dies eine abschließende Regelung der materiellen Ansprüche, meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich unabhängig von moralischer Verantwortung und Verpflichtung.

Ich möchte kurz auf die letzte Bemerkung der Frau Abgeordneten Stoisits eingehen, wonach auf Betreiben der ÖVP und der FPÖ der Text des § 27 geändert wurde. Es war nicht unser Betreiben, sondern wir haben den Text entsprechend dem Abkommen mit den USA bekommen und wollten diesen Text genau so, wie das Abkommen mit den USA verhandelt wurde, auch beschließen – und nichts sonst, Frau Abgeordnete! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte zuletzt meinen Dank aussprechen, und zwar allen Beteiligten – der Bundesregierung, dem Herrn Sonderbotschafter Dr. Sucharipa, dem Botschafter Dr. Winkler, dem Syndikus Dr. Pichler sowie deren Teams –, der österreichischen Wirtschaft für die Bereitschaft, Leistungen zu erbringen, und auch den Damen und Herren in diesem Haus, die es in teilweise Tag-und-Nacht-Verhandlungen ermöglicht haben, dass wir heute diese Gesetze beschließen können. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

20.00

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

20.00

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Dank an die Verhandler ist ausgesprochen. Ich darf als jemand, der als Anwalt das Verhandeln mit in seinem Berufsbild hat, auch noch meinen Respekt zum Ausdruck bringen, meinen Respekt vor der hohen Professionalität und Kompetenz, die die beiden Herren Botschafter Sucharipa und Winkler und ihr Team zum Ausdruck gebracht haben. Es war beeindruckend, und man kann nur sagen, sie haben Großes geleistet.

Es enttäuscht mich überhaupt nicht, dass einer meiner Vorredner es für notwendig erachtet hat, heute, in dieser Stunde, hier von diesem Platz aus parteipolitisches Kleingeld wechseln zu müssen. Ich habe damit gerechnet. Es hat mich nicht überrascht, es hat mich nicht enttäuscht, ich habe damit gerechnet. So ist es einfach, das muss man wissen. Man muss wissen, wenn man lange in diesem Haus ist – und ich bin seit 22 Jahren in diesem Haus –: Immer findet sich jemand, der die Stille der Stunde nützt, um sich Gehör zu verschaffen, das er sonst nicht hat. So ist es. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein anderer Vorredner hat in mir gewisse Erinnerungen wachgerufen. Ich habe als ganz junger Rechtsanwaltsanwärter noch vor der Rückstellungskommission, die dort untergebracht gewesen ist, wo sich heute die Justizanstalt Mittersteig befindet, verhandelt. Ich bin dort eingeschritten. Man hat in der Regel, und das ist tragisch und interessant zugleich, als Gegner nicht physische Personen gehabt, sondern die Sammelstelle A oder die Sammelstelle B. Das waren Sammelstellen, die sich damals des Vermögens angenommen haben, das arisiert war und für dessen Rückstellung sich niemand gefunden hat, entweder weil der Betreffende nicht mehr gelebt hat oder weil er kein Interesse gehabt hat oder aus anderen Gründen. Da war dann damals die, die das antragsweise geltend gemacht hat, eine der beiden Sammelstellen. Und es ist nicht übrig geblieben, was keinen Interessenten gefunden hat, sondern es ist den Sammelstellen zugeflossen.

Es ist auch die Zahlenmystik interessant. Es ist mir erst aufgefallen, als ich einigen Rednern zugehört habe: 150 Millionen Dollar Aufstockung des Nationalfonds-Gesetzes – auch das ist


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eine Summe, die im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Folgen des Zweiten Weltkrieges und aller Folgen der Geschichte, die damit im Zusammenhang gestanden sind, schon einmal hat ausverhandelt und entrichtet werden müssen. 150 Millionen Dollar war das Entgelt, das die Republik Österreich für das so genannte deutsche Eigentum in Raten an die Sowjetunion hat bezahlen müssen. Es ist interessant, wie einzelne Summen in solchen Geschehen immer wieder auftauchen – nicht vergleichbar, aber trotzdem 150 Millionen Dollar da und 150 Millionen Dollar dort.

Man gestatte es mir als Juristen, die Dinge sehr stark von der rechtlichen Seite her zu sehen. Schaden, den Opfer von Verbrechen erlitten haben, ist gutzumachen – eigentlich eine Banalität; auch ein Wort, das heute schon gefallen ist –, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber nicht immer leicht durchsetzbar. Es ist doch eine Entwicklung, die zu Stolz Anlass gibt – obwohl heute auch schon gesagt wurde, wir hätten keinen Grund, stolz zu sein –, dass Österreich es unternommen hat, sich der materiellen Gutmachung dieses großen Schadens der begangenen Verbrechen zu unterziehen. Großverbrechen, Massenmorde, Massenvertreibungen, Massenraub von Vermögen sind auch im großen Stil gutzumachen. Was im Kleinen der einzelne Täter restituieren muss, das haben im Großen andere Gruppierungen, rechtliche Gebilde zu tun.

Noch etwas: Es darf in diesem Zusammenhang keine Verjährung geben. Es ist gut, wenn man das in Erinnerung ruft, denn die Staaten und ihre Repräsentanten neigen dazu, immer nur dort den Standpunkt zu vertreten, dass es keine Verjährung geben dürfe, wo ihnen das selbst gerade recht ist, und sich auf den Ablauf von Jahren und Jahrzehnten zu berufen, wo sie das für sich für günstig halten. Es gehört auch die Bestrafung der Schuldigen dazu. Wer sich Verbrechen schuldig gemacht hat, wer nach so langer Zeit noch ertappt und zweifelsfrei überführt werden kann, der gehört der gerechten Strafe zugeführt, wo immer er sich derzeit aufhalten möge. Und es gehört auch dazu, dass es für die Opfer völlig egal ist, von wem, wo und aus welchem konkreten Grund sie gerade ermordet, beraubt, vertrieben worden sind.

Wir erleben in dieser Stunde einen wichtigen Akt im Rahmen der finanziellen – ich betone: der finanziellen, denn eine andere ist ja bedauerlicherweise nicht möglich – Gutmachung gegenüber einer ganz wesentlichen Opfergruppe. Und ich betone es noch einmal, ich bin stolz darauf, in einem Staat tätig sein zu dürfen, in dem Verbrechen, zumal Großverbrechen, beim Namen genannt werden und man sich bemüht, Schaden gutzumachen.

Ich freue mich, dass ich nicht in einem der Staaten zu Hause bin, wie es sie leider auch in Europa, auch in unserer Nachbarschaft, gibt, in denen man sich seiner Verbrechen in der Vergangenheit stolz erinnert, sich stolz dazu bekennt und den Standpunkt vertritt, Massenmorde, Massenvertreibung, Massenraub von Vermögen seien ein hervorragender Akt gewesen, der auch nicht innerlich gutgemacht gehört, in denen man es ablehnt, die Dinge offen auf den Tisch zu legen, in denen man von Schadensgutmachung gar nichts wissen möchte und in denen sich dann noch gute Geister finden, die sagen, denen könne man ja eigentlich gar nicht zumuten, dass sie sich nach so langer Zeit noch zu ihren Verbrechen bekennen. Das ist eine Haltung, meine Damen und Herren, die wir entschieden bekämpfen müssen. Das Recht ist bitte unteilbar, und das Unrecht ist auch unteilbar! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

So gesehen gibt es noch viel zu tun auf dem Sektor der Sühne von Großverbrechen, der Gutmachung des Schadens, der angerichtet worden ist, des moralischen, des geistigen, des historischen, aber auch des materiellen Schadens.

Es wird uns oft vorgehalten, dass wir uns nicht exakt an das gehalten hätten, was manche eine Wertegemeinschaft Europa nennen. Es gibt diese Wertegemeinschaft zweifellos, sie ist wahrscheinlich anders figuriert, als Kritiker Österreichs das in den vergangenen Monaten auf den Tisch gelegt haben, aber wir müssen danach trachten, dass nicht nur wir, sondern auch die anderen, auch jene, die glauben, alles vergessen machen zu können, was in ihren Grenzen geschehen ist, sich der Wertegemeinschaft erinnern und sich auch in ihrem Rechtsgut und auch in ihrem politischen Verhalten dieser Wertegemeinschaft würdig erweisen und sich entsprechend verhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.08


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Als Nächster spricht Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

20.08

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn innerhalb nicht einmal eines Jahres zwei so wichtige und sensible Themen wie die Einigung über die Zwangsarbeiterfrage und die Restitution in der Nazizeit enteigneten jüdischen Vermögens in schwierigen internationalen Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden konnten, dann erlauben Sie mir, dass ich das wirklich als einen Erfolg bezeichne, nicht nur für die Leistungsbilanz dieser Bundesregierung – ich möchte auch hier sehr deutlich die Rolle und die Unterstützung durch die Frau Vizekanzlerin und durch den Herrn Finanzminister zum Ausdruck bringen –, sondern das ist ein gemeinsamer Erfolg. Ich möchte mich auch sehr dafür bedanken, dass jedenfalls am Anfang dieser Debatte von den wichtigsten Rednern diese Gemeinsamkeit auch beeindruckend festgestellt und festgehalten wurde. Das ist ein Zeichen für einen noch immer existierenden rot-weiß-roten Konsens, und dafür danke ich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verschweige Ihnen nicht, dass mich der Abschluss dieser Verhandlungen nicht ohne Emotionen, nicht unberührt lässt, denn auch ich habe natürlich einiges auch persönlich hierin investiert, Zeit und Energie aufgewandt. Vor allem aber gilt mein Dank, genauso wie für die Zwangsarbeitereinigung Maria Schaumayer und ihrem Team, Botschafter Ernst Sucharipa, der mit seinem Team hier auf der Galerie sitzt und der Debatte beiwohnt. (Allgemeiner Beifall.)

Herzlich danken möchte ich auch dem Leiter des Völkerrechtsbüros, Herrn Botschafter Hans Winkler, der heute nicht da sein kann, was ich sehr bedauere. Herr Botschafter Winkler ist nämlich unterwegs zu einer internationalen Konferenz, zu einer Tagung in Berlin, wo – nach vielen Mühen – Österreich in eine ganz bestimmte, zu diesem Themenkomplex gehörende Arbeitsgruppe aufgenommen wird. – Auch dem Vertreter der Wirtschaft, Herrn Herbert Pichler, möchte ich nachhaltig danken.

Wenn ich ganz ehrlich sein darf: Am Anfang dieses Prozesses waren wir ja selbst nicht ganz sicher, wie das laufen wird. Wir haben zuerst überlegt: Ist es richtig, diese beiden Komplexe zu trennen, oder soll man – so wie in Deutschland – die Zwangsarbeiterfrage und die Restitutionsfrage, wo Österreich ja schon vieles gemacht hatte, zusammenführen? – In der Zwangsarbeiterfrage ging es ja um total neues Terrain.

Ich bin damals vor allem der Empfehlung von Maria Schaumayer gefolgt – und ich glaube, es war dies eine richtige Empfehlung. Wir haben dann überlegt: Wer kann in dieser Situation am besten die Kraft, die fast übermenschliche Kraft für diese unglaublich komplizierten Verhandlungen aufbringen?

Offen gestanden: Es machen sich ja nur ganz wenige ein Bild davon, was es bedeutet, in dieser Angelegenheit in einer "Shuttle-Diplomatie" viele, viele Stunden, Tage und Nächte, mit sehr, sehr komplizierten Texten, mit vielen, vielen Anwälten zu verhandeln. Glauben Sie mir: Das waren manchmal – jedenfalls bei jenen Punkten, bei denen ich dabei gewesen bin – durchaus nicht unemotionale Verhandlungen. Und ich verstehe das auch.

An dieser Stelle möchte ich auch ausdrücklich dem amerikanischen Verhandlungsteam, das das sehr gut und sehr professionell gehandhabt hat, meinen Dank zollen. Der jetzt aus dem Amt geschiedene stellvertretende US-Finanzminister – davor war er ja im Außenministerium – Stuart Eizenstat, der insgesamt für alle Shoa-Opfer und Zwangsarbeiter ein Gesamtpaket von über 7 Milliarden Dollar in Verhandlungen zustande gebracht hat, war ein kluger, sehr energischer, aber zugleich auch sensibler Verhandlungspartner. Und daher möchte ich ihm von dieser Stelle aus im Namen der österreichischen Bundesregierung sehr herzlich für dieses Engagement danken! (Allgemeiner Beifall.)

Und eines ist klar: Wenn es ein gemeinsamer Erfolg ist, dann gehört auch das Einbekenntnis dazu. Ich bin ja froh darüber und stolz darauf, dass es gelungen ist – gerade in einer Zeit, in der


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wir auch durchaus emotionale und kontroversielle Debatten geführt haben –, eine Gemeinsamkeit sichtbar zu machen. Daher mein Dank auch an die Fraktionen des Hauses, zuerst an die Opposition, an die Klubvorsitzenden Alfred Gusenbauer und Peter Kostelka. Besonders möchte ich hier aber auch die Rolle von Heinz Fischer, dem Nationalratspräsidenten, hervorheben, der uns da mit seinem Team erstklassig und sehr, sehr hilfreich assistiert hat.

Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch die grüne Fraktion, und zwar sowohl Klubobmann Van der Bellen als auch Frau Abgeordnete Stoisits, die ebenso vieles dazu beigetragen haben. Danken möchte ich weiters Andreas Khol und Ulrike Baumgartner für meine Fraktion, den Herren Peter Westenthaler und Michael Krüger – und miteinschließen möchte ich natürlich auch die Regierungsvertreter, auch die der Freiheitlichen.

Ich meine, es ist ein erstklassiges, ein schönes Stück Arbeit, das uns da gelungen ist, auf das wir zwar jetzt nicht triumphierend zurückblicken sollen, das uns aber insofern Sicherheit gibt, als wir das Richtige getan haben. Das festzuhalten ist wichtig, auch in dieser Debatte.

Meine Damen und Herren! Einige Redner haben ja schon vieles sehr klar gesagt – und ich schließe mich dem an –, ich möchte aber doch noch einige "Selbstverständlichkeiten" aus meiner Sicht hinzufügen. Es ist mir natürlich sehr, sehr schmerzlich bewusst, dass keine Finanzgeste eine Abgeltung für den Diebstahl von Lebenszeit, von Lebensglück, von Gesundheit und von Selbstbestimmung sein kann. Kein Geld der Welt kann ersetzen, was Menschen in der NS-Zeit gewaltsam genommen wurde. Und wie bei allen Opfern müssen wir uns hilflos dessen bewusst sein, dass es letztlich keine Abgeltung für erlittenes Leid und Unrecht gibt. Daher kann die heute erzielte Lösung natürlich nur eine Geste sein, aber doch eine wichtige.

Es ist auch eine Selbstverständlichkeit, hier festzuhalten, dass diese Republik in der Zeit nach 1945 so manches getan hat; Robert Knight stellt aber in seiner Publikation über die Ministerratsprotokolle sehr klar dar, dass damals dem Volk täglich vor allem erklärt werden musste, warum es nicht mehr Lebensmittel und noch lange nicht genug Wohnungen gibt, warum es am Notwendigsten für viele fehlt. Und in dieser Zeit war es natürlich sehr, sehr schwierig, die große, befreiende Entschädigungsdebatte zu führen. Das ist wahr.

Es gehört daher zu den Selbstverständlichkeiten – und das ist ja auch Teil der Substanz dieses Gesetzeswerks –, zu sagen: Wir handeln da spät – für allzu viele Opfer zu spät!  –, aber es ist besser, dies jetzt zu tun! Und es ist auch richtig gewesen, in den Verhandlungen ein maximales Tempo einzuschlagen, damit man eben nicht noch mehr zu spät kommt.

Eine Zahl, die mich persönlich erschüttert hat: Im vergangenen Jahr sind – für die deutsche Seite wurde dies von einem hochrangigen Sprecher zugegeben: man kam zu spät, weil der Fonds für Versöhnung, Zukunft und Geschichte in Deutschland noch immer nicht arbeiten kann – allein im Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei 7 000 NS-Opfer gestorben.

Ich meine, es war daher richtig, dass wir diesen Weg gewählt, dass wir ein sehr rasches Tempo eingeschlagen und versucht haben, die Dinge umfassend zu klären.

Auch ein sehr offenes Wort zur Schuld oder zur Rolle Österreichs: Es ist völlig klar, dass es dazu bereits große und beeindruckende Reden gegeben hat. Ich stehe auch gar nicht an – wie das auch einige Redner hier getan haben –, in diesem Zusammenhang hier auf den früheren Bundeskanzler Franz Vranitzky zu verweisen, der ja nicht nur für sich gesprochen hat, sondern selbstverständlich für Österreich. Auch Bundespräsident Thomas Klestil gehört in diese Reihe; auch er hat für Österreich gesprochen, genauso wie das bei der Erklärung dieser Bundesregierung im Februar dieses Jahres oder auch bei meinen Wortmeldungen der Fall war, ebenso bei denen der Frau Vizekanzlerin dazu, in denen wir die Rolle Österreichs betont haben.

Es ist auch eine Selbstverständlichkeit, und es fällt uns überhaupt kein Stein aus der Krone, zu sagen: Es tut uns Leid, dass wir spät, aber hoffentlich nicht zu spät , mit Ihrer Hilfe für die noch lebenden Opfer handeln können.


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Wir wollen uns auch in keiner Weise von einem unangenehmen Problem befreien. Sie haben Recht, Frau Abgeordnete Stoisits: Einen Schlussstrich in Gedanken, einen Schlussstrich unter die Geschichte kann und soll es dabei niemals geben, was aber erwartet werden muss – und das ist ja sozusagen der Kern dieses heutigen Vertragswerks –, ist, dass wir dieses eins zu eins umsetzen, möglichst punktgenau. Es muss Rechtssicherheit geben. Einem österreichischen Unternehmer wird man schwer erklären können – auch nicht der Gemeinde Wien oder dem Bund –, dass unter einem ganz besonderen Rechtstitel zwar eine sehr beträchtliche Geldzahlung eingesetzt, aber dafür nicht eine möglichst große und umfassende Rechtssicherheit gegeben wird.

Das heißt, dieser Vertrag ist nicht der moralische Schlussstrich unter alles, was geschehen ist, ist aber doch ein Versuch, eine möglichst große Rechtssicherheit für die Zukunft für alle Betroffenen in Österreich klarzustellen. Und das eint uns, meine Damen und Herren hier im Hohen Hause! Das ist die Basis dieses Vertrags, den Sie heute sozusagen in ein Gesetz umwandeln!

Ein Wort zu jenen Punkten, die hier zum Teil auch kritisch erwähnt wurden. Und erlauben Sie, dass ich dazu vielleicht auch sehr kritische Anmerkungen anbringe. Zuvor hat hier ein Abgeordneter etwas gesagt, was mich persönlich ins Herz getroffen hat – und dazu kann ich nicht schweigen, darf es eigentlich auch als österreichischer Bundeskanzler nicht. In diesem Debattenbeitrag wurde gesagt, es gebe drei Nachfolgestaaten NS-Deutschlands: die Bundesrepublik Deutschland, die DDR und Österreich. (Rufe bei der ÖVP: Ungeheuerlich!)  – Meine Damen und Herren! Das ist einfach nicht richtig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieses Österreich ist kein NS-Nachfolgestaat! Wir dürfen diesen Versuch der Umschreibung der Geschichte nicht hinnehmen! Ich sage das ganz, ganz deutlich, denn in diesem Vertragswerk, das Sie heute beschließen werden – mit den Regierungsstatements, die ja Teil dessen sind –, ist etwa die Moskauer Deklaration ausdrücklich erwähnt. Das habe ich persönlich mit Hilfe von Botschafter Sucharipa mit Stuart Eizenstat ausgehandelt. Das ist ein Dokument, das ja nicht von Österreich kommt, sondern von den Alliierten, in welchem übrigens nicht nur die Opferrolle Österreichs, sondern auch die Verantwortung der Österreicher, vor der wir uns nicht drücken können, beschrieben wird.

Aber wir dürfen da auch keine Drehung weiter machen und sagen, Österreich sei quasi ein Nachfolgestaat Nazi-Deutschlands! (Abg. Ing. Westenthaler: Unfassbar!) Meine Damen und Herren! Das ist nicht wahr, und das ist auch der Grund, warum Österreich im Jahre 1945 – die Dramatik dieses Unterschiedes ist vielleicht gar nicht allen hier bewusst – eine gesamtösterreichische Bundesregierung bekommen hat. Und das ist auch der Grund, warum Österreich 1955 einen Staats vertrag und nicht einen Friedens vertrag bekommen hat!

Und das ist weiters auch der Grund, warum in den Protokollen der Nürnberger Prozesse, in der Urteilsbegründung, klar der Unterschied zwischen der Aggression der militärischen Besetzung Österreichs und der Besetzung anderer Länder festgehalten wurde. Das sind – das weiß ich schon – für den unvoreingenommenen Beobachter nur Nuancen, jedoch Nuancen, die ebenso Teil unserer Geschichte sind und nicht weggeblendet werden dürfen – und auch gar nicht weggeblendet werden sollen, meine Damen und Herren des Hohen Hauses. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Punkt: Da hier Sensibilität eingemahnt wurde, bitte auch ich um Fairness, denn ich, denn wir haben den Insolvenzfonds nicht "geplündert". Darf ich erklären, worum es dabei geht. Wir haben vorgehabt – das ist Teil des Regierungsprogramms –, die Arbeitgeberbeiträge zu senken, denn die Wirtschaft zahlt ja in den Insolvenzfonds ein, in einen Fonds, der beträchtliche Überschüsse hat, und zwar durch die gute Konjunkturlage und so weiter. Es war also Teil des Regierungsübereinkommens, dass die Arbeitgeberbeiträge gesenkt werden. Und ich sage auch offen dazu, dass wir diese Beitragssenkung aufgeschoben haben, um den Beitrag der Wirtschaft dazu deutlicher sichtbar zu machen. – Das geschah nicht zur Freude der Wirtschaft.


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Meinen Respekt und meine Anerkennung aber dafür, dass diese notwendige Geste  – das sage ich jetzt so – letztlich auch von der Wirtschaft verstanden wurde. – Werfen daher Sie mir hier bitte jetzt nicht eine "Plünderung" des Insolvenzfonds vor! Ich meine, es ist wichtig, dass wir in dieser Zeit jetzt nicht lange herumstreiten, monatelange und quälende Streitereien wie in Deutschland haben, wie dieser notwendige Fonds gefüllt werden soll.

Wir speisen das Geld ein und schaffen damit Rechtssicherheit, und wir geben damit auch den US-Gerichten die Möglichkeit, Massenklagen von vornherein abzuweisen, nachdem das "statement of interest" der Vereinigten Staaten jetzt auch vorliegt. – Das ist der wahre Grund – und keine Böswilligkeit, die Sie mir da zu unterstellen versucht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke sehr für diese heutige Entschließung des Nationalrates, mit der Klarstellungen getroffen werden, die, wie ich meine, für alle selbstverständlich sein sollten. Und auch in der restitutio in rem , also in der Rückgabe eines Hauses, einer Immobilie, aber auch etwa von Kunst- und Kultgegenständen an die Kultusgemeinde, wird Klartext gesprochen. Das heißt, wir werden uns genau daran halten. Meine Verpflichtung namens der Bundesregierung gebe ich hiemit gerne ab, dass wir uns an diese gemeinsam beschlossene Entschließung des Nationalrates gerne halten werden, weil das für mich einfach selbstverständlich ist.

Ich sage aber auch dazu – Frau Abgeordnete Stoisits, das ist jetzt, bitte, auch keine Marotte, sondern eine Frage der Klugheit –: Bitte bleiben wir bei jenem Text, der in mühsamen Verhandlungen mit den Opferverbänden sowie mit der amerikanischen Regierung präzise ausgehandelt wurde! Von Abänderungen würde ich in der jetzigen Situation wirklich abraten. Ich selbst habe mich bemüht, die Zustimmung der amerikanischen Seite dazu zu bekommen. Wir haben zwei sehr wichtige schriftliche Dokumente in der Hand: erstens die Zusicherung von Stuart Eizenstat, dass alle Opferverbände das unterschrieben und paraphiert haben und dieser Vertrag damit gilt. Und daran kann und darf es keine Zweifel geben! Das sage ich gerade in dieser Stunde, knapp vor der Verabschiedung dieses Gesetzeswerkes sehr deutlich.

Zweitens haben wir die Zusicherung, die Zusage der amerikanischen Regierung in der Hand, dass dieser Text, der Ihnen heute zur Beschlussfassung vorliegt, dem entspricht, was wir gemeinsam ausverhandelt haben. Daher bitte: Bleiben wir bei diesem Text! – Was in zwei, drei Jahren sein wird, wenn auch die Historikerkommission einmal Fakten auf den Tisch legt, was noch zusätzlich in der In-rem-Restitutionsfrage zu tun wäre, werden wir ja dann sehen. Dann kann man sicherlich weiterreden, aber heute brauchen wir klare Rechtssicherheit und ein Stehen zu dem, was wir gemeinsam ausgehandelt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Vertrag enthält eine Reihe von sozialrechtlichen Verbesserungen, gerade für betagte Opfer. Er enthält aber auch eine klare Verpflichtung zur Rückgabe von Kunst- und Kultgegenständen. An dieser Stelle darf ich jetzt einbringen, dass wir in den letzten Monaten 1 200 Kunstgegenstände, Gegenstände von beträchtlichem Wert – Mobiliar, Porzellan, Münzsammlungen, Bilder et cetera – zurückgegeben haben.

Wir haben auch die Zusage wichtiger Sammlungen in Ländern beziehungsweise Städten, dass diese eins zu eins dem Bundesbeispiel folgen werden. Weiters haben wir die Zusage wichtiger Städte, dass diese bereit sind, die Pflege jüdischer Friedhöfe zu übernehmen und damit gleichfalls einen Beitrag zum Gedenken, zu einer würdigen Lösung von Problemen in diesem Bereich zu leisten.

Wir haben noch, was die Frage der Entschädigung an die Kultusgemeinde betrifft, als Teil dieses Vertrages das Problem im Zusammenhang mit HAKOA. Dabei geht es immerhin auch um einen Gesamtbetrag in Höhe von 120 Millionen Schilling, der für die Errichtung einer Sportanlage eingebracht werden soll. – Und wir haben uns auch die Umsetzung einer Reihe immaterieller Punkte vorgenommen.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich Ihnen sehr dafür danken, dass Sie heute hier mit einer einstimmigen Beschlussfassung, wie ich hoffe, eine "wichtige Geste" setzen;


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Stuart Eizenstat konnte es gar nicht besser ausdrücken. Niemand von uns hätte es gewagt – auch mit diesem guten Pathos nicht –, damit die Rolle ganz Österreichs und seiner Bevölkerung zu beschreiben.

Ich verstehe die Ungeduld der Verhandler und habe großes Verständnis für den Zweifel und die Skepsis von Opferverbänden und wirklich Betroffenen, und ich kann auch den Zorn verstehen, der da manchmal mitschwingt – und der bis zur Stunde gerade auch in heutigen Erklärungen herauszuhören ist. Dennoch meine ich, dass wir das Gemeinsame und auch die Größe dieses Augenblicks nicht vergessen sollten. Wir ent schulden uns nicht, und in dem Sinn können wir uns auch gar nicht entschuldigen, sagen aber, was ist. Und wir sprechen nicht nur große Worte, sondern setzen endlich auch die notwendigen Taten.

Was ich fordere – und was ich mir auch vornehme –, ist, jene Sensibilität, die bei der Lösung dieser Frage mitschwingt, mitzunehmen für andere große Fragen: ob es dabei um Fragen des internationalen Kriegsverbrechertribunals oder um solche der Wachsamkeit in der internationalen Politik und natürlich auch um die Wachsamkeit nach innen geht. – Ich danke Ihnen jedenfalls für diese Stunden. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte.

20.28

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich darf an die Ausführungen meiner Vorredner anschließen und sagen: Es ist richtig, es geht bei diesem Gesetzeswerk nicht nur darum – und kann nicht darum gehen –, Wiedergutmachung im eigentlichen Sinne zu leisten, sondern es geht um eine Entschädigung, und es heißt daher auch Entschädigungsgesetz. Wir tun das nicht für uns – welche Motive da immer entscheidend sein können –, sondern für jene Menschen, die in den Jahren 1938 bis 1945 besonders gelitten haben. Das ist ein ganz wesentliches Motiv dieser Gesetzwerdung.

Lassen Sie mich drei Punkte ganz kurz erwähnen. Erster Punkt: Entscheidend ist – wie das hier bereits gesagt wurde –, dass die finanziellen Mittel dieser Fonds unmittelbar jenen Menschen zugute kommen und zugeführt werden, die in jenen Jahren viele Benachteiligungen und großes Leid auf sich nehmen und Österreich verlassen mussten. Ich finde es großartig und richtig, dass die Entschädigung dafür über den Nationalfonds abgewickelt wird.

Zweiter Punkt – der Herr Bundeskanzler hat es bereits erwähnt –: Mit diesen Sozialversicherungsgesetzen, die wir mit dem Entschädigungsgesetz mitbeschließen, nehmen wir alle Menschen, die damals in Österreich gelebt haben, die zu dieser Zeit geboren waren, in unser Sozialsystem auf, und sie werden in unsere gesetzliche Pensionsversicherung voll einbezogen. Sie erhalten nun ohne Ansehen der Staatsbürgerschaft die Opferrenten, und sie werden in unser Pflegegeldgesetz einbezogen. Das bedeutet für diese Opfer vermutlich eine beinahe gleichwertige soziale Sicherheit und ist eine noch wichtigere Maßnahme als die bloße Entschädigung, die geleistet worden ist.

Ich möchte in den Dank, der in diesem Rahmen bereits ausgesprochen worden ist, auch jene beiden Herren einbeziehen, die im Sozialministerium die notwendigen Gesetze erarbeitet und aufgearbeitet haben. Sie gehören dem Ressort unseres Ministers Mag. Herbert Haupt an, der in dieser Frage wirklich das getan hat, was wichtig war, um diesen Menschen den vollen Sozialversicherungsschutz zu gewähren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Die Einheitspartei! – Ruf bei der SPÖ: Der ist der ÖVP beigetreten!)

Ich verkenne nicht, dass hier von früheren Ministern, von Ministern der SPÖ, Vorarbeiten geleistet worden sind. Ich war selbst dabei, als wir – dreimal in den letzten zwölf Jahren – die Sozialgesetze aus diesem Grunde verändert und erweitert haben, um einen immer größeren


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Kreis von Opfern einbeziehen zu können. Das soll hier nicht unerwähnt bleiben, nachdem das vorhin bereits kurz angesprochen worden ist.

Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung schließen: Ich erinnere mich sehr gut an jene Rede, die Abgeordneter Voggenhuber vor etwa sechs Jahren vor dem Sommer zu nächtlicher Stunde hier im Hohen Haus gehalten hat, und ich weiß, dass damals viele ältere Menschen in unserem Lande betroffen, schwerstens betroffen waren. Wir sollten daher auch heute mit Verurteilungen jener Menschen, die damals gelebt haben, sehr vorsichtig umgehen. Wir sollten hier sehr vorsichtig sein, wenn wir Pauschalurteile fällen, Pauschalverantwortungen zuweisen. Diese Menschen, die damals gelebt haben, waren nicht alle offiziell Opfer, aber sie haben gelitten, und ich meine, dass ein Großteil der damaligen Bevölkerung schwerstens gelitten hat, auch wenn die Einzelnen heute nicht als offizielle Opfer im rechtlichen Sinne anerkannt sind. Sie verdienen unsere Achtung heute genauso wie vor 20, 30, 40 und 50 Jahren, als jene Menschen, die Gesetze beschlossen haben, die davon unmittelbar betroffen waren.

Ich bitte auch Sie, Herr Mag. Posch, hier fair zu sein, fair zu sein gegenüber unserer älteren Generation. Es ist nicht gut, wenn wir versuchen, auf diese Art und Weise zu argumentieren, und ich weiß, dass solche Äußerungen ältere Menschen, auch jene damals jungen Männer, die den Militärdienst leisten mussten, sehr betroffen machen. Ich fühle mich verpflichtet, das hier zu sagen, in dem Sinne, in dem das auch Christof Zernatto bei der letzten Debatte zu diesem Thema zum Ausdruck gebracht hat. Ich meine, wir sollten unterscheiden und klare Standpunkte beziehen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

20.34

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Viele Vorredner haben das Wichtigste zu diesem heutigen Thema schon gesagt; ich kann mich deshalb kurz fassen.

Mittels der vorliegenden Novelle zum Nationalfonds-Gesetz sollen 150 Millionen Dollar beschleunigt zur Verteilung gelangen. Wenn das, Herr Kollege Posch, unser Klubobmann Westenthaler öffentlich behauptet, dann hat er eine Wahrheit ausgesprochen. Ich verstehe nicht, warum Sie ihn deshalb hier vom Rednerpult aus angreifen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich muss Ihnen überhaupt sagen, dass Ihr Beitrag heute ein schlecht gelungener Versuch einer Polemik gegen die Bundesregierung war. Wir werden diese Debatte heute nicht dazu verwenden, die SPÖ in ihre Geschichte zurückzuführen und gerade auch bei diesen Themen die Finger auf die Wunden ihrer Vergangenheit zu legen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Posch abgeblitzt!)

Uns Freiheitlichen ist dieses Thema heute zu wichtig. Neben diesen 150 Millionen Dollar gibt es noch einige andere Schritte, die von der Bundesregierung gesetzt werden. Auf Grundlage der umfassenden Einigung – der Herr Bundeskanzler hat sie schon erwähnt – wird es noch Maßnahmen geben, die mehr als 500 Millionen Dollar erfordern werden, die bisherigen Zahlungen des Nationalfonds von 140 Millionen Dollar in der jüngsten Vergangenheit, die Zwangsarbeiterentschädigung von 400 Millionen Dollar. Insgesamt belaufen sich diese Beträge auf über 1 Milliarde Dollar oder umgerechnet 16 Milliarden Schilling. Dieser Betrag ist von Vize-Finanzminister Eizenstat genannt und nicht von den Freiheitlichen hier in die Welt gesetzt worden.

Oft vergessen und verschwiegen werden jene Zahlungen, die Österreich in der Vergangenheit bereits geleistet hat. Auf der Grundlage von einer Reihe von Gesetzen, die mit dem Nichtigkeitsgesetz 1946 beginnen und sieben Rückstellungsgesetze umfassen, hat Österreich bisher bereits 125 Milliarden Schilling an Wiedergutmachung geleistet. Durch die gegenwärtigen und heute zu beschließenden Maßnahmen versuchen wir auch noch in jenen wenigen Bereichen Verbesserungen zu schaffen, die nicht von den bisherigen Entschädigungen erfasst


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wurden. Es handelt sich dabei also um die Füllung von Lücken in der bisherigen Restitutions- und Entschädigungsgesetzgebung.

Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, dass die bisherigen Zahlungen von 125 Milliarden Schilling und die gegenwärtigen von fast 16 Milliarden nicht auf Grund rechtlicher Verpflichtungen, sondern allein aus politisch-moralischer Verantwortung den ehemaligen Verfolgten gegenüber erfolgten und erfolgen. Wenn Sie das auch diskreditieren: Das ist die Position dieser Bundesregierung und auch der FPÖ.

Mit den heute zu beschließenden Maßnahmen werden diese Lücken gefüllt, um eine materielle Wiedergutmachung im weitesten Ausmaß zu gewährleisten. Österreich kann daher auch mit Fug und Recht einen endgültigen Abschluss der materiellen Wiedergutmachung behaupten. Der geforderte Schlussstrich, wie ihn auch Kollege Krüger genannt hat, ist gezogen – materiell. Einen historischen Schlussstrich gibt es nicht: Die Geschichte lebt, im Guten wie im Schlechten.

Mir ist natürlich klar, dass es einige stört, dass es gerade diese Regierung ist, die dieses schwierige Thema zu einem guten Ende geführt hat, aber, meine Damen und Herren von der Opposition, das können wir nicht ändern.

Eines muss aber auch gesagt sein: Wer dieses gute Ende gefährdet, der muss auch in weiterer Konsequenz die Verantwortung dafür übernehmen. Wir Freiheitlichen werden zu diesem Gesetz stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Öllinger –: Die Wahrheit sprechen!)

20.38

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Wenn es eine wahrscheinlich historische Leistung Ihrer Bundesregierung gibt, dann sind es nicht die Maßnahmen, die Sie im Budget mit der Umgestaltung politischer Institutionen hier in diesem Land für sich reklamieren, sondern es sind tatsächlich die Leistungen, über die wir auch heute hier sprechen.

Es ist eine historische Leistung – dass sie als solche anerkannt wird, gebührt Ihnen –, es ist aber auch eine taktische Leistung, die nur aus dem Zusammentreffen besonderer Umstände erwachsen ist: aus der Situation Österreichs, aus dem Umstand, dass Sie, wie Sie gesagt haben, auch Rechtssicherheit für unsere Wirtschaft, für unsere Unternehmen im Ausland erreichen wollen, aus der besonderen Situation einer der beiden Regierungsparteien und aus der besonderen Situation des vergangenen Jahres.

Dass Ihrer historischen Leistung, Herr Bundeskanzler, heute nicht auch eine historische Rede nachgefolgt ist, stört nicht weiter. Es wäre möglich gewesen. Es hängt meiner Ansicht nach damit zusammen, dass die Taktik eben – und dazu kann man ja auch stehen – noch immer bei der Herstellung der historischen Leistung und der Versagung der historischen Rede eine wichtige Rolle spielt.

Als Sie gesagt haben, Herr Bundeskanzler, ich kann nicht schweigen, ich muss zu Abgeordnetem Posch Stellung nehmen (Ruf bei der ÖVP: Richtig! – Abg. Schwarzenberger: Ja, das war auch notwendig!), da habe ich mir nach dem ersten Halbsatz gedacht, Sie würden etwas zu Kollegen Ofner sagen. Mir wäre Kollege Ofner eingefallen, der in seiner Rede einen Vergleich gezogen hat und die Restitution in einen Kontext gestellt hat, indem er gesagt hat – er hat es nicht in genau diesen Worten gesagt –: Die Überfallenen sind nicht zur Wiedergutmachung bereit. – Ich sage das nicht zufällig. Das war ganz klar in diesem Kontext, dass er die Länder meint, die vom Nationalsozialismus überfallen worden sind, in denen es – ob das die Beneš-Dekrete oder die AVNOJ-Dekrete sind – Bestimmungen gibt, unter denen wirklich auch Menschen gelitten haben – das will ich überhaupt nicht bestreiten –, Bestimmungen, unter denen auch Menschen verfolgt worden sind (Abg. Jung: Ermordet! Grausam ermordet! – Abg.


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Dr. Martin Graf: "Gelitten"? – Ermordet! Kinder, Säuglinge, Frauen!), die aber im historischen Kontext nur erklärbar sind durch das, was sich in diesem Jahr, exakt in diesem Jahr zum 60. Mal jährt (Abg. Dr. Ofner: Da wird es dann "bedeutungslos"!): der Überfall auf Jugoslawien. – Das betrifft zumindest den einen Teil, die AVNOJ-Dekrete.

Ich habe gerade eine historische Arbeit dazu gelesen. Wenn man eine derartige umfangreiche historische Arbeit – und das war, wie ich meine, keine parteiliche Arbeit – gelesen hat über das, was während des Nationalsozialismus stattgefunden hat, und das, was dann im Anschluss durch die AVNOJ-Dekrete stattgefunden hat, dann kommt man zumindest, Herr Abgeordneter Ofner, nicht auf die Idee, das eine mit dem anderen aufzurechnen (Abg. Dr. Ofner: Sie rechnen auf!), auch wenn ich das Leid konstatiere. (Abg. Dr. Ofner: Sie haben das falsche Buch gelesen, Kollege Öllinger!)

Weil Sie, Herr Bundeskanzler, gesagt haben, die drei Nachfolgestaaten, die gibt es nicht, so möchte ich gerade im Zusammenhang mit dem, was während des Nationalsozialismus passiert ist, hinweisen auf die Gräueltaten, die nicht nur im Bereich der SS, sondern auch im Bereich der Wehrmacht verübt worden sind, gerade durch Österreicher, zum Beispiel den Generaloberst Löhr. Da möchte ich auch darauf hinweisen, dass es österreichische Bundesländer waren – jetzt wieder österreichische Bundesländer, damals ostmärkische Gaue –, in deren Gebiet und durch deren Statthalter, Provinzstatthalter, Gauleiter diese Gräueltaten verübt wurden: Steiermark, Kärnten.

Es fällt schwer, Herr Bundeskanzler, in die ganzen Überlegungen nicht mit einzubeziehen – und damit bin ich wieder zurück beim Thema –, dass Sie oftmals auch geschwiegen haben: geschwiegen haben zu Erklärungen, angesichts deren es jedem in der Republik – auch uns, nicht nur Ihnen – gut angestanden wäre, laut zu protestieren. Ich sehe nicht ein, warum Kollegen Posch die Kritik wegen dieser Dreistaaten-Theorie ereilen soll, wo er doch auf andere ganz wichtige Fakten aufmerksam gemacht hat, nämlich auf den Umstand, dass gerade im Zusammenhang mit den Restitutionsverhandlungen einmal mehr für jeden erkennbar ein Stereotyp in die politische Debatte wieder eingeführt worden ist, das man schon überwunden geglaubt hat, nämlich die Ostküste: "Und einmal muss Ruhe sein!"

Das ist nicht nur einmal gekommen, das ist öfter gekommen, wenngleich, Herr Bundeskanzler – das gestehe ich Ihnen zu –, nicht in der laufenden Debatte, um das Ergebnis nicht zu gefährden. Aber hier in dieser Debatte hätte ich mir gewünscht, dass Sie deutlicher, als Sie das gemacht haben, gesagt hätten: Nie kann Ruhe sein zu dieser Thematik! Nie können wir das wieder gutmachen, was auch unsere Vorväter damals verbrochen haben.

Ich hätte mir gewünscht, Herr Bundeskanzler, dass Ihr Versuch der Entschuldigung für die späten Leistungen dieser Republik auch in eine klare Entschuldigung dieses Landes gegenüber den Opfern übergegangen wäre.

Gestatten Sie mir eine abschließende Bemerkung: Vor 16 Jahren – da war ich natürlich schon ein politischer Mensch – bin ich nach Wien gekommen. Mir war es bis zu diesem Zeitpunkt nicht vergönnt gewesen, auch jene kennen zu lernen, die damals während der Zeit des Nationalsozialismus Widerstand geleistet haben. Das waren Jahre, die ich nicht missen möchte, nicht wegen der Erzählungen, sondern wegen der Lebenskraft und der politischen Überzeugung, mit der diese Menschen – die Furchtbares mitgemacht haben – damals in den achtziger Jahren für diese Republik ausgezogen sind, in die Schulen gegangen sind, um dort als Zeitzeugen mit den jungen Menschen zu reden, um sie zu überzeugen, um ihnen ihre Lebenserfahrungen mitzugeben. Das waren damals schon 80-jährige Menschen. Mit Begeisterung haben die das gemacht und mit vollem Einsatz! Von denen lebt heute niemand mehr. Von denen weiß ich auch, dass damals, als sie nach 1945 zurückgekehrt sind, von diesen eher einfachen Menschen keiner eine Leistung beansprucht hat und dass sie sehr unglücklich waren über das, was die Republik ihnen noch in den Achtzigern an Versuchen der Wiedergutmachung angeboten hat. Die sind 1945 zurückgekehrt und wollten eigentlich in ihre Wohnung kommen – das waren Mietwohnungen, denn nicht jeder hatte eine Eigentumswohnung –, und sie sahen, dass diese Mietwohnungen natürlich auch von Gefolgsleuten der Nazis okkupiert worden sind, samt ihrem


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Mobiliar. Sie haben – ich weiß es, denn nicht nur einmal, sondern zwei- oder dreimal wurde mir das erzählt – die Wohnungen umkreist. Manche haben auch versucht, mit den Wohnungsinhabern zu sprechen – das waren eher schlimme Erfahrungen. Manche haben sich nicht in die Wohnung hineingetraut und haben anderweitig versucht, wieder in diesem Land Fuß zu fassen. Über die möchte ich auch gerne reden. Die haben weder von diesen Restitutionen noch von sonstigen Restitutionen in der Vergangenheit irgendetwas gehabt.

Wenn wir also hier und heute etwas beschließen, meine Damen und Herren, dann seien Sie sicher, auch wenn Sie noch so sehr aufrechnen: Erstens lässt es sich nicht wieder gutmachen, und zweitens haben viele nie versucht, eine Leistung von dieser Republik zu erhalten. Das Einzige, was sie von dieser Republik einfordern, ist Anerkennung: eine Anerkennung als Opfer.

In diesem Zusammenhang, Herr Bundeskanzler, die allerletzte, abschließende Bemerkung: Ich würde mir wünschen, dass wir diese Anerkennung für die Opfer – und sie steht noch aus, und ich habe nicht versucht, das jetzt in Form eines Antrags zum Gegenstand der Debatte zu machen – noch nachliefern.

Ich werde Sie bei dem, was Sie gesagt haben, sehr ernst nehmen. Im Opferfürsorgegesetz haben wir noch immer Gruppen von der Anerkennung als Opfer ausgeschlossen. Ich denke, wenn wir diese Leistung heute hier hinter uns gebracht haben, dann sollten wir auch über die wenigen noch ausständigen Opfergruppen, ob das jetzt Zwangssterilisierte, Homosexuelle oder so genannte Asoziale sind, die vom Nationalsozialismus verfolgt worden sind, nachdenken und ihnen ihre auch in erster Linie politische Anerkennung als Opfer gewähren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend. – Bitte.

20.50

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin vor ziemlich genau einem Jahr von Ihnen allen – beziehungsweise erlauben Sie mir zu sagen: von euch allen – zum Dritten Präsidenten dieses Hauses gewählt worden, und ich habe mich, einer langjährigen Übung entsprechend, in diesem Jahr nie zu Wort gemeldet, weil ich glaube, dass es weise ist, wenn sich Präsidenten, um die Unabhängigkeit ihrer Position zu dokumentieren, aus der politischen Diskussion hier im Hause heraushalten.

Ich nehme heute davon Abstand, weil dies eine historische Stunde ist und weil ich glaube, dass in historischen Stunden auch persönliche Bekenntnisse erfolgen sollten. Ich halte es für notwendig, dass sich jeder von uns, unabhängig von seiner Position, zu der Verantwortung bekennt, die jeder Österreicher haben muss, nämlich zur Verantwortung dafür, dass es vor kaum mehr als einem halben Jahrhundert mitten in Europa und mitten im 20. Jahrhundert unvorstellbare Ereignisse gegeben hat, und ich meine, dass wir alle verpflichtet sind, das Gedenken daran auch an zukünftige Generationen weiterzugeben.

Ich meine, dass es auch darum geht, Zeichen für die Überlebenden zu setzen, denn wir müssen uns vorstellen, was sie mitgemacht haben und dass sie es nicht gewagt haben, auch Jahre danach nach Hause zurückzukehren, dass sie aber kein entsprechendes Zeichen erfahren haben.

Ich danke daher allen, die sich bemüht haben, dafür Lösungen zu finden und den Worten auch Taten folgen zu lassen! Ich danke an allererster Stelle dem Herrn Bundeskanzler und der Bundesregierung, die dieses Werk in Angriff genommen und zu Ende geführt haben!

Ich bedauere allerdings, dass es auch in dieser Stunde nicht in allen Redebeiträgen möglich war, diesen Ernst zum Ausdruck zu bringen. Ich habe es etwa bedauert – das möchte ich hier auch offen sagen –, dass eine Wortmeldung offensichtlich aus taktischen Gründen zurückgezogen und ganz ans Ende gesetzt wurde, damit bestimmte Dinge zum Ausdruck gebracht werden können, was sonst gar nicht möglich gewesen wäre. – Ich glaube, dass es keiner Einforderung bedarf, dass man vom Herrn Bundeskanzler bestimmte Worte hören möchte. Er hat seine


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persönliche Betroffenheit in diesem Haus mit einer derartigen Eindringlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass wir uns alle daran ein Beispiel nehmen sollten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke in dieser Stunde allen, die einen Beitrag dazu geleistet haben, dass wir heute diesen Beschluss fassen können! Ich danke allen, die das Gemeinsame im Vordergrund gesehen und in den Vordergrund gestellt haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Ich komme – da ein Wunsch von Seiten der Berichterstattung auf abschließende Berichterstattung nicht vorliegt – zu den Abstimmungen.

Sie werden über die einzelnen Ausschussanträge getrennt vorgenommen.

Als Erstes stimmen wir ab über den Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird, samt Titel und Eingang in 475 der Beilagen.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält eine Verfassungsbestimmung, und ich stelle daher das erforderliche Quorum für die Abstimmung fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass dieser Gesetzentwurf nicht nur mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, sondern einstimmig angenommen wurde.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, dies durch ein Zeichen bekunden. – Auch hier darf ich feststellen, dass der Gesetzesantrag in dritter Lesung nicht nur mit Zweidrittelmehrheit, sondern einstimmig angenommen wurde.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 476 der Beilagen.

Da auch dieser Gesetzentwurf – er betrifft ein Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen sowie zur Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Opferfürsorgegesetzes – Verfassungsbestimmungen enthält, darf ich neuerlich das entsprechende Quorum feststellen.

Zu diesem Gesetzentwurf haben Frau Abgeordnete Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag zu Art. 1 § 27 Abs. 2 eingebracht. Ich lasse daher zunächst über den von dem erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil des Gesetzes und dann über das restliche Gesetz abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Abänderungsantrag ist somit abgelehnt.

Ich lasse sogleich über diesen Teil des Gesetzes in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, dass nunmehr diese Bestimmung in der Fassung des Ausschussberichtes einstimmig angenommen wurde.


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Ich stimme ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen restlichen Bestimmungen des Gesetzes in zweiter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich darf feststellen, dass dieser Teil einstimmig beschlossen wurde, also daher auch die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit gegeben ist.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass die Vorlage in dritter Lesung nicht nur mit Zweidrittelmehrheit, sondern einstimmig angenommen wurde.

Wir gelangen zuletzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag, der von den Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Krüger, Dr. Khol und Frau Mag. Stoisits eingebracht wurde und der das Ergebnis der Restitutionsverhandlungen betrifft.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag ihre Zustimmung erteilen wollen, dies durch ein Zeichen bekunden. – Ich stelle fest: Der Entschließungsantrag hat die einstimmige Zustimmung des Hohen Hauses gefunden. (E 53.)

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt.

9. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Dreiundzwanzigsten Bericht (III-39 der Beilagen) der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 1999) (359 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung durch Kollegen Dr. Spindelegger wurde verzichtet.

Ich gehe daher sogleich in die Rednerliste ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.59

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Diesem Bericht der Volksanwaltschaft kommt zweifellos Bedeutung zu, vor allem deshalb, weil sich die Regierung sonst über Expertenmeinungen oder Erfahrungsberichte eigentlich hinwegsetzt und ich die im Bericht zum Ausdruck gebrachte Meinung der Volksanwaltschaft als Expertenmeinung werte.

Dieser Bericht enthält aber auch Anregungen und Reformempfehlungen, die als Appell an den Gesetzgeber zu verstehen sind, in den genannten Bereichen tätig zu werden.

Ich wähle bewusst aus diesem Bericht drei Beispiele aus dem Bereich der Frauen- und Familienpolitik, obwohl natürlich eine ganze Reihe von erwähnenswerten Anregungen und Stellungnahmen in diesem Bericht enthalten sind wie zum Beispiel zur Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen bei den Überweisungsbeträgen in die Pensionsversicherungskassen oder zu den schwindenden Möglichkeiten der Volksanwaltschaft bei ausgegliederten Betrieben et cetera.

Ich wähle – wie gesagt – bewusst drei Beispiele aus der Frauen- und Familienpolitik, und zwar deshalb, weil die Bundesregierung dafür besonders wenig Verständnis aufbringt und betreffend Frauen- und Familienpolitik vor allem nebulose Pläne hat.


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Zum Unterhaltsvorschuss: In diesem Zusammenhang wird ein jährlicher Anstieg der Beschwerden festgestellt, vor allem von jenen Elternteilen, die auf öffentliche Hilfe, und zwar eine für sie existentielle Hilfe, angewiesen sind. Die Verfahren sind langwierig, es gibt Doppelgleisigkeiten, Leerläufe und wenig Transparenz. Es gibt auch langwierige Prüfverfahren, einerseits betreffend die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, andererseits betreffend den Bedarf des Unterhaltsberechtigten. Und während der gesamten Zeit steht der obsorgeberechtigte Elternteil – und das ist in der überwiegenden Zahl der Fälle die Mutter – ohne finanzielle Unterstützung da. Das ist – wie gesagt – eine zeitraubende Prozedur. Trotzdem weiß der betroffene Elternteil nicht sicher, ob er das benötigte Geld auch tatsächlich erhalten wird.

Der Schlussfolgerung der Volksanwaltschaft kann ich mich nur anschließen: Die ursprünglichen Zielvorstellungen des Unterhaltsvorschussgesetzes können mit den bestehenden Regelungen nicht erreicht werden. Daher gibt es auch Vorschläge der Volksanwaltschaft, gemeinsam mit dem Rechnungshof und dem Verein der Amtsvormünder – Vorschläge, denen sich auch meine Fraktion anschließt –, betreffend die Entkoppelung von Unterhaltsvorschuss und Unterhaltstitel und betreffend fixe, nach Alter gestaffelte Unterhaltssicherungsbeträge, die von den Jugendwohlfahrtsträgern verwaltet werden. Das würde vor allem der stark belasteten Gruppe der Alleinerzieherinnen helfen, und die Pflegschafts- und Rechtsmittelgerichte würden stark entlastet werden.

Auch aus familienpolitischer Sicht ist eine Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes nötig. Das wäre eine konkrete, wirklich treffsichere – das ist ein Wort, das Sie von ÖVP und FPÖ gerne gebrauchen – Weiterentwicklung unseres Familienförderungssystems! Es erübrigt sich natürlich, in diesem Zusammenhang festzustellen, dass das Kinderbetreuungsgeld das Gegenteil davon ist!

Zweiter Punkt: Die Ermittlung des Pflegebedarfs bei schwerstbehinderten Kindern ist eine echte Schwachstelle im System der Pflegevorsorge. Die Höhe des Pflegegeldes orientiert sich nämlich nicht an den Auswirkungen der körperlichen und geistigen Defizite, sondern am Alter und am Ausmaß der zusätzlichen Pflege, die im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern nötig ist. Das Einstufungssystem ist also nicht kindgerecht. Dazu kommt noch die unterschiedliche Vorgangsweise in den Ländergesetzen und im Bundespflegegesetz.

Ich möchte noch anmerken, dass meine Fraktion bereits einen Entschließungsantrag betreffend Wegfall der Altersgrenze von drei Jahren und Harmonisierung der Landes- und Bundesgesetze eingebracht hat. Wir haben auch einen Entschließungsantrag hinsichtlich der oft mangelnden Berücksichtigung familiärer Sorgepflichten durch das Arbeitsmarktservice bei Stellenvermittlungen und bei Schulungsmaßnahmen eingebracht. Ziel der von der Volksanwaltschaft vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen ist die Sicherstellung einer humanen Vollzugspraxis durch das AMS. Das widerspricht aber wiederum der Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung, denn viele Kürzungsmaßnahmen, welche die Bundesregierung gerade in den letzten Wochen gesetzt hat, konzentrieren sich gerade auf die Gruppen der Arbeitslosen und der NotstandshilfebezieherInnen.

Die Volksanwaltschaft macht auch bemerkenswerte Vorschläge im Zusammenhang mit den Chancen der Arbeit suchenden Frauen, nämlich betreffend eine Verbesserung des Angebots bei Kinderbetreuungseinrichtungen in jeder Form, vor allem betreffend Nachmittags- und Ferienbetreuungen in Krisenregionen mit hoher Frauenarbeitslosigkeit und zu wenig Kinderbetreuungseinrichtungen, betreffend Weiterentwicklung des Drei-Phasen-Modells und die Erarbeitung von Förderungsmodellen für Betriebe, die bei der Arbeitszeit und der Dienstplangestaltung Rücksicht auf die Familienpflichten und die Bedürfnisse von Alleinerzieherinnen nehmen. – Wir brauchen in diesem Bereich allerdings verbindliche Familienleistungen seitens der Betriebe, denn wenn wir weiterhin vom Goodwill der Wirtschaft abhängig sind, wird das noch jahrelang so weitergehen.

Würde die ÖVP in diesem Bereich mehr Ehrgeiz entwickeln – wenn man die Anwesenheit betrachtet, dann kann man feststellen, dass der Ehrgeiz da nicht groß ist! –, dann würde Österreich zum familienfreundlichsten Land der Welt gemacht werden! (Abg. Donabauer: Von der


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SPÖ sind auch nicht viele Abgeordnete da!)  – Habe ich Sie aufgeweckt? (Abg. Donabauer: Bei Klubobmann Kostelkas Rede waren ganze sechs Sozialdemokraten im Saal!)

Der Hinweis darauf, dass die Vorschläge der Volksanwaltschaft im diametralen Gegensatz zu dem stehen, was die Bundesregierung tut, ist wohl überflüssig! Die Bundesregierung hat die Mittel zum Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen sofort gestrichen und arbeitslosen Frauen das Leben in jeder erdenklichen Hinsicht schwer gemacht!

Letzter Punkt: Ich frage mich, wie lange es sich die Bundesregierung noch leisten kann, eine weitere qualifizierte Stimme zu überhören! (Beifall bei der SPÖ.)

21.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

21.06

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Verehrte Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses! Meiner Vorrednerin scheint entgangen zu sein, dass es sich hiebei um den Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 1999 handelt und dass darin Mängel gerade im Bereich des Sozialministeriums festgestellt wurden, das ja über Jahrzehnte sozialistisch dominiert war! (Abg. Schwarzenberger: In der Berichtszeit war Hostasch Bundesministerin!)

Dessen ungeachtet gebührt den drei VolksanwältInnen und ihren Mitarbeitern der Dank dieses Hauses für deren hervorragende Arbeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der vorliegende Bericht gibt uns großartigen Einblick in die Vielschichtigkeit, die Bedeutung und den Erfolg der Tätigkeit der Volksanwälte im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, aber auch in die Probleme, mit denen sie in ihrer täglichen Arbeit konfrontiert sind. Deshalb, meine Damen Volksanwältinnen und Herr Volksanwalt, soll sich die Reaktion dieses Hauses auf Ihren Bericht nicht allein im Dank und in phrasenhaften Unterstützungskundgebungen erschöpfen. Sie sind mit den Auswirkungen der von uns hier beschlossenen Gesetze und Normen für die BürgerInnen konfrontiert. Schon deshalb und weil Gesetze nicht Selbstzweck sind, müssen Ihre Ausführungen – die Ausführungen der Volksanwaltschaft – gerade für die Mandatare dieses Hauses eine wichtige Arbeitsgrundlage sein.

Meine Damen Volksanwältinnen und Herr Volksanwalt! Sie haben unserem Wunsch gemäß im Anhang Ihres Berichtes eine ausführliche tabellarische Aufstellung Ihrer legislativen Anregungen dargelegt. Dabei handelt es sich um ganz leicht umsetzbare Angelegenheiten, darunter viele Klarstellungen, Informationsrechte, Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit von Behörden, die bereits jetzt ohne Rechtsgrundlage tätig sind. Ich erinnere an die Zivilstreife, die – wie gesagt – ohne rechtliche Grundlage agiert. – Auch solche Kleinigkeiten würden den BürgerInnen im Umgang mit den Ämtern große Erleichterungen bringen.

Meine Damen und Herren! Es geht nicht an, dass viele Forderungen der Volksanwaltschaft seit zehn Jahren und länger immer wieder in den jährlichen Berichten an den Nationalrat aufgelistet und hier im Haus nicht behandelt werden, dass wir die Berichte zwar Jahr für Jahr wohlwollend zur Kenntnis nehmen und in den allgemeinen Lobgesang einstimmen, den Volksanwälten aber keine Erleichterungen in ihrer Arbeit schaffen!

Ich nenne Ihnen zwei Beispiele für Fälle, betreffend welche die Volksanwaltschaft schon seit über einem Jahrzehnt Anregungen an das Hohe Haus richtet: So beträgt die Verjährungsfrist nach dem Amtshaftungsgesetz zehn Jahre, die Verjährungsfrist im bürgerlichen Recht beträgt hingegen 30 Jahre. – Ich sehe da eine krasse Ungleichbehandlung!

Im allgemeinen Verwaltungsverfahren wird zum Beispiel bei Kostentragungen gemäß § 74 AVG Ersatz bei unbegründeten Verfahren erforderlich. Die Volksanwaltschaft hat schon im Bericht Nummer 8 – und heute haben wir Bericht 23! – moniert, dass das geändert werden sollte. Bisher haben wir diese Anregungen jedoch nicht aufgegriffen. – Das sind nur einige wenige Beispiele.


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Meine Damen und Herren! Es ist daher unsere Aufgabe, diese legistischen Anregungen aufzunehmen, sie in Ausschüssen zu behandeln oder auch durch Aufforderung an die Regierungsmitglieder umzusetzen. Sollte das keine Früchte tragen, dann werden wir wieder einmal die Einführung des Initiativrechtes der Volksanwaltschaft diskutieren müssen. Mit dem alten Koalitionspartner hat es eine Diskussion betreffend diese Möglichkeit nie gegeben.

Meine Damen und Herren! Es kann und darf nicht sein, dass Anliegen und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, vorgetragen von der Volksanwaltschaft, hier im Parlament, im Haus der Volksvertretung, zu wenig oder gar nicht wahrgenommen, ja sogar ignoriert werden.

Meine Damen Volksanwältinnen und Herr Volksanwalt! Messen Sie uns bei der nächsten Debatte zum 24. Bericht der Volksanwaltschaft an dem Grad der Umsetzung, die wir jetzt vorhaben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

21.12

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! 9 186 Personen haben 1999 die Volksanwaltschaft in Anspruch genommen, 3 971 Prüfungsverfahren wurden eingeleitet und 4 675 Prüfungsverfahren abgeschlossen. Diese Zahlen sprechen für sich, und es ist an uns allen, den Volksanwälten Ingrid Korosec, Dr. Christa Krammer und Horst Schender sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft Dank zu sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der vorliegende Bericht der Volksanwaltschaft 1999 zeigt klar auf, wie vielfältig die Tätigkeiten der Volksanwaltschaft sind. Dies ist allerdings sozusagen nur der Bericht an Nationalrat und Bundesrat, die Volksanwaltschaft berichtet aber auch an sieben der neun österreichischen Landtage.

Die Volksanwaltschaft ist eine unverzichtbare Einrichtung für den Rechtsstaat und die Demokratie. Unabhängigkeit und Objektivität der Volksanwaltschaft sind für alle Fraktionen dieses Hauses von großer Bedeutung und werden auch von allen Fraktionen dieses Hauses im höchsten Maß anerkannt. – Aus Erfahrung im privaten Kreis weiß ich, wie schnell und unbürokratisch die Volksanwälte und ihre Mitarbeiter Hilfestellung leisten. Formlos und gebührenfrei ist die Volksanwaltschaft für jedermann zugänglich.

Durch die Kontrolle der Verwaltung leistet die Volksanwaltschaft Dienste am Rechtsstaat und an der Demokratie. Durch die Kontrolle der Verwaltung kommt es auch zu einer Verbesserung der Qualität der Verwaltung in Österreich.

Darüber hinaus leistet die Volksanwaltschaft einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des Rechts. Frau Dr. Frieser hat diesen Punkt ebenfalls schon angesprochen. Im Regierungsprogramm findet sich unter dem Übertitel "Starke Demokratie" auch die Anregung, der Volksanwaltschaft das Recht zur Einbringung von Gesetzesvorschlägen einzuräumen, wenn sich die entsprechende Notwendigkeit im Zusammenhang mit der Prüfungstätigkeit ergibt. Ich halte das für vorrangig wichtig. Die Anzahl der legistischen Anregungen im Anhang 1 des Berichtes der Volksanwaltschaft spricht ebenso dafür wie der Umstand – wir haben auch davon schon gehört –, dass in der Vergangenheit Anregungen der Volksanwaltschaft nur allzu oft schubladisiert wurden.

Die Volksanwaltschaft ist die einzige Institution, die umfassend Einblick hat, welche Missstände es wo in der öffentlichen Verwaltung gibt. Ich halte es daher für wichtig, dass die Volksanwaltschaft auch in Fragen der Rechtspolitik verstärkt eingebunden wird.

Wie wichtig die Einbindung der Volksanwaltschaft in Fragen der Rechtspolitik ist, wurde mir vergangene Woche anlässlich einer parlamentarischen Enquete der sozialdemokratischen


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Fraktion klar. Der Titel lautete: Neuordnung des Weisungsrechtes für Staatsanwälte, Vorschlag auf Einrichtung eines Bundesstaatsanwaltes. Es war ein höchstrangiges Expertengremium geladen. Die Sinnhaftigkeit des Instituts des Bundesstaatsanwaltes kam trotz eingehender Bemühungen der einladenden Fraktion nicht wirklich zutage.

Wer war allerdings nicht eingeladen? – Jene Institution, die tatsächlich Einblick in die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft hat, nämlich die Volksanwaltschaft! Die Volksanwaltschaft ist zur Prüfung der Staatsanwaltschaft deshalb berufen, weil es sich bei der Staatsanwaltschaft um eine weisungsgebundene Behörde der öffentlichen Verwaltung handelt.

398 Prüfungsverfahren wurden im Bereich der Justiz 1999 von der Volksanwaltschaft eingeleitet. 10 bis 15 Prozent der Beschwerden im Bereich Justiz betreffen im langjährigen Durchschnitt die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft. Die Mehrheit der Beschwerden richtet sich nicht gegen Verfolgungshandlungen durch die Staatsanwälte, sondern dagegen, dass Anzeigen von geschädigten/betroffenen Bürgern von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt werden. Die Prüfungstätigkeit der Volksanwaltschaft ergibt zumeist, dass die Zurücklegung zu Recht erfolgt ist. Wenn diese aber nicht zu Recht erfolgt ist, sondern das Strafverfahren ungerechtfertigt eingestellt wurde, kann das Verfahren durch Weisung des Bundesministers als oberste Dienstaufsichtsbehörde über die Staatsanwaltschaft fortgesetzt werden.

Betreffend Verfahrenseinstellung und Zurücklegung von Anzeigen möchte ich eine Aussendung der Volksanwaltschaft vom 9. November 2000 zitieren:

"Volksanwalt Schender konnte während seiner gesamten bisherigen Amtstätigkeit von über elf Jahren noch in keinem Beschwerdefall das Vorliegen einer Ministerweisung, das Verfahren einzustellen beziehungsweise die Anzeige zurückzulegen, feststellen." – Zitatende.

Durch die Weisungsfreistellung der Staatsanwälte würde den Bürgerinnen und Bürgern das Recht genommen, bei der Volksanwaltschaft Beschwerde zu führen. Und durch die Weisungsfreistellung der Staatsanwälte würde eine Behörde geschaffen, die legibus solutus agiert. Das kann nicht Ziel unseres Rechtsstaates sein! Und es kann auch nicht Ziel sein, in Österreich Verhältnisse wie in den Vereinigten Staaten mit Sonderermittlern wie Kenneth Starr zu etablieren, die in selbstgefälliger Art und Weise und unter Einbeziehung der Medien den Rechtsstaat an der Nase herumführen!

Abschließend darf ich nochmals Dank an die Volksanwaltschaft richten. Der Rechtsstaat Österreich und Österreichs Bürgerinnen und Bürger brauchen Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

21.18

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Über die Wichtigkeit der Berichte der Volksanwaltschaft wurde schon gesprochen. Ich kann mich dieser Meinung nur anschließen.

Frau Abgeordnete Frieser! Weniger anschließen kann ich mich Ihrer Ankündigung, dass wir Sie an den Taten messen sollen, die Sie umsetzen werden. – Die ÖVP war auch in den vergangenen Jahren in der Regierung, wenn ich mich nicht täusche, die meisten haben das aber offenbar vergessen. Jedenfalls könnte man aber auch schauen, was in der Vergangenheit umgesetzt wurde, und ich möchte drei Beispiele nennen. Bezüglich dieser Punkte aus dem Bereich des Herrn Volksanwalts Schender betreffend Bildung habe ich auch Anfragen gestellt, und mittlerweile liegen auch Antworten aus dem Ministerium vor, und diese zeigen, wie wenig ernst die Berichte der Volksanwaltschaft genommen werden.


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55. Sitzung / Seite 191

Aus meiner Sicht waren die drei Punkte relativ klar nachvollziehbar, und es hätte ohne allzu große Probleme eine Lösung geben können, trotzdem kam in zwei Fällen eine klar ablehnende Rückmeldung und betreffend einen Fall lediglich der Hinweis, dass das ziemlich kompliziert sei.

Es geht, wie gesagt, um den Bereich Bildung. Im ersten Fall wurden Originalzeugnisse nach Änderung des Vornamens wegen Geschlechtsumwandlung verweigert. Daraufhin gab es eine Beschwerde, dass es zu Diskriminierungen kommen kann, wenn kein Originalzeugnis, sondern nur ein Duplikat vorgelegt wird, und im Fall, dass nachgefragt wird, Erklärungsbedarf besteht, warum nur ein Duplikat vorliegt.

Frau Ministerin Gehrer hat in ihrer Anfragebeantwortung geschrieben: Es ist ja nicht der einzige Fall, wegen Geschlechtsumwandlung ein neues Originalzeugnis zu bekommen. Duplikate bekommt man auch in anderen Fällen, zum Beispiel, wenn das Haus abbrennt. – Aber die Frage der Betroffenen beziehungsweise gegenüber den Betroffenen ist nach wie vor da, nämlich warum Betroffene dann gezwungen werden sollen, entweder die Unwahrheit zu sagen oder sich hier in einer Form zu deklarieren, die in Bewerbungsgesprächen und in ähnlichen Zusammenhängen ja so, wie es gesellschaftlich leider der Stand in Österreich ist, nicht unbedingt problemlos ist. Das ist einfach nicht einzusehen. – Verweigerung Nummer eins.

Verweigerung Nummer zwei betrifft einen Punkt, in dem es darum geht – und das sollte sehr rasch überdacht werden –, den sonderpädagogischen Förderungsbedarf auszudehnen. Da ging es um ein autistisches Kind. Ich habe die Antwort hier, ich weiß nicht, ob auch Sie diese parlamentarische Anfrage gesehen haben. Wir reden von autistischen Kindern, wir reden von Kindern, die schwer behindert sind und deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt schwer erfolgen kann. Es gab eine Mutter, die festgestellt hat, es wäre sehr wünschenswert gewesen, den Förderbedarf auf ein dreizehntes Jahr auszudehnen, weil eben die Lernmöglichkeit erst später eingetreten ist und die Entwicklung in den letzten Jahren sehr positiv war. In diesen Bereichen ein Jahr dazuzugeben, hätte sehr viel Sinn gemacht.

Die Antwort von Ministerin Gehrer war, dass es um die Eingliederung in die Arbeitswelt geht, dass diese Menschen letztlich auch auf eigenen Beinen stehen sollen und dass es daher nicht sinnvoll ist, ein dreizehntes Jahr zu gewähren. – Ich denke, in diesem konkreten Fall geht dieses Argument ziemlich an der Realität vorbei.

Der dritte Punkt – ebenfalls ein drastischer Punkt und seit Jahren in Österreich bekannt, auch ein Missstand, weil es eine Ungleichbehandlung ist – ist die Frage des Lehramtszeugnisses für Behinderte. Ich weiß nicht, inwieweit in diesem Haus bekannt ist, dass Behinderte an Pädagogischen Akademien nicht studieren dürfen, weil sie nicht die Möglichkeit haben oder weil ihnen nicht zugestanden wird, dass sie auch berechtigt sind, einen Lehrberuf auszuüben. Das ist übrigens an Universitäten anders, da gibt es also eine Ungleichbehandlung: Dieses Zugangskriterium besteht für Universitätsstudien nicht, für Pädagogische Akademien sehr wohl.

Da lautete die Antwort, dass es der Veränderung etlicher Gesetze bedarf. Meine konkrete Frage war – nachdem Sie (in Richtung der auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Gehrer) schon in Ihrem Bericht darauf hingewiesen hatten, dass es Überlegungen gibt, diesen Vorschlag aufzugreifen –, bis wann das geschehen soll. Das war zumindest eine sehr dürftige Antwort: dass das leider nicht gesagt werden kann, weil es sehr kompliziert ist, die Gesetze auszuarbeiten.

Frau Kollegin Frieser! Von den Antworten des Ministeriums und insbesondere der Bildungsministerin Gehrer kann man da nicht wirklich befriedigt sein. Wenn man den Bericht der Volksanwaltschaft ernst nimmt, dann sollte man hier, wie Sie gesagt haben, die Anregungen vor allem dann, wenn sie sinnvoll sind – und in diesen Fällen scheint mir das sehr schlüssig zu sein –, rasch und umfassend aufgreifen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)


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55. Sitzung / Seite 192

21.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Ich erteile ihm das Wort.

21.23

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen Volksanwältinnen! Geschätzter Herr Volksanwalt! Wenn man den Bericht der Volksanwaltschaft 1999 zur Hand nimmt und im Bereich des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachsieht – dem Geschäftsbereich von Frau Volksanwältin Ingrid Korosec –, dann fällt mir ein bisschen auf, Frau Volksanwältin, dass hier im Zuge der Tätigkeit der Volksanwaltschaft an den wirklichen Problemen vorbeigeprüft wird.

Dafür können Sie nichts, das hängt damit zusammen, wie das Ganze rechtlich konfiguriert ist. Meine Überlegung war schon im November 2000, dass man sich mehr auf den Bereich Konsumentenschutz, Tierschutz und damit Menschenschutz konzentrieren sollte. Es wäre vielleicht etwas, was man sich wirklich intensiv überlegen sollte, dass man im Bereich Tierschutz zu einer Art Verfahrenskontrolle, zu Prüfverfahren kommt.

Meine Damen und Herren! Es war ja eine Kontrollkommission der Europäischen Kommission in Österreich. Sie hat die Haltung von Schweinen und Kälbern überprüft, und da ist gar Grausliches darüber zutage getreten, wie die Tiere in Österreich gehalten werden – beispielsweise auch rechtswidrig, was Gemeinschaftsrecht betrifft: Das Abkneifen der Zähne unterliegt keinen Einschränkungen. – Ich möchte Ihnen andere Dinge, die auch in diesem Bericht stehen, ersparen.

Endgültig dramatisch wird es an der folgenden Stelle: Ein inspizierender Veterinärmediziner gab an, dass er normalerweise die Aufzeichnungen über die angewendeten Medikamente und die Sterblichkeit bei kranken und verletzten Schweinen geprüft hätte, aber auf Grund der zeitlichen Beschränkungen des Kontrollbesuchsplans dazu keine Gelegenheit gehabt hat.

Ich denke, dass wir in so wichtigen Fragen, die Tierschutz und damit auch Menschenschutz betreffen, intensiv darüber nachdenken sollten, welche Rolle die Volksanwaltschaft hier in Zukunft spielen könnte. In Österreich werden Gesetze nicht eingehalten, EU-Vorgaben nicht eingehalten, meine Damen und Herren, Kontrollen verhindert sowie Berichte und Kontrollen manipuliert – auch das geht aus diesem Bericht hervor. Ich denke, Tierschutz in der Landwirtschaft wäre die Voraussetzung dafür, dass man die Fleischskandale in den Griff bekommt.

Ich möchte jetzt keine Antwort, meine Damen und mein Herr von der Volksanwaltschaft, und schlage Folgendes vor: Überlegen wir uns vielleicht bis zur Debatte um das Budget 2002, wie wir es rechtlich gestalten könnten, dass wir diese wichtigen Fragen des Verbraucherschutzes, des Tierschutzes und des Menschenschutzes in den Griff bekommen. Ich glaube, dass die Volksanwaltschaft hier eine wertvolle Hilfe leisten könnte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brosz. )

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Achatz: Schau, wie’s dem "Grolli" vom Kanzler Klima geht!)

21.26

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft! Hohes Haus! Der Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 1999 ist umfangreich, er zeigt sehr eindrucksvoll eine wirklich großartige Arbeit und ein hervorragendes Engagement. Sie, meine Damen und mein Herr, verdienen es – zumindest nach Ansicht unseres Klubs –, Anerkennung zu hören, und zwar nicht nur Anerkennung für die Arbeit, sondern auch für die Abfassung des Berichtes. Es gibt ein Sprichwort, einen Grundsatz, der lautet: Tu Gutes und rede darüber! Würden Sie arbeiten und würde das nicht dokumentiert werden, dann wüsste niemand, was die Volksanwaltschaft in Österreich letzten Endes bewegt.

Lieber Dr. Kräuter! Ich habe mir Ihren Beitrag angehört, es war hochinteressant. Ich würde fast sagen: ein bisschen das Thema verfehlt. Ich glaube, Sie wissen nicht, was die Volksanwaltschaft wirklich tut, tun kann und tun soll. Sie wissen, glaube ich, auch nicht ganz genau, wovon Sie gesprochen haben. Ich meine, hier fehlt tatsächlich der Zusammenhang. Es ist nur bedauerlich, dass ein Jurist dies in der Betrachtung so verkennt.


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Es war heute auch eine Rednerin hier, die diese Regierung zum Handeln aufgefordert hat. Das ist gut so, diese Regierung scheut keine Herausforderung. Seien wir uns aber über eines im Klaren, Frau Dr. Mertel: Das ist der Bericht des Jahres 1999. (Abg. Dr. Mertel: Das sind Vorschläge!) Da hatten wir, wie Sie meinen, eine wunderbare Regierungsgemeinschaft. (Abg. Dr. Mertel: Die Bundesregierung handelt heute ganz anders!) All das, was drinsteht, ist aus dieser Zeit herrührend, und trotzdem stehen wir dazu, weil es wichtig ist, dass das alles aufgezeigt wird. (Abg. Dr. Mertel: Das sind Vorschläge, und die Regierung handelt ganz anders! Sie verstehen es nicht!)

Wir lesen hier, dass im Jahre 1999 9 186 Personen den Weg zur Volksanwaltschaft gefunden haben. Dazu möchte ich sagen, dass das eine großartige Leistung ist, dass es gut ist, dass Sie diesen Menschen Gehör geschenkt haben, dass diese Menschen sich dort aussprechen konnten und dass man ihnen vielleicht hohe Kosten erspart hat, weil sie nicht zu Anwalteien oder anderen Institutionen gehen mussten. Das ist insgesamt eine gute Tätigkeit. Sie haben mit Ihren Mitarbeitern auch 4 675 Prüfungsverfahren abgeführt, das ist ebenfalls eine herzeigbare Leistung.

Wenn man in diesem Bericht liest, dann sieht man, dass er über alle Lebensbereiche geht. Im Wesentlichen ist es natürlich der Bereich des Sozialen, weil dort auch die ureigensten menschlichen Gefühle, Bedürfnisse und Erwartungen sind. Da geht es quer durch alle Bereiche, Sie haben sehr viel aufgezeigt, Sie haben sehr viel angeregt, und es wurde auch sehr viel aufgenommen und übernommen, aber nicht nur im Bereich des Sozialen, sondern auch im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem, wenn es darum geht, die Nachbarschaftsstreite ein bisschen zu relativieren oder auch die Begegnung mit den Gemeinden in ein neues Licht zu bringen. – Es sind Dinge, von denen man sagen kann, dass sie wichtig sind.

Sie haben Schwachstellen aufgezeigt. Wir werden selbstverständlich auch in der weiteren Arbeit sehr wohl auf all das Bezug nehmen. Wichtig für uns ist, dass Sie hier Ihre Aufgabe so wahrnehmen, dass es allgemein ein unparteiisches Vorgehen gibt – das ist noch von niemand in Zweifel gezogen worden –, dass auch, wie ich schon eingangs sagte, jedem Bürger der Zugang gewährt ist und dass Sie vor allem – auch das soll gesagt werden – die Leute nicht nur zu Ihnen, also dorthin, wo Sie Ihre Wirkungsstätte haben, kommen lassen, sondern dass Sie auch hinausgehen, in die Landeshauptstädte, in die Bezirksvororte, und dort auch denjenigen einen Zugang anbieten, die vielleicht nicht so mobil sind oder eine Fahrt nach Wien scheuen würden.

In diesem Sinne haben Sie im Jahre 1999 und bis heute wertvolle Arbeit für dieses Land und die Menschen dieses Landes geleistet und auch der Politik manchen guten Hinweis und manchmal einen guten Ratschlag gegeben. – Herzlichen Dank für Ihre Arbeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. Ich erteile ihr das Wort.

21.30

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen Volksanwältinnen, mein Herr Volksanwalt! Hohes Haus! Ich möchte mich gleich eingangs nicht nur für diesen Dreiundzwanzigsten Bericht der Volksanwaltschaft, sondern vor allem für Ihre Arbeit über viele Jahre hinweg bedanken. Ihre Institution ist ein wichtiges Instrument der Bürgerrechte für österreichische Bürger, und sie ist für viele von Missständen geplagte österreichische Bürger eine Art letzte Hoffnung. Aber es ist nicht nur das, sondern ich glaube, dass dieser jährliche Bericht für verantwortungsvolle Politiker ein wichtiger Arbeitsbehelf sein kann und sein soll. Sie zeigen immer wieder Lösungsansätze auf, die die Politik umsetzen sollte.

Frau Kollegin Mertel! (Abg. Dr. Mertel: Ich habe schon darauf gewartet!) Ich werde jetzt auf zwei Beispiele eingehen, die vor der Umsetzung durch die jetzige Regierung stehen. Es geht um zwei Bereiche, die ich seit Jahren verfolge, weil sie in den Bereich meiner politischen Tätigkeit gefallen sind. Das erste Problem haben auch Sie genannt, Frau Mertel. Es geht um die Probleme bei der Ermittlung des Pflegebedarfs von schwerstbehinderten Kindern, in dem Bericht 1999 ausge


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führt anhand eines Beispielfalls aus dem Land Tirol, eines wirklich bedauernswerten, schwerstbehinderten Kindes, für das auch ich mich einzusetzen versucht habe.

Frau Kollegin Mertel, Sie haben vielleicht vergessen, dass es die Freiheitliche Partei war, dass es meine Kollegin Helene Partik-Pablé und ich waren, die bereits bei Einführung des Pflegegeldgesetzes dafür plädiert haben, dass diese Altersgrenze bei behinderten Kindern wegfällt. Es waren auch wir Freiheitlichen, die diese Anträge immer wieder eingebracht haben, und es war Ihre Regierung, Frau Kollegin Mertel, die nichts getan hat.

Hohes Haus! Meine Damen Volksanwältinnen, mein Herr Volksanwalt! Ich kann Ihnen mit Freude berichten, dass ich heute aus dem Büro von Herrn Bundesminister Haupt die Nachricht bekommen habe, dass es bereits einen ausgearbeiteten Vorschlag dazu gibt, der in der nächsten Zeit zur Begutachtung hinausgehen wird und der auch eine Folgewirkung auf die Pflegegesetze der Länder haben wird. (Abg. Dr. Mertel: Gratuliere!)  – Soviel zur Arbeit der neuen Bundesregierung in Bezug auf die Arbeit der Volksanwaltschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie der Abg. Dr. Mertel. )

Auch einen weiteren Bereich, der mir seit Jahren am Herzen liegt, möchte ich nicht versäumen, zu erwähnen. Es geht darum, dass die Volksanwaltschaft – nicht zum ersten Mal – für bundesweit einheitlich ausgestaltete und konsumentenfreundliche Heimverträge in Pflegeheimen eintritt. Da wird in Österreich bereits seit Anfang der neunziger Jahre versucht, auf Landesebene, auf Bundesebene Lösungen zu finden, ohne dass bisher konkrete Ergebnisse erzielt worden sind.

Wir wissen, dass Alten- und Pflegebetreuung Ländersache sind, dass einzelne Bundesländer diesen Bereich halbwegs zufrieden stellend geregelt haben, andere Bundesländer weniger gut. Wir wissen auch, dass es seit Herbst 1999 im Sozialministerium eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Frau Ministerialrat Hönigsperger gibt, die sich konkret mit der Ausarbeitung eines Muster-Heimvertrages beschäftigt und diesen auch bereits in der Verbindungsstelle der Bundesländer vorgestellt hat. Dort hat es sofort einen Aufschrei gegeben, und es wird schon wieder versucht, ihn zu blockieren.

Wir werden da aber zügig weiterarbeiten, man hat den Weg bereits im Auge. Wir glauben, dass es in diesem Bereich bis zum Sommer zu einer Einigung kommen wird. Ich weiß auch aus anderer Quelle, dass im Justizministerium konkret an der Umsetzung in diesem Bereich – möglicherweise beziehungsweise höchstwahrscheinlich im Rahmen des Zivilrechts – gearbeitet wird. Das ist mir immer ein großes Anliegen gewesen. Ich bin froh, dass wir auch hier – so, wie in anderen Bereichen – versuchen, die Missstände, die Defizite, die Versäumnisse der alten, sozialdemokratisch dominierten Regierung aufzuarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Volksanwalt Schender. – Bitte.

21.36

Volksanwalt Horst Schender: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, mich angesichts der vorgerückten Stunde möglichst kurz zu fassen.

Frau Mag. Frieser! Die legistischen Anregungen sind natürlich immer ein Sorgenkind der Volksanwaltschaft. Erst kürzlich habe ich von einer Dame aus dem Haus einen sehr aufgeregten Brief in die Volksanwaltschaft bekommen. Eine Abgeordnete hat sich heftig darüber beschwert, dass auf Grund des Liegenschaftsteilungsgesetzes massive Benachteiligungen von einzelnen Bürgern auftreten. Das sei eine Riesenschweinerei, und da müsse endlich etwas getan werden. – Ich musste der Frau Abgeordneten antworten, dass wir das Hohe Haus auf dieses Problem bereits seit 15 Jahren aufmerksam machen und dass wir immer wieder darauf hinweisen, dass es hier zu großen Ungereimtheiten und großen Ungerechtigkeiten kommt. Aber bisher hat es das Hohe Haus unterlassen, diesbezügliche Schritte einzuleiten.


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Ich würde deshalb sehr empfehlen, die Liste im Anhang an den Bericht der Volksanwaltschaft etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Darin steht sehr viel, das es wert wäre, aufgegriffen zu werden.

Frau Abgeordnete Mag. Frieser! Das Initiativrecht würde den Volksanwälten natürlich die Möglichkeit bieten, aktuelle Probleme direkt an den Nationalrat oder an den Landtag heranzutragen und die Damen und Herren Abgeordneten etwas unmittelbarer mit den Problemen der Bürgerinnen und Bürger zu konfrontieren, als uns das durch den Anhang an einen umfassenden Bericht möglich ist, der vielleicht gar nicht von jedem, der ihn in die Hand bekommt, bis zur letzten Seite durchgeblättert wird.

Frau Dr. Papházy! Die Verbesserung der Qualität der Verwaltung ist natürlich eine der Hauptaufgaben der Volksanwaltschaft. Wir prüfen doch die Behörden nicht, um sie zu schikanieren und um irgendjemandem bösartigerweise einen begangenen Fehler nachzuweisen, sondern wir bemühen uns, den Bürger vor Entwicklungen in der Verwaltung in Schutz zu nehmen, die eine überbordende Bürokratie zur Auswirkung haben, die bürgerunfreundliches Verhalten zur Folge haben und die letzten Endes eine wenig bürgernahe Tätigkeit unserer Behörden bewirken. Durch das Aufzeigen von solchen Mängeln und Fehlern versuchen wir jeweils, die Aufsichtsbehörde zu mobilisieren, um eine bürgerfreundlichere und bürgernähere Verwaltung zu erreichen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit relativ großem Erfolg von der Volksanwaltschaft geprüft. Wenn festgestellt wird, dass eine Anzeige zu Unrecht zurückgelegt wurde, obwohl von der Polizei oder der Gendarmerie ausreichend Beweismittel erarbeitet worden waren, dann ist es immer gelungen, im Wege der Dienstaufsicht durch den Justizminister ein Verfahren neu aufzunehmen, das bereits vom Staatsanwalt zurückgelegt wurde. Insofern ist es sehr wichtig, dass es dieses Weisungsrecht gibt, weil manchmal leichtfertig zurückgelegte Anzeigen auf diese Weise wieder aufleben. Nur durch das Weisungsrecht des Justizministers ist es möglich, solche oft etwas voreilig zurückgelegte Anzeigen wieder zu aktualisieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Brosz! Die drei Fälle sind ja nur eine kleine Spitze des Eisberges. Es kommen immer wieder Fälle vor, dass wir berechtigte Anliegen von Bürgern an das Ministerium herantragen und unseren Anregungen trotzdem – oft unverständlicherweise – nicht entsprochen wird, obwohl es in vielen Fällen gar nichts kosten würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir machen Sie auf solche Fälle aufmerksam, damit Sie sie zur Grundlage von Initiativen im Ausschuss, im Plenum des Nationalrates, in der Fragestunde machen, um auf diese Art und Weise ein Umdenken bei Ministern zu bewirken, die oft uneinsichtig sind. Oft sind es, muss ich jetzt gerechterweise sagen, nicht einmal die Minister, die so uneinsichtig sind. Oft ist es die Bürokratie, die eisern auf einem Standpunkt beharrt und dem Minister ein Antwortschreiben unterjubelt, an das er im Nachhinein nicht gerne erinnert wird, weil er oft etwas unterschrieben hat, was nicht so sehr seiner eigenen inneren Überzeugung entsprochen hat.

Es müsste daher auf die Minister auch insofern Einfluss genommen werden, als sie etwas mehr Mut aufbringen müssten, ihren Beamten die Stirn zu bieten, ihren Beamten entgegenzutreten und Meinungen der Beamten nicht unbedingt unbesehen zu unterschreiben, wie es leider immer wieder der Fall ist und immer wieder von mir erlebt wird, wenn mir der Minister sagt: Na ja, was soll ich machen, meine Beamten sind eben anderer Meinung, ich persönlich würde mich da ganz anders verhalten. – Das kommt nicht selten, sondern sehr häufig vor.

Herr Dr. Kräuter! Der Tierschutz gehört natürlich zu den Kompetenzen der Volksanwaltschaft. Soweit es entsprechende Landesgesetze gibt und Beschwerden über die Handhabung dieser Landesgesetze in jenen sieben Bundesländern kommen, für die wir zuständig sind, wird das von Frau Kollegin Dr. Krammer geprüft. Wenn Sie uns weitere Kompetenzen im Bereich des Tierschutzes zugestehen wollen, dann liegt es an Ihnen, hier im Nationalrat entsprechende Initiativen zu ergreifen und uns mit solchen Zuständigkeiten zu versehen, meinetwegen auch


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einzudecken. Wir sind jedenfalls gerne bereit, soweit wir noch im Einsatz sind, diese Tätigkeiten zusätzlich zu übernehmen.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich sehr – auch namens meiner beiden Amtskolleginnen, und vor allem namens unserer Mitarbeiter – für die vielen freundlichen und lobenden Worte, die Sie für die Tätigkeit unseres Hauses gefunden haben. Ich möchte nicht verhehlen, dass wir noch einige offene Anliegen haben, von denen wir es gerne hätten, dass sie von Ihnen weiter beobachtet und weiter betrieben würden, etwa die Mitwirkungsmöglichkeit der Volksanwälte in den Ausschüssen, etwa das Antragsrecht – was ja im Regierungsprogramm ohnedies vorgesehen ist – oder die gesetzliche Verankerung von Fristen zur Beantwortung von Anfragen. Diesbezüglich bedürfen wir ebenfalls dringend der Unterstützung seitens des Nationalrates, damit manche Minister sich nicht vor der Beantwortung unbequemer Fragen oft Monate über Monate drücken können.

Schließlich möchte ich auch mein Ceterum censeo der letzten Jahre nicht unwiederholt lassen. Es entsteht ein zunehmend größer werdendes Rechtsschutzdefizit in all jenen Bereichen, in denen ausgegliederte Rechtsträger nicht mehr der Kontrolle durch die Volksanwaltschaft unterliegen. Auch Herr Rechnungshofpräsident Dr. Fiedler hat festgestellt, dass hier ein bedauerliches Rechtsschutzdefizit entstanden ist, weil zwar der Rechnungshof diese ausgegliederten Rechtsträger überprüfen darf, aber der Bürger nicht die Möglichkeit hat, sich bei der Volksanwaltschaft über diese ausgegliederten Rechtsbereiche zu beschweren.

Gegen diese Anliegen liegt eine strikt ablehnende Stellungnahme des damaligen Finanzministers vom 9. Oktober 1997 vor. Der damalige Herr Bundesminister Edlinger bezeichnete die Vorschläge als unnötig. Die Prüfung der Beschwerden über ausgegliederte Rechtsträger würde seiner Meinung nach dem Sinn und Zweck der Ausgliederung dieser Rechtsträger widersprechen. Die Rechnungshofkontrolle sei völlig ausreichend. Folgerichtig würde der Sinn der Ausgliederung im Wesentlichen in der Ausschaltung der Möglichkeit der Einzelbeschwerde an die Volksanwaltschaft liegen. Gegipfelt hat die Stellungnahme darin: Der Bürger kann sich ja auf den Zivilrechtsweg begeben und den mächtigen Staat oder den ausgegliederten Rechtsträger klagen, wenn er glaubt, von ihm benachteiligt worden zu sein.

Das ist auch nicht gerade eine sehr bürgerfreundliche Haltung, muss ich sagen. Wenn man sagt: wenn dir an diesen ausgegliederten Rechtsträgern etwas nicht passt, darfst du zwar weiterhin die Schulden dieser ausgegliederten Rechtsträger abtragen, aber du musst gegen die Staatsmacht prozessieren, wenn du mit deren Tätigkeit nicht zufrieden bist – dann ist das doch ein Beweis dafür, dass soziale Kälte nicht erst im Jahre 2000 erfunden worden ist.

Diese "Edlinger-Doktrin" gilt de facto heute noch. Ich möchte sehr darum bitten, dass man sich dieses Schreiben des Herrn Ministers Edlinger aus dem Jahre 1997 im Finanzministerium noch einmal vornimmt und überprüft, ob diese Edlinger-Doktrin nach wie vor unverrückbar ihre Gültigkeit haben muss oder ob man nicht im Interesse von mehr Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit eine wesentlich bürgerfreundlichere Regelung ins Auge fassen sollte. Außerdem, meine Damen und Herren, ist diese Verweisung auf den Zivilrechtsweg völlig konträr zu dem, was das Justizministerium in den letzten Jahren sich zu erreichen bemüht hat, nämlich die Zahl der Gerichtsprozesse einzuschränken, zu reduzieren und Bagatellfälle im außergerichtlichen Bereich zu bereinigen.

Es gibt seit dem Jahre 1977 eine Institution, die auf die Tätigkeit als Mediator spezialisiert ist. Diese Mediation könnten wir in den Bereichen der ausgegliederten Rechtsträger weiterhin kostenlos für die Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen, wenn man uns die Möglichkeit dazu einräumte. Ich möchte Sie sehr herzlich bitten, diese Überlegung im Auge zu behalten und den Bürgern diese Vermittlung zwischen den beschwerdeführenden oder Hilfe suchenden Bürgern und der Verwaltung durch die Volksanwälte zu ermöglichen.

Ich danke für Ihre lobenden Worte. Ich danke für Ihre Unterstützung und Ihr Verständnis für unsere Tätigkeit und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Tätigkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.48


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55. Sitzung / Seite 197

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Volksanwältin Dr. Krammer. – Bitte.

21.48

Volksanwältin Dr. Christa Krammer: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Kollegin! Herr Kollege! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Dankesworte auch für uns beide hat schon Herr Kollege Schender, unser Vorsitzender, ausgesprochen. Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, daher nur ganz kurz das Unterhaltsvorschussgesetz wirklich ans Herz legen. Ich bitte Sie, schauen Sie sich das an, vergegenwärtigen Sie sich die Situation der Frauen und die Situation der Kinder, die darauf angewiesen sind und darauf warten, dass diese Verfahren endlich einmal enden und sie zu ihrem Geld kommen. Ich ersuche Sie, sich die Vorschläge der Volksanwaltschaft wirklich eingehend anzuschauen und darauf einzugehen. – Das wollte ich Ihnen sagen.

Ganz kurz zu Frau Kollegin Achatz – sie hat vorhin, als Kollege Kräuter irgendetwas zum Tierschutz gesagt hat, mir als Burgenländerin quasi mit einem Schlenker herüber gesagt: Kümmere dich um den Hund vom Klima, den "Grolli"! Um den soll sich die Volksanwaltschaft kümmern.

Frau Kollegin Achatz! Ihnen ins Stammbuch ... (Abg. Achatz: Der Herr Kräuter!) Nein, Sie haben den "Grolli" genannt und haben so zu mir gemacht: So, jetzt kümmere dich als Burgenländerin um den Hund vom Klima. – Nun denn, hören Sie, liebe Frau Kollegin Achatz: Der "Grolli" ist im Burgenland, und ich versichere Ihnen, dem "Grolli" geht es im Burgenland besser, als es den Freiheitlichen im Burgenland geht. (Abg. Dr. Rasinger: Dem "Grolli" geht’s schlecht!)  – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Aber nicht so gut wie dem Klima in Argentinien! – Abg. Dr. Rasinger: Der "Grolli" ist ein armer Hund!)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Sowohl die Debatte zur Volksanwaltschaft als auch jene über den "Grolli" ist jetzt abgeschlossen.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Meine Damen und Herren! Es nützt nichts, wir müssen über den Bericht der Volksanwaltschaft III-39 der Beilagen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Bericht des Verfassungsausschusses zur Kenntnis nehmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist trotz aller Aufregung einstimmig so beschlossen.

10. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (272 der Beilagen): Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen (398 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Caspar Einem. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. Ich erteile ihm das Wort.

21.51

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Alle Anhänger von "Grolli"! Darf ich Sie einladen, dem nächsten Tagesordnungspunkt Ihre Aufmerksamkeit zuwenden zu wollen! Österreich hat sich, kurz nachdem es der Europäischen Union beigetreten ist, wie andere Länder auch bemüht, wenigstens eine europäische Einrichtung nach Österreich zu bekommen, und hat dabei Erfolg


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gehabt. Der Europäische Rat hat mit einer Verordnung vom Juni 1997 die "Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" mit Sitz in Wien beschlossen und eingerichtet. Und diese Stelle hat etwa ein Jahr später in Wien ihre Tätigkeit aufgenommen. Die offizielle Eröffnung dieser Stelle – manche werden sich noch daran erinnern – hat allerdings erst im April des Vorjahres stattgefunden.

Aufgabe dieser Einrichtung ist es, sowohl der Europäischen Gemeinschaft als auch ihren Mitgliedstaaten objektive, zuverlässige und vergleichbare Daten über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus auf europäischer Ebene zur Verfügung zu stellen, damit einerseits möglich wird, dass die Mitgliedstaaten gegen diese Tendenzen etwas tun können, und andererseits auch ein Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und den Einrichtungen der Europäischen Union zustande kommt, um einen Erfahrungsaustausch über Maßnahmen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu ermöglichen und mit der Hoffnung verbinden zu können, dass dagegen wirksam vorgegangen wird.

Hohes Haus! Heute gelingt es – ich möchte fast sagen: endlich –, das Amtssitzabkommen für diese europäische Stelle zu ratifizieren. (Abg. Dr. Kostelka: Das wird man sehen!) Das Außenamt hat das Abkommen im Sommer 2000 fertig gestellt, der Ministerrat hat es beschlossen. Der Hauptausschuss hat es allerdings in zwei Sitzungen, am 4. Oktober und am 21. November des vorigen Jahres, mit den Stimmen der Regierungsmehrheit abgelehnt, die Ratifizierung vorzunehmen, wenn nicht zuvor die Leiterin dieser Stelle, Frau Dr. Winkler, sich einerseits für die Äußerungen rechtfertigt, die sie im Rahmen eines Berichtes an das Europäische Parlament getan hat, und wenn sie sich nicht andererseits – das war wohl der zweite dahinter stehende Grund – auch dafür rechtfertigt, dass zur offiziellen Eröffnung im April 2000 keine Mitglieder dieser Bundesregierung eingeladen worden sind.

Hohes Haus! Was ist der Grund, warum es lohnt, diese Vorgeschichte noch einmal anzusprechen? – Der Grund ist, dass das Vorgehen der Regierungsmehrheit in dieser Angelegenheit geradezu mustergültig – "mustergültig" ist vielleicht genau das falsche Wort –, geradezu beispielhaft belegt, wie man vorgehen muss, um nicht nur dem Ansehen dieser Regierung, das im Ausland vielleicht ohnehin nicht allzu hoch gewesen ist, sondern vor allem auch dem Land zu schaden. (Abg. Jung: Das habt ihr versucht, kräftig zu betreiben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie die Auffassungen bestätigen wollen, die zum Teil im Ausland über diese Regierung vorhanden sind – Sie werden diese vielleicht Vorurteile nennen –, wenn Sie diese Vorurteile wirklich verfestigen wollen, dann gehen Sie in der Außenpolitik, dann gehen Sie in der Europapolitik so vor, dass Sie eine solche Stelle nicht ratifizieren, weil es Ihnen nicht recht ist, was deren Leiterin sagt. Das ist genau die Form von Außenpolitik, die uns schadet! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

In beiden Sitzungen, in denen Sie mit Ihrer Mehrheit gemeint haben, Ihren Gefühlen Rechnung tragen zu müssen, haben wir versucht, darauf hinzuweisen, dass das Österreich schadet. Ich habe die Antwort der Frau Außenministerin in der zweiten dieser Sitzungen auch so verstanden, dass sie die gebotene Loyalität zu den Regierungsfraktionen nicht verraten, aber doch auch deutlich gemacht hat, dass das Außenamt der Meinung ist, dass dieser Vertrag zur Ratifizierung ansteht.

Ich bin froh, dass wir heute so weit sind, und ich kann für meine Fraktion sagen: Wir treten ohne jede Vorbedingung für die Ratifizierung dieses Amtssitzübereinkommens ein, weil wir der Überzeugung sind, dass diese Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Österreich und damit unseren österreichischen Interessen nützt und dient, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir würden Sie von den Regierungsfraktionen sehr dazu einladen, in vergleichbaren Fällen in Zukunft das Interesse Österreichs vor Ihre persönlichen Gefühle zu stellen, weil es in der Außenpolitik nicht darum geht, was Sie persönlich sich gewünscht haben würden, sondern es


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geht darum, was Österreich nützt. Das muss Vorrang haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Ich erteile ihm das Wort.

21.57

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es war tatsächlich ein Weg mit etwas gröberen Hindernissen zur Ratifizierung dieses Amtssitzabkommens – aber ich meine wohl aus etwas anderen Gründen, als Sie sie genannt haben, Herr Kollege Einem. Allen Fraktionen war von Anfang an klar, dass es nicht darum geht, dass man die Tätigkeit einer Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit behindern will. Ganz und gar nicht! Das hat in Europa keinen Platz, das hat in Österreich keinen Platz. Da waren wir uns alle von Anfang an einig.

Worum es ging, war, dass es Schwierigkeiten zwischen der Leiterin dieser Stelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und der österreichischen Bundesregierung – ich würde fast sagen: der Republik Österreich – gegeben hat.

Unserer Ansicht nach war es daher der richtige Weg, dass wir zunächst diese Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt haben. Ich denke, diese letzte Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses am 1. Dezember hat genau das bewirkt. Beide Seiten haben auf den Tisch gelegt, was sie gestört hat. Es gab nicht nur die Frage der Einladung der Frau Außenministerin – oder sagen wir: der Ausladung der Frau Außenministerin – zur Eröffnungsfeier. Da gab es ja andere Vorkommnisse, wie zum Beispiel einen Brief von Frau Winkler, den ich hinterfragt habe, einen Brief an den Vorsitzenden des Innenausschusses des Europäischen Parlaments, in dem sie schreibt, dass sie ein spezielles Urteil eines österreichischen Gerichts als eine Missgeburt der österreichischen Justiz bezeichnet.

Meine Damen und Herren! Ich meine, niemand von uns dürfte sich erlauben, das Urteil eines unabhängigen Richters als Missgeburt zu bezeichnen. All das waren Fragen, die wir auch mit ihr besprochen haben. Meiner Ansicht nach war das eine gute, hoch stehende Diskussion, die in genau dieser Klarheit, Eindeutigkeit und Offenheit geführt wurde, wie man das eigentlich tun soll. Kritik soll dort geäußert werden, wo sie hingehört, wo die Beteiligten an einem Tisch sitzen. Und der Außenpolitische Ausschuss war dazu meiner Ansicht nach genau der richtige Ort.

Ich habe von ihr nachher gehört, dass sie das als eine gute Aussprache angesehen hat. Sie war zufrieden. Wir waren auch zufrieden, weil auch wir unsere Kritik äußern konnten und damit jetzt auch den Weg freigeben können, dieses Amtssitzabkommen zu ratifizieren.

Aus meiner persönlichen Perspektive und der der ÖVP darf ich daher sagen: Es war richtig, zweimal zu vertagen – nicht es nicht zu beschließen, sondern zu vertagen –, eine Aussprache mit der Leiterin dieser Rassismusstelle herbeizuführen und damit den Weg zu ebnen zu einer ganz normalen Zusammenarbeit zwischen Österreich und dieser Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Wir stimmen daher zu. Und ich meine, wir sollten uns in vergleichbaren Fällen – mustergültig, wie es Kollege Einem gesagt hat – durchaus auch wieder so verhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Ich erteile ihm das Wort.

22.00

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Ratifizierung des Amtssitzabkommens setzt endlich einen klaren


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Schlusspunkt unter eine leidige Entwicklung, die nun schon seit über einem Jahr das Verhältnis beider Partner beeinträchtigt. Ich gehe nach dem nun doch zustande gekommenen Gespräch mit der Leiterin dieser Stelle davon aus, dass dieser Schlusspunkt von beiden Seiten begrüßt wird und damit gleichzeitig einen neuen Anfang markieren kann. "Kann" sage ich ganz bewusst, denn ich habe leider Signale, dass das nun positive Klima zwischen beiden von außen her erneut gestört werden könnte – doch darauf möchte ich später eingehen.

Faktisch hat die Beobachtungsstelle ihre Arbeit schon viel früher, nämlich im Juli 1998, aufgenommen. Die damalige Bundesregierung begrüßte dies ausdrücklich. Es wurden von Seiten Österreichs zahlreiche Vorleistungen erbracht: Bezahlung von 50 Prozent der Mietkosten – rund 1 Million Schilling – im vergangenen Jahr, Adaptierungskosten von einer Million Schilling, Befreiung von Gebühren und Abgaben – 1999 zirka 560 000 S –, Behandlung der Bediensteten wie Diplomaten, obwohl man über diese Regelung im Rahmen der EU überhaupt einmal sprechen müsste, ob nämlich damit nicht neue Privilegien geschaffen werden. Zusätzlich übernimmt die Stadt Wien 35 Prozent der Kosten.

Wir waren natürlich irritiert, als sich Frau Winkler zu Wort meldete und – wörtlich – mangelnde Kooperationsbereitschaft der Regierung und nur sehr beschränkte Unterstützung beklagte – das insbesondere, nachdem sie bereits kurz nach Antritt der neuen Regierung und ohne Beweise vorzulegen, die neue Regierung als gefährlichen Präzedenzfall in Europa verunglimpfte. "Da wurde einem richtig übel" und ähnliche Freundlichkeiten waren zu hören.

Wenn man allerdings heute und mit dem Wissen aus dem Gespräch mit Frau Winkler die alten Pressemeldungen nachliest, fällt auf, dass die schärfsten Formulierungen von Frau Winkler nur von ihrer vorgesetzten Dienststelle übernommen wurden und vom Verwaltungsrat unter dem Vorsitz von Herrn Kahn in Paris stammen.

Unerträglich für jeden Österreicher mit Selbstachtung wurde es allerdings bei den Vorgängen um die Eröffnung der Behörde im April des Vorjahres. Damals erlaubte man sich die grobe Unhöflichkeit, die Regierungsmitglieder des Gastlandes einfach auszuladen. Die Außenministerin, die, um einen Eklat zu vermeiden, in Begleitung des Bundespräsidenten erschien, wurde in stilloser und für zivilisierte Staaten unerhörter Form behandelt. Man – und das sage ich bewusst – erdreistete sich in einer Aussendung am Vorabend der Zeremonie, die Teilnahme der Vertreterin des Gastlandes und des Hauptfinanziers zu bedauern. – Viele Menschen, sagte Frau Winkler, werden sich verletzt fühlen. Dass man diese Gefühle nicht akzeptiert, finde ich bedauerlich. – Das bekamen die verblüfften Bürger dieses Landes zu hören. Welche Gefühle die Österreicher nach diesen Worten hatten, das hat Frau Winkler offenbar nicht interessiert.

Unter diesen Voraussetzungen ist es selbstverständlich, dass wir Abgeordneten, als die Vertreter des Volkes, ein klärendes Gespräch vor der Ratifizierung verlangten. Was damals passiert ist, kann niemand mit einigermaßen Selbstachtung so im Raume stehen lassen. Erfreulicherweise brachte die Unterredung die notwendige Klärung, und Frau Winkler hat dabei und inzwischen mehrmals an anderer Stelle ausdrücklich erklärt, dass sich die Situation in Österreich seit dem Regierungswechsel keineswegs negativ verändert hat und wir im Vergleich mit anderen Staaten recht gut liegen. – So weit, so gut. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir hoffen auf gute Kooperation. Allerdings gab es in den letzten Tagen Anzeichen dafür, dass manchen diese verbesserte Situation nicht gefällt. So meldete sich im Europarat Herr Cherribi zu Wort und erklärte, Informationen zu besitzen, dass die Beobachtungsstelle in Wien an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert würde. Dass die Informationsquellen für ihn in Frankreich liegen, sei nur am Rande vermerkt. Wörtlich sprach er von Hilferufen von Frau Winkler und einem Herrn Ed van Thijn.

Am gleichen Tag, ebenfalls in Strassburg, suchte der bei uns auch negativ bekannt gewordene dänische Abgeordnete Herr Gjellerod das Gespräch mit den Österreichern. Er wäre besorgt, dass in Österreich so viele Presseverfahren, Verleumdungsklagen gegen Journalisten liefen. Er war auch in Wien, wo er wohl mit der SPÖ, nicht aber mit den Vertretern der Regierungsparteien gesprochen hat. Auch sein Hinweis auf die bedrohliche Situation in Österreich stammt aus


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Frankreich. Dort erhielt er auch den Tipp, mit zwei bekannten Anwälten zu sprechen. "Zufällig" waren dies die Herrn Charim und Lansky, letzterer unter anderem negativ bekannt aus dem berühmten Jarolim-Protokoll. Ich erinnere, es ging damals darum, wie man mehr SPÖ-Richter anstellen könnte.

Dieser Herr Gjellerod, der vermutlich die von ihm gewünschte Auskunft erhalten hat, ist der Verfasser des gleichnamigen jährlichen Berichts des Europarats über die Bedrohung der Demokratie in Europa durch extremistische Parteien. Dieser Bericht erschien im Vorjahr zufällig kurz vor dem Scheitern der SP/VP-Verhandlungen und enthielt ebenso zufällig eine Passage, die demokratische Parteien ausdrücklich vor jeder Kooperation mit der gefährlichsten Bedrohung der Demokratie in Europa warnt. Zu diesen gefährlichen Bedrohern gehört neben der Schweizer Volkspartei, der stärksten Partei in der Schweiz, unter anderem auch die FPÖ. Von mir zur Rede gestellt gab er damals zu, nie mit den Beschuldigten gesprochen zu haben, nicht in Österreich gewesen zu sein und auch keine Beweise zu besitzen. Als einzigen konkreten Punkt führte er damals die Verurteilung des Briefbombenattentäters in Österreich an, im Vergleich zu einer langen Liste von Vorkommnissen in ganz Europa.

Ich gehe davon aus, dass er bei seinen Erkundigungen über die Entwicklungen dieses Jahres in Österreich von Frau Winkler eine entsprechende aufklärende und positive Antwort erhalten hat. Dies wäre einer künftigen Kooperation sicherlich zuträglich, denn wenn wir sehen, was im europäischen Umfeld an einschlägigen Vorfällen zu beobachten und zu verzeichnen ist, brauchen wir uns des demokratischen Klimas in Österreich nicht nur nicht zu schämen, sondern wir können stolz auf unser Land sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Die Uhr ist auf 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung gestellt. – Bitte.

22.07

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Dass meine beiden Vorredner in etwa das sagen werden, was sie gesagt haben, habe ich mir gedacht. Sie haben nämlich genau das verteidigt, was ich einmal als ein ziemliches Trauerspiel um einen ganz formalen Beschluss über ein Amtssitzabkommen bezeichnet habe.

Herr Kollege Spindelegger! Wenn Sie sagen, dass es nicht um die Stelle gegangen ist, sondern dass es um die Schwierigkeiten zwischen der Leiterin und der österreichischen Bundesregierung gegangen ist, dann frage ich mich: Was hat das mit dem Amtssitzabkommen zu tun? Das Amtssitzabkommen hat etwas mit der Stelle zu tun, aber nicht mit der Leiterin. (Abg. Dr. Spindelegger: Jede Stelle wird von Menschen geleitet!) Also Ihre Logik – und das habe ich im Ausschuss auch schon gesagt –, einen ganz formalen Akt eines Amtssitzabkommens, das wir auch des Öfteren mit anderen internationalen Organisationen abschließen, damit zu junktimieren, dass die Leiterin dieser Stelle in den Ausschuss zitiert wird, das ist schon ein Vorgehen, das wohl bisher einzigartig in diesem Hohen Haus war. Auch wenn Sie es nicht so gesagt haben wollen, dieser Eindruck entstand sowohl im Inland als auch im Ausland. (Abg. Dr. Spindelegger: Es war nicht so! Sie wissen es!)

Das war sehr wohl so, Herr Kollege Spindelegger, denn Sie waren es, der das erste Mal den Antrag auf Vertagung gestellt und gesagt hat: Natürlich wollen wir zustimmen! Das Bild, das entsteht, ist jenes, dass die Regierungsfraktionen sagen: Wenn jemand in Österreich den Amtssitz hat und eventuell nicht ganz derselben Meinung wie wir ist, dann müssen wir erst darüber reden, dann müssen wir vielleicht auch in den Raum stellen, ob wir dieses Amtssitzabkommen überhaupt abschließen, müssen wir auch in den Raum stellen – so ganz unbeabsichtigt –, ob wir denn das Geld dafür zahlen wollen, und jedenfalls immer betonen, wie viel Geld die bekommen! Dieser Eindruck ist entstanden.

Das Bild, das sich das Ausland und das Inland und jene Menschen, die wollen, dass Menschen mit unterschiedlicher Sprache, verschiedener Herkunft hier gut miteinander auskommend leben, von Österreich machen mussten, das die Tatsache der Regierungsbildung vor jetzt fast genau einem Jahr erzeugt hat, genau dieses Bild schien der Eindruck zu bestätigen, dass nämlich eine


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Partei in die Regierung geholt wurde, die genau solche Ressentiments schürt. Das haben Sie mit dieser Vorgehensweise wieder bewiesen.

Sie sagen jetzt, das wäre gar nicht so gewesen, sondern Sie hätten nur einen Dialog eingefordert, der dann stattgefunden hätte. Gegen einen Dialog hatte niemand etwas einzuwenden (Abg. Dr. Spindelegger: Sie schon!), aber den mit dem Beschluss eines Amtssitzabkommens zu junktimieren, das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Sie verwechseln da etwas!)

Herr Kollege Spindelegger! Sie werfen Frau Beate Winkler auch noch vor, dass sie Kritik am Pelinka-Urteil, an der Bestellung des Justizministers und an anderen Punkten geübt habe. Können Sie sich erinnern, was sie im Ausschuss zu uns dazu gesagt hat? – Sie habe das auf die Aufforderung des Europaparlaments hin geschrieben. (Abg. Dr. Spindelegger: Sie wird doch nicht auf Aufforderung tätig!) Soll denn eine europäische Stelle, wenn sie aufgefordert wird von jenen, die sie auch eingerichtet haben, sagen: Nein danke, ich bin hier am Amtssitz in der Stadt, in dem Land, wo die nicht wollen, dass ich etwas sage, deswegen sage ich über das Land nichts. – Ist das Ihr Verständnis von einer europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus? Das kann ich mir wohl nicht vorstellen. Dann dürfte die Stelle ja nirgendwo in Europa platziert sein, sondern – ich weiß nicht – irgendwo auf dem Mond, dort sieht sie dann vielleicht besser, kann sich die Dinge genauer anschauen, und dort redet auch niemand drein, ob sie solche Aussagen tätigen darf oder nicht.

Ihr Argument ist ins Leere gegangen und hat nur bewiesen, dass Sie nicht dazu bereit sind, sich berechtigte Kritik anzuhören – und Ähnliches wie das, was Frau Winkler geschrieben hat, stand dann ja auch im Weisenbericht. Das wollten Sie auch nicht hören, das wissen wir. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Zum Beispiel die Fragen im Zusammenhang mit dem Justizminister, das wissen Sie ganz genau!

Ich bin froh darüber, dass wir jetzt endlich – etwa ein halbes Jahr, nachdem es möglich gewesen wäre, vier Monate danach – dieses Amtssitzabkommen beschließen werden. Ich bin auch deswegen froh, weil Österreich nur etwa im Mittelfeld liegt, wenn es um die Frage geht, wie gut Menschen verschiedener Herkunft, verschiedener Sprache miteinander leben. Letzte Woche wurde die Eurobarometer-Umfrage veröffentlicht, von der Frau Winkler bereits im Ausschuss vertraulich gesprochen hat und aus der hervorgeht, wie gut Integration funktioniert. Da sind wir leider nicht unter den Besten. Nur 52 Prozent – immerhin eine Mehrheit – der Österreicherinnen und Österreicher finden es gut, in einer multikulturellen Gesellschaft zu leben. Damit sind wir gerade einmal im Mittelfeld.

Ich wünsche mir also, dass diese Stelle sehr wohl in die Richtung arbeiten kann – wie Frau Winkler es auch gesagt hat –, die Bilder in den Köpfen zu verändern und über bessere Bildungsmaßnahmen auch eine positivere Einstellung der Gesellschaft in diesem Bereich zu erzielen. Leider haben wir ja heute schon gehört, dass sich wahrscheinlich die Befürchtungen bewahrheiten werden, dass genau dort, wo es in den Schulen Zusatzposten, ein Zusatzkontingent von Lehrern und Lehrerinnen für Integrationsklassen, Mehrdienstleistungen für muttersprachlichen Unterricht gegeben hat, eingespart werden soll. Gerade dort wird also gespart, wo es notwendig wäre, anzusetzen, damit insgesamt der Bildungsstand besser wird, damit insgesamt die in Österreich lebende Bevölkerung ein positiveres Bild, eine positivere Einstellung bekommt, sodass es in den nächsten Jahren nicht mehr nur 52 Prozent sind, sondern bald einmal 80, 90, 100 Prozent, die positiv davon reden, dass sie in einer multikulturellen Gesellschaft leben, und damit dann solche Vorgänge wie rund um dieses Amtssitzabkommen nicht mehr passieren. (Beifall bei den Grünen.)

22.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. Ich verweise ausdrücklich auf die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

22.13

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Lunacek hat behauptet, dass das Erscheinen von Frau Winkler vor dem Ausschuss sozusagen


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mit der Vorgabe junktimiert worden sei, erst danach das Amtssitzabkommen zu ratifizieren. (Abg. Mag. Lunacek: Das war auch so!)  – Dies ist unrichtig!

In einem Schreiben vom 29. November 2000 von Jean Kahn, dem Leiter des Verwaltungsrates, an Präsident Fischer wurde gebeten – ich zitiere –:

"Ich bitte um eine sehr klare Zusicherung, dass keinerlei Verbindung zwischen der Ratifizierung des Amtssitzabkommens und der Einladung an die Direktorin sowie etwaiger Äußerungen von ihr vor dem Ausschuss besteht und bestehen wird."

Daraufhin haben alle Fraktionen des Hauses – auch Sie! – die Garantie abgegeben, dass kein Junktim besteht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Van der Bellen: Das beweist doch nur, was gesagt wurde! Er wird einen Grund für diesen Brief gehabt haben!)

22.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Posch. Er hat das Wort.

22.15

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich halte es nicht für billig, einen politischen Konflikt auf eine Person zuzuspitzen, und daher möchte ich auf die Vorwürfe gegen die Leiterin der Beobachtungsstelle in meinen Ausführungen nicht eingehen. Ich ersuche nur um Verständnis dafür, dass angesichts der rassistischen Atavismen eine gewisse Sensibilität der europäischen Länder, vor allem jener Länder, die vom schlimmsten rassistischen Regime betroffen waren, besteht, und zwar zu Recht besteht, und dass man das nicht gering schätzen soll.

Ich möchte mich daher in meinen Ausführungen ein bisschen mit dem Inhaltlichen auseinander setzen. Es liegt mittlerweile ein erster Jahresbericht des European Monitoring Center vor, in dem der Stand des Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit und des Antisemitismus in den 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union untersucht wird. Ich möchte hinzufügen: Er schont kein einziges Land, und ich halte das auch für gut so.

Die Fakten sind – ich habe nur ein paar Beispiele willkürlich und unsystematisch ausgewählt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit –, dass zum Beispiel in Deutschland die Zahl der Straftaten aus rassistischen beziehungsweise fremdenfeindlichen Motiven im Jahre 1999 bei insgesamt beachtlichen 10 037 Fällen lag, wobei mehr als 66 Prozent dieser Straftaten in die Kategorie der Propagandadelikte fielen. Es gab zwar einen Rückgang der Gesamtzahl an rassistisch motivierten Straftaten, aber eine Zunahme der Gewaltangriffe. Die Zahl der antisemitischen Schändungen jüdischer Friedhöfe lag immerhin bei 47 Fällen.

Auch Österreich findet darin Erwähnung, es finden auch die Wahlen 1999 und die Wahlkampftechniken, die die FPÖ angewandt hat, insbesondere die Methoden der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus gegen Einwanderer, darin Beachtung. Es findet weiters die Stellungnahme der UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, die die Schubhaft bei Asylwerbern in Österreich kritisiert, Beachtung.

Es wird moniert, dass zum Beispiel in Finnland fast 60 Prozent aller befragten afrikanischen Zuwanderer angaben, dass sie schon einmal Opfer einer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt gewesen sind.

Es handelt sich also hierbei um sehr diffuse und sehr schwer zu erkennende Geschehnisse. Sie zielen auf Einzelpersonen, aber auch auf Gruppen ab und erreichen von Land zu Land ein unterschiedliches Ausmaß. Es gibt in allen Mitgliedstaaten Gruppen, die gegenüber Rassismus, Diskriminierung oder Ausgrenzung anfälliger sind.

Ein interessanter Abschnitt ist auch der Bereich Rassismus und Hass im Internet. So hat es im Jahre 1995 lediglich eine einzige Website mit Aufruf zum Rassenhass gegeben. Im November 1997 verzeichnete das Zentrum bereits 600. Im Jahre 1999 gab es insgesamt bereits


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1 429 Websites zu Rassenhass und Antisemitismus oder solche, die neonazistische Thesen verbreiteten.

Daher glaube ich, dass der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung wichtig ist, dass Regierung, öffentliche Behörden und auch private Einrichtungen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Pflicht haben sollten, einzeln oder gemeinsam gegen Diskriminierung vorzugehen beziehungsweise rassistische Übergriffe zu ahnden. Und dafür reichen oft nicht verfassungsrechtliche oder gesetzliche Garantien, sondern es braucht ein weitgehendes Aktionsfeld in Politik und Praxis, es braucht Aufklärung, Sensibilisierung, Informations- und Kommunikationskampagnen. Eine antirassistische Haltung entsteht nämlich nicht spontan, sondern sie ist Gegenstand von Erziehung, also eines Lernprozesses. Insbesondere die Rolle der Medien bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist sehr, sehr wichtig.

In Österreich wurden zahlreiche Initiativen dazu gesetzt, vom Bildungsministerium, aber auch von einigen NGOs wie dem Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte, es gibt Schulungsprogramme für Polizeibeamte, es gibt ein österreichisches Netzwerk gegen Rassismus, es gibt auch zahlreiche Maßnahmen der EU, seitens des Europäischen Parlaments, aber auch im Artikel 13 sind ja etliche antirassistische Maßnahmen ausdrücklich normiert.

Abschließend meine ich, dass die aktuellen Entwicklungen sehr deutlich gezeigt haben, dass diese Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die jüngste, faktisch dezentralisierte Einrichtung der Europäischen Union mit Sitz mitten im Herzen Europas, eine unentbehrliche Institution ist und dass die Selbstdefinition dieses EUMC, nämlich den Menschen positive Beispiele dafür zu geben, wie man in kultureller Vielfalt leben kann, wie man produktiv mit Konflikten umgehen kann, ein sehr, sehr positiver Ansatz ist, dass die Absicht, ein Wissensnetzwerk einzurichten, das gesamteuropäisch Informationen über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sammelt, bedeutend ist und dass dieses EUMC ein wichtiges Werkzeug des Dialogs mit der Zivilgesellschaft werden kann und auch eine wichtige Funktion als Frühwarnsystem hat.

Ein Team von fast 20 hoch qualifizierten und hoch motivierten Personen wird dafür sorgen, dass diese Ziele erreicht werden. Dazu ist dieser neuen, jüngsten EU-Stelle in Österreich viel Erfolg zu wünschen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerein ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

22.21

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Nach dieser Debatte möchte ich von Seiten der ÖVP noch einmal unterstreichen, dass die jüngste EU-Institution, die Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, zwar leider die einzige EU-Institution ist, die sich in Wien beziehungsweise in Österreich befindet, dass wir aber über deren Einrichtung hier sehr froh sind. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch darauf hinweisen, dass Österreich Sitz mehrerer internationaler Institutionen ist. Ich glaube, darauf müssen wir sehr wohl verweisen, denn es wird jetzt so dargestellt, als gäbe es nur diese eine internationale Institution in Österreich und diese sei uns nicht willkommen. Es gibt bei uns viele solcher Institutionen, und das ist die jüngste. Ich meine, nach den Diskussionen im Außenpolitischen Ausschuss, dass jeder sagen wird, dass sie uns herzlich willkommen ist.

Der Frau Ministerin möchte ich sehr herzlich danken. Ich glaube, es hat nie Zweifel daran gegeben, dass diese Ratifizierung erfolgt. Die Frau Ministerin hat sich immer dafür eingesetzt. Das war vollkommen klar!

Aber wir müssen auch ehrlich im Umgang miteinander sein. Es hat Irritationen bei der Eröffnung gegeben. Es hat Verunsicherung bei der Bevölkerung gegeben. Viele konnten weder verstehen noch akzeptieren, dass gerade von einer Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu den Österreichern und zu Vertretern unserer Bevölkerung, zur Regierung, gesagt wurde: In unserem Haus seid Ihr nicht willkommen! – Ich denke, es war wichtig, dass man diesbezüglich Klärung schaffte. Ich bin sehr froh, dass Frau Dr. Winkler auch von ihrer Seite


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dazu beigetragen hat, dass diese Vorbehalte und Verunsicherungen in den Gesprächen ausgeräumt werden konnten.

Ich möchte auch darauf verweisen, dass es zu der Vertagung nicht deswegen gekommen ist, weil wir das aufschieben wollten, sondern weil es eine Terminkollision gab. Wir hatten eine Sondersitzung, und die Ausschusssitzung, für die es eine Zusage von Frau Dr. Winkler gab, konnte nicht zeitgleich mit der Sondersitzung stattfinden. Dadurch kam es zu einer Verschiebung dieses Gesprächs. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lunacek. )

Frau Kollegin! Ich muss Ihnen sagen, dass ich es zutiefst bedauere, dass Sie – natürlich, als Opposition – das Ganze in eine extrem negative Richtung getrimmt haben, dass das junktimiert wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang doch eine Presseaussendung von Frau Stoisits zitieren: "Blau-schwarzer Hexenprozess gegen EUMC-Direktorin Winkler." – In Anbetracht dessen muss ich Sie schon fragen: Wie gehen wir denn miteinander um? (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Und dann kommen genau die Signale, von denen mein Kollege Jung gesprochen hat, dass im Europarat bei einer Anfrage an Generalsekretär Schwimmer Österreich immer noch unterstellt wird, dass wir dieser Beobachtungsstelle Schwierigkeiten machen, dass wir sie nicht unterstützen und so weiter. – Ich glaube, da müssen Sie sich auch bei der Nase nehmen, darüber nachdenken und sagen, inwieweit Sie im Interesse Österreichs handeln. Dazu sind wir nämlich, wie ich glaube, wohl alle aufgefordert! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Bei der Eröffnung wurde gesagt, dass sich diese Beobachtungsstelle als Auge und Ohr der Europäischen Union fühlt. – Lange hatte man in Österreich das Gefühl, dass dieses Auge nur auf Österreich gerichtet ist und die Ohren auch nur in Österreich hören. (Abg. Schwarzenberger: Das Auge war blind und das Ohr war taub!) Daher sind wir sehr froh, dass diese Beobachtungsstelle – und das zeigt auch der Bericht, der vom Kollegen Brosz schon zitiert wurde – nun in allen Mitgliedsländern ein Auge und ein Ohr hat.

Ich möchte noch einmal begrüßen, dass wir diese Beobachtungsstelle in Österreich haben. Wir werden die gute Zusammenarbeit, die uns Frau Dr. Beate Winkler versprochen hat, sowohl im Außenpolitischen Ausschuss als auch im Menschenrechtsausschuss, einfordern. Ich möchte die Worte des Kanzlers noch einmal zitieren: Wir Abgeordneten werden auch wachsam nach innen sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Nächste in der Rednerliste ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Er hat das Wort.

22.26

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die freiheitliche Regierungsfraktion bekennt sich zum Amtssitzabkommen mit der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Das war von Anfang an klar.

Frau Kollegin Lunacek! So wie Sie es dargestellt haben, verhält es sich nicht! Es ist dies nicht die Stelle zur Beobachtung von Rassismus in Österreich, sondern in Europa! Sie haben das anders herausgearbeitet. – Das wollte ich anmerken. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Meine Damen und Herren! Auch die Betroffenheit über Ereignisse in allen europäischen Ländern, insbesondere ein verwerfliches Ereignis jüngsten Datums in Norwegen, muss uns dazu verhalten, ein weiteres Bekenntnis zu dieser Stelle abzugeben. Es war aber auch notwendig, die genannte Aussprache mit der Leiterin der Stelle, Frau Beate Winkler, durchzuführen, und zwar nicht als Junktim – das wurde von den Sprechern der Regierungsfraktionen bereits ausgeführt –, sondern um die Dialogbereitschaft zu signalisieren.

Bei uns war diese Dialogbereitschaft jederzeit vorhanden. Um keine Legenden entstehen zu lassen, ist es ganz interessant, den Brief von Frau Beate Winkler an den Präsidenten des Nationalrates zu nennen, in welchem sie für das Schreiben des Präsidenten vom 3. November


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2000 dankt und mitteilt, dass sie sich auf den Gedankenaustausch mit dem Außenpolitischen Ausschuss freut, dass sie allerdings bedauert, diesen Termin leider nicht wahrnehmen zu können. – Das war es, meine Damen und Herren! Auf Grund dieser nicht möglichen Terminwahrnehmung seitens Frau Beate Winkler wurde dann ein anderer Termin festgelegt.

Meine Damen und Herren! Wer für eine funktionierende EU-Stelle auf österreichischem Boden eintritt, so wie wir das tun, der muss auch darüber debattieren dürfen, wie es denn mit den Finanzen, die aus Steuergeldern für diese EU-Stelle zur Verfügung gestellt werden, bestellt ist. Kollege Spindelegger und andere haben die Summe bereits genannt, die von Seiten Österreichs hiefür berechtigterweise aufgewendet wird.

Im Amtsblatt der Gemeinschaft nach dem Rechnungshofbericht der Gemeinschaft ist im Zusammenhang mit dieser Rassismusstelle Folgendes zu lesen:

"Die Prüfung der Mittelbindungen des Haushaltsjahres ergab, dass die geltenden Bestimmungen nicht ordnungsgemäß angewendet wurden. Insgesamt sind 25 Prozent der Mittelbindungen (0,7 Millionen Euro) mit Fehlern behaftet. Davon betroffen sind Titel I – Personalausgaben – mit 0,2 Millionen Euro (keine ordnungsgemäßen Verträge), Titel II – Sachausgaben – mit 0,3 Millionen Euro (keine ordnungsgemäßen Verträge und keine Marktanalyse) und Titel III – operationelle Ausgaben – mit 0,2 Millionen Euro (ungeeignete Verfahren für die Auswahl von Vertragspartnern, fehlende oder fehlerhafte Auftragsscheine)."

In Anbetracht dessen wird man wohl am heutigen Tag darüber debattieren dürfen, ohne dass deswegen unterstellt wird, dass man gegen die Rassismusstelle auftritt, meine Damen und Herren! Hiebei handelt es sich nämlich durchwegs um Steuergelder, und die gilt es ordentlich zu verwalten! Daher hat sich auch Frau Beate Winkler als Verantwortliche gegenüber den Steuerzahlern betreffend diese Gelder zu rechtfertigen. Daher kann nicht der Mantel des Schweigens über diese Ungereimtheiten, die vom Europäischen Rechnungshof festgestellt wurden, gebreitet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Nun noch eine Kurzanmerkung pro futuro, für die Zukunft: In einem "Kurier"-Artikel jüngsten Datums ist im Zusammenhang mit Frau Beate Winkler Folgendes zu lesen – ich zitiere –:

"Eine ‚klare politische Orientierung und Benennung der Interessen’ verlangt die Direktorin der einzigen in Wien angesiedelten EU-Institution bei Fragen der Erweiterung. Die Österreicher sind ähnlich wie Deutsche, Belgier und Luxemburger äußerst skeptisch gegenüber der sofortigen Aufnahme von Arbeitskräften aus osteuropäischen Nachbarländern."

Es wird beklagt, dass die Bürger skeptisch sind! Meine Damen und Herren! Ein Diskussionsverbot wird es von dieser Stelle nicht geben können! Wir werden die Sorgen und Nöte der Stimmbürger dieses Landes auch in Hinkunft zu benennen haben, ohne dass die Diskussionsverweigerungskeule der Frau Beate Winkler und ihrer Stelle zum Tragen kommt. Das sei einmal deutlich gesagt!

Ich darf ein weiteres Zitat im Zusammenhang mit einer hochinteressanten Tagung seitens der Bertelsmann-Forschungsgruppe Politik bringen. Ich zitiere:

"Bisher hat sich die Europäische Union ohne markante ordnungspolitische Debatte entwickelt. Heute steht die Einigung an einem Punkt, an dem die Auseinandersetzung um Grundfragen unerläßlich ist. Was Europa leisten soll und wie es verfaßt sein soll, was die Menschen erwarten und was Europas Gesellschaften zusammenhält. – Antworten darauf sind der Schlüssel für die Zukunft Europas."

Meine Damen und Herren! Das ist es! Diese Diskussion werden wir unter diesem Prätext selbstverständlich führen, und wir lassen uns von niemandem dabei mundtot machen, denn die eigene Freiheit beginnt bei der Freiheit des anderen!


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Meine Damen und Herren! Unter diesem Übertitel wird es auch in Hinkunft betreffend die europäische Entwicklung und das, was die Bürger wollen, entsprechende Diskussionen geben, und diese sind von niemandem zu verbieten und auch nicht zu behindern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Rednerin Frau Abgeordnete Lunacek. – Bitte.

22.32

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Ein kurze Bemerkung zu Herrn Kollegen Spindelegger. Herr Kollege Spindelegger! Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie sagen, dass diese Vorgangsweise kein Junktim war. Ich halte jedoch fest, dass Sie die Zustimmung zum Amtssitzabkommen erst nach dem Gespräch mit Frau Dr. Winkler gegeben haben. Schlagen Sie mir daher einen anderen Begriff vor, der das treffender beschreibt! (Beifall bei den Grünen.)

22.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Daher ist die Debatte geschlossen.

Ein Wunsch der Berichterstattung nach einem Schlusswort liegt mir nicht vor.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages samt Anhängen in 272 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung zur Genehmigung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass der gegenständliche Staatsvertrag einstimmig genehmigt wurde.

11. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss (III-60 der Beilagen) für das Jahr 1999 (439 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu Punkt 11 der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach Berichterstattung liegt nicht vor.

Die erste Kontrawortmeldung liegt mir von Herrn Abgeordnetem Mag. Kogler vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

22.33

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Es ist bereits 22.33 Uhr, und ich werde mich bemühen, kürzer als 5 Minuten zu reden. Vielleicht kann das ein Beispiel für andere sein.

Allerdings werde ich eine halbe Minute für die Anregung verwenden, dass wir uns vielleicht doch einmal in der Präsidiale mehr Gedanken machen sollten, wie wir unsere Tagesordnungspakete zusammenstellen. Es sind nämlich immer wieder sehr wichtige Punkte, die sehr spät zum Aufruf kommen.

Zur Sache selbst: Der Rechnungshof hat den Rechnungsabschluss 1999 vorgelegt. Ein schlauer Finanzminister behält sich immer ein wenig Spielraum, um nachher von einer Punktlandung reden zu können. Diese war diesmal sogar überscharf, nämlich um 1,9 Milliarden Schilling sozusagen unter dem Punkt. Ich halte das – im Gegensatz zur Presse – für nicht weiter kommentierenswürdig, sondern für einen relativ normalen Vorgang. Ich glaube, Kollege Edlinger, der sich, entgegen der RednerInnenliste, wie ich annehme, doch zu Wort melden wird, hat das relativ schlau eingefädelt, wie es sich eben für jeden schlauen Finanzminister gehört.


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Betreffend die Sache selber wäre es vielleicht interessant, da es sich hiebei um das letzte Vollzugsjahr der rot-schwarzen Regierung handelt, kurz innezuhalten und nur auf diesen Punkt einzugehen und die Budgetvorschauen, die üblicherweise an diesem Punkt immer vorgenommen werden, in der gebotenen Kürze beiseite zu lassen. – Ich möchte daran erinnern, dass die rot-schwarze Regierung einige Maßnahmen in den so genannten Sparpaketen oder Konsolidierungspaketen getroffen hat, die zum Teil VorläuferInnencharakter zu denjenigen Maßnahmen hatten, die wir jetzt so sehr kritisiert haben und die auch die SPÖ kritisiert hat. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Aber nicht so brutal, genau! Das wäre nämlich, wie ich glaube, für Ihre Position, Kollege Edlinger, nicht so hilfreich gewesen.

Der Punkt ist aber, dass ein paar Strukturmaßnahmen trotzdem gefehlt haben. Das hat natürlich auch die ÖVP mit zu verantworten, die im Nachhinein nie von irgendetwas wissen wollte. Der Rechnungshof verweist bei der Vorlage seines Rechnungsabschlusses 1999 noch einmal darauf, wie es sich mit den Konsolidierungspaketen verhalten hat. Er hat sogar die Einhaltung der Konsolidierungsbemühungen überprüft, und siehe da, just die schwarzen Ministerien haben sich bei Nichteinhaltung der Konsolidierungsziele der Reihe nach hervorgetan! Das ist es doch einmal wert, in der Rückschau festgehalten zu werden!

Ansonsten noch einmal zur Politik auch der SPÖ. Die ausgabenseitigen Maßnahmen haben auch sozial Schwächere, wie es der Rechnungshof bezeichnet, getroffen, und das haben wir auch immer kritisiert. Aber auch einnahmenseitig haben wir die eine oder andere Maßnahme vermisst, wenn schon Konsolidierung angesagt war. Beispielsweise hat die alte Koalition zur Änderung der Stiftungsbesteuerung überhaupt nichts unternommen. Diesbezüglich ist jetzt wenigstens ein Schritt gesetzt worden, der allerdings auch eher dürftig ist und nicht das einspielen wird, was präliminiert ist, also sicherlich nicht 2 Milliarden Schilling.

Ein Letztes: Im Rechnungshofausschuss, dem ersten dieser Legislaturperiode, war genau zu diesem Problempunkt Herr Dr. Fasslabend, damals noch Minister, geladen. Und was hat sich herausgestellt? – Herr Fasslabend hat froh und munter berichtet, dass gemäß dem vermeintlichen neuen Regierungsübereinkommen der rot-schwarzen Koalition, die damals noch in Regierungsverhandlungen begriffen war – gerade an diesem Tag ist sie dann endgültig auseinander gegangen –, Abfangjäger auch außerbudgetär hätten finanziert werden sollen. – In der Rückschau gibt es also durchaus ein paar negative Punkte zu vermerken, was ich an dieser Stelle noch einmal tun wollte.

Für die Zukunft gilt meines Erachtens, dass Strukturreformen – auch mit den geplanten Maßnahmen, die jetzt getroffen worden sind – viel zu wenig berücksichtigt werden. Ich fürchte, dass wir noch weitere so genannte Sparpakete brauchen werden, denn in die Nachhaltigkeit wird bei diesen Budgetsanierungen viel zu wenig investiert. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gartlehner. – Bitte.

22.38

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrechnungsabschluss 1999 ist kein normaler Jahresabschluss, denn es handelt sich immerhin um den Jahresabschluss des letzten Jahres einer Legislaturperiode und somit um den Jahresabschluss eines Wahljahres, wie wir wissen, und es hat in der Vergangenheit doch eine gewisse Tradition gegeben, dass die Einhaltung der Budgets in diesen Jahren, nachdem sehr spät danach darüber diskutiert wird, nicht immer so präzise vollzogen wurde, wie das 1999 jedenfalls der Fall war. Dazu kann man, wie ich glaube, Ex-Finanzminister Rudolf Edlinger gratulieren! Er hat auch im Wahljahr zumindest erreicht, dass eine gewisse Disziplin gehalten wurde, wie der Kollege von der grünen Fraktion bereits befunden hat.

Wie wir wissen, lag er 1,9 Milliarden Schilling unter dem prognostizierten Budgetvoranschlag, und es gab eine Nettodefizitreduktion von 0,5 Prozent auf 2 Prozent. Das war möglich, obwohl – wie festgehalten werden muss – das nominelle Wachstum im Budgetjahr mit 4,5 Prozent, sofern ich es richtig in Erinnerung habe, prognostiziert war, die reale, nominelle Wachstumserhöhung


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55. Sitzung / Seite 209

aber nur 2,8 Prozent betragen hat und auch die Einnahmensituation rückläufig war, was, in Konvergenz dazu, wiederum ein geringes Wachstum der Unternehmenseinkommen zur Folge hatte.

Trotzdem ist das gelungen, weil die Beschäftigungspolitik dieser Bundesregierung funktioniert hat und die Beschäftigung zugenommen hat. Vor allem ist es auch deswegen gelungen, weil die Zinsen günstig waren und weil die Inflation auf ein historisch niedriges Maß reduziert werden konnte, woran sich die jetzige Bundesregierung nur ein großes Vorbild nehmen könnte! Natürlich war aber auch die Verteilung der Einkommen in Österreich damals wesentlich gerechter, und der reale Einkommenszuwachs von 3,5 Prozent bei den Arbeitnehmereinkommen hat einen wirklichen Kaufkraftschub für die Volkswirtschaft bewirkt, was derzeit auch nicht der Fall ist.

Das Endergebnis war jedenfalls: Wir hatten eine reduzierte Steuerquote und ein auf 2 Prozent gesunkenes Nettodefizit. Ich glaube daher, dass die Kritik des Rechnungshofes, in Erinnerung an das Sparpaket 1995, nicht so sehr dem Budget 1999 gilt, sondern eher als Mahnung für die derzeitige Bundesregierung zu verstehen ist, weil inzwischen die Inflationsrate erheblich gestiegen ist und die Steuerquote auf ein historisches Höchstmaß hinauf getrimmt wurde. Ich verstehe daher die mahnenden Worte des Rechnungshofes in diese Richtung.

Wir sind jedenfalls davon überzeugt – das möchte ich abschließend noch sagen –, dass diese Bundesregierung, wenn sie diese Politik bis 2003 so weiter betreibt, das Defizit nicht auf Null wird halten können, sondern 2003 ein Fehlbetrag von rund 100 Milliarden Schilling bestehen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

22.42


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55. Sitzung / Seite 210

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Pecher. Die Uhr ist auf 3 Minuten gestellt. – Bitte.

22.42

Abgeordnete Mag. Martina Pecher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber auch: Herr Ex-Finanzminister! Die Ausgaben um 20 Milliarden Schilling zu verplanen und das Glück zu haben, dass dank guter Konjunktur auch die Einnahmen um 20 Millionen Schilling höher liegen, das nenne ich Punktgenauigkeit à la Edlinger! Aber auch die Verschlechterung des Verhältnisses der Staatsschuld zum BIP und der letzte Platz beim Defizit im europäischen Vergleich geht als Punktgenauigkeit des Herrn Edlinger in die Geschichte ein.

Das wundert aber nicht, denn es fehlten an allen Ecken und Enden die tatsächlichen Strukturveränderungen und Reformen. Die Pensionsreform ist zum Reförmchen verkommen, die Gesundheitsreform wurde nicht einmal angedacht, die Privatisierung wurde viel zu zaghaft betrieben, und die Verwaltungsreform blieb ein Lippenbekenntnis. So liest sich auch Ihre Budgetrede, Herr Ex-Minister Edlinger, zum Voranschlag 1999, die Letzte Ihrer Karriere! Sie liest sich als Beglückung von oben, es gab zahllose Fördermaßnahmen, aber keine tatsächlichen Strukturveränderungen. Es gab 1,5 Milliarden Schilling mehr hier und 4,5 Milliarden Schilling mehr dort, Förderungen da und Förderungen dort. Sie spielten "Wünsch‘ dir was", und der Herr Finanzminister verteilte die Geschenke! – Dem Wähler war das sichtlich nicht mehr geheuer, und Ihre Partei, Herr Edlinger, hat die Rechnung dafür präsentiert bekommen.

Einen Satz aus Ihrer Budgetrede 1999 habe ich mir aber doch positiv herausgestrichen, und ich zitiere: "Wir wollen keine Austragung der Konflikte auf der Straße. Wir wollen in Europa keine neuen sozialen Fronten aufbauen. Wir wollen, dass die Sozialpartner gemeinsam nach Lösungen suchen."

Herr Ex-Finanzminister! Wenn Ihnen dieser Satz zum Wohle der Österreicher wichtig war – und er war ernst genommen –, dann bitte ich Sie, diesen Satz auch in Ihrer Rolle als Opposition ernst zu nehmen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

22.44

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Hohes Haus! Es geht jetzt um das letzte Edlinger-Budget und dessen Vollzug: Es ist in diesem Zusammenhang nicht alles so grandios, wie Kollege Gartlehner gesagt hat. Hättest du dir den Bundesrechnungsabschluss angeschaut! Auf Seite 27 sind nämlich einige Effekte aufgeführt: Durch die Konsolidierungsmaßnahmen der Jahre 1995 und 1996 gab es negative Nebeneffekte auf den öffentlichen Konsum und auf die öffentlichen Investitionen, es gab negative Effekte auf das verfügbare Einkommen und auch auf die Investitionsentscheidungen seitens der Unternehmer.

Die Wifo-Modellstudie zeigt auch, dass durch dieses Konsoldierungspaket des Herrn Abgeordneten Edlinger, des damaligen Finanzministers, die Arbeitslosenquote gestiegen ist und die Beschäftigung nachgelassen hat, dass Sie es vernachlässigt haben, Verwaltungsvereinfachungen durchzuziehen und dass Sie auch Maßnahmen gesetzt haben, von welchen auch sozial schwache Gruppen stark betroffen waren. – Sie sollten sich den Bericht durchschauen, Herr Abgeordneter Edlinger, dann werden Sie nicht mehr so glorreich hier stehen!

Nächster Punkt: Sie haben immer diese Punktgenauigkeit gefeiert. Diese haben Sie erreicht, Sie haben damit aber auch bewirkt, dass das Budgetdefizit im Jahre 1997 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und im Jahre 1999 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen hat. Das bedeutet eine Steigerung des Defizits um 0,4 Prozent, Herr Kollege Edlinger, und eine Steigerung der Staatsschulden in der Größenordnung von 63,5 Prozent im Jahre 1998 auf 64,9 Prozent im Jahre 1999! Deswegen war es höchste Zeit, dass ein anderer Finanzminister beziehungsweise eine andere Regierung kommt.

Was geschieht, wenn sozialistische Finanzminister am Werk sind, das sieht man jetzt in Frankreich. Die Franzosen haben einen Brief aus Brüssel bekommen, in dem deren Budgetpolitik gerügt wird. Der Finanzminister unserer neuen Regierung hingegen hat einen Brief aus Brüssel bekommen, in dem ihm zur ambitionierten Budetkonsolidierung gratuliert wird. Und das war nicht immer so! Sie haben zur Zeit Ihrer Regentschaft Briefe aus Brüssel bekommen, in denen Sie sehr stark kritisiert wurden, und Sie haben Österreich auf den letzten Platz beim Budgetdefizit geführt.

Dieser neue Bericht lobt die Budgetpolitik des Finanzministers der neuen Bundsregierung, und ich glaube, es war die richtige Entscheidung, Sie als Finanzminister abzulösen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Nomen est omen! Kurz!)

22.47

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte betrifft den Rechnungsabschluss 1999. Die positiven Zahlen wurden schon genannt. Ich möchte in meinem Beitrag zwei negative Aspekte anführen.

Erstens: Die Zinsenbelastung hat im Jahre 1999 um 7,7 Milliarden Schilling zugenommen, die Zinsenzahlung betrug insgesamt rund 114 Milliarden Schilling, und es gab auch eine steigende Tendenz bei den Schulden.

Zweitens: Diese Kritik betrifft nicht nur das Budget 1999, sondern das geht schon mehrere Jahre zurück: Jedes Jahr zu Beginn der Budgetdebatte, beim so genannten Budgethearing, bestätigen auch die Experten, dass es bis dato nicht gelungen ist, tief gehende strukturelle Maßnahmen auf der Ausgabenseite zu setzen. Das heißt, es fehlt das Controlling.


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55. Sitzung / Seite 211

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich meine, die Zeit ist reif, die neue Bundesregierung ist vor zirka einem Jahr angetreten, um Österreich neu zu regieren. Wir haben in einem Jahr zwei Budgets beschlossen. Das Budget 2002 wurde vorbereitet, und im März dieses Jahres wird es letztlich beschlossen werden. Bereits im Jahre 2000 betrug die Neuverschuldung nicht ganz 40 Milliarden Schilling und liegt somit um 15 Milliarden Schilling unter dem Bundesvoranschlag. Im Jahre 2002 ist das ausgeglichene Budget das Ziel, das heißt, dass es keine neuen Schulden gibt, und das ist eine neue Qualität des Budgetvollzugs.

Weiters können wir berichten, dass bis zum Jahr 2002 auch die 60-Prozent-Marke des Verhältnisses von BIP zu den gesamten Schulden erreicht sein wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt großes Lob und Anerkennung aus Brüssel, und wir stimmen dem Rechnungsabschluss 1999 sehr gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. Er hat das Wort.

22.50

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzter Herr Präsident des Rechnungshofes! Einer der größten deutschen Politiker, Konrad Adenauer, zu dem man sowohl politisch als auch menschlich aufschauen konnte – im Gegensatz zu den heutigen deutschen Regierungsmitgliedern –, stellte einmal fest: Ein Blick in die Vergangenheit hat nur dann einen Sinn, wenn er der Zukunft dient.

Nun behandeln wir den Bundesrechnungsabschluss 1999. Erlauben Sie mir einen Blick in die Vergangenheit! Was muss ich da sehen? – Rote Finanzminister, die mit dem Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher nicht gut umgehen konnten! "Dank" dieser Politik – die Gott sei Dank seit einem Jahr abgeschafft ist – hat unser Vaterland rund 2 000 Milliarden Schilling an Schulden. (Abg. Schwemlein: Nicht "Gott sei Dank"; Haider sei Dank!) Pro Tag wurden 144 Millionen Schilling an neuen Schulden gemacht. Mit diesen Zahlen steht Österreich sicherlich im "Guinness-Buch der Rekorde". Es wurden jährlich Budgetverluste zwischen 50 und 100 Milliarden Schilling erwirtschaftet und als sozialdemokratische Errungenschaft gepriesen. Diese Art von Politik war weder sozial noch demokratisch.

In die ÖIAG wurden über 100 Milliarden Schilling gesteckt – Fazit: nach einigen Jahren rund 20 000 und mehr Arbeitslose und ein Schuldenberg von rund 80 Milliarden Schilling. Der "Konsum", einst ein wirtschaftliches Flaggschiff der Sozialdemokraten, ging dank deren Geschäftsideologie unter wie die "Titanic". Was blieb übrig? – Tausende Arbeitslose, außerdem Klein- und Mittelbetriebe, die in größte wirtschaftliche Schwierigkeiten kamen und zusperren mussten.

Im Februar 2000 kam dann für Österreich die Wende zum Positiven. Das Ziel unserer heutigen Regierung ist: bessere Wirtschaftspolitik, bessere Sozialpolitik und bessere Budgetpolitik! Unserem Finanzminister Grasser wurde von Pedro Solbes Mira erst unlängst attestiert, dass Österreich auf dem besten Weg ist, wirtschaftlich und sozial ein Musterstaat zu werden.

Wie sagte Kanzler Adenauer so schön: Ein Blick in die Vergangenheit hat nur dann einen Sinn, wenn er der Zukunft dient. – Mein Blick in die Vergangenheit zeigte auf, wie man es nicht machen sollte. Der Blick in die Zukunft ist unter dieser blau-schwarzen Regierung sinnvoll, hoffnungsvoll und voller Überzeugung, dass wir einer positiven Zukunft entgegengehen, in der auch unsere Kinder und Kindeskinder eine lebenswerte Umgebung vorfinden mögen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Halleluja!)

22.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch. Sie hat das Wort.

22.53

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Der


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55. Sitzung / Seite 212

Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 1999 hat ein Defizit von 2,1 Prozent des BIP aufgezeigt. Damit wurde zwar das Budgetziel für 1999 erreicht, aber wir lagen laut EU an letzter Stelle, was die Erfüllung der Maastricht-Kriterien betrifft. Daher sind die ÖVP und die FPÖ vor fast genau einem Jahr angetreten, um Österreich beziehungsweise das Budget zu sanieren. Der Kurs wird gehalten, das verspreche ich Ihnen, Herr Schwemlein, selbst wenn die SPÖ und die Grünen die Reduzierung der Lohnsteuer fordern. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir tun das nicht für uns, das können Sie mir glauben, geschätzte Damen und Herren von der Opposition! Dass Sparen wesentlich weniger Zustimmung bringt als Geld ausgeben, ist uns doch wohl allen bewusst. Wir tun dies für unsere Kinder, damit sie von unseren Schulden nicht erdrückt werden, und wir tun es für diejenigen, die nach uns kommen werden, weil sie ein Recht darauf haben, von uns einen ordentlichen Staatshaushalt zu übernehmen.

Wir tun dies natürlich auch für unsere Pensionisten. Mit dem Vranitzky-Brief konnte sich doch schon im Jahre 1995 niemand etwas kaufen – geschweige denn heute und morgen. Pensionen sind nur dann sicher, wenn auch der Staatshaushalt in Ordnung ist. Das weiß jeder in Österreich, nur die Kollegen von der SPÖ wollen noch immer Steuern senken und das Geld ausgeben, dass wir nicht haben. (Abg. Schwemlein: Wenn Sie "jeder" sagen, müssen Sie auch jeden meinen!) Dabei sehen wir doch alle, wo es hinführt, wenn die SPÖ wirtschaftet. Österreich darf kein Konkursfall wie der "Konsum" werden! Dazu war diese so genannte Wende, von der heute schon des Öfteren die Rede war, dringend notwendig.

Geschätzte Damen und Herren! Abschließend kann ich Ihnen versichern, dass diese neue Bundesregierung keinesfalls zur alten Gießkannenpolitik der SPÖ zurückkehren wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Sehr gut!)

22.55


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55. Sitzung / Seite 213

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Er hat das Wort.

22.55

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Ex-Finanzminister, der Bundesrechnungsabschluss 1999 ist kein Grund zur Euphorie, auch wenn diese bei oberflächlicher Betrachtungsweise angemessen zu sein scheint, da das Defizit um 1,9 Milliarden Schilling geringer ist.

Es fehlt leider die Zeit, eine tiefer gehende wirtschaftliche und finanzpolitische Analyse darzustellen. Der Rechnungshof hat das in eindeutiger Art und Weise getan. Doch schon eine Zahlenreihe der Budgetdefizite von 1997 bis 1999 zeigt, dass das Budgetdefizit 1999 um 6 Milliarden höher ist als im Jahr 1997. Bereits das ist der in Zahlen gegossene Beweis, dass sich die sozialistische Regierung trotz entsprechender Belastungspakete vom Konsolidierungspfad längst verabschiedet hatte. Auf die Staatsschulden möchte ich gar nicht näher eingehen: historischer Höchststand – ein Ergebnis von 30 Jahren sozialistischer Finanzpolitik!

Ich bedanke mich beim Rechnungshof dafür, dass er die negativen Auswirkungen der Belastungspakete durch die SPÖ in objektiver Weise dargestellt hat. Diese Kritik ist für uns der Beweis, dass es unbedingt notwendig war, eine Wende in der Finanz- und Steuerpolitik einzuleiten.

Der Erfolg dieser neuen Bundesregierung ist messbar: der höchste Beschäftigungsstand in der Zweiten Republik, 30 000 neue Jobs geschaffen (Abg. Schwemlein: Welche?), eine Verwaltungsreform auf den Weg gebracht, 6 000 Beamtenposten sozial entsprechend weggebracht – davon 2 000 durch Ausgliederung –, die Pensionsreform in die Wege geleitet, erstmals ein Rückgang bei den Frühpensionisten.

Was hat die SPÖ dem entgegenzustellen? – Angstmache, Panikmache, Verunsicherung der Bevölkerung, Fundamentalopposition und die Mobilisierung der Straße! – Diesen Weg wird diese Regierung nicht mitgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

22.57

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Unter dem Motto "Es ist zwar schon alles gesagt, nur nicht von mir" halte ich nur ein paar Fakten fest.

Erstens ist es richtig, dass der Budgetabgang um 1,9 Milliarden Schilling geringer als budgetiert war; als negativ ist aber festzuhalten, dass er um 2,2 Milliarden Schilling höher als im Jahre 1998 war. Auch die Zinsen sind gegenüber dem Jahr zuvor relativ deutlich gestiegen, meine Damen und Herren. Der Rechnungshof hat als negativ festgehalten – und das sei uns in Erinnerung gerufen –, dass kein erkennbarer Anlauf zu einer Verwaltungsvereinfachung und kein nachhaltiges Sparen sichtbar waren.

Äußerst positiv ist der heutige Tage für mich aus folgendem Grund: Das war das letzte Budget mit einem derart hohen Abgang! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger. Er hat das Wort.

22.59

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Herr Präsident des Nationalrates! Herr Präsident des Rechnungshofes! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin natürlich sehr beeindruckt davon, in welcher Weise es mir offensichtlich allein durch mein Erscheinen am Rednerpult um 23 Uhr gelingt, die positiven Einstellungen der Regierungsparteien hier in diesem Hause durch Murmeln zum Ausdruck gebracht zu haben. Ich danke Ihnen dafür.

Ich möchte aber trotz alledem einige wenige ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Auch da verschätzen Sie sich, Herr Abgeordneter!) Bitte? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Auch da verschätzen Sie sich! Das war nämlich nicht positiv gemeint!) Liebe gnädige Frau! Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn von Ihnen irgendeine positive Äußerung gekommen wäre. Ich habe von Ihnen so etwas in diesem Haus noch nie gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht das steht aber jetzt zur Diskussion, sondern der Rechnungsabschluss. Ich bedauere wirklich ernsthaft, dass diese Diskussion zu einer so späten Stunde stattfindet (Abg. Mag. Trattner: Wir auch! Wir bedauern auch!), weil es in der Tat interessant gewesen wäre, einige Fakten herauszuarbeiten. So möchte ich nur einige Punkte in Erinnerung bringen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Erstens: Der Rechnungsabschluss 1999 belegt die massive Budgetkonsolidierung der vergangenen Legislaturperiode. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Er hat um die Zeit noch Humor!) Das Defizit wurde von 5,1 auf 2 Prozent abgesenkt, das ist eine Senkung von mehr als 3 Prozent. Das möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen, weil Sie immer wieder versuchen, gewisse Fakten nicht zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Edlinger macht um 23 Uhr auch noch Witze!) Aber die Zahlen sprechen für sich! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Im gleichen Zeitraum, von 1995 bis 1998, ist es auch gelungen, den Schuldenstand von 68,4 auf 64,9 Prozent zu reduzieren.

Richtig ist, dass im letzten Jahr ein etwa einprozentiger Anstieg zu verzeichnen war; dieser ist aber nicht durch die Administration des Budgets begründet, sondern durch eine Umstellung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf der einen Seite und die Turbulenzen mit dem Yen-Kurs auf der anderen Seite. Das muss man in aller Deutlichkeit auch als Faktum feststellen. (Abg. Mag. Trattner: Also ein Super-Budget, oder?)


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Dritter Bereich: Diese Konsolidierung wurde unter völlig anderen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erreicht. (Abg. Mag. Trattner: Sie glauben noch immer ...!) Auch das muss man feststellen. Wachstum und Beschäftigung in Europa waren damals anders als heute, aber die Inflation betrug 0,6 Prozent. (Abg. Ing. Westenthaler: Er glaubt noch immer, es gibt kein Defizit!) Das heißt, eine Zielsetzung der damaligen Bundesregierung, nämlich die Inflation im untersten Feld der Europäischen Union zu halten, war gelungen. (Abg. Mag. Trattner: Er lebt noch immer im Überschuss!) Ihnen ist es in wenigen Wochen gelungen, die Inflation Österreichs an die Spitze der Europäischen Union zu bringen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn er noch drei Stunden erzählt, dann hat er einen Überschuss gemacht!) Das haben Sie gegenüber den Wählern auch zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Kollege Edlinger! Sie haben wahrscheinlich einen Überschuss gemacht, oder?)

Viertens: Diese herzeigbare Bilanz verlangte natürlich Maßnahmen, die nicht die Zustimmung aller fanden. Das ist auch in Ordnung. Aber sie wurden – und das ist der erste materielle Unterschied – im Dialog gestaltet und entwickelt – in jenem Dialog, der ein Markenzeichen der früheren österreichischen Bundesregierung in der Frage der Konfliktaustragung war.

Sie, sehr geehrte Frau Pecher, haben gemeint, auf die Straße soll man nicht gehen – Sie haben da irgendwelche Zitate verwendet –: Dazu bekenne ich mich auch! Aber wenn die Dialogfähigkeit auf null geht, wenn die Sozialpartnerschaft demoliert wird, wenn seitens der Regierung nicht mehr zugehört wird (Abg. Haigermoser: Wer hat denn bitte die Computer ausgeräumt? Wer war denn das?), dann ist das ein Aufschrei der Not vieler bedrängter Bürger, die Sie durch Ihre Politik in diese Situation gebracht haben, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Fünftens möchte ich Ihnen noch Folgendes sagen, damit Sie mir nicht unterstellen, dass ich polemisiere. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege Edlinger! Das Fernsehen ist schon draußen!) Die Strukturreformen begannen 1996. Selbst Herr Bundesminister Grasser hat im Budgetbericht – das möchte ich auch zitieren – auf Seite 5 geschrieben: Der 1996 eingeleitete Personalabbau wurde fortgesetzt. Das Ausgliederungsprogramm wurde fortgesetzt – nicht von der FPÖ, die immer versucht, sich in der Öffentlichkeit als Partei des "Erfindrowitsch" darzustellen. (Abg. Haigermoser: Als was? Was sind wir?)

Für Bildung, Wissenschaft und Forschung wurde zusätzlich 1 Milliarde im Jahre 1999 zur Verfügung gestellt. – Das heißt, das, was Sie hier immer wieder als Neuigkeiten feststellen, sind eigentlich alte Hüte, die letztendlich auch in dem von Minister Grasser vorgelegten Budgetbericht 1999 zum Ausdruck gekommen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine letzte Bemerkung. (Abg. Haigermoser: Vorletzte!) Wir haben versucht, jene ganz schwierigen Konsolidierungsbestimmungen unter dem Aspekt des sozialen Ausgleichs zu gestalten. (Abg. Mag. Trattner: Es wird nicht besser!) Es war eine besonders hohe Zielsetzung der sozialdemokratischen Politik, faktisch die Gesellschaft des sozialen Zusammenhaltes enger zu schweißen, eine Gesellschaft der sozialen Wärme, der Wertschätzung und des Interessenausgleichs.

Heute ist das anders. Wir erlebten eine Wende, eine Wende zur Kälte, der Sprachlosigkeit, der Dialogunfähigkeit – und dann wundern Sie sich, dass in der österreichischen Bevölkerung mitunter verschiedene, auch emotionelle Veränderungen an den Tag gelegt werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn das der "Grolli" hört!) Dafür muss man ein subjektives und ein objektives Verständnis aufbringen, wenn auf der anderen Seite von den Mächtigen in diesem Lande der Dialog verweigert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine letzte Bemerkung, weil das auch gesagt worden ist. (Abg. Haigermoser: Jetzt sagen Sie schon zweimal "letzte"!) Das Wirtschaftsforschungsinstitut ist in seinen Formulierungen extrem vorsichtig. Ich verstehe das auch. Wenn ich von der Bundesregierung so abhängig wäre wie beispielsweise das Wifo, dann wäre ich in der Kritik auch sehr vorsichtig. (Ironische Heiterkeit des Abg. Haigermoser. ) Aber es ist interessant, dass Herr Professor Kramer in der Qualifizierung Ihrer Politik zwei sehr bemerkenswerte Analyse


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punkte festgestellt hat. (Abg. Mag. Trattner: Sind Sie ein Quereinsteiger?) Er hat nämlich gesagt, dass im unteren Drittel der Einkommensverteilung die Maßnahmen, die ab Mitte 2000 gesetzt worden sind, massive Mehrbelastungen bedeutet haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Die Unschuld vom Lande!)

Das heißt, unsere Argumentation, dass Sie die Kleinen schröpfen, belegt Ihnen das Wifo faktisch in seinem letzten Bericht. (Abg. Haigermoser: Edlinger, der Ahnungslose!)

Und wo es um die Einkommensteuerfrage geht, da wird im Besonderen das mittlere Einkommensdrittel zur Kasse gebeten. Damit wird bewiesen, dass Ihre Zielgruppe das oberste Einkommensdrittel ist und dass in der Budgetkonsolidierung, die Sie diesem Hause vorgelegt haben und die Sie durchziehen, die kleinen und mittleren Einkommensbezieher ganz einfach die Zahler sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist schon ein Kalauer!)

Wir werden über das Stabilitätsprogramm und die einseitige Betrachtung, die Sie hier angestellt haben, noch reden. (Abg. Mag. Trattner: Das glauben Sie ja selber nicht! Ist ja blanker Unsinn, was Sie da erzählen!) Aber ich möchte mit Worten aufhören, die nicht von mir sind (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist gut!), um Ihre Politik zu qualifizieren. (Abg. Ing. Westenthaler: Werden Sie sachlich!) Diesbezüglich können Sie in einem sehr angesehenen österreichischen Magazin eine treffende Formulierung lesen. (Abg. Haigermoser: Wie heißt das "angesehene" Magazin?) Das werde ich Ihnen gleich sagen.

Da heißt es: Die Ankündigung der Regierung, das Budget weitgehend ausgabenseitig sanieren zu wollen, erweist sich bei wohlwollender Betrachtung als naive Absichtserklärung, bei weniger freundlicher Beurteilung als Lüge. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das auf das 99er-Budget ...?)  – Das ist der Kommentar in einem Magazin. Sie können sagen, es ist kein angesehenes; es ist das "profil" (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), ein Magazin, das sich einer großen Leserschaft erfreut. (Abg. Ing. Westenthaler: Edlinger zitiert "profil"!)

Sie feiern ein Jahr Wende. Ihre Arroganz ist unübersehbar geworden, doch Hochmut kommt vor dem Fall! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Egghart. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 3 Minuten begrenzt. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: ... Edlinger-"profil"! Das nächste Mal zitiert er aus der Mickey Mouse!)

23.07

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! (Anhaltende Zwischenrufe. – Unruhe im Saal.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist Herr Abgeordneter Egghart!

Abgeordneter Robert Egghart (fortsetzend): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Der Bundesrechnungsabschluss 1999 zeigt, dass die berühmte Knackwurst beim Edlinger-Hund besser aufgehoben ist als das Budget beim Herrl. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Bravo! – Abg. Dr. Khol: Sehr gut!)

23.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 1999 samt Titel und Eingang in 439 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.


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55. Sitzung / Seite 216

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 1999 ist somit auch in dritter Lesung erteilt.

12. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 351/A der Abgeordneten Mag. Walter Tancsits, Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Poststrukturgesetz geändert wird (Poststrukturgesetz-Novelle 2000) (435 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Eder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.10

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Präsident des Rechnungshofes! Bei diesem Punkt geht es um die Vorbereitung des Verkaufs der Postbus AG, eines Unternehmens mit 3 300 Mitarbeitern und 1 600 Postbussen. Das ist ein Unternehmen, das jährlich 150 Millionen Kunden auf 700 Linien befördert, wobei 80 Millionen Kilometer zurückgelegt werden – also ein Unternehmen, das eine herausragende öffentliche Bedeutung hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind auch stolz darauf, dass wir in Österreich bisher ein Verkehrsnetz hatten, das sicherstellte, dass fast alle Gemeinden in Österreich mehrmals täglich angefahren werden, dass die Bevölkerung im ländlichen Raum auch ohne Auto mobil ist, dass der Schulbusverkehr funktioniert, dass die alten und auch die sozial schwachen Mitbürger ihre Mobilitätsbedürfnisse erfüllen können und dass vor allem die arbeitende Bevölkerung ihre Arbeitsstätten erreichen kann.

Meine Damen und Herren! Ihr eigener Verfassungsdienst kritisiert, dass die Begutachtungsfrist für diesen Gesetzentwurf viel zu kurz war. Sie halten sich auch nicht an die geschaffenen Bestimmungen. Gemäß den legistischen Vorschriften hätten Sie die finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt, auf die Planstellen des Bundes und auf andere Gebietskörperschaften untersuchen müssen. Sie hätten insbesondere auch die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich klarlegen müssen. – Aber nichts davon ist geschehen, obwohl Sie hiermit einen beachtlichen Teil des öffentlichen Verkehrs in weiten Teilen unseres Landes fast zu vernichten drohen. Hätten Sie dies analysiert, wären die Nachteile eines Postbusverkehrs und damit Ihre Politik transparenter geworden.

Meine Damen und Herren! Was bezweckt diese Bundesregierung mit der Übertragung des Postbusses an die ÖIAG? – Ich zitiere aus den Allgemeinen Erläuterungen des Initiativantrages. Da heißt es:

"Zur Entwicklung einer eigenen, von der ÖIAG kontrollierten Privatisierungsstrategie für den Österreichischen Postbus ist es notwendig, den Betrieb Postautodienst zu einer Tochtergesellschaft der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft (ÖIAG) ... zu machen."

Es geht also klar daraus hervor, dass die Postbus AG in erster Linie verkauft werden soll, möglicherweise auch an das Ausland. Hinter den Kulissen sollen ja schon längst Verhandlungen begonnen haben, um die Postbus AG zu verkaufen.

Meine Damen und Herren! Das bedeutet, dass die Bundesregierung die Interessen der Menschen dieses Landes in diesem Fall nicht vertritt. Das bedeutet, dass es womöglich in ganzen


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Regionen keinen öffentlichen Verkehr mehr geben wird, weil durch einen privaten gewinnorientierten Betreiber verlustträchtige Strecken sofort eingestellt werden, oder dass die Länder und vor allem auch die Gemeinden schwer zur Kasse gebeten werden, wenn sie darauf Wert legen, dass auch dort noch ein entsprechender öffentlicher Verkehr stattfindet.

Meine Damen und Herren! Sie unterlaufen damit eine vernünftige Verkehrsinfrastrukturpolitik, wie sie noch durch das Nahverkehrsfinanzierungsgesetz 1990 gesichert wurde. Eine Nahverkehrspolitik muss nämlich langfristig angelegt sein und hat die Sicherung der Gemeinschaftsinteressen im Auge zu behalten. Im Nahverkehr geht es um Kostendeckung und nicht darum, Gewinne einzufahren. Es geht darum, die öffentlichen Verkehrsdienstleistungen überall im Land anzubieten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ganz kurz die Auswirkungen auf die Beschäftigten darstellen. Die Tarife sind in Österreich weitestgehend limitiert, deshalb kann ein Privater nur durch Kostensenkungsprogramme und damit durch Verringerung der Verkehrsleistungen Gewinne erzielen. Kostensenkung heißt in erster Linie natürlich immer wieder Personalabbau. Diese Regierung verabschiedet sich jedenfalls vom öffentlichen Verkehr in diesem Segment und verabschiedet sich somit auch von den Interessen der Menschen.

Meine Damen und Herren! Dies ist nichts anderes als die Zerschlagung einer jahrzehntelangen Errungenschaft unseres Landes: eines flächendeckenden öffentlichen Nahverkehrsnetzes. Dies ist die Zerschlagung des öffentlichen Verkehrs in Österreich. Dies ist ein Konzept von Technokraten, aber nicht von Verkehrspolitikern.

Der geplante Verkauf der Postbus AG an das Ausland wird sogar von Ihren eigenen Leuten – zum Beispiel von ÖBB-Personalchef Stindl – kritisiert. Auch er plädiert für eine österreichische Busgesellschaft. Ich möchte vorschlagen: Hören Sie in diesem Fall auf ihn!

Warum legen Sie nicht zum Beispiel den Postbus mit den ÖBB-Buslinien zusammen? (Abg. Mag. Kukacka: Warum haben wir das nicht schon vorher gemacht? Vor zehn Jahren?) Warum werden nicht endlich die sich daraus ergebenden Synergien im Ausmaß von mehr als 100 Millionen Schilling lukriert? – Dann könnten Fahrpläne und Werkstattdienste viel besser abgestimmt und vor allem auch Kosten gesenkt werden. Warum versuchen Sie nicht, regionale Nahverkehrsgesellschaften zu forcieren, die kostendeckend auch die Nebenbahnen mit einschließen könnten? – Das wäre ein Weg, der zukunftsträchtiger sein könnte, ein sparsamer Weg, aber ein Weg, der den öffentlichen Verkehr weiter attraktivieren würde.

Wir lehnen aber diesen Antrag ab. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

23.15

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich habe nichts anderes erwartet, als dass die SPÖ diesen Antrag ablehnen wird. Die SPÖ malt wieder einmal kräftig das Privatisierungsgespenst an die Wand. Das Szenario des Herrn Kollegen Eder ist ja ein Szenario, das wir schon oft hier in diesem Hause gehört haben, und kommt daher nicht überraschend.

Meine Damen und Herren! Die Regierungsparteien bekennen sich zu diesem Schritt in Richtung Modernisierung des öffentlichen Infrastruktursystems. Die Postbus AG hat bei der Post AG auf Grund der unterschiedlich gelagerten Interessen und Aufgaben keinen Platz mehr. Daher wurde sie ausgegliedert, und sie wird der ÖIAG übertragen. (Abg. Eder: Warum wird sie ausgegliedert?) Das ist keine Privatisierung – ich habe das auch im Ausschuss schon gesagt –, sondern das ist eine Verselbständigung durch Abspaltung.

Die ÖIAG bleibt – vorerst, sage ich – zu 100 Prozent Eigentümer. (Abg. Dr. Hannes Bauer: Ein Jahr!) Später, Herr Kollege Edlinger – und meine anderen Kollegen von der sozialdemokra


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tischen Fraktion; bevor Sie hier weitere Schreckgespenster an die Wand malen –, werden wir uns über die dann zur Verfügung stehenden Modelle ausführlich unterhalten. Sagen Sie nicht, das geht alles den Bach hinunter! (Abg. Eder: Mit wem werden Sie sich unterhalten?)

Wir werden auch aus diesem Unternehmen ein florierendes Unternehmen machen, Herr Kollege Eder, das dem Staat Geld bringt und nicht den Staat Geld kostet, wie das bei Ihnen immer der Fall war. Auch das ist die Wende und die Trendumkehr, daher finde ich diesen Schritt richtig und notwendig. (Beifall des Abg. Haigermoser. )

Was die öffentliche Versorgung betrifft: Es gibt gemeinwirtschaftliche Leistungen, Herr Kollege, die Sie nicht in Abrede stellen werden. Egal, ob das ein Unternehmen ist, das zu 100 Prozent vom Staat gehalten wird, oder eines, das nur zu 50, zu 25 oder zu 75 Prozent gehalten wird: Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen werden nur dann bezahlt, wenn auch die öffentliche Versorgung stattfindet. Sonst gibt es keine gemeinwirtschaftlichen Leistungen. So einfach ist das im Grunde! (Abg. Eder: Wer zahlt es denn?)

Herr Kollege Eder! Sagen Sie bitte nicht immer, dass all die Modelle, die wir von anderen Ländern her kennen und bei denen Private und Öffentliche gemeinsam arbeiten und gut zusammenarbeiten, ein Schmarren sind! Das stimmt nicht! Sie werden aufgrund der Zahlen auch eines Besseren belehrt. Es gibt taugliche Modelle in Deutschland, und es gibt Modelle in der Schweiz, wo das sehr gut funktioniert. (Abg. Eder: In England vor allem! Da ist er in Konkurs gegangen, der Private!)

Es gibt auch Modelle, die schlecht funktionieren, jawohl, aber das heißt nicht, dass wir automatisch darauf programmiert sind, das auch schlecht zu machen. Sie wollen immer nur das hören, was Ihnen ins Konzept passt, damit Sie hier Horrorzahlen und eine schreckliche Zukunft an die Wand malen können. Wir kennen das.

Wir bekennen uns zu dem Antrag. Es wird eine gute Zukunft für den österreichischen Postbus werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Eder, warum bist du so pessimistisch? Du bist doch sonst so optimistisch!)

23.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Ihre Redezeit ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: 3 Minuten! – Abg. Mag. Kogler  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Danke, Herr Präsident! Ich werde keine 5 Minuten brauchen, Kollege Khol reklamiert schon! – Abg. Dr. Khol: 3 Minuten, haben wir ausgemacht! – Abg. Mag. Kogler: 3 Minuten werde ich sprechen, aber es war auf 5 Minuten eingestellt!)

23.18

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Hohes Haus! Der Vorredner hat der SPÖ-Fraktion entgegengehalten, sie würde wieder Schreckgespenster sehen. Ich finde, bei den Privatisierungsbemühungen, die diese Bundesregierung bis jetzt an den Tag gelegt hat, darf man sich schon ein bisschen schrecken. Das Gespenst, das Sie hier darstellen, sind wohl Sie selbst, Herr Kollege Firlinger. Jedes Mal erklären Sie den anderen, dass sie sich vorher schlau machen sollen; das ist jetzt das zweite oder dritte Mal gewesen. Ich weiß nicht: Sind Sie hier der Oberrepräsentant des Klubs "Schweinchen Schlau"? – Damit werden Sie uns nicht weiter beeindrucken. (Abg. Gaugg: Wer?)

Zweiter Punkt: Privatisierung ist es selbstverständlich noch keine, wenn etwas der ÖIAG übertragen wird. Aber das Ganze ist ja eine Vorleistung für eine bestimmte Geschichte, und darüber kann man ruhig diskutieren. Dass eine Buslinie oder ein größeres Unternehmen immer oder in erster Linie nur staatlich geführt werden kann, ist ja tatsächlich nicht gegessen, da kann man durchaus offen sein, aber es geht doch um die Regional- und Verkehrspolitik, die grundsätzlich dahinter steht, und in dieser Ihrer Absicht, gemischt damit, dass Sie ganz offensichtlich gleichzeitig privatisieren wollen, liegt doch die makabre Bedrohung in dieser Angelegenheit.


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Fassen wir also zusammen: Bei der Privatisierung, die Sie immer im Auge haben, darf man sich schon schrecken, und verkehrspolitische Leitlinien gibt es keine gescheiten, die gehen gegen null, jedenfalls, was die Regionen betrifft. Also insgesamt ist das schon ein Bedrohungsszenario, das können Sie hier nicht wegwischen.

Nächster Punkt: Ob sozusagen beim Herausputzen der Braut, wie von einigen von Ihnen im Ausschuss gesagt wurde – ich übernehme diesen Jargon nur, ich würde so etwas selbst nicht sagen –, wirklich gespart wird, ist sehr die Frage. Dabei fallen ständig Mehrkosten an, die zunächst nicht viel bringen. Zum Beispiel brauchen wir jetzt ein eigenes Personalamt, weil das so aufgegliedert wird. Das hat der Rechnungshof in seiner Stellungnahme kritisiert. Ich habe das im Ausschuss vorgebracht – Antwort null! So schaut das aus! So können Sie mit den Fragen nicht umspringen und uns da maßregeln! (Abg. Edlinger: Das weiß er selber nicht, da hat er sich nicht schlau gemacht! – Abg. Dr. Martin Graf: Das war aber jetzt sexistisch!)

Letzter Punkt: Die Verkehrspolitik muss vor allem entsprechende Vorgaben haben, dann kann man darüber reden, welches Unternehmen das adäquate ist, das diese Aufgaben erfüllen kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Trattner: Die Länge war okay!)

23.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Ihre Redezeit ist auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

23.22

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! "Mehr Privat, weniger Staat" – das ist Balsam in Ihren Ohren, meine sehr geehrten Damen und Herren von der rechten Reichshälfte. Nichts ist Ihnen mehr zuwider als die Gemeinwirtschaft, vor allen Dingen die Post und die Bahn. Jetzt kommen schlicht und einfach die Postbusse dran. Seit 1907 besteht dieses Unternehmen, und es war immer für die Menschen da, vom Schüler bis zum Senior. Den Ersten Weltkrieg haben die Postbusse ausgehalten, den Zweiten Weltkrieg haben die Postbusse ausgehalten, nur die blau-schwarze Koalition halten sie nicht mehr aus. Das ist die Tragik an der ganzen Sache! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden: 3 300 Mitarbeiter mit 1 600 Bussen sind unterwegs, 700 Linien, 23 000 Kurse, 80 Millionen Kilometer im Jahr. 250 000 Kilometer werden pro Tag gefahren! 19 Buszentren in ganz Österreich versorgen 500 000  Kunden pro Tag. Oder, anders ausgedrückt – und das muss man einmal auf der Zunge zergehen lassen –: In nur einem Tag fahren die Postbusse fünfmal um die Erde und einmal zum Mond, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist eine gewaltige Leistung! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP, den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Kennzeichnende – und das ist der gravierende Unterschied, Kollege Firlinger, den Sie nicht nennen wollen – dieses Traditionsunternehmens war und ist die Kostendeckung, die Philosophie der Kostendeckung, und nicht die der Gewinnmaximierung. Das ist der entscheidende Unterschied, den wir hier ganz deutlich sehen.

Noch etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das, was Sie vorhaben, ist eine teuflische Sache. Was glauben Sie, wer in die kleinen Orte fährt? Was glauben Sie, wer die Linien betreibt, die nicht interessant sind? (Abg. Dr. Martin Graf: Der Kiermaier! – Abg. Mag. Trattner: Der Mondbus!) Wissen Sie, was mich sehr interessieren wird? – Das, was Ihre Herren Bürgermeister in den vielen kleinen Gemeinden einmal sagen werden, wenn der Postbus nicht mehr kommt, weil es sich nicht rentiert. (Abg. Edlinger: Auer, der Bus kommt nicht mehr in deine Gemeinde!)

Nächster Punkt: Sie werden die Gebühren dementsprechend erhöhen, und das ist auch eine nicht gerade rühmliche Sache. Und wir nehmen Ihnen auch nicht ab, was Sie zur Privatisierung


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gesagt haben, nämlich dass an eine Privatisierung nicht zu denken ist. (Abg. Mag. Firlinger: Vorerst!) "Vorerst" – genau!

Es ist bekannt, dass ein sehr großes Unternehmen diesbezüglich aktiv ist, das bereits in 16 europäischen Ländern 12 000 Busse und 3 500 Schienenfahrzeuge hat. Die haben längst schon die Garagentore geöffnet, wie sie sagen, um unsere Postbusse zu kassieren. (Abg. Dr. Martin Graf: Ist das der rote Sramek?)  – Das ist nicht der Sramek, das ist ein Franzos’! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen zum Abschluss Folgendes sagen: Sie können sagen, was Sie wollen, meine Damen und Herren. Es waren jetzt Wahlen, die Personalvertretungswahlen in ganz Österreich. Sie haben die Rechnung präsentiert bekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien: Flächendeckende Gewinne der SPÖ, wo Sie nur hinschauen! Das ist die Rechnung, die Sie bekommen haben, und das ist erst der Anfang! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie glauben, dass das so weitergeht, dass Sie die Postbusse kassieren, die Postkasteln herunternehmen, die Finanzämter und die Bezirksgerichte zusperren können – und dann stellen Sie sich hier heraus und reden allen Ernstes vom ländlichen Raum! Dass Sie sich nicht genieren! Aber die Rechnung dafür bekommen Sie noch, da können Sie sicher sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Ein verstaatlichtes Gasthaus muss angenehm zu führen sein! – Abg. Mag. Trattner: Die Abstimmung werdet aber Ihr verlieren!)

23.26


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Freiwillige Redezeitbeschränkung 3 Minuten. – Bitte.

23.26

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Diese Ausgliederung der Postbusse und die Überführung in die ÖIAG, Herr Kollege Kiermaier, das ist kein Bedrohungsszenario, sondern das ist ein Hoffnungs szenario für die Postbusse. Das ist nämlich die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich erlebe seit zehn Jahren den elenden Pfusch, den die sozialistischen Verkehrsminister gerade in dieser Frage gemacht haben. Vor zehn Jahren war es Herr Bundesminister Streicher, der angetreten ist, die große Reform bei den Busdiensten zu schaffen, die Zusammenführung der Postbusse und der Bahnbusse zu einer großen, einheitlichen Busgesellschaft. – Nichts ist daraus geworden! Nur eine einheitliche gelbe Färbelung ist zustande gekommen. Das war alles, was von diesen gemeinsamen Plänen übrig geblieben ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Trattner.  – Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Was wir hier realisieren, das ist das, was Sie sich seit zehn Jahren vorgenommen, aber nicht zustande gebracht haben, weil Sie an der Uneinsichtigkeit der eigenen Gewerkschafter und Personalvertreter gescheitert sind, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: So ist es!)

Deshalb werden wir hier die Voraussetzungen für ein modernes Busunternehmen schaffen, und es wird endlich zu dem kommen, was Sie sich selbst immer gewünscht haben, dass die Hunderten Millionen Verluste, die die Postbusse in den letzten zehn Jahren eingefahren haben, endlich aufhören und ein solides wirtschaftliches Fundament auch bei diesem Unternehmen gelegt wird, meine Damen und Herren. (Abg. Edlinger: Wer zahlt denn das dann? – Ruf bei der SPÖ: Die Bürgermeister hör ich schon!) In diesem Sinne – ich darf es abschließend wiederholen – ist das, was wir jetzt machen, ein Hoffnungsszenario für den öffentlichen Verkehr und für die Postbusse in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

23.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung 5 Minuten. – Bitte.

23.29

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Kiermaier ist offensichtlich vom Mond wieder zurück. Ich denke, er war zuerst auf der Raumfahrtausstellung. Die hat ihn so inspiriert, dass er mit dem Postbus Richtung Mond abgehoben hat. Zurück auf der Erde haben wir uns mit ein bisschen ernsteren Sachen auseinanderzusetzen.

Herr Kollege Kukacka hat soeben die große Hoffnung für die Postbusse allein aus der Tatsache entwickelt, dass das Unternehmen an die ÖIAG übertragen wird. (Abg. Edlinger: Und schon gibt es keine Verluste mehr! "Genial"!) Herr Kollege! Darf ich Sie fragen, woher Sie diese Hoffnung nehmen, wenn es nicht völlig klar ist, dass Sie etwas ganz anderes damit vorhaben?

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Privatisierung oder nicht ist für mich bei den Postbussen keine Glaubensfrage. In erster Linie geht es mir um die Bedienungsqualität, um die Bedienungssicherheit und um die gerechte Mobilität für die Menschen in der Region, die auf den Postbus angewiesen sind. (Abg. Dr. Grollitsch: Wer zahlt’s? Die Enkelkinder?)  – Genau! Sie fragen: Wer zahlt’s? Daraus spricht der Geist, der dahinter steht, darum geht es Ihnen: Der Postbus muss profitabel werden! Nur mehr dort fahren, wo es sich rentiert! (Abg. Mag. Firlinger: Nicht wahr!) Ob die Region abstirbt, ob die Leute pendeln können, ob manche Leute nicht mehr in bestimmte Arbeitsorte kommen, weil sie kein eigenes Auto haben, das, meine Herren, ist Ihnen offensichtlich völlig egal. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Eine Privatisierung nach diesen Kriterien ist schon in England gescheitert, und zwar auf breitester und voller Linie. Wenn ich Ihnen zuhöre, wie Sie reden, dann wird mir klar, was Sie mit den Postbussen vorhaben: Eine Privatisierung à l’anglaise, ein Ignorieren jeglichen Versorgungsauftrags, eine Reduzierung des Verkehrs auf die hoch profitablen Linien.

Ja dann, meine Damen und Herren, ist es locker, ein solches Unternehmen wirtschaftlich zu führen. Wenn ich in diese Regierung das Vertrauen haben könnte, dass sie fähig ist, auszuschreiben und so auszuschreiben, dass gemeinwirtschaftliche Leistungen weiter mit einer hinreichenden Qualität erbracht werden, dass gerechte Mobilität in der Region gewährleistet wird oder bleibt, wo es sie heute gerade noch gibt, dann wäre für mich die Privatisierung oder diese Übertragung an die ÖIAG überhaupt kein Problem. Die Erfahrungen aber, die wir machen mussten, und die Beispiele, an denen Sie sich orientieren – und die sich meistens in Richtung England bewegen, wenn es um diese Fragen geht –, meine Herren, bringen uns dazu, diesen Antrag abzulehnen, weil damit kein Konzept für einen funktionierenden öffentlichen Verkehr in der Region – und diese betrifft es ja hauptsächlich – garantiert ist. (Abg. Mag. Firlinger: Und Sie orientieren sich an der Vergangenheit! – Abg. Dr. Martin Graf: Welche Erfahrungen haben Sie mit uns?)

Was soll bitte besser werden? Sie haben vorhin zu Recht angesprochen – und das ist etwas, was wir schon ewig kritisieren, und jeder tut das, der sich in der Verkehrspolitik auch nur ein wenig bewegt –, dass es Parallelverkehre gibt, dass die Zusammenarbeit zwischen Postbussen und Bahnbussen nie funktioniert hat. – Können Sie mir erklären, warum das unter diesen Bedingungen jetzt plötzlich besser funktionieren soll? (Abg. Haigermoser: Wenn Sie 35 S für den Liter Benzin verlangen!)

Das ist schon ein Ritual, Sie müssen das zwanghaft sagen. Vielleicht sollten Sie sich einmal überlegen, wie Sie sich von dem lösen. Sie blockieren sich ja selber im Denken. (Abg. Haigermoser: Sie steigen auch immer so herrlich darauf ein – tschak, und schon steigen Sie darauf ein!) Genauso wie es Sie reizt, immer mit den unoriginellen, gleichen Zwischenrufen zu kommen, muss ich Sie immer wieder darauf aufmerksam machen, dass Sie völlig schräg liegen, dass Sie nichts verstanden haben, dass Sie schon eine Wette verloren haben mit diesem Thema und dass es einfach nichts nützt, wenn Sie immer das Gleiche wiederholen. Das ist eine


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alte und sehr dumme Strategie, Herr Kollege! (Abg. Haigermoser: Wie viel ist das in Euro? Rechnen Sie das aus!)

Zurück zum Postbus. Die Strategie der Auslagerung in die ÖIAG wäre für mich durchaus denkbar und vernünftig, wenn ich ein Konzept erkennen könnte, wie und auf welche Art der Versorgungsauftrag für die Region gesichert wird, wie und auf welche Art eine Weiterentwicklung im Verkehrswesen geschaffen wird, und wie und auf welche Art wir endlich auch eine bessere Bedienungsqualität in diesem Bereich bekommen. So, wie Sie es derzeit machen, befürchte ich das Schlimmste für die regionalen Verkehre, wobei nicht die ÖIAG und diese Übertragung das Problem sind, sondern das, was man bis jetzt von Ihnen auf diesem Sektor erfahren konnte. Bis jetzt ist es Ihnen dabei noch nie um die Schwachen gegangen, aber die wohnen nun einmal in der Region und sind auf diese Verkehrsmittel angewiesen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

23.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung 4 Minuten. – Bitte.

23.35

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz wird das Ende des traditionellen Postautos eingeläutet. Ich sage das deswegen mit diesem ländlichen Begriff, weil in Zukunft die ländliche Mobilität sicherlich in Frage gestellt sein wird.

Das Ganze muss unheimlich schnell gehen, muss innerhalb von zwei Wochen durchgepeitscht werden. Mir ist auch klar, warum es so schnell gehen muss, denn Sie haben, wie man in den verschiedensten Zeitungen nachlesen kann, ja schon sehr intensive Verkaufsgespräche mit einem französischen Konzern begonnen – interessanterweise mehrheitlich auch in staatlicher Hand –, und die dort warten ja nur mehr darauf, dass diese Postbusse verscherbelt werden können.

Interessant ist auch die Tatsache, dass auf diesem Antrag ganz oben drauf Herr Tancsits steht, der ÖAAB-Funktionär, der sich für die Arbeitnehmer einsetzt. Die 3 300 Postbediensteten in diesem Bereich sind ihm egal. Auch Herr Firlinger setzt sich ganz oben hinauf und ist dafür, dass die Postbusse verscherbelt und die Arbeitsplätze dieser 3 300 Menschen gefährdet werden.

Meine Damen und Herren! Ich bin allerdings fündig geworden – das Internet ist wirklich gut für manche Informationen –, und zwar auf der Homepage der Freiheitlichen Arbeitnehmer der Landesgruppe Wien im Postdienst. Da lese ich auf dieser freiheitlichen Homepage, die Freiheitlichen Arbeitnehmer stellten sich von Beginn an gegen eine Privatisierung im Eilzugstempo. Und weiter heißt es dann, langfristige strategische Partnerschaften haben Vorrang vor einer Geldbeschaffungsaktion, so der Vorsitzende der Freiheitlichen Arbeitnehmer, Johann Weinberger. Die Zeit ist zu kurz, um jetzt weiter darauf einzugehen, aber Sie können es im Internet nachlesen, wie sehr sich auch die Freiheitlichen Arbeitnehmer gegen diese Verscherbelung stellen.

Der letzte Satz ist interessant: Die Freiheitlichen Arbeitnehmer wissen jedenfalls, auf welcher Seite sie stehen. – Hoffentlich, sage ich dazu. Ich vermute, Herr Weinberger weiß noch nicht, was mit Menschen in Österreich passiert, die die Regierung kritisieren. Ich sage nur: Sallmutter – weg! (Abg. Edlinger: Ja!) Ich denke, Herr Weinberger wird auch nicht mehr sehr lange diesen Posten innehaben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein zweiter Ansatz: An wen werden sich denn die Menschen wenden, wenn die Postlinien eingestellt werden, die Pendler, die Schüler, die älteren Leute? Nun, sie werden sich an ihre Gemeinden wenden, die werden zu ihren Bürgermeistern gehen und sagen: Helft uns! Wir brauchen die Linien, um in den ländlichen Gebieten mobil zu sein! – Und dann wird es vom privaten Unternehmer, der mit diesen Linien keinen Gewinn


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55. Sitzung / Seite 223

einfahren kann, laut und deutlich heißen: Wenn ihr dazu zahlt, dann fahren wir weiter. (Abg. Mag. Trattner: Mond und retour!) Das wird die Folge sein!

Mir fehlen hier die Kollegen von der ÖVP, die sich im Finanzausgleich so für die kleinen Gemeinden eingesetzt haben. (Abg. Mag. Mühlbachler: Schwachsinn! Warum funktioniert es bei den Amerikanern?) Das ist eine Bedrohung der Finanzen der kleinen Gemeinden. Sie werden nicht in der Lage sein, diese Zahlungen zu leisten. (Beifall bei der SPÖ.) Damit wird die Mobilität der Leute im ländlichen Raum extrem beeinträchtigt, sie wird weg sein, und kein Mensch kümmert sich darum. Beim Finanzausgleich kämpfen wir dann wieder darum, dass die kleinen Gemeinden mehr Geld bekommen. Wir werden dagegen stimmen, dass der ländliche Raum benachteiligt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

23.38


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55. Sitzung / Seite 224

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Edler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

23.39

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Khol: Das wird der Höhepunkt des Abends!) Die wesentlichen Punkte dieses Gesetzes, Poststrukturgesetz-Novelle 2000, sind bereits angesprochen worden. Ich möchte nur einige Fakten unterstreichen. (Abg. Haigermoser: Du bist für die Eisenbahn zuständig – immer zu spät!)

Meine Damen und Herren, besonders die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Machen Sie so weiter! (Abg. Dr. Khol: Ja, werden wir!) Schlechte Vorbereitung dieses Gesetzes ... (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie lachen noch, Herr Klubvorsitzender! Die FPÖ wird in Wien nicht mehr lachen! (Abg. Dr. Martin Graf: Na geh!) Was Sie versprochen haben – alles gebrochen! So schaut es aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Auch bei diesem Gesetz: mangelhafte Vorbereitung. Die Probleme der Tausenden Kolleginnen und Kollegen, die verunsichert sind, interessieren Sie nicht. Aber Sie interessieren sich auch nicht für die Probleme der Regionen, der Menschen draußen und der Bürgermeister. Sie haben die kritischen Stellungnahmen der Regionen, der Bürgermeister, der Länder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Es handelt sich eigentlich nur um eine Verlagerung der Zuschüsse für die Busse, wenn sie schlecht frequentiert, aber trotzdem notwendig für die Regionen sind, vom Bund an die Länder, an die Gemeinden. Das wird dann so gespielt werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Meine Damen und Herren! Geben Sie es ehrlich zu! Bekennen Sie sich dazu! Es steht ja auch in der Einleitung drinnen. Es ist die Fortsetzung Ihrer dilettantischen Privatisierungswelle! Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren! Es wäre zu überlegen gewesen: Welche Chancen haben wir auf dem österreichischen Markt? – Nämlich überhaupt keine. Den Zuschlag werden ausländische Busunternehmen erhalten. Und dann sollte man sich diese großen Busunternehmen einmal ansehen: Sie befinden sich nämlich mehrheitlich im Staatsbesitz. (Abg. Dr. Martin Graf: Sramek!) Hauptaktionär bei diesen großen Unternehmungen ist der Staat, das sollten Sie auch wissen. Und Sie wollen auch die Kernbereiche aufgeben. (Abg. Dr. Martin Graf: Sramek!)

Kollege Graf, interessiere dich einmal für die Probleme der Donaustadt! Nichts bringst du weiter, aber versprochen hast du alles für die Zeit, wenn ihr in der Regierung seid: die S 80, die Nordost-Umfahrung! Nichts bewegt sich. (Abg. Dr. Martin Graf: Die S 80 habt ihr versprochen, nicht ich!)

Meine Damen und Herren! Zusammengefasst: Sie setzen Ihre "Speed kills"-Politik fort. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Machen Sie so weiter! Das Wahlergebnis in Wien wird besonders der FPÖ zeigen, wo sie hingehört. (Beifall bei der SPÖ.)

23.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.41

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Poststrukturgesetz wird der Ausverkauf der österreichischen Schlüsselunternehmen weiter fortgesetzt. Ich sage Ihnen schon heute, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, das wird Ihr nächster Flop, nach der katastrophalen Telekom-Privatisierung, die Sie hinter sich gebracht haben.

Zur Begutachtungsfrist – auch das ist schon angesprochen worden –: Ganze zweieinhalb Wochen wurden für die Begutachtung aufgewendet, sechs Wochen wären vorgesehen. (Abg. Haigermoser: Kollege, schreiben Sie sich Ihre Reden selbst?) Ich sage Ihnen: Sie setzen sich über die Fristen einfach hinweg. Dass Sie sich natürlich über die Kritik der Opposition hinwegsetzen, ist mir klar. Sie pfeifen sich aber in Wahrheit auch überhaupt nichts um die Kritik des Verfassungsdienstes, und das ist demokratiepolitisch bedenklich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben es ja sehr eilig, Sie peitschen ganz bewusst so schnell wie möglich diese Vorlage heute durch das Plenum, um jede Kritik im Keim zu ersticken. Es gibt weder Berechnungen, was die finanziellen Auswirkungen betrifft, noch gibt es irgendwelche Analysen im Hinblick auf die Beschäftigten. Meine sehr geschätzten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Mit diesem Verkauf der Postbus AG zerstören Sie in Wirklichkeit die österreichische Nahverkehrspolitik. Sie nehmen einem ganzen Unternehmen und seinen Mitarbeitern die Identität, und das ist Ihre verwerfliche Politik, die wir anprangern. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, dass es sehr wohl ausländische Interessenten gibt. Es wird ja bereits hurtig verhandelt, wie den Medien zu entnehmen ist. Es pfeifen letztlich schon alle Spatzen vom Dach, dass es ein französisches Staatsunternehmen sein wird, das wahrscheinlich das jetzige österreichische Staatsunternehmen kaufen wird. – Eine kuriose Situation!

Ich sage Ihnen: Es ist ein Fehler, die nationalen verkehrspolitischen Entscheidungen dem Ausland zu überlassen! Dieser Fehler wird sich noch rächen, und Sie werden dafür die Verantwortung tragen müssen. (Abg. Haigermoser: Das tun wir eh!)

Noch etwas: Es ist unanständig, eine Entscheidung zu treffen, die nie mehr zurückgenommen werden kann, wie in diesem Fall. Für Ihre Privatisierungsabenteuer werden die Österreicherinnen und Österreicher tief in die Tasche greifen müssen. Ein gewinnorientiertes Unternehmen, ein gewinnorientierter Eigentümer will Geld sehen, will Cash machen, will Renditen erzielen, und das werden die Menschen in diesem Land zu bezahlen haben. Auch die Gemeinden werden natürlich zur Kassa gebeten werden. (Abg. Edlinger: Sehr richtig!)

Sie werden heute, wenn ich mich nicht irre, mit Ihrer Mehrheit drüberfahren. Machen Sie so weiter! Mit dieser Entscheidung handeln Sie unverantwortlich und gegen die Menschen in diesem Land! Sie werden die Rechnung dafür noch präsentiert bekommen! (Beifall bei der SPÖ.)

23.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 435 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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55. Sitzung / Seite 225

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

13. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (392 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert wird (434 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Es sind nur zwei Redner zu Wort gemeldet; es folgt sodann eine Abstimmung.

Zu Wort gelangt zunächst Herr Abgeordneter Dr. Hannes Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung 3 Minuten. – Bitte.

23.46

Abgeordneter Dkfm. Dr. Hannes Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der vorliegende Gesetzentwurf bringt notwendige Anpassungen in Richtung Wirtschaftstreuhand-Berufsgesetz, in der Pflichtmitgliedschaft der Sparkassenstiftungen, aber auch vor allem in der Abschaffung der Bewilligungspflicht für die Verwendung der Widmungsrücklage, was auch dem Wunsch der Sparkassen erster Instanz entspricht. Die Steiermark, Vorarlberg und Niederösterreich wollten überhaupt, dass diese Bestimmung entfällt. Ich glaube, dass die Abänderung der jährlichen Bewilligungspflicht in eine jährliche Anzeigepflicht in Ordnung ist und daher auch unterstützenswert wird.

Was mich etwas stört – und deshalb auch die Wortmeldung –, ist, dass die Gemeindehaftung bei der Verschmelzung einer Gemeindesparkassenstiftung natürlich generell erlischt. Es sollte aber den Einwänden der Arbeiterkammer und des ÖGB Rechnung getragen und dem Wunsche nach unbefristetem Bestehen der Verbindlichkeiten gegenüber der Belegschaft entsprochen werden, dass nämlich die Anwaltschaft für die Belegschaft durch eine Verschmelzung doch nicht untergehen soll. Ich halte das für wesentlich, aber dem wurde nicht Rechnung getragen.

Was nun die Einräumung der Direktausschüttung an Einzelpersonen betrifft, besonders für mildtätige Maßnahmen, hätte man, so meine ich, dem auch Rechnung tragen können. Auch dem wurde jedoch nicht Rechnung getragen.

Was die Kritik der Kammer der Wirtschaftstreuhänder betrifft, so ist sie zwar aus der Sicht der Wirtschaftstreuhänder verständlich, aber ich bin der Auffassung, dass die Beibehaltung der Prüfungsstelle des Sparkassenprüfungsverbandes durchaus einen guten Grund hat, nämlich dass der Zusammengehörigkeitsgedanke des Sparkassensektors erhalten bleibt und dass letztlich dieses Element der Aufrechterhaltung des Sektorenverbundes sich auch in der Beurteilung des Sektors positiv zu Buche schlägt.

Daher meine ich, dass dies durchaus Anpassungen sind, die notwendig sind und die wir auch unterstützen sollten. Ich bedauere allerdings, dass die Anmerkungen in Bezug auf die Belegschaft und auch auf die Ausschüttung nicht Eingang gefunden haben, denn ansonsten findet dieser Entwurf unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

23.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Müller. Freiwillige Redezeitbeschränkung 2 Minuten. – Bitte.

23.49

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! In der letzten Sitzung des Finanzausschusses wurde das Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz geändert werden soll, behandelt. Mit diesem Gesetzentwurf wird dem Außerkrafttreten der


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Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung und des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes Rechnung getragen.

Durch das Inkrafttreten des Wirtschaftstreuhand-Berufsgesetzes waren die Anpassungen im Sparkassengesetz erforderlich geworden. Auch die Bewilligungspflicht der Sparkassenaufsichtsbehörde erster Instanz zur Spendengewährung von Sparkassen ist aus verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten nicht mehr erforderlich. Die Bewilligungspflicht des Landeshauptmannes für Beschlüsse über die Verwendung der Widmungsrücklage führte zu ungewollten zeitlichen Verzögerungen. Die nunmehr vorgeschlagene jährliche Anzeigeverpflichtung der Sparkassen und die laufende Kontrolle der Mittelverwendung werden als ausreichend angesehen.

Die Aufnahme der Privatstiftungen in den Kreis der ausschließlichen Mitglieder des Sparkassenprüfungsverbandes trägt der Tatsache Rechnung, dass die Prüfungsstelle des Sparkassenprüfungsverbandes auch Gründungs- und Stiftungsprüfer für diese Privatstiftungen ist.

Ich ersuche nun das Hohe Haus, dieser Regierungsvorlage zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

23.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 392 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

14. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (271 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (432 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (299 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die Förderung und den Schutz von Investitionen (433 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (353 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (430 der Beilagen)


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17. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (279 der Beilagen): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (431 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (354 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (429 der Beilagen)


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Wir gelangen nun zu den Punkten 14 bis 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wortmeldungen liegen keine vor.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständigen Staatsvertrages in 271 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständigen Staatsvertrages in 299 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständigen Staatsvertrages in 353 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständigen Staatsvertrages samt Protokoll in 279 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies ebenfalls einstimmig angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständigen Staatsvertrages samt Protokoll in 354 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

19. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nummer 1 bis 5 und die Bürgerinitiativen 1 und 2 (302 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.54

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich als neue Ausschussvorsitzende des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen einiges sagen, was auch grundsätzlicher Natur ist.

Dieser Ausschuss wurde als Ausschuss für die Anliegen der Bürger und Bürgerinnen eingerichtet. Es soll damit der direkte Kontakt der Bürger und Bürgerinnen zum Parlament geschaffen werden, und das wird auch wirklich genützt. Ich glaube, dass es sehr wichtig und notwendig ist, dass es diesen Ausschuss als Schnittstelle zwischen repräsentativer und direkter Demokratie gibt.

Wenn man sich die Themen und Inhalte, welche die Bürger in Form von Petitionen und Bürgerinitiativen an uns herantragen, anschaut, dann sieht man, dass jeder Abgeordneter und jede Abgeordnete in diesem Haus gut beraten ist, wenn er/sie sich genau anschaut, was die Bürger bewegt und wo sie der Schuh drückt. Es wäre auch wichtig und richtig, dass sich die Regierung dieser Probleme entsprechend annähme.

In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Präsidenten Heinz Fischer herzlich dafür danken, für das, was er diesem Ausschuss ermöglicht hat. Ich hatte heute ein Schreiben in meinem Postfach. In diesem wird mir vom Präsidenten mitgeteilt, dass es jetzt einen direkten Link auf der Homepage des Parlaments zum Ausschuss für Bürgerinitiativen und Petitionen gibt, und zwar unter dem Menüpunkt "Services".

Seit 23. Jänner ist diese Verbindung für die Bürger und Bürgerinnen sichergestellt, und über diesen Link gelangt man zu einer Liste, die das Informationsblatt zur Einbringung von Bürgerinitiativen, Tagesordnungen, die einschlägigen Geschäftsordnungsbestimmungen, eingebrachte Petitionen und Bürgerinitiativen, die Sammelberichte des Ausschusses sowie ein Mitgliederverzeichnis, über das wiederum die Biografie eines jeden Abgeordneten und dessen E-mail- und Postadresse aufgerufen werden können, enthält.

Ich bedanke mich beim Präsidenten und bei den Mitarbeitern der Parlamentsdirektion, die dazu beigetragen haben, noch einmal für diese unbürokratische Lösung! (Beifall bei der SPÖ)

Nun zum ersten Sammelbericht in dieser Legislaturperiode. Womit hat sich der Ausschuss bei diesem ersten Sammelbericht vor allem beschäftigt? – Es hat fünf Petitionen und zwei Bürgerinitiativen gegeben. Und ich möchte Ihnen auch einen kleinen Ausblick geben, womit sich der Ausschuss jetzt beschäftigt, denn Berichte sind immer vergangenheitsorientiert. Daher möchte ich Sie auch darüber informieren, was derzeit in Verhandlung steht.

Ich konnte mehr oder weniger vier Themenkreise ausmachen, welche die Bevölkerung im Augenblick besonders interessieren. Zum einen ist es der Bereich Umwelt und Verkehr, weiters ist es der Themenbereich Neutralität, NATO und Friedenspolitik, und großen Raum haben auch die Grund- und Menschenrechte sowie Gesundheits- und Bildungsfragen eingenommen.

Im Berichtszeitraum selbst – also bis zum Oktober letzten Jahres – hat die Bürger und Bürgerinnen besonders die Frage der NATO, der aktiven Friedenspolitik und der Neutralität beschäftigt. Diesbezüglich ist die Volksmeinung, wie wir gesehen haben, eindeutig: Man verlangt vom Parlament, von den Abgeordneten und von der Regierung, dass sich Österreich aktiv an der Friedenspolitik beteiligt und keinem Militärbündnis beitritt. Das ist eindeutiger Meinungsinhalt dieser Bürgerinitiativen. Jeder und jede, der oder die sich innerhalb des Wahlkreises bewegt, wird diese Meinung immer wieder bestätigt finden.


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Meine sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Nehmen Sie sich das zu Herzen! In dieser Republik wollen die wenigsten Menschen, dass die Neutralität aufgegeben wird! Kein Mensch will, wie wir gesehen haben, in die NATO! Bitte beherzigen Sie das! Machen Sie keine Politik gegen das Volk! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Jung. ) Die NATO habe ich gerade abgehandelt, Herr Abgeordneter Jung.

Derzeit beschäftigen unseren Ausschuss vermehrt Initiativen zum Thema Bildung. (Abg. Dr. Khol: Was ist mit der Redezeit?) Herr Abgeordneter und Klubobmann Khol! Es handelt sich um eine freiwillige Redezeitbeschränkung! (Abg. Dr. Khol: Es ist Mitternacht! – Zwischenruf des Abg. Jung. ) Herr Abgeordneter Jung! Wissen Sie, worüber sich die Bürgerinnen und Bürger derzeit besondere Sorgen machen? – Dass es zu einem eklatanten Bildungsabbau kommt!

Das ist im Augenblick das Problem der Bürger und Bürgerinnen. Sie haben Angst um die Zukunft ihrer Kinder. Daher ist es unsere Pflicht als Ausschuss, im Sinne der Bildungspolitik dafür zu sorgen – und wenn Sie die Menschen ernst nehmen, dann sorgen Sie mit uns dafür! –, dass es zu einer entsprechenden Enquete kommt. Im Rahmen dieser Petitionen oder Bürgerinitiativen gibt es teilweise 45 000 Unterschriften, Frau Brinek, und daher schlage ich vor, die Unterzeichner dieser Initiativen, diese Aktivisten hier ins Parlament zu einer Enquete einzuladen und ihnen Gehör zu schenken! Ich glaube, dieser Meinungsaustausch täte gut! Die Bildungssprecher und Wissenschaftssprecher sollen sich mit diesen Menschen zusammensetzen! Machen wir etwas im Namen der Bevölkerung, im Namen derjenigen, denen es unter den Nägeln brennt! (Beifall bei der SPÖ.)

Erwähnen möchte ich noch, dass uns in diesem Ausschuss auch die Mobilfunk-Petition besonders wichtig war, die wir innerhalb des vergangenen Jahres initiiert haben. Das diesbezügliche Vorgehen war vorbildlich. In diesem Ausschuss haben alle vier Fraktionen gemeinsam an einem Strang gezogen. Wir haben versucht, die Bürgeranliegen ernst zu nehmen, und haben eine Enquete initiiert, in welcher das Thema Mobilfunk behandelt wurde. Dabei ging es besonders um zwei Bereiche, nämlich einerseits um die Parteienstellung der Bürger und Bürgerinnen im Falle des Aufstellens eines so genannten Handy-Mastes und andererseits um die Ängste der Bürger in Bezug auf ihre Gesundheit.

Diese Enquete auf hohem Niveau – es waren wirklich hervorragende Fachleute dazu eingeladen – wurde am 20. Juni des vorigen Jahres im Parlament abgehalten. Das Ergebnis war, dass man diesbezügliche Anliegen sicherlich in einschlägige Gesetzesbestimmungen einfließen lassen sollte. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Der damalige Verkehrsminister Dipl.-Ing. Schmid – Sie waren dabei, Herr Abgeordneter Kukacka – hat zwar versprochen beziehungsweise angekündigt, dass es einen Vorsorgewert geben wird, bisher ist jedoch noch keine diesbezügliche Verordnung erlassen worden. Ich hoffe, dass die jetzige Verkehrsministerin Dr. Forstinger diese schon längst überfällige Verordnung erlassen wird.

Ich sage jetzt etwas, auch wenn Herr Abgeordneter Khol ein wenig gelangweilt in der ersten Reihe sitzt. (Abg. Dr. Khol: Nicht "gelangweilt", sondern verärgert!) Auch der Tiroler Landtag hat sich mit diesem Thema beschäftigt und fordert massiv eine einheitliche Regelung betreffend die Parteienrechte in Bezug auf die Handy-Masten. Genau darum geht es, Herr Abgeordneter! (Abg. Dr. Khol: Worum?) Erkundigen Sie sich bei Herrn Weingartner, bei Herrn Eberle oder auch bei Herrn Streiter! Dort ist ein Aufruf an den Nationalrat erfolgt! So ist das!

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte Sie, vor allem die Herren von der Freiheitlichen Partei, die ja so massiv die Mobilfunk-Petition unterstützt haben – Abgeordneter Dr. Graf, Abgeordneter Mag. Schweitzer und Dr. Pumberger zählen zu den Unterzeichnern –: Wirken Sie auf Ihre Verkehrsministerin im Sinne der Bürger und Bürgerinnen ein! Auch wenn es spät ist, sollte uns die Zeit dafür nicht zu schade sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

0.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.04

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Zuerst möchte ich mich bei Vorsitzender Mag. Wurm bedanken, die sich wirklich darum bemüht, dass sich alle vier


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Parteien in diesem Ausschuss einvernehmlich zusammensetzen und in den meisten Fällen ein gemeinsames Ergebnis in der Bearbeitung der verschiedenen Petitionen und Bürgerinitiativen verzeichnen.

Sie hat auch schon die nächsten Petitionen und Bürgerinitiativen im Bereich der Bildung angesprochen. In diesem Zusammenhang möchte ich gleich am Anfang auf einen Missstand oder vielleicht auf einen Missbrauch dieses Ausschusses hinweisen. Es kommt vermehrt dazu, dass Organisationen, im konkreten Fall der ÖGB, diesen Ausschuss für sich zu beanspruchen versuchen: Gerade im Zusammenhang mit den Petitionen zum Bereich Bildung gibt es Vordrucke, in welche nur mehr verschiedene Zahlen neu eingesetzt werden. Daran erkennt man, dass man sich keine besondere Mühe macht, sondern einfach eine Schimmelpetition wahrscheinlich an alle sozialistischen Lehrer ausschickt und sagt: Sammelt Unterschriften und bringt das als Petition ein! – Dieser Ausschuss ist im Jahr 1989 gegründet worden, und ich glaube nicht, dass das der Sinn und Zweck war. Vielmehr versuchte man wirklich, eine direkte Schiene für die Bürger zum Parlament zu legen, damit sie ihre Anliegen und Vorschläge hier einbringen können.

Ganz kurz: Kollegin Wurm hat bereits die behandelten Petitionen und Bürgerinitiativen angesprochen. Ich glaube, dass die Enquete zur Mobilfunk-Petition mit Experten aus dem In- und Ausland wirklich sehr positiv war. Das Ergebnis wird in den Beratungen des Verkehrsausschusses mit berücksichtigt werden. Es ist sehr positiv, dass es in Zukunft einen Zugang über das Internet zu diesem Petitionsausschuss geben wird. – Ich glaube, das ist ein Fortschritt in Bezug auf Bürgernähe.

Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass es auch sehr positiv ist, dass dieser Sammelbericht jetzt jährlich vorgelegt wird, denn wir haben uns immer darüber beschwert, dass dieser Sammelbericht nur alle vier Jahre in einem großen Band vorgelegt wird.

Ich glaube, wir müssen uns immer wieder fragen, wie wir den Ausschuss effizienter gestalten können. Wichtig ist – das möchte ich erwähnen, da heute einige Male von Verwaltungsreform gesprochen wurde –, dass wir auch eine Forderung unseres Ausschusses nicht vergessen: Es gibt heute viele Gemeinden, in welchen Sechzehnjährige wählen können, und in Anbetracht dessen müssen wir dafür sorgen, dass diese auch Bürgerinitiativen oder Petitionen unterzeichnen können. Das ist ein wichtiges Ziel, damit dieser Petitionsausschuss noch effizienter arbeiten kann! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

0.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

0.07

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich auf einige Bemerkungen zu drei Petitionen aus dem Sammelbericht beschränken.

Die Mobilfunk-Petition ist bereits von den Vorrednerinnen angesprochen worden. Der Petitionsausschuss hat zu diesem Thema eine Enquete abgehalten, bei welcher Befürworter und Gegner des Mobilfunks zu Wort gekommen sind und Gelegenheit hatten, ihre Standpunkte ausführlich darzulegen.

Wenn Wissenschafter diskutieren – das ist uns bei dieser Enquete auch bewusst geworden –, dann wird die Entscheidungsfindung für die Politiker nicht immer einfacher. Aber mehr hätte der Petitionsausschuss nicht tun können, die Entscheidung fällt im sachlich dafür zuständigen Verkehrsausschuss.

Zweiter Punkt – Petition Nr. 4, Ausbau statt Kürzung der bilateralen Entwicklungshilfe-Zusammenarbeit: Ich glaube, wir sind nicht nur im Petitionsausschuss, sondern im Hohen Haus insgesamt einer Meinung über die Bedeutung der Entwicklungshilfe-Zusammenarbeit. Die Budgetmittel sind aber – das wissen wir ebenfalls – auch in diesem Bereich auf Grund der Finanzpolitik des vergangenen Jahrzehnts begrenzt, und man wird auch hier die Budgetmittel in der nächsten Zeit konzentriert einsetzen müssen.


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Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Wunsch, den ich schon im Petitionsausschuss deponiert habe, auch hier noch einmal wiederholen: Ich glaube, dass wir auch im Bereich der Entwicklungshilfe-Zusammenarbeit vor allem jene Gebiete berücksichtigen sollten, zu denen Österreich historische Kontakte hat, etwa zum Balkan.

Letzter Punkt – Petition Nr. 5, sie fordert die Wahrung der immerwährenden Neutralität und den Nichtbeitritt zu militärischen Bündnissen: Diesbezüglich ist natürlich zu argumentieren, dass die Neutralität, wie sie Mitte der fünfziger Jahre galt, heute mit Sicherheit obsolet ist. Sie ist einfach ein Relikt aus der Nachkriegszeit. Auf Grund der heute bereits erwähnten Petersberger Beschlüsse wurde Österreich in eine neue europäische Sicherheitsordnung mit eingebunden, und ich glaube, dass es gilt, diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

0.10

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon erwähnt wurde, sind im letzten Berichtsjahr verhältnismäßig wenig Petitionen und Bürgerinitiativen eingetroffen, aber nicht deswegen, weil die Menschen keine Sorgen hatten, sondern weil die Leute auf Grund der Nebelwand der Sanktionen erst jetzt draufgekommen sind, was eigentlich in dieser Republik passiert ist. (Zwischenruf des Abg. Dolinschek. )

Dass es sich tatsächlich so verhält, zeigen die Massen an Petitionen und Bürgerinitiativen, die in den letzten Wochen eingetroffen sind, ganz speziell im Hinblick auf das Dilemma der Bildungspolitik. Ich glaube, es liegen sieben oder acht Petitionen und Bürgerinitiativen allein zu diesem Problem vor. Das ist sehr bezeichnend! Es ist noch nie zu ein und demselben Thema eine solche Flut an Petitionen und Bürgerinitiativen eingetroffen. Das zeigt, wie brisant dieses Thema ist und dass die Leute Angst um ihre Zukunft haben, wenn es um Bildung geht.

Interessant im Hinblick auf das vergangene Jahr ist – und das ist für mich jetzt schon ein Stück neue Qualität –, was man mit dem Instrument Petitionen machen kann. Früher kamen Petitionen von BürgerInnen, von Gruppen und Interessenten, und diese Petitionen wurden in der Regel – oder auch nicht – von Abgeordneten dieses Hauses eingebracht oder mit unterzeichnet, und zwar meistens von Abgeordneten der Opposition.

Jetzt hat sich das verändert. So geht es zum Beispiel – und das ist für mich höchst interessant – in der Petition Nr. 1 ganz konkret um die Verkehrsunfälle im Straßenverkehr, und dazu gibt es ganz konkrete Forderungen. – Ich möchte nur einen Teil davon vorlesen: Volles Ausschöpfen des Strafausmaßes für Alkohol am Steuer beziehungsweise Erhöhung der bestehenden Strafen, Preissenkung für alkoholfreie Getränke beziehungsweise Preiserhöhung für alkoholische Getränke, Aufklärungskampagnen bei Jugendlichen und Erwachsenen über die Gefahren von Alkoholkonsum, Intensivierung der Heimbringerdienste und Aufbau eines verbesserten Sammeltaxinetzwerkes in Stadt und Land.

Man könnte meinen, dass das eine Forderung der Opposition ist. – Wenn Sie das glauben, liegen Sie aber falsch, das ist nämlich eine Forderung der Bundesregierung, eingebracht von Abgeordnetem Kurzbauer! (Abg. Gatterer: Ja, und warum nicht?) Und das ist für mich neu, dass die Regierungsparteien diese Forderungen sozusagen an sich selbst stellen. Es wäre nämlich ohne weiteres mit einem Entschließungsantrag im Parlament möglich, all diese Punkte in einer Abstimmung zu beschließen. Die Regierungsparteien haben doch die Mehrheit, und es gibt noch einige andere, die sich diesen Forderungen sofort anschließen würden.

Meine Damen und Herren! Was zeigt das? – Das ist nicht zu übersehen! Das zeigt, dass es in den Regierungsparteien offensichtlich nicht mehr möglich ist, eine eigene Meinung beziehungsweise Forderung kundzutun und diese auch umzusetzen. Dass Abgeordnete der Regierungsparteien das Instrument der Petitionen in Anspruch nehmen, obwohl diese Forderungen eigent


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55. Sitzung / Seite 232

lich sofort beschlossen werden könnten, ist, wie ich glaube, demokratiepolitisch eine neue Qualität. Das zeigt, wie fest die Klubobmänner ihre Fraktionen am Zügel haben, dass Abgeordnete nicht einmal mehr die Möglichkeit haben, Wünsche und Interessen in ihrer eigenen Partei zu vertreten, und dieses Mittel nützen müssen.

Trotzdem bin ich froh darüber, dass es die genannte Petition gibt. Diese wurde bereits dem Verkehrsausschuss zugewiesen, und ich freue mich schon heute, wenn wir diesen Antrag des Herrn Kurzbauer mit gewaltiger Stimmenmehrheit in diesem Haus beschließen werden. Ich freue mich, dass die ÖVP und die FPÖ für die Preissenkung von alkoholfreien Getränken und für die stärkere Bestrafung alkoholisierter Lenker eintreten werden. Ich bin neugierig, wann das kommen wird, ich wünsche mir, dass es sehr bald kommt, denn das wird eine revolutionäre Sache sein! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

0.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.16

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte, bevor ich direkt zum Thema komme, zwei Vorbemerkungen treffen.

Erstens: Ich bin ganz bei Kollegin Wurm, wenn sie die Bedeutung des Petitionsausschusses betont. Ich erinnere mich noch gut daran, dass von der damaligen Opposition – vor allem von den freiheitlichen Abgeordneten – in der vergangenen Legislaturperiode noch wesentlich mehr Rechte für diesen Ausschuss vehement eingefordert wurden. Was ist jetzt aber geschehen? – In der letzten Ausschusssitzung am 19. Jänner war es erstmalig der Fall – und ich bin seit Beginn meiner Zeit im Hohen Haus als Vollmitglied in diesem Ausschuss tätig –, dass die Anträge auf Zuweisung und Behandlung in einem eigenen Ausschuss mit der Mehrheit der Abgeordneten von den Freiheitlichen und der ÖVP niedergestimmt wurden. – Das stimmt mich demokratiepolitisch sehr bedenklich.

Zweitens: Abgeordnete Gatterer hat behauptet, dass vom ÖGB oder ähnlichen Institutionen sozusagen "Waschzettel", "Schimmelzettel" verteilt werden, die dann nur noch unterschrieben werden. – Diese Anschuldigung möchte ich sehr vehement zurückweisen! Was ist nämlich tatsächlich der Fall? – Es hat insgesamt im Rahmen von acht Petitionen und Bürgerinitiativen zum Bereich Bildung 50 000 Unterschriften gegeben, davon allein 45 000 vom Katholischen Familienverband. Dabei handelt es sich wohl nicht unbedingt um ÖGB-Funktionäre, wie Sie es hier heute dargestellt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn jetzt gerade im Bildungsbereich so viele Petitionen und Bürgerinitiativen eingebracht werden, dann signalisiert das die Angst, die Eltern in Bezug auf die zukünftige Qualität der Schulen haben. Dazu möchte ich auch noch einen kleinen Beitrag liefern.

Die niederösterreichischen Landeslehrer beziehungsweise die ÖAAB-Fraktion Christlicher Gewerkschafter fordern insgesamt vehement eine Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen. Diese Forderung wird durchaus von allen Lehrern, auch von den Sozialdemokraten unterstützt, denn wenn die Qualität der Schulen gesichert beziehungsweise erhöht werden soll und alle Anforderungen an Schule und Lehrer wirklich umgesetzt werden sollen, dann ist die Schülerzahl von 30 in einer Klasse viel zu hoch. (Abg. Gatterer: Wie viele Klassen gibt es mit 30 Schülern?)

Was geht nun aber vor sich? – Gemäß einem neuen Lehrerdienstrecht, das von der Regierung jetzt ausverhandelt wird, sind Einsparungen von mehreren hundert Millionen Schilling gerade im Bereich der Dienstposten zu erwarten! Verschärfend kommt noch der paktierte Finanzausgleich hinzu, mit welchem all das verhindert werden wird, was Qualität in der Schule bedeutet.

Wir stehen vehement zu dieser Forderung nach geringeren Klassenschülerzahlen. – Ich möchte nur einige Punkte erwähnen. (Abg. Dr. Khol: Einige Punkte!?) Wir erwarten Begabungsförderungen, Herr Klubobmann Khol (Heiterkeit), und es wird mit Sicherheit mit 30 Schülern pro Klasse nicht möglich sein, wirklich allen Begabungen zu entsprechen! Ich habe Sie deswegen er


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wähnt, weil das Ihr Lieblingsthema ist, speziell bei Ihnen halt die Hochbegabten-Förderung! (Abg. Dr. Khol: Wieso? Ich bin nur mittelmäßig begabt!)

Wir haben den integrativen Unterricht als ein entsprechendes Ziel formuliert, und um all diese Dinge verwirklichen zu können, stehen wir voll auf der Seite der ÖAAB-Fraktion Christlicher Gewerkschafter.

Zum Schluss möchte ich noch ein Zitat unserer Frau Ministerin bringen: "erstmals klare Unterstützung durch Bundesministerin Elisabeth Gehrer". (Abg. Dr. Khol: Meinen Sie den Dirnberger? Auf dessen Seite stehe ich nicht!)  – Sie ist heute nicht anwesend. Aber vielleicht kann sie dem Protokoll entnehmen, was sie diesen ÖAAB-FCG-Lehrern versprochen hat, und vielleicht ist sie dabei, diese ihre Versprechungen auch umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.21

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz einer leicht verbesserten Bilanz bei den Verkehrstoten muss das Thema Alkohol im Straßenverkehr laufend und nachhaltig bearbeitet werden.

Ich darf zu Frau Abgeordneter Haidlmayr richtig stellen: Ein Anlassfall war es, welcher die Petition des Abgeordneten Kurzbauer ausgelöst hat. Es gab zwei Todesfälle, woraufhin zwei Mädchen mehrere tausend Unterschriften gesammelt und damit diese Initiative eingebracht haben. Herr Abgeordneter Kurzbauer hat in seiner Eigenschaft als Abgeordneter seines Wahlkreises diese Pflicht erfüllt. (Abg. Haidlmayr: Werden wir gleich den Entschließungsantrag beschließen das nächste Mal!) Wir werden schon auf Ihre Wünsche eingehen, Frau Haidlmayr!

Klar ist, dass es stärkere Kontrollen im Straßenverkehr geben muss. Die 0,5 Promille stehen, es muss aber auch zukünftig vermehrt Aufklärung geben. Wir müssen insbesondere unseren jüngeren Menschen die Gefahr von Alkoholmissbrauch im Straßenverkehr bewusst machen. Wir brauchen zukünftig also zwei Schienen, einmal gesetzliche Vorgaben und andererseits freiwillige Initiativen und positive Wege. Mit schwerpunktmäßigen Kontrollen wird es auch zukünftig möglich sein, Alkoholmissbrauch auf der Straße einzudämmen. Eine Straße ohne Kontrollen fördert den Alkoholmissbrauch.

Ein zweiter, für mich persönlich äußerst wichtiger Punkt sind die Aufklärungskampagnen, von der Schule über die Jugend bis hin zu den Erwachsenen. Ohne Alkohol "in" zu sein und damit die Sicherheit im Straßenverkehr zu steigern, muss eine Devise sein. (Abg. Dr. Stummvoll: Ein schönes Wort!)

Abschließend möchte ich dringend einfordern, dass Drogen im Straßenverkehr nicht verharmlost werden dürfen. Lenker, welche unter Drogeneinfluss stehen – da sollten wir uns alle einig sein –, gehören nicht auf die Straße. Sie stellen eine Gefahr dar. Alkohol und Drogen im Straßenverkehr sind kein Kavaliersdelikt, sie gefährden uns alle, und wir müssen dabei wachsam sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

0.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.23

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Auch mich haben die Aussagen, besser gesagt die Forderungen in der Petition Nr. 1 dazu bewogen, mich dem Thema zu widmen, weil auch "Jugend und Alkohol" drinnen vorkommt. Im Gegensatz zu Frau Kollegin Haidlmayr glaube ich, dass es reine Effekthascherei war, weil sich überhaupt nichts ändern wird. Ich würde mich auch freuen – es gibt ja mittlerweile auch einen Ent


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55. Sitzung / Seite 234

schließungsantrag des Kollegen Firlinger und des Kollegen Kukacka dazu –, wenn wir das umsetzen könnten.

Jawohl, Alkohol ist eine legale Droge, und vielleicht konsumieren gerade einige von Ihnen diese Droge in der Cafeteria. Ich glaube, dass wir das Thema insgesamt diskutieren müssten, und frage mich, welchen Stellenwert diese Petition und der Entschließungsantrag, den wir auch zu diskutieren haben werden, wirklich haben, wenn dadurch Ihr Streichungs- und Kürzungsprogramm Exekutivbeamte in Besorgnis erregendem Ausmaß abgebaut werden, obwohl doch eine der Hauptforderungen dieser Petition geheißen hat: stärkere Kontrollen von Seiten der Exekutive hinsichtlich Fahrgeschwindigkeit und Alkoholisierung der Autolenker.

Die "Autolenkerinnen" gibt es nicht; das freut mich. Vielleicht salopp ausgedrückt: Männer am Steuer – ungeheuer; ungeheuerlich ist es natürlich wirklich, wie aggressiv manche unterwegs sind, das stimmt schon. (Abg. Dietachmayr: Das ist ja sexistisch!)

Das Thema Alkohol am Steuer, sprich auch: Drogen am Steuer, ist auf Grund einiger wirklich trauriger Anlässe Grund genug, es zu diskutieren. Aber die Drogentests wird niemand durchführen können, weil es zu wenig Personal geben wird, meine Damen und Herren.

Im Allgemeinen: Wie steht es denn wirklich mit dem Stellenwert des öffentlichen Verkehrs in dieser Petition – dieser wird nämlich auch angesprochen –, wenn Ihre Devise heißt: Schwächen, Aushungern des öffentlichen Verkehrs zugunsten der Frächter-Lobby? – Unter welchen Bedingungen die Fahrer oft fahren müssen, das sei auch einmal erwähnt.

Welche Rolle spielt denn die Verkehrssicherheit in Ihrer Politik, meine Damen und Herren, wenn es heißt: Konzepte – bitte warten, bitte warten, bitte warten?

Welche Rolle – und jetzt komme ich zu meinem Thema – spielen die Jugendlichen in Ihrer Politik? – Ich erinnere mich, dass ich auch in der Stellungnahme des Sozialministeriums gelesen habe, dass im Februar in Stockholm ein WHO-Kongress zum Hauptthema Jugend und Alkohol stattfinden wird. Wenn Sie das Wort "Primärprävention" nicht nur als Schlagwort verwenden, sondern gemeinsam mit den Jugendlichen umsetzen wollen, dann müssen Sie ihnen auch die Möglichkeit einräumen, sich daran zu beteiligen und an politischen Entscheidungen mitzuwirken. Immer wieder werden Jugendliche auf ihre Pflichten hingewiesen; dass sie auch Rechte haben, vergisst man leicht.

Ein wichtiger Aspekt von Jugendpolitik wäre zum Beispiel das Recht auf Primärprävention, mit der Chance, dass ein maßvoller Umgang mit Drogen gelernt und genossen wird, meine Damen und Herren. Alkohol – das wissen wir – ist viel häufiger die Einstiegsdroge in Heroinabhängigkeit als jede andere Droge. Aber darüber werden wir, glaube ich, morgen noch reden können.

Die Überschrift der Petition lautet: "Muss immer etwas geschehen, bevor wir begreifen?" – Ich sage: Was muss noch geschehen, bevor Sie begreifen? (Beifall bei der SPÖ.)

0.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Heinzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.26

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Petitionsausschuss hat sich in seiner Sitzung, wie wir schon gehört haben, auch mit zwei Petitionen zur Verkehrspolitik beschäftigt. Dabei wurden zentrale verkehrspolitische Fragen aufgegriffen, namentlich der Schutz der Bevölkerung vor Alko-Lenkern und das Thema Road-Pricing.

Zum Ersten, dem Schutz der Bevölkerung vor Alko-Lenkern: Im Jänner dieses Jahres hat ein verheerender Unfall, bei dem zwei Exekutivbeamte ums Leben gekommen sind, die Dringlichkeit des Kampfes gegen Drogen und Alkohol am Steuer wiederum aufgezeigt. Wir alle aber erinnern uns noch an den Widerstand vor allem der ÖVP gegen die Absenkung der Promillegrenze von 0,8 auf 0,5. Sehr geehrte Damen und Herren vor allem von der ÖVP! Die


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55. Sitzung / Seite 235

Statistik hat Sie widerlegt. Nach einer Untersuchung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit kam es zu einem Rückgang der Alkoholunfälle um 15 Prozent. Dutzende Menschenleben konnten durch die Einführung der 0,5-Promillegrenze gerettet werden. (Beifall der Abg. Mag. Wurm. )

Es kann nicht sein, dass das Herumbolzen in angetrunkenem Zustand ein Kavaliersdelikt ist. Ich empfehle Ihnen von der ÖVP, sich ein Beispiel an Ihrem Parteifreund Herrn Abgeordneten Kurzbauer zu nehmen. Er hat nämlich die angesprochene Petition zur Verschärfung des Vorgehens gegen Alkohollenker eingebracht.

Nun zum zweiten verkehrspolitischen Petitionsthema, dem Road-Pricing.

Sehr geehrte Damen und Herren! Durch eine seit 1998 wiederkehrende Verzögerungspolitik der ÖVP, die nach der Wende zum Schlechteren von der FPÖ auch munter fortgesetzt wird, entsteht dem Staat bei der LKW-Maut ein milliardenschwerer Schaden. (Abg. Böhacker: Das ist unrichtig!) Die Frächter werden geschont (Abg. Böhacker: Das ist wieder unrichtig!), private Autofahrer hingegen kräftig zur Kasse gebeten. Sie von der Regierungskoalition haben die Autofahrer durch die Erhöhung des Preises der Mautvignette um 80 Prozent und der Versicherungssteuer um 51 Prozent mit 13 Milliarden Schilling belastet, die Frächter aber durch die KFZ-Steuer nur um bescheidene 900 Millionen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Wer hat denn die Vignette eingeführt? Die SPÖ!)

Mit der Verzögerung bei der Einführung der LKW-Maut zementiert die blau-schwarze Regierungsriege die massive und ungerechtfertigte Quersubventionierung des Schwerverkehrs durch den PKW-Verkehr ein. Sie verzögern aber auch den notwendigen Verkehrsinfrastruktur-Ausbau und gefährden damit den Wirtschaftsstandort Österreich. Das sei Ihnen in Ihr Stammbuch geschrieben! (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem ist es umweltpolitischer Schwachsinn, sehr geehrte Damen und Herren von der Regierungskoalition, die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Schiene auf die Straße weiter zu fördern. Sie haben vor wenigen Monaten eine Klima-Strategie beschlossen, in der als größter Brocken die CO2-Emissionsreduktion im Verkehrssektor veranschlagt wird. Gleichzeitig stellen Sie aber die Nebenbahnen ein und lassen die Frächter-Lobby weiter ungeschoren fahren. Dabei bedeutet jede Verzögerung bei der LKW-Maut auch den Verzicht auf die Straßenerhaltung. (Abg. Dr. Puttinger: Wer ist denn der größte Spediteur in Österreich? Die ÖBB!) Wir wissen, sehr geehrte Damen und Herren, dass zum Beispiel ein LKW-Zug unsere Straßen um das Zehntausendfache mehr belastet als ein PKW. Sie verzichten auf 15 Milliarden Schilling durch die Nichteinführung der Autobahnmaut für LKW.

Sie sind hier sehr großzügig. Bei der Ambulanzgebühr, bei der Autobahnvignette, bei den Studiengebühren und so weiter sind Sie Blau-Schwarze nicht so großzügig.

Ich fasse daher zusammen: Der SPÖ ist es ein Anliegen, dass die Suchtmittel am Steuer in jeder Form sinnvoll bekämpft werden. Zweitens lehnen wir hier jede weitere Verzögerung des Road-Pricings entschieden ab. (Beifall bei der SPÖ.)

0.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.31

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Auch ich möchte mich mit dem Thema Verkehr beschäftigen, einem Thema, das unsere Bürger sehr bewegt. Da meine Vorredner, speziell Kollege Heinzl, dazu schon alle wesentlichen Ausführungen getätigt haben, darf ich mich auf einen Punkt beschränken. Es ist dies die Verlesung eines


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55. Sitzung / Seite 236

Entschließungsantrages der Abgeordneten Niederwieser, Reheis und Wurm.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten DDr. Niederwieser, Reheis, Mag. Wurm und GenossInnen betreffend die Erlassung von eindeutigen Rechtsgrundlagen zur Ahndung von Verstößen gegen die Ökopunktepflicht

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Verkehr wird aufgefordert, binnen 6 Wochen dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zuzuleiten, mit welchem die zur Ahndung von Verstößen gegen die Ökopunktepflicht notwendigen Straftatbestände geschaffen werden, wobei auch sicherzustellen ist, dass nicht die Fahrer, sondern das Unternehmen und die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen sind.

*****

Über den unwürdigen Streit zwischen Forstinger und Weingartner wurde hier schon einiges ausgeführt. Er geht voll zu Lasten der Bevölkerung, weil nämlich, während dieser Streit andauert, die Ökopunkte-Sünder nicht bestraft werden. Das ist zum Teil ein gesetzliches Problem, das hier zu lösen ist, was wir mit diesem Entschließungsantrag auf den Weg bringen wollen.

Es ist zum Teil aber auch ein Problem der Fahrer, die in den LKWs nicht nachsehen können, ob die Ökopunkte überhaupt vorhanden sind. Sie haben dazu keine Möglichkeit, sind aber diejenigen, die bestraft werden. Auch das ist unbefriedigend.

Daher ersuche ich, dieser Entschließung zuzustimmen, mit welcher die Verkehrsministerin aufgefordert wird, hier ehestmöglich dem Nationalrat eine Lösung vorzuschlagen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

0.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Niederwieser, Genossen und Genossinnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht in 302 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten DDr. Niederwieser und Genossen betreffend Erlassung von eindeutigen Rechtsgrundlagen zur Ahndung von Verstößen gegen die Ökopunktepflicht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

20. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (325/A)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.


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Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Die Uhr ist wunschgemäß auf 4 Minuten eingestellt. – Bitte. (Abg. Dr. Khol  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Jarolim –: Verlange nicht, was es schon gibt!)

0.34

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist ein Antrag auf Änderung des Verhetzungsparagraphen 283 StGB. Grundintention ist eine Bestrafung, wenn zu feindseligen Haltungen gehetzt wird gegen bestimmte Gruppen, Religionsgemeinschaften, Volk, Volksstamm; sexuelle Orientierung ist neu.

Wir haben in der Vergangenheit in den Ausschüssen mehrfach diskutiert und haben festgestellt – natürlich bei unterschiedlicher Meinung –, dass die Frage der Öffentlichkeit, der doppelten Öffentlichkeit eine Bestimmung ist, die in Wirklichkeit der Intention dieses Paragraphen nicht entspricht und daher aufgelöst werden soll. Es soll von der doppelten auf die einfache Öffentlichkeit übergegangen werden. – Das ist die eine Bestimmung.

Die zweite Änderung besteht darin, dass wir die sexuelle Orientierung in den Verhetzungsparagraphen mit einbeziehen wollen, weil es eine Reihe von Problemen gegeben hat, nicht zuletzt auch ein relativ umfangreiches Strafverfahren eines Herrn Dieman – die meisten von Ihnen werden dieses Verfahren kennen –, in dem in einer unerhörten Art und Weise gegen Gleichgeschlechtliche gehetzt worden ist, sodass auch der Richter im Rahmen der Verhandlung letztlich Verständnis geäußert und das Bedauern zum Ausdruck gebracht hat, dass diese Bestimmung, die letztlich eigentlich dem, was sie heißt, nämlich Verhetzung, nicht entsprechen kann, nicht zur Anwendung kommt. Daher halten wir es für absolut notwendig, diese Bestimmung auf Verhetzung gegen Homosexuelle auszuweiten.

Wir kennen aus der Diskussion zum § 209 StGB – das ist zumindest meine persönliche Meinung – im Gesamthaus doch eine Änderung des Bildes. Ich hoffe, dass wir im Rahmen der weiteren Diskussionen auch hier etwas voranschreiten und europäische Standards zum Menschenrecht akzeptieren werden. Sie wissen, es hat auch im Europarat zahlreiche Diskussionen gegeben und dass wir mit dem Standpunkt, den die Mehrheit in diesem Haus einnimmt, in einer intellektuell redlichen Diskussion eigentlich nicht wirklich bestehen können.

Ich würde daher appellieren, dass wir im Ausschuss ohne Vorurteile und ohne eingegrabene Positionen in diese Diskussion eintreten, dass wir uns dieser Thematik von einer offenen Seite her nähern und dass dort wirklich berücksichtigt wird, was die Intention ist. Es geht hier um Menschenrechte.

In diesem Sinn darf ich Sie zu einer offenen Diskussion einladen. Ich hoffe, dass das möglich sein wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

0.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.37

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Angesichts der vorgeschrittenen Stunde habe ich mein mehrseitiges Konzept in der Bank gelassen. Lassen Sie mich nur zwei Dinge sagen.

Der erste Teil des Vorschlags Jarolim, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei der Verhetzung wegzustreichen, würde bedeuten, dass jedes Biertisch-Pamphlet, jede bierselige Äußerung sofort kriminalisiert werden würde. Das kann doch niemand wirklich wollen! – Daher lehnen wir das ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die zweite Regelung, nämlich dass man die homosexuelle Gruppe dezidiert ins Gesetz aufnimmt, würde eine bestimmte Gruppe zusätzlich unter diesen Schutz stellen. Wir sehen eher die deutsche Regelung, die alle Teile der Bevölkerung, gegen die gehetzt wird, umfasst, als besser an, denn dann würde Hetze gegen Schwarz-Blau genauso behandelt werden wie Hetze


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55. Sitzung / Seite 238

gegen andere Teile der Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Genau!)

0.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.38

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier bin ich, wie in so vielen Dingen, ganz auf der Seite meines Amtsvorgängers Christian Broda. Von ihm stammt die Bestimmung, für deren Änderung jetzt Kollege Jarolim dieses Haus gewinnen will.

Es gibt in dem Gesamtablauf, um den es da geht, tatsächlich eine Lücke, die zu schließen sich auszahlen würde. Sie liegt aber woanders, als Kollege Jarolim es annimmt.

Zunächst einmal gibt es die einfache Ehrenbeleidigung. Auch die verlangt ein gewisses Maß an Öffentlichkeit, und die kann der Betreffende dann als Privatankläger zu rügen trachten.

Ferner gibt es den Problemkreis, dass eine Gruppe von Personen beschimpft wird, aber nicht ein Einzelner sich als unmittelbar betroffen bezeichnen kann. Dann ist ihm vom Gesetzgeber die Möglichkeit der Ehrenbeleidigung nicht gegeben. Wenn zum Beispiel jemand sagt, "Die Rechtsanwälte sind lauter Verbrecher!", und ganz offensichtlich nicht mich persönlich damit meint, kann ich mich nicht wehren. Ich habe seinerzeit schon gegenüber Christian Broda den Standpunkt vertreten, dass man das vielleicht auch privatanklagefähig machen sollte. Bei einer solchen Massen-Ehrenbeleidigung sollte sich doch jeder Betroffene wehren können.

Außerdem gibt es die Verhetzung, auch nach dem Modell Broda, die besagt: Wenn das über die private Atmosphäre hinausgeht und die öffentliche Ordnung gefährdet, dann soll es ein Offizialdelikt sein. Dort sind wir jetzt, und dort gibt es eigentlich keine Lücke.

Ich glaube daher, dass wir Christian Broda – Gott hab ihn selig! – ruhen lassen sollten und dass wir da nichts ändern sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

0.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.40

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jarolim, der ganz konsenssinnig erläutert hat, was die Absicht des Initiativantrages ist, den er eingebracht hat, hat unter anderem davon gesprochen, dass es der intellektuellen Redlichkeit widersprechen würde, hier entgegen dem allgemeinen europäischen Menschenrechtsstandard nicht Maßnahmen zu treffen. Ich habe Verständnis dafür, dass er das so sieht – vor allem, wenn es so spät ist. Aber dass er da nicht sehr erfolgreich sein wird, hat die Stellungnahme der Vorsitzenden des Justizausschusses, Frau Dr. Fekter, gezeigt.

Wenn man sich tatsächlich dazu versteigt und hier meint, dass Hetze gegen homosexuelle Menschen in diesem Land, Hetze gegen religiöse Minoritäten (Abg. Dr. Leiner: Wer hetzt denn?), Hetze gegen Andersfarbige zu vergleichen ist mit politischer Kritik an der schwarz-blauen Regierung, dann spricht das für sich, meine Damen und Herren! Ich habe dem nichts hinzuzufügen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Schwarz-Blau, das sind ja keine Menschen!)

0.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 325/A dem Justizausschuss zu.


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55. Sitzung / Seite 239

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsanträge

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 67/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz zur Begründung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Angelegenheiten des Tierschutzes geändert wird, eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist die Minderheit! – Abg. Dr. Khol: Wieder nichts! – Abg. Dr. Einem: Ihr seid eine Neinsager-Partei!)

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 68/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz von Tieren – Tierschutzgesetz – eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 81/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über wirtschaftliche und soziale Rechte eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Dr. Khol: Der Gusenbauer ist schlafen gegangen!)

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 150/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 169/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz zur Einführung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit geändert wird, eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt. (Abg. Ing. Westenthaler: Serien-Niederlage!)

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 170/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und dem Verwaltungsgerichtshof – Verwaltungsgerichtshofordnung – eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen. – Es ist dies die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 329/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestim


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55. Sitzung / Seite 240

mungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird, eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 333/A (E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzniveaus in Österreich eine Frist bis 1. Mai 2001 zu setzen. (Abg. Dr. Martin Graf: Wo ist der Maier?)

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen. – Es ist das die Minderheit und damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 365/A (E) bis 373/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1809/J bis 1839/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für heute, Donnerstag, den 1. Februar 2001, 9 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen. Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 0.45 Uhr