Stenographisches Protokoll

36. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 20. September 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

36. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 20. September 2000

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 20. September 2000: 9.02 – 23.31 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema "Österreich in Europa"

2. Punkt: Bericht über den Antrag 211/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen gemäß Art. 49b B-VG iVm § 26 GOG-NR auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Art. 49b B-VG über die Weiterentwicklung des EU-Rechts zur Sicherstellung der Gleichberechtigung und der demokratischen Rechte aller EU-Mitgliedstaaten, zur Garantie von Grund- und Freiheitsrechten in der Europäischen Union sowie zur Schaffung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union und zur sofortigen Aufhebung der ungerechtfertigten Sanktionen gegen Österreich

3. Punkt: Bericht betreffend den Außenpolitischen Bericht 1999 der Bundesregierung

4. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 217/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch, Nikolaus Prinz und Genossen betreffend Verschärfung der Zucht- und Haltungsbedingungen für "potentiell gefährliche" Hunde

5. Punkt: Bericht über den Antrag 235/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Abwehr von Gefahren, die von gefährlichen Hunden ("Kampfhunden") ausgehen, das Strafgesetzbuch und das Waffengesetz 1996 geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird

7. Punkt: Bericht über den Antrag 210/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000 – UrhG-Nov 2000)

8. Punkt: Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens

9. Punkt: Bericht über den Antrag 209/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit


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dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden

10. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen

11. Punkt: Bericht über den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 16.4.1998, E 110-NR/XX. GP

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Inhalt

Nationalrat

Einberufung der ordentlichen Tagung 2000/2001 19

Mandatsverzicht des Abgeordneten Rudolf Schwarzböck 19

Angelobung des Abgeordneten Ing. Hermann Schultes 19

Personalien

Verhinderungen 19

Ordnungsruf 164

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 26/A der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 17. Oktober 2000 zu setzen 38

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 38

Redner:

Dr. Evelin Lichtenberger 141

Gerhard Reheis 143

Mag. Helmut Kukacka 145

Mag. Reinhard Firlinger 146

Dr. Gabriela Moser 147

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 149

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 38

Antrag des Abgeordneten Karl Öllinger im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundesministers für Justiz und des Bundeskanzlers – Ablehnung 88, 90

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Antrag des Abgeordneten Karl Öllinger:

Dr. Andreas Khol 89

Harald Fischl 89

Dr. Harald Ofner 89


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Erklärung  des Präsidenten Dr.  Werner  Fasslabend betreffend § 59 GOG 89

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen betreffend die tatsächliche Berichtigung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol in der gemeinsamen Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 165

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen betreffend Abstimmung über den Antrag des Hauptausschusses auf Durchführung einer Volksbefragung 167

Aktuelle Stunde (9.)

Thema: "Pendlerpauschale erhöhen – Heizkostenzuschuss gewähren!"

Redner:

Doris Bures 20

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 22

Mag. Maria Kubitschek 24

Paul Kiss 26

Theresia Zierler 27

Dr. Evelin Lichtenberger 28

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 30

Mag. Kurt Gaßner 31

Ridi Steibl 32

Reinhart Gaugg 33

Dr. Eva Glawischnig 35

Ausschüsse

Zuweisungen 36

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Caspar Einem und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Einführung von Studiengebühren und Senkung der Bildungsqualität (1234/J) 105

Begründung: Dr. Caspar Einem 108

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 110

Debatte:

Mag. Andrea Kuntzl 114

Dr. Gertrude Brinek 115

Dr. Martin Graf 117

Dr. Kurt Grünewald 119

Dr. Dieter Antoni 122

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 124

Dr. Kurt Grünewald (tatsächliche Berichtigung) 126

Werner Amon 126

Mag. Herbert Haupt 128

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 130

Beate Schasching 132

Mag. Karin Hakl 133

Mag. Karl Schweitzer 135

Dieter Brosz 136

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (tatsächliche Berichtigung) 138

Mag. Werner Kogler (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 139

DDr. Erwin Niederwieser 139


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36. Sitzung / Seite 4

Dr. Andreas Khol 140

Dr. Peter Kostelka (tatsächliche Berichtigung) 141

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Amon, Dr. Michael Graf und  Genossen  betreffend  begleitende  Maßnahmen  zur Qualitätssicherung an  den  Universitäten  und  Sicherstellung  der  sozialen  Gerechtigkeit für Studierende  im  Zuge  der  Einführung  von Studienbeiträgen  –  Annahme (E 29) 127, 141

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Caspar Einem und Genossen betreffend freien Zugang zur Bildung und gegen die Einführung von Studiengebühren – Ablehnung 132, 141

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärungen des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema "Österreich in Europa" 38

2. Punkt: Bericht des Hauptausschusses über den Antrag 211/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen gemäß Art. 49b B-VG iVm § 26 GOG-NR auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Art. 49b B-VG über die Weiterentwicklung des EU-Rechts zur Sicherstellung der Gleichberechtigung und der demokratischen Rechte aller EU-Mitgliedstaaten, zur Garantie von Grund- und Freiheitsrechten in der Europäischen Union sowie zur Schaffung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union und zur sofortigen Aufhebung der ungerechtfertigten Sanktionen gegen Österreich (268 d. B.) 39

3. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses betreffend den Außenpolitischen Bericht 1999 der Bundesregierung (III-46/204 d. B.) 39

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 39

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 43

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung 20

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer 47

Dr. Andreas Khol 51

Dr. Alexander Van der Bellen 55

Ing. Peter Westenthaler 60

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 65, 93, 159

Dr. Josef Cap 68

Dr. Michael Spindelegger 70

Dr. Peter Pilz 72, 162

Dr. Harald Ofner 74

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 76

Peter Schieder 78

Dr. Christof Zernatto 81

Mag. Ulrike Lunacek 82

Mag. Karl Schweitzer 85

Dr. Caspar Einem 86

Georg Schwarzenberger 90

Karl Öllinger 91

Wolfgang Jung 93


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36. Sitzung / Seite 5

Dr. Johannes Jarolim 95

Edeltraud Gatterer 97

Mag. Andrea Kuntzl 98

Dr. Michael Krüger 100

Mag. Gisela Wurm 102

Wolfgang Großruck 104, 149

Dr. Gerhard Kurzmann 150

Dr. Reinhard Eugen Bösch 151

Dr. Martin Graf 152

Dr. Peter Kostelka 154

Mag. Gilbert Trattner 158

Dr. Eva Glawischnig 159

Mag. Terezija Stoisits 160

Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) 165

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend Reform und Erweiterung der Europäischen Union – Annahme (E 30) 55, 165

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung 60, 166

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung 70, 166

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend außenpolitische Strategie zur Beendigung der außenpolitischen Isolierung Österreichs – Ablehnung 79, 166

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schieder und Genossen betreffend ungerechtfertigte Pauschalkritik an Österreichs Diplomaten – Ablehnung 80, 166

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen betreffend Einhaltung der Prinzipien der Demokratie und der Redefreiheit und der gemeinsamen europäischen Werte – Ablehnung 97, 165

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen betreffend konsequentes Auftreten gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus – Ablehnung 100, 165

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen betreffend keine weiteren Kürzungen im Bereich der Auslandskulturpolitik –Ablehnung 104, 166

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Weiterverfolgung der österreichischen Klimastrategie – Annahme (E 31) 151, 166

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend eine umweltaußenpolitische Offensive zu Klimaschutz – Ablehnung 160, 167

Ablehnung des Ausschussantrages in 268 d. B. 166

Kenntnisnahme des Berichtes III-46 d. B. 166


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36. Sitzung / Seite 6

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Entschließungsan-trag 217/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch, Nikolaus Prinz und Genossen betreffend Verschärfung der Zucht- und Haltungsbedingungen für "potentiell gefährliche" Hunde (286 d. B.) 167

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 235/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Abwehr von Gefahren, die von gefährlichen Hunden ("Kampfhunden") ausgehen, das Strafgesetzbuch und das Waffengesetz 1996 geändert werden (287 d. B.) 167

Redner:

Dr. Peter Kostelka 167

Nikolaus Prinz 168

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 170

Mag. Dr. Udo Grollitsch 171, 181

Ludmilla Parfuss 173

Mag. Herbert Haupt (tatsächliche Berichtigung) 174

Walter Murauer 174

Katharina Pfeffer 176

Mag. Herbert Haupt 176

Dr. Günther Kräuter 178

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 179

Dr. Helene Partik-Pablé 180

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 286 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Verschärfung der Zucht- und Haltungsbedingungen für "potentiell gefährliche" Hunde (E 32) 182

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 287 d. B. 182

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (111 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (288 d. B.) 182

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 210/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000 – UrhG-Nov 2000) (290 d. B.) 182

8. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (274 d. B.): Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens (292 d. B.) 182

Redner:

Mag. Johann Maier 182

Mag. Cordula Frieser 184

Dr. Harald Ofner 185

Mag. Terezija Stoisits 185

Anna Huber 186

Dr. Michael Krüger 186

Mag. Gisela Wurm 187

Dr. Sylvia Papházy MBA 188


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36. Sitzung / Seite 7

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 189

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 189

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 288 und 290 d. B. 190

Genehmigung des Staatsvertrages in 274 d. B. 190

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 209/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (289 d. B.) 190

10. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (64 d. B.): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen (291 d. B.) 191

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 191

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 192

Mag. Terezija Stoisits 203

Dr. Harald Ofner 205

Doris Bures 206

Mag. Dr. Josef Trinkl 207

Anton Heinzl 208

Mag. Eduard Mainoni 209

Werner Miedl 210

Annahme des Gesetzentwurfes in 289 d. B. 212

Genehmigung des Staatsvertrages in 64 d. B. 214

11. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Bericht (III-43 d. B.) des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 16.4.1998, E 110-NR/XX. GP (217 d. B.) 214

Redner:

Mag. Andrea Kuntzl 214

Rosemarie Bauer 215

Anna Elisabeth Aumayr 216

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 217

Dr. Caspar Einem 220

Ridi Steibl 221

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 222

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (tatsächliche Berichtigung) 224

Sophie Bauer 224

Edeltraud Lentsch 225

Norbert Staffaneller 226

Mag. Barbara Prammer 228

Staatssekretärin Mares Rossmann 230

Karl Freund 231

Dr. Gertrude Brinek 233

Karl Öllinger 234

Dr. Gabriela Moser 235

Kenntnisnahme des Berichtes III-43 d. B. 236


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36. Sitzung / Seite 8

Eingebracht wurden

Petition 36

Petition betreffend "Dringend dafür zu sorgen, dass schnellstmöglich die Lärmplage für die Anrainer der Inntal Autobahn in zwei Erler Ortsteilen durch die Errichtung einer Lärmschutzwand gemildert wird" (Ordnungsnummer 9) (überreicht von der Abgeordneten Edith Haller )

Regierungsvorlagen 36

272: Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen

275: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

276: Übereinkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

277: Protokoll zur Abänderung des am 30. Januar 1974 in Wien unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

278: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll

280: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über den Umweltsenat (USG 2000) erlassen wird

281: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

282: Bundesgesetz, mit dem die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber rechtlich verselbständigt werden (Spanische Hofreitschule-Gesetz)

Berichte 37

III-61: Grüner Bericht 1999 sowie Empfehlungen 2000 der Kommission gemäß § 7 LWG; Bundesregierung

III-62: Bericht über das Ausmaß und die Verwendung des Aufkommens nach Art. II Abs. 6 der UrhG-Nov. 1986 im Geschäftsjahr 1999; Bundeskanzler

Anträge der Abgeordneten

Dr. Günther Kräuter und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestimmungen über eine Infrastrukturkompetenz des Bundes ergänzt wird (254/A)

Gerhard Reheis und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967) geändert wird (255/A)


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36. Sitzung / Seite 9

Doris Bures und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (256/A)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (257/A)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen gemäß Artikel 49b B-VG iVm § 26 GOG-NR auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Artikel 49b B-VG für den Erhalt des öffentlichen Waldes, für die Wahrung der freien Zugänglichkeit zum Wald und zu den Seegrundstücken als Erholungsraum und für den Erhalt der öffentlichen Wasserressourcen (258/A)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Energieeffizienzverbesserung bei Bundesgebäuden (259/A) (E)

Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Rettung der Mehrwegsysteme im Getränkebereich (260/A) (E)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Schadenersatz für Urlaubsärger (261/A) (E)

Karlheinz Kopf, lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Förderung der Maschinenstickerei im Lande Vorarlberg getroffen werden (Stickereiförderungsgesetz), BGBl. Nr. 222/1956, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 187/1985, aufgehoben wird (262/A)

Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft (263/A) (E)

Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (264/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Peter Wittmann und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend den Arbeitsauftrag an die Unternehmensberatungsfirma "mediaConsulting" zur Pflege des Images der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen und Kosten (1233/J)

Dr. Caspar Einem und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Einführung von Studiengebühren und Senkung der Bildungsqualität (1234/J)


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36. Sitzung / Seite 10

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend angekündigte Reduktion der Bezirksgerichte (1235/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend angekündigte Reduktion der Finanzämter (1236/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Weiterführung der Waldviertler Schmalspurbahn (1237/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend in Auftrag gegebene Gutachten in- und ausländischer Experten (1238/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend personelle Umbesetzung im Aufsichtsrat der Schienen Control GmbH (1239/J)

Rudolf Parnigoni und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Grundlagen der weiteren Bahnentwicklung (1240/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend vollelektronische LKW-Maut-Varianten (1241/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend selbständige Ersatzfahrer – LKW-Fahrer aus Drittstaaten u. a. (1242/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend persönliche Sicherheitserklärung/Militärische Verlässlichkeitsüberprüfung für ehemals Bedienstete der BGV II (Grundrechtseingriff) (1243/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend freie Wahl der Krankenversicherung (1244/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend NPD (1245/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zivildienst (1246/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Kieferorthopädie (1247/J)

Beate Schasching und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend: Sucht ist eine Krankheit wie andere auch! (1248/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die anti-homosexuellen Sonderstrafbestimmungen §§ 220 und 221 StGB (1249/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die anti-homosexuellen Sonderstrafbestimmungen §§ 220 und 221 StGB (1250/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen (1251/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen (1252/J)


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36. Sitzung / Seite 11

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Vorfall anlässlich eines Besuches des Bundesministers für Inneres am 25. Mai 2000 in Linz (1253/J)

Werner Miedl und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die dringend notwendige Installierung eines weiteren Linearbeschleunigers für die Universitätsklinik für Strahlentherapie – Radioonkologie am LKH Graz (1254/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und Bewältigung kommender Verkehrsprobleme im burgenländischen Raum im Hinblick auf die beabsichtigte EU-Osterweiterung (1255/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Bahnausbau im Abschnitt Krummnußbaum – Säusenstein (1256/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Aufhebung des 110-km/h-PKW- und 60-km/h-LKW-Nacht-Tempolimits auf der Pyhrn- und Innkreis Autobahn (1257/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Festsetzung von gefährlichen Abfällen und Problemstoffen (Festsetzungsverordnung 1997) (1258/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Umfahrung Lambach im Bezirk Wels Land (1259/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Ölpreis (1260/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1028/AB zu 999/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1029/AB zu 998/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1030/AB zu 1003/J)

der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1031/AB zu 1013/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1032/AB zu 1000/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1033/AB zu 1019/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen (1034/AB zu 1025/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen (1035/AB zu 1125/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (1036/AB zu 1030/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (1037/AB zu 1031/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (1038/AB zu 1032/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (1039/AB zu 1033/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 12

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1040/AB zu 1038/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1041/AB zu 1008/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (1042/AB zu 1054/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1043/AB zu 1091/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen (1044/AB zu 1175/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1045/AB zu 997/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Dobnigg und Genossen (1046/AB zu 1049/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Maria Kubitschek und Genossen (1047/AB zu 987/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1048/AB zu 1006/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1049/AB zu 1007/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1050/AB zu 1015/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Maria Kubitschek und Genossen (1051/AB zu 1063/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1052/AB zu 1078/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1053/AB zu 1093/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1054/AB zu 1020/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1055/AB zu 1035/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (1056/AB zu 1059/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1057/AB zu 1064/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (1058/AB zu 1055/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1059/AB zu 1081/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 13

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen (1060/AB zu 1123/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Werner Kummerer und Genossen (1061/AB zu 1126/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Reheis und Genossen (1062/AB zu 1130/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1063/AB zu 1151/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen (1064/AB zu 1136/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Reinhold Lexer und Genossen (1065/AB zu 988/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1066/AB zu 991/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1067/AB zu 992/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1068/AB zu 994/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1069/AB zu 1001/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anna Huber und Genossen (1070/AB zu 1022/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (1071/AB zu 1027/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1072/AB zu 1071/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1073/AB zu 1072/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1074/AB zu 1076/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1075/AB zu 1077/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1076/AB zu 1079/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen (1077/AB zu 1124/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (1078/AB zu 1046/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 14

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen (1079/AB zu 1137/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1080/AB zu 1085/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1081/AB zu 1088J/)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1082/AB zu 1101/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1083/AB zu 1102/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1084/AB zu 1104/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1085/AB zu 1106/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1086/AB zu 1108/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1087/AB zu 1109/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1088/AB zu 1112/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1089/AB zu 1113/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1090/AB zu 1115/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen (1091/AB zu 1138/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen (1092/AB zu 1024/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen (1093/AB zu 1023/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen (1094/AB zu 1017/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni und Genossen (1095/AB zu 1018/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1096/AB zu 1039/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1097/AB zu 1122/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1098/AB zu 1127/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 15

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1099/AB zu 1083/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (1100/AB zu 1057/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1101/AB zu 1086/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1102/AB zu 1087/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1103/AB zu 1089/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1104/AB zu 1096/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1105/AB zu 1097/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1106/AB zu 1098/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1107/AB zu 1099/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1108/AB zu 1100/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1109/AB zu 1103/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1110/AB zu 1105/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1111/AB zu 1110/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1112/AB zu 1111/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1113/AB zu 1114/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann und Genossen (1114/AB zu 1119/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1115/AB zu 1158/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Ridi Steibl und Genossen (1116/AB zu 1029/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1117/AB zu 1061/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Rainer Wimmer und Genossen (1118/AB zu 1066/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1119/AB zu 1075/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Dobnigg und Genossen (1120/AB zu 1080/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (1121/AB zu 1084/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Faul und Genossen (1122/AB zu 1121/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1123/AB zu 1016/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1124/AB zu 1154/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Katharina Pfeffer und Genossen (1125/AB zu 1051/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1126/AB zu 1068/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (1127/AB zu 1052/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (1128/AB zu 1053/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Dietachmayr und Genossen (1129/AB zu 1056/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Faul und Genossen (1130/AB zu 1120/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (1131/AB zu 1128/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1132/AB zu 1073/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter und Genossen (1133/AB zu 1129/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen (1134/AB zu 1131/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen (1135/AB zu 1132/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen (1136/AB zu 1135/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek und Genossen (1137/AB zu 1036/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1138/AB zu 1144/J)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1139/AB zu 1143/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1140/AB zu 1147/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1141/AB zu 1148/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1142/AB zu 1149/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an (1143/AB zu 1150/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer und Genossen (1144/AB zu 1157/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1145/AB zu 1170/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1146/AB zu 1171/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1147/AB zu 1145/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1148/AB zu 1165/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen (1149/AB zu 1133/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Genossen (1150/AB zu 1134/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1151/AB zu 1142/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1152/AB zu 1177/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1153/AB zu 1159/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (1154/AB zu 1140/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1155/AB zu 1162/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1156/AB zu 1163/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen (1157/AB zu 1169/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1158/AB zu 1166/J)


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Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 18

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1159/AB zu 1160/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1160/AB zu 1176/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1161/AB zu 1173/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen (1162/AB zu 1174/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (1163/AB zu 1164/J)

 

 


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36. Sitzung / Seite 19

Beginn der Sitzung: 9:02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie zur ersten Sitzung der Session 2000/2001 sehr herzlich begrüßen und erkläre die 36. Sitzung für eröffnet.

Einberufung der ordentlichen Tagung 2000/2001

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundespräsident hat mit Entschließung vom 1. September 2000 gemäß Artikel 28 Abs. 1 der Bundesverfassung den Nationalrat für den 18. September 2000 zur ordentlichen Tagung 2000/2001 der XXI. Gesetzgebungsperiode einberufen.

Das Amtliche Protokoll der 35. Sitzung vom 5. September, also der Sondersitzung, ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und ohne Einspruch geblieben. Es gilt daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als entschuldigt gemeldet sind die Abgeordneten Grabner, Heinisch-Hosek, Parnigoni, Böhacker und Haller.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, dass Herr Abgeordneter Rudolf Schwarzböck auf sein Mandat verzichtet hat und an seiner Stelle Herr Ing. Hermann Schultes in den Nationalrat berufen wurde.

Der Wahlschein des Genannten ist eingelangt. Da der Genannte im Hause anwesend ist, werde ich sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer, Herrn Kollegen Schweitzer, wird der neue Mandatar seine Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich darf den Schriftführer bitten, die Gelöbnisformel zu verlesen.

Schriftführer Mag. Karl Schweitzer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Ich gelobe.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße den neuen Abgeordneten herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel hat mir schriftlich seine Absicht bekundet, in der heutigen Plenarsitzung eine Erklärung zum Thema "Österreich in Europa" abzugeben. Die gleiche Absicht hat die Frau Vizekanzlerin, ebenfalls schriftlich, geäußert. Es wurde Einvernehmen erzielt, dass diese Erklärungen als erster Punkt der Tagesordnung der heutigen Sitzung behandelt werden.

Ich werde daher dem Herrn Bundeskanzler – und im Anschluss daran der Frau Vizekanzlerin – nach Abhaltung der Aktuellen Stunde gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung zur Abgabe ihrer Erklärungen das Wort erteilen.


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36. Sitzung / Seite 20

Ferner gebe ich bekannt, dass ein Verlangen von fünf Abgeordneten vorliegt, über diese Erklärungen sogleich eine Debatte durchzuführen, und zwar gemeinsam mit den Tagesordnungspunkten 2 und 3. Ich werde diesem Verlangen auf Durchführung einer Debatte stattgeben.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Pendlerpauschale erhöhen – Heizkostenzuschuss gewähren!"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Doris Bures. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen das Wort.

9.06

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren von der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Sieben Monate lang hat ein Nebelschleier das Wirken dieser Bundesregierung gnädig verdeckt. Sieben Monate lang haben ÖVP und FPÖ davon abgelenkt, welche Maßnahmen sie im Land gesetzt haben – und eigentlich, ohne dafür wirklich zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Sieben Monate lang ist es Ihnen gelungen, eine sehr beinharte, eine sehr unsoziale und eine menschenverachtende Politik in diesem Land zu machen (Beifall bei der SPÖ), weil Sie in dieser Stimmung der allgemeinen Empörung Ihre Politik ausschließlich der Belastungen (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt weiß ich, warum so wenige da sind von euch!), Ihre Politik der Preistreiberei, Ihre Politik der höchsten Steuern aller Zeiten in diesem Land und Ihre Politik einer der – auch im europäischen Vergleich – höchsten Inflationsraten ungeniert vorantreiben konnten.

Ich bin froh darüber, dass das jetzt nicht mehr geht. Jeder kann sehen, was diese Regierung auf der einen Seite an Belastungen bringt, was aber diese Regierung auf der anderen Seite ganz konkret unterlässt. Das ist kein schöner Anblick, der sich der Bevölkerung dadurch bietet, denn es zeigt sich, dass in diesen sieben Monaten ausschließlich Belastungen auf der Tagesordnung gestanden sind und Ihr Motto lautete: "Nur kürzen, streichen und drüberfahren!"

Dieser ungetrübte Blick in die Vergangenheit ist jetzt möglich, daher möchte ich in Erinnerung rufen: Was haben Sie der österreichischen Bevölkerung vor dem Sommer im Urlaubsgepäck mitgegeben?

Es waren das die Kürzung des Krankengeldes von 78 auf 52 Wochen – das trifft die schwerstkranken Menschen in diesem Land –, die Einführung von Ambulanzgebühren, 100 S Selbstkosten für den Spitalstag, Streichungen der Zuschüsse von Heilbehelfen, Erhöhung der Stromabgabe, Erhöhung der Kosten für die Autobahnvignette, Erhöhung der Versicherungssteuer und so weiter und so weiter. (Abg. Großruck: Erhöhung des Prozentsatzes in der Wählergunst!)

Das war aber, wie wir spätestens seit gestern genau wissen, nur ein Aufwärmprogramm, eine Aufwärmübung für diese Bundesregierung. Und diese Aufwärmübung, deren Punkte ich vorher aufgezählt habe, hat eine durchschnittliche vierköpfige Familie bereits 8 000 S im Jahr gekostet. Und es gibt sehr viele Familien. die sich das nicht so einfach leisten können.

Jetzt, da diese Familien vom Urlaub zurückgekommen sind, werden sie mit weiteren Belastungen konfrontiert: Es ist der Budgetentwurf 2001. Diese Pläne laufen zwar unter dem Titel "soziale Treffsicherheit", haben aber in Wirklichkeit nur eines zum Ziel, nämlich die finanziell schwächsten Menschen in der Bevölkerung zur Kasse zu bitten, den Mittelstand, von den Pensionisten bis – seit gestern – zu den Studentinnen und Studenten, zu schröpfen.

Gleichzeitig gelingt es Ihnen auch, den Wirtschaftsstandort Österreich zu gefährden. Ich halte die Art, wie diese Regierung Politik macht, für eine Ungeschicktheit und eine Unausgegorenheit, die eine einzigartige Premiere in Österreich hat. (Beifall bei der SPÖ.)


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36. Sitzung / Seite 21

Jede Aktivität dieser blau-schwarzen Regierung bedeutete für die Bevölkerung, dass für sie etwas teurer wurde. Bei einer Diskussionsveranstaltung gestern Abend hat eine junge Wienerin zu mir gesagt: Eigentlich sollten wir die Regierung besser dafür bezahlen, dass sie nichts tut, denn das würde uns alle viel billiger kommen! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Im Grunde hat diese junge Frau sehr Recht gehabt, denn jeder Ministerrat, jede Pressekonferenz dieser Regierung endet mit einem Plan, der irgendwie und in irgendeiner Art und Weise irgendeine Bevölkerungsgruppe schröpfen möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt aber auch Bereiche, in denen diese blau-schwarze Regierung völlig untätig bleibt, und das sind vor allem jene Bereiche, wo es darum geht, Menschen zu helfen, die tatsächlich unsere Hilfe brauchen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. ) Diese Regierung hilft niemandem, wenn es in diesem Land Menschen schlecht geht – und es geht ihnen schlecht auf Grund der Politik, die Sie in den letzten Monaten gemacht haben.

Dafür gibt es ein gutes Beispiel: Benzin-, Diesel-, und Heizölpreis sind gestiegen. Sie sind nun teurer als während der Ölkrise der siebziger Jahre in diesem Land. Und damals, während der siebziger Jahre, hat es – für diejenigen, die sich noch erinnern können – den Vorschlag gegeben, einen autofreien Tag zum Energiesparen einzuführen.

Ihr Motto (Abg. Ing. Westenthaler: Wie man so einen wirtschaftspolitischen Unsinn verzapfen kann wie Sie ...!)  – ich weiß schon! – wäre jetzt, einen heizfreien Tag einzuführen, weil die Leute sich das Heizen nicht mehr leisten können! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Heizölpreis ist nämlich im Vorjahr um 3,5 S pro Liter gestiegen, das ist eine Preiserhöhung um 70 Prozent. Ich weiß zwar, dass Ihnen einen durchschnittliche Familie mit zwei Kindern nicht am Herz liegt, aber das bedeutet für diese Familie zusätzlich 9 000 S an Heizkosten. Das sind zusätzliche Kosten gerade für jene, die sie oft gar nicht aufbringen können. Davon sind ältere Menschen betroffen, die sich womöglich das Heizen nicht mehr leisten können, davon sind Alleinerzieherinnen, Frauen mit Kindern betroffen, die da auf der Strecke bleiben. (Ruf bei den Freiheitlichen: Mineralölsteuererhöhung!)

Genau diejenigen aber, nämlich Pensionistinnen, Pensionisten, Alleinerzieherinnen, Menschen mit geringem Einkommen, sind von Ihren Kürzungsprogrammen, der Erhöhung von Ausgaben, die Sie eingeführt haben, Ihrer – in Wirklichkeit – Verteuerung beim Wohnen, Ihren Erhöhungen des Strompreises et cetera ohnedies massiv betroffen.

Doch was bieten Sie diesen Familien heute an? Was sagen Sie diesen Familien, die Sorge haben, ob sie sich ihren Ölvorrat auch leisten können, ob sie das Geld dafür haben? Was sagen Sie? Was tun Sie? – Nichts tun Sie dagegen, außer Halbherzigkeiten! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine dieser Halbherzigkeit ist es, zu sagen: Wir verdoppeln halt die Beihilfen der Länder. – Ich sage Ihnen, Herr Bundesminister, klar und deutlich: Die Verdoppelung der Länderbeihilfen hat nichts mit der konkreten Situation zu tun, dass es Bundesländer gibt, die Menschen in größter Not, nämlich Sozialhilfeempfängern, Heizkostenzuschüsse geben. Das tun jedoch, wie wir wissen, nicht alle Bundesländer, und das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob mit Öl geheizt wird oder ob es eine Zentralheizung gibt, sondern ist sozusagen die ureigenste Sozialhilfeaufgabe. Das hat nichts damit zu tun, dass Familien heute durch den hohen Energiepreis massiv belastet werden und Sie massiv daran verdienen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Es gibt auch Ölzentralheizungen!)

Aber ich weiß, warum Sie so halbherzig reagieren: Es ist Ihnen nämlich sehr recht, was hier passiert. Es ist Ihnen recht und offensichtlich kein Problem, dass Sie an der Not der Menschen verdienen, jetzt, da der Winter vor der Tür steht. (Abg. Schwemlein hält eine Tafel mit der Aufschrift: "Der Ölscheich sitzt in der Himmelpfortgasse" in die Höhe.) Sie verdienen ja daran, dass der Preis für Heizöl, für Diesel und Benzin höher ist, denn je höher dieser Preis ist, umso mehr Budgeteinnahmen haben Sie. Und Ihnen geht es nicht darum, diese unerwarteten Einnahmen jenen Menschen zugute kommen zu lassen, die es brauchen, sondern Ihnen geht es um die


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Behübschung Ihres Budgets, Ihnen geht es darum, sich mit 2 Milliarden Schilling, die Ihnen nicht gehören, zu schmücken. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber spätestens jetzt sieht die Bevölkerung den wahren Charakter von Schwarz-Blau: Er ist kalt, er ist unbarmherzig, er ist herzlos und berechnend. Das ist Ihre Politik!

Wäre es nicht so traurig, dann könnte man bei Ihren Vorschlägen eigentlich nur von Frotzelei reden. Bei der Pendlerpauschale, von der in Wirklichkeit 600 000 Menschen betroffen sind, die täglich ihr Auto brauchen, sagt man: Na, 10 Prozent für einen kleinen Bereich! – Sagen Sie, dass Sie 80 Prozent der Pendler keinen einzigen Schilling zukommen lassen wollen, obwohl sie ihr Auto brauchen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen! Und sagen Sie auch den Familien, dass der nächste Urlaub leider gestrichen werden muss, weil das Benzin dieses Mal so teuer war, dass irgendwo Sparmaßnahmen zu treffen sind! Ihr Urlaub ist nicht gefährdet, aber der Urlaub von vielen Österreicherinnen und Österreichern sehr wohl. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es ist ein Hauptgrundsatz dieser Regierung zu erkennen: Beim Einnehmen und Belasten sind Sie blitzschnell, da sind die Finger ganz schnell in den Taschen der Österreicherinnen und Österreicher, aber beim Geben und Helfen, da haben Sie plötzlich völlig ungelenkige und steife Finger und es geschieht nichts! (Beifall bei der SPÖ.) Schnell sind Sie beim Nehmen, aber widerspenstig beim Geben. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen, meine Herren Minister, in aller Deutlichkeit: Die Belastungen für die Bevölkerung reichen! Es muss nicht auch noch ein Frieren in diesem Winter geben. Dazu ist unser Land nämlich zu wohlhabend.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Doris Bures (fortsetzend): Das haben sich die Menschen in diesem Land nicht verdient. (Rufe bei den Freiheitlichen: Schlusssatz! Schlusssatz!)

Ich bin der Auffassung, dass die Bundesregierung jetzt, da die Sanktionen endlich weg sind, die Österreicher nicht in diesem Ausmaß mit ihren Maßnahmen belasten soll. (Beifall bei der SPÖ. – Die Abgeordneten Huber und Sophie Bauer halten weitere Tafeln mit Forderungen nach Heizkostenzuschüssen in die Höhe.)

9.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister für Finanzen. (Abg. Schwemlein  – auf seine Tafel mit der Aufschrift: "Der Ölscheich sitzt in der Himmelpfortgasse" zeigend –: Ist das dieser hier?)  – Bitte, Herr Minister.

9.16

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Ich habe am Beginn der Rede der Frau Abgeordneten Bures den Kollegen Bartenstein fragen müssen, zu welchem Thema die heutige Aktuelle Stunde abgehalten wird, bin dann aber doch draufgekommen, dass es um Heizkosten und um Pendlerpauschale geht. (Die Abgeordneten der SPÖ halten in weiterer Folge Tafeln mit Forderungen bezüglich Heizkostenzuschuss und Pendlerpauschale in die Höhe.) Ich werde mich nun darum bemühen, dass zumindest einer in diesem Haus zur Sache spricht, und darf Ihnen Folgendes sagen: Ich würde solche Taferln wählen, die Aktionen beinhalten, die diese Bundesregierung noch nicht umgesetzt hat, denn das, was Sie auf Ihren Tafeln stehen haben, ist zu einem guten Teil schon beschlossen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Zweiten hoffe ich, dass diesmal – ich bin ja schon einmal von Ihnen mit einem Taferlwald konfrontiert worden – alle Taferln zumindest grammatikalisch richtig geschrieben sind. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Europa zurzeit eine hervorragende ökonomische Ausgangsposition. Die Wirtschaft boomt. Die Auftragsbücher unserer Unternehmen sind voll, und wir haben fast Vollbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig ist vollkom


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men klar, dass die sehr deutliche Erhöhung der Ölpreise, die zu starke Erhöhung der Ölpreise und die Verbindung mit einem viel zu schwachen Euro natürlich eine sehr gefährliche Entwicklung für unsere Volkswirtschaft – sowohl für die Konjunktur als auch für den Arbeitsmarkt – darstellen, da diese Ölpreise in Verbindung mit dem Euro zu einem massiven Inflationsschub für Europa führen und somit die Konjunktur, das Wachstum, die sehr positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Summe abzuwürgen drohen.

Das Risiko, das wir haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, heißt also, gesamtwirtschaftlich betrachtet: Wohlstandsbremse! Daher ist es ein Gebot der Stunde, dass die österreichische Bundesregierung mit einer ganz klaren Antiinflationspolitik darauf reagiert. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Den Leuten wird Geld weggenommen, dann können sie nichts kaufen: Das ist Antiinflation!)

Das war der Grund, weshalb wir beispielsweise gestern die Notenbank und die Sozialpartner zu einem makroökonomischen Dialog in das Finanzressort gebeten haben. Wir halten es nämlich für enorm wichtig, dass jeder, ob es nun die Geldpolitik ist, ob es die Finanzpolitik ist, ob es die Lohnpolitik ist, einen Beitrag zu einer Antiinflationspolitik leistet. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf Ihnen sagen, wir könnten mit unserer Budgetpolitik, mit unserer Finanzpolitik ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dietachmayr: Das war aber Polemik von der Regierungsbank!)  – Sie können ja gar nicht zuhören, wenn Sie dauernd selbst sprechen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das Problem ist: Die SPÖ hat ein Brett vor dem Kopf! )

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegen wir mit unserer Finanzpolitik goldrichtig. Wir könnten vom Timing her nicht besser liegen, als jetzt eine restriktive Budgetpolitik zu fahren, weil das eben diese Antiinflationspolitik ist, die wir in Europa haben wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie werden zum Zweiten die Strukturpolitik verstärken und versuchen gerade, mit einer europäischen Initiative mehr Wettbewerb in den Energiemarkt zu bringen, denn mehr Wettbewerb, mehr Liberalisierung der Märkte wird es auch mit sich bringen, dass wir die Preise nach unten drücken können. (Abg. Schwemlein: Wir haben es gemerkt!)

Wir werden zum Dritten etwas tun, was es in Österreich noch nie gegeben hat, nämlich eine Forschungs- und Entwicklungsinitiative starten, eine technologiepolitische Initiative, damit die Produktivität erhöht werden kann und damit wir Arbeitsplätze in modernen, zukunftsorientierten Wirtschaftsbereichen bekommen – und all das mit 10 Milliarden Schilling in den nächsten drei Jahren, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist aber völlig klar – und da stimme ich mit Ihnen überein (Abg. Schwemlein  – auf seine Tafel mit der Aufschrift "Der Ölscheich sitzt in der Himmelpfortgasse" zeigend – Hiebei?)  –, dass die Bevölkerung, dass die Pendler, dass vor allem natürlich sozial schwache Haushalte, dass Pensionisten, dass Alleinerzieher, Alleinerzieherinnen von diesen Ölpreisen – ob es nun Heizkosten oder Benzinpreise sind – sehr massiv betroffen sind und dadurch wesentliche Mehraufwendungen in diesem Winter haben würden. Daher steht es ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Moment, Herr Minister!

Meine Damen und Herren! Es gibt keinen Paragraphen über "Taferln", aber wir haben ein ungeschriebenes Gesetz, dass wir das nicht zur Dauereinrichtung machen. Ich bitte, das zu berücksichtigen.

Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): Weil es uns wichtig ist, dass die Bevölkerung eine entsprechende soziale Absicherung bekommt, weil es uns wichtig ist, dass die Bevölkerung nicht über die Maßen zur Kasse gebeten wird, war es erstens für uns


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völlig klar und stand es für diese Bundesregierung immer außer Frage, die Mineralölsteuer nicht zu erhöhen, wie das noch mein Vorgänger im Amte des Finanzministers machen wollte.

Wir haben gesagt, es kann keine Erhöhung der Mineralölsteuer geben, weil wir gewusst haben, welche Entwicklung weltpolitisch und ökonomisch droht. Daher war es die erste richtige Entscheidung, im Gegensatz zur Sozialdemokratie zu sagen: Diese Bundesregierung erhöht die Mineralölsteuer nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zweitens, meine Damen und Herren, war es für uns völlig klar und selbstverständlich, dass wir der Bevölkerung in einer schwierigen sozialpolitischen Situation helfen müssen. Und wer rasch hilft, hilft doppelt, daher haben wir gestern im Ministerrat beschlossen, Heizkostenzuschüsse, die es in den Bundesländern gibt beziehungsweise die zusätzlich ins Leben gerufen werden, zu verdoppeln, weil es uns wichtig ist, bürgernahe zu sein. (Abg. Schwemlein: Meinen Sie die Studiengebühren?) Ich glaube, es ist vollkommen klar, dass die Bundesländer besser wissen, wie es um die Sorgen, wie es um die Probleme der Bevölkerung bestellt ist (Abg. Sophie Bauer: Dass ein Arbeiterkind nicht mehr studieren kann?), und dass wir nicht von Wien aus zentralistisch eine solche Aktion durchführen. In den Ländern werden wir die dortigen Heizkostenzuschüsse verdoppeln und damit einen ganz wichtigen Beitrag für die Bevölkerung leisten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben auch beschlossen, dass es natürlich für die Pendler eine Unterstützung geben muss, vor allem dort, wo man keine öffentliche Verkehrsmittel benützen kann. Daher gibt es auch 10 Prozent mehr bei der Pendlerpauschale. Auch das ist ein ganz wichtiger Schritt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heißt, diese Bundesregierung steht für eine kurzfristige soziale Unterstützung dort, wo es notwendig ist, wird aber gleichzeitig das Problem auch an der Wurzel anpacken. (Abg. Schwemlein: Das glaube ich Ihnen, dass Sie an die Wurzeln gehen!) Wir dürfen nicht herumreden und herumlügen, sondern müssen das Problem dort anpacken, wo es liegt, nämlich bei den erdölproduzierenden Ländern. (Abg. Edler: Sie überschätzen sich eindeutig!)

Deswegen haben wir im ECOFIN, im Rat der Finanzminister, vor zehn Tagen den ersten Vorstoß in diese Richtung gemacht. Ich habe diesen Montag den Generalsekretär der OPEC, Herrn Lukman, bei mir im Büro empfangen, mit ihm darüber gesprochen, wie wir die OPEC mit einer europäischen Initiative dazu bewegen können, die Ölpreise zu senken, und ich darf Ihnen versichern, er hat versprochen – sofern er es versprechen kann (Abg. Schieder: Sehr erfolgreich waren Sie nicht!)  –, dass wir heuer noch Ölpreise haben werden, die unter 30 Dollar, in einer Größenordnung von 25 Dollar liegen werden. Das wäre eine Beseitigung des Problems, wie wir es uns wünschen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf Ihnen auch mitteilen, dass wir letzten Freitag mit einer dritten Betroffenengruppe, nämlich mit den österreichischen Frächtern, Gespräche geführt haben und dass heute Bundesminister Schmid in Luxemburg versuchen wird, die Probleme der Frächter in Österreich darzulegen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei den Frächtern dafür bedanken, dass wir nicht in der Situation Belgiens und Frankreichs waren (Abg. Dr. Khol: Sehr richtig!), dass es unter ihnen das Bewusstsein gibt, nicht die Volkswirtschaft, nicht das Land zu schädigen, sondern mit Augenmaß vorzugehen, und dass sie wissen: Diese Bundesregierung versucht, die Probleme im Sozialen zu beseitigen und auf europäischer Ebene in den Griff zu bekommen. – Vielen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Alle Redner haben eine Redezeit von 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kubitschek. – Bitte, Frau Abgeordnete.

9.25

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister Bartenstein! Herr Minister Grasser! Hohes Haus! Herr Minister Grasser, ich bin mir nicht ganz


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sicher, ob Sie wirklich zur Sache sprechen, wenn Sie sagen, dass Sie die Märkte liberalisieren und damit die Preise nach unten bringen wollen, denn ich glaube sehr wohl, dass der Rohstoffmarkt liberalisiert ist, und das Ergebnis, nämlich ein extrem hohes Preisniveau auf dem Rohölmarkt, haben wir derzeit vor Augen. Ich weiß also wirklich nicht, was Sie mit derartigen Aussagen zur Sache meinen. (Beifall bei der SPÖ.)

Obwohl es klar ist, dass wir eine internationale Entwicklung haben, die die hohen Preise in Österreich beeinflusst, ist es tatsächlich so, dass das Problem in Österreich auch hausgemacht ist. Wir diskutieren über das Thema "hohe Benzinpreise" ja nicht erst seit kurzem, sondern das ist ein absoluter Dauerbrenner in Österreich. (Abg. Aumayr: Edlinger!) Wir haben seit vielen Jahren zu hohe Benzinpreise, wir haben immer wieder massive Diskussionen darüber mit den jeweiligen Wirtschaftsministern der ÖVP, das Ergebnis ist jedoch leider nicht besonders erfreulich für die Konsumenten. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Ergebnis, meine Damen und Herren, ist nämlich, dass die Mineralölfirmen angesichts des extrem hohen Preisniveaus, das wir ohnehin jetzt schon haben, noch zusätzlich 40 Groschen Spielraum zum EU-Preisniveau gewährt bekommen. Das ist angesichts des ohnehin extrem hohen internationalen Niveaus eine Situation, über die die österreichischen Konsumenten ganz sicher nicht mehr lachen können – noch dazu dann, wenn selbst diese Regelung immer nur durch massiven Druck der Autofahrerklubs oder der Arbeiterkammer überhaupt eingehalten wird.

Der Druck, den Sie, Herr Minister Bartenstein, auf die Mineralölwirtschaft ausüben, hält sich sehr in Grenzen. Das wird am deutlichsten daran sichtbar, wie ernst die Mineralölwirtschaft das Abkommen nimmt, das sie mit dem Wirtschaftsministerium geschlossen hat. Seit Ihrem Amtsantritt, Herr Minister Bartenstein, gab es nämlich genau 29 Preismeldungen, von diesen 29 Preismeldungen ist bei genau 16, das heißt bei mehr als der Hälfte, der vereinbarte Zielkorridor von 40 Groschen überschritten worden, und zwar ohne dass Sie, Herr Minister Bartenstein, in Eigeninitiative Konsequenzen gezogen hätten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Nürnberger: Das sind ja seine Freunde!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Preiserhöhung um 10 Groschen kostet den Konsumenten 286 Millionen Schilling im Jahr. (Abg. Nürnberger: Millionäre tun einander nicht weh!) Für diese vereinbarten 40 Groschen Preisabstand zum EU-Durchschnitt zahlen also die Autofahrer in Österreich ganze 12 Milliarden Schilling, das heißt, 12 Milliarden Schilling mehr als der Durchschnitt der EU-Bürger – und das bei einem Preisniveau, das immerhin so hoch ist, dass viele EU-Bürger bereits so aufgebracht sind, dass sie zu massiven Protesten und zu Blockadeaktionen bereit waren.

Damit aber nicht genug, meine Damen und Herren: Wie wir alle wissen, belastet die Regierung die österreichischen Autofahrer zusätzlich auch noch mit einer Erhöhung der Kfz-Steuer, und zwar durchschnittlich um 1 300 S im Jahr, sowie mit einer Verdoppelung der Kosten für die Autobahnvignette. Betroffen sind davon natürlich hauptsächlich die Pendler. Sie müssen im Vergleich zum Vorjahr mit einer Mehrbelastung von ungefähr 5 000 S im Jahr rechnen.

Wenn nun ein Pendler auch noch das Pech hat, eine Ölheizung zu besitzen – und ich glaube, das ist ein Beispiel, das aus dem Leben gegriffen ist –, dann hört sich der Spaß überhaupt auf. Wir haben es nämlich geschafft, beim Heizöl vom zweitbilligsten EU-Land zum zweitteuersten EU-Land zu werden, und zwar innerhalb von genau zwei Monaten. Das hat mit der internationalen Entwicklung ganz sicher nichts mehr zu tun. Das ist ein absolut hausgemachtes Problem. Eine Preissteigerung von 50 Prozent sollte, würde ich meinen, den Wirtschaftsminister herausfordern, tatsächlich aber hat dieser auf dieses Problem bisher überhaupt nicht reagiert und keine einzige Maßnahme gesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Einen durchschnittlichen Haushalt kostet diese Situation ungefähr 9 000 S zusätzlich in einer Heizperiode. Und damit ist natürlich noch nicht berücksichtigt, was uns diese Regierung sonst noch alles kostet.


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Heizen, Auto fahren, krank sein, studieren – diese Regierung macht wirklich alles teuer und nennt das ganz selbstbewusst "neu regieren". Die Bilanz der ersten sieben Monate dieser Regierung ist also ziemlich vernichtend, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist natürlich erfreulich, dass die Regierung zumindest teilweise den Forderungen der SPÖ nachgekommen ist. Trotzdem sind die geplanten Maßnahmen aus Sicht der SPÖ absolut unzureichend.

Meine Damen und Herren! Es gibt in Österreich ungefähr 480 000 Menschen mit einem Einkommen, das so niedrig ist, dass sie weder aus Ersparnissen noch aus dem laufenden Einkommen Mehrkosten von ein paar tausend Schilling für eine Heizperiode tragen können.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (fortsetzend): Wir wollen daher, dass diesen Menschen geholfen wird, und zwar schnell, unbürokratisch und unkompliziert.

Meine Damen und Herren! Wir fordern Sie daher auf, die Anträge der SPÖ zu unterstützen und damit einmal wirklich eine sozial treffsichere Maßnahme zu setzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.31

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Die SPÖ schafft es, in ihrem ersten Jahr in der Opposition nach 30 Jahren immer wieder: Egal, ob Sondersitzung, ob Dringliche Anfrage oder ob – wie heute – Aktuelle Stunde: Aus den Problemen der SPÖ wird jeweils ein Fest für die österreichische Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel hält ein Plakat in die Höhe, auf dem steht: "Sparen ja, aber sozial gerecht!")

Ich halte es – ich nehme an, auch Sie tun dies – mit Gorbatschow, der gemeint hat: "Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte." Sie reden, während die Bundesregierung gestern bereits gehandelt und sowohl für die Pendler als auch für die sozial Schwachen die entsprechenden Beschlüsse herbeigeführt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen, die alten Hasen in den Reihen der SPÖ wissen es ja: Was mit dieser neuen Bundesregierung an Möglichkeiten da ist, an Effizienz, an zügiger Umsetzung von Beschlüssen, das war mit Ihnen nie möglich. Nein, bei Ihnen herrschte immer Genosse Vorsichtl oder Genossin Rücksichtl, bei Ihnen wurde immer alles auf die lange Bank geschoben. Diese Bundesregierung handelt, ist aktiv, glauben Sie es mir! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Gusenbauer, der mich so anlächelt, hat für die SPÖ etwas völlig Neues entdeckt, nämlich die SPÖ in eine Kopieranstalt umzuwandeln. Ich habe hier eine Presseaussendung von ihm vom 13. September. In dieser Presseaussendung fordert der große Genosse Gusenbauer einen Heizkostenzuschuss, aber auch die Erhöhung der Pendlerpauschale. Das hat er am 13. September gefordert! Wir vom ÖAAB, der Seniorenbund und der ÖVP-Bundesparteivorstand haben schon am 11. und 12. September die entsprechenden Forderungen aufgestellt und dann auch in die Form von Beschlüssen gekleidet. Und gestern hat es die Regierung beschlossen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Gusenbauer, Ideen sind zu jeder Zeit willkommen. Nicht champagnisieren im Ausland, hier im Inland Mut zu neuen Ideen! Diese nehmen wir selbstverständlich gerne entgegen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber, Kollege Gusenbauer, so weit kann es mit Ihren Ideen, auch wenn Sie die eigene Partei betrachten, nicht her sein. Sie haben doch erst vor kurzem ein Einreiseverbot ins Burgenland


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erhalten. Zumindest haben SPÖ-Landeshauptmann Stix und Neo-SPÖ-Vorsitzender Nießl gemeint: Für den Landtagswahlkampf im Burgenland brauchen wir einen Gusenbauer, einen Fischer, einen Kostelka und Genossen nicht. – Na, eine schönere Watschen als aus dem Burgenland gibt es wahrscheinlich nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Den Herrn Präsidenten sollte man ausnehmen: wegen der Würde des Hauses!)

In Wahrheit ist es so: Mit diesem Beschluss schafft diese Bundesregierung genau das, was die Menschen in diesem Land von der Bundesregierung wollen: 30 000 burgenländische Tages- und Wochenpendler werden durch die Erhöhung der großen Pendlerpauschale in den Genuss von mehr Geld kommen. Und 6 000 sozial Schwache, auch im Burgenland beispielsweise, kommen durch den Heizkostenzuschuss zu mehr Möglichkeiten für den kommenden Winter. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich wäre kein burgenländischer Abgeordneter, würde ich nicht auf das hinweisen, was die SPÖ heute in dieser Nebelaktion alles verheimlichen will. Wir haben im Burgenland den größten Skandal der SPÖ in der Geschichte der Zweiten Republik aufzuarbeiten. (Abg. Schwemlein: Stimmt ja gar nicht!) 2 400 Millionen Schilling sind in der SPÖ-Verantwortung um die Bank Burgenland den Bach hinuntergeschwommen. Wissen Sie, was wir mit 2 400 Millionen Schilling für die Burgenländerinnen und Burgenländer alles machen könnten? – Jeder der 30 000 Tages- und Wochenpendler würde, wenn man nur diese Summe dividierte, 80 000 S erhalten! Das haben Sie alles den Bach runterrinnen lassen. (Abg. Mag. Schweitzer: Wie viel?) 80 000 S! – Das ist sozial? Sie nennen sich Sozialdemokraten?

Reden wir vom Heizkostenzuschuss. Was würden denn für die 6 000 sozial Schwachen im Burgenland 2 400 Millionen Schilling bedeuten? – Auch da haben wir dividiert: 400 000 S für jede Burgenländerin, für jeden Burgenländer, der sozial schwach und bedürftig ist. Das ist ein von Ihnen verursachter Skandal, das haben Sie zu verantworten! Glauben Sie es mir, Sie werden die Rechnung am 3. Dezember präsentiert bekommen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zusammengefasst: Ein großes Danke an die SPÖ, dass sie im Rahmen dieser Aktuellen Stunde der Bundesregierung, der ÖVP und der FPÖ die Chance bietet, der österreichischen Öffentlichkeit, der breiten burgenländischen Öffentlichkeit zu sagen, was sozial ist. Wir sind sozial, Sie sind es nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Zierler. Gleiche Redezeit. (Abg. Haigermoser: Die SPÖ sagt, Gusenbauer muss bleiben! Wir sagen das auch! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

9.37

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Bundesminister! Hohes Haus! Die Flexibilität und die Spontaneität der SPÖ hat man allein an der Wahl des Themas für die heutige Aktuelle Stunde gesehen. Man muss vielleicht die Chronologie der Geschehnisse einmal anschauen. Da gab es eine Forderung der Freiheitlichen in der Steiermark, dass ein Heizkostenzuschuss für sozial Bedürftige eingeführt werden soll. Es hat nicht lange gedauert – wirklich eine äußerst rasche Reaktionsfähigkeit – und Herr Gusenbauer hat das Gleiche gefordert. Nachdem die FPÖ beziehungsweise diese neue Bundesregierung diese Forderungen bereits umgesetzt hat, macht die SPÖ eine Aktuelle Stunde zum Thema "Pendlerpauschale erhöhen – Heizkostenzuschuss gewähren!"

Meine Damen und Herren! Eines ist, glaube ich, klar und deutlich: Man sieht, dass wir beim Handeln schneller sind als Sie bei den nachgemachten Forderungen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Sophie Bauer hält ein Plakat in die Höhe, auf dem steht: "Gegen soziale Kälte: Heizkostenzuschuß JETZT.")

Frau Bures! Eines muss ich zu Ihren Impressionen schon bemerken: Wenn Sie da von den Nebelschleiern sprechen, dann muss ich sagen, in Ihrer Partei haben sich die Nebelschleier


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offenbar noch immer nicht gelichtet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Bures hält ein Plakat in die Höhe, auf dem steht: "Pendler brauchen 1/3 höhere Pauschale JETZT.")

Aber, Frau Kollegin, eine gewisse Lernfähigkeit kann ich Ihrer Partei nicht absprechen. Nachdem Jörg Haider einmal ein Taferl gezeigt hat und das relativ gut angekommen ist, machen Sie es auch nach. Also machen Sie weiter, bleiben Sie lernfähig, übernehmen Sie unsere Politik! – Das wäre ein Angebot. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was mich beim Thema der heutigen Aktuellen Stunde sehr wundert, ist, dass wir ausnahmsweise einmal über ein Problem diskutieren, das nicht die SPÖ verursacht hat. Ausnahmsweise ist es keine Altlast, ausnahmsweise ist es kein Erbe, sondern ein importiertes Problem. Aber, meine Damen und Herren, wer hat denn die Energiesteuer eingeführt?

Meine Damen und Herren, können Sie sich noch an die Koalitionsverhandlungen erinnern, als Sie glaubten, noch in der neuen Bundesregierung zu sein? Was haben sie damals gefordert, die Genossen von der SPÖ? – Sie wollten die Mineralölsteuer erhöhen! Das ist ein Faktum, und das muss man sagen. Man darf eines nicht vergessen: Die Situation, in der sich Österreich befindet – und das kann man nicht oft genug sagen –, ist definitiv die Altlast. Warum nehmen Sie kein Taferl in die Hand, auf dem steht: 1 700 Milliarden Schilling Schulden – 30 Jahre SPÖ Finanzminister!? Diese Taferl, meine Damen und Herren, würde ich von Ihnen erwarten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Vielleicht darf ich Ihrem Gedächtnis auch einmal ein bisschen auf die Sprünge helfen. Was ist unter einer SPÖ-Regierung alles passiert? Bleiben wir vielleicht nur einmal beim Jahr 1997. Da gab es erstens einmal die Einführung der Autobahnvignette – eine Idee Ihrer Regierung. Dann gab es die Erhöhung der Steuern, Lohn-, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer, Tabaksteuer, Umsatzsteuer, Versicherungssteuer – SPÖ. (Abg. Schieder: ÖVP!) SPÖ: Gebühren und Abgaben. SPÖ: Rezeptgebühr, insgesamt dreimal erhöht. SPÖ: Erhöhung der Sozialversicherung, Normverbrauchsabgabe. (Abg. Schieder: ÖVP!)

Was wurde von der SPÖ-Regierung alles gekürzt: die Dauer und die Höhe des Bezugs von Karenzgeld, das Pflegegeld, das Bausparen, die Absetzbarkeit von Sonderausgaben, Steuerfreiheit von Überstunden, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Was wurde von der SPÖ alles gestrichen: Geburtenbeihilfe, Studentenfreifahrt. Das war die soziale Politik, meine Damen und Herren von der SPÖ, die Sie gemacht haben!

Ich möchte Ihnen nur vielleicht einmal kurz zum Nachdenken sagen: An dieser sozialen Treffsicherheit, die diese Bundesregierung jetzt macht, wo wirklich ganz genau darauf geschaut wird, dass die kleineren und mittleren Einkommen geschont werden, dass es für Behinderte Verbesserungen gibt, dass es mehr Arbeitsplätze geben wird, könnten Sie sich ein Beispiel nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Heinzl hält ein Plakat in die Höhe, auf dem steht: "Sparen ja, aber sozial gerecht.")

Was die Heizkostenzuschüsse betrifft, so liegt es jetzt an den Ländern, und ich bin überzeugt davon, dass Kärnten natürlich wieder einmal mit einem Musterbeispiel vorangehen wird. Auch die schwarzen Landeshauptleute werden mithalten, auch wenn Frau Klasnic in der Steiermark zuerst einmal dieses Problem verschoben hat. Ich appelliere an ihr soziales Gewissen. Ich denke mir auch, dass sich Herr Häupl in Wien in seiner niveauvollen Art und Weise für die BürgerInnen in diesem Land einsetzen wird. Unser Finanzminister wird diese soziale Unterstützung dann verdoppeln. Das ist Politik der neuen Bundesregierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Gleiche Redezeit von 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Haigermoser: 30 S für den Liter Benzin – Forderung der Grünen!)

9.42

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Seit etwa einem halben Jahr diskutieren wir intensiv die Belastungspolitik, die diese Bundesregierung für


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alle schlechter Verdienenden, für alle vom Schicksal der reichen Geburt nicht Begünstigten gemacht hat. Letzter Anschlag – das ist, glaube ich, hinreichend klar –: Studiengebühren, Studieren soll wieder zum Privileg der besser Verdienenden werden.

Heute allerdings diskutieren wir auf Initiative der Sozialdemokraten ein Problem, an dem man nun der Regierung wirklich nicht allein die Schuld geben kann. Sie braucht es zwar nicht, dass ich sie in Schutz nehme, aber solche Sachen gehören klargestellt.

Heute liegt der Vorschlag der Sozialdemokraten vor, der offensichtlich von den Regierungsparteien schon aufgegriffen wurde, dass Heizkosten gestützt werden sollen, dass Benzinpreise im Sinne von Pendlerpauschalen gestützt werden sollen. Auch wir Grüne – das sei anfangs klargestellt, auch wenn es dieses Eck da drüben (die Rednerin zeigt in Richtung Freiheitliche) nicht hören wird, das sind wir schon gewohnt, die werden immer die alten Klamotten auspacken, die nicht stimmen und auch im Laufe der Jahre nicht wahrer werden – sind dafür, die Belastungen für die am allerstärksten Betroffenen abzufedern. Das wird dringend notwendig sein. (Beifall bei den Grünen.)

Entscheidend aber, meine Damen und Herren, ist die Art und Weise, wie das gemacht wird. Gehen wir einmal zur Pendlerpauschale. Die Pendlerpauschale, so wie sie jetzt gestaltet ist, beinhaltet eine ganz starke Ungerechtigkeit, eine Ungerechtigkeit nämlich überall dort, wo Benützer öffentlicher Verkehrsmittel wesentlich weniger, wesentlich schlechter unterstützt werden als solche, die mit dem Privat-PKW irgendwo hinfahren. Über die Zumutbarkeitsfrage der Pendlerpauschale können wir gerne – das sage ich jetzt gleich dazu – noch einmal extra eine Diskussion führen.

Das hat natürlich auch Folgen. Das hat Folgen insofern, als der Ausbau der Straßen für den Privatverkehr immer mehr zunimmt. In den letzten fünf Jahren hat zum Beispiel die Erreichbarkeit auf Straßen mit Hilfe von PKWs von 94 auf 98 Prozent zugenommen. Im gleichen Zeitraum hat aber die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln – in Klammern: das ist dort, wo soziale Gerechtigkeit herrscht – von 71 auf 57 Prozent abgenommen. Das ist klar eine Politik zugunsten nur der Autos und zuungunsten der Benützer von öffentlichen Verkehrsmitteln.

Sie haben alle die Karten von der ÖROK bekommen. Ich zeige sie Ihnen noch einmal (die Rednerin hält die Karten in die Höhe), studieren Sie sie in Ihren Unterlagen: Hier sehen Sie, wie gut die Erreichbarkeit jedes Ortes in Österreich mit dem PKW schon ist. Die untere Karte zeigt leider, wie schlecht die Erreichbarkeit in der Region draußen ist. Gerade die Abgeordneten aus der Region sollten sich das besonders gut anschauen, dann werden sie sehen, wie schlecht die Erreichbarkeit mit dem ÖV in den letzten Jahren geworden ist. (Beifall bei den Grünen.)

Einzige Möglichkeit des Gegensteuerns – und hier vermisse ich einen Zukunftsaspekt, meine Damen und Herren von der Regierung –: Pendlerpauschale ändern und eine Begünstigung, eine Verbesserung der Situation für Benützer öffentlicher Verkehrsmittel, und zwar deshalb, weil wir nun in Sachen Benzinpreis die dritte Warnung in der Geschichte bekommen haben: in den siebziger Jahren, in den achtziger Jahren, jetzt nach 2000. Die Kombination aus Ölpreisen, den Weltfinanzmärkten und der Politik der Raffinerien schafft Preisstrukturen, die nur deswegen so entgleisen können, weil niemand in den nationalen Regierungen – auch Sie nicht, meine Damen und Herren – den Schritt geht, der notwendig ist: Raus aus der Abhängigkeit von den internationalen Finanzmärkten und Konzernen, indem Alternativen beim Fahren, nämlich öffentliche Verkehrsmittel, und Alternativen beim Heizen gefördert werden, und zwar so ambitioniert gefördert werden, dass es zu einer Umstrukturierung kommt und diese Karte in fünf Jahren ganz anders aussieht, nämlich besser für den öffentlichen Verkehr dort, wo ...


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (fortsetzend):  ... Menschen sozial gerecht mobil sein können und nicht nur Autobesitzer einseitig bevorzugt werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

9.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. Redezeit ebenfalls 5 Minuten. – Bitte, Herr Minister.

9.48

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kollege Grasser! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! In einem gebe ich Ihnen, Frau Abgeordnete Lichtenberger, Recht: Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten öfter daran denken, dass ein Rohölpreis von 10 Dollar je Barrel nicht gottgegeben ist, dass das auch 35 oder vielleicht 40 Dollar sein könnten. Wir werden letztlich manches an unserer Verkehrspolitik, aber auch an unserer Energiepolitik wieder stärker in diese Richtung orientieren. Wir werden in diesem Hause in den nächsten Monaten noch oft über Kyoto und das Kyoto-Ziel diskutieren. Lassen wir uns die Preisentwicklung des Rohöls der letzten Monate eine Mahnung sein. Lassen wir uns aber gleichzeitig auch vor Augen führen, dass Österreich in Sachen Energieeffizienz, in Sachen Nutzung alternativer Energieträger weltweit an der Spitze liegt, wir also so schlecht nicht sind, aber natürlich noch besser werden müssen und sollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Rohölpreis innerhalb von Jahresfrist fast um das Fünffache steigt, wenn innerhalb von gut einem Jahr der Euro gegenüber dem Dollar – und Rohöl wird nun einmal in Dollar gehandelt – um etwa ein Viertel verliert, dann ist es klar, dass es bei Benzin, bei Heizöl, bei Treibstoffen zu extremen Preissteigerungen kommt. Im Übrigen wären die Preissteigerungen – dies der politischen Redlichkeit wegen – noch einen Schilling höher ausgefallen, säße heute hier nicht Karl-Heinz Grasser, sondern Rudolf Edlinger, denn ein Schilling MöSt wäre es mehr gewesen, wenn Sie, Herr Kollege Edlinger, Finanzminister geblieben wären. Sie wissen das, und auch wir wissen das.

Es ist anders gekommen. Trotzdem sind die Probleme erheblich, und unser Verständnis gilt natürlich den beiden hauptbetroffenen Gruppen, den Pendlern, die ihr Auto brauchen, um zum Arbeitsplatz zu kommen, die große Distanzen zurücklegen müssen, und den sozial Schwächeren, die oft nicht mehr wissen, wie sie die 5 000, 6 000, 7 000 S mehr gegenüber dem Vorjahr, die sie für die Heizölrechnung aufbringen müssen, finanzieren sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu der Frage, wer immer da zuerst in welcher Aussendung was gefordert hat: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. – Die Bundesregierung hat getan, hat gehandelt, hat rasch gehandelt. Karl-Heinz Grasser hat gesagt: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Wir verdoppeln die Anstrengungen der Länder in Sachen Heizkostenzuschuss, und wir erhöhen zeitlich befristet auf zwei Jahre die große Pendlerpauschale. Das ist Hilfe und rasches Reagieren, wie man es von der neuen Bundesregierung mittlerweile bereits erwarten kann, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch ich möchte mich, wie Karl-Heinz Grasser es bereits getan hat, bei den Besonnenen in Österreich bedanken. Wir waren in den letzten Tagen fast so etwas wie eine "Insel der Seligen". Sorgen wir dafür, dass es so bleibt, und gerade in Richtung Frächter appelliere ich: Bleiben wir im Gespräch!

Meine sehr geehrten Damen und Herren in dieser sicherlich sehr betroffenen Branche! Orientieren Sie sich an denen, die für Sie in Wien Verantwortung tragen! Finanzminister Grasser und ich, wir sind mit ihnen im Gespräch. Es herrscht eine gute und konstruktive Atmosphäre. Lassen Sie sich nicht von einigen Hardlinern zu für niemanden etwas bringenden Blockaden hinreißen! Das wäre für Österreich nicht gut, das wäre aber auch für Sie nicht gut. Für Sie würde es höchstens weniger Geschäft bedeuten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ganz abgesehen davon, kann ich den Frächtern in Österreich versichern, dass sich die Wettbewerbssituation durch die Preissteigerungen der letzten Wochen nicht verschlechtert hat. Das Gegenteil ist der Fall, weil es in Österreich auf Grund der im Vergleich zu unseren großen Nachbarn Deutschland und Italien relativ niedrigen steuerlichen Belastung von Mineralöl auch relativ niedrige Preise gibt. Sie sind absolut gesehen sehr, sehr hoch, ich weiß das, aber in Deutschland und Italien sind sie allemal höher. In Europa sind die Treibstoffpreise nur bei den


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Portugiesen, den Spaniern, den Griechen und den Luxemburgern günstiger als bei uns. Auch das sei einmal gesagt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kubitschek hat von hausgemachten Problemen gesprochen. Auch in diesem Fall appelliere ich an Sie, Frau Abgeordnete Kubitschek, die Sie aus der Arbeiterkammer kommen. Die Arbeiterkammer und die Automobilklubs sitzen und saßen am Tisch bei allen Gesprächen, die wir mit der Mineralölwirtschaft führen. Es ist so, dass wir das Monitoring sehr genau verfolgen, welches besagt: In Österreich dürfen Treibstoffpreise nur um maximal 40 Groschen über dem EU-Schnitt liegen. 25 Groschen davon rühren von der geographischen Lage in den Alpen her, sind als Mehrkosten anerkannt – das gilt auch für Ihren Bereich, denn seitens der Arbeiterkammer wurde das anerkannt –, 15 Groschen gehen auf die in Österreich relativ restriktiven Verhältnisse im Bereich der Tankstellen-Shops zurück.

Im Übrigen schauen wir ganz genau darauf, dass sich auch die Raffinerieabgabepreise hier im europäischen Schnitt bewegen. Und wir werden in den nächsten Tagen hoffentlich auch im Heizölbereich zu einem ähnlichen Verhältnis kommen. Ich strebe nämlich auch in diesem Bereich eine Vereinbarung mit der Mineralölwirtschaft, mit der OMV an, die da lautet: Die OMV soll sich verpflichten, auch beim Heizölpreis nicht über EU-Schnitt zu liegen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Sophie Bauer hält ein Plakat in die Höhe, auf dem steht: "1/3 mehr Pendlerpauschale jetzt!")

9.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaßner. Er hat das Wort, gleiche Redezeit.

9.53

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Minister! Ich bin fast der Meinung des Herrn Finanzministers, der gemeint hat, er wisse nicht, wovon geredet werde. Wenn ich zum Beispiel die Rede des Herrn Abgeordneten Kiss herausgreife: Er spricht davon, dass in der Regierung angesichts unserer Aktuellen Stunde Feste gefeiert werden. Na ja, diejenigen, die von den hohen Benzinpreisen und den hohen Heizkosten betroffen sind, die werden diese Feste nicht mit Ihnen feiern. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Der Wahlkampf im Burgenland soll im Burgenland bleiben! Vergessen Sie bitte nicht, dass es auch VP-Mitglieder gegeben hat, die in den Vorständen gesessen sind und daher Mitverantwortung tragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Zierler hat schon in der Steiermark – natürlich, denn auch dort ist Wahlkampf – einen Zuschuss zu den Heizkosten gefordert. Zu wenig laut vielleicht. Unser Vorsitzender hat es sehr laut gefordert. (Abg. Jung: Zu spät!) Ich bin froh, dass die Regierung zumindest teilweise, wenn auch halbherzig auf den Vorschlag unseres Parteivorsitzenden Dr. Gusenbauer eingestiegen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. ) Danke!

Herr Finanzminister! Sie haben gemeint, wir würden vom Belastungspaket des Frühlings oder Frühsommers sprechen und nicht von den Heizkosten und nicht von der Pendlerpauschale. (Abg. Rosemarie Bauer: Wo hätte er das getan?) Herr Finanzminister, Sie werden doch nicht ernsthaft glauben, dass man diese Dinge trennen kann! Der Pendler mit durchschnittlichem Einkommen ist betroffen von der erhöhten Kfz-Steuer und natürlich auch von der importierten Belastung durch den Benzinpreis. Und wenn ich mir dazu auch noch ansehe – es war noch zu wenig Zeit hierfür –, was unter dem Titel "Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems" laut Ihrem Bericht von gestern noch alles auf uns zukommt, ja dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, frage ich mich, ob das nicht in einem Zusammenhang zu sehen ist: Das ist eine dreifache Belastung der durchschnittlichen und der niederen Einkommen! So müssen wir das angehen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dobnigg hält ein Plakat in die Höhe, auf dem steht: "Erhöhung der Pendlerpauschale um 1/3!")

Die Pendler, die 600 000 Pendler, sehr geehrte Frau Abgeordnete Lichtenberger von den Grünen, die haben nichts davon, wenn wir uns darüber unterhalten, wie wir den öffentlichen


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Verkehr stärken. Ich bin zwar in diesem Punkt völlig Ihrer Meinung: Es trifft nämlich genau die Pendler, wenn in strukturschwachen Regionen immer öfter Buslinien aufgelassen werden, wenn über die Einstellung von Nebenbahnen in strukturschwachen Regionen diskutiert wird. Wenn man aber im Monat 400, 500, ja bis zu 800 S mehr Spritkosten hat, da hilft es nichts, wenn wir über den öffentlichen Verkehr reden. (Abg. Dr. Lichtenberger: Die meisten Pendler gibt es im Raum Mödling!) Außerdem ist im Budget nicht vorgesehen, dass der Nahverkehr budgetär besser ausgestattet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist daher notwendig, rasch und sofort die Pendlerpauschale um ein Drittel zu erhöhen, und zwar jetzt! (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist mehr als die Benzinpreiskosten, um Gottes willen!) Das ist für die, die fahren müssen, ganz einfach notwendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen gerade bei den Pendlern beachten – das sind 600 000 Leute, die aus strukturschwachen Regionen in Kerngebiete pendeln müssen –, dass, wenn wir nicht unterstützend eingreifen, die Menschen aus diesen Regionen wegziehen werden. Wir werden diese Regionen entvölkern, weil die jungen Leute einfach nicht mehr bereit sind, diese Mehrbelastungen auf sich zu nehmen, nur um zu pendeln.

Das Zweite, unsere zweite Forderung, unser zweiter Antrag ist die Heizkostenpauschale. Ich kenne mich jetzt wirklich nicht mehr aus: Sie, sehr geehrter Herr Finanzminister, verdoppeln die Heizkosten der Länder. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Die Zuschüsse!) Ja: die Zuschüsse, nicht die Heizkosten. Aber bitte, was ist mit jenen Ländern – darauf wurde schon hingewiesen –, die keine Heizkostenzuschüsse gewähren? Was ist zum Beispiel in Oberösterreich, wo sie nur punktuell gewährt werden und der Herr Landeshauptmann gestern laut "Oberösterreichischen Nachrichten" gesagt hat: Na ja, wir horchen uns das einmal an, wie das weitergehen wird, und dann werden wir schauen, was kommt! Angeblich hat er am Abend im Fernsehen dann noch gesagt: Na, das ist Bundessache, das ist nicht Ländersache!

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluss: Am Schluss steht die "Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems" mit all den darin enthaltenen Maßnahmen bis hin zur Einführung der Studiengebühren. (Abg. Dr. Khol: Na, ob das der Schluss ist?) Und all diese Maßnahmen treffen unterste und mittlere Einkommensschichten. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident!) Und wir werden wieder so weit kommen, dass es heißen wird: Ich kann es mir nicht mehr leisten, mein Kind studieren zu lassen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Haupt. )

9.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.59

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Es ist leider bittere Gewissheit, dass es auf Grund der internationalen Entwicklung in den letzten Monaten weltweit zu einer Erhöhung der Rohölpreise fast auf das Fünffache gekommen ist. Ebenso gewiss ist, dass der SPÖ auf Bundesebene wie auch in der Steiermark außer unkonkreten Forderungen, langen Diskussionen und wenig werbewirksamen Plakaten mit der roten Karte nichts einfällt, was einkommensschwächeren und sozial benachteiligten Bürgerinnen und Bürgern angesichts der massiven Ölpreisverteuerung rasch und unbürokratisch hilft. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abg. Silhavy.  – Abgeordnete der SPÖ halten Plakate in die Höhe.) "Neu regieren" heißt jedoch, rasch und sozial gerecht zu entscheiden.

Nach eingehenden Beratungen beauftragte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am 14. September Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Finanzminister Karl-Heinz Grasser mit der Ausarbeitung eines österreichweiten Unterstützungsmaßnahmenpakets, in welches Bund und Länder, bei denen ja im Wesentlichen die Entscheidung liegt, eingebunden sind. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )


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Nur fünf Tage später, exakt am 19. September, wurde im Ministerrat vereinbart, dass einerseits die Pendlerpauschale für die Jahre 2000 und 2001 um etwa 10 bis 12 Prozent angehoben wird, andererseits wurde eine Verdoppelung der Heizkostenzuschüsse (Abg. Bures: Heizkostenzuschuss für alle!), die von den Ländern als Unterstützungsmaßnahme an sozial Bedürftige ausbezahlt werden sollen, zugesagt, da es außerordentlich notwendig ist, sozial schwachen Haushalten Unterstützung zukommen zu lassen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Sophie Bauer und Dipl.-Ing. Kummerer. )

Infolge dieses raschen Aktivwerdens setzt die Bundesregierung nun Maßnahmen. Die ÖVP und die FPÖ spielen nicht mit den Ängsten der Menschen, so wie die SPÖ es tut. Auch auf Länderebene, in Kärnten, Niederösterreich, Tirol, Wien, in der Steiermark und auch im Burgenland, gibt es bereits bestehende Heizkostenzuschüsse. Die anderen ÖVP-Länder werden sicherlich noch folgen. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Der Bundeskanzler ...!)

Es ist vielleicht auch noch hoch interessant, dass sich das derzeitige Antragsvolumen nach Angaben der Sektion Mineralölhandel auf 55 Millionen Schilling beläuft – bei voller Inanspruchnahme läge der Heizkostenzuschuss der genannten Länder bei 250 Millionen Schilling. Man sieht also, dass dies jetzt nicht ausgeschöpft ist und das ein ganz wichtiger Punkt ist.

Nun kurz zum Land Steiermark: Das Land Steiermark und die Stadt Graz sind schon seit Jahren daran interessiert, diesbezüglich etwas zu tun, und haben eine Sonderregelung. Diese steirischen Maßnahmen sollen nun auf Initiative von Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic – da muss ich meiner Kollegin Zierler widersprechen – ausgeweitet und verbessert werden. (Abg. Silhavy: Das ist nichts Neues!) Und Sie hören jetzt richtig: Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic hat in der Landesregierung ihre zuständigen Landesräte, nämlich Frau Dr. Anna Rieder und Herrn Ing. Hans-Joachim Ressel – beide gehören der SPÖ an –, damit beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten. Wissen Sie, was passiert ist? – Die Reaktion des Landesfinanzreferenten war jene, dass er einen Brief an die Bundesregierung geschickt hat, in dem er den Bund auffordert, er solle auf zusätzliche Steuermaßnahmen verzichten. Ob dies sehr hilfreich ist, sei dahingestellt. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Wer hat die Einnahmen?)

In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch noch auf etwas anderes hinweisen: In der Steiermark gibt es zusätzlich eine Pendlerbeihilfe des Landes, und mit dieser Pendlerbeihilfe wird vieles abgefangen, was notwendig ist. Und auch hier ist die SPÖ nicht mitgegangen.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Bundesregierung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel rasch gehandelt hat, dass die Bundesländer bereit sind, die einkommensschwachen Haushalte sowie die 600 000 Pendler in Österreich sozial gerecht zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Opposition! Das ist "Neu regieren" und das heißt "Taten statt Worte"! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Gleiche Redezeit.

10.04

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Damen und Herren! (Zwischenruf des Abg. Edler. )  – Edler, du bist einer der Mitverursacher des Desasters! Der Erfolg hat viele Väter. Wenn man heute hört, wer da alles dafür eingetreten ist, dass es Heizkostenzuschüsse, Pendlerpauschale-Erhöhungen und Ähnliches mehr geben soll, so staunt man. Entscheidend ist, dass diese Bundesregierung gestern mit dem Ministerratsbeschluss dafür gesorgt hat (Abg. Silhavy: 7,7 Milliarden neue Belastungen!), dass die Menschen höhere Heizkostenzuschüsse und eine höhere Pendlerpauschale bekommen, meine Damen und Herren gerade von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie hat dafür gesorgt, dass Schluss ist mit dem sozialistischen Gießkannenprinzip, dass es hin zur sozialen Treffsicherheit geht, dass Schluss damit ist, dass ÖGB-Funktionäre in den Volks


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heimen nur an auserwählte Menschen Bargelder verteilt haben (einige Abgeordnete der SPÖ halten neuerlich Tafeln in die Höhe), die nicht versteuert wurden, sondern letztlich endlich Maßnahmen gesetzt werden, die den einkommensschwächeren Bürgern in diesem Land eine Chance geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist nicht nur ein internationaler Ölkonzern – oder wer auch immer – oder die OPEC oder jene, die im arabischen Raum zuhause sind, die verantwortlich sind. Es sitzt auch einer hier, der wesentlichen Anteil daran hat, dass wir heute eine Inflation von 2,7 Prozent in Österreich haben, dass wir einen so hohen Ölpreis beziehungsweise Benzinpreis haben (Abg. Schwemlein hält eine Tafel in die Höhe); das ist Herr Ex-Minister Edlinger! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. ) Und all jene, die ein bisschen ein gutes Gedächtnis haben, werden wissen, dass er es war zusammen mit dem Notenbankpräsidenten, der champagnisierend den Euro mit 1,13 begrüßt hat; heute steht er bei 0,85 im Vergleich zum Dollar. Und das ist mit eine Ursache für die Inflation. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: 7,7 Milliarden wollen Sie den Menschen wegnehmen! – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Sie waren es damals als Finanzminister, der erklärt hat, er sei hart, er werde bestehen! Und Herr Liebscher, der immer wieder betont, es sei ja ohnehin alles in Ordnung, dem ist das ja völlig egal! Ihnen, Herr Edlinger, und dem Herrn Liebscher ist es völlig egal, wie hoch der Benzinpreis ist, denn Herr Liebscher zahlt ihn ja für sein Dienstauto sowieso nicht selbst, sondern die Oesterreichische Nationalbank. Und bei Ihnen ist es eben die Bank Austria. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber im Wesentlichen muss ich Ihnen Folgendes sagen: Es ist keine soziale Verantwortung, dass man den Kopf in den Sand steckt und es mit verursacht, dass heute die Menschen in Österreich für das Heizöl dermaßen viel zahlen müssen. Oder wie begründen Sie den schwachen Euro? – Sie können nichts dafür. Was haben Sie uns aber vor dessen Einführung alles erklärt? – Das ist es, wofür ich Sie verantwortlich mache und letztlich verurteile. (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )

Noch etwas: Gott bewahre, gäbe es weiterhin eine rot-schwarze Koalition in diesem Land mit Ihnen als Finanzminister, dann hätten wir wahrscheinlich schon einen Benzinpreis von 18 S oder 19 S, denn Sie wollten die Mineralölsteuer erhöhen – und zwar ganz kräftig! (Abg. Edlinger: Das ist falsch!) Das wäre Ihre Maßnahme gewesen, die Sie den Pendlern verordnet hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Ihre ... (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Wir treten ein für die arbeitende Bevölkerung in diesem Land, weil nicht jene ... (Erneuter Zwischenruf des Abg. Edler.  – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Dass es einen Gewerkschaftsfunktionär wie den Herrn Abgeordneten Edler zutiefst stört, dass diese Bundesregierung einen Heizkostenzuschuss beschlossen hat, dass sie die Pendlerpauschale erhöht ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn es Ihnen ernst wäre, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann würden Sie Ihrem SPÖ-Vorsitzenden in Kärnten ausrichten, die Maßnahmen, die Landeshauptmann Haider in der Frage des Benzinpreises setzt, nicht zu torpedieren, sondern zu unterstützen. Das wäre eine lobenswerte Aufgabe. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Bures: In Kärnten ist der Benzinpreis am höchsten!)

Darüber hinaus ist es nicht nur Aufgabe des Bundes, für die Erhöhung der Pendlerpauschale zu sorgen (Abg. Edler: Was macht die FPÖ für die Arbeiter?), sondern ich lade alle Bundesländer ein, im Rahmen der Arbeitnehmerförderung jene Menschen, die ihr Fahrzeug brauchen, um zur täglichen Arbeit zu kommen, entsprechend zu unterstützen. (Anhaltende Zwischenrufe der Abgeordneten Bures und Edler. )

Wir treten im Gegensatz zu Herrn Edler, der außer seinen persönlichen Interessen an und für sich keine mehr vertritt, für die sozial Schwachen, für einen sozial gerechten Staat ein und dafür, dass gerade jene Zuschüsse erhalten, die sie wirklich benötigen, und nicht jene, die sie wollen. Vor allem soll nicht nach parteipolitischen Kriterien aufgeteilt werden wie beim Kohlegeld bei der Eisenbahn und ähnliches mehr – für alle, die schön brav waren. Unsere Förderungen sind offen,


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transparent, nachvollziehbar und sozial. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: Sie nehmen allen Leuten etwas!)

10.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

10.09

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Sobald das Wort "Ölpreis" in der politischen Debatte auftaucht, passiert etwas ganz Seltsames, nämlich die kollektive Verdrängung einer Tatsache und einer Wahrheit, die seit den siebziger Jahren eigentlich in den politischen Köpfen verankert sein müsste: Erdöl wird es irgendwann einmal in diesem Jahrhundert nicht mehr geben. Ganz einfach! (Abg. Gaugg: Wer sagt Ihnen das?)

Es sind im Jahre 1970 eigens Agenturen gegründet worden, es wird nun in der OECD diskutiert, wie man die Abhängigkeit Europas von den Erdöl exportierenden Ländern verringern könnte. Sogar die EU-Kommission hat das mittlerweile erkannt. Ich kann nur sagen: Nichts gelernt aus dem ersten Ölpreisschock und auch nichts gelernt aus dem zweiten, denn die heutige Debatte war wirklich erschreckend kurzsichtig. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte vorerst jedoch noch auf etwas anderes eingehen: Wir diskutieren hier über Zukunftsfragen, und das betrifft viele Menschen sehr essentiell und direkt, nämlich in ihrer Geldbörse und bei der Frage, wie sie den nächsten Winter in Anbetracht dieser Heizkosten überstehen werden. Und ich finde es unerträglich, Herr Bundesminister Grasser, dass Sie sich nach Ihrem Redebeitrag hingesetzt, die ganze Zeit Zeitung gelesen und in keiner Weise dieser Debatte gelauscht haben. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Mag. Grasser: Ich habe dieser Debatte sehr massiv gelauscht!)

Mit der Sonne kann man nicht spekulieren – das ist eine Wahrheit, die mittlerweile auch in die politischen Konzepte Eingang hätte finden sollen. Wir Grüne unterstützen den Vorschlag bezüglich Heizkostenzuschuss aus einem ganz bestimmten Grund: Wir möchten nicht, dass die einkommensschwächsten Gruppen in Österreich die Rechnung für die völlig verfehlte Energiepolitik der ÖVP während der letzen 15 Jahre zu begleichen haben. Da gibt es keine Ausrede, dafür ist nicht die SPÖ verantwortlich; dafür waren ausschließlich ÖVP-Minister zuständig, die diese Abhängigkeitsfrage und die Frage der heimischen Energieressourcen in keiner Weise in die Politik haben einfließen lassen.

Im Gegenteil! Wir haben massenhaft erneuerbare Energieressourcen in Österreich. Vor allem die Bundesländer Burgenland, Steiermark, Niederösterreich und Oberösterreich sind führend in der Biomassetechnologie. Und was passiert statt dessen? Wir wissen, dass der Marktanteil von Biomasse in den letzten Jahren gesunken ist auf Grund von sehr aggressiven Werbestrategien der Erdöllobby – aber nicht nur der Erdöllobby. Zu meiner großen Überraschung gibt es in der Steiermark eine Landeshauptmännin, die für Erdölheizungen wirbt und die damit die Abhängigkeit von genau solchen nicht erneuerbaren, endlichen Ressourcen massiv fördert. (Die Rednerin hält eine Seite einer Zeitung mit der Überschrift "Zukunft Ölheizung" in die Höhe.) Einmal unbenommen dessen, dass das eine Werbung für Produkte ist, finde ich diese Kurzsichtigkeit, Leute bewusst in so eine Abhängigkeit "hineinzuwerben", unerträglich! Landeshauptfrau Klasnic wirbt für Erdölabhängigkeit in der Steiermark! (Beifall bei den Grünen.)

In Anbetracht der Prognosen für die nächsten zehn, 20 Jahre wissen wir, dass spätestens ab dem Jahr 2010 das Maximum an Erdölförderung erreicht sein wird. Von diesem Zeitpunkt an werden die Preise weiter steigen. Eine Negierung dieser Tatsachen ist absolut unverantwortlich! Das, was die SPÖ und viele andere auch vorgeschlagen haben, und zwar den Heizkostenzuschuss, ist für bestimmte Gruppen jetzt der einzige Ausweg, aber es ist nur der halbe Weg. Ich appelliere an alle Anwesenden und auch noch einmal an die Kollegen der SPÖ – man schaue sich nur die Wiener Energiepolitik im Detail genau an! –: Das ist nur der halbe Weg! Wir müssen verstärkt und offensiv ausbauen, was wir an heimischen Energieressourcen haben, verstärkt Biomasse fördern! In Wien gibt es im Übrigen überhaupt noch keine Biomasseförderung – nur so nebenbei bemerkt. (Abg. Auer: Mit was heizen Sie?)


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Alles, was wir tun können, um diese Abhängigkeit zu vermeiden, muss getan werden. Versorgung mit erneuerbarer Energie zu 100 Prozent ist in Österreich möglich! Das bedeutet Arbeitsplätze, das bedeutet Versorgungssicherheit und das bedeutet auch Umweltsicherheit. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Punkt ist mir noch sehr wichtig, ich möchte nicht, dass das in dieser Diskussion zu kurz kommt: Es ist sehr wichtig zu wissen, wer der Empfängerkreis dieser Heizkostenpauschale sein wird. Uns ist es wichtig, dass das wirklich eine kurzfristige Maßnahme ist für diejenigen, die das wirklich brauchen. Deswegen darf der Empfängerkreis auf keinen Fall zu eng gezogen werden. So, wie das jetzt technisch abgewickelt wird, fallen einige Menschen durch das Netz. Ich bitte noch einmal, sich das genau zu überlegen und zu sagen, dass das nicht nur zu den Ländern quasi dazugedoppelt wird, sondern alle, die diese Pauschale in diesem Winter brauchen, sollen diese auch tatsächlich bekommen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Noch einmal: Mit der Sonne kann man nicht spekulieren. Ich bitte Sie: Lernen Sie aus diesem zweiten Ölpreisschock! Es wird sicher auch ein dritter und ein vierter kommen. Wir haben die Ressourcen dazu, in der Biomassetechnologie sind wir weltweit führend. Ich finde es beschämend, dass Länder wie Wien – das geht noch einmal an die Wiener SPÖ und deren Energiepolitik – keine Biomasseförderung haben. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre die Aktuelle Stunde für beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich nach § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfrage: 1233/J.

2. Anfragebeantwortungen: 1028/AB bis 1163/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über den Umweltsenat (USG 2000) erlassen wird (280 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (281 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber rechtlich verselbständigt werden (Spanische Hofreitschule-Gesetz) (282 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4,100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 9 betreffend "Dringend dafür zu sorgen, dass schnellstmöglich die Lärmplage für die Anrainer der Inntal Autobahn in zwei Erler Ortsteilen durch die Errichtung einer Lärmschutzwand gemildert wird", überreicht von der Abgeordneten Edith Haller.


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2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuss:

Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit samt Anhängen (272 der Beilagen);

Finanzausschuss:

Bundesgesetz über die Gewährung eines Bundeszuschusses an das Bundesland Kärnten aus Anlass der 80. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung (270 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Aserbaidschan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (275 der Beilagen),

Übereinkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (276 der Beilagen),

Protokoll zur Abänderung des am 30. Januar 1974 in Wien unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (277 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll (278 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Justizausschuss:

Bericht des Bundeskanzlers über das Ausmaß und die Verwendung des Aufkommens nach Art. II Abs. 6 der UrhG-Nov. 1986 im Geschäftsjahr 1999 (III-62 der Beilagen);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Grüner Bericht 1999 der Bundesregierung sowie Empfehlungen 2000 der Kommission gemäß § 7 LWG (III-61 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Dr. Einem und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1234/J der Abgeordneten Dr. Einem und Genossen an die Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Einführung von Studiengebühren und Senkung der Bildungsqualität dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.


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Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich mitteilen, dass Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger beantragt hat, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 26/A der Abgeordneten Dr. Lichtenberger und Fraktion betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird, eine Frist bis zum 17. Oktober dieses Jahres zu setzen.

Es liegt in diesem Zusammenhang nach § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung das von fünf Abgeordneten gestellten Verlangen vor, eine Kurzdebatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass soeben die Einbringung und Debatte einer Dringlichen Anfrage bekannt gegeben wurden, darf ich mitteilen: Es wird die Kurzdebatte beginnen, sobald die Debatte über die Dringliche Anfrage beendet ist.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 1 bis 3, 4 und 5, 6 bis 8 sowie 9 und 10 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Also werden wir so vorgehen.

Ich darf nunmehr in die Tagesordnung eingehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es ist eine Tagesblockzeit von 9 "Wiener Stunden" vereinbart, aus denen sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 Minuten sowie Grüne 104 Minuten.

Darüber hat das Hohe Haus zu befinden.

Ich frage daher: Gibt es Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ferner bestand für die gemeinsame Debatte zu den Tagesordnungspunkten 1 bis 3 Einvernehmen über folgende Reihenfolge der Redner und Redezeitbeschränkungen: Zunächst wird der Herr Bundeskanzler seine Erklärung abgeben, dann die Frau Vizekanzlerin. Beide Erklärungen werden eine Dauer von 20 Minuten nicht überschreiten.

Sodann gelangt ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von maximal 18 Minuten zu Wort, danach der Herr Bundesminister für Justiz mit 10 Minuten Redezeit, in weiterer Folge wiederum ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von 8 Minuten, sodann die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten mit 10 Minuten Redezeit. Alle weiteren Redner in dieser Debatte werden nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung gereiht zum Aufruf gelangen. Auch die Redezeiten sind aus der Geschäftsordnung abzulesen.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Da das nicht der Fall ist, werden wir dieses Programm so strikte handhaben. Es ist damit angenommen.

1. Punkt

Erklärungen des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin gemäß § 19 Abs. 2 GOG zum Thema "Österreich in Europa"


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2. Punkt

Bericht des Hauptausschusses über den Antrag 211/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen gemäß Art. 49b B-VG iVm § 26 GOG-NR auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Art. 49b B-VG über die Weiterentwicklung des EU-Rechts zur Sicherstellung der Gleichberechtigung und der demokratischen Rechte aller EU-Mitgliedstaaten, zur Garantie von Grund- und Freiheitsrechten in der Europäischen Union sowie zur Schaffung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union und zur sofortigen Aufhebung der ungerechtfertigten Sanktionen gegen Österreich (268 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses betreffend den Außenpolitischen Bericht 1999 der Bundesregierung (III-46/204 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den ersten drei Punkten der Tagesordnung, die unter einem debattiert werden.

Ich darf nunmehr dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

10.19

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Vor etwas weniger als einem Jahr ist gewählt worden, und zwar am 3. Oktober 1999. Vor acht Monaten, am 31. Jänner, sind Sanktionen von 14 EU-Staaten gegen Österreich verhängt worden, und am 4. Februar – also erst nachher! – kam es unter wahrhaft dramatischen Umständen zur Angelobung dieser Bundesregierung, die jetzt auf der Regierungsbank versammelt ist. Wenn wir zurückblenden, was damals alles gesagt, befürchtet, geschrieben wurde, dann ist es wichtig, sich das noch einmal in Erinnerung zu rufen und zu sehen, wo wir heute stehen. Es wurde damals befürchtet, Österreich würde eine Art "Naziland" werden, österreichische Politiker sind mit Hitler verglichen worden, in Karikaturen wurde die Errichtung von Konzentrationslagern beschworen, es wurde die Verfolgung von Minderheiten, von Flüchtlingen, von Migranten und überhaupt eine Blockade des Erweiterungsprozesses, eine Blockade der Union befürchtet.

Meine Damen und Herren! Bewerten Sie selbst, was von diesen vor acht Monaten geäußerten Befürchtungen real gewesen ist und was wir mit einer, wie ich glaube, klugen und umsichtigen Politik erreicht haben! Ich meine, dass man als Österreicher heute doch mit Stolz sagen kann, dass wir sensibel auf die damals geäußerten Ängste und Sorgen reagiert und versucht haben, den Menschen Angst zu nehmen und nicht Angst und Sorgen zu verstärken. Das ist mir wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es war, meine Damen und Herren, nicht nur die Regierung betroffen – das sei hier auch einmal gesagt. Natürlich ging es auch um die Rolle der Regierung, um die Ausgrenzung demokratisch gewählter Repräsentanten eines Landes, aber es ging viel tiefer: Es ging um die Einstellung unseres Landes zu seiner Geschichte. Es ging um die Frage, wie wir von außen gesehen werden, und auch darum, wie wir uns selber sehen, was Österreicher über unser Land im Ausland sagen, welches Bild verbreitet wird.

Es sind Projekte gestoppt worden, die wichtig waren und sind, Schüleraustauschprogramme wurden zeitweise in Frage gestellt, Wissenschaftsprojekte abgebrochen oder in Frage gestellt, Künstler ausgeladen. Mit Urlaubsboykott wurde gedroht – später hat man sich Gott sei Dank dafür entschuldigt –, und insgesamt wurde eine Welle, eine geradezu hysterische Welle ausgelöst, die in Österreich eine Gegenreaktion bewirkt hat.

Ich sage auch: Es ist etwas ganz Normales und eine uralte Regel, dass man dann, wenn ein Land angegriffen wird, versucht, zusammenzustehen. Leider war das am Anfang nicht immer der Fall. Ich sage das hier auch sehr offen: Ich bedauere dies, wir haben uns sehr bemüht, und ich habe hier auch viel investiert. Ich bin aber froh darüber, dass am Ende wenigstens dieser


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Konsens, dass in einer schwierigen Situation Österreich, seine Demokraten, seine Bürger zusammenstehen müssen, gegeben war und gegeben ist – denn das ist wichtig für uns! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das hat nichts, meine Damen und Herren, mit falschem Patriotismus, mit einem Hurra-Patriotismus zu tun. Aber ich werde nicht aufhören, mit Zähnen und Klauen darum zu kämpfen, dass "Heimat", "Vaterland" und "Patriotismus" Begriffe sind, die man auch heute im 21. Jahrhundert verwenden darf und kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Über die Entstehung der Sanktionen kann und will ich hier nichts sagen, weil ich darüber keine Informationen aus erster Hand habe. Jene, die dafür verantwortlich waren und sind, werden das mit ihrem Gewissen und sicher auch vor der Zeitgeschichte auszumachen haben. Wir in der Regierung haben eigentlich immer unseren Blick auf die Bewältigung der Gegenwart und vor allem der zukünftigen Fragen für unsere Heimat gerichtet.

Wir haben vom ersten Tag an keinen Vertrauensvorschuss bekommen. Im Gegenteil! Sie haben uns noch vor der Präsentation der Regierungserklärung mit einem Misstrauensantrag versehen. Wir können damit leben. Ich habe als Regierungschef hier mehr Zeit verbracht als jeder meiner Vorgänger, weil es mir als langjährigem Parlamentarier wichtig ist, dass die Auseinandersetzung hier in diesem Hohen Hause, vor den gewählten Volksvertretern stattfindet und nicht draußen auf der Straße bei Demonstrationen oder Blockaden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hier muss die Auseinandersetzung stattfinden! Hier müssen Sie sich als Opposition bewähren, und hier müssen wir uns als Regierung, als Parlamentarier, die diese Regierung unterstützen, vor dem österreichischen Souverän, dem einzigen, dem wir wirklich verantwortlich sind, nämlich dem österreichischen Wähler – und nicht irgendwelchen anderen Instanzen –, rechtfertigen. Das ist mir wichtig, und das ist auch eine Lehre aus diesen Sanktionsmonaten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sagte – und ich meine das ehrlich –, wir haben die Sorgen, die am Anfang in Leitartikeln, in vielen E-Mails oder Briefen, in persönlichen Gesprächen geäußert worden sind, sehr ernst genommen und haben daher auch versucht, in den ersten sechs, sieben Monaten ein reichhaltiges Themenbouquet an wichtigen Initiativen zu präsentieren. Dazu gehören etwa die Verbesserung der Rechte der Minderheiten, der Volksgruppen in Österreich, das Aufarbeiten der Geschichte, die Zwangsarbeitereinigung, die Integrationsbemühungen und die Armutsbekämpfung, die in vielen Bereichen ernst genommen wird. Einige Themen haben Sie ja heute in der Früh schon diskutiert. Auch die Sorgen der Erweiterungskandidaten wurden von uns ernst genommen und, wie ich glaube, in einer sehr vernünftigen Art und Weise behandelt.

Ich danke Ihnen auch, dass viele dieser wichtigen Themen trotz der sehr emotionalen und kontroversiellen Debatten hier im Hohen Hause manchmal einstimmig beschlossen worden sind. Das ist österreichisch, denn ich glaube, nur in wenigen anderen europäischen Ländern wäre bei einer so aufgeheizten emotionalen Diskussion dennoch ein so großer Konsens dagewesen. Ich bedanke mich ausdrücklich hier beim Hohen Haus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben – die Frau Vizekanzler, das ganze Team und ich – in diesen Monaten versucht, unser Land mit Besonnenheit und Festigkeit zu führen. Ich habe ein wenig schmunzeln müssen, als am Wochenende, am Sonntag, Kardinal Schönborn in seiner beachtlichen Predigt in Mariazell den großen christdemokratischen Gründer der Europäischen Union, den ehemaligen französischen Außenminister Schuman zitiert hat, der drei Ratschläge an seine Politikerkollegen hatte:

Erstens: nicht dramatisieren, zweitens: einen gewissen Humor in der Politik bewahren, auch wenn es schwer fällt, und drittens, was noch schwerer fällt: Wenn man Schläge einstecken muss, sie nicht eins zu eins zurückgeben. – Wir sind nicht perfekt, meine Damen und Herren, und beim dritten Punkt müssen wir, glaube ich, alle noch an uns arbeiten. Aber es sind kluge Ratschläge, die uns hier Kardinal Schönborn von Schuman, dem Gründer der Union, mit auf den Weg gegeben hat. Wir wollen sie beherzigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Nun sind seit 12. September, 19 Uhr, die Sanktionen aufgehoben, sie sind Geschichte. Befreiung, ein Gefühl der Erleichterung, auch Freude – ich sage das ganz bewusst – haben uns erfüllt. Wir haben uns wirklich gemeinsam gefreut für uns, aber vor allem für das Land, denn wir haben damit die Hände wieder frei für die Arbeit in Europa, aber natürlich auch in Österreich.

Es drängt mich an dieser Stelle auch, einigen Dank abzustatten. Erstens: Dank an viele, viele Österreicher, auch an manche, die am Anfang sehr skeptisch gewesen sind, wie es denn eigentlich gelingen wird, die dann doch gesehen haben, das verdient Vertrauen, was hier von Seiten der Regierung geschieht. Diese Menschen haben uns sehr viel Kraft und Unterstützung gegeben. Danke allen, die uns diesen Vertrauensvorschuss gewährt haben, den die Opposition verweigert hat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens sei Tausenden – wirklich Tausenden! – EU-Bürgern gedankt, die uns in Briefen, in E-Mails, in persönlichen Gesprächen Mut gemacht und gesagt haben, dass sie nicht der Meinung ihrer Regierungen seien. Auch das ist wichtig, denn Europa ist natürlich nicht nur das, was die Regierungen darstellen, Europa ist sehr viel mehr.

Ein drittes Dankeschön geht an die Nachbarn, an die Schweiz, an Liechtenstein, an Ungarn, Bayern, Südtirol, Baden-Württemberg, die uns entweder in schwieriger Zeit zu Staatsbesuchen empfangen haben oder ganz bewusst als Zeichen nach Wien gekommen sind und uns besucht haben. Das ist nicht selbstverständlich, muss aber hier erwähnt werden, und es sei bedankt – öffentlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Schön wäre es gewesen, wenn bei diesem Punkt alle applaudiert hätten.

Ich danke auch den Mittel- und Osteuropäern, die mit einer Ausnahme nicht bei dieser Kollektivfehlentscheidung der 14 mitgemacht haben, sondern ein positives Verhältnis zu Österreich bewahrt haben, die sehr klug auch in diese europäische Zukunft investiert haben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Ich sage Ihnen ganz offen: Dies ist auch für uns ein Auftrag, nämlich dann, wenn etwa die Erweiterungskandidaten Probleme haben, ebenfalls mit gewisser Sensibilität darauf einzugehen, was dort gewünscht ist. Ich möchte mich hier ausdrücklich bedanken. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich danke der Mehrheit im Europäischen Parlament, die mit Mehrheitsabstimmung für Österreich abgestimmt haben, und ich danke auch der Europäischen Kommission, die jedenfalls am Ende ganz massiv und eindeutig richtigerweise Stellung bezogen hat.

Interessant ist natürlich auch der Bericht der drei Persönlichkeiten, die ebenfalls Dank verdienen. Sie haben den ganzen Sommer geopfert und haben für die 14 einen Ausstiegsweg ermöglicht. Dieser Bericht ist lesenswert. Er ist differenziert – überhaupt keine Frage –, und er ist, wenn man ihn dann liest, in der Zusammenfassung für Österreich eigentlich eine wirklich positive Gesamtdarstellung.

Wenn die drei Persönlichkeiten in Artikel 108 ihres Berichtes sagen: "auf der Grundlage einer gründlichen Untersuchung ist es unsere" – "unsere", nicht gesagt von irgendjemandem, sondern "unsere" – "wohlerwogene Auffassung, daß die österreichische Regierung" – alle – für die gemeinsamen europäischen Werte eintritt." "In manchen Bereichen, vor allem bei den Rechten nationaler Minderheiten, können die österreichischen Standards als den in anderen EU-Staaten überlegen angesehen werden."

Ich danke den drei Persönlichkeiten für diesen ausgewogenen Bericht. Wir lesen natürlich auch die kritischen Sätze mit Interesse, und wir werden auch nachdenklich die Empfehlungen, die enthalten sind, in die tägliche Arbeit umsetzen. Es ist jedoch wichtig, dass mit diesem Dokument ein Ausstieg ermöglicht wurde, den Europa, den die 14, aber auch Österreich gebraucht hat – ein Danke! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jetzt ist die Stunde der Einsicht gefragt: Was folgt aus all dem? – Es ist ja schon interessant, jetzt etwa zu lesen, was Romano Prodi sagt – wörtliches Zitat, im letzten "Format" abgedruckt –: "Das wird nicht wieder geschehen.", nämlich dass es ein Einfrieren bilateraler Kontakte wie im Fall Österreich gibt.


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Auch der dänische Außenminister etwa sagt in derselben Ausgabe: Ich persönlich glaube nicht, dass wir nochmals so eine Reaktion wie jene gegen Österreich sehen.

Auch der luxemburgische Ministerpräsident wurde zitiert. Er sagte: Ich zweifle, ob wir wirklich alles richtig gemacht haben in dieser Frage.

Ich meine daher, die Stunde der Einsicht tut uns allen gut, auch uns in Österreich. Auch wir brauchen nicht in ein Triumphgeheul auszubrechen, denn ein solches ist weder notwendig noch – meiner Meinung nach – angebracht. Aber die Erleichterung, die wir empfinden, sollten wir als Antriebskraft nützen, um uns jetzt auf die wesentlichen Aufgaben in Europa zu konzentrieren. Was könnte das sein?

Erstens: Österreich muss seinen Platz im Herzen Europas einnehmen und verteidigen. Meine Damen und Herren! Wir werden österreichische Interessen nicht opfern, niemandem opfern, wenn er glaubt, uns aus Berlin, Paris, Brüssel oder von sonst wo zurufen zu müssen, was zu geschehen hat. Österreichische Interessen sind wichtiger als so manches andere, das uns in den letzten Wochen zugerufen wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das gilt für die Rechte betreffend das österreichische Wasser, das gilt aber auch für die Sicherheit von Kernkraftwerken – sehr interessant ist in diesem Zusammenhang eine Aussage von Romano Prodi, nämlich: Wenn die Beitrittskandidaten beitreten, gelten auch für ihre Atomkraftwerke europäische Regeln!; eine Aussage, die man sich merken sollte –, und das gilt auch für die österreichische Vertretung in allen europäischen Institutionen.

Zweitens: Europa braucht eine neue Verfassung, eine klare Aufgabenverteilung. Es geht darum: Was soll auf europäischer Ebene, was soll nationalstaatlich, was soll regional gelöst werden? – Dieser Punkt muss unmittelbar nach der Regierungskonferenz in Angriff genommen werden.

Drittens: Es ist klar, dass an einer Wegkreuzung – und vor einer solchen stehen wir – Angst und Unsicherheit herrschen: die Angst der Kleineren vor den Größeren, die Angst der Schnellen vor den Bremsern und umgekehrt, die Angst der Alten, der etablierten Alt-Mitglieder, vor der Erweiterung, vor den Neuen, die Angst der Reichen vor denen, die ihnen irgendetwas wegnehmen könnten. Wofür ich sehr plädiere ist, dass man, wenn jemand Kritik an Entwicklungen äußert, behutsam damit umgeht, denn das ist noch lange nicht antieuropäisch. Das ist eine wichtige Lehre, die zu ziehen ist, wofür ich sehr plädiere. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man sollte auch mit Worten wie "Kern" oder "Avantgarde" sehr behutsam umgehen. Ich zitiere jetzt jemanden, der sich in den letzten Wochen und Monaten bemerkenswert zurückgehalten hat – auch das sei bedankt –, nämlich den französischen Außenminister Hubert Védrine, der in einem Artikel der "Financial Times" wörtlich erklärt:

Seien wir vorsichtig mit Konzepten wie "hardcore" – also Kern – oder "Avantgarde", die eigentlich mehr teilen als vereinen. Wir müssen alles auf die Seite schieben, was neue, willkürliche Unterscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten schaffen könnte. – Zitatende.

Chris Patten, der sehr beachtliche außenpolitische Kommissar der Union – ein Brite –, warnt vor jedem Versuch, die Union über ein Direktorat der großen Staaten auf Kosten der kleinen oder mittleren zu leiten. Zu leicht könnte dies zu einem Europa der Bevorzugten und der Benachteiligten führen. Und den Beitrittskandidaten dürfe man nicht zu verstehen geben, dass sie in der Küche essen müssen, während die Herrschaften im ersten Stock speisen. – Das ist ein Auftrag für uns.

Auch direkte Demokratie kann ihren Platz in einem solchen Europa haben. Wir haben dies mit dem Versuch einer Volksbefragung ernst gemeint, und wir lassen uns diesen Versuch nicht schlecht machen – und er hat auch gewirkt. Nicht in jedem Fall wird er richtig und notwendig sein, aber ausschließen darf man ihn nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Letzter Punkt: Die Erweiterung ist für uns eine historische Chance. Wir wollen daher die aktive Nachbarschaftspolitik im Herzen Europas sinnvoll vorantreiben: durch politische Kontakte, durch Bildung – es gibt etwa österreichische Schulen in Prag, in Budapest, 75 Lektorate, Österreich-Bibliotheken und so weiter. Diese aktive Nachbarschaftspolitik kann in Zukunft in Europa ein Trumpf sein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler und darf nunmehr der Frau Vizekanzlerin das Wort erteilen. Gleiche Redezeit. – Bitte.

10.37

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen und Monaten war sehr oft und viel von europäischen Werten die Rede. Eine genaue und klare Definition dieser Werte wurde eigentlich nie vorgenommen, die Definition war nebulos, und vor allem wurde ein wichtiger Grundsatz außer Acht gelassen, nämlich dass Werte für alle zu gelten haben, dass der Maßstab, mit dem man Österreich misst, selbstverständlich auch für alle anderen in Europa zu gelten hat, und dass Moral nicht nur von den anderen erwartet werden kann, sondern dass man sie auch selbst zu beherzigen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ein moralisch erhobener Zeigefinger gegen andere macht einen noch lange nicht zu einer moralischen Instanz – weder in Europa noch in Österreich. Und vor allem kann sich niemand anmaßen, sich durch Berufung auf angebliche moralische Prinzipien zu einer Überinstanz über den höchsten Souverän in Österreich, nämlich die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, zu erheben. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es war für viele Menschen – nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa – ernüchternd, zu sehen, wie leicht man ohne Federlesen zu undemokratischen Mitteln gegriffen hat, angeblich zum Schutz der Demokratie.

Wir in Österreich – ich hoffe, auch in Europa – sind uns einig, dass das oberste Grundprinzip unserer Verfassung die Demokratie bildet, die selbst Grundvoraussetzung dafür ist, überhaupt Mitglied der Europäischen Union werden zu können.

Demokratie heißt in Österreich wie in jedem anderen Land, dass das Volk das Recht hat, in freien und demokratischen Wahlen sein eigenes Parlament zu wählen und damit auch seine Regierung zu bestimmen. Es gibt keine Instanz – weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene –, die sich über diese Entscheidung hinwegsetzen darf. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Europäische Gemeinschaft ist eine Vereinigung von 15 gleichberechtigten Staaten, souveränen Staaten mit gleichen Rechten und Pflichten, egal, ob diese Staaten groß oder klein sind.

Charles de Gaulle, einer der Gründerväter der Europäischen Union, hat 1963 erklärt: Unsere Annäherung und danach unsere Union haben wir in die Wege geleitet, um gemeinsam handeln zu können. – Gemeinsames Handeln und Solidarität sind die tragenden und im EU-Vertrag verankerten Säulen der Europäischen Union und die politischen Handlungsmaximen des europäischen Integrationsprozesses. Eine aus demokratischen Wahlen hervorgegangene Regierung zu isolieren und ein ganzes Land an den Pranger zu stellen, ist eine Vorgangsweise, die in krassem Widerspruch zu diesen Grundprinzipien, nämlich der Gemeinsamkeit und der Solidarität, steht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Europa – das sage ich in aller Deutlichkeit – hat nicht das Recht, Österreich oder irgendeinem anderen Mitgliedsland vorzuschreiben, welche Regierung es zu bilden hat. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in den vergangenen Tagen immer wieder im Mittelpunkt von Diskussionen gestanden. Ich unterstreiche dieses Recht 100-prozentig – wir alle, die gesamte Bundesregierung, tun dies (Zwischenruf des Abg. Schwemlein )  –, ich hielte es aber für sehr angebracht, dass all jene, die für sich das Recht auf freie Meinungsäußerung selbstverständlich beanspruchen, mit derselben Vehemenz auch für das Recht auf freie demokratische Meinungsäußerung in Form von Wahlen eintreten, und zwar auch dann, wenn das Ergebnis der Wahl nicht so ist, wie man es sich gewünscht hatte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Respekt vor der Entscheidung des Wählers ist auch ein europäischer Wert, den es zu verteidigen gilt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich sage das vor allem an die Adresse all jener, die glaubten, eine ihnen nicht genehme Regierungsbildung durch Druck aus dem Ausland verhindern oder rückgängig machen zu können, genauso aber auch an die Adresse von Regierungschefs, die glaubten, freie Wahlen nicht respektieren zu müssen.

Auch wenn sich letztlich die Vernunft durchgesetzt hat und gemäß den Empfehlungen der drei Weisen die Aufhebung der EU-Unrechtssanktionen gegen Österreich erfolgt ist, erfordern die Entwicklungen der letzten Monate eine eingehende Analyse und daraus abzuleitende Schlussfolgerungen.

"Österreich, der ,Musterschüler‘ der Europäischen Union", so schreibt Karl-Peter Schwarz in der "Presse", "hat in den vergangenen Monaten schmerzhaft erfahren müssen, daß auch die EU nicht das Paradies auf Erden ist, daß selbst von einer Staatengemeinschaft, die sich als demokratisch und liberal versteht, Gefahren ausgehen können, gegen die man sich schützen muß." – Zitatende.

Eine der Gefahren, gegen die man sich in Europa schützen muss, ist die Bestrebung, ein Europa zweier Klassen zu schaffen: eine Avantgarde einiger weniger großer Staaten, ein Direktorium eines Kerneuropas, das Richtung und Tempo bestimmen will.

Wachsamkeit gegenüber zentralistischen Tendenzen der EU als Rückständigkeit zu bespötteln oder als Chauvinismus zu diffamieren, ist grobe Fahrlässigkeit, das haben die Ereignisse der letzten Monate deutlich gemacht.

Österreich wird – so wie andere kleine Staaten der Europäischen Union – in Hinkunft eine viel aktivere Rolle bei der Gestaltung der EU spielen müssen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, dass existentielle Lebensinteressen unseres Landes unter die Räder kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Wahrung der Einstimmigkeit in für Österreich zentralen Fragen, wie zum Beispiel betreffend Wasserressourcen, Raumordnung, Bodennutzung oder Wahl der Energieträger, ist einer dieser Punkte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Darüber hinaus werden wir lernen müssen, Diskussionen über Chancen und Risiken von Integrations- und Erweiterungsschritten offen zu führen (Abg. Schieder: ... verschleudert unseren Wald selber!), Herr Kollege Schieder, ohne sachliche Argumente mit dem "Killerargument" der Europafeindlichkeit abzutun. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Vor allem aber muss uns bewusst sein, dass es eine tiefe Vertrauenskrise zwischen der Union und ihren Bürgern gibt. Die Sanktionen gegen Österreich haben diese Kluft noch viel tiefer gemacht.

Die österreichische Bundesregierung hat in den letzten Wochen und Monaten nicht nur große Unterstützung seitens der österreichischen Bevölkerung erfahren, die in vielen persönlichen Begegnungen und unzähligen Briefen zum Ausdruck gekommen ist – dafür bedanken wir uns aufrichtig und von ganzem Herzen (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP)  –, sondern Österreich hat darüber hinaus enormen Zuspruch von Menschen aus ganz Europa erfahren, die


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unser Land kennen und die über die ungerechtfertigten Vorwürfe und Sanktionen gegen Österreich zutiefst empört waren.

Dass die Verhängung dieser Sanktionen quasi über Nacht erfolgte, ohne Befassung des Europäischen Parlaments geschweige denn der nationalen Parlamente, ist ein Spiegelbild eines ganz gravierenden Demokratiedefizits der Europäischen Union. Man darf sich wirklich nicht wundern, dass die Menschen in Österreich und Europa das Gefühl haben, dass in Brüssel über ihre Köpfe hinweg entschieden wird.

Man darf sich auch nicht wundern, dass die Bürger den Glauben an die hehren Ideale der Integration verlieren, wenn ein Außenminister eines EU-Staates sagt: "Mein Ziel ist es, die österreichische Regierung zu stürzen!", wenn ein anderer eine österreichische Regierungspartei als "haarige Bestie im Nadelstreif" bezeichnet und wenn ein dritter sagt: "Ich werde den Teufel tun und mich bei Österreich entschuldigen!" (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sollen wir uns die politischen Eliten Europas wirklich so vorstellen? Sollen das die Wortführer eines neuen Europas sein? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ist das die Sprache, die Europa einen und erweitern wird? – Ich frage Sie das ganz im Ernst, meine Damen und Herren, denn ich bezweifle das sehr, und mit mir tun das viele, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin sehr dafür, dass wir uns mit der Sprache in der Politik kritisch auseinander setzen (Zwischenrufe bei der SPÖ), aber das Verteilen von Zensuren an andere ist dann nicht besonders glaubwürdig, Herr Kollege Gusenbauer, Herr Kollege Edlinger und andere von der SPÖ-Fraktion, wenn Sie selbst laufend den verbalen Dreschflegel betätigen. Dasselbe gilt auch für die europäische Ebene. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Messen mit zweierlei Maß, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, ist keine moralische Kategorie, mit der man beeindrucken kann. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Einen Bericht über die Situation in Österreich einzufordern, ist gut und schön. Wir haben nichts zu verbergen und wir brauchen uns nicht zu verstecken. Deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass der Bericht der drei Weisen nicht nur zu dem Schluss kam, dass die österreichische Integrationspolitik problemlos mit dem europäischen Niveau mithalten kann, sondern auch ausführt, dass die Minderheitenpolitik in Österreich und die in diesem Bereich vorhandenen Standards sogar noch weit über dem europäischen Niveau liegen. Brandfackeln gegen Ausländer, Menschenjagd gegen Flüchtlinge, Schändung von Friedhöfen und Synagogen, Nazitumulte und Straßenschlachten: All das ist heute traurige europäische Realität – aber es ist nicht Realität in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Bundesregierung – das kann ich Ihnen versichern – wird alles daran setzen, dass es auch so bleibt, dass Österreich friedlich und sicher bleibt für jeden, der in diesem Land lebt. Wachsamkeit ist daher sehr wohl angebracht.

Wir werden sehr wachsam alle Entwicklungen in Europa beobachten. Wir werden sehr genau darüber wachen (Zwischenruf des Abg. Öllinger ), dass die Grund- und Freiheitsrechte ebenso wie die Grundprinzipien moderner Verfassungsstaaten, nämlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung, aus der Diskussion über europäische Werte nicht ausgeblendet werden.

Das bedeutet für mich aber auch ganz klar, dass es mehr Mitbestimmung für die Bürger in Europa geben muss. Als der EU-Kommissar für Erweiterungsfragen Verheugen unlängst den Vorschlag machte, direkt-demokratische Instrumente bei großen und für Europa weitreichenden Entscheidungen wie zum Beispiel der Osterweiterung einzusetzen, folgte kollektive Empörung der so genannten politischen Eliten auf dem Fuße. Man könne doch, so die fast einhellige Meinung der ver öffentlichten Meinung, dem Volk eine so komplizierte Entscheidung gar nicht zumuten – als wäre die europäische Integrationspolitik eine Art Geheimwissenschaft, mit der sich nur Fachleute und Technokraten beschäftigen können.


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Ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre sehr vorsichtig bei der Qualifizierung, wofür die Bürger gescheit genug sind und wofür nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es geht hier nicht nur speziell um die Osterweiterung, sondern grundsätzlich darum, dass es prinzipiell keine Frage geben kann, die man dem Bürger nicht zur Entscheidung vorlegen kann. Jede Entscheidung ist dem Bürger zumutbar – und vor allem ist den Bürgern die Wahrheit zumutbar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es durchaus auch Unterstützung für den Verheugen-Vorschlag gegeben hat von einer Seite, von der man es eigentlich gar nicht vermutet hätte, wie zum Beispiel von Oskar Lafontaine, der ja bis vor kurzem noch zur sozialistischen Führungselite in Europa gehörte, und vom ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog. Ich halte es prinzipiell für positiv, dass damit eine Diskussion in Gang gekommen ist, die seit Jahren nur als Randthema der Union behandelt wurde, die für mich aber eine zentrale Frage ist, nämlich die Beseitigung des eklatanten Demokratiedefizits der EU und die Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips im Sinne der Bürgernähe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Diskussion muss bei einem Neubeginn Europas ins Zentrum gerückt werden, wenn man es mit dem Miteinander ernst meint. Und wenn wir es ernst meinen mit dem Miteinander in Europa, dann bedeutet das auch, dass wir Entscheidungsgrundlagen schaffen müssen, die für die Bürger glaubhaft und nachvollziehbar sind, zum Beispiel auch betreffend die Osterweiterung.

Im Interesse Österreichs, aber auch im Interesse der Union muss es eine sorgfältige Abwägung geben, welche Vorteile welchen Nachteilen gegenüberstehen, welcher Nutzen welche Kosten nach sich zieht.

"Die derzeit angewandte Methode", schreibt Christian Ortner im "Format", "einen Blankoscheck vom Steuerzahler einzufordern und all jene als provinzielle Kleingeister zu denunzieren, die ihn so nicht unterschreiben wollen, wird sich letztlich als kontraproduktiv erweisen."

Wir in Österreich sehen unsere Verpflichtung darin, unsere Nachbarstaaten nach Kräften dabei zu unterstützen, dass sie die für den Beitritt notwendigen Standards in der Sozialpolitik, der Umweltpolitik, der Rechtspolitik erreichen können. Aber wir erwarten von den Beitrittskandidaten auch, dass sie die in Europa geltenden Standards der Menschenrechte und der Sicherheit bei Atomkraftwerken zu erfüllen bereit sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Sinne sollten die Erfahrungen der letzten Monate dazu genutzt werden, gemeinsam den Pfad der Vernunft zu beschreiten. Um diesen Pfad mit Leben zu erfüllen und fruchtbar zu nutzen, müssen wir uns mit gegenseitiger Achtung begegnen, unsere demokratische Zuverlässigkeit außer Streit stellen und die gemeinsame Verantwortung für Österreich über alle parteipolitischen Ziele stellen.

Angesichts der Reaktion der Opposition auf die Aufhebung der Sanktionen in den letzten Tagen habe ich meine berechtigten Zweifel dahin gehend, ob wirklich alle die richtigen Lehren aus dieser Entscheidung gezogen haben. (Zwischenruf der Abg. Huber. )  – Frau Kollegin! Wer im Zusammenhang mit den Sanktionen das eigene schlechte Gewissen überdecken will, indem er mutwillig und völlig unbegründet versucht, die politische und persönliche Integrität des Justizministers zu untergraben, hat aus den Ereignissen der letzten Monate nicht die richtigen Lehren gezogen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer besitzt nicht nur mein persönliches Vertrauen, sondern auch das volle Vertrauen der gesamten Bundesregierung und das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung, wie wir aus vielen Reaktionen der letzten Tage und Wochen wissen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die politischen Schlussfolgerungen aus den Sanktionen der "EU-14"-Staaten liegen auf der Hand:


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Europa braucht mehr Beteiligung der Bürger.

Europa braucht die Garantie, dass demokratische Wahlentscheidungen der Bürger geachtet und respektiert werden.

Europa braucht institutionelle Vorkehrungen, um diese Ziele sicherzustellen.

Europa braucht wieder eine Vision und eine Besinnung auf seine Ideale.

Europa braucht Staatspolitiker, die jenseits ihres persönlichen Ehrgeizes das Gesamtinteresse Europas nicht aus den Augen verlieren, Staatspolitiker, die ausgestattet sind mit der Bereitschaft, mutig und entschlossen an die Herausforderungen dieses Kontinents heranzugehen.

Wenn wir bereit sind, auch in diesem Hohen Hause die Interessen Österreichs gemeinsam zu vertreten, geben wir nicht nur ein Zeichen der demokratischen Reife dieses Landes, sondern auch ein Zeichen dafür, dass wir ein konstruktiver Mitgestalter des künftigen modernen und solidarischen Europas sein werden. – Danke schön. (Lang anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke auch für diese zweite Erklärung und stelle fest, dass diese beiden Erklärungen gemeinsam Punkt 1 der Tagesordnung bilden.

Punkt 2 ist der Bericht des Hauptausschusses. Auf die Berichterstattung wird verzichtet.

Punkt 3 ist der Außenpolitische Bericht. Auf die Berichterstattung zu diesem Punkt wird ebenfalls verzichtet.

Damit gehen wir in die Debatte ein.

Die ersten vier Redner haben eine Redezeit von je 18 Minuten.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Da liegt die Latte jetzt sehr hoch! – Abg. Schwarzenberger: Da wird er jetzt arm ausschauen!)

10.55

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass alle Österreicherinnen und Österreicher und, wie ich hoffe, alle im Parlament vertretenen Parteien Respekt vor der Entscheidung des Wählers haben. Die Entscheidung vom 3. Oktober ist, dass die Sozialdemokratische Partei die stärkste Partei wurde und die Partei des heutigen Bundeskanzlers die drittstärkste, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Wird das Parlament mit irgendeinem Gasthaus, Stammtisch oder sonst etwas verwechselt? Ich verstehe Ihre Unruhe nicht, wenn nur berichtet wird, was das Wahlergebnis war. Die Herren von der FPÖ sind heute sehr leicht zu erregen. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Es besteht auch überhaupt kein Zweifel daran, dass das Instrument der direkten Demokratie in Ergänzung der repräsentativen Demokratie außerordentlich wichtig ist. Eine der Kernentscheidungen, die in einer direkt-demokratischen Entscheidung in Österreich getroffen wurden, war – gegen den Willen der FPÖ! – der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte und zum Glück nicht durchgeführte Volksbefragung wäre nach Auffassung vieler Rechtsexperten, Verfassungsjuristen, Politikwissenschaftern und so weiter ein Missbrauch eines Instrumentes der direkten Demokratie gewesen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Eine Grundlage der Reden des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin war auch der Bericht der Weisen. Aber ich habe nichts gehört von selbstkritischen Schlussfolgerungen, die aus diesem


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Bericht zu ziehen wären. (Abg. Großruck: Dann haben Sie nicht aufgepasst!) Kein einziges Wort habe ich von der Frau Vizekanzlerin darüber gehört, wo sie sich zu ändern gedenkt, wo sie die Kritik, die im Bericht formuliert ist, zu einer Veränderung ihrer Politik veranlassen wird. Kein einziges Wort, meine sehr verehrten Damen und Herren! Und das ist schade für dieses Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Denn es soll nicht unerwähnt bleiben: Der Grund für die Situation, in die die Regierung und damit Österreich gekommen ist, ist nach wie vor gegeben, nämlich dass die FPÖ bei den letzten Nationalratswahlen in Wien einen menschenverachtenden Wahlkampf geführt hat, der sich gegen Bürgerinnen und Bürger gerichtet hat, die täglich fleißig arbeiten und ihre Steuern zahlen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Für die Bürger!) Dieser abstoßende Wahlkampf hat nicht nur in Österreich, sondern international Erregung hervorgerufen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das besonders Schlimme daran ist – nach all den Diskussionen, nach all den Erfahrungen –, dass Herr Klubobmann Westenthaler angekündigt hat: Der nächste Wahlkampf in Wien wird genauso gemacht wie der letzte Nationalratswahlkampf. – Das ist der falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Wir werden wieder gewinnen!)

Mir ist die Dramaturgie dieses Tages klar: Bundeskanzler und Vizekanzlerin dürfen schönreden, und dann kommen – nach Ankündigungen, die Sie selbst abgegeben haben – die beiden Klubobmänner und wollen ein Scherbengericht über die Opposition veranstalten. Mir ist die Aufgabenteilung völlig klar: hier Schönreden und dort der Dreschflegel. (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie schon Angst? Fürchten Sie sich schon?) – Nein, Herr Westenthaler. Wissen Sie, wann es schlimm wird in diesem Land? – Wenn irgendjemand vor Ihnen Angst bekommen muss, dann wird es wirklich schlimm. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben sie ja schon!)

Gestern hat ein interessanter Vortrag des Harvard-Professors Dominique Moisi in Wien stattgefunden. Er ist auch der stellvertretende Leiter des Instituts für internationale Beziehungen in Paris. Dieser Professor hat der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass doch völlig klar ist, von wem die Maßnahmen ausgegangen sind: von Frankreich und Belgien, mit starker Unterstützung Spaniens. (Abg. Ing. Westenthaler: Überall, wo Sie waren! – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)  – Ja, danach, Herr Westenthaler! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist sehr gescheit! Gut, dass Sie das sagen! – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Dazu darf ich Ihnen sagen: Herr Chirac ist ein konservativer Präsident, Belgien hat eine liberale Regierung, und Spanien hat eine konservative Regierung. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Gusenbauer ein Foto vorweisend –: Überall, wo Sie Champagner trinken!)

Soll ich Ihnen etwas sagen? – Ihre Verschwörungstheorie betreffend die Sozialistische Internationale können Sie bei freiheitlichen Propagandaveranstaltungen erzählen, aber nicht hier im Parlament! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Das ist die Wahrheit! – Abg. Dr. Martin Graf: Das glauben Ihnen nicht einmal Ihre eigenen Sektionen!)

Meine Damen und Herren! Vielleicht hat Herr Klubobmann Khol die Güte, auch dem Hohen Haus mitzuteilen, was er "Le Figaro" mitgeteilt hat – nämlich, dass er knapp vor der Verhängung der Maßnahmen gegen Österreich mit Präsident Chirac telefoniert hat; wahrscheinlich war er der letzte Österreicher, der vor der Verhängung der Maßnahmen mit Chirac gesprochen hat –, was er ihm gesagt hat und was ihm Chirac geantwortet hat. – Das würde das Hohe Haus und ganz Österreich interessieren, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler – ein Foto in die Höhe haltend –: Champagner!)

In vielen Gesprächen mit Staats- und Regierungschefs – das zeigt auch das Foto, das Sie zeigen – habe ich mich bemüht, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Maßnahmen gegen die österreichische Bundesregierung aufgehoben werden. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol.  – Abg. Ing. Westenthaler: Der hat ja Humor!)


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Dieses mein Bemühen war nicht immer von Erfolg begleitet, aber mit dem Einstieg zum Ausstieg hat es begonnen, und es ist danach zum Weisenbericht gekommen und jetzt zum Beschluss der 14, dass die Maßnahmen aufgehoben werden. Am Ende des Tages hat es sich gelohnt, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber der eigentlich wichtige Punkt ist heute nicht diskutiert worden, nämlich dass Österreich viel aufzuholen hat, weil viel Vertrauen zwischen Österreich und den europäischen Partnern verloren gegangen ist, und dieses Vertrauen müssen wir, wenn wir österreichische Interessen in Europa durchsetzen wollen, wieder zurückgewinnen. Österreich muss von dem Rand, an dem es jetzt steht, wieder in die Mitte der Europäischen Union zurückkehren – und dazu braucht es Bündnispartner. Aber die Voraussetzung für Bündnispartner ist, dass Aufbauarbeit und Vertrauensarbeit geleistet wird. Doch ich weiß nicht, Herr Bundeskanzler, was Sie geritten hat, als Sie bei einem Spaziergang anlässlich eines Ausflugs der Regierung an der österreichisch-slowenischen Grenze ohne besondere Gründe den slowenischen Staatspräsidenten Kucan auf das Unflätigste beschimpft haben. – Das ist nicht die Aufbau- und Vertrauensarbeit, die Österreich in dieser Stunde braucht! (Beifall bei der SPÖ.)

Dasselbe gilt für das Verhalten gegenüber den Nachbarstaaten in Zentral- und Osteuropa in den letzen Monaten, das in vielen Fragen nicht so angelegt war, dass man davon ausgehen könnte, dass sie automatisch wollen, dass Österreich ihr Bündnispartner ist.

Auch weiß ich nicht, woher Sie die Idee haben, dass Österreich auf einmal das Sprachrohr der "Kleinen" in der EU sein sollte, da es gerade einzelne dieser "Kleinen" waren, die sich sehr kritisch mit Ihrer Politik und mit der FPÖ auseinander gesetzt haben. Die Zielsetzung ist in Ordnung, nur: Das, was Sie bisher getan haben, leistet keinen Beitrag, diesem Ziel näherzukommen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber eigentlich geht es um die Träne im Knopfloch von Herrn Khol und von Herrn Westenthaler auf Grund dessen, dass jetzt die Sanktionen und die Maßnahmen vorbei sind und dass damit das gesamte Theater, das die reale Politik der österreichischen Bundesregierung in den letzten Monaten verschleiert hat, nun zu Ende ist. (Ironische Heiterkeit der Abgeordneten Dr. Khol und Ing. Westenthaler. ) Das Märchen "Edle Ritter der Regierung retten das Land vor dem bösen Drachen in Brüssel", diese Vorstellung kann jetzt endgültig aus dem Repertoire gestrichen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Was dahinter zum Vorschein kommt, das ist die klirrende Kälte der Regierungspolitik. Es ist kein Zufall, dass fast zeitgleich mit der heutigen Sitzung gestern als erster Schritt nach dem Ende der Maßnahmen ein Maßnahmenpaket von der Regierung bekannt gegeben wurde, das den massivsten Sozialabbau in Österreich seit Jahren bedeutet, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage Sie: Was werden Sie den Familien sagen, die enorm teure Heizkosten zu tragen haben? – Werden Sie sagen: Wir können nichts machen, vielleicht für einige wenige Tausend, aber seid froh, dass die Sanktionen aufgehoben worden sind!? 

Ich frage Sie: Was sagen Sie den Pendlern – außer den paar Dingen, die Sie jetzt beschlossen haben – betreffend den hohen Benzinpreis, den sich immer weniger leisten können? – Werden Sie sagen: Macht euch nichts draus, wir können nichts machen, aber dafür sind die Sanktionen aufgehoben worden!? 

Ich frage Sie: Was sagen Sie den Studenten und den Familien, die davon betroffen sind, zu dem Umstand, dass in Zukunft ein Studium zumindest um 50 000 S mehr kosten wird, etwas, was im krassen Widerspruch zu all Ihren Versprechungen, Herr Bundeskanzler, und zu den Versprechungen der Frau Unterrichtsministerin Gehrer steht? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich frage Sie: Was sagen Sie dem Unfallrentner, dem Sie eine neue Steuer aufbrummen? Was sagen Sie den Arbeitslosen, denen Sie die Unterstützung kürzen? Und was sagen Sie einer Frau, die plötzlich nicht mehr mitversichert ist, und zwar nur deshalb nicht, weil Sie den Fehler


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gemacht hat, keine Mutter geworden zu sein? – Sagen Sie all denen: Wir können nichts machen, aber seid froh, dass die Sanktionen aufgehoben worden sind!? – Das wird zu wenig sein, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was Sie hier veranstalten, ist Treffsicherheit – aber Treffsicherheit ohne Adjektive. Sie haben ordentlich gezielt, Sie haben sicher getroffen, und zwar genau all diejenigen, die einen sozialen Staat brauchen. Noch nie war Sozialabbau mit solch netten Worten verbrämt, wie Sie sie verwenden, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Wahrheit ist: Wo Treffsicherheit draufsteht, dort ist bei dieser Regierung Sozialabbau drin. – Das ist der Kernpunkt Ihres politischen Programms! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin schon gespannt, wann Herr Klubobmann Khol den Mut haben wird, mit mir gemeinsam mit den Studenten zu diskutieren. Ich bin neugierig, ob er Ihnen dann dieselbe Kaltschnäuzigkeit entgegenbringen wird wie gestern und ihnen in Anbetracht des Umstands, dass sie neben dem Studium kellnern gehen müssen, um es sich zu finanzieren, und erst nach der Arbeit studieren können, weil jetzt zusätzlich 50 000 S für das gesamte Studium an Studiengebühren verlangt werden, erklären wird: Alles, was nichts kostet, ist nichts wert! – Das bringt Ihre wahre Kaltschnäuzigkeit zum Ausdruck, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Ich weiß schon, das ist nicht das Problem von Herrn Prinzhorn und von Herrn Khol und anderen Personen, deren Kinder nach dem Motto leben können: Der Papa wird’s schon richten!, nein, das ist das Problem all jener Österreicherinnen und Österreicher, die ein kleines oder mittleres Einkommen haben. Sie, die in den letzten Jahrzehnten einen freien Zugang zur Bildung gehabt haben, werden in Zukunft diese Chance nicht mehr haben – und das ist die Mehrheit in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Es wäre mutig, wenn Sie in jene Schule gehen würden, in welcher Sie angekündigt haben, dass es keine Studiengebühren geben wird, und dort mit den Schülern heute diskutieren würden, denn bekanntlich wird Ihnen in der Öffentlichkeit attestiert, dass Sie keine Nerven haben. Aber die Schüler dort haben einen anderen Eindruck: dass Sie kein Herz und kein Gefühl für das Schicksal der Menschen haben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Das ist unerhört!)

Es mag zwar sein, dass Sie, Herr Bundeskanzler, in der Regierung der Steuermann sind, aber für die Betroffenen, für die sozial Schwachen, für die Studenten, für die Rentner, für die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung sind Sie der "Teuermann"! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich froh darüber, dass der "Sanktionenvorhang" jetzt weggezogen ist, damit wir endlich die Regierung dem Alltagstest unterziehen können, denn jede Regierung ist letztendlich daran zu messen, welchen Beitrag sie zur Verbesserung der Lebenschancen und der Lebensbedingungen der Bevölkerung leistet. Das ist jene Latte, an der Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, gemessen werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Man stellt sich die Frage, in welcher Welt wir leben, wenn in Österreich, in einem Land mit einem enormen Wirtschaftswachstum, in einem Land, in welchem die Wirtschaft boomt, in einer Zeit, in welcher die Produktivität enorm steigt und sich jeder Bürger die Frage stellt: Was ist mein gerechter Anteil an diesem Wirtschaftsaufschwung?, die einzigen Antworten, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land zu hören bekommen, lauten: Sozialabbau, Steuererhöhungen, höchste Teuerungsrate, hohe Benzin- und Erdölpreise, und damit ist noch die Botschaft verbunden, bei den Löhnen könne man auch nichts tun, denn dann komme es zu einer Lohn- Preisspirale.

Ich frage Sie: Wo bleibt da der gerechte Anteil für die Mehrheit in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ.)


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Weil Sie, Frau Vizekanzlerin, darauf hingewiesen haben, dass Sie solidarisch zum Herrn Justizminister stehen, sage ich Ihnen ganz offen meine Meinung: Ein Justizminister, der der Vollstrecker einer Politik ist, die die freie Meinung durch die freiheitliche Meinung ersetzen will, ein Justizminister, dessen Kanzlei das Hauptquartier der Klagenflut der FPÖ gegen ihre missliebigen Kritiker ist, ein Justizminister, der Journalisten, die recherchieren, weil es ihr Job ist, die Staatspolizei nachschickt, und ein Justizminister, dem das Demokratiegefährdende seines Handelns erneut bestätigt wurde, ist in einem demokratischen Österreich nicht tragbar, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Tun Sie daher das einzig Richtige: Treten Sie zurück! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

11.13

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ –: Gusenbauer muss bleiben! Wir sagen das auch! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Gusenbauer muss bleiben!)

11.14

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher heute via Fernsehschirme an dieser Debatte beteiligen können (Rufe bei der SPÖ: Wir auch!), denn so können sie sich selber eine Meinung darüber bilden, wer hier kaltschnäuzig geredet hat: der Herr Bundeskanzler oder Sie, Herr Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber jetzt möchte ich wieder zur Sache kommen. – Am 12. September 2000 wurden die Sanktionen aufgehoben, und Österreich wurde vom Eis einer internationalen Ächtung befreit. Und da kann man nur sagen: Danke all jenen, die daran mitgewirkt haben!, aber man kann nicht zur Tagesordnung übergehen, denn nur derjenige, der die Vergangenheit versteht, kann die Zukunft gestalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die drei EU-Experten haben einen Bericht über Österreich abgegeben. Es war ein Wagnis, meine Damen und Herren, und viele Österreicherinnen und Österreicher haben es nicht verstanden, warum wir uns als souveräne freie Nation drei Experten sozusagen stellen mussten. Die drei Experten haben uns gewogen und haben uns ein Urteil ausgestellt, das dieses Wagnis gerechtfertigt hat, denn welche Regierung in Europa – und zwar die ganze Bundesregierung! – hat es schriftlich, dass sie die europäischen Grundwerte beachtet, welche europäische Regierung hat es schriftlich, dass sie die noble Tradition einer großzügigen Behandlung der Asylanten, der Flüchtlinge und der Einwanderer fortsetzt, und welche Regierung hat es schriftlich, dass ihre Minderheitenpolitik weit über dem Standard anderer europäischer Länder liegt? Darauf können wir stolz sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Risiko dieser Prozedur hat sich gelohnt. Es wurde Klarheit geschaffen, auch wenn manche immer noch bei ihren Vorurteilen bleiben.

Meine Damen und Herren! Wenn man mit einem Finger auf jemanden zeigt, zeigen immer drei Finger auf einen selber zurück, und diese Wahrheit sollten wir auch bei diesem Bericht beherzigen. Wir werden ihn ernst nehmen, und ich glaube, dass am Beginn dieser meiner Rede klargestellt werden muss, dass natürlich Anregungen darin enthalten sind, die wir ernst nehmen, etwa was die Verfahrensdauer bei Asylanträgen betrifft, was die Bedingungen der Schubhaft betrifft, was die Kritik an der Gerichtsorganisation betrifft, nämlich dass unterschiedliche Gerichte unterschiedlich urteilen und Standards des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht umsetzen. Das alles werden wir tun! Aber über allem, meine Damen und Herren, steht Folgendes: Diese Regierung verteidigt europäische Grundwerte! – Und darauf bin ich stolz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Friedrich Funder hat einmal über eine andere Zeit das Buch geschrieben: "Als Österreich den Sturm bestand". – Ich möchte das nicht so hoch ansetzen, sonst würde Herr Van der Bellen wieder sagen, ich hätte ein Pathos (Abg. Dr. Mertel: Unverkennbar!), aber ich glaube, sagen zu können: Wir haben die internationale Ächtung bestanden, wir haben sie würdig weggebracht, und wir können uns bei unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, beim österreichischen Volk, nur dafür bedanken, dass man uns in Tausenden Anrufen, E-Mails und Briefen, durch Händeschütteln – im Wald, auf der Alm, im Wirtshaus (Abg. Reitsamer: ... im Wald!)  – darin bestärkt hat mit den Worten: Kriecht nicht zu Kreuze, geht den aufrechten Gang, wir sind Österreicher, wir brauchen uns vor niemandem zu schämen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich aber auch bei den Freunden im In- und Ausland bedanken, und da zuallererst bei der Schweizer Bundesregierung und beim Schweizer Volk. Sie haben zu uns gehalten. Ich werde das den Schweizerinnen und Schweizern nicht vergessen – aber auch den Deutschen nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Bezug auf die deutsche Bundesregierung werde ich nicht die gleichen Worte verwenden, die der deutsche Außenminister Fischer zu uns via Fernsehschirm gesagt hat, denn ich achte auf eine bestimmte Würde in der Sprache, aber ich kann mir vieles denken. Doch die Deutschen haben auch zu uns gehalten, und denen möchte ich ebenfalls danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es schmerzt sehr, wenn Länder, mit denen wir viele Teile unserer Kultur gemeinsam haben, die uns kennen, die unsere Bücher lesen, deren Zeitungen wir lesen, uns falsch beurteilen. Wenn das die fernen Länder tun, ist es auch kränkend, aber es ist besonders kränkend, auf welche Weise sich die deutsche Bundesregierung wider besseres Wissen und Gewissen in den Dienst einer nicht noblen Sache gestellt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte mich aber auch beim Bundeskanzler, bei der Vizekanzlerin, bei der Außenministerin und bei allen anderen Regierungsmitgliedern bedanken, die diese Monate des internationalen Mobbing in Anstand, in Würde, ohne mit der Wimper zu zucken, immer ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht, ertragen haben. Das war eine große Leistung, und wir alle sind stolz auf sie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ein Bilanzziehen ist nötig, damit man auch die Zukunft gestalten kann. Wir haben einige Lehren für die Zukunft zu ziehen. Es war ein einmaliges Verfahren, das gegenüber Österreich angewandt wurde, und ich hoffe, es bleibt ein einmaliges, denn im Namen von Grundwerten, die man zu schützen vorgab, hat man Grundwerte gröblichst verletzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man hat aber dadurch – und das wiederum ist trostreich – eine Verfassungskrise auf europäischer Ebene ausgelöst und einen Nachdenkprozess eingeleitet, der andere Länder vor solchen Ostrazismen, vor solchen "Scherbengerichten" in Zukunft schützen wird, denn die Sanktionen – und das möchte ich hier ganz klar sagen – haben ihr Ziel nicht erreicht, und da braucht sich keiner in den Sack zu lügen! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Ziel der Sanktionen war der Sturz dieser Regierung, das Ziel der Sanktionen war, die Freiheitliche Partei als undemokratisch und regierungsunfähig zu brandmarken. Es blieb Herrn Voggenhuber vorbehalten, sie als eine faschistische Partei zu bezeichnen. – In diesem Hohen Hause gibt es keine undemokratischen und keine faschistischen Parteien. Das wurde auch im Weisenbericht festgestellt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man hat diese Ziele nicht erreicht, meine Damen und Herren. Ganz im Gegenteil: Es wurde uns ausdrücklich bestätigt, dass wir unsere Sache gut machen, und es wurde uns ausdrücklich bestätigt, dass diese Regierung – das ist der Schlusssatz des Weisenberichtes – die europäischen Grundwerte beachtet. Ich würde es begrüßen, wenn all jene, die, obwohl sie diesen Bericht gelesen haben, gegen uns scharfmachen, sich in Zukunft diesem Urteil der drei Experten über die Phänomene in Österreich anschlössen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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36. Sitzung / Seite 53

Meine Damen und Herren! Für die Europäische Union – und da möchte ich unterstreichen, was der Bundeskanzler gesagt hat – ist eine Verfassung notwendig – eine Verfassung, die eine klare Aufgabenteilung zwischen dem, was Brüssel tun darf, und dem, was die Länder tun können, was die Gemeinden tun können und was die Regionen tun können, herstellt. Grundwerte sind nötig, denn es gibt derzeit keine Grundwerte in geschriebener Form, und starke Organe sind nötig, die auch am Beginn von Krisen stark sind, und nicht erst am Ende auf den "band wagon" springen, wenn sie wissen, in welche Richtung es geht. Ich hätte mir gewünscht, dass die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge jene Haltung zu Beginn eingenommen hätte, die sie dann am Ende dankenswerterweise eingenommen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine weitere Lehre, die wir aus all dem zu ziehen haben: Niemand wird es so deutlich sagen, aber all jene, die ihre Hoffnungen in einen deutsch-französischen oder französisch-deutschen Antriebsmotor der Europäischen Union gesetzt haben, müssen zur Kenntnis nehmen, dass das von den handelnden Personen abhängt. Ein Schröder ist nun einmal kein Helmut Kohl, und ein Jacques Chirac ist kein François Mitterand. Man muss das heute sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pilz: Ja, der Schröder ist nicht kriminell! – Abg. Haigermoser  – in Richtung des Abg. Dr. Pilz –: Wer behauptet das, Pilz?)

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es naiv wäre, zu übersehen, dass wir unsere Rechte nicht hätten herstellen können, hätten wir auf die Rechte, die uns der europäische Unionsvertrag einräumt, verzichtet. Nur im Hintergrund stand, dass wir unser Veto zur Verteidigung österreichischer Interessen anwenden, und als klar war, dass diese Anwendung Realität werden würde, ist uns Gerechtigkeit widerfahren. Das müssen wir heute, in dieser Stunde der Wahrheit, zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher ist die Einstimmigkeit in wichtigen Fragen unabdingbar. Jeder, der darauf verzichten würde, wäre ein Tor. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich mich an Sie, Herr Präsident Fischer, wenden. Sie haben sich – nicht vom hohen Stuhl aus, sondern als Parteivorsitzender-Stellvertreter – gegen die Versuche verwahrt, die Sozialistische Internationale zu dämonisieren. Ich möchte klipp und klar feststellen: Es waren nicht wir, die festgestellt haben, dass bei der Holocaust-Konferenz am Abend des 26. Jänner dieses Jahres, an welcher der damalige Bundeskanzler Klima teilgenommen hat, die Sozialistische Internationale die Sanktionen beschlossen hätte. Das waren nicht wir! Lesen Sie den "Economist", lesen Sie die "Neue Zürcher Zeitung", und lesen Sie, was in der Weltpresse darüber geschrieben wird! Es wird eindeutig festgestellt, dass der Versuch der Sozialistischen Internationale, eine Regierung, die vom Volk durch Wahl legitimiert wurde, mittels "europäischer Werte" – unter Anführungszeichen – zu stürzen, gescheitert ist. – Gott sei Dank! Ich hoffe, das ist ein für alle Mal vorbei. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Hat Ihnen das Chirac am Telefon gesagt?)

Meine Damen und Herren! Es gilt auch für Österreich, Konsequenzen zu ziehen. Die Politik des aufrechten Ganges lohnt sich. Politische Rechte verleihen Stärke nur dann, wenn man sie wahrnimmt, und Signale der Schwäche fordern geradezu die spätere Demütigung heraus.

Noch eines: Wer Österreich im Ausland schlecht macht, verliert in Österreich, aber auch international an Respekt, denn es gilt das alte römische Wort: Man liebt zwar den Verrat, aber nicht den Verräter. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Außenministerin hat in der "Pressestunde" am Sonntag angekündigt, dass sie für die Zukunft eine Art Europadialog parteiübergreifend einrichten möchte, im Zuge dessen wir einen Neubeginn in dieser Situation starten können. Wir sind dazu bereit, dies parteiübergreifend zu diskutieren, aber davor wäre es gut, reinen Tisch zu machen.

Herr Gusenbauer – Sie sind der neue Chef der Sozialdemokratie –, ich habe heute in Ihrer Rede jede Nachdenklichkeit vermisst, und ich habe die Antworten auf jene Fragen vermisst, die Ihnen die Öffentlichkeit und wir immer wieder gestellt haben. (Abg. Gradwohl: Das ist Ihr selektives


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36. Sitzung / Seite 54

Wahrnehmungsvermögen!) Der Chefredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung", Bütler, hat in einer seiner ganz seltenen Kommentare Folgendes ausgesprochen:

"Der Rückzug aus der Sackgasse der Sanktionen, in die sie sich teilweise auf Bitten machtverwöhnter österreichischer Sozialisten im Gefolge des Stockholmer Treffens hastig verrannt hatten. " – Das sagte Bütler.

Also "machtverwöhnte österreichische Sozialisten" hätten gebeten, dass die Europäische Union in die Sackgasse der Sanktionen geht. Das sage nicht ich!

Herr Kollege Gusenbauer! Die Österreicherinnen und Österreicher, die heute via Bildschirm dieser Debatte folgen, würden gerne von Ihnen einmal hören, wie Sie sich dazu stellen, was Sie tun, um diesem Eindruck entgegenzuwirken, wie Sie diesen Vorwurf entkräften können. Es sind folgende Fragen zu klären: Hat Klima bei der Konferenz in Stockholm gesagt: Helft mir gegen diese neue österreichische Regierung!: ja oder nein? (Rufe bei der ÖVP: Ja! – Abg. Ing. Westenthaler: Ja!) Hat sich Klima, als damals von Sanktionen gesprochen wurde, so wie die Italiener vehement gegen die Sanktionen gewehrt, oder hat er gesagt, das würde helfen? (Rufe bei der SPÖ: Nein!) Oder hat Klima gesagt: Diese Sanktionen sind richtig!? (Rufe bei der ÖVP: Ja!) Ich glaube, es wäre wichtig, dass dazu einer von Ihnen ein Wort verlöre.

Weil die Sozialdemokraten immer wieder den Namen "Jacques Chirac" nennen, so darf ich sagen: In Stockholm war nicht Jacques Chirac, sondern Lionel Jospin, und der ist von Ihrer Seite. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Haben Sie mit ihm telefoniert?)

Meine Damen und Herren! Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Herr Kollege Gusenbauer, kommen Sie noch einmal heraus, erklären Sie: Wir haben hier Fehler gemacht!, und wir werden alle sagen: Schwamm drüber – aber vorher nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auch an die Grünen: Herr Van der Bellen, ich bitte, dass Sie sich in aller Form von Voggenhuber distanzieren, der die Freiheitlichen am 1. Februar eine "faschistische Partei" genannt hat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss: Wir werden heute das Experiment beenden, und wir werden die Volksbefragung nicht durchführen. Wir werden keinen Beschluss fassen, dass die Volksbefragung durchgeführt wird, weil das nicht notwendig ist, denn das Volk hat uns unterstützt, die Sanktionen sind weg.

Ich bringe daher einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Khol und Westenthaler betreffend Reform und Erweiterung der Europäischen Union ein. Darin behandeln wir jene Fragen, die wir dem Volk gestellt hätten. Es sind dies Beiträge zur europäischen Verfassungsreform – in dieser Entschließung tragen wir sie der Regierung auf. Ich möchte diese Punkte im Kern nennen.

Wir wollen, dass die Europäische Union eine umfassende Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten wird, in der alle Staaten gleiche Rechte und Pflichten haben. Wir wollen, dass die Europäische Union in Zukunft sicherstellt, dass jedes Land seine Regierung auf der Basis demokratischer Wahlen selbst bestimmt. Wir wollen eine klare Aufgabenteilung: Was darf Brüssel? Was ist den Ländern, was ist der staatlichen Souveränität vorbehalten? Wir wollen, dass die europäischen Organe selbst die Grundwerte respektieren und nicht im Namen von Grundwerten Grundwerte verletzen. Wir wollen schließlich die Aufnahme eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union mit richterlicher Kontrolle in den EU-Vertrag.

Bei der Umsetzung dieser Ziele und der Ziele der Präambel unserer Regierungserklärung wollen wir, dass wir allen Bundesministern helfen, diese Ziele zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.32


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Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Ich gebe bekannt, dass der in seinen Kernpunkten soeben erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Genossen auch schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Kollegen betreffend Reform und Erweiterung der Europäischen Union

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht:

1. Bei den bevorstehenden Verhandlungen über die Reform der Europäischen Union folgende Zielsetzungen zu verfolgen:

Ausbau der Europäischen Union als umfassende Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten, die allen Mitgliedstaaten gleiche Rechte und Pflichten garantiert und nicht die Vorherrschaft einiger weniger großer Staaten über die anderen ermöglicht;

Sicherstellung, dass die Europäische Union das Grundrecht jedes Landes, seine Regierung auf Basis freier demokratischer Wahlen selbst zu bestimmen, den freien Wettbewerb und die Rechte aller demokratischen Parteien sowie die Einrichtungen der direkten Demokratie achtet;

Klare Aufgabenteilung zwischen der europäischen Ebene und den Mitgliedstaaten sowie Aufwertung der Regionen;

Verpflichtung aller Einrichtungen der Europäischen Union zur Einhaltung der Grundregeln des Rechtsstaates und der Menschenrechte;

Aufnahme eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei behaupteter Verletzung von Grundwerten der Europäischen Union mit richterlicher Kontrolle in den EU-Vertrag.

2. Die Umsetzung der in der Präambel und im Regierungsprogramm festgehaltenen Ziele und Maßnahmen entsprechend voranzutreiben und die zuständigen Bundesminister und ihre Mitarbeiter hierbei zu unterstützen."

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Stummvoll: Distanzieren! Voggenhuber! – Abg. Dr. Khol: OTS vom 1. Februar 2000!)

11.33

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Meine Damen und Herren! Nur zur Erinnerung, Herr Khol: Die Maßnahmen waren nicht gegen Österreich gerichtet, sondern gegen die österreichische Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Und nicht, weil es eine neue Bundesregierung gegeben hätte, sondern weil die FPÖ an der Regierung beteiligt wurde. (Abg. Haigermoser: Er heißt ja Van der Bellen ... eine Märchenstunde!)


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Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang, Z 116 des so genannten Weisenberichts zu lesen, Z 116, zweiter Satz – da geht es darum, dass die Maßnahmen beendet werden sollen (Abg. Haigermoser: Eine Rosinenrede!)  –: "Die Maßnahmen" wurden "in manchen Fällen fälschlicherweise als Sanktionen verstanden ..., die sich gegen die österreichischen Bürger richten."

Das ist die Meinung der drei Weisen, nicht meine Meinung, also nicht nur meine Meinung. (Abg. Haigermoser: Wolf im Schafspelz – siehe Van der Bellen! – Abg. Neudeck: Das ist aber nur der halbe Satz! – Abg. Dr. Petrovic: Das geht ein bisschen weit, Herr Präsident!) Besser Wolf im Schafspelz als Schaf im Wolfspelz! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Herr Khol hat außerdem gesagt, wir – ich nehme an, damit sind die beiden Regierungsparteien gemeint, oder hoffentlich zumindest die Volkspartei – werden den Weisenbericht ernst nehmen. Ich hoffe das, und wir werden das genau kontrollieren und beobachten, zum Beispiel in den beiden Punkten, die Sie erwähnt haben, nämlich Asylverfahren einerseits beziehungsweise Beachtung der Standards des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Medienverfahren andererseits, denn das war ein großer Kritikpunkt im Rahmen des Weisenberichts.

Ich darf nur in Erinnerung rufen, dass dieser so genannte Weisenbericht, über den wir ja heute in Wirklichkeit diskutieren, zwei Punkte hat: das Verhalten der Bundesregierung im engsten Sinn – welche Gesetze wurden beschlossen?, und so weiter –, und die Natur der FPÖ. Zum zweiten Punkt habe ich heute keine einzige Stellungnahme von Seiten der FPÖ oder von der ÖVP gehört.

Was Johannes Voggenhuber betrifft, Herr Khol, zitiere ich einen amtierenden Außenminister – ausnahmsweise; sonst bin ich mit ihm oft im Clinch –: "Den Teufel werde ich tun", mich von Voggenhuber zu distanzieren! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Aumayr: Gratuliere! – Abg. Dr. Stummvoll: Nichts gelernt!)

Das ist seine Meinung. Das ist seine wohl erwogene Meinung, und wenn er sie revidiert, dann ist das ausschließlich seine Sache! (Ruf bei den Freiheitlichen: Unglaublich! – Abg. Aumayr: Das ist ein Skandal!) Im Übrigen darf ich einen bekannten Klubobmann des österreichischen Parlaments zitieren, der einmal gesagt hat – und das ist nicht so lange her (Abg. Aumayr: Das ist ein Skandal!)  –: Haider ist ein faschistischer Denker, der eine politische Revolution sucht. – Zitat Andreas Khol, 1995. (Ah-Rufe und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Nürnberger: Sag, dass das stimmt, Herr Khol! – Abg. Dr. Khol: Wird auf jeden Fall entgegnet! – Abg. Nürnberger: Unangenehm! Sehr peinlich!)

Meine Damen und Herren! Dieser Weisenbericht ist in mehreren Punkten interessant. Ich lese Ihnen einmal die Z 110 vor:

"Es gibt Gründe, die Beschreibung der FPÖ als eine rechtspopulistische Partei mit radikalen Elementen auch heute noch als zutreffend anzusehen. Die FPÖ hat fremdenfeindliche Stimmungen in ihren Wahlkämpfen ausgenutzt und gefördert. Dies hat eine Atmosphäre geschaffen, in der offen ausgesprochene Bemerkungen gegen Ausländer salonfähig wurden, wodurch Ängste hervorgerufen wurden." – Z 110, Weisenbericht. (Abg. Dr. Martin Graf: In den Sektionen der SPÖ war das schon alles gang und gäbe!)

Ich zitiere weiter: "Die FPÖ wurde als ‚rechtspopulistische Partei mit extremistischer Ausdrucksweise‘ qualifiziert. Diese Beschreibung ist nach unserer Einschätzung auch nach dem Eintritt der Partei in die Bundesregierung weiter zutreffend. Dies muß Anlaß zu Besorgnis geben, da die Regierungen diejenigen Staatsorgane in Europa sind, die eine unmittelbare Verantwortung haben, ihre positiven Verpflichtungen in Bezug auf den Schutz und die Förderung von Menschenrechten, Demokratie und die Verhinderung jeder Art von ethnischer oder rassischer Diskriminierung durchzusetzen." – Z 92, Weisenbericht.

Das beschreibt recht gut die Sorgen damals – Ende Jänner, Anfang Februar – betreffend die Regierungsbeteiligung der FPÖ, und es beschreibt recht gut die Sorgen und Befürchtungen


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heute, sieben Monate nach Beginn der Regierungsbeteiligung der FPÖ. Auch das, Herr Kollege Khol, steht im Weisenbericht.

Wenn man das jetzt so liest, "rechtspopulistische Partei mit extremistischer Ausdrucksweise", "rechtspopulistische Partei mit radikalen Elementen" – und in diesem Zusammenhang kann das ja wohl nur heißen: mit rechtsradikalen Elementen; kein Mensch wird auf die Idee kommen, dass hier stünde: mit linksradikalen Elementen –, dann fragt man sich natürlich: Wer sind die Führungspersonen der FPÖ mit extremistischer Ausdrucksweise, rechtspopulistisch, diese radikalen Elemente? Wer ist denn das? (Abg. Gaugg: Gott bewahre uns vor einem Joschka Fischer, Herr Professor! Gott bewahre uns vor Joschka Fischer!)

Ich denke – da es ja auch so im Weisenbericht steht –, da ist einmal der Parteichef der Wiener FPÖ gemeint, Herr Hilmar Kabas, dessen Wahlkampf 1999 im Weisenbericht gebührend geschildert wird. Herr Justizminister! Vielleicht könnten Sie Herrn Kabas bei Gelegenheit darauf hinweisen – Z 72 des Weisenberichts –, dass rassistische Äußerungen nicht von der Menschenrechtskonvention bezüglich Meinungsfreiheit geschützt sind. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn man das weiter durchgeht und sich überlegt: Wer könnte das dann noch sein, diese Führungspersönlichkeiten der FPÖ mit extremistischer Ausdrucksweise und als radikales Element dieser Partei?, dann kommt man als Nächstes auf den niederösterreichischen Parteichef der FPÖ, Herrn Windholz, der sich vor wenigen Monaten ungeniert und ungestraft des SS-Jargons bediente. Die FPÖ schweigt dazu – ohne jede Konsequenz! (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Schließlich und drittens fragt man sich natürlich: Na, wer hat denn die FPÖ in den letzten 15 Jahren verkörpert? Was wäre denn die FPÖ ohne ...? (Abg. Ing. Fallent: Ohne?) Jörg Haider! Na? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Also: Dieses radikale Element, diese extremistische Ausdrucksweise, dieser Rechtspopulist – das ist Jörg Haider persönlich. Natürlich! Ich werde das jetzt nicht alles wiederholen, aber einige Punkte werden auch im Weisenbericht erwähnt: die "Straflager"-Geschichte, die Konzentrationslager als "Straflager". (Abg. Dr. Martin Graf: Das war bei den Grünen! – Abg. Mag. Schweitzer: Das war von der Frau Moser: "Straflager"!)

Die Kanzlei Böhmdorfer hat daraufhin Professor Pelinka geklagt. Es fällt in Österreich offenbar unter den Begriff der Meinungsfreiheit oder der Meinungsäußerungsfreiheit, dass jemand die nationalsozialistischen Konzentrationslager als "Straflager" bezeichnen darf. Aber die Meinung darüber, dass das eine Verharmlosung des Nationalsozialismus darstellt – diese Meinung fällt offenbar, zumindest nach Meinung des Erstgerichts und nach Meinung des damaligen Anwalts Böhmdorfer, nicht unter den Begriff der Meinungsäußerungsfreiheit. (Abg. Dr. Krüger: Dann lesen Sie die ganze Passage! – Abg. Dr. Martin Graf: Sie tun nur aus dem Zusammenhang reißen! Lesen Sie die ganze Passage vor!)

Die "ordentliche Beschäftigungspolitik" im Dritten Reich, die Gesinnung von SS-Veteranen, Waffen-SS-Veteranen, die vorbildlich sei für die österreichische Jugend – ist das keine extremistische Ausdrucksweise eines radikalen Elements innerhalb der FPÖ? – Das ist die FPÖ, wenn Jörg Haider die FPÖ war und ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Trattner: Sie haben nichts gelernt! Sie sind in der Vergangenheit!)

Ich habe schon etwas gelernt, Herr Kollege Trattner, nämlich dass man sich hin und wieder erinnern muss und dass man sich nicht gewöhnen darf. Ich habe mich selbst oft dabei beobachtet, wie ich mich gewöhnt habe an Haider, an Stadler, an Westenthaler, und ich habe mir fest vorgenommen, mich nicht zu gewöhnen. (Abg. Mag. Trattner: Seit Sie Klubobmann sind, haben Sie sich um 180 Grad gedreht! Das wissen Sie ganz genau! Ihr Klub ... da hat sich die Vernunft hinten anstellen müssen!)

Die letzte Geschichte – deswegen stellen wir ja das Misstrauensvotum gegen Justizminister Böhmdorfer –, die wir fast schon vergessen hatten, sind die Äußerungen von Jörg Haider – nicht von Böhmdorfer, sondern von Jörg Haider – zum § 248 Strafgesetzbuch, damals im Mai und


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seither wiederholt. (Abg. Dr. Krüger: Wer hat denn den Paragraphen eingeführt in Österreich?) Herr Kollege, ich werde mich jetzt nicht in historische Untersuchungen einlassen, auch wenn ich zugebe, dass es interessant ist, ob es wahr ist, dass dieser Paragraph unter Broda eingeführt wurde. (Abg. Dr. Krüger: Das war die Strafrechtsreform!) Da bin ich ausnahmsweise durchaus Ihrer Meinung. Aber das kostet mich jetzt zu viel Zeit. (Abg. Mag. Mainoni: Das passt nicht zu den Hassparolen!)

Haider hat im Ernst vorgeschlagen: Erstens: Kritik an der Regierung ist gleich Kritik an der Republik Österreich. (Abg. Dr. Martin Graf: Hat er nie gesagt!) Zweitens kann das angeklagt und verfolgt werden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf: Hat er nie gesagt!) Drittens soll damit Funktionsverlust einhergehen. (Abg. Mag. Trattner: Zitieren Sie richtig!) Also anklagen, einsperren, Funktionsverlust für oppositionelle Abgeordnete! (Abg. Mag. Trattner: Stimmt doch alles nicht!)

Jetzt höre ich nicht zum ersten Mal: Das stimmt ja gar nicht! – Westenthaler hat überhaupt bestritten, dass es so ist. (Abg. Mag. Trattner: Ihr verdreht ja das Wort im Mund!) Ja, ja! Lesen Sie nach, Herr Kollege! (Abg. Mag. Trattner: Petrovic – in der 3sat-Sendung hat sie das gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Lesen Sie nach: "NEWS" Nr. 21 vom Mai des Jahres 2000. (Abg. Mag. Trattner: Petrovic ist Weltmeisterin im Verdrehen!) Das war ein wirklich entlarvendes Beispiel für ein autoritäres Staatsverständnis, für ein Verständnis, dem jede, aber schon jede demokratische Grundlage fehlt! Justizminister Böhmdorfer sitzt daneben und schweigt. (Beifall bei den Grünen.)

Heute sagt die Vizekanzlerin: Die Opposition greift den Justizminister mutwillig an, er habe ihr volles Vertrauen. – Na, ich gratuliere: Gerade jenem Minister, dem einzigen Minister, der in diesem Weisenbericht massiv kritisiert wird – in den Ziffern 93 bis 107 des Berichts –, sprechen Sie Ihr volles Vertrauen aus! Das sagt einiges, nicht nur über Jörg Haider, den nach wie vor stillen Parteivorsitzenden, sondern über die FPÖ insgesamt. (Abg. Ing. Fallent: Ist dieser Minister gehört worden?) Und natürlich über die ÖVP, die das duldet! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Trattner: Über Voggenhuber! Da können Sie vor der eigenen Tür kehren!)

Aber ich betone noch einmal: Böhmdorfer war damals Statist bei dieser Pressekonferenz. Sein Versagen ist, dass er aus dieser Statisterie nichts gelernt hat. Doch der eigentliche Urheber dieser ganzen Misere, derjenige, auf den die Kritik der drei Weisen nun wirklich in vollem Maß zutrifft und unserer Meinung nach mit Recht zutrifft, ist Jörg Haider und nicht Böhmdorfer! Böhmdorfer ist quasi nur der Statthalter für Haider in der Regierung, und gegen Böhmdorfer können wir hier in diesem Haus unser Misstrauensvotum richten. Es richtet sich natürlich noch viel schärfer gegen Haider, der sich als Landeshauptmann vollkommen qualifiziert hat und in dieser Funktion längst hätte zurücktreten müssen. Längst! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: "Qualifiziert" hat er gesagt – sehr gut!)

Wie die ÖVP es zulassen kann, dass dieser Politiker, der sich wirklich vollkommen dequalifiziert hat für irgendeine Führungsfunktion in einem demokratischen Staat (Abg. Mag. Trattner: Was stimmt jetzt?), wie sie diesen Politiker nach wie vor im Koalitionsausschuss dulden kann, ist mir rätselhaft. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Kollegen! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist jetzt üblich geworden, sehr selektiv aus diesem so genannten Weisenbericht zu zitieren. (Abg. Dr. Ofner: Jawohl, das haben wir gerade bemerkt!) Lesen Sie Z 94 und Z 95 bezüglich des gebotenen Rücktritts des Justizministers nach: Das Verhalten des Justizministers stimmt nicht mit den "Verpflichtungen eines Staatsorgans" überein, "wie sie sich aus der Verfassungsstruktur der Europäischen Union ergeben".

Kann man noch viel mehr sagen, Herr Kollege Khol? – Das wird ignoriert. Sie haben gesagt: Wir nehmen den Bericht sehr ernst. Und dann haben Sie zwei Fälle genannt, in denen gesagt wird: Na ja, im europäischen Kontext sind die Österreicher eh ganz gut, wären noch verbesserungsfähig. – Aber den Punkt, der Ihnen wirklich ins Mark geht, haben Sie nicht erwähnt! Das nenne ich eine selektive Zitierweise. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Auf diese Weise Vertrauen in der Europäischen Union zurückzugewinnen, Vertrauen bei all jenen, bei denen wir es in den letzten sieben Monaten und auch davor gründlich verspielt haben, das ist unmöglich!

Hat Böhmdorfer dazugelernt, meine Damen und Herren? – Ich empfehle Ihnen dringend, in der Beziehung den "Standard" vom vergangenen Samstag zu lesen. Das ist ein selbst verfasster Text des Justizministers, kein Interview, und er schreibt hier – wieder bezüglich Haider –: Keinesfalls wurde die strafrechtliche Verfolgung von Oppositionspolitikern oder Regierungskritikern eingefordert.

Das ist die Unwahrheit, Herr Justizminister! Entweder haben Sie es nicht der Mühe wert gefunden, sich zu informieren – das halte ich bei einem Anwalt Ihrer Güte für ausgeschlossen –, oder Sie sagen hier unverfroren die Unwahrheit. Lesen Sie "NEWS" Nr. 21 vom Mai 2000! (Abg. Ing. Westenthaler: Das lesen wir schon lange nicht mehr!) Das ist der Beweis. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Westenthaler, wenn Sie nicht lesen können, sind Sie für dieses Amt ungeeignet. (Abg. Ing. Westenthaler: In "NEWS" war immer schon alles falsch!) Wenn Sie lesen können, dann sagen Sie bewusst die Unwahrheit, wenn Sie sagen, dass diese Äußerungen nicht gefallen sind, dass namentlich Gusenbauer und Voggenhuber nach Meinung Haiders seinerzeit hätten angeklagt – von der Staatsanwaltschaft angeklagt – und eingesperrt werden sollen – das ist der Konjunktiv; eine schwierige Sprache, die deutsche Sprache –, und – zusätzliche Forderung – ihrer Funktion verlustig gehen sollten. Das heißt, das Mandat hätte ihnen aberkannt werden sollen. Aber der Justizminister sagt: Nein, das war ja nie beabsichtigt; und überhaupt, selbst wenn – im Rahmen der Meinungsfreiheit kann man das doch zur Diskussion stellen! (Abg. Hagenhofer: Ein Wahnsinn!)

Der Justizminister versteht immer noch nicht den Unterschied zwischen einer Meinungsfreiheit zu X und der Meinung, dass die Meinungsfreiheit abgeschafft werden soll. Das hat der Justizminister bis heute nicht verstanden, dass die Menschenrechtskonvention ihn bindet, und zwar verpflichtet, verbindlich bindet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

So einem Minister sprechen Sie Ihr Vertrauen aus! Wir können nur sagen: Wir sprechen diesem Minister unser Misstrauen aus und bitten das Hohe Haus, dem Bundesminister für Justiz im Sinne des Artikel 74 B-VG das Vertrauen zu versagen.

Im Übrigen, Herr Kollege Khol, werden wir Sie beim Wort nehmen: Medienrechtsreformen, Strafrechtsreformen, Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofs vor allem in Medienangelegenheiten, Unvereinbarkeitsreformen. Ein Richter am Oberlandesgericht, zuständig in Mediensachen, wird von der FPÖ ins ORF-Kuratorium entsandt. Das ist eine klare Unvereinbarkeitssache – ganz offensichtlich! (Abg. Dr. Ofner: Von der Bundesregierung, Herr Kollege! Das sind Ungenauigkeiten!)

Ausgerechnet der Bundesminister für Justiz wäre zuständig, alle diese Reformen voranzutreiben: im Medienrecht, im Strafrecht, im Prozessrecht, bis hin zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs – jener Justizminister, der dieses Vertrauen nicht haben kann!

Im Übrigen zur Geschichte der Maßnahmen und Sanktionen, Herr Kollege Khol – ja, das Gedächtnis! Hin und wieder sollten Sie daran denken: Wer hat denn maßgeblich alle Versuche über die Monate hinweg behindert, zu einer vernünftigen Lösung zu kommen? Wer hat denn vom "Hühnerstall" Europas gesprochen? Wer hat denn ausländische Präsidenten als "Westentaschen-Napoleons" bezeichnet? Wer hat eine ausländische Regierung als "korrupte Bande" bezeichnet? Wer war das denn? – Das war immer der Landeshauptmann von Kärnten. Bis hin zur Idee der Volksbefragung, diesem Schwachsinn, der heute ja wohl in die Mülltonne kommt, nehme ich an. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Direkte Demokratie ist für Sie Schwachsinn?!) Sie werden heute Ihren eigenen Antrag niederzustimmen haben, denn sonst müssten Sie demnächst eine Volksbefragung machen und damit Österreich weiter in die außenpolitische Isolierung treiben. (Abg. Dr. Martin Graf: Die Grünen, die so für die Bürgerrechte sind! – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Jetzt zeigen Sie Ihr wahres Gesicht!)


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Dieser Mann hat Österreich außenpolitisch – jetzt lasse ich einmal den innenpolitischen Schaden weg – über diese Monate hinweg so geschadet, und das erwähnen Sie mit keinem Wort. Haider ist in Italien Persona non grata (Abg. Dr. Ofner: Nein, Ehrenbürger! – Weitere Rufe bei den Freiheitlichen: Falsch! Nein!), Haider ist in Deutschland, in München und in Berlin Persona non grata. Nach Jesolo darf er fahren, gratuliere! Jesolo, super! (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Wenn das Ihr Anspruch an Außenpolitik ist – das überlasse ich Ihnen großzügig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Mein Schlusssatz: Eine Normalisierung in der Außenpolitik kann nur angegangen und erreicht werden, Herr Kollege Khol, wenn Sie sich diesen Fragen Ihres Koalitionspartners auch stellen. Sonst ist alles vergebliche Mühe. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Dem Bundesminister für Justiz wird im Sinne des Art. 74 B-VG das Vertrauen versagt.

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte.

11.52

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Kollege Van der Bellen! Sie haben heute nahtlos dort fortgesetzt, wo Sie in den vergangenen Wochen im Zuge der Sanktionen begonnen haben. Ich bin auch froh, dass heute hier eine Live-Übertragung stattfindet und dass die Menschen sehen, mit welcher Verbissenheit, mit welchem Hass und mit welcher Verachtung Sie gegenüber einer demokratisch gewählten Partei in diesem Haus vorgehen, wie Sie das auch in den letzten Wochen quer durch Europa gemacht haben. Sie sind somit einer der wesentlichen Mitveranstalter dieser Sanktionen gewesen, und ich bin froh, dass die Menschen das jetzt auch miterleben können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Einen Satz noch zu Ihnen: Wenn Sie eine direktdemokratische Mitbestimmung der österreichischen Bevölkerung von diesem Rednerpult aus als "Schwachsinn" bezeichnen, dann ist es auch gut, dass die Menschen, die vor den Fernsehschirmen sitzen, merken, wie weit Ihr demokratisches Verständnis reicht. Eine Volksbefragung, Volksabstimmung oder auch ein Volksbegehren kann nie Schwachsinn sein (Abg. Dr. Lichtenberger: Außer der Text ist ein Blödsinn!), sondern ist immer Ausdruck einer lebendigen Demokratie für die Menschen in diesem Land, Herr Kollege Van der Bellen! (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Gusenbauer, nun zu Ihnen. Diese Themaverfehlung, die Sie heute begangen haben, und diese Gruselmärchen, die Sie heute verbreitet haben, glaubt Ihnen niemand. Das ist ja in Wirklichkeit Ihre Masche, nämlich immer abzulenken. Sie haben den Justizminister sehr pathetisch aufgefordert: Treten Sie zurück! – Herr Kollege Gusenbauer! Nachdem Sie es als Vorsitzender in kürzester Zeit geschafft haben, Ihre gesamte Partei in der Gunst der Bevölkerung in ein tiefes Tal, in ein endlos tiefes Tal zu führen, nachdem Sie Skandale und ein Loch in


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der Kasse haben, all diese Dinge, Herr Kollege Gusenbauer, sage ich genau das Gegenteil: Treten Sie nicht zurück, bleiben Sie uns lange, lange erhalten! Das wünschen wir uns, und daran werden wir auch arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sanktionen dauerten 223 Tage zu lang. Es ist ein Erfolg der Demokratie, dass sie abgeschafft worden sind. Ich möchte mich auch in die Reihe jener einreihen, die danke dafür sagen, dass Sie von der Bundesregierung mit Standfestigkeit und Selbstbewusstsein gegen diese Sanktionen aufgetreten sind. Vor allem haben auch die Österreicherinnen und Österreicher – bei allen Diskussionen, wann immer man wo gesprochen hat, hat man es gespürt – täglich Druck zur Aufhebung der Sanktionen ausgeübt und die Haltung der österreichischen Bundesregierung unterstützt. Den Österreichern sei an dieser Stelle genauso wie der österreichischen Bundesregierung für ihre Standfestigkeit ein herzliches Dankeschön gesagt! Das sollte auch von diesem Haus rüberkommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Auch international haben die Sanktionen und ihre Aufhebung enormes Echo ausgelöst. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wurde am 8. September geschrieben:

"An der persönlichen Weisheit der ,Drei Weisen‘ kann kein Zweifel bestehen. Und weil sie so weise sind, bestätigen sie, was weniger weise, aber einigermaßen informierte Europäer auch wissen: In Österreich ist die Demokratie keineswegs in Gefahr, und die Menschen- und Bürgerrechte werden geachtet und beachtet."

Da gibt es auch eine ganze Reihe anderer Kommentatoren, die das Aufheben der Sanktionen als Befreiung und Erleichterung sehen, wie etwa auch die "Neue Zürcher Zeitung", die mitgeteilt hat, dass Österreichs Demokratie nie in Gefahr war und in Wirklichkeit auch niemals von den EU-14 gerettet zu werden brauchte.

Aber was sich auch durch die Kommentare zieht, wie etwa in jenen der "La Repubblica", ist eine klare Verteidigung der Anliegen Österreichs in Europa. (Abg. Dr. Gusenbauer: Originalzitate, bitte!) Und wenn man etwas Positives, einen klitzekleinen positiven Aspekt – denn sonst ist ja nur Negatives zu erkennen – in diesen Sanktionen sehen kann, dann das, was in der "La Repubblica" vom 13. September geschrieben wurde:

"Wenn Europa die richtigen Lehren aus dieser Angelegenheit zieht, war diese Erfahrung doch eine positive. Wien hat zumindest ein Verdienst: Es hat die Diskussion um das zukünftige Europa vorangetrieben."

Und das ist doch etwas Schönes: die Diskussion um das künftige Europa vorangetrieben zu haben, das Europa, das wir uns nicht vorstellen als ein Europa des Zentralismus, der Bürokratie, eines Direktoriums zweier großer Länder wie Frankreich und Deutschland, sondern als ein Europa der Demokratie und der Bürger. Das ist unser Ziel, und das haben auch diese Sanktionen entsprechend zurechtgerückt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Bericht der drei Experten – auch "Weisen" genannt – hat die Hoffnungen der Gegner dieser Regierung schwer enttäuscht. Sie haben sich alles Mögliche ausgerechnet, nur nicht diese positiven Bewertungen, die in diesem Bericht drinnen stehen. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Und das Ziel – und es war das Ziel, erstens die Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern, zweitens die Regierung dann, wenn die FPÖ in der Regierung ist, zu stürzen –, dieses Ziel ist nicht erreicht worden, dieses Vorhaben ist kräftig misslungen, denn die untadelige demokratische Realität Österreichs ist über diese Sanktionen hinweggebraust – das ist das Entscheidende! – und hat diese Sanktionen dorthin gebracht, wo sie hingehören, nämlich auf den Schutthaufen der Geschichte, meine Damen und Herren! Und das ist das Entscheidende. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Ergebnis im Bericht ist auch klar, wenn etwa in vielen Schlussfolgerungen darauf hingewiesen wird, dass wir bei den Minderheitenrechten, bei der Zuwanderungspolitik nicht nur gleiche Standards wie die anderen europäischen Länder haben, sondern dass wir etwa bei den


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Minderheitenrechten, bei der Minderheitenpolitik über den Standards der europäischen Länder liegen. Wissen Sie, was das ist? – Das ist in Wirklichkeit eine römische Eins für die Politik, auch in Kärnten, für den Kärntner Landeshauptmann, der eine umfassende, umsichtige Minderheitenpolitik betreibt. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist ein Erfolg, auch für die Kärntner Minderheitenpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und was die FPÖ, die Regierung insgesamt betrifft, sagen die drei Experten, sie haben den Eindruck gewonnen, dass sich die in Österreich in Opposition befindlichen politischen Kräfte nicht in ihren Möglichkeiten beschränkt fühlen. – Das steht in diesem Bericht. Lesen Sie unter Punkt 96 nach! Ich frage mich, warum Sie sich hier aufregen.

Oder: "Wir haben den Eindruck gewonnen, daß das Verhalten der Minister der FPÖ in der Regierung seit Februar 2000 im allgemeinen nicht kritisiert werden kann." "Das Verhalten der Minister", aller Minister! Hier ist überhaupt keine Ausnahme gemacht worden. (Abg. Dr. Mertel: "Der Minister"! Sie sind aber nicht Minister, oder?)

Oder: Im Punkt 113 wird festgestellt, dass "die von der FPÖ gestellten Minister im Großen und Ganzen bei der Ausübung ihrer Regierungstätigkeit die Verpflichtungen der Regierung" beachten. – Ja was ist denn daran schlecht? (Abg. Schieder: "Im Großen und Ganzen"!) Die Minister, alle Minister!

Natürlich gibt es auch Kritik im Bericht, und natürlich nehmen wir diese Kritik auch sehr ernst. Aber Sie können doch nicht hergehen und nach diesen Sätzen, die doch eindeutig sind, hier ein Scherbengericht, vor allem über einen Minister, abhalten.

Es ist in Wirklichkeit völlig klar: Es hat in diesem Bericht keinerlei gewichtige Kritik gegeben, die die Sanktionsaufhebung behindert hätte oder die Forderung gebracht hätte, dass die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen nicht möglich sein sollte. Und das ist der Erfolg auch für die FPÖ, auch für diese Regierung! Daher kann es gar nicht so eine gewichtige Kritik geben, wie Sie heute tun und wie Sie heute hier im Parlament ausführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist aber auch unsere Pflicht, nicht zur Tagesordnung überzugehen, sondern zu fragen, wie es war. Herr Kollege Gusenbauer! Das können Sie nicht wegmachen, dass Sie in der Hoch-Zeit, in der wirklich strengsten Phase der Sanktionen, champagnisierend mit den Sanktionsführern Frankreichs unterwegs waren, wie hier zu sehen ist – und nicht die Aufhebung der Sanktionen gefordert haben, Herr Kollege Gusenbauer! (Der Redner stellt ein Foto auf das Rednerpult. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das war nicht in der Fastenzeit!)

Was haben Sie getan? – Am 9. März stimmen Sie mit dem Chef der Sozialistischen Partei Europas, der SPE, Baron Crespo, "voll und ganz" überein, dass die Sanktionen aufrecht bleiben sollen. – Zitiert am 9. März in der Austria Presse Agentur.

Sie sagten am 17. März bei Ihrem Besuch in London: Die Aufhebung der Sanktionen? Das kann nicht sein, es hat sich ja seit der Regierungsbildung in Österreich nichts geändert! – Und den Vogel abgeschossen, Herr Kollege Gusenbauer, haben Sie am 22. Mai, also ziemlich genau vor vier Monaten, als Sie bei Ihren Besuchen festgestellt haben, dass die Sanktionen noch mindestens ein Jahr andauern sollen, denn sie waren gut gemeint. – Zitat APA vom 22. Mai 2000. (Abg. Dr. Khol: Unglaublich, ein Skandal! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das war Ihre Einschätzung, und das ist das, was wir kritisieren. Sie haben sich für die Sanktionen ausgesprochen, Sie haben sie mit initiiert, Herr Kollege Gusenbauer, und da kommen Sie auch nicht mehr heraus. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich frage mich nur, warum Sie diesen Schwenk gemacht haben, diesen politischen Schwenk vom Sanktions-Saulus zum Sanktions-Paulus. Ich sage Ihnen, warum Sie diesen Schwenk gemacht haben, ich habe eine Antwort: weil Sie sich einfach kräftig vergaloppiert haben. Sie haben sich nicht nur kräftig vergaloppiert, sondern Sie sind bei den Österreicherinnen und Österreichern auf massive Ablehnung gestoßen, denn Sie sind nicht mit der österreichischen Regie


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rung, auch nicht mit der FPÖ oder mit einer anderen Partei, sondern Sie sind mit Österreich in Konflikt geraten, und deshalb haben Sie jetzt so einen schlechten Stand hier und deshalb müssen Sie jetzt einen 180-Grad-Schwenk machen. Ihre Glaubwürdigkeit ist weg. Das war Ihr Sündenfall, und das werden Sie auch bei den nächsten Wahlen merken! Davon bin ich überzeugt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hannes Androsch, der sich ja immer wieder zu Wort meldet, ein Kenner der SPÖ, hat diesen Zustand der SPÖ in mehreren Interviews als "erbärmlich" bezeichnet. Er hat von einer "erbärmlichen Rolle" gesprochen, die die SPÖ in den vergangenen Wochen gespielt hat.

Weil Sie diese erbärmliche Rolle gespielt haben, weil Sie in den Umfragen einen freien Fall verzeichnen, weil Sie auf eine große Ablehnung bei den Wählern stoßen und weil es in Wirklichkeit auch eine tiefe innere Zerrissenheit in Ihrer Partei gibt, wie es weitergehen soll, suchen Sie sich ein neues Opfer, und dieses neue Opfer heißt Dieter Böhmdorfer.


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(Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist ein Täter, kein Opfer!) Die Jagdsaison auf den Justizminister ist eröffnet. Es wäre an sich eine politische Legitimität, dass die Opposition einen Minister kritisiert, aber die Art und Weise, wie Sie es machen, hat bereits Geschichte, meine Damen und Herren. Das hat Tradition. (Abg. Dr. Gusenbauer: Welche? Welche?)

Blicken wir auf das Ende der achtziger Jahre zurück: Damals hat ein sozialistischer Klubobmann einer Regierungspartei, heute Erster Präsident des Nationalrates, Heinz Fischer, in unglaublicher Art und Weise den unabhängigen, parteifreien Justizminister Foregger, die Staatsanwälte und Richter heruntergemacht und kritisiert, auch wegen gerichtlicher Tatsachenentscheidungen kritisiert und diffamiert, wie etwa im Fall des damaligen SPÖ-Vorsitzenden Sinowatz.

Wir haben ein ganzes Bouquet an Zitaten, was Fischer damals alles von sich gegeben hat. Der Angriff auf die unabhängige Justiz, der Angriff auf Justizminister, die ihre Arbeit machen, die für Unabhängigkeit sorgen, hat Tradition in der SPÖ, und deshalb werden wir wachsam sein und dafür sorgen, dass das heute nicht mehr passiert, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Heute setzt Kostelka diesen Stil fort. Er sagte in einer Pressekonferenz: Ich höre, dass Böhmdorfer den Weisenbericht zum Gegenstand eines Medienverfahrens machen will. Darüber hinaus – so Kostelka – gebe es Hinweise, dass im Justizministerium Telefongespräche, wenn bestimmte Schlüsselwörter fallen, aufgezeichnet werden. – Das ist ja eine Ungeheuerlichkeit! (Abg. Haigermoser: Ungeheuerlich! – Abg. Dr. Kostelka: Das ist richtig! Das ist wirklich ungeheuerlich!) Schließen Sie doch nicht von der Führung der Ministerien, wie Sie sie praktiziert haben, auf uns! Bei uns gibt es das nicht, darauf können Sie Gift nehmen. Sie sollten sich für diese Ihre Ausführungen entschuldigen, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da wird gegen unabhängige Richter vorgegangen; einer heißt Ernest Maurer. Es wird kritisiert, dass er von der Regierung in das ORF-Kuratorium entsandt worden ist. – Fürchterlich, das war der Sündenfall! (Abg. Bures: Weil es unvereinbar ist!) Und da denkt man sich, warum die denn das eigentlich seit Jahren so kritisieren. Jetzt ist es mir bewusst, warum: Der Herr Ernest Maurer war Richter. Der Herr Ernest Maurer wird nicht kritisiert, weil er von der Regierung ins ORF-Kuratorium gesandt worden ist, nein – wissen Sie, wer Ernest Maurer ist? –, sondern weil er jener Richter ist, der einen Journalisten, den der sozialistische Bundeskanzler Sinowatz geklagt hat, im Jahre 1988 freigesprochen hat. Dieser Richter heißt Ernest Maurer. Er ist jener Richter, den Sie damals schon verfolgt und gehetzt haben und den Sie damals auch schon vom Ministerposten wegbekommen wollten. (Abg. Haigermoser: Das ist ungeheuerlich!) Und das ist eine Ungeheuerlichkeit, das ist parteipolitische Einflussnahme der Justiz, und diese lehnen wir auf das Entschiedenste ab, Herr Kollege Gusenbauer! Das ist das Unfassbare! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Sie sind entlarvt!)

Sie behaupten auch immer, es würden Klagen gegen Oppositionspolitiker eingebracht werden. – Es ist nur nicht wahr! Es gibt keine Klagen des Justizministers gegen einen Oppositionspolitiker (Abg. Dr. Gusenbauer: Natürlich! Natürlich gibt es die! Natürlich!), und es gibt auch keine Klagen der FPÖ-Spitzenpolitiker gegen Oppositionspolitiker. (Abg. Dr. Gusenbauer: Natürlich, ich habe eine Klage des Herrn Böhmdorfer!) Aber es gibt eine ganze Latte von Klagen der regierenden Wiener SPÖ gegen Oppositionspolitiker von der FPÖ in Wien, die gibt es. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wieso lügen Sie dauernd?) Das ist Ihre Machtausübung, die Sie in Wien durchziehen! Diese Vorgangsweise der Sozialisten kritisiert aber niemand.

Die Behauptung, die FPÖ wolle die Meinungsfreiheit einschränken, ist überhaupt eine ganz sonderbare. Die FPÖ will die Meinungsfreiheit einschränken?! – Jene Partei, die jahrelang für den Ausbau der Demokratie eingetreten ist (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), für die Stärkung des Parlaments, für die Mitbestimmung der Bevölkerung, ja diese in vielen Volksbegehren praktiziert hat, jene Partei, die gegen Monopole, gegen Zentralismus, gegen Kartelle auftritt, jene Partei, die Machtstrukturen aufbricht, und jene Partei, die als ersten Satz in ihrem Parteiprogramm die Freiheit als höchstes Gut definiert hat!

Meine Damen und Herren! Die FPÖ ist nicht Gegner der Meinungsfreiheit, sondern Garant für die Meinungsfreiheit, für die Demokratie und für die Offenheit in diesem Land, und es stört Sie sehr, dass wir das auch praktizieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Unglaublich! Unglaublich!)

Aber wie war es unter dem SPÖ-Kanzler Vranitzky? – Da wird ein Journalist des Magazins "profil" gemobbt, weil er sich erlaubt hat, einen sozialistischen Bundeskanzler auf der Titelseite zu karikieren. Wenige Wochen später musste er gehen.

Wie war denn das, als ein Journalist es wagte, einen Bericht über "Euroteam" im Fernsehen zu machen? – Da hat dann ein Sekretär des Bundeskanzlers Klima beim ORF angerufen und Sätze herausschneiden lassen, weil es für die SPÖ unangenehm war. (Abg. Dr. Gusenbauer: Jetzt rufen Sie selber an, wie wir wissen!) Wie war das, als das damals passiert ist?

Oder wie ist Ihre Personalpolitik? Wie schaut es diesbezüglich aus? Herr Kollege Cap – da hinten sitzt er –, wie war denn das, als Sie im Radio erfahren haben, dass Sie als letzter Zentralsekretär der SPÖ abgesetzt worden sind? Oder wie war das, als der damalige Gesundheitsminister Ettl in der Früh in sein Büro gekommen ist und dort vor Ort erfahren hat, dass er gar nicht mehr Minister und sein Schreibtisch schon geräumt ist? Das ist Ihre Personalpolitik! (Abg. Bures: Wo sitzt denn der Rosenstingl?)

Oder wie war denn das mit der Beeinflussung der Richter, als Sie sich in der Kanzlei Lansky getroffen haben? Dabei waren der Justizsprecher Jarolim und die Abgeordnete Hlavac. Sie saßen dort und hatten eine Reform des Richter-Dienstgesetzes zum Ziel. Ziel war es, ein Auswahlverfahren zu treffen, um junge Genossinnen und Genossen in den Richterdienst zu bringen. (Abg. Haigermoser: So schaut es aus! Ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Das ist Ihre Beeinflussung der Justizpolitik, das ist schändlich, und das lehnen wir auf das Entschiedenste ab, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Oder: Wie schaut es mit der Meinungsfreiheit in der Steiermark aus? – Ein Spitzelskandal! SPÖ-Sympathisanten und auch Nicht-Sympathisanten hätten systematisch ausgeforscht werden sollen, wenn wir Ihnen nicht draufgekommen wären. Die Wähler in der Steiermark werden das jetzt am 15. Oktober zu beurteilen haben – und sie werden es beurteilen, sie werden Ihnen dafür auch die Rechnung präsentieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das jüngste Beispiel: Ein Spitzenpolitiker der SPÖ namens Schlögl hat es gewagt, sich einen Dialog mit einer Regierungspartei zu wünschen. – Na mehr hat er in der SPÖ nicht gebraucht! Nur deshalb, weil er das gefordert hat, wird er als SP-Vizechef in Frage gestellt. Swoboda stellt Schlögl als SPÖ-Vizechef in Frage, weil er zu fordern gewagt hat, den Dialog mit einer Regierungspartei zu eröffnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist ja Terror!)


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Es gäbe da noch viele Beispiele, aber ich lasse das aus, weil es die Zeit einfach nicht mehr zulässt. Es gäbe noch viele Beispiele, meine Damen und Herren, die ich in diesem Zusammenhang anführen könnte. Wer eine so zweifelhafte Vergangenheit in Sachen Meinungsfreiheit und innerparteiliche Demokratie hat, der hat über die Zukunft eines Justizministers sicher nicht zu richten, meine Damen und Herren! Das ist das Entscheidende, und daran sollten Sie sich halten! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es sind in den letzten Wochen und Monaten viele Worte gegen freiheitliche Politiker, gegen Spitzenpolitiker, gegen Parlamentarier gefallen, wie zum Beispiel: "Faschist", "rechtsradikal", "rechtsextrem". (Abg. Dr. Gusenbauer: Eine Lüge nach der anderen!) Ich sage Ihnen dazu Folgendes: Sie haben überhaupt kein Recht, die demokratiepolitische Redlichkeit freiheitlicher Minister, Parlamentarier und anderer Repräsentanten in Frage zu stellen! (Abg. Dr. Gusenbauer: Weil Sie das selbst tun!)

Ich meine, dass es notwendig ist, nach diesem dunklen Kapitel in der Außenpolitik zu einem neuen außenpolitischen Konsens zu kommen, aber ein solcher außenpolitischer Konsens, den wir jahrelang hatten, setzt ein Mindestmaß an Dialogfähigkeit und ein Mindestmaß an demokratischer Einstellung zum Dialog voraus. Ich ersuche Sie sehr persönlich – ich mache diesen Versuch heute –, Herr Kollege Gusenbauer, Herr Kollege Van der Bellen, auch einmal Ihre Haltung gegenüber freiheitlichen Politikern und Ihre Aussagen zu überdenken und sich zu fragen, ob sie immer richtig und ob sie immer so gescheit waren!

Ich möchte hier auch eindeutig klarstellen – weil heute wieder Attacken gekommen sind –, und zwar auch für die FPÖ-Fraktion hier im Hohen Haus, dass sie eine zweifelsfreie, eine untadelige und auch eine demokratisch nicht kritisierbare Einstellung und Gesinnung hat und dass ich es nicht zulasse, dass freiheitliche Parlamentarier, dass die freiheitliche Fraktion hier abgekanzelt werden. Sie hat immer, hier im Parlament, in den Landtagen und jetzt auch in der Regierung, ihren Beitrag zur Demokratie in Österreich geleistet, und das wird auch in Zukunft so sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Vor dem Hintergrund des Berichtes der drei Experten sollten Sie Ihre Haltung überdenken, sollten Sie darüber nachdenken, ob Sie Ihre Position gegenüber der Regierungspartei FPÖ nicht neu definieren wollen, denn auch wir Freiheitlichen, alle miteinander, so wie alle Mandatare aller Parteien in allen Gremien, haben den gleichen Anspruch wie Sie


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(Abg. Dr. Mertel: Redezeit! Reden Sie zum nächsten Tagesordnungspunkt auch gleich?)  – hören Sie dem letzten Satz noch zu! –, nämlich mit Respekt, Menschenwürde und Achtung von Ihnen behandelt zu werden, genauso wie wir auch in der Pflicht stehen, anderen Politikern und Parteien gegenüber, trotz aller Differenzen in den Argumenten, respektvoll aufzutreten! Wenn wir uns daran halten, erweisen wir der Demokratie einen guten Dienst. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol, ebenso Herr Abgeordneter Dr. Jarolim.

Ich darf an eine Vereinbarung in der Präsidiale erinnern, der alle vier Parlamentsparteien zugestimmt haben, nämlich dass wir vom § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung Gebrauch machen und sämtliche tatsächliche Berichtigungen an den Schluss der Debatte verlegen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Minister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Minister.

12.12

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich bin dankbar, dass ich hier endlich zu einigen Vorwürfen Stellung nehmen kann, die ich ganz anders sehe und von denen ich glaube, dass ich deren Unrichtigkeit auch beweisen kann, und ich wäre sehr froh, wenn Sie über diese Worte, die ich Ihnen jetzt sage, nachdenken könnten, weil ich glaube, dass zu jedem richtigen Urteil zunächst eine richtige Sachverhaltsgrundlage gehört. (Abg. Dr. Mertel: Wir sind nicht vor Gericht! Das ist kein Gerichtsverfahren!) Sie gehen aus meiner Sicht von einem völlig falschen Sachverhalt aus. Auch wenn Sie mich unterbrechen, wird das nicht anders werden. Ich werde bemüht sein, hier die Dinge klarzustellen. Wenn Sie kein Interesse daran haben, werde ich dies zur Kenntnis nehmen müssen.

Zum Vorwurf der Massenklagen möchte ich Folgendes sagen: Ich habe persönlich überhaupt niemanden geklagt, bevor ich Minister wurde. Und ich habe, nachdem ich Minister wurde, auch keinen einzigen Oppositionspolitiker geklagt. Ich bin allerdings der Meinung, dass ich nicht vogelfrei bin und mich nicht beschimpfen lassen muss. Und ich persönlich setze Beschimpfung mit Kritik nicht gleich. Bitte, mir das zuzugestehen!

Sie können selbst entscheiden; ich nenne Ihnen eine der Klagen, die auch in der Öffentlichkeit sehr bekannt ist, nämlich die Klage gegen Herrn Heller. Ich habe ihm, bevor der Weisenbericht oder der Expertenbericht erschienen ist, gegen bloße Ehrenerklärung angeboten, meine Klage zurückzuziehen. Er hat das nicht getan und nicht gewollt, sondern will, wie ich den Medien entnehme, ein rechtes Spektakel bei Gericht aufziehen. Sie werden dann selbst beurteilen können, wer hier desavouiert wird, wenn er die gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, und für wen das nicht gilt.

Sie können auch sagen, Kritik ist gleich Beschimpfung oder Beschimpfung ist Kritik. Ich gestehe Ihnen auch zu, dass ich eine Klage gegen ein sozialistisches Medium eingebracht habe, in dem die Worte gefallen sind: "Scheißregierung". Bitte entscheiden Sie selbst, ob derjenige, der "Scheißregierung" sagt, Regierungskritiker oder Regierungsbeschimpfer ist und ob man sich das gefallen lassen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist nur kein sozialistisches Organ! Wieso lügen Sie schon wieder?)

Dieser Vorwurf im Expertenbericht ... (Abg. Schieder: In welchem SPÖ-Organ war das, in welchem SPÖ-Medium war das?)  – "Linkswende", "Linkswende"! (Abg. Schieder: Es stimmt nicht, dass das ein SPÖ-Medium war! Herr Justizminister, welches Medium war das? – Abg. Haigermoser: Blutdruck, Schieder!) Das ist nach meinen Informationen ein Medium, das die Sozialistische Jugend vertreibt. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist die Unwahrheit!) Ich bitte um Entschuldigung, wenn das nicht richtig sein sollte, ich bin auf Informationen angewiesen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich werde mich sofort erkundigen, ob Sie Recht haben. (Abg. Schieder: Entschuldigen Sie sich!) Gut, okay. (Abg. Dr. Wittmann: Sie nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Am Wort ist der Herr Justizminister! – Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer (fortsetzend): Also den ersten Vorwurf habe ich, glaube ich, widerlegt, Sie geben mir jedenfalls Recht – das entnehme ich Ihrer Reaktion –, dass man sich so nicht beschimpfen lassen muss und dass das keine Kritik ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist richtig! Und wieso klagen Sie die SPÖ wegen ... in einer Dringlichen Anfrage? Erklären Sie das auch!) Der erste Vorwurf im Expertenbericht ist damit widerlegt.

Der zweite Vorwurf lautet, dass Bestimmungen des Strafgesetzbuches angewendet werden sollen, um Regierungskritiker zu bestrafen. Das ist nicht richtig! Ich bitte um Verständnis: Die Pressekonferenz, um welche es da geht, hat für mich eine andere zentrale Botschaft gehabt. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Herr Dr. Haider hat dort erklärt, dass er möchte, dass das Gelöbnis detaillierter ausgeformt und mit einer Verantwortlichkeit ausgestattet wird, und auf die Frage, wer davon betroffen sein soll, unter anderem geantwortet: Landeshauptleute und Regierungsmitglieder. Und damit war klar, was er im Eigentlichen will. Von einer speziellen, gesonderten strafrechtlichen Verfolgung von Regierungskritikern oder Oppositionspolitikern war also nicht die Rede.

Ich habe immer wieder gesagt, als ich festgestellt habe, dass die Diskussion in eine andere Richtung gegangen ist, dass ich dann anders reagiert hätte. Meine Reaktion war also darauf gerichtet, dass er das Treuegelöbnis mit mehr Verantwortlichkeit ausstatten wollte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Noch einmal: Wenn ich gewusst hätte, dass eine andere Reaktion kommt, hätte ich darauf anders reagiert.

Der dritte Vorwurf ist, dass ich die Meinungsfreiheit nur einseitig angewandt haben möchte. Das steht im Weisenbericht oder Expertenbericht. Ich erinnere an das, was ich am 16. Mai 2000, als zum selben Sachverhalt ebenfalls von Ihnen ein abgewiesener Misstrauensantrag gestellt wurde, gesagt habe – ich zitiere –: "Das heißt, wenn jemand in diesem Land glaubt, eine politische Idee verbreiten zu sollen, so soll man ihn nicht sofort daran hindern, sondern er soll in die Lage versetzt sein, im Wege der freien Meinungsäußerung am politischen Diskurs teilzunehmen." – Das sind meine Worte.

Weiters habe ich in derselben Sitzung gesagt, dass das freie Mandat zu den heiligsten Rechtsgütern gehört und jeder ein Verbrechen an der Demokratie begeht, der das freie Mandat angreift. Ich habe gesagt: "Ich habe überhaupt nicht die Absicht, auch nicht im Geringsten, an diesem freien Mandat zu rütteln. Ich hatte sie gestern nicht, ich habe sie heute nicht, ich werde sie nie haben." Und ich habe ferner gesagt, dass niemals jemand in Zukunft daran gehindert werden soll, "an der politischen Diskussion teilzunehmen, und zwar so, wie er das will, und so, wie er sich das vorstellt."

Das sind meine Worte. Das war klar. Das war ein Bekenntnis zum freien Mandat, zur Immunität, und das war auch ein Bekenntnis zur freien Meinungsäußerung. Ich bitte, auch zuzugestehen, dass in der besagten Pressekonferenz kein Wort von einer Einschränkung der Immunität gefallen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf Ihnen aber gleichzeitig in Erinnerung rufen, dass Sie im Jahre 1996 die Auslieferungspraxis des Immunitätsausschusses geändert haben. Das Ergebnis war, dass vor allem freiheitliche Oppositionspolitiker wegen Ehrenbeleidigungsdelikten in der Folge ausgeliefert wurden. Das war der einzige Schritt in Richtung Öffnung der Verantwortlichkeit von Politikern gegenüber den Strafgerichten. (Abg. Dr. Wittmann: Das war jetzt der Schummelzettel vom Herrn Bartenstein!)

Ich darf nun auf die Ausführungen des Herrn Gusenbauer eingehen, der sagte, ich hätte die Staatspolizei gegen Journalisten eingesetzt. Ich kann dazu nur Folgendes sagen: Ich habe, nachdem ich Minister wurde, Sicherheitsinstruktionen bekommen. Und Personen, die sich nicht identifiziert haben, sind um unser Haus gegangen, und es konnte nicht festgestellt werden, um wen es sich handelt. Es wurden die Türen besichtigt, es wurden die Schlösser besichtigt, es wurden Nebeneingänge besichtigt, und es wurden Fotos gemacht. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist unglaublich!) Und Nachbarn sind nervös geworden und haben meine Frau und mich angerufen.

Daraufhin habe ich den Innenminister gebeten, mir zu raten, was ich tun soll, und dieser hat veranlasst, dass die Polizei nachforscht. Ich konnte nicht wissen, dass es sich um Reporter handelt, insbesondere konnte ich nicht wissen, dass es sich um Mitarbeiter des "profil" handelt, denn ich hatte Stunden vorher ein Interview mit "profil" abgelehnt. (Abg. Haigermoser: Das ist interessant! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Das ist eure Auffassung von Pressefreiheit! – Abg. Mag. Mainoni: Das ist Diffamierung! – Abg. Haigermoser: Jetzt wird es spannend!)

Ich bitte, zu bedenken, dass ich in diesem Haus mit meiner Familie wohne, mit einem 11-jährigen Sohn, der sehr viele Freunde hat, wodurch es ein heftiges und wiederholtes Kommen und Gehen gibt, mit meiner Mutter, mit zwei meiner Brüder und deren Familien. Ich werde das nächste Mal, wenn sich eine ähnliche Situation ereignet, wieder die Polizei verständigen, weil ich glaube, dass ich denselben Anspruch auf Sicherheit wie jeder andere Bürger dieses Landes habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin sehr betroffen, Herr Dr. Gusenbauer, wie Sie das hier, ohne Informationen eingeholt zu haben, thematisieren. Ich glaube, dass es nicht Ihr Recht ist, andere in der Öffentlichkeit bloßzustellen, an den Pranger zu stellen, und zwar nur deshalb, weil sie sich um die Sicherheit ihrer Familie Sorgen machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer:


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Wieso haben Sie nicht die Polizei geholt, sondern die Staatspolizei? Die Polizei ist für die Sicherheit zuständig!)  – Ich habe jene Adresse gewählt, die mir der Herr Innenminister geraten hat.

Ich sage Ihnen: Es ist wichtig, einmal miteinander zu sprechen! – Sie, Herr Dr. Gusenbauer, und Herr Van der Bellen sind die Einzigen, die mir keinen Termin gegeben haben, als ich mich bei Ihnen vorstellen wollte. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Aha, so ist das!) Ich habe mich bei allen Sozialpartnern vorgestellt. Ich habe mich bei den Herren Präsidenten des Nationalrates, bei allen Parteiobleuten, bei allen Leuten, die mich natürlich nicht kennen konnten, vorgestellt, weil ich in der Politik ja neu bin, nur Sie und Herr Van der Bellen haben mir seit März nicht die Möglichkeit eines Gespräches gegeben. Sie sind Gesprächsverweigerer! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Gusenbauer! Ich habe soeben vom Protokoll die Ankündigung erhalten, dass Sie während der Rede des Abgeordneten Westenthaler folgende Zwischenrufe gemacht hätten: "Wieso lügen Sie dauernd?" und etwas später: "Eine Lüge nach der anderen!" Ich werde mir das Protokoll aushändigen lassen und Ihnen, wenn das stimmt, einen Ordnungsruf erteilen.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

12.23

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich bin schockiert! (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Wir auch! Wir auch!) Sich bloß hierher zu stellen und zu sagen: Mein Name ist Böhmdorfer, und ich weiß von nichts!, das ist keine Verteidigung! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn der Herr Minister neben Landeshauptmann Haider bei einer Pressekonferenz sitzt und als Botschaft dabei herauskommt, dass Haider vorschlägt, dass man kritische Oppositionspolitiker verfolgen soll (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja nicht wahr! – weitere Rufe bei den Freiheitlichen: Das stimmt ja nicht!), und wenn im Endeffekt dem Herrn Minister dazu 24 Stunden lang nichts einfällt, dann sollte er hier nicht einfach die Opferrolle abspielen.

Zum Beispiel Stanzl im "Kurier" hat es kommentiert. Das können nicht nur lauter "Meinungsterroristen" sein, wie Haider einmal geschrieben hat. Er sagt: "Haiders Vorschlag ist autoritär, undemokratisch, solche Regelungen gab es nur in kommunistischen oder faschistischen Regimen."

Als dieser Vorschlag geäußert wurde, waren Sie dabei. Ich hätte mir erwartet, dass Sie sofort  – ähnlich wie Stanzl – dazu Position beziehen. Auch als Justizminister wäre das Ihre Aufgabe gewesen. Sie haben 24 Stunden lang nichts dazu gesagt. Das ist der wahre Skandal, diese Verhaltensweise! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Stanzl, ein "Kurier"-Kommentar – nicht immer regierungskritisch, eher regierungsfreundlich, diese Zeitung, das sage ich auch einmal –: "Hier wurde ein Tabu gebrochen!", meint er. Er schreibt auch: "Nebenbei verrät aber auch die FPÖ ihre eigenen Grundsätze. Freiheit steht im Gegensatz zu jeder Form der Unterdrückung, gleichgültig, ob sie durch staatliche Einrichtungen oder halbstaatliche Vereinigungen ausgeübt wird!", zitiert Stanzl aus den FPÖ-Statuten.

Das schreibe ich Herrn Westenthaler ins Stammbuch, der hier in Wirklichkeit Belehrungen verteilt, was Freiheit ist und was Freiheit nicht ist. Westenthaler, der "Ministrant der Regierung"! Vor lauter Weihrauch sehe ich ihn ja gar nicht mehr, wenn er hier spricht und die Regierung lobhudelt. – Sie sind ein guter Klubobmann, Ihre Trennung zwischen Legislative und Exekutive funktioniert ja prächtig hier im Hohen Haus. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Klubobmann Westenthaler! Stellen Sie sich nicht hierher und sagen Sie nicht, wer ein Recht darauf hat, Minister in Frage zu stellen beziehungsweise nicht in Frage zu stellen! Das ist


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ein typisches Beispiel dafür, wie Sie versuchen, Oppositionsrechte einzuengen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben nicht das Recht dazu! Nicht mit dieser Geschichte!) Sie stellen sich hierher und sagen: Ich schreibe jetzt der Opposition vor, welcher Minister kritisiert wird! Ich schreibe der Opposition vor, welchem Minister das Misstrauen ausgesprochen werden soll und welchem nicht! – Diese Möglichkeiten haben Sie hier nicht. (Abg. Ing. Westenthaler: Mit so einer Geschichte wie Sie würde ich aufpassen! Abgesetzter Zentralsekretär!) Daher stellen Sie sich ein undemokratisches Zeugnis aus, wenn Sie sich hier so verhalten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. ) – Der Ratschlag zu der Pressekonferenz mit Haider kann ja nur von Ihnen sein.

Wenn Herr Minister Böhmdorfer sagt, er – subjektiv – habe eine andere zentrale Botschaft verstanden, für ihn war das ein bisserl anders, als es letztlich herausgekommen ist, dann muss ich sagen: Er als der engste Freund Haiders müsste wissen, was Haider mit dieser Republik wirklich vorhat! Er müsste es wissen! Er sollte die Haider-Bücher gelesen haben; ich habe vorhin schon zitiert. Ich kann den Österreicherinnen und Österreichern nur sagen: Wenn das so weitergeht, werden sie diese Republik nicht mehr wiedererkennen!

Haider hat in dem Buch "Befreite Zukunft, jenseits von links und rechts" geschrieben: "Es ist dem modernen Leser nicht mehr zuzumuten, dass er mit dem Meinungsterror der Journalisten ständig konfrontiert wird." – Was heißt das? Was soll geschehen mit den Kommentatoren in den Zeitungen, die Ihrer Meinung nach Meinungsterror ausüben? (Abg. Ing. Westenthaler: Warum hat Sie der Herr Vranitzky rausgeschmissen?) Was soll passieren, sagen Sie das doch?! Oder stimmt das, was Oskar Bronner in Alpbach gesagt hat: "Als ob unbequeme Stimmen zum Schweigen gebracht werden sollen." Medien, Justiz sollen gefügig gemacht werden. – Das hat der "Standard"-Herausgeber und Vizepräsident des VÖZ in Alpbach unter dem Applaus der Zuhörer gesagt; unter dem Applaus der Verleger, der Journalisten, die offensichtlich ebenfalls dieser Meinung waren.

Hier sollen unbequeme Stimmen zum Schweigen gebracht werden, und Sie machen das, Herr Minister Böhmdorfer: Ihre Kanzlei mit den permanenten Klagen und Sie, Herr Westenthaler, mit Zensurenbedrohung von ORF-Redakteuren, siehe ORF-Kuratorium. Sie sagen: Beobachten wir doch die Redaktionen, schauen wir doch, ob sie objektiv Bericht erstatten! – Sie haben gesagt, gleich alle Redaktionen des ORF sollte man unter Zensur setzen. "Verwestenthalern" wir am besten den ganzen ORF. – Das ist Ihre Perspektive, die Sie haben. Dafür müssen Sie sich verantworten, Herr Klubobmann. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder: Abschaffung der Presseförderung. – Das trifft jene Zeitungen, die Sie nicht mögen, weil sie kritisch sind, weil sie sich kritisch zur Regierungspolitik äußern. Daher: Weg mit der besonderen Presseförderung!

Es gibt Jubel Ihrerseits hinsichtlich der Anhebung der Postgebühren für die Zeitungszustellung. – Das trifft wieder Zeitungen.

Oder: Ja zur steuerlichen Schlechterstellung von Zeitungsbeilagen gegenüber Postwurfsendungen. – Alles Maßnahmen, die einengen sollen.

Sie wollen ferner noch die Senkung der Kammerumlage und die Reduktion der Parteienförderungen. – Alles, was kritisch ist, alles, was nicht in Ihr Bild der "Dritten Republik" passt, soll materiell und geistig geschwächt werden, und der Herr Justizminister hat eine ganz wichtige Schaltstelle in diesem Konzept!

Ich werde Ihnen noch etwas sagen. Sie sollten hin und wieder auch "Die Zeit" lesen und nicht nur Ihre FPÖ-Blätter. Ein interessanter Kritikpunkt zu den Schriftsätzen der Kanzlei des Justizministers steht da drinnen; da können Sie dann wieder klagen.

Zum Beispiel: So warnte er einmal, die gemeinsame Ablehnung des Nationalsozialismus dürfe nicht in Gesinnungsterror umschlagen. Es müsse schon zulässig sein, zum NS-Thema auch aus Blickwinkeln, die nicht ausschließlich im Sinne einer pauschalen Ablehnung argumentieren,


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Stellung zu nehmen. – Das ist Ideologie, die hier transportiert wird. Das ist ja ungeheuerlich, was wir hier hören und lesen müssen!

Ihr Mentor, Ihr "Alter Ego" Jörg Haider hat geschrieben in "Die Freiheit, die ich meine": "Die Freiheitsgefährdung durch geistige Uniformität und ideologische Unterwerfung sollte nicht unterschätzt werden." – Ein Bumerang, das ist richtig! Sie sind Haiders Anwalt geblieben und nicht der Justizminister aller Österreicher geworden.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Dr. Kostelka, Dr. Cap und Genossen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Dem Herrn Bundesminister für Justiz wird im Sinne des § 74 Abs. 1 B-VG das Vertrauen versagt.

*****

Ich hoffe, dass hier Zustimmung kommt. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich erhoffe das auch von der ÖVP, denn ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sich Justizsprecher Michael Graff damals kritisch auseinander gesetzt hat mit FPÖ-Justizminister Harald Ofner. "Justizmanipulant" hat er gesagt. Heute ist er nicht mehr da. Was würde er heute sagen, wenn er sich mit Justizminister Böhmdorfer auseinander setzen müsste? Von Frau Fekter höre ich so etwas nicht, aber von einem Justizsprecher Graff wäre vielleicht – wenn er seinen Grundsätzen treu geblieben wäre – diese Kritik auch heute denkbar.

Ich würde meinen, es würde Ihnen schon gut anstehen, hier kein Vormärz-Mainstream, keine Illiberalität, kein "Zurück zum Metternich-Staat", kein "Zurück zur Zeit vor 1848", auch unter Verrat Ihrer Wurzeln, zumal Jörg Haider immer sagt, die Freiheitskämpfer des Jahres 1848 seien unsere Urahnen, anzustreben. Wieso sind das für Sie unsere Urahnen, wenn Sie hier in Wirklichkeit einen anderen Staat, einen "Metternich-Staat" anstreben wollen?!

Ich denke, da sollte sich auch die ÖVP zu Wort melden. Das Konzept von Andreas Khol ist gescheitert, der "Le Figaro" gegenüber gesagt hat: Die FPÖ an der Macht beteiligen, um ihre inakzeptablen Exzesse zu beseitigen, und ihre Natur wird sich ändern! – Das ist falsch! Der Weisenbericht hat festgestellt, die Natur der FPÖ bleibt rechtspopulistisch mit extremistischer Ausdrucksweise. Das Konzept, Herr Klubobmann, ist gescheitert. Und dafür wird Ihnen der Wähler die entsprechende Rechnung liefern! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Gusenbauer, Dr. Kostelka und Genossen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.33

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Die SPÖ hat uns heute in der Causa Böhmdorfer nichts Neues erzählen können. Es bleibt dabei, meine Damen und Herren, dass in Österreich keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, keine Einschränkung der Immunität geplant ist. Und das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Was wir aber heute hier Neues gehört haben, erschüttert auch uns, meine Damen und Herren: Wenn ein Justizminister seit März das Gespräch mit den beiden Oppositionsabgeordneten und Klubobmännern sucht und ihm kein Gespräch gewährt wird, so wirft das auch ein bezeichnendes Licht auf die Kommunikation in diesem Land und auf die Opposition, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für uns gilt, festzuhalten, was im Weisenbericht wirklich drinsteht. Herr Klubobmann Van der Bellen hat gemeint, man könne daraus ableiten, dass Böhmdorfer zurücktreten muss. Ganz im Gegenteil! Laut Bericht gibt es zwar Sorge um das eine oder andere Verhalten, aber es wird den FPÖ-Regierungsmitgliedern bescheinigt, dass sie ihre Arbeit gut machen, und der gesamten Bundesregierung wird ein Zeugnis ausgestellt, meine Damen und Herren, von dem sich andere Regierungen in Europa ein Scherzchen abschneiden könnten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte daher aus unserer Sicht einmal klar sagen: Wir sollten nicht vom Sanktionenthema zu einem Böhmdorfer-Theater kommen, sondern diese Sache auf sich beruhen lassen, meine Damen und Herren, und uns um das kümmern, was die österreichische Bevölkerung viel mehr bewegt, nämlich: dass diese Sanktionen jetzt endlich aufgehoben sind, weil sie eine pauschale Beleidigung der österreichischen Bevölkerung waren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da die Bundesregierung jetzt sieben Monate lang dafür gekämpft hat, dass diese Sanktionen aufgehoben werden, und auch wir Parlamentarier uns sehr darum bemüht haben – zumindest Teile des Hohen Hauses sich darum bemüht haben –, ist auch Freude angebracht. Und ich glaube, es ist auch angebracht, zu sagen, dass das Ergebnis unter dem Strich einen Sieger und einen Verlierer bringt; nicht, was die Staaten betrifft, sondern was den Inhalt betrifft, meine Damen und Herren. Entscheidend ist, dass der Grundsatz, dass jedes Land sich sein Parlament und seine Regierung auswählen darf, einen neuen Durchbruch erhalten hat. Und das ist der Sieg in diesem Zusammenhang. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf auch nicht verhehlen: Es gibt auch Verlierer in diesem Zusammenhang! Die Verlierer sind diejenigen, die geglaubt haben, dass man aus der Größe eines Landes in der Europäischen Union eine Vormachtstellung ableiten und anderen diktieren kann, was sie zu tun haben. – Die haben verloren, und das zu Recht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für uns gilt, dass das europäische Projekt auf einer Partnerschaft und nicht auf einer Vorherrschaft oder einer Vormachtstellung von einigen wenigen aufgebaut ist. Ich glaube, dass das auch eine wesentliche Schlussfolgerung für die Europapolitik Österreichs ist, die wir daraus ableiten können.

Wir haben nunmehr ein Ergebnis, das uns befriedigt. Die Sanktionen sind weg! Das kam aber auch nicht von ungefähr. Dass sieben, acht Monate lang darum intensiv gerungen wurde, und zwar in einer Art und Weise, dass man nicht weiter provoziert hat, aber auch klar den österreichischen Standpunkt vertreten hat, ist ein Verdienst, meine Damen und Herren. Und ich möchte hier besonders jenem, der als kalter Stratege mit Gelassenheit, aber auch mit einem eisernen Willen diese siebeneinhalb Monate durchgestanden hat, ein Danke sagen, nämlich dem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Seine Außenministerin hat bei europäischen Räten einiges ins Rollen gebracht. Sie hat uns, glaube ich, im Ausland in exzellenter Art und Weise vertreten – so, wie man das von einer Außenministerin erwartet, gemeinsam mit den vielen Mitarbeitern im Außenamt, die hier auch eine sehr professionelle Vorgangsweise an den Tag gelegt haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bei dieser Gelegenheit, meine Damen und Herren, möchte ich sagen: Es erfüllt mich schon mit einer gewissen Belustigung, wenn Herr Abgeordneter Gusenbauer uns hier erklärt, welche Bei


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träge er zur Aufhebung der Sanktionen geleistet habe, denn er konnte sie mit keinem einzigen Argument untermauern. Es ist vielmehr ein Luftschloss ohne Fundament.

Herr Kollege Gusenbauer! In Erinnerung bleibt uns schon, was von Ihrer Partei und von Ihnen persönlich in diesen siebeneinhalb Monaten an den Tag gelegt wurde. (Abg. Schwemlein: Ich erinnere an die lobenden Worte der Frau Außenministerin!) Klubobmann Khol hat von den Vorzeichen der Sanktionen in Stockholm gesprochen. Darüber liegt immer noch ein gewisser Schleier. Die SPÖ hat uns noch nie erklärt, was Klima als Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender tatsächlich in Stockholm im Kreise seiner Kollegen der Sozialistischen Internationale getan hat, meine Damen und Herren. Er hat dieses Haus nie wieder betreten, er ist uns die Antwort bis heute schuldig geblieben. Ich glaube, dass viele Österreicher daraus auch gewisse Schlüsse ableiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten bleibt uns in Erinnerung, wie die sozialdemokratischen Europäer aus Österreich reagiert haben. Da gab es einen Herrn Abgeordneten Swoboda, der uns erklärt hat, diese Sanktionen seien richtig und wichtig. – Ein weiter Weg zu dem, was Sie heute erklärt haben, wie Sie an der Aufhebung der Sanktionen wirklich gearbeitet haben.

In Erinnerung bleiben uns, Herr Kollege Gusenbauer, auch Alfred Gusenbauers Reisen. Wir haben heute Bilder aus Frankreich gesehen, wie mit Champagner angestoßen wurde, während in Österreich die Bevölkerung über diese Sanktionen wirklich empört war. Wir erinnern uns auch daran, dass Kollege Gusenbauer uns aus Frankreich mitgeteilt hat, die Sanktionen würden nicht aufgehoben werden.

Er ist nach Deutschland weiter gereist und hat dort mit Bundeskanzler Schröder und einigen Sozialdemokraten in fröhlicher Runde gesprochen, wie es die Bilder, die man aus der Zeitung in Erinnerung hat, zeigen, mit dem Ergebnis: Deutschland bleibt hart in der Sanktionenfrage! Er hat uns von dort auch mitgeteilt, dass wir wahrscheinlich sogar auf unser Veto verzichten sollten, damit wir keine Schwierigkeiten bekommen.

Meine Damen und Herren! Wären das die Vorschläge, die die Regierung oder wir aufgenommen hätten, wo wären wir heute? Wir wären gedemütigt, und wir wären heute in Europa in einer Situation, in der wir unsere Rechte nicht sehr gut vertreten könnten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, meine sehr geschätzten Damen und Herren, dass wir daraus die richtigen Schlüsse ziehen sollten, die da sind: hart in der Sache bleiben, unsere Interessen im europäischen Konzert ernsthaft und mit allen Mitteln vertreten! Das sind wir unserer Bevölkerung schuldig! Ich glaube, dass wir dazu keine Ratschläge von der SPÖ brauchen. Sie haben sich in der Europapolitik dermaßen blamiert, dass Sie jetzt einmal wieder Ihr Gesicht wahren müssen. Ich lade Sie ein zu einer konstruktiven gemeinsamen Außenpolitik in der Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sie können "Europapolitik" nicht einmal buchstabieren!)

12.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann Dr. Van der Bellen zu Wort gemeldet. Analog zu den vorangegangenen tatsächlichen Berichtigungen wird auch diese am Schluss der Debatte aufgerufen.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.41

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungsparteien haben beschlossen, heute Licht ins Sanktionsdunkel zu bringen und zu klären, was damals wirklich passiert ist – und das ist ihr gutes Recht. Vielleicht hat es wirklich eine geheime sozialistische Weltverschwörung gegeben, von der Dr. Gusenbauer mangels Funktion damals noch nichts wissen konnte (Abg. Mag. Mainoni: Verschwörung gegen Österreich!), und ohne dass er es überhaupt gewusst hat, hat hinter seinem Rücken die damalige Parteispitze


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Arges und Böses gegen Österreich geplant. – Das ist ja möglich. (Abg. Jung: Dann hat er von den Schulden auch nichts gewusst!)

Es ist aber auch möglich, Licht ins Dunkel zu bringen, und das verdanken wir der Kanzlei Dr. Böhmdorfer. Am 10. Februar 2000 hat die Kanzlei Dr. Böhmdorfer eine Klage eingebracht. Der Kläger heißt Jörg Haider, und ich werde anstelle des Begriffes "Kläger" jetzt bei meinem wörtlichen Zitat immer – der besseren Verständlichkeit halber – "Jörg Haider" sagen. Ich zitiere aus der Klagsschrift der Kanzlei Böhmdorfer.

"Am 24.1.2000 abends" – also am 24. Jänner, vor Beginn der Sanktionen, vor der Regierungsbildung – "gab es ein weiteres Gespräch zwischen ,Jörg Haider‘ und dem Herrn Innenminister Mag. Karl Schlögl in dessen Ministerbüro. Dabei teilte der Herr Innenminister mit, dass die SPÖ noch Zeit benötigen würde, um innerhalb der SPÖ die notwendigen Beschlüsse treffen zu können. ,Jörg Haider‘ wurde aufgefordert, vorerst mit Verhandlungen mit der ÖVP abzuwarten.

Am 2. Feber 2000 vormittags kam es zu einem zufälligen Aufeinandertreffen in der Nähe des Parlaments zwischen Herrn Innenminister Mag. Karl Schlögl und Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter (Kärnten) Ing. Mathias Reichhold, die seit vielen Jahren per du verkehren. In einem kurzen Gespräch teilte Herr Mag. Schlögl mit, dass er es bedauere, dass die von ihm unterstützte Öffnung zur FPÖ nicht weiter verfolgt wurde und dass jedenfalls die SPÖ die FPÖ hinsichtlich ausländischer Kritik besser unterstützen hätte können."

Das eine – also das Treffen im Ministerbüro mit dem Angebot, über die Bildung einer gemeinsamen Regierung oder der Unterstützung einer Minderheitsregierung zu verhandeln – ereignete sich vor der Verhängung der Sanktionen und der Regierungsbildung, das andere – der Ausdruck des Bedauerns, dass es dazu nicht gekommen sei – nach Verhängung der Sanktionen und nach der Regierungsbildung.

Wenn das stimmt – und da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, muss man immer dazu sagen: "Wenn das stimmt!" –, dann ist die sozialistische Weltverschwörungstheorie am Ende, denn dann sind diejenigen, die sich hier über die sozialistische Weltverschwörung beklagen, mit einem stellvertretenden Parteivorsitzenden der SPÖ in der fraglichen Zeit zusammengesessen und haben eine gemeinsame Regierungsbildung und ein gemeinsames politisches Vorhaben verhandelt.

Ich würde beiden Seiten vorschlagen: Treten Sie einen Schritt zurück, erinnern Sie sich daran, was damals wirklich los war!

Ich befürchte, die Einzigen, die wirklich keine Ahnung von den Vorgängen hinter den Kulissen hatten, waren neben uns Grünen die Regierungsverantwortlichen der 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die haben wirklich geglaubt, dass die SPÖ nichts anderes im Sinn hat, als eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu bekämpfen, und konnten nicht wissen, dass zu dieser Zeit wahrscheinlich nur eine Regierungsbeteiligung der FPÖ mit der ÖVP bekämpft wurde. Gleichzeitig konnten sie nicht wissen, dass Vieles, was von Seiten der FPÖ gegen die rote Gefahr, die rote Katze und andere rote Untiere vorgebracht wurde, offensichtlich auch nicht so ernst gemeint war.

Deswegen plädiere ich dafür: Wenn schon Geschichte aufgearbeitet wird, dann bitte jene Geschichte, die wirklich passiert ist! – Das ist das eine.

Das andere ist: Es steht hier ja nicht zufällig "Kanzlei Böhmdorfer" drauf. Nicht nur wir als Vertreter einer Oppositionspartei, sondern auch die so genannten Weisen – also Sachverständige der Europäischen Union – haben ihre Schlüsse gezogen. Und diese Sachverständigen der Europäischen Union sind zu dem Schluss gekommen, hier seien die Verfassungsgrundsätze der Europäischen Union durch ein Regierungsmitglied verletzt worden.

Ich zitiere Ihnen, was das nach Meinung der "drei Weisen" bedeutet: "Dies bedeutet, dass bereits jeder Ansatz einer Regierung oder eines Regierungsmitglieds in Richtung auf die Unterdrückung von Kritik als eine schwere Bedrohung der in Artikel 6 des EU-Vertrags niedergelegten


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grundlegenden Prinzipien und der gemeinsamen europäischen Werte verstanden werden muss."

Das ist eindeutig, Herr Bundeskanzler! Das ist eindeutig, Herr Justizminister! Nach Aufforderungen dieser Art und nach Feststellungen dieser Art ist es in der Europäischen Union üblich, dass Regierungsmitglieder zurücktreten. Es gibt keine andere Möglichkeit, wenn man selbst von der Europäischen Union und den Weisen als eine schwere Bedrohung der Verfassungsgrundsätze betrachtet wird! Soll diese schwere Bedrohung fortgesetzt werden? Ist die Erklärung des Bundeskanzlers so zu verstehen, dass die schwere Bedrohung zur Kenntnis genommen wird? Er hat ja gesagt, er nimmt den Weisenbericht zur Kenntnis und hält ihn für seriös – und jetzt soll die schwere Bedrohung fortgesetzt werden?

Herr Dr. Böhmdorfer! Herr Justizminister! Es hat sich ein Einziges geändert, seit Sie Justizminister sind. Das waren die alten Briefköpfe der Rechtsanwaltskanzlei (der Redner hält einen Brief in die Höhe): "Rechtsanwälte Böhmdorfer GHENEFF OEG". Die neuen Briefköpfe – und das ist das einzig wirklich Neue – schauen wirklich anders aus. Da steht: "Böhmdorfer GHENEFF Rechtsanwälte KEG – Dr. Dieter Böhmdorfer, Bundesminister für Justiz; für die Dauer der Amtstätigkeit ruht die Rechtsanwaltsbefugnis"

Sie haben nicht zurückgelegt, Sie haben nicht, wie einer Ihrer Vorgänger, die Kanzlei geschlossen, sondern Sie schreiben noch extra "Bundesminister für Justiz" drauf, sodass die Klagen gegen Medienvertreter, gegen politisch missliebige Personen jetzt im Briefkopf auch den Titel "Bundesminister für Justiz" tragen. Was soll sich ein Staatsanwalt, was soll sich ein Richter, aber was sollen sich auch zukünftige Bedrohte dabei denken, wenn das ganz offiziell die Kanzlei des Justizministers ist?

Herr Justizminister! Ich nehme zur Kenntnis: Sie haben nichts gelernt! Sie haben den Bericht der Weisen nicht verstanden oder nicht verstehen können! Sie haben Ihr Verhalten durch diesen Briefkopf sogar noch verschärft! Es gibt nur eine Möglichkeit – und das ist nicht Ihre private Angelegenheit –, und das ist der von der gesamten Opposition geforderte Rücktritt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ohne diesen Rücktritt, Herr Bundeskanzler, Frau Vizekanzlerin, Herr Justizminister, wird sich an der Situation Österreichs nichts ändern. Ja, die Sanktionen sind offiziell aufgehoben, ja, die Europäische Union hat gesehen, dass es mit dieser Art der Sanktionen – obwohl die Weisen sagen, dass sie am Anfang gerechtfertigt waren – nicht weiter geht, aber – Österreich war nie isoliert! – die Bundesregierung bleibt isoliert.

Sie leben nach wie vor politisch am Rande von Europa. Niemand attestiert Ihnen, dass Sie gelernt hätten, dass Sie eine neue politische Kultur verkörpern, dass Sie wieder in die Mitte Europas zurückgekehrt sind. Dass Ihnen das Weise einmal attestieren können, wird wohl erst dann möglich sein, wenn als allererster Vertrauensbeweis der Rücktritt von Justizminister Dr. Böhmdorfer vollzogen ist. (Abg. Dr. Ofner: Was ist mit der Zeit?) Und darum ersuche ich Sie, Herr Bundeskanzler, von dieser Stelle aus ein letztes Mal. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Fischer. )

12.51

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.51

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Wenn man die bedeutungsvoll ausgesprochenen drohenden Worte meines unmittelbaren Vorredners gehört hat, dann gruselt es einen schon ein bisschen, und ich möchte gerne wissen, welche Flugreisen er für die nächste Zeit vor sich hat, denn wenn ein Pilz so etwas sagt, dann ist es nicht nur hingeworfen, dass alles beim Alten bleiben wird und dass sich nichts bessern wird, sondern da kann ich mir schon vorstellen, dass da auch massive Absicht dahinter steckt. (Ironische Heiterkeit der Abg. Dr. Lichtenberger.  – Abg. Dr. Mertel: Was heißt das? Was soll das bedeuten?)


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Aber man soll sich immer an Texte halten. Der Text Nummer eins ist – ich lese ihn einmal vor, weil es immer heißt, kritische Oppositionelle sollen mundtot gemacht werden; es heißt da wörtlich aus einem Auszug der Pressekonferenz Haiders –: "Viele Leute wundern sich, dass österreichische Politiker, die auf dieses Land einen Eid geleistet haben (Abg. Dr. Fischer: Auch auf die Neutralität einen Eid geleistet haben!), im Ausland nicht Manns genug sind, ungerechtfertigte Angriffe gegen Österreich zurückzuweisen." (Abg. Dr. Fischer: Auch auf die Neutralität!)

Das ist das Mindeste, was ich verlangen kann, Herr Präsident. Nicht der kritische Oppositionelle, der sich äußert, soll bedroht werden, sondern es wundern sich die Leute – und das wissen wir alle –, dass jemand, der da herinnen und anderswo auf die Republik einen Eid geleistet hat, hinausfährt, irgendwo hinfliegt und dort alles, was in seiner Macht steht, tut, um dieser Republik zu schaden. Das ist es, was uns Sorgen macht, und das ist es, was auch hier dahinter war! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber auch das ist nicht neu. Noch ein Zitat: "Ehrenrührige Beschuldigungen eines Mitgliedes der Bundesregierung oder gleichrangiger Amtsträger sollten von einem Ehrensenat, bestehend aus den drei Präsidenten der Höchstgerichte sowie dem Präsidenten des Rechnungshofes, zu beurteilen sein, unbeschadet der Tätigkeit der ordentlichen Gerichte und parlamentarischer Untersuchungsausschüsse."

Von wem ist das, meine Damen und Herren vom linken Reichsdrittel? – Nicht von Jörg Haider – von Bruno Kreisky! (Aha-Rufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Der Bruno!) Es ist nur etwas älter, aber man sieht, dass es verantwortungsbewusste Persönlichkeiten in allen Phasen der österreichischen Innenpolitik gegeben hat, die sich darüber den Kopf zerbrochen haben, was geschehen soll, wenn es nicht so zugeht, wie der Bürger es sich erwartet. (Abg. Haigermoser: Das ist aber interessant!)

Aber das ist eine alte Mode. Es ist Mode geworden in Österreich, Innenpolitik über das Ausland machen zu wollen. Wir wissen das nicht erst seit der Affäre Waldheim, wir haben es dieses Mal wieder erlebt, und der Zorn und der Hass, der uns Freiheitlichen und auch der ÖVP und den Damen und Herren auf der Regierungsbank heute hier entgegenschlägt, zeigt nur, wie sehr das in die Hose gegangen ist. Das zeigt, wie Ihr Bemühen – nicht als persönlich Angesprochene hier im Hause –, wie das Bemühen von entsprechenden Agitatoren im Ausland, wieder einmal gegen Österreich mobil zu machen, schief gegangen ist, und das schlägt sich heute in der Welle der Ablehnung und Abneigung, die wir spüren, nieder.

Man wirft Minister Böhmdorfer vor, dass er nicht sogleich widersprochen hätte, als Haider das erklärt hat, was ich Ihnen soeben zitiert habe. Aber Alfred Gusenbauer war im Fernsehen zu sehen, unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit damals, in einer sehr gepflegten Atmosphäre, in einem historischen Gebäude, in einer historischen Räumlichkeit in Gesellschaft seiner französischen Parteifreunde und hat mit Champagner angestoßen. Damals, lieber Alfred – ehrlich gesagt, ich habe dir das nicht zugetraut, ich halte dich ja für gescheit, ich habe mir nicht gedacht, dass du dich bei so etwas fotografieren lässt –, hättest du es sofort so machen müssen. (Der Redner hält sich eine Zeitung vor das Gesicht. – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Denn die Österreicher werden sich gesagt haben: Die feiern die G’schicht jetzt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn du solche Maßstäbe bei dem Minister anlegst, der da sitzt, dann könnte man von dir auch verlangen, dass du sofort erklärst: Ich gehe da nicht hinein, da ist ein Fernseh-Team. Im Übrigen widerspreche ich sofort den Sanktionen, die von euch, meine Parteifreunde in Frankreich, gegen Österreich verhängt werden! (Abg. Haigermoser: Worauf haben Sie getrunken?)  – Überhaupt nicht. Es ist nicht immer so einfach, die Dinge zum Besten zu geben, die man in Zukunft von dem Betreffenden verlangen wird – Wochen, Monate, Jahre, manchmal auch Jahrzehnte später.

Aber was ist aus dem Bericht dieser drei Herren aus Heidelberg wirklich herausgekommen? Ich will sie nicht "Weise" nennen, denn wenn einer irgendwo einmal Minister war, ist er noch lange


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kein Weiser. Ich war auch einmal Minister, aber ich bin kein Weiser. Nicht einmal du wirst das behaupten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt!) Siehst du! (Heiterkeit.)

Aber was haben sich Advokaten bei der Beurteilung der Situation gedacht? Was wird herauskommen? – Na die Republik Österreich wird freigesprochen werden, weil sie bei dem Sachverhalt, der da vorliegt, freigesprochen werden muss – und die Regierung natürlich mit. Aber man kann niemals eine Seite allein gewinnen lassen, man sucht sich daher irgendjemanden aus, von dem man glaubt, dass er der Schwächere ist, und der bekommt dann sein Scherzel ab.

Im vorliegenden Fall hat man den größeren Koalitionspartner ein bisschen was in dieser Richtung abbekommen lassen, und dann hat man sich den einzigen keiner politischen Partei angehörigen Minister herausgesucht, weil man offensichtlich geglaubt hat, ihm besonders leicht am Zeug flicken zu können, und das war der Justizminister.

Und die Texte ... (Abg. Dr. Fischer: Das war das Urteil der Weisen?) Bitte? (Abg. Dr. Fischer: Das war die Methode der Weisen?) Ich halte Sie nicht für weise, Herr Präsident. (Abg. Dr. Fischer: Aha!) Ich glaube nur – und ich lese ja die Handschrift der "Prozessionsteilnehmer" nach Heidelberg –, die "Wallfahrer" nach Heidelberg haben am Schluss noch erwirkt, dass ein Appendix an den Bericht drangekommen ist (Abg. Dr. Fischer: Also kein objektiver Bericht?), und dieser Appendix ist es, den man heute dem Justizminister vorwerfen will, so nach der Methode: Jetzt sind wir in Brüssel und Umgebung gescheitert, ich, Gusenbauer, bin gescheitert. Ich meine das in Blickrichtung Sozialistischer Internationale. Du bist ja Stellvertreter. Wer ist Obmann? – Herr Guterres. Bei dem hat vieles begonnen. Also Herr Guterres ist Chef der Sozialistischen Internationale, du bist der Stellvertreter oder einer der Stellvertreter von Herrn Guterres. (Abg. Dr. Gusenbauer: Sind Aznar und Chirac auch Stellvertreter?) Ich will dir das nicht unterstellen, aber ich habe mich schon immer gewundert, warum eigentlich Guterres, der mit Österreich sicher überhaupt nichts am Hut hat, mit diesen Dingen begonnen hat. Da habe ich mir gedacht: Schau dir einmal die Hierarchie der Sozialistischen Internationale an!

Ich persönlich glaube, dass es ein ausgewogener Bericht geworden wäre und zunächst auch gewesen ist. Aber dann haben die "Wallfahrer" nach Heidelberg ihre "Prozession" angetreten, und dann hat man das, was die dorthin transportiert haben, zum Teil noch hineingenommen. Man wollte nicht nur einer Seite Recht geben. Daher das Ergebnis, das herausgekommen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auf dieser Grundlage den Rücktritt eines Ministers zu verlangen, ist frivol, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte, Frau Bundesministerin. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

12.57

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir schlagen heute, nach der Aufhebung der Sanktionen, ein neues Kapitel in der Außenpolitik auf. Das ist das Wesentliche, und wir müssen in die Zukunft schauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen sagen, dass uns das auch gut gelingen wird, denn wir haben in dieser ganzen schwierigen Zeit – und gerade ich selbst habe auch das praktiziert – suaviter in modo und forte in re agiert, und ich glaube, das war die richtige Methode. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fischer: Fortiter in re!)

Das war deshalb die richtige Methode, weil ich damals schon, als es begonnen hat, vorausgeblickt habe und dachte: Ich muss dort wieder ansetzen können, wo man uns sozusagen alleingelassen hat. Das hat auch wirklich Wirkung gezeigt, und ich sage Ihnen: Als ich jetzt in New York war, hat sich eine allgemeine Erleichterung breit gemacht. Alle meine Kollegen haben mir


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das gesagt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Heinz und Joschka! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Dass es hier differenzierte Anschauungen gibt, wissen wir, das ist richtig, aber es gibt eben auch solche, die ja schon auf den Azoren ganz klar gezeigt haben, dass man Lösungen finden muss, und der Weisenbericht war eben eine solche Lösung. Seien wir froh darüber! (Abg. Dr. Fischer: Aber Kollege Ofner hat den Bericht ganz anders analysiert! – Abg. Haigermoser: Werden Sie wieder Präsident! Setzen Sie sich hinauf und werden Sie präsidial!)

Herr Präsident! Hier sind schon so viele selektive Wahrnehmungen dargestellt worden, dass ich glaube, ich gehe jetzt besser auf die Darstellung der österreichischen Außenpolitik danach ein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hier haben wir zwei wesentliche, zwei ganz große Anliegen: Das eine ist natürlich die Regierungskonferenz, die wir jetzt mit besonderem Nachdruck und mit aktiver österreichischer Beteiligung angehen müssen. Dabei geht es vor allem darum, dass wir unseren Kommissar auch in Zukunft beibehalten werden. Das wird nicht einfach sein, aber da werden wir ganz klar Allianzen auch mit den anderen bilden, denn die Kommission – auch das wird ein ganz wichtiges österreichisches Anliegen sein – wird in Zukunft auch eine wesentliche Rolle spielen müssen und nicht eine intergouvernementale Zusammenarbeit, wie es sich in der Vergangenheit gezeigt hat und wie es auch im Zusammenhang mit den Sanktionen negativ war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein zweiter ganz wesentlicher Punkt ist die Erweiterung. Ich glaube, das ist für uns ein historisches Anliegen. Wie können wir die Erweiterung volksnah machen? – Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stelle einer Volksabstimmung hier eindeutig die Österreich-Plattform gegenüber. Ich glaube, wir müssen alle innerhalb Österreichs einbeziehen, und ich bin eben bereit, zu einer solchen Plattform einzuladen – ich denke, nach der Regierungskonferenz ist es sinnvoll –, und da werden wir natürlich die Schwierigkeiten, aber auch die positiven Dinge für Österreich sehr genau analysieren müssen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Aus diesem Grunde halte ich es auch für so wichtig – das habe ich schon lange angespro-
chen –, dass wir vor allem mit unseren Nachbarn, aber auch mit allen anderen Beitrittskandidaten in einen Dialog eintreten. Gerade wir haben die große Chance, wenn wir das vernünftig machen, wieder strategische Partner zu werden, und zwar strategische Partner zu werden auf beiden Seiten, nicht nur von Österreich aus, sondern auch auf der anderen Seite. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Zu spät applaudiert! Aufpassen!)

Wir müssen daher natürlich großes Verständnis für die Sorgen in unserer Bevölkerung haben, denn es gibt, wie wir alle wissen, einige schwierige Fragen, die tatsächlich gelöst werden müssen. Diese Fragen müssen aber – meine sehr geehrten Damen und Herren, vertrauen Sie mir; Sie haben mir ja auch bei den Sanktionen sozusagen viel anvertraut – bilateral ausgeräumt werden. Wir sind auf dem besten Weg dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die EU-Erweiterung darf keine Geheimnisse vor der Bevölkerung beinhalten. Ich glaube, man sollte daher im Vorfeld, während der Verhandlungen – wir werden gerade in der schwedischen Präsidentschaft in die Verhandlungen eintreten – die Sorgen der Bevölkerung einfließen lassen. Und dazu scheint mir diese Österreich-Plattform eigentlich das geeignete Mittel zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen sagen, dass zum Beispiel schon morgen der kroatische Außenminister nach Österreich kommt. Auch bei diesem Besuch wird der Schwerpunkt eine EU-Annäherung sein. Ich glaube, wir sollten alles tun, um eben als ein Land im Zentrum Europas diese geostrategische Position tatsächlich zu nützen und auch die Länder an die Union heranzuführen, die derzeit noch nicht im Kandidatenstatus sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen auch sagen, dass mich die österreichischen Botschaften während dieser schwierigen Zeit wirklich ausgezeichnet unterstützt haben in diesem Kampf für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Ich habe die österreichischen Botschaften gebeten, zusammen mit mir neue Strategien zu überlegen – ich habe eine ganze Reihe von Ideen –, vor allem auch einen Dialog mit der Bevölkerung Europas, den ich während der Sanktionen ja geführt habe, weiterzuführen. Wir müssen klar das Österreich-Bild ins Ausland tragen, und ich ersuche Sie alle, daran mitzuwirken. Wir müssen innenpolitische Kritik im Inneren austragen, aber nach außen hin müssen wir gemeinsam denken, reden und handeln. Das tun die anderen auch, und das erwarte ich mir ebenso von Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen auch sagen, dass unsere ersten sehr positiven Gespräche in New York schon Früchte getragen haben. Tatsächlich ist die erste österreichische Kandidatur seit der Aufhebung der Sanktionen schon von allen anderen 14 unterstützt worden. Es ist die Kollegin Schneebauer im Ersten Komitee der UNO-Generalversammlung. Also auch hier kann ich wieder Normalität ansagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da ich heute sehr wenig Zeit habe, darf ich nur noch eines sagen: Es bleibt uns noch ein zweites halbes Jahr für den OSZE-Vorsitz. Der OSZE-Vorsitz, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat uns enorm geholfen, weil ich mich aktivst eingesetzt habe, die österreichische Position im Ausland darzustellen, und ich werde selbstverständlich hier weiterarbeiten. Sie sollen wissen, dass am 24., also an diesem Sonntag, Wahlen in Jugoslawien stattfinden, die von der OSZE zwar nicht offiziell beobachtet werden können, die aber von uns durch unsere Botschaft in Belgrad sehr wohl koordiniert mit dem französischen EU-Vorsitz beobachtet werden. Ich glaube, das ist eine große Rolle für Österreich, und hier wird die internationale Gemeinschaft bereits wieder auf uns blicken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur noch ein paar ganz wesentliche Punkte – ich weiß, meine Zeit ist abgelaufen. Ich vergesse nicht die Kulturpolitik, ich vergesse nicht die Entwicklungspolitik, aber heute werde ich nicht im Detail darauf eingehen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. – Bitte.

13.06

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Abgeordnete! Es ist sicherlich nicht die Aufgabe einer Regierungskoalition, der Opposition das Leben leicht zu machen, aber dass Sie es uns, obwohl die Frau Außenministerin sogar von der österreichischen Plattform spricht, selbst in Kleinigkeiten so schwer machen wie heute, in einem Moment, in dem es um eine gemeinsame Linie ginge, das verstehe ich wirklich nicht.

Der Herr Bundeskanzler bringt eine Erklärung, die Frau Vizekanzlerin bringt eine Erklärung, und zwar in einem bedeutenden Moment für Österreich, und gerade in diesem Moment wird von der langjährigen Praxis abgegangen, dass die Opposition den Text der Erklärung vorher zu sehen bekommt. In nebensächlichen Fragen geschieht es, aber in dieser wichtigen Frage der österreichischen Innen- und Außenpolitik, in diesem entscheidenden Moment, da wird es gestrichen. Es geht um einen Bericht der Weisen, es geht um das Kommuniqué der Vierzehn, das die französische Präsidentschaft übermittelt hat. Es wird davon gesprochen, dass das ein ganz besonderer, ein ganz entscheidender Moment ist, ein ganz besonderes Dokument.

Meine Damen und Herren! Schauen Sie in Ihren Fächern nach, was wir alles an Berichten, an Papier, bis hin zu Nebensächlichkeiten, offiziell in diesem Parlament zugemittelt erhalten. Weder der Bericht der Weisen noch das Kommuniqué der Vierzehn – so entscheidend, sagen alle – wird diesem Hause offiziell zugemittelt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic. )

Meine Damen und Herren! Abgeordneter Khol sagt dann noch, es sei ganz wichtig, dass eine gemeinsame Haltung gefunden wird, und er hat dazu einen Entschließungsantrag vorbereitet. Aber selbst diesen Entschließungsantrag, von dem er sagt, er sei so bedeutend, verfasst er so spät oder zeigt ihn uns nicht, damit ja sichergestellt ist, dass wir nicht zustimmen können.


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Wenn das die Gemeinsamkeit ist, die Sie wollen auf der Regierungsbank und in Ihren Bänken, wenn das die Gemeinsamkeit ist – bitte schön, das ist nicht der Weg, wie Sie die Opposition und andere dazu bringen werden, gemeinsam mit Ihnen vorzugehen.

Wir werden es dennoch in vielen Fragen tun, weil wir es diesem Lande schuldig sind, aber alle sollen wissen, dass Sie alles unternehmen, damit es in dieser Frage nicht wirklich zu einem gemeinsamen Vorgehen und zu einer gemeinsamen Linie kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit Ausnahme der letzten 10 Minuten in dieser Debatte ist von Ihrer Seite vor allem darüber gesprochen worden, welche Fehler die EU gemacht hat, welche Fehler die Vierzehn gemacht hatten, welche Fehler die Opposition gemacht hat, wie sich die EU in Zukunft ändern muss, was sich bei den Beitrittskandidaten ändern muss, die Frage aber, was mit uns selbst ist, was wir zu tun haben, wurde weder gestellt noch beantwortet.

Aber das ist doch das Entscheidende! Darum sollte es doch gehen. Was sollen die anderen tun – einverstanden –, wie soll sich die EU entwickeln – einverstanden –, aber was können und werden und sollen auch wir als Österreicher tun? Die wirklich entscheidende Frage ist: Wie geht es weiter für unser Land? Wie werden wir die in Europa entstandenen Schäden beseitigen können? Wie werden wir Vertrauen wieder aufbauen? Wie werden wir uns präsentieren, um zu einer verstärkten, erneuerten Zusammenarbeit mit uns einzuladen?

Es wird nicht genügen, dass man, wie es geschehen ist, ausländische Staatsoberhäupter oder Schröder oder Fischer weiter beleidigt, um die größte außenpolitische Isolation seit Bestehen der Zweiten Republik endgültig zu bewältigen, es wird anderer Anstrengungen bedürfen. Um eine rasche Normalisierung der Beziehungen mit der internationalen Staatengemeinschaft zu erreichen und das Ansehen Österreichs in Europa und in der Welt wieder herzustellen, werden gezielte innen- und außenpolitische Maßnahmen erforderlich sein.

Wir sind hier zu einer Zusammenarbeit bereit, auch wenn Sie es uns so schwer machen, und deshalb bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Peter Schieder und Genossen betreffend außenpolitische Strategie zur Beendigung der außenpolitischen Isolierung Österreichs

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien eine außenpolitische Strategie zu erarbeiten, um eine rasche Normalisierung der Beziehungen mit der internationalen Staatengemeinschaft zu erreichen und das Ansehen Österreichs in Europa und in der Welt wiederherzustellen.

*****

Meine Damen und Herren! Ich glaube, die schwarz-blaue Regierungskoalition befindet sich in einem Dilemma. Einerseits sind Sie zu Recht froh, dass die Maßnahmen weg sind, andererseits würden Sie gerne ihre innenpolitische Doppelnebenwirkung beibehalten: dass Sie damit nämlich erstens eine Solidarisierung erreichen und zweitens der Vorhang, der wehende Nebelschleier, der Paravent erhalten bleibt, hinter dem Sie ungestört Ihre innenpolitischen, sozialabbauenden Maßnahmen setzen können.

Ich habe den Verdacht, am liebsten wäre es Ihnen, neben der Wallfahrt mit Dankgottesdienst, die Sie durchgeführt haben – Rauscher hat im "Standard" vielen Österreichern aus dem Herzen gesprochen, als er schrieb: "Vergebt uns unsere frevelhafte Hoffart! Wir haben geglaubt, eine Regierung müsste rationale Außenpolitik machen, statt die Aufhebung von Sanktionen zu feiern wie das Ende einer mittelalterlichen Pestepidemie"(Abg. Schwarzenberger: Machen Sie sich nicht über die Wallfahrt lustig! Das steht Ihnen nicht zu!)  –, am liebsten wäre es Ihnen also, so


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mein Verdacht, wenn Sie zur ewigen Erinnerung und zum alltäglichen Gebrauch gegen Ausland, Opposition und gegen die Sanktionen und die Beendigung derselben auch noch quasi eine zweite Pestsäule am Graben errichten könnten – Glaube besiegt die Pest –, um alle jederzeit daran erinnern zu können, wenn Sie es innenpolitisch haben wollen.

Die Sanktionen sind Gott sei Dank fort. Sie wollen eine Strategie verfolgen, dass die Nebenwirkungen für Blau-Schwarz weiterhin bleiben. Und das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die unterste Ebene zur Aufrechterhaltung des Erinnerns an die Sanktionen war der Versuch Jörg Haiders, die Diplomaten schlecht zu machen. Sie haben es alle gehört, Sie haben es alle gelesen. Er hat von der geringen Bereitschaft gesprochen und davon, dass Mut und Entschlossenheit fehle. (Ruf bei der FPÖ: Geh, hör auf! – Abg. Haigermoser: Hören Sie doch zu jammern auf!) Und er hat dann noch nachgelegt am 18. September in dem Interview im "Format" – lesen Sie es nach! –, in dem er die österreichische Diplomatie als nicht leistungsfähig bezeichnet hat. (Abg. Jung: Nicht die Diplomatie, aber einige Diplomaten! – Abg. Haigermoser: Keine Pauschalverurteilungen!)

Diese ungerechtfertigte Pauschalkritik ist aus unserer Sicht unzutreffend und daher entschieden zurückzuweisen. (Beifall bei der SPÖ.) Gerade Österreichs Diplomaten haben in den letzten Monaten unter sehr schwierigen Bedingungen versucht, Schaden für Österreich abzuwenden (Abg. Jung: Meinen Sie damit die Inseratenkampagne?), und es ist sicherlich nicht leicht, für Österreich zu agieren, wenn Äußerungen in der Diktion der NS-Zeit und so weiter kommen.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, bringen wir hiezu folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schieder, Dr. Josef Cap und Genossen betreffend ungerechtfertigte Pauschalkritik an Österreichs Diplomaten

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die an Österreichs Diplomaten geäußerte Pauschalkritik zurückzuweisen und in diesem Zusammenhang die Bemühungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des diplomatischen Dienstes im Interesse unseres Landes ausdrücklich anzuerkennen.

*****

Ihr zweiter Versuch, diese Nebenwirkungen oder diese innenpolitischen Wirkungen, also dieses Theater am Leben zu erhalten, ist auch heute wieder erfolgt, als Sie hier versuchten, die besonders schädliche Rolle der Sozialdemokraten oder der Sozialistischen Internationale darzustellen. Als der letzte Redner hier von der Sozialistischen Internationale und von den Funktionen sprach, habe ich mir gedacht, es wird ja noch so weit kommen, dass Sie sagen: Schuld trifft den Präsidenten der Sozialistischen Internationale und seine zwei Vizepräsidenten Chirac und Aznar. Dieses sozialistische Trio hat das alles in der Welt gegen Sie zustande gebracht.

Aber merken Sie nicht, wir haben hier nichts zu fürchten. Denn wenn Sie es wirklich hätten aufklären wollen, hätten Sie damals schon mit uns den Antrag beschlossen, dass ein Untersuchungsausschuss kommt: Aufklärung aller Umstände, die zu dieser Reaktion der 14 anderen EU-Mitgliedstaaten und weiterer Staaten geführt haben, und Aufklärung betreffend den jeweiligen Informationsstand der ehemaligen und gegenwärtigen Mitglieder der Bundesregierung. Da hätten Sie es ja aufklären können. Sie wollten es aber nicht wirklich aufklären, sondern Sie wollten das benutzen. Sie wollten es als Mittel einsetzen.

Und wenn Sie das schon innenpolitisch tun – was nicht in Ordnung ist und nicht fair uns gegenüber –, bedenken Sie doch bitte, da ziehen Sie wieder ausländische Staatsoberhäupter hinein,


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da halten Sie das auch im Ausland am Kochen. Das wird für unser Land nicht gut sein. Hier setzen Sie eine Politik fort, die nicht von Nutzen für unser Land ist.

Doch das Wichtigste ist jetzt, alles zu unternehmen, damit unser Land die Schäden beseitigt und aus dem Schaden klug wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pilz. )

13.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Die beiden vom Abgeordneten Schieder vorgetragenen Entschließungsanträge sind ausreichend unterstützt und stehen daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Zernatto. – Bitte.

13.18

Abgeordneter Dr. Christof Zernatto (ÖVP): Herr Präsident! Frau Außenministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich schätze Herrn Abgeordneten Schieder wirklich als einen jener, die die Gemeinsamkeit gerade in außenpolitischen Aktivitäten nicht nur predigen, sondern auch leben. Wenngleich das Bemühen der Fairness in diesem Zusammenhang, gerade was dieses Thema der Sanktionen anlangt, möglicherweise ein bisschen überzogen ist, möchte ich doch darauf hinweisen, dass Gelegenheit zu dieser Gemeinsamkeit in hohem Maße gegeben ist.

Der Entschließungsantrag, der von den Regierungsparteien heute hier eingebracht wurde, enthält im Wesentlichen genau jene Punkte, die auch in Ihren Entschließungsanträgen enthalten sind, und ich kann daher nur darum ersuchen, den Weg der Gemeinsamkeit durch Unterstützung dieser Entschließungsanträge zu gehen; vor allem auch, was eine entsprechend positive Bewertung der Mitarbeiter im diplomatischen Dienst anlangt, denn gerade in Punkt 2 des Entschließungsantrages heißt es expressis verbis, die Umsetzung der in der Präambel und im Regierungsprogramm festgehaltenen Ziele und Maßnahmen entsprechend voranzutreiben und die zuständigen Bundesminister und ihre Mitarbeiter dabei zu unterstützen, sei eine dieser gemeinsamen Aufgaben. – Daher meine ich, dass hier die Gemeinsamkeit sichtbar werden könnte.

Nun aber zurück zum eigentlichen Thema dieser heutigen Debatte. Es war vorhin auch von einer "Pestsäule" die Rede, die manche, so hieß es, zur Erinnerung an diese Sanktionen errichten wollen.

Meine Damen und Herren! Es wird keiner Pestsäule bedürfen, damit diese Sanktionen in Erinnerung bleiben – leider!, sage ich dazu, denn, meine Damen und Herren, es war tatsächlich in der Geschichte der europäischen Integration einmalig und erstmalig, dass es zu einer solchen Vorgangsweise von Mitgliedstaaten gegen einen anderen Mitgliedstaat gekommen ist. Und ich sage Ihnen ganz offen – es war ja heute sehr viel davon die Rede, welche unterschiedlichen Positionen die Parteien von Opposition oder Regierung hier eingenommen haben –: Die wirklich Betroffenen waren – neben unserer Bundesregierung – die Bürger unseres Landes!

Meine Damen und Herren! Ich persönlich habe so etwas wie ohnmächtigen Zorn empfunden, als diese Sanktionen, diese Maßnahmen gegen Österreich verhängt wurden. Und ich muss Herrn Van der Bellen in dem Punkt dezidiert widersprechen, dass diese Maßnahmen sich ja ausschließlich gegen die Regierung gewandt haben.

Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns nur kurz daran zurück, dass immerhin 33 gemeinsame Kultur- und Wissenschaftsveranstaltungen im Zuge dieser Sanktionen abgesagt wurden, dass sechs SOKRATES-Programme in Frage gestellt wurden und dass die erste Welle der Isolation sogar einige Jugendgruppen, Schulklassen und Studenten getroffen hat, als man angedroht hat, Austauschaufenthalte, die vereinbart worden waren, zu stornieren. Das hat sich nicht gegen die Regierung Österreichs gewandt, sondern ganz konkret und dezidiert gegen Bürger unseres Landes!

Meine Damen und Herren! Das ist es ja, was mir in diesem Zusammenhang solche Sorgen macht – gerade im Zusammenhang mit meiner tiefsten Überzeugung, dass es notwendig und


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wichtig ist, dass der Integrationsprozess in Europa weitergeht. Diese Sanktionen haben natürlich Österreich, haben natürlich diese Bundesregierung getroffen, aber sie haben in mindestens demselben Maße auch die Idee des gemeinsamen Europa getroffen, und das ist es, was mir dabei so weh getan hat. Denn, meine Damen und Herren, wir haben die österreichischen Bürger im Rahmen der Beitrittsüberlegungen und Beitrittsverhandlungen mit viel Mühe – das muss man dazusagen – und viel Aufwand davon überzeugt, dass es wichtig und sinnvoll ist, dass Österreich Mitglied dieser Union wird, dass es wichtig und notwendig ist, dass wir dabei sind, wenn dieses gemeinsame Europa geschaffen wird.

Diesen Bürgern haben wir damals gesagt, gerade wir als kleines Land werden einen besonderen Nutzen daraus ziehen, dieses Europa letztendlich in einem Gesamtkontext mit den großen europäischen Staaten gemeinsam gestalten zu können. Wir haben die Ängste damals sehr ernst genommen und dahin gehend argumentiert, dass sich niemand davor fürchten müsse, dass es irgendwann einmal zu einer Infragestellung der Eigenständigkeit unseres Landes im Bereich der Mitgliedschaft bei der Europäischen Union kommen werde.

Meine Damen und Herren! Die diffusen Ängste der Bevölkerung haben in diesen Sanktionen eine faktische Bestätigung gefunden. Deshalb war mein Zorn auch so groß: weil ich mich selbst missbraucht gefühlt habe, weil ich selbst das Gefühl gehabt habe, dem Bürger mit dem Brustton der Überzeugung etwas gesagt zu haben, was dann der politischen Realität nicht standgehalten hat.

Da ist viel passiert, liebe Freunde! Da ist ungeheuer viel passiert, vor allem, was das Bewusstsein der österreichischen Bürger im Sinne der Weiterentwicklung des gemeinsamen Europa anlangt. Wir müssen jetzt sehr viel gemeinsam tun, damit das, was da an Porzellan zerschlagen wurde, auch tatsächlich wieder beseitigt beziehungsweise gekittet werden kann. Und es wird in diesem Zusammenhang – Kollege Spindelegger hat richtigerweise darauf hingewiesen – ganz besonders wichtig und notwendig sein, im Sinne der Institutionenreform, im Sinne der Stärkung und Sicherung der Rechte der kleinen Länder in der Europäischen Union, die Ängste und Sorgen der Bevölkerung jetzt noch viel ernster zu nehmen, diese Sorgen und Ängste auch in die politischen Diskussionen hineinzutragen und die notwendigen harten Maßnahmen, die sich dann und wann sicherlich ergeben werden, auch gemeinsam zu tragen.

Trotzdem möchte ich meine zu Ende gehende Redezeit auch dazu nutzen, dem Regierungsteam unter Wolfgang Schüssel, der Vizekanzlerin und der Außenministerin ganz, ganz herzlich dafür zu danken, dass sie in einer Phase, in der sie sicher von dem gleichen Zorn erfüllt waren, in der viele möglicherweise etwas drastischere Worte gefunden hätten, dass sie in dieser Phase mit Festigkeit, aber auch Besonnenheit den richtigen Ton gefunden haben.

Die Vorgangsweise und die Reaktion dieser Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel war letztlich die Grundlage dafür, dass der Bericht der Weisen – ich nenne sie hier der Einfachheit halber noch einmal so – so positiv ausfallen konnte und dass dieser Bericht letztlich im Kernsatz, der heute sehr wenig diskutiert wurde, nahezu ultimativ die Aufhebung der Sanktionen verlangt hat – nicht weil diese kontraproduktiv sind, was den weiteren oder möglichen Aufstieg der FPÖ anlangt, sondern weil sie kontraproduktiv waren, was die weitere Integration in Europa anlangt! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Richtig!)

Das ist heute mein Appell: dass wir gemeinsam daran arbeiten, dass sich die diesbezügliche Sorge der Weisen nicht bewahrheitet! – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dolinschek. )

13.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

13.26

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren im Hohen Haus und auf der Galerie! Herr Abgeordneter Zernatto, Sie haben gerade gesagt, dass der Bericht der so genannten drei Weisen über


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raschenderweise – so habe ich es zumindest verstanden – vor allem positiv ausgefallen ist. – Ich denke, wir haben heute schon einiges darüber gehört. Wir wissen, dass das zwar in der Interpretation Ihrer Partei und auch der Freiheitlichen Partei sehr wohl so dargestellt wird, meinen aber, dass das nicht ganz dem Text dieses Berichtes entspricht.

Frau Ministerin! Wenn Sie etwa in der "Pressestunde" gesagt haben, dass Sie hoffen, dass in Europa jetzt wieder normalisierte Verhältnisse einkehren, dann möchte ich das zwar auch unterstützen, aber ich möchte darauf hinweisen, dass auch in der heutigen Debatte von Ihrer Seite aus, von Seiten der Regierungsfraktionen und auch von Seiten des Bundeskanzlers und der Vizekanzlerin nicht wirklich darauf eingegangen wurde, was denn die Ursachen dafür waren, dass es überhaupt einen solchen Bericht dieser so genannten drei Weisen geben musste. Sie wollen nicht wahrhaben, dass dieser Vertrauensbruch in Europa, der aufgrund der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei stattgefunden hat, nicht wieder gekittet ist und dass es da sehr wohl einiger Maßnahmen bedarf, die unser Bundessprecher Van der Bellen bereits genannt hat, um dieses gebrochene Vertrauen in Europa wieder zu kitten und wieder herzustellen.

Frau Bundesministerin! Wenn Sie sagen, wir müssen jetzt die Österreichpolitik ins Ausland tragen, dann muss ich darauf hinweisen, es ist zuerst einmal notwendig, dass im Inland noch einiges passiert! Aber das habe ich von Ihnen heute nicht gehört, und ich befürchte, es wird auch nicht mehr kommen. Das Fernsehen ist auch schon weg. Das wird wahrscheinlich nicht mehr kommen. Es wäre eine Überraschung gewesen, wenn Sie auf die wahre Ursache des Vertrauensbruches in Europa eingegangen wären.

So lange Sie die im Weisenbericht als "radikale Elemente der FPÖ" zitierten Mitglieder der Freiheitlichen Partei wie etwa den Kärntner Landeshauptmann im Koalitionsausschuss sitzen haben ... (Abg. Mag. Schweitzer: Wie würden Sie Voggenhuber bezeichnen?! Was ist Voggenhuber für ein Element?!)

Ich wundere mich, Frau Bundesministerin, warum Sie Ihr Gewicht bei den Sitzungen des Ministerrates oder im Koalitionsausschuss nicht stärker einbringen und sagen: Mit einem Kärntner Landeshauptmann Haider, der sich für seine Aussagen in der Vergangenheit und Gegenwart nicht wirklich ernsthaft entschuldigt hat, der das nicht wirklich zurückgenommen hat, mit dem können wir dieses Vertrauen in Europa nicht wieder herstellen! Da muss sich etwas ändern, er muss hinaus aus dem Koalitionsausschuss!

Da sollte er aber auch nicht mehr Kärntner Landeshauptmann sein, denn im Rat der Regionen innerhalb der EU ist er auch vertreten, und das stellt das Vertrauen in Österreich und in die österreichische Außenpolitik nicht wieder her.

Ich wundere mich, Frau Ministerin, warum Sie sich auch in der Vergangenheit nicht stärker eingebracht haben, etwa in Punkten, bei denen ganz klar war, dass Sie nicht der Meinung einiger Kollegen der Freiheitlichen Partei waren, zum Beispiel beim Thema Volksbefragung, die ja heute wieder abgesagt wird, oder zum Beispiel bei diesem Trauerspiel im Sommer rund um Ihren Erweiterungsbeauftragten Busek. Warum bringen Sie sich da nicht stärker ein? – Das schwächt Sie, und das schwächt die österreichische Außenpolitik!

Ist es so, dass es auch deswegen eine Wallfahrt des ÖVP-Klubs, der Minister, nach Mariazell geben musste, damit Sie sich dort für das Ende der Sanktionen bedanken und mit der himmlischen Unterstützung wieder etwas Abstand zur harten Realität auf Erden erhalten und sich von dort die Kraft holen? Brauchen Sie dazu die Wallfahrt? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Ihre Leute pilgern nach Moskau!)

Lieber wäre mir, Sie würden reale Konzepte für eine Außenpolitik ... (Abg. Dr. Khol: Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen: Wir gehen nach Mariazell, und Sie identifizieren sich mit dem Teufel! – Abg. Schwarzenberger: Joschka Fischer zitiert den Teufel!)

Mit dem Teufel? Das meinen Sie wohl nicht ernst? Das ist wohl nicht wirklich Ihre Meinung. – Nun gut. Zurück zur Außenpolitik.


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Herr Klubobmann Khol! Nachdem es geheißen hat, die Volksbefragung brauchen wir jetzt nicht mehr, gibt es nun einen Entschließungsantrag – einen Entschließungsantrag, in dem fünf von sechs Fragen, die in Ihrem Volksbefragungsantrag drinnen waren, jetzt wieder enthalten sind und in dem zum Beispiel auch steht, dass die Volksbefragung geplant war, denn man wollte ja die Meinung des Wahlvolkes für die Positionen Österreichs bei den bevorstehenden Verhandlungen über die Reform der Verträge der Europäischen Union einholen.

Es wundert mich also schon sehr, warum Ihnen jetzt ein einfacher Entschließungsantrag genügt. (Abg. Dr. Khol: Das steht drinnen! Lesen Sie!)

Damals haben Sie gesagt, wir brauchen die Volksbefragung. (Abg. Dr. Khol: Weil man die Regierung als Gesprächspartner abqualifiziert hat!) Wir haben schon damals gemeint, Sie wollen die Volksbefragung nur, um die Menschen aufzuwiegeln, um die Stimmung gegen die EU zu schüren und um die Stimmung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Wir haben gemeint, dass es Ihnen nicht wirklich darum gegangen ist, die Meinung der Bevölkerung zur Regierungskonferenz und zu den anderen Punkten, die vorliegen, einzuholen.

Das, was Sie jetzt machen, indem Sie einen simplen Entschließungsantrag einbringen, dient doch nur dazu – seien wir doch ehrlich! –, sich aus der Falle herauszuschwindeln, in die Sie sich mit der Volksbefragung gebracht haben. Wir werden diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen. (Abg. Jung: Überraschung!)

Frau Bundesministerin! Wenn Sie sagen, Sie wollen jetzt eine neue Initiative starten, man muss in die Zukunft blicken, dann stimme ich Ihnen schon zu. Natürlich braucht es jetzt, wie Kollege Schieder auch schon gesagt hat, eine rationale Außenpolitik. Aber wo sind denn die Konzepte? Die Bekenntnisse alleine und die Wunschvorstellungen nach einer österreichischen Plattform – ich habe nicht genau verstanden, was Sie sich darunter vorstellen –, die Bekenntnisse, die Wünsche sind für eine Außenpolitik nicht genug.

Wo sind denn die Antworten auf die Fragen, was zum Beispiel das Atomkraftwerk Temelin betrifft, das in zwei Wochen ans Netz gehen soll? Was sagen Sie denn den Österreicherinnen und Österreichern, die diesbezüglich besorgt sind? Was sagen Sie ihnen? (Abg. Mag. Schweitzer: Begehung! Begehung!)

Welches Angebot haben Sie an die Slowakei bezüglich Bohunice? Welche Ausstiegshilfen sind da geplant? Da gebe ich schon zu, es war schon auch die vorhergehende Regierung, die da Fehler gemacht und geschlafen hat. Aber wo sind denn die realen Konzepte?

Wo sind die Vorschläge Österreichs an die Europäische Union, wie man den Aufbau der Zivilgesellschaft, der Demokratien in den Ländern Mittel- und Osteuropas unterstützen will? Wo haben Sie die konkreten Vorschläge? – Diese sehe ich nicht von Ihnen, auch nicht in Bezug auf die Institutionenreform.

Dass Österreich einen Kommissar oder eine Kommissarin behalten will, ja gut, das sagen wir alle, aber da soll es doch mehr geben. Wo sind die Konzepte für eine Institutionenreform, die ein erweitertes Europa braucht?

Noch eine Frage zur Erweiterung. Sie haben eine strategische Partnerschaft mit den Ländern Mittel- und Osteuropas vorgeschlagen. Mit wem stimmen Sie das dann ab? Mit Ihrem mittlerweile fast als privat zu bezeichnenden Regierungsbeauftragten Dr. Busek oder mit dem "Herrn Osterweiterungsexperten", der in Klagenfurt sitzt? Welcher der beiden ist es nun, der Sie berät? (Beifall bei den Grünen.)

Dazu fehlen die klaren Konzepte, wie Sie aus der außenpolitischen Isolierung herausfinden wollen. Mit dem Osterweiterungsexperten in Klagenfurt werden wir nicht weit kommen, denn ... (Abg. Schwarzenberger: Aber mit der Außenministerin fahren wir gut!)  – Mit der Außenministerin alleine? Aber die Konzepte fehlen mir hier. Sie sind auch heute nicht dargelegt worden.


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Frau Ministerin! Ich wünsche mir von Ihnen, dass Sie Ihr Gewicht in die Regierung einbringen, damit es wirklich möglich ist, hier Außenpolitik zu machen und nicht immer nur auf irgendwelche Zurufe von außen zu reagieren. Wir können dem Entschließungsantrag von Ihnen nicht zustimmen, denn das ist ein reines Ablenkungsmanöver. Worum es gehen muss, dafür braucht es Konzepte in der Außenpolitik, aber diese haben wir heute nicht gehört. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Gatterer. )

13.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

13.35

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Oppositionsredner haben sich heute darüber beschwert, dass Jörg Haider die Ursache für die Verhängung dieser Unrechtssanktionen gewesen ist, aber keiner von ihnen hat sich mit der Frage beschäftigt, warum er dann, wenn er quasi der Angeklagte war, von den Richtern nicht gehört wurde.

Ich glaube, da wurde gegen ein ganz wesentliches Prinzip jeder rechtsstaatlichen Ordnung verstoßen: Man sucht sich einen Angeklagten, aber man hört ihn nicht! Dafür lässt man aber eine ganze Heidelberg-Prozession zu den Weisen pilgern, um genau diesen "Angeklagten" – unter Anführungszeichen – und seine so erfolgreiche Partei noch einmal anzuschwärzen, damit man genau das auch in den Bericht hinein bekommt, wie das Kollege Ofner bereits ausgeführt hat. Er hat das sehr treffend analysiert, und ich gebe ihm völlig Recht. So ist es gelaufen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Ich habe mich am Wochenende – ich will mich nun der künftigen Politik zuwenden – sehr genau über das informiert, was Sie in der "Pressestunde" gesagt haben. Sie haben auch davon gesprochen, dass es durchaus Sinn macht, die Erweiterung zu beschleunigen. Ich verstehe das schon. Allerdings muss ich auch sagen, es ist relativ schwierig, eine Erweiterung zu beschleunigen, wenn der Motor stottert. Es ist für mich eindeutig, dass dieser institutionelle Motor – und ich glaube, da sind wir einer Meinung – der Europäischen Union gewaltig stottert, und zwar bereits seit längerer Zeit, aber eine Reparatur ist offensichtlich noch immer nicht in Sicht.

Dazu haben außerdem die Vierzehn mit den zu trauriger Berühmtheit gelangten Sanktionen noch ordentlich Sand ins Getriebe gestreut. Das heißt, das Vehikel der Europäischen Union braucht eine Generalsanierung, Frau Bundesministerin! Da ist ein Generalservice angesagt, bevor es zu einer Erweiterung kommt, denn diese Erweiterung ist eine gewaltige Herausforderung, sowohl quantitativ als auch qualitativ: Zwölf konkrete Beitrittsländer stehen vor der Tür mit mehr als 100 Millionen Menschen. Das Bruttoinlandsprodukt liegt bei 77 der 89 Regionen unter 50 Prozent des EU-Durchschnitts, Einkommen und Kaufkraft liegen entsprechend tiefer.

Wir wissen, dass die mittel- und osteuropäischen Länder beim Aufbau funktionsfähiger Marktwirtschaften nicht so rasch vorangekommen sind, wie wir es allgemein erwartet haben. Laut SPD-Studie, die beim Friedrich-Ebert-Institut in Auftrag gegeben wurde, konnten die Vortrittsbeihilfen gar nicht zur Gänze in Anspruch genommen werden, weil die Kofinanzierung nicht aufgebracht werden konnte.

Das heißt also, bis diese Länder tatsächlich beitrittsreif sind, ist noch sehr viel Geld notwendig. Und woher soll dieses Geld kommen? Eine Finanzierung ist nur dann realistisch, wenn vorher die Struktur- und die Agrarpolitik grundlegend reformiert werden. Eine zusätzliche finanzielle Belastung der Nettozahler kann aufgrund der angespannten Budgetsituationen nicht verlangt werden, Frau Bundesministerin!

Wir haben heute die österreichische Situation bereits ausführlich diskutiert und werden das weiter tun. Österreich können wir nicht mit noch mehr Beitragszahlungen belasten! Daher werden wir – und ich hoffe, die gesamte Bundesregierung – im Rahmen der Beitrittsverhandlungen besonders darauf zu achten haben, dass die österreichischen Interessen nicht zu kurz


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kommen, nämlich bezüglich Erhaltung der Souveränität des Landes, Schutz und Freiheit der Bürger und Sicherheit für die Bürger.

Frau Bundesministerin! Unsere Verpflichtung – und das sage ich sehr bewusst – ist es auch, die wirtschaftlichen, die politischen und die kulturellen Interessen der Bürger unseres Landes zu vertreten, und zwar sehr selbstbewusst zu vertreten, insbesondere dann, wenn es sich – ich nenne einige Beispiele – um unsichere Atomkraftwerke an unserer Grenze handelt, wie zum Beispiel Temelin und Krško. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Lunacek! Wir haben – und Frau Kollegin Glawischnig hat ja dabei mitgeholfen – mit einer tschechischen Delegation durchaus einen Verhandlungserfolg erzielt. Es wird auf alle Fälle mit Experten einen Walk-down in Temelin geben, bevor überhaupt an eine Inbetriebnahme gedacht wird! – Das nur als kleine Erfolgsmeldung der Bemühungen des Umweltausschusses in der letzten Woche. Das hätten Sie durchaus würdigen können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unsere Forderung: kein Abschluss des Energiekapitels, wenn unsichere AKW in Betrieb gehen sollten, bleibt aufrecht, Frau Kollegin Lunacek, genauso, Frau Bundesministerin, wie die Forderung nach Beseitigung der Unrechtsdekrete von Beneš beziehungsweise der Beschlüsse von AVNOJ aufrecht bleibt. Dies ist, Frau Bundesministerin – das möchte ich klar und deutlich sagen – nicht eine rein österreichische Sache, hier ist die Union gefordert. Diese Bestimmungen, die heute noch Gültigkeit haben, stellen – ich glaube, darin sind wir uns einig – schwer wiegende und noch immer anhaltende Verletzungen der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der demokratischen Grundsätze dar. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Davor, Frau Bundesministerin, kann und darf die Union die Augen nicht verschließen, weil sie doch im Rahmen des Europäischen Rates von 1993 in Kopenhagen folgende Voraussetzungen für den Beitritt in die Gemeinschaft festgelegt hat: Als Voraussetzung – ich zitiere – für die Mitgliedschaft muss der Beitrittskandidat demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten verwirklicht haben.

Damit ist die Gemeinschaft gefordert, das ist keine bilaterale Angelegenheit, Frau Bundesministerin! Das ist Aufgabe der Gemeinschaft laut den Kopenhagener Beschlüssen von 1993. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dritter und letzter Punkt, Frau Bundesministerin: Ein besonderes Augenmerk werden wir auch auf die Auswirkungen der Erweiterung auf den Arbeitsmarkt legen müssen. Die Sorgen und Ängste der Arbeitnehmer, insbesondere in den Grenzregionen, sind von uns ernst zu nehmen. Ich komme aus einer Grenzregion aus dem Burgenland. Diese Grenzregionen werden einem besonders starken Anpassungsdruck ausgesetzt sein, Frau Bundesministerin!

Viele Menschen, mit denen ich rede, haben das Gefühl zu verlieren, wenn wir nicht aufpassen. Viele haben das Gefühl, dass ihr Arbeitsplatz wackelt, dass vor allem Pendler die Löhne drücken könnten. Die Befürchtungen sind begründet, wie wir beide wissen. Ich habe Ihr Papier gelesen, in dem von einem Migrationspotenzial in der Höhe von 700 000 die Rede ist. Davon wollen 150 000 nach Österreich, und das Pendlerpotenzial entlang der österreichischen Grenze wird auf 200 000 geschätzt.

Herr Bundesminister! Diese Dinge sind ernst zu nehmen. Deshalb sagen wir Freiheitlichen Ja zur Erweiterung. Sie ist ein Friedensprojekt, aber Frieden kann nur dann herrschen, wenn die Erweiterung auch für die Österreicher sozial verträglich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

13.43

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man konnte zwar anhand der letzten Wortmeldung


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von Kollegen Schweitzer fast den Eindruck haben, dass er sich tatsächlich auf eine Sachdiskussion zu europapolitischen Themen einlassen will, der Glaube fehlt mir nur deswegen ein bisschen, meine Damen und Herren, weil das Ganze in einen Festakt der Bundesregierung zum Abfeiern der Sanktionen eingebettet worden ist, um diesen Nebelschleier immer noch einen Tag aufrechtzuerhalten (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer )  – am Tag nach der Beschlussfassung im Ministerrat, in dem neuerlich massive Kürzungen im Sozialbereich vorgenommen worden sind, in dem massive Einschränkungen etwa für jene Menschen, die befristete Arbeitsverhältnisse haben und ohnehin schon zu den Benachteiligten zählen, vorgenommen wurden, sodass sie nunmehr nicht einmal mehr eine Arbeitslosenunterstützung bekommen, wenn die Frist abgelaufen ist.

Angesichts dessen ist es natürlich willkommen, den Sanktionsschleier in die Höhe zu ziehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir glauben, dass es gut ist, dass die sogenannten Sanktionen, die Maßnahmen der anderen 14 EU-Partner vorüber sind. Wir glauben, dass es richtig ist, dass sie aufgehoben worden sind – ich habe Ihnen das schon mehrfach gesagt –, aber wir glauben unter anderem, dass es deshalb richtig ist, weil endlich dieser Schleier vor Ihrer Politik weg muss. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Jedes Mal, wenn die Gefahr droht, dass unangenehme Fragen diskutiert werden könnten, weil die Regierung etwa ein Budget 2001 vorlegt, das als ein "sozialer Kahlschlag" bezeichnet werden kann, zieht die Freiheitliche Partei schnell irgendeine Geschichte hoch, beispielsweise die Busek-Diskussion, um davon abzulenken. (Abg. Dr. Ofner: Oder ein Misstrauensantrag gegen den Justizminister!)

In der Sache selbst wollen Sie nicht über die Dinge reden, die Sie der österreichischen Bevölkerung zumuten. Dazu ist jedes Theater recht! (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich ist es Ihnen angenehm, wenn heute noch einmal im Fernsehen in aller Breite über die Sanktionen und über die angebliche Verstrickung der Sozialdemokraten gesprochen wird. Was Klubobmann Khol heute dazu gesagt hat, grenzte wirklich ans Unerträgliche, Herr Klubobmann! (Abg. Dr. Khol: Das glaube ich! Das ist ein wahres Wort!)

Sie stellen immer wieder Behauptungen auf, die durch nichts belegt sind, und stützen sich noch dazu auf einen Artikel in der "Neuen Zürcher Zeitung", in dem der Chefredakteur bestimmte Dinge geschrieben hat. Sie haben richtig zitiert, aber nicht vollständig zitiert, denn das, was er dort über Böhmdorfer geschrieben hat, sollten Sie nachlesen, Herr Klubobmann! (Abg. Dr. Khol: Nicht immer ablenken!) Dann wüssten Sie, was man von einem Minister wie Böhmdorfer in einem demokratisch verfassten Land wie der Schweiz erwartet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Kehren Sie doch endlich vor Ihrer eigenen Tür! Immer im Blickwinkel des anderen!)

Herr Klubobmann! Wir brauchen nicht vor unserer Türe zu kehren. Es gibt einen einzigen Grund, warum es die Maßnahmen der EU-14 gegeben hat, und das war die Beteiligung der Partei Jörg Haiders an dieser Bundesregierung. Das wissen Sie ganz genau. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Sie haben nichts verstanden!)

Sie haben natürlich ein Interesse daran, über diese Dinge nicht zu reden, die Sie jetzt den Österreicherinnen und Österreichern zumuten. Ich will noch einmal kurz darauf zurückkommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie etwa Studiengebühren in Höhe von 10 000 S einführen und sich in diesem Zusammenhang eine Familie vorstellen, die ein mittleres Einkommen bezieht und vielleicht zwei oder drei Kinder hat, die studieren wollen, dann frage ich Sie: Was wird passieren? – Dann wird genauso wie vor 30 Jahren, Frau Abgeordnete Bauer, das Mädchen "zufällig" nicht studieren, weil es sich die Eltern nicht leisten können, 30 000 S für ihre Kinder auf den Tisch zu legen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das ist das Problem, um das es heute geht, und nicht um das Theater bezüglich der Sanktionen, das Sie gerne aufrechterhalten hätten. (Abg. Mag. Firlinger: Herr Minister! Soweit ich mich erinnere, haben Sie das selbst in Diskussion gebracht!)

Frau Bundesministerin! Es hätte mich gefreut, wenn es heute möglich gewesen wäre, über Konzepte, die Sie für die Außen- und Europapolitik vorlegen, zu sprechen. Leider ist allerdings auch diesbezüglich die Politik in den letzten Monaten in eine Richtung betrieben worden, die es uns nicht leicht machen wird, eine den österreichischen Interessen einigermaßen entsprechende Außen- und Europapolitik zu betreiben.

Wenn diese Bundesregierung und wenn die beiden Fraktionen, die diese Bundesregierung tragen, immer nur die eigenen Gefühle im Auge haben und gleichzeitig die Gefühle der anderen, über die dabei auch gesprochen wird, völlig vernachlässigen, dann wird es nicht möglich sein, Frau Bundesministerin, Ihre Bemühungen in Bezug auf die Erweiterung und Integration und Partnerschaft mit unseren östlichen, nordöstlichen und südöstlichen Nachbarn umzusetzen. Denn diese werden mit Recht sagen: Mit einem Österreich, das uns so behandelt, wie unser Bundeskanzler anlässlich des Spazierganges entlang der slowenischen Grenze den slowenischen Staatspräsidenten behandelt hat, oder das uns so behandelt, wie im Falle Temelin Tschechen genannt worden sind und sozusagen von Österreich aus gemaßregelt worden sind, mit solchen Partnern werden wir uns jedenfalls nicht einlassen. – Daher ist es eine Schnapsidee, die Sie formuliert haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren insbesondere von den Regierungsfraktionen! Sie, die Sie so sehr mit den Gefühlen der Österreicher in Sachen Sanktionen gespielt haben, könnten eigentlich wissen, was passiert, wenn sich ein Volk angegriffen fühlt, weil es die Regierung so darstellt. Genau das ist es, was in unseren Nachbarländern, etwa in der Tschechischen Republik und in Slowenien, auch geschieht. Das sind nicht die Bedingungen, unter denen man konstruktiv Probleme, die es gibt, lösen kann.

Das sind Bedingungen, unter denen die Staaten "einen Baum aufstellen", wie wir sagen würden, und sagen: Unter den Bedingungen, dass die Österreicher Druck auf uns ausüben, werdet ihr uns kennen lernen! – Das entspricht nicht den österreichischen Interessen, und das sollten Sie in Ihrer Politik auch berücksichtigen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich ein Letztes zur Politik innerhalb der Europäischen Union und der Integrationspolitik sagen. Ich denke, es wäre angemessen, Frau Bundesministerin, wenn wir in absehbarer Zeit auch im Plenum eine ausführliche Debatte über das führen könnten, was die Bundesregierung im Rahmen der Regierungskonferenz vorhat.

Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir uns endlich darüber klar werden, was die zentralen Forderungen an die Veränderung der Institutionen und an das Vorbereiten Europas auf die Erweiterung sind.

Ich denke, wir sollten endlich klar machen, dass es primär darum geht, die Bevölkerung Europas stärker einzubinden, und zwar sowohl durch eine Stärkung des Europäischen Parlaments als auch durch die Schaffung von entsprechenden Möglichkeiten der Volksabstimmung auf europäischer Ebene. Dann hätten wir aus all den Diskussionen etwas gelernt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber in dieser Hinsicht höre ich von der Regierung nichts. – Sie werden von uns noch hören. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir haben eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung aus dem grünen Klub. – Bitte.

13.50

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich stelle den Antrag auf Anwesenheit des Herrn Justizministers und des Herrn Bundeskanzlers.


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Es wird in dieser laufenden Debatte über einen Misstrauensantrag gegen den Herrn Justizminister abgestimmt, und ich denke, bei dieser Debatte und bei der Dringlichkeit dieses Themas ist die Anwesenheit des Justizministers beziehungsweise des Bundeskanzlers erforderlich.

13.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Khol. – Bitte.

13.51

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir haben jetzt gerade Mittagspause. Wir haben für solche Fälle, dass derartige Anträge gestellt werden, in der Präsidiale schon mehrmals besprochen, dass wir in diesen Fällen einläuten, sodass die Abstimmung den wahren Willen des Hauses zum Ausdruck bringt.

Ich bitte daher, entweder drei Minuten zu unterbrechen, einzuläuten und dann abzustimmen, oder mit dem Antragsteller zu vereinbaren, dass man in 5 Minuten abstimmt, sodass also der wahre Wille des Hauses zum Ausdruck kommt. (Abg. Dr. Kostelka: Der wahre Wille ist die Mehrheit!)

Es ist nämlich nicht so, dass man einfach in diesem Haus blitzartig, wenn man sieht, dass Abgeordnete in der Mittagspause sind, nach einer Debatte, an der alle teilgenommen haben (Abg. Dr. Petrovic: Die ist ja noch nicht aus! Sind wir nichts wert?), ganz einfach überfallsartig den Antrag auf Herbeiholung eines Ministers stellt, zumal auf der Regierungsbank ohnehin ein sachlich zuständiger Bundesminister vertreten ist. (Abg. Dr. Petrovic: Das ist eine Ministerin !)

13.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster hat sich die freiheitliche Fraktion zur Geschäftsordnung gemeldet. (Abg. Dr. Petrovic: Das ist nicht die Fraktion!)

13.52

Abgeordneter Harald Fischl (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich glaube, es wäre gut, wenn wir hier eine gewisse Courtoisie leben würden, denn – ich schließe mich den Worten meines Vorredners an – wir wissen, dass die Abstimmung wahrscheinlich frühestens in einer Stunde stattfinden wird. Ich empfinde es als ein geschäftsordnungsmäßiges Manöver, das hier betrieben wird, damit man einen Minister, der möglicherweise vielleicht gerade irgendwo ist, wo jeder ab und zu hingehen muss, herbeischafft. (Abg. Dr. Petrovic: Dürfen wir vielleicht noch Anträge stellen, oder müssen wir das beantragen?) Ich denke, das ist ein reines Manöver, und ich widerspreche dem Ansinnen. (Abg. Dr. Petrovic: Das ist ein Antrag! – Abg. Gradwohl: Das heißt, die Freiheitlichen wollen, dass die Opposition keine Anträge mehr stellen kann! – Bundesminister Dr. Böhmdorfer betritt den Sitzungssaal.)

13.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Ofner. – Bitte.

13.53

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Sache überhaupt nicht dramatisieren. Es ist so, dass sich jedes Regierungsmitglied auf der Regierungsbank jederzeit durch ein anderes Regierungsmitglied vertreten lassen kann. Wenn er selbst bei der Türe hereinkommt, ist es natürlich noch besser. – Herr Bundesminister, du bist verlangt worden, du bist da. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass die Geschäftsordnung im § 59 Folgendes besagt:

"Anträge zur Geschäftsbehandlung brauchen nicht schriftlich überreicht zu werden. Sie bedürfen keiner Unterstützung und werden, sofern der Nationalrat nicht gemäß Abs. 3 die Durchführung einer Debatte beschließt, vom Präsidenten sogleich zur Abstimmung gebracht."


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Das ist die rechtliche Grundlage. Es steht der Antrag daher auch tatsächlich zur Abstimmung.

Es ist entsprechend dem Vortrag des Herrn Klubobmannes Khol richtig, dass in der Präsidiale wiederholt darüber gesprochen worden ist, wie in einem derartigen Fall vorzugehen ist. Es ist durchaus die Meinung vertreten worden, dass man gerade in bestimmten Situationen fair vorgehen soll, beispielsweise durch Einläuten, dass das aber letztendlich dem Präsidenten überlassen bleibt. (Abg. Schwemlein: Jetzt sind schon genug da, wir können schon abstimmen! Es sind schon genug da, Herr Präsident! Wir können schon abstimmen!)

Ich glaube, wir sind jetzt in einer Situation, in der auch ausreichend Zeit war, dass jene Kolleginnen und Kollegen, die sich vielleicht gerade auf Mittagspause befunden haben, die Möglichkeit haben, an der Abstimmung teilzunehmen, und ich werde daher jetzt diese Abstimmung auch vornehmen lassen.

Wer für den Antrag der Grünen auf Herbeischaffung des Ministers ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist nicht die Mehrheit. Damit hat der Antrag keine Mehrheit gefunden.

Hinsichtlich der Herbeischaffung des Herrn Ministers Böhmdorfer erübrigt er sich ohnedies, weil Herr Minister Böhmdorfer in der Zwischenzeit eingetroffen ist.

Ich setze daher in der Rednerliste fort: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Georg Schwarzenberger. – Bitte.

13.56

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube meinem Vorredner, dem Herrn Abgeordneten Einem, schon, dass er froh darüber ist, dass die Sanktionen aufgehoben sind, nur: Alle in seiner Partei dürften nicht seiner Meinung sein und schon gar nicht in der Vergangenheit seiner Meinung gewesen sein, denn ich habe eine APA-Aussendung vom 9. Mai dieses Jahres, in der wortwörtlich steht:

"Der SP-Chef ersuchte seine französischen Parteifreunde, die Sanktionen während Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2000 ,nicht zu verschärfen‘" – nicht zu verschärfen, er sagte nicht: aufzuheben! – "und ,einzelne Maßnahmen zu überprüfen‘. Als Beispiel nannte er insbesondere die Nicht-Unterstützung der Union von österreichischen Kandidaten für internationale Posten."

Das heißt, nur in wenigen Bereichen ist er für die Aufhebung der Sanktionen eingetreten, aber nicht gegenüber Österreich, gegenüber der österreichischen Regierung.

Und eines verstehe ich auch nicht, nämlich dass Einem, nachdem bisher in diesem Haus Konsens darüber herrschte, dass das AKW in Temelin nicht den europäischen Sicherheitsvorschriften entspricht, jetzt dagegen protestiert, dass von Österreich an der Grenze protestiert wird. Hier hat die SPÖ anscheinend diesen gemeinsamen Konsens, gegen die Atomkraft zu sein, verlassen.

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schwarzenberger hat das Glück, durch den Geschäftsordnungsantrag über ein für diese Tageszeit durchaus unübliches Auditorium zu verfügen. Es wäre schön, wenn wir ihm auch die nötige Aufmerksamkeit zuteil werden ließen und den Geräuschpegel etwas eindämmen würden. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Petrovic: Das haben wir extra für ihn gemacht! – Abg. Schwemlein: Dann soll er leiser reden!)

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (fortsetzend): Herr Präsident, danke für diese Unterstützung!

Nun zur heutigen Tagesordnung: Etwas mehr als sieben Monate nach Verhängung der ungerechten Sanktionen gegen Österreich können wir nun endlich über die Aufhebung diskutieren. Diese Sanktionen waren eine Demütigung für Österreich. Diese Sanktionen richteten sich nicht


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nur gegen die Regierung, denn sonst wären Maßnahmen in Bezug auf Schüleraustausch nicht gestört worden, und sonst wären unsere Botschafter zu Treffen eingeladen worden. So hat es auch die österreichische Bevölkerung verstanden.

Die Beurteilung von wirklich unabhängiger Seite nach Anhörung vieler österreichischer Politiker, auch der Opposition und der außerparlamentarischen Opposition, war nun eine klare Botschaft für ganz Europa. Ich darf die Schlussfolgerungen der drei Weisen nochmals wiederholen, und zwar steht unter Kapitel 7:

"In Übereinstimmung mit unserem Mandat und auf der Grundlage einer gründlichen Untersuchung ist es unsere wohlerwogene Auffassung, daß die österreichische Regierung für die gemeinsamen europäischen Werte eintritt. Die Beachtung insbesondere der Rechte von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern bleibt nicht hinter der anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurück. Die Rechtslage in den drei genannten Bereichen entspricht durchaus dem in anderen EU-Mitgliedstaaten angewendeten Maßstab. In manchen Bereichen, vor allem bei den Rechten nationaler Minderheiten, können die österreichischen Standards im Vergleich zu denen anderer EU-Staaten als überlegen angesehen werden."

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das ist nicht nur eine gute Beurteilung, das ist eine sehr gute Beurteilung der österreichischen Bundesregierung in all den Fragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Aber welche Folgerungen werden wir auf Grund dieser Sanktionen ziehen müssen? – Diese Folgerungen sind unter anderem im Entschließungsantrag formuliert, der von den Klubobmännern der beiden Regierungsfraktionen eingebracht worden ist und hinter dem alle Abgeordneten dieser Regierungsfraktionen stehen. (Abg. Schwemlein: No na!)

Wir wollen weiterhin – das geht auch aus diesem Entschließungsantrag hervor – am gemeinsamen Haus Europa mitbauen, das zum Ziel hat, eine europäische Friedens- und Wohlstandsunion zu schaffen. Wir wollen aber auch, dass die kleinen Staaten in ihren Rechten genauso respektiert werden wie etwa die größeren Staaten in diesem gemeinsamen Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Öllinger. – Bitte.

14.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Werter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Bundesminister! Ich bin sehr froh, dass Sie wieder an der Debatte teilnehmen, auch wenn die Regierungsparteien gegen Ihre Anwesenheit bei dieser Debatte gestimmt haben. (Abg. Dr. Ofner: Er ist schon da gewesen!)

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Lassen Sie mich auf einen Vorfall – Sie wissen wahrscheinlich auch, welchen ich meine – etwas näher eingehen. Er betrifft Sie in einer Frage, von der ich denke, dass das Parlament gut daran täte, sich mit dieser Causa noch etwas mehr auseinander zu setzen.

Den Herrn Bundeskanzler, dessen Anwesenheit ich bei dieser Debatte gewünscht hätte, hat es gerissen, als der niederösterreichische Landesparteivorsitzende der FPÖ, Herr Windholz, seinen unsäglichen Spruch auf dem Landesparteitag von sich gegeben hat. Der Bundeskanzler hat klar erklärt, er wisse, worum es geht. – Es hat ihn gerissen. Den Herrn Justizminister hat es nicht gerissen, 14 Tage lang nicht. 14 Tage lang gibt es keine Erklärung des Justizministers, auch in keinem Interview, soweit ich weiß – keine Stellungnahme des Justizministers in der Causa Windholz. Nichts.

Na gut, könnte man sagen. Der Justizminister braucht sich auch nicht unbedingt zu jeder Causa zu erklären. Aber die Causa Windholz ist eine besondere Causa. Die Causa Windholz ist deswegen eine besondere Causa, Herr Abgeordneter Jung, Herr Abgeordneter Mainoni, weil der


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Herr Justizminister der Mandatsnachfolger des Herrn Windholz im Parlament geworden ist. (Abg. Mag. Mainoni: Na und?)

Herr Windholz wird als Landesrat gewählt, macht seinen unsäglichen Spruch, bleibt noch im Parlament, und der Herr Bundesminister übernimmt sein Mandat. (Abg. Gatterer: Das ist aber schon eine starke Unterstellung! – Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) Meine Damen und Herren! Daraus konstruiere ich keinen rechtlich relevanten Vorwurf, sondern einen der politischen Optik. (Beifall bei den Grünen.)

Nehmen Sie es bitte zur Kenntnis, und stellen Sie sich die Frage: Ist von einem Mandatsträger, ist von einem Mitglied der Bundesregierung zu erwarten, dass er den, dessen Funktion er im Parlament, wenn auch nur für wenige Tage, übernimmt, kritisieren und sagen wird, dieser Spruch sei rechtlich äußerst problematisch? Glauben Sie das wirklich? – Ich glaube es nicht.

Damit ist auf alle Fälle eine Naheverhältnis gegeben, das der Herr Justizminister auf der politischen Ebene gar nicht bestreitet. Er ist auf der Liste der niederösterreichischen FPÖ gewählt worden. Das alleine, meine Damen und Herren, würde mich nicht veranlassen, hier zu reden. Aber die Geschichte geht weiter.

14 Tage Schweigen des Herrn Justizministers in der Causa Windholz. Aber dann geht Herr Schlingensief in Wien mit seinem Container vor die Oper und macht einen Spruch, der auch heißt, unsere Ehre heißt Treue, so wie ihn Herr Windholz getätigt hat, in parodistischer Absicht nach – natürlich in provokativer Absicht. Ich will mich nicht zu der Container-Aktion des Herrn Schlingensief äußern und mich näher damit beschäftigen. Aber von Interesse ist in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, dass ab dem Moment, ab dem Herr Schlingensief neben der Oper auf die Situation von Asylsuchenden, auf den Konnex mit der FPÖ aufmerksam gemacht hat, der Herr Justizminister rege wird. Er versucht, Aktivitäten zu setzen. Brief an den Bürgermeister der Stadt Wien: Könnte man nicht etwas machen, oder es wäre vielleicht für die Gemeinde notwendig, etwas zu überprüfen. – Diese Aktivitäten sind dokumentiert.

Dann, am 16., als der Spruch des Herrn Schlingensief am Vortag publiziert wurde, greift der Herr Justizminister höchstpersönlich zum Telefon – höchstpersönlich, nicht der Pressesprecher des Herrn Justizministers –, und der Herr Justizminister informiert einige Redakteure darüber, dass ab jetzt gegen Herrn Schlingensief ermittelt wird – nicht gegen Herrn Windholz, gegen Herrn Schlingensief wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung.

Das ist die Erklärung gewesen, und das hat mich dazu veranlasst, an Sie, Herr Justizminister, eine Anfrage zu stellen. Haben Sie in der Causa Schlingensief gegenüber der Staatsanwaltschaft irgendwelche Absichten geäußert, dass gegen Herrn Schlingensief vorgegangen wird? – Sie haben geantwortet: Nein, in keiner Weise.

Ich habe zunächst die Anfragebeantwortung zur Kenntnis genommen und mich dann noch einmal vertieft. Siehe da, es findet sich ein Interview mit Ihnen in der Tageszeitung "Die Presse" vom 17. Juni. Dort haben Sie auch am Vortag in der Redaktion angerufen, so wie beim "Standard", so wie – ich denke – bei "NEWS" und einigen anderen Zeitschriften, und haben gegenüber der "Presse" erklärt: Böhmdorfer betonte im Gespräch mit "Der Presse", nachdem in den vergangenen Tagen mehrfach der Vorwurf der Untätigkeit erhoben worden ist – Zitat –: ",Das Justizministerium wird keinen Zipfel des Rechtsstaates preisgeben.‘" – Zitatende. "Er habe die Staatsanwaltschaft angewiesen" – angewiesen, Herr Justizminister! –, "im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Maßnahmen gegen die Container-Aktivisten zu prüfen."

Herr Justizminister! Das ist ein Widerspruch. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Herr Kollege Jung! Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Herr Justizminister in der parlamentarischen Anfragebeantwortung gesagt hat, er habe keinen Schritt gegenüber der Staatsanwaltschaft gesetzt, habe keine Äußerung gegenüber der Staatsanwaltschaft getätigt, dass gegen Herrn Schlingensief ermittelt werden soll. Er hat auch gegenüber anderen Journalisten beziehungsweise in der Anfragebeantwortung noch gesagt, dass die Staatsanwaltschaft von sich aus tätig geworden ist. Da steht aber: Ich habe angewiesen, ich als Justizminister.


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Mir fällt da mehrerlei auf. In der Causa Schlingensief gibt es eine Äußerung des Herrn Justizministers, nämlich: Ich habe angewiesen zu ermitteln. In der Causa Windholz gibt es keine Äußerung des Herrn Justizministers, keine Weisung, absolutes Stillschweigen. Da greift der Herr Justizminister auch nicht zum Hörer. Er sagt nichts, er sagt nichts zu Windholz, weil er, wie ich meine, auch in einer politischen Beziehung zu Herrn Windholz steht, die das weitgehend ausschließt. (Beifall bei den Grünen.)

Da sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Ein Justizminister, der sich in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung nicht an das erinnern kann, was er zuvor gegenüber einer Tageszeitung geäußert hat, der also entweder gegenüber einer Tageszeitung oder gegenüber dem Parlament in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung die Unwahrheit gesagt hat, Herr Justizminister, ein derartiger Justizminister, der sich noch dazu in dieser Causa dem Verdacht aussetzen muss, dass er mit unterschiedlichem Maß in der Causa Schlingensief und in der Causa Windholz misst, ein derartiger Justizminister ist, solange Sie mir das nicht anders und deutlich anders erklären, untragbar. (Beifall bei den Grünen.)

14.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Justiz. Ich erteile es ihm.

14.10

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich habe – um das klarzustellen – weder in der einen noch in der anderen Causa eine Weisung erteilt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wolfgang Jung. – Bitte.

14.10

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sie sollten sich vielleicht weniger auf "NEWS" und andere Schmierblättchen verlassen, sondern sich an die Fakten halten, Herr Kollege! (Abg. Schieder: Bitte, vom Rednerpult!)

Die österreichische Außenpolitik ... (Abg. Schieder: Es war "Die Presse"!) – Auch in der "Presse" wird nicht immer alles richtig geschrieben. Das habe ich selbst erlebt. Das kommt vor. Das wissen Sie selbst, Herr Kollege! – Die österreichische Außenpolitik hat eine turbulente Zeit hinter sich gebracht, und es gilt, darüber Bilanz zu ziehen. Die Haltung unserer Bundesgenossen in der EU betreffend die Sanktionenfrage, wobei allerdings die Betonung, Herr Kollege Schieder, mehr auf Genossen als auf Verbündete lag, und die Sanktionen wurden von den Österreichern als große Ungerechtigkeit empfunden, zumal sie wirklich sehr großes Vertrauen in die EU gesetzt hat, wie die damalige Volksabstimmung gezeigt hat.

Man hat die EU als eine Gemeinschaft gleichberechtigter Staaten dargestellt, und nun plötzlich zeigt sich etwas anderes. Die Bevölkerung war betroffen. Sie ist noch immer betroffen. Umso mehr ist sie verunsichert, als gerade in diesen Tagen der massive Wertverlust des Euro und die Entwicklung rund um die unsicheren AKW im Osten Europas dazukommen. All das verunsichert die Bevölkerung. Es gilt also für die Außenpolitik Folgerungen aus dieser Entwicklung zu ziehen und Antworten für die Zukunft zu finden.

Leider heißt auch eine Erkenntnis Vorsicht: Vorsicht auch im Umgang mit den Verbündeten, besonders einigen Großen, die auf ein Direktorium zugehen und glauben, das Kommando in Europa alleine zu haben. Die weiteren Erkenntnisse sind mehr Realismus und vielleicht etwas weniger Wunschdenken. Die Sanktionen sind zwar beendet, aber auch wenn wir uns bemühen und guten Willen zeigen – das wollen wir –, ist mit einem "Schwamm drüber" die Sache leider nicht erledigt und sind die Ereignisse der letzten Monate nicht so leicht ungeschehen zu machen. Es bleibt etwas zurück, und zwar bei uns ein bitterer Nachgeschmack über so manche vermeintlichen Freunde und – wer das nicht zur Kenntnis nimmt, meine Damen und Herren, der


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lügt sich auch in den Sack – unterdrückter Ärger und auch gekränkte Eitelkeit bei den Hauptinitiatoren und -akteuren dieser Kampagne gegen uns. Beides wird uns noch lange, aber hoffentlich in abnehmender Intensität beschäftigen.

Zum Zweiten haben wir daraus gelernt, dass wir sehr vorsichtig, ja übervorsichtig bei der Abgabe von Rechten an die Gemeinschaft sein müssen. Jede Vetomöglichkeit, die wir aufgeben, nimmt uns – das sei hier klar gesagt – ein Druckmittel zur Durchsetzung unserer Interessen. Wer blauäugig meint, dass Druck nicht der richtige Weg in dieser Situation wäre, der muss sich fragen lassen, ob er tatsächlich glaubt, dass die Sanktionen gegen uns nur wegen unserer Überredungskünste aufgehoben wurden. Die Gemeinschaft fürchtete zu Recht eine Blockade der weiteren Entwicklung, und einige kleinere Mitglieder der Gemeinschaft mit Dänemark an der Spitze erkannten die negativen Auswirkungen dieser Vorgangsweise auf die Stimmung in ihren Ländern und drängten auf ein rasches Ende.

Die Argumentation allerdings mancher beamteter Vertreter des BMA, wir müssten in nächster Zeit bei der Vertretung unserer Interessen nun besonders zurückhaltend sein, extra Wohlverhalten zeigen und womöglich noch zu allem Ja und Amen sagen, ist der falsche Weg in diese Richtung, davon bin ich überzeugt. Unsere Musterschülerrolle, die wir in der Vergangenheit immer wieder gezeigt haben, wurde nicht belohnt, sie wurde nicht bedankt. Wir wollen deswegen in der Zukunft nicht trotzig oder beleidigt beiseite stehen, aber wir wollen bestimmt und sicher die österreichischen Interessen wahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor wenigen Tagen beschwerte sich der tschechische Regierungschef anlässlich der Atomdebatte darüber, dass die Österreicher in dieser Frage auf einmal und so völlig unerwartet hart und unnachgiebig wären. Solche Signale habe man, so meinte er, in der Vergangenheit nicht erhalten und er verstehe den plötzlichen Meinungsumschwung nicht. Was ist da falsch gelaufen?

Ich erinnere mich sehr gut an die Erweiterungsdebatte nach unserem Beitritt. Da reiste eine Menge auch österreichischer Politiker durch die ehemaligen Ostblockstaaten und versprach einen raschen Beitritt, wenn möglich bis zur Jahrtausendwende. Nun ist man von diesem Datum abgekommen. Wenn wir Freiheitlichen damals berechtigte, so muss ich sagen, Zweifel anmeldeten, dann haben sich diese in der Zwischenzeit bestätigt. Wir aber wurden damals zumindest bezichtigt, die Gunst der Stunde nicht erkannt zu haben, wenn nicht sogar Schlimmeres. Das war nicht der Fall, man hat aber dort Wünsche geweckt, indem man nicht die Wahrheit gesagt hat, und das war ein Fehler. Man hat die Leute abgeschreckt und zurückgestoßen, weil man ihnen die Wahrheit nicht zugemutet hat. Aber gerade Freunden gegenüber sollte man die Wahrheit sagen können und eigentlich sogar müssen.

Daher ist auch Wahrheit in der Erweiterungsfrage angebracht, wo wir erkennen müssen, dass es primär um unser nationales Interesse geht, das wir alleine und sonst niemand wahrnehmen müssen. Auch wird man der Bevölkerung in diesem Zusammenhang – die Arbeitsplätze wurden angesprochen – die Frage der Erhöhung und der Kosten der Beiträge nicht ohne weiteres klarmachen können. Man wird eine Anhebung der Beträge als nicht verträglich ansehen.

Die Wahrheit muss gesagt werden: Wir haben die österreichischen Interessen zu vertreten und den Beitritten dann zuzustimmen, wenn dies für uns wirtschaftlich und politisch verkraftbar ist. Das darf nicht abhängig sein von Interessen Frankreichs, Portugals oder gar von der Glorie irgendeiner Präsidentschaft oder einer Person.

Die letzte Erkenntnis lautet: Die Vertretungen Österreichs haben in diesen schwierigen Monaten sehr unterschiedlich reagiert. Es gab ausgezeichnete Arbeit, für die wir uns bedanken wollen, es gab aber auch Kneifen und vorsichtige bis deutliche Distanz zur Regierung, wobei man oft das Gefühl gehabt hat: aus parteipolitischen Gründen. Es dürften vor allem unter sozialistischer Kanzlerschaft zu viele Kanzler- und Ministermitarbeiter mit Botschafterposten belohnt worden sein. Ich erinnere an die Inseratenkampagne im Vorfeld der Wahlen.

Es muss klar sein, dass die Mitarbeiter des Außenamts natürlich eine politische Meinung haben dürfen, aber in ihrer Funktion vertreten sie die Meinung der Regierung, und zwar beider Regie


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rungsparteien, und keine andere. Wer das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, soll die Konsequenzen ziehen! (Abg. Schieder: Die Regierung, nicht die Parteien!)

Herr Kollege Schieder! Ich kann mich gut an meinen Aufenthalt in Schweden während der Waldheim-Kampagne erinnern. Es gab mehrere Botschafter, die ein Inserat gegen den Bundespräsidenten unterzeichnet haben. Sie haben sich nicht geschämt, einerseits den Bundespräsidenten draußen zu vertreten und andererseits nicht die persönlichen Konsequenzen zu ziehen. Das war schlichtweg unanständig, Herr Kollege Schieder! Das darf nicht die Linie der österreichischen Außenpolitik sein. So sieht es aus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg.  Schieder: Er war damals noch gar nicht Bundespräsident! Er war Kandidat und nicht Bundespräsident!) – Herr Kollege Schieder! Er war vorher Bundespräsident, und zu dem Zeitpunkt hat er ihn vertreten.

Abschließend: Wir haben eine Krise durchgemacht, wir haben sie mit Festigkeit und Beharrlichkeit durchgestanden und nicht durch knieweiches Eingehen. Wir werden mit der gleichen Festigkeit und Beharrlichkeit die Interessen Österreichs in Zukunft vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim. – Bitte.

14.17

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Ich entschuldige mich für meine relativ schlechte Stimme und werde mich entsprechend kurz halten.

Aber einiges muss ich schon einbringen, da bei der heutigen Debatte der Eindruck entsteht, als wäre der Bericht der Experten, insbesondere was die Freiheitliche Partei anlangt, anders als das, was nun in der veröffentlichten Version tatsächlich steht. Ich kann sagen, es ist auch nicht besonders lustig, Herr Bundesminister, von Anwalt zu Anwalt eine solche Diskussion zu führen, wie sie nun hier abläuft. Aber auch wir können an den Fakten nicht vorbei.

Wenn Sie den Bericht durchlesen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen – und da ist heute einiges ausgeblendet worden –, dann werden Sie draufkommen, dass dieser vom Kollegen Westenthaler in absolut unredlicher Art und Weise schlicht und einfach unrichtig wiedergegeben worden ist. Sie werden lesen, dass darin steht: "Eines der problematischsten Kennzeichen führender Mitglieder der FPÖ sind Versuche, politische Gegner zum Schweigen zu bringen ..." Die Experten schreiben weiter, dass das einen demokratischen Rechtsstaat nicht auszeichnet. (Abg. Dr. Ofner: Das ist einfach falsch! Das ist inhaltlich falsch!) – Egal, ob das richtig oder falsch sein soll, Herr Kollege, das ist ein Bericht, und Sie können hier nicht so tun, als würde das nicht drinstehen. (Abg. Dr. Ofner: Das ist falsch!) Ich kann Ihnen aber auch sagen, warum es richtig ist. (Abg. Dr. Ofner: Das haben wir schon ausdiskutiert!) Das haben wir noch nicht ausdiskutiert. Sie wünschen sich, dass wir das ausdiskutiert hätten. Wir haben es nicht, und der Skandal besteht trotzdem, und das werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen. Es ist dies nicht der einzige, den Sie auf demokratiepolitischer rechtsstaatlicher Ebene zu vertreten haben. (Abg. Dr. Ofner: Gegen mich können Sie bedauerlicherweise keinen Misstrauensantrag mehr einbringen, das habe ich schon alles hinter mir!)

Wir haben hier weiters die Frage betreffend das unsägliche Interview, bei dem der Justizminister, der der Justizminister aller Österreicher sein soll, auf Seite des Landeshauptmannes von Kärnten, des Initiators für diese gesamte Kritik, wo Sie alle seinem geistigen Wesen nachstreben, erklärt, es sei für ihn verfolgenswert. Die Weisen oder die Experten schrieben dazu, dass die Position, die der Minister hier eingenommen hat, mit den Verpflichtungen eines Staatsorgans jedenfalls nicht vereinbar sei – nach den Maßgaben der Europäischen Union – und letztlich eine schwere Bedrohung der in Artikel 6 des EU-Vertrages niedergelegten grundlegenden Prinzipien darstelle.


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Meine Damen und Herren! Diese Erklärung kann man doch nicht einfach unter den Tisch kehren! Angesichts dieser Erklärung kann man doch nicht einfach sagen, ja, es ist damit abgetan, dass über eine – das ist der nächste Punkt – parlamentarische Initiative der Grünen 24 Stunden später gezwungenermaßen vom Justizminister dazu Stellung genommen wurde und er erklärt hat, er bedauere das.

Ich habe seinerzeit schon gesagt, Herr Minister, dass Ihre Position nicht leicht war, wenn Sie neben Haider gesessen sind und Haider Erklärungen abgibt wie zum Beispiel jene im Jahr 1991: Wer sich von der politischen Linie absentiert, muss gehen. Da muss man Härte zeigen. Ich erwarte auch von niemandem, dass er mir die Hand reicht, wenn ich unten liege. – Meine Damen und Herren! Wir alle wissen aus vielen anderen Sagern des Herrn Haider, wie er mit jenen umgeht, die seine politischen Gegner sind, aber auch mit jenen, die nicht mehr seine politischen Freunde sind. – Das kann relativ rasch gehen.

Daher haben wir alle gewusst, dass es für Sie nicht leicht ist, wenn Haider sagt, er wolle politisch Andersdenkende verfolgen, und Ihnen mehr oder weniger so zuwirft: Na, was sagst du dazu?, zu sagen: Nein, das ist eines Rechtsstaates unwürdig, ich bin dagegen! Sie haben gesagt, das sei überlegenswert, Herr Bundesminister, und Sie als Freund Haiders haben auch gewusst, wer Haider ist, was Haider gedacht hat und was Haider will.

Genau das macht es besonders angreifbar, und das macht es besonders unglaublich – egal, wie problematisch die Situation auch immer für Sie war –, dass Sie in dieser Situation wohl meinend und wissend, was Haider damit tatsächlich meint, nicht dagegen aufgetreten sind. Sie können heute nicht sagen, Sie wussten es nicht. Sie sind über Jahre Bestandteil der Klagsmaschinerie von Haider gewesen, als er das ganze Land mit Klagen zugeschüttet hat. Sie wussten, was er denkt, was er verfolgt, und Sie selbst waren Bestandteil dieses Strebens. Daher ist es unglaubwürdig, wenn Sie sagen: Ich habe es nicht gewusst, dass Haider das so meint, oder ich habe das anders gemeint. – Es war klarerweise so gemeint, wie es auch alle Medien – sogar durchaus regierungsfreundliche Medien – festgestellt haben. Das muss man zur Kenntnis nehmen, und davon muss man ausgehen. Ich meine, dass dieser politische Fehler – wir haben das seinerzeit schon gesagt – derart gravierend ist, dass massive Angriffe gerechtfertigt sind. – Das ist die eine Sache.

Die zweite Sache ist: Es haben sich in der Zwischenzeit auch noch einige andere Dinge, die vielleicht auch durch die Auseinandersetzung bedingt sind, wenn man versucht, dem Verständnis entgegenzubringen, ereignet, die ebenfalls unerträglich sind. Ich meine damit die unter anderem von Ihrem Klub, aber auch von Ihnen eingenommene Haltung, die Opposition würde die Richterschaft attackieren, und Sie müssten sich jetzt mehr oder weniger vor die Richterschaft stellen.

Ich darf erstens einmal erwähnen, dass seitens der Richterschaft mehrfach kritische Äußerungen abgegeben worden sind über die Art und Weise Ihrer Tätigkeit in der Vergangenheit und die Frage aufgeworfen wurde, ob das in irgendeiner Weise noch für Ihre Tätigkeit als Minister relevant ist, wobei wir auch nicht verkennen, dass die Rolle eines Anwaltes eine andere ist als die Rolle eines Ministers. Aber es geht dabei um Ihre spezielle Rolle früher und um den Umstand, dass weiterhin eine Kanzlei, von der Sie sagen, Sie haben keine Beteiligung daran, was wir glauben, unter dem Namen Böhmdorfer tätig ist. Das ist einfach unerträglich.

Die Behauptung, dass seitens der Opposition ein Angriff gegen die Richterschaft erfolgt, ist schlicht und einfach falsch, sondern das Gegenteil ist der Fall. Zum Beispiel sagt die Präsidentin der Richterschaft selbst, dass sie immer davor gewarnt hat, die Gerichte in die politische Auseinandersetzung hineinzuziehen, sie habe immer vor den Massenverfahren, die sie eingeleitet habe, gewarnt. Gerade dann, wenn die Justiz dermaßen am politischen Prüfstand steht, so sagt Präsidentin Helige, muss sie auch einen bloßen Anschein von an Einfluss gewinnenden Politikerinteressen hintanhalten.

Das heißt, das ist ein Appell, der genau das Gegenteil dessen darstellt, was Sie eigentlich sagen, Herr Minister! Ich würde Sie ersuchen, die Versuche Ihres Klubs beziehungsweise auch


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Ihre Andeutungen zu relativieren, dass die Justiz insgesamt angegriffen worden sei. Wir sind eigentlich im Interesse einer unabhängigen Justiz in diese Diskussion eingestiegen und haben in diesem Sinne auch die Erklärungen abgegeben. Mit den Urteilen von Dr. Maurer beziehungsweise mit der Entsendung von Dr. Maurer in das ORF-Kuratorium ist dem letztlich kein Dienst erwiesen worden, weil die Diskussion jetzt eben geführt wird. Auch die Medien haben diese aufgegriffen, und wir greifen sie auch auf. Ich glaube, dass die Diskussion auch wissenschaftlich und nicht politisch zu führen ist, nämlich ob diese Urteile tatsächlich Artikel 10 entsprechen, also menschenrechtskonform sind, was viele Fachleute bestreiten, oder ob das eben nicht der Fall ist.

Ich bin der Meinung, dass diese Diskussion betreffend den Umgang mit Urteilen schlicht und einfach zu führen ist, und daher kann das auch nicht heute enden, sondern wird letztlich in einer für einen Rechtsstaat typischen intellektuellen Art und Weise zu bereinigen sein.

Ich bringe letztlich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Jarolim und Genossen

Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, sich in Hinkunft im Sinne des Berichtes der "drei Weisen" vorbehaltlos für die Einhaltung der Prinzipien der Demokratie und der Redefreiheit und der gemeinsamen europäischen Werte einzusetzen, diese aktiv zu verteidigen und sich dafür einzusetzen, dass es zu keinen strafrechtlichen Sanktionen für politische Kritik kommt.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der von Abgeordnetem Jarolim eingebrachte Entschließungsantrag ausreichend unterstützt ist und damit auch mit in Verhandlung steht.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edeltraud Gatterer. – Bitte.

14.26

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Minister! Ich möchte noch einmal auf den Außenpolitischen Bericht, der heute auch zur Diskussion steht, zurückkommen und natürlich zur Aufhebung der Sanktionen etwas sagen. Die ÖVP bekennt sich dazu, dass sie zur Aufhebung der Sanktionen "Gott sei Dank!" sagt. Ich lasse mir auch von niemandem verbieten, dass ich wallfahrten gehe, und von niemandem vorschreiben, zu welchem Wallfahrtsziel. Ich glaube, das sollte in einer politischen Debatte keinen Platz haben. Wenn wir für Toleranz sind, dann bin ich auch dafür, dass es eine Religionsfreiheit gibt und dass ich wallfahrten gehe, wann ich will und aus welchem Grund immer. (Beifall bei der ÖVP.)

Beim Lesen des Außenpolitischen Berichtes haben wir gemerkt – ich glaube, das war das, was uns tatsächlich erschüttert hat –, dass das internationale Eis sehr dünn ist, wenn es darauf ankommt. Damals war für uns die Welt ziemlich in Ordnung, wir sind inmitten Europas gewesen, wir waren anerkannte Diplomaten, die sich in vielen Bereichen, vor allem in Richtung Osten, als hilfreich erwiesen haben. Und auf einmal hat dieses Eis nicht mehr getragen. Es wurden vor der Regierungsbildung, bei der Regierungsbildung und auch in den sieben Monaten danach schnell Vorurteile von allen Seiten gepflogen. Es sind Urteile gefällt worden, und es war leider auch so, dass – wir müssen das sagen – wir Freunde verloren haben, die diesen Urteilen und diesen Vorurteilen geglaubt haben, dass sich Freunde hinter sehr großen Mächten versteckt haben – ich sage das auch einmal so – und sich der Hackordnung, die kurzfristig entstanden ist, gefügt haben. Wir haben auch gesehen, dass die Grenzen zwischen selig und unselig wirklich nur sehr schwach gezogen sind.


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Für uns alle war es unverständlich, dass Sanktionen ohne Rechtstitel, ohne Anhörung und ohne konkreten Tatbestand verhängt werden, dass man damit eigentlich die Werte Europas sehr schnell hinter sich gelassen hat und den eigenen Interessen und wahrscheinlich auch den eigenen Emotionen gefolgt ist, ohne eben wirklich abzuwarten.

Das, was mir bei diesen Debatten immer wieder aufgefallen ist und auch heute auffällt, ist, dass die beiden Oppositionsparteien immer noch daran festhalten – wie in allen vorhergehenden Diskussionen –, dass es Sanktionen gegen die Regierung waren. Ich glaube, jedes Regierungsmitglied war nicht glücklich darüber, dass man nicht von jedem die Hand bekommen hat und vielleicht auch nicht auf jedem Foto war, aber wir Politiker halten relativ viel aus. Aber wen hat es wirklich getroffen? – Nur die Bevölkerung! Ich habe das hier schon einmal gesagt: Es war wirklich die Avantgarde, die nach Europa gestrebt ist und die fast als Einzige betroffen war: Es waren dies die Jugendlichen, die nicht einmal gewählt haben, weil sie noch nicht das Wahlalter erreicht haben, die als Erste beim Schulaustausch ausgeladen worden sind. Es betraf die Künstler. Ich erinnere Sie: Eines der bekanntesten Orchester der Welt, die Wiener Philharmoniker, ist in Paris ausgepfiffen worden. Peter Ustinov hat gesagt, man schlägt die Regierung und trifft Mozart – wie Recht hat er in dieser Beziehung. Und es betraf auch die Wissenschafter und jene Österreicher, die sich um eine Position beworben oder diese sogar mangels Unterstützung verloren haben. Ich erinnere dabei nur an den Vizepräsidenten der Doping-Kommission im Europarat, an Herrn Holdhaus.

Ich glaube, hinsichtlich der Darstellung, dass es im Grunde nur um die Regierung gegangen ist und die Bevölkerung nie betroffen hat, gibt es zwei Versionen: Die SPÖ hat gesagt, es gibt Sanktionen, die nur die Regierung betreffen, die Grünen haben gesagt, es hat in Wirklichkeit keine Sanktionen gegeben, das ist nur etwas von der Regierung, was sie mehr oder weniger als Schutzschild vor sich her trägt, um alles andere zu verdecken.

Sie müssen sich schon auch rechtfertigen, denn war es nicht so, dass Sie, die Grünen, im Grunde für die Sanktionen waren – ich erinnere an Voggenhuber und, und, und? Ich bedauere auch, dass auch Van der Bellen sagte: Den Teufel werde ich mich dafür entschuldigen! Im Grunde genommen habe ich die Grünen immer gekannt und kenne sie noch als Kämpfer an vorderster Front gegen Atomkraftwerke. Auf Grund Ihrer Forderung oder zumindest Begrüßung der Sanktionen hat es keine Gespräche mit Tschechien wegen Temelin gegeben. – Haben Sie sich da nicht selbst ins Knie geschossen? – Auf der einen Seite sagen Sie, die Sanktionen sind uns im Grunde recht, es ist uns nicht unrecht, dass das Ausland sagt, wie böse wir sind, und auf der anderen Seite beklagen Sie, dass es keine Verhandlungen gegeben hat!

Ich möchte auch etwas zu Schlingensief sagen: Ich bin Kärntnerin, komme nach Wien und sehe einen Riesen-Container mit der Aufschrift "Ausländer raus!". Ich denke mir: Ist es in Österreich möglich, dass man so etwas machen kann? Stellen Sie sich vor, ich kenne nicht das gesamte Programm der Wiener Festwochen! Für mich war das empörend, und ich habe das so empfunden: Kann man so etwas jetzt in Österreich machen? – Das Interessante dabei ist, es kommt ein Deutscher, der in Österreich "Ausländer raus!" plakatiert. Ich muss sagen, das sehe ich und sehen wahrscheinlich viele von uns schon anders. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –Zwischenruf der Abg. Huber. )

Da meine Redezeit leider zu Ende ist, komme ich zum Schluss. Wichtig ist für mich, dass wir gemeinsam überlegen, was wir jetzt machen können, um eben wieder unseren Stellenwert in Europa zu bekommen. Wir müssen unsere Außenministerin, unseren Bundeskanzler und unsere Regierung unterstützen, damit Österreich wieder jene Position bekommt, die wir uns über Jahrzehnte verdient haben. Und der Weisenbericht zeigt, dass wir das Vertrauen nicht verloren haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

14.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl. – Bitte.

14.32

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Maßnahmen der EU-14 sind beendet und


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damit auch eine Phase der österreichischen Innenpolitik, in der die Regierungsparteien nichts unterlassen haben, um den Eindruck zu erwecken, dass Österreich auf dem Prüfstand stünde und nicht eine bestimmte Partei und deren Regierungsbeteiligung.

Jedem, der im In- oder im Ausland nicht bereit oder willens war, Ihre parteipolitische Linie zu vertreten, wurde Patriotismus abgesprochen. Zuerst betraf es die Vertreter der Oppositionsparteien und jüngst erst die österreichischen Diplomaten.

In Wahrheit war aber Ihre schamlose Vernaderungs-Kampagne erst der erste Akt einer groß angelegten Strategie der Einschüchterung. Und Einschüchterung scheint mir überhaupt ein zentraler Begriff zu sein, wenn es um viele Bereiche Ihrer Politik geht. (Abg. Rosemarie Bauer: "Vernaderung"? – Dafür habe ich schon einmal einen Ordnungsruf gehört!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Wir sind in der Präsidiale übereingekommen, dass wir mit Ordnungsrufen sparsam umgehen sollten, und ich möchte diesen Brauch auch gerne verfolgen. Aber das heißt auch, dass die einzelnen Redner ihre Worte mehr auf die Waagschale legen, und ich ersuche Sie, von solchen Worten Abstand zu nehmen. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (fortsetzend): Herr Präsident! Ich lege meine Worte sehr wohl auf die Waagschale und stehe politisch zu dem, was ich gesagt habe und möchte es auch begründen. (Abg. Schwarzenberger: Aber die Waagschale hat eine Schieflage!)

Die Sozialdemokratie ist ihre Regierungsverantwortung mit dem Leitsatz, "alle gesellschaftlichen Bereiche mit Demokratie zu durchfluten", angetreten. Im Moment erlebe ich viele Signale und Handlungen, die darauf hindeuten, zumindest viele Bereiche dieser Gesellschaft mit Einschüchterung zu durchfluten. Ich möchte Ihnen, um das zu begründen, einige dieser klaren Signale auch benennen und verwende dafür einige Zitate des Kärntner Landeshauptmanns, der in einer der Regierungsparteien nach wie vor den Takt angibt.

Beispielsweise möchte ich Sie an die Aussage erinnern, Ordnung in den Redaktionsstuben schaffen zu wollen. Nachdem er Landeshauptmann geworden ist, kündigte er an, die Auszahlung der Landes-Presseförderung von journalistischem Wohlverhalten abhängig zu machen. Oder: Eine weitere Aussage richtete sich als Signal an die Herausgeber der Zeitungen, die da lautete, die Hand, die einen füttert, nicht zu beißen. Aber auch der Klubobmann der ÖVP konnte sich dieser Linie anschließen, indem er im Zusammenhang mit Presseförderung und Posttarifen ankündigte, eine Gelegenheit zu haben, um Böcke von Schafen zu trennen.

Und dann gibt es noch die heute viel diskutierte Aussage des Kärntner Landeshauptmannes, politisch anders Denkende strafrechtlich verfolgen zu wollen, und den zustimmenden ersten Satz des Justizministers, diese Aussage als verfolgenswert zu bezeichnen, um sie dann ausgiebig überschlafen zu müssen, um dann nämlich zur Erkenntnis zu kommen, dass Meinungsfreiheit in dem Land bedeutet, dass man derartige Dinge androhen darf.

Der nächste Schritt, den Sie setzen, ist, dass Sie Stück für Stück darangehen, der Meinungsvielfalt ihre materielle Grundlage zu entziehen. Dazu möchte ich aus dem eindrucksvollen Referat, das der Vertreter des Verbandes der österreichischen Zeitungsherausgeber, Oscar Bronner, in Alpbach gehalten hat, zitieren. Er sagt:

Daher ist es auch unsere Pflicht, als Interessenverband für das freie Wort unsere Stimme zu erheben, wenn alles so aussieht, als ob unbequeme Stimmen zum Schweigen gebracht werden sollen. Es beginnt bei prosaischen Dingen, die die ökonomischen Rahmenbedingungen für Medien verschlechtern. – Zitatende.

Bronner schließt dieser Aussage eine Liste an, wie etwa die existenzgefährdende Hinaufsetzung der Postgebühren beim Zeitungsversand und die dramatischen Kürzungen der Presseförderungsmittel.

Presseförderung, meine Damen und Herren, ist kein Disziplinierungsinstrument, und daran sollte sich auch die aktuelle Politik halten. (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber ich lese in einem Wochenmagazin eine Aussage des Herrn Justizministers, die lautet: Pressefreiheit habe ihre Grenzen, und bin damit bei einer Aussage mehr, die man nicht anders als einen Angriff auf die Meinungsvielfalt in diesem Land deuten kann.

Man hört von äußerst besonnenen, differenzierten Vertretern österreichischer Medien bereits Aussagen wie, man sehe die Meinungsvielfalt gefährdet, und man konstatiert zunehmende Intoleranz gegenüber anderen Meinungen.

Ich kann hier nur als ein Beispiel von vielen die Einrichtung einer Metternich’schen Medienbehörde, die Sie überlegen, und vor allem die Klagsflut gegen Journalisten, gegen Künstler, gegen Intellektuelle, die anders denken, erwähnen. Das hatte auch einen großen Stellenwert im Bericht der drei Weisen eingenommen, die hier ernsthafte Sorge artikulieren.

Wir jedenfalls wollen kein Land, in dem Schweigen die oberste Bürgerpflicht wird. Bei der Behandlung dieser Klagen kommt es nun zu einer unerträglichen Verflechtung zwischen der Kanzlei, die nach wie vor mit dem Namen des Justizministers verbunden ist, und einem Richter, der das Vertrauen der FPÖ genießt. Ich darf aus dem "profil" dieser Woche zitieren, in dem der Journalist Paul Yvon schreibt:

"Er" – gemeint ist Richter Maurer – "spricht regelmäßig Urteile, die bei Juristen wegen der besonders überraschenden und findigen Begründungen große Aufmerksamkeit erregen."

Der Vorwurf der Befangenheit steht im Raum, und ich denke, dass sich Herr Dr. Maurer freiwillig aus diesem Mediensenat zurückziehen sollte.

Wir sollten aus der österreichischen Geschichte jedenfalls lernen, dass derartige Anzeichen, Ankündigungen und Ansinnen nicht zu verniedlichen, sondern ganz besonders ernst zu nehmen sind, und zwar zur rechten Zeit, und die ist jetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch zu einem anderen Punkt, den die Weisen in ihrem Bericht angesprochen haben, einen Entschließungsantrag einbringen: Ich meine den Punkt, in dem sie konsequente Handlungen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus von der Regierung einfordern.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl und Genossen

Die Bundesregierung und jedes einzelne Mitglied der Bundesregierung werden aufgefordert, im Sinne des Berichtes der "drei Weisen" konsequent gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aufzutreten und Stellungnahmen, die als fremdenfeindlich oder sogar als rassistisch verstanden werden können, nicht hinzunehmen.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der von Frau Abgeordneter Kuntzl eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit zur Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Michael Krüger. – Bitte.

14.41

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schließe dort an, wo meine Vorrednerin geendet hat, nämlich bei ihrer übertriebenen und völlig zu Unrecht geäußerten Sorge um die Pressefreiheit.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Partei, die jahrelang für die Medien in Österreich zuständig war, eine Partei, die jahrelang verhindert hat, dass es in Österreich eine Medienveranstaltungsfreiheit gibt, eine Partei, die verhindert hat, dass ein menschenrechtswidriger Zustand abgestellt wird, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg 1993 erkannt und die Republik Österreich wegen Verstoßes gegen die Meinungsfreiheit und Veranstaltungsfreiheit kritisiert hat, also eine Partei, die sieben Jahre lang zugesehen hat, wie in Österreich ein Zustand im Medienwesen aufrechterhalten wird, der mit modernen Demokratien nicht in Einklang zu bringen ist, eine derartige Partei sollte bei der Beurteilung, ob die Medien- und Pressefreiheit beeinträchtigt ist, eher zurückhaltend sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Wissen Sie, was der Haider zur Presse gesagt hat: Wieso soll ich die Hand füttern, die mich beißt??)

Meine Damen und Herren! Es wurde auch von einem Richter gesprochen, und soweit ich mich erinnern kann, ist hier mit einer lange gepflogenen Tradition gebrochen worden, Richter ad personam durch Abgeordnete des Hohen Hauses nicht anzugreifen. Ich stelle das wirklich mit einiger Besorgnis fest. Und ich frage Sie, wenn Ihre Sorge der Unbefangenheit eines Richters gilt, der über Vorschlag der FPÖ von der Bundesregierung in das ORF-Kuratorium entsandt wurde, obwohl er nicht Mitglied der FPÖ ist: Wo waren denn Ihre Stimmen, als nachgewiesen wurde, dass der Abgeordnete Meischberger durch ein Mitglied des Bundes Sozialistischer Akademiker als Vorsitzender des Senates beim Obersten Gerichtshof verurteilt wurde?

Frau Kollegin Mertel, Sie sehen den Unterschied: Da ist ein parteiunabhängiger Richter, der nicht der FPÖ angehört, von der Regierung entsandt worden, und dort sitzt ein dem BSA angehöriger Richter über jemanden zu Gericht, der Angehöriger einer anderen Fraktion ist. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Und es gibt noch andere Beispiele. (Abg. Dr. Wittmann: Der entscheidet über Parteiverfahren! – Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim. ) Herr Kollege Jarolim! Du kennst das als Anwalt. Ich spreche hier die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes an. Ich habe namens der FPÖ-Oberösterreich wiederholt die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes angerufen. Da waren regelmäßig Richterinnen und Richter vertreten, die von der SPÖ über die Bundesregierung entsandt waren. Ich muss ganz offen sagen, dass mein Vertrauen in die Richter, auch wenn sie der SPÖ angehören, trotzdem so groß war, dass ich das nicht an die große Glocke gehängt habe. Aber erklären Sie mir den Unterschied: Hier ist ein parteiunabhängiger Richter tätig, und dort sind der SPÖ angehörige Richter tätig, in Fällen, in denen es um Klagen oder Beschwerden einer anderen politischen Partei geht. Das hat doch eine ganz andere Qualität. Ich bitte Sie, da schon die Sensibilität auf beiden Seiten zu sehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf meinen Kollegen Jarolim zurück; ich bin sehr froh darüber, dass er sich jetzt wieder hier eingefunden hat. Zum Misstrauensantrag der SPÖ gegen unseren Justizminister Böhmdorfer. – Kollege Jarolim! Du hast heute eine schwache Stimme, wie du festgestellt hast, aber ich glaube, es war nicht nur die schwache Stimme ... (Abg. Dr. Mertel: Eine kranke Stimme!)  – Eine kranke Stimme, eine schwache, kranke Stimme. Aber ich glaube, es war nicht nur der Zustand dieser Stimme dafür ausschlaggebend, dass dein Plädoyer zugunsten des Misstrauensantrages ohne jegliche Leidenschaft gehalten wurde. In Wirklichkeit bist du selbst nicht davon überzeugt, sei doch einmal ehrlich!

Im Mai 2000 war die Pressekonferenz, und im Mai 2000 hat die grüne Fraktion hier einen Misstrauensantrag gestellt, der ohnehin sang- und klanglos untergegangen ist. Die SPÖ hat keinen Misstrauensantrag gestellt. Sie hat zwar mitgestimmt, aber sie hat keinen Antrag gestellt. Wir kennen ja den Grundsatz "ne bis in idem", Kollege Jarolim, der hier zwar nicht 1 : 1 anzuwenden ist, aber wie groß ist Ihre Entrüstung denn wirklich, wenn es vier Monate dauert, bis sie sich dermaßen aufbaut, um jetzt endlich, nach vier Monaten, weil der Weisenbericht vorliegt, zu einem Misstrauensantrag zu führen? Ich kann doch nicht annehmen, Kollege Jarolim, dass das gesamte politische Handeln der sozialdemokratischen Fraktion davon abhängig ist, dass drei Experten irgendwann einmal zu einer Meinung kommen. In Bezug auf diese Meinung ist


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nämlich – das möchte ich auch sagen – immerhin der sehr angesehene Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer zum Ergebnis gekommen: In der Beurteilung der Tätigkeit des Ministers Böhmdorfer wurden Äpfel mit Birnen verwechselt.

So schaut es nämlich aus: Die Standesvertretung der österreichischen Anwälte steht hinter Minister Böhmdorfer. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und wenn von der Standesvertretung die Rede ist, dann möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass Frau Dr. Helige, die, glaube ich, den Regierungsparteien wahrlich nicht nahesteht, als Präsidentin der Richtervereinigung ebenfalls eine derartige Erklärung abgegeben hat. Frau Dr. Helige sagte nach Ankündigung des Misstrauensantrages: Justizminister hat gegenüber Richtern eine absolut tadellose Haltung.

Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Misstrauensantrag löst sich in Nichts auf, weil er durch nichts zu rechtfertigen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Gisela Wurm. – Bitte.

14.47

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Es steht wohl außer Diskussion, dass jeder in Österreich froh darüber ist, dass die Maßnahmen, die über Österreich verhängt wurden, außer Kraft gesetzt sind. (Abg. Dr. Martin Graf: Sagen Sie das dem Gusenbauer! So eine geharnischte Kritik am Parteivorsitzenden hätte er sich von Ihnen wirklich nicht verdient!) Nichtsdestotrotz ist es notwendig, Herr Abgeordneter Graf, dass wir uns mit dem Inhalt des Berichtes Punkt für Punkt auseinander setzen, denn bei aller Freude, sehr geehrte Damen und Herren, stellt dieser Bericht in wesentlichen demokratiepolitisch relevanten Fragen keinen Persilschein aus.

So ist in diesem Bericht vom fortwährenden Gebrauch zweideutiger Formulierungen durch führende Mitglieder der FPÖ die Rede. In Klammer sage ich dazu: Die FPÖ wurde als rechtspopulistische Partei mit extremistischer Ausdrucksweise klassifiziert.

"Angriffe auf die Freiheit der Kritik" – ein weiterer Punkt im Bericht. Da heißt es: "Eines der problematischsten Kennzeichen führender Mitglieder der FPÖ sind Versuche, politische Gegner zum Schweigen zu bringen oder sie sogar zu kriminalisieren, wenn sie die österreichische Regierung kritisieren." Und in der Folge wird auf das "häufige Anstrengen von Beleidigungsprozessen gegen Personen, die die FPÖ oder Äußerungen ihrer politischen Führung kritisiert haben," hingewiesen.

Besonders hart ins Gericht geht der Bericht mit dem jetzigen Justizminister, und zwar hinsichtlich seiner Aussagen beziehungsweise seinem Nichthandeln, als er die Meinungsäußerungsfreiheit desjenigen verteidigt hat, der die Meinung anderer einschränken will. – Das ist einer der zentralen Kritikpunkte in diesem Bericht. (Ruf bei den Freiheitlichen: Sie haben es noch immer nicht verstanden!)

"Wir sind der Auffassung, daß eine solche Position eines Ministers in der Bundesregierung nicht mit den Verpflichtungen eines Staatsorgans vereinbar ist, ..." – Ziffer 95 des Berichtes. Und weiter: "Alle Regierungen in der Europäischen Union sind durch die Prinzipien der freiheitlichen Demokratie und der Redefreiheit gebunden." Und es wird auch in diesem Bericht besonders hervorgehoben, "dass derartige Vorschläge leicht einen Abschreckungseffekt ... bei denjenigen hervorrufen können, die die Regierung kritisieren wollen."

Der "Gebrauch von Beleidigungsverfahren durch die FPÖ" ist ein weiterer Punkt des Berichtes. Es wird festgestellt, dass Klagshäufigkeiten und der Versuch von Kriminalisierung der Kritiker die Meinungs- und die Redefreiheit einschränken. Sehr geehrten Damen und Herren! Die Rede-


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und Meinungsfreiheit ist eine der Grundsäulen in einem demokratischen Staat, ist eine der Grundsäulen einer demokratischen Verfassung. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wenn so besonnene Redakteure wie Herr Peter Rabl im "Kurier" und auch andere die Bundesregierung, die Chefs der Bundesregierung auffordern: Schüssel und Co, geben Sie Gedankenfreiheit!, so regt auch das, glaube ich, zum Nachdenken an. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Wenn einer der angesehensten Juristen in diesem Staat, der Herr Verfassungsrichter Adamovich, in Bezug auf Ihre Amtsführung sagt: Minister schadet Justiz – diese Ausführungen finden sich in einem Artikel der "Tiroler Tageszeitung" vom 18. September –, dann ist auch das etwas, worüber man nachdenken muss. (Abg. Dr. Puttinger: Bitte einmal eigene Gedanken, nicht immer vorlesen!)

Ich möchte betonen, dass die Meinungsfreiheit von uns Sozialdemokraten immer verteidigt wurde. Das sind wir unseren Gründungsvätern und -müttern schuldig! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler – er ist jetzt leider nicht anwesend –, Frau Bundesministerin, ich hätte eine Bitte an Sie, einen Appell und auch eine Forderung: Gebieten Sie diesen Grundrechtsverletzungen Einhalt! Es ist jetzt nicht Sache, dass man beschönigt, beschwichtigt, entschuldigt. Es ist das Gebot der Stunde, dass man Farbe bekennt und zu diesen Dingen Stellung nimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Insofern fordere ich Sie auf: Reden Sie mit Ihrem Bundesminister für Justiz einerseits bezüglich dieser Vorwürfe und andererseits auch in Bezug auf Abrüstung der Sprache – dazu hat ja Herr Bundespräsident Klestil aufgerufen –, und reden Sie auch mit Ihrem Herrn Klubobmann Dr. Khol über das, was er am vergangenen Sonntag in einem "Tirol-Kurier"-Interview sagte. In der TV-"Pressestunde" hörte ich, dass die Frau Ministerin sagte: Schwamm drüber, schauen wir in die Zukunft! – Das ist gut und richtig, aber andererseits gibt es in der ÖVP einen Klubobmann, der den Außenminister der Bundesrepublik als jemanden bezeichnet – beziehungsweise ihm das unterstellt –, als einen, der sich besser auskennt bei der Roten-Armee-Fraktion als bei Österreich. – Das ist keine Abrüstung der Sprache! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Kennen Sie den Lebenslauf des Herrn Fischer? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist keine Abrüstung der Sprache, auch nicht, wenn er irgendwelche Seitenhiebe auf den "gallischen Hahn" macht. Finden Sie das in Ordnung? Frau Abgeordnete Bauer, finden Sie das in Ordnung, dass man über die Grenzen hinweg solche Verbalinjurien ausrichtet? (Beifall bei der SPÖ.)

Und vergessen wir nicht, wenn wir heute über diesen Weisenbericht auch sprechen – der uns im Übrigen nicht einmal zugegangen ist; auch das ist eine Frage der Demokratiepolitik und des Demokratieverständnisses hier in diesem Haus –, vergessen wir nicht, wer in Wirklichkeit der Verursacher dieser Sanktionen war! Wenn nämlich jemand Österreich im Ausland verunglimpft hat, wenn jemand die österreichische Nation als eine "Missgeburt" bezeichnet hat, so hat dieser Jemand einen Namen, und dieser Name ist Dr. Jörg Haider, ob Sie es hören wollen oder nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wer hat denn im Ausland die belgische Regierung beschimpft? Wer hat denn den französischen Staatspräsidenten als "Westentaschennapoleon" bezeichnet? Ist denn das Ihrer Meinung nach in Ordnung? Ist das sprachliche Abrüstung? (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sie, Frau Bundesministerin, haben gesagt, Sie werben dafür, dass man in die Zukunft schaut, und auch in einem "Presse"-Interview war zu lesen, dass Sie die Kulturpolitik im Dienste Österreichs einsetzen wollen. Dem können wir gerne unsere Zustimmung geben (Abg. Dr. Puttinger: Dann schickt’s den Mortier ...!), nur muss aber schon auch gesagt werden, dass eine entsprechende Förderung der Kunst- und Kulturszene im Inland unabdingbare Voraussetzung im Sinne einer Trendwende in der österreichischen Kultur- und Auslandspolitik ist, und daher stellen wir folgenden Antrag:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Mag. Gisela Wurm und Genossen betreffend keine weiteren Kürzungen im Bereich der Auslandskulturpolitik

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Entwicklung einer lebendigen, kreativen, innovativen und kritischen Kunstszene zu fördern und allen Zensurversuchen, auch auf dem Weg der Förderpolitik, entschieden entgegenzutreten;

2. Die Bundesregierung wird ersucht, die in den letzten Jahren sukzessiv erfolgte Kürzung der Mittel für die Auslandskulturpolitik durch eine entsprechend höhere Dotierung im Budget 2001 und in den Folgejahren auszugleichen und insbesondere eine Erhöhung des operativen Budgets sicherzustellen;

3. Die Bundesregierung wird ferner ersucht, die im Bundesvoranschlag 2000 erfolgte Kürzung des Kunstbudgets rückgängig zu machen und das Bundes-Kunstbudget (excl. Bundestheater) für das Jahr 2001 entsprechend der im Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik erhobenen Forderung auf 1,8 Milliarden Schilling zu erhöhen.

*****

(Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zum Schluss kommend. – Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr von der Bundesregierung! Hand aufs Herz: War’s nicht oft auch ein angenehmer Vorwand, über Maßnahmen aus dem Ausland zu diskutieren und davon abzulenken, was jetzt in unserem Staat passiert? Denn das, was hier passiert, ist sozialer Kahlschlag, ist Sozialvandalismus. Das ist der größte Sozialabbau in der Zweiten Republik! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu dieser Stunde, sehr geehrte Damen und Herren – wir werden ja dann noch darauf zu sprechen kommen –, demonstrieren draußen die Studenten. Sie haben Angst um ihre Bildung. Das ist Sparen am falschen Fleck, denn da geht es um unsere Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei diesem Sparbudget zahlen die Frauen, zahlen die Kinder die Zeche, und da nützen die ganzen Hochglanzplakate nichts, wie: Schau mir in die Augen, Kleiner. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wolfgang Großruck. – Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, es sind nur mehr knapp 4 Minuten Zeit bis 15 Uhr. Das heißt, wenn Sie Ihre Ausführungen bis dahin nicht beenden, muss ich Sie leider unterbrechen.

14.57

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nach der Phantasie der Kollegin Wurm wieder zurück zur Realität des Tagesordnungspunktes, nämlich zum Ende der Sanktionen.

Wir können heute Bilanz ziehen, und wir sollen Bilanz ziehen, und es ist teilweise schon in ausreichender Form getan worden. Für mich ergeben sich vier wesentliche Punkte, auf die ich eingehen möchte.

Punkt eins: Die wahren Freunde, meine Damen und Herren, heißt es, lernt man in der Not kennen. Wir Österreicher haben unsere Freunde kennengelernt, und wir haben uns bei manchen, von denen wir geglaubt hätten, sie seien unsere Freunde, getäuscht.


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36. Sitzung / Seite 105

Die Sanktionen – Punkt zwei, meine Damen und Herren – haben in Österreich das Gegenteil von dem bewirkt, was die Sanktionierer eigentlich wollten. Sie haben einen Schulterschluss der Bevölkerung mit der Regierung gebracht, und sie haben die Opposition – allen voran die SPÖ – in den Umfragewerten weit hinunterfallen lassen. Das war das innenpolitische Ergebnis der Sanktionen.

Punkt drei: Die EU-14 haben jetzt einen großen Katzenjammer, denn sie wissen nicht, wie sie uns jetzt begegnen sollen, was sie mit dem Ergebnis des Weisenberichtes nach Aufhebung der Sanktionen wirklich anfangen sollen.

Und der vierte Punkt ist, dass die SPÖ aus der Geschichte nichts gelernt hat.

Ich möchte vorerst allen Freunden Österreichs, den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland, den Schweizern, auch den übrigen Bevölkerungen der 14 europäischen Staaten, die die Sanktionen und Strafmaßnahmen ihrer Regierungen nicht unterstützt haben – Umfrageergebnisse haben ja das bewiesen –, für ihre Solidarität, für ihre Loyalität, vor allem aber auch für ihre Treue zu Österreich, zum Fremdenverkehrsland Österreich ganz herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte der Schweizer Bundesregierung herzlich danken und auch unseren Freunden von der CDU/CSU und FDP in Deutschland, allen voran Angela Merkel, dem Fraktionsführer Merz. Ich möchte dem Herrn Gerhard und dem Herrn Außenminister Kinkel von der FDP danken, die immer, auch im deutschen Bundestag – im Gegensatz zu den Parteien hier in Österreich –, die Stimme für Österreich erhoben haben und die sinnlosen Sanktionen abgeschafft haben wollten.

Ich bedanke mich bei unserem Freund, dem Österreich-Kenner Edmund Stoiber von der CSU (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), der in der so genannten Isolation zu uns gehalten hat, der flammend für Österreich eingetreten ist. Und wer sonst als ein Nachbar direkt an der Grenze wüsste besser über die Zustände in Österreich Bescheid als Edmund Stoiber? (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Die "drei Weisen" haben ja bestätigt, wie die Situation bei uns wirklich ist, und deshalb sind die Sanktionen aufgehoben worden.

Der Katzenjammer, meine Damen und Herren, dürfte groß sein. Das erkennt man, wenn man die internationale Presse betrachtet. Da schreibt zum Beispiel die deutsche Zeitung "Welt" – passen Sie auf, was sie schreibt; das, glaube ich, hätte nicht einmal ein österreichischer Kommentator so ausdrücken können –: Nicht einmal nach dem Sieg 1866 gegen die Habsburger in der Schlacht von Königgrätz hat Berlin Österreich so schlecht behandelt wie in den letzten Monaten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Großruck, es ist 15 Uhr. Wollen Sie einen Schlusssatz sprechen, oder soll ich Sie unterbrechen, damit Sie nachher die Rede fortsetzen können?

Abgeordneter Wolfgang Großruck (fortsetzend): Herr Präsident! Ich setze meine Rede nachher fort. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr wie angekündigt um 15 Uhr die Verhandlungen über die Punkte 1 bis 3 der heutigen Tagesordnung, damit die in der Geschäftsordnung vorgesehene Beratung der Dringlichen Anfrage stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Einem, Mag. Andrea Kuntzl, Dr. Antoni und GenossInnen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Einführung von Studiengebühren und Senkung der Bildungsqualität (1234/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1234/J. Diese ist inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch einen Schriftführer erübrigt.


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Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Unter dem Titel ‚Neu regieren heißt: Bildung als Rohstoff des 21. Jahrhunderts zum Mittelpunkt machen‘, stellte Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel in seiner Regierungserklärung vor dem Nationalrat am 9. Februar 2000 folgendes fest:

‚Ein Staat, der in Bildung, in brain-power, investiert, sichert die Lebens- und Arbeitschancen der Menschen und stärkt die Wirtschaft. Wir werden uns deshalb mit aller Kraft der Sicherung der Qualität und der Weiterentwicklung der Bildungsangebote widmen. Die Ressourcen für Bildung und Wissenschaft müssen effizient eingesetzt werden, um die weitere Internationalisierung und Technologieoffensive zu ermöglichen. Unsere Jugend soll durch besonders gute Fremdsprachenvermittlung und durch eine >Computermilliarde< die Voraussetzungen erhalten, ihre späteren Arbeitsmarktchancen zu verbessern.‘

In der ‚Zeit im Bild 1‘ vom 3. August 2000 erklärten Sie, dass der freie Zugang zu den Universitäten erhalten bleiben muss und es auch keine Diskussion um allgemeine Studiengebühren gebe.

In der Sitzung des Ministerrates vom 18. September 2000 wurde unter dem Titel ‚Zur Hebung der Treffsicherheit des Sozialsystems‘ die Einführung eines Studienbeitrages für alle StudentInnen in der Höhe von 5.000,- öS pro Semester beschlossen. Das ist ein klarer Wortbruch und ein Schlag ins Gesicht der studierenden Jugend.

Es ist Tatsache, dass derzeit rund drei Viertel der StudentInnen berufstätig sind, um ihr Studium zu finanzieren. Mehr als die Hälfte der StudentInnen stammen aus Familien mit einem Monatseinkommen unter 30.000,- öS.

In den letzten Monaten wurde darüber hinaus über das Gesamtkürzungsziel des Bildungsbudgets innerhalb der FPÖVP-Koalitionsregierung äußerst kontroversiell diskutiert. So wurde am 27. Juni 2000 nach dem Ministerrat bekannt, dass Finanzminister Karl-Heinz Grasser im gesamten Bildungsbereich 5 bis 6 Mrd. öS Kürzungen verlangte, während Sie von 1 Mrd. öS sprachen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erklärte, man müsse über das Gesamtziels eines ausgewogenen Budgets reden und nicht über ‚Micky-Maus-Themen‘ (APA, 27.6.2000). Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in mehr als 3.300 Schulklassen 30 bis 36 SchülerInnen und in Dutzenden Klassen mehr als 37 SchülerInnen sitzen, sind Kürzungen mit einem enormen Qualitätsverlust des Unterrichts verbunden. Insbesondere sind davon die berufsbildenden höheren Schulen betroffen, wo es heuer zu Schulbeginn zu Abweisungen von Tausenden SchülerInnen gekommen ist. Im Pflichtschulbereich und im Bereich der allgemeinbildenden höheren Schulen sind zahlreiche Unterrichtsgegenstände, verbindliche Übungen, der Förderunterricht, die Integration von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache sowie von Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf gefährdet.

Damit wird der österreichische Weg der Chancengerechtigkeit im Bildungswesen verlassen und der jahrzehntelange Aufbauweg der SPÖ zunichte gemacht.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur nachstehende

Anfrage:

1. In welcher Höhe und ab wann sollen Studiengebühren für Studierende an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen eingeführt werden?

2. Betrachten Sie die Einführung von Studiengebühren als eine Maßnahme, die der sozialen Treffsicherheit dient?

3. Welche soziale Staffelung der Studiengebühren planen Sie?

4. Welches jährliche Aufkommen aus den Studiengebühren erwarten Sie?


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5. Wie hoch sind die Verwaltungskosten dieser Maßnahme?

6. Welche Reduzierung der Studentenzahlen als Folge der geplanten Einführung von Studiengebühren erwarten Sie?

7. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass die Bundesregierung die Einführung der Lkw-Maut ständig hinausschiebt, aber gleichzeitig die Studierenden massiv belastet?

8. Wie können Sie die Einführung von Studiengebühren vertreten, wenn ein entsprechendes Studienangebot für berufstätige Studierende an den Universitäten fehlt und zudem viele Studierende mit Wartelisten für Seminar- oder Laborplätze Studienbedingungen konfrontiert sind ?

9. Welche Maßnahmen werden seitens des Ministeriums getroffen, um für die steigende Anzahl an erwerbstätigen Studierenden Beruf und Studium vereinbar zu machen ?

10. Welche Budgetmittel werden Sie den Universitäten dafür zur Verfügung stellen ?

11. Inwiefern dient die Einführung von Studiengebühren der Anhebung der im internationalen Vergleich immer noch niedrigen Akademiker-Quote in Österreich?

12. Planen Sie eine Ausweitung des Bezieherkreises von Stipendien sowie die Anhebung der Stipendienhöhe?

13. In welchem Ausmaß wird die geplante Erhöhung der Stipendien durch die Einführung von Studiengebühren rückgängig gemacht?

14. Durch welche Maßnahmen werden Sie den Anteil von Studierenden aus sozial schwächeren und bildungsfernen Familien erhöhen?

15. In welchem Ausmaß ist die Finanzierung neuer Fachhochschul-Studiengänge gewährleistet?

16. Ist die Finanzierung von Fernstudien gewährleistet und wenn ja, in welchem Ausmaß?

17. Welche Mehrkosten erwarten Sie durch die von Ihnen geplante ‚Vollrechtsfähigkeit‘ der Universitäten und wie sollen diese Mehrkosten bedeckt werden?

18. Wird im Budget 2001 die Kürzung des Investitionsaufwands der Universitäten um zwei Drittel, wie von Ihnen bei den Beratungen zum BVA 2000 im Budgetausschuss angekündigt, rückgängig gemacht werden?

19. Um wie viel Prozent wird das Gesamtbudget der Universitäten im Jahr 2001 über dem Budget des Jahres 1999 liegen?

20. Wie hoch sind die Kürzungen tatsächlich im Bereich der Pflichtschulen, allgemeinbildenden und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen?

21. Welche Unterrichtsgegenstände, unverbindliche Übungen, Förderunterricht, Integrationsunterricht, Nachmittagsunterricht usw. müssen durch die Kürzungen entfallen?

22. Welche Maßnahmen setzen Sie, um den nach wie vor anhaltenden Zustrom zu den berufsbildenden höheren Schulen zu bewältigen, wie z. B. Werteinheitenzuteilungen (Unterrichtseinheiten für LehrerInnen), Bereitstellung von Schulraum- und Ausstattungsressourcen, Einsatz von zusätzlichen LehrerInnen?

23. Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie zur Herabsetzung der hohen KlassenschülerInnen-Zahlen in den AHS und BMHS?

24. Wie viele LehrerInnenarbeitsplätze in Pflichtschulen, allgemeinbildenden und berufsbildenden höheren Schulen sind von den Kürzungen tatsächlich betroffen?


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25. Wie viele LehramtsabsolventInnen der Pädagogischen Akademien und Universitäten können nicht in den Lehrberuf einsteigen?

26. Wann wird die im Regierungsübereinkommen versprochene ‚Computermilliarde‘ tatsächlich bereitgestellt?

In formeller Hinsicht wird gem. § 93 Abs. 1 GOG verlangt, diese Anfrage dringlich zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Erster Anfragesteller ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. Er erhält zur Begründung der Anfrage das Wort. Die Redezeit für die Begründung beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Einem.

15.02

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ministerrat hat gestern, ich würde sagen, geradezu überfallsartig – Ihr Klubobmann Khol nennt es das "neue Regieren" – eine Reihe von unsozialen Maßnahmen beschlossen. (Beifall bei der SPÖ.) Damit aber nicht genug: Mit der Einführung von Studiengebühren bricht die Frau Bundesministerin Gehrer ihr Wort und fügt Österreich Schaden zu, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! In der Studie der beiden Grazer Ökonomen Wohlfahrt und Sturn zum gebührenfreien Hochschulzugang und zu seinen Alternativen, die in Ihrem Hause aufliegt, heißt es unter anderem – und erlauben Sie mir, dass ich kurz zitiere –: "Humankapital ist mit großem Abstand der wichtigste Bestandteil des volkswirtschaftlichen Reichtums moderner Gesellschaften. Schätzungen zufolge beläuft sich heute sein ökonomischer Wert auf etwa das Dreifache von jenem des Sachkapitals." (Abg. Jung: Das ist aber menschenverachtend: "Humankapital"!) "Als Vorbedingung für qualitatives, Ressourcen sparendes Wachstum und Innovation wird sein Stellenwert noch zunehmen. Die richtige institutionelle Umsetzung der Bildung von Humankapital" – ja, von Qualifikation von Menschen –, "also die Organisation von Bildung und Ausbildung, ist eine zentrale Schnittstelle nationaler Innovationssysteme. Bildung ist aus ökonomischer Sicht heute mehr denn je ein Schlüsselbereich." – Ende des Zitats. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Interesse, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss es daher sein, möglichst vielen Menschen in Österreich die Chance zu bieten, eine hervorragende Ausbildung zu absolvieren. Es ist daher entscheidend, die Bildungseinrichtungen offen zu halten und Hindernisse, die noch bestehen, aus dem Weg zu räumen. Sie aber schaffen neue wirtschaftliche Hemmnisse. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich hier schon ganz klar sagen, Frau Bundesministerin: Es gibt nichts, was derzeit für die Einführung von Studiengebühren spricht. Oder mit anderen Worten: Wir brauchen diese Zwei-Mal-5000-S-Belastung nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Es gibt auch keine verteilungspolitischen Argumente, die für die Einführung von Studiengebühren sprechen, weil das alte Argument, die Armen würden den Reichen die Universität zahlen, das Milton Friedman schon 1955 aufgestellt hat, seither schon Dutzende Male widerlegt worden ist, und das nicht nur in den USA, sondern auch in Österreich. Auch das spricht nicht für die Einführung von Studiengebühren.

Es gibt aber auch kein finanzielles Argument, weil Sie nicht die 2 Milliarden einnehmen werden. Sie können mich beim Wort nehmen: Sie werden die 2 Milliarden nicht erreichen, die Sie im Budget dafür ausweisen. (Abg. Dr. Puttinger: Weil 20 Prozent aufhören!) Sie behaupten ja, dass von den 2 Milliarden eine Milliarde den Unis zugute kommt. Frau Bundesministerin, Sie haben allein heuer den Universitäten für Investitionen und Sachaufwand 1,6 Milliarden Schilling


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weggenommen. Jetzt so zu tun, als ob Sie mit der einen Milliarde den Schritt in das dritte Jahrtausend machten, ist einfach eine Chuzpe. – Entschuldigen Sie schon. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch das ständig wiederholte Argument, mit 10 000 S Studiengebühren würde ein Anreiz erzeugt, der Österreichs überlange Studienzeit verkürzt, ist einfach Unsinn oder, anders herum gesagt, Ideologie. Die zentralen Kosten für die Studierenden sind nach wie vor ihre Lebenshaltungskosten während des Studiums, und die sind wesentlich höher als die 10 000 S. Wer sich das schon nicht leisten kann, kann sich auch die 10 000 S nicht leisten.

Es kann nicht um einen zusätzlichen Anreiz in Form von Kosten gehen. Wer es sich heute leisten kann, sieben bis acht Jahre zu studieren, weil es die Eltern zahlen, der kann auch die 10 000 S leicht aus dem elterlichen Einkommen zahlen. Und wer es sich nicht leisten kann, Herr Klubobmann Westenthaler, der muss arbeiten. Und das verlängert das Studium. Das wissen wir aus den Untersuchungen, deren Ergebnisse ebenfalls in Ihrem Haus aufliegen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler. )

Schon heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, arbeiten fast 50 Prozent der Studierenden neben ihrem Studium. Überwiegend müssen sie arbeiten, um sich das Leben während des Studiums leisten zu können.

Sie, Frau Bundesminister Gehrer, weisen zur Begründung Ihres Wortbruchs in Sachen Studiengebühren darauf hin, dass 43 Prozent der Studierenden im letzten Jahr keinerlei Prüfungen abgelegt hätten. Frau Bundesministerin! Lesen Sie den Bericht über die soziale Lage der Studierenden, dann werden Sie feststellen, dass ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass Studierende keine Prüfungen innerhalb eines Jahres ablegen, der ist, dass sie berufstätig sind und dass ihnen diese Berufstätigkeit, der sie nachgehen, weil sie sich sonst kein Studium leisten können, es ihnen vielfach nicht erlaubt, die Prüfungen abzulegen. Das ist der Grund. (Beifall bei der SPÖ.)

Und jetzt führen Sie Studiengebühren ein, die noch mehr Studierende veranlassen werden, zwingen werden, zu arbeiten statt zu studieren. Diese Studierenden werden länger studieren, denn das ist der Hauptfaktor für lange Studienzeiten in Österreich. Das ist empirisch erwiesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, welche sonstigen Effekte Sie erzielen? Haben Sie sich gefragt, was in Familien mit zwei, drei Kindern, die gerne studieren möchten, der Effekt der Einführung dieser Studiengebühren sein wird, falls die Eltern nicht reich sind, sondern nur über ein durchschnittliches Einkommen verfügen? – Es wird genau das eintreten, was vor 30 Jahren der Grund dafür gewesen ist, die Studiengebühren abzuschaffen. Es werden dann die Mädchen sein, die nicht mehr studieren können, und das ist ein Effekt, gegen den wir ankämpfen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es waren die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen, es war Frau Bundesministerin Firnberg, die dafür gesorgt haben, dass Studiengebühren mit dem Bundesgesetz vom 15. Februar 1972 abgeschafft wurden, weil es in der Bildungspolitik generell darum geht, die Chance zur Bildung fair zugänglich zu machen, fair und gerecht für junge Frauen und junge Männer, fair und gerecht für die Studierenden aus Familien mit geringerem Einkommen, die auch wollen, dass ihre Kinder eine bessere Ausbildung machen, fair und gerecht auch für jene, die etwas weiter weg von den Studienplätzen, von den Universitätsstätten wohnen.

Das ist das Ziel, warum wir in den vergangenen 30 Jahren versucht haben, keine Studiengebühren zu haben, sondern alles zu tun, um mehr Menschen den Zugang zu dieser höchsten Bildungsstufe Österreichs zu ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Sie sagen, es werde "Darlehen" für jene geben, die sich die Studiengebühren nicht leisten und diese nicht anders zahlen können. – Sie wollen offenbar, dass Studierende schon während des Studiums Schulden aufbauen. Sie verlangen, dass Studierende Schulden machen, während Sie hingegen staatlicherseits ständig für eine Null-Option eintreten. Halten Sie das nicht für ein bisschen zynisch?! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler:


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Bei Ihnen hatte jeder Neugeborene schon Schulden! 100 Millionen Schilling Schulden für jeden Neugeborenen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten treten jedenfalls für eine Nullverschuldung bei den Studierenden ein und lehnen daher solche Modelle ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Studiengebühren – und damit kann ich es auch schon im Wesentlichen zusammenfassen – lösen kein Problem, sondern schaffen neue Probleme: Sie schaffen Probleme für all jene, für deren Chancengleichheit wir von der SPÖ jahrelang, ja jahrzehntelang gekämpft haben. Und dieser Kampf muss weiter geführt – und nicht umgekehrt werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann schon sein, dass Ihre Klientel offenbar genug Geld hat, um sich das leisten zu können, es gibt aber viele, viele Menschen in unserem Lande, für die diese Belastung – zusätzlich zu all den anderen Belastungen, die Sie heuer bereits beschlossen haben! – zu viel sein wird. Das wird Österreich, das wird der Bildung österreichischer junger Menschen Schaden zufügen, und einen solchen wollen wir abwenden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Österreich braucht viele gut ausgebildete Menschen. In Wirklichkeit können wir gar nicht genug davon haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher sollten die Bildungseinrichtungen offen und zugänglich gehalten werden. Daher müssen die Wegweisungen von HTL-Schulen beispielsweise überwunden werden. Daher müssen die österreichischen Universitäten und Fachhochschulen gebührenfrei offen bleiben!

Sie, Frau Bundesministerin, sollten darüber nachdenken und sollten Modelle entwickeln, die es auch jenen, die heute noch an Hemmnisse der Ungleichheit stoßen, erlauben, die beste Ausbildung ihrer Wahl zu machen. Das ist die bildungspolitische Herausforderung, vor der wir stehen – und nicht Ihre Studiengebühren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Frau Bundesministerin! Sie haben Ihr Ministerium "Zukunftsministerium" genannt. – Mit den Studiengebühren gehen Sie jedoch den Weg in die falsche Richtung: Sie gehen zurück in die Vergangenheit, und sie versuchen, einen Zustand wiederherzustellen, der 1972 überwunden wurde. Sorgen Sie stattdessen lieber für Chancen in unserem Lande, für Chancen dieses Landes, und sorgen Sie für offenen und gebührenfreien Zugang zum Universitätsstudium! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

15.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage erhält die Frau Bundesministerin das Wort. – Bitte.

15.14

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zuerst einige Vorbemerkungen in Richtung des diese Dringliche einbringenden Abgeordneten, der ja jetzt soeben gesprochen hat. Ich war bei allen Koalitionsverhandlungen dabei, auch bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ, und soweit ich mich erinnern kann, ist damals von der SPÖ vehementest verlangt worden, die Familienbeihilfe ab dem 19. Lebensjahr zu streichen. (Ach so-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ab dem 19. Lebensjahr! (Abg. Dr. Kostelka: Stimmt doch gar nicht!) Das wären 30 000 S im Jahr gewesen, und das hätte für Studenten ein Entfall von mindestens 120 000 S bis 150 000 S bedeutet. (Abg. Dr. Khol  – in Richtung SPÖ –: Der Edlinger war das schon wieder! – Gegenrufe bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Habt ihr das alles dem Einem nicht gesagt? – Abg. Mag. Trattner: Redet der Edlinger nicht mit dem Einem?)

Meine Damen und Herren! Ich sage hier eines auch klar: Es stimmt nicht, dass, wer sich das Studium, wie Sie sagen, nicht leisten kann, arbeiten muss. – Wer sich das Studium nicht leisten kann, bekommt eine Studienbeihilfe. Immerhin werden derzeit 1,470 Milliarden Schilling für Studienbeihilfen ausgegeben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das stimmt nicht!)


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36. Sitzung / Seite 111

Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die einzelnen an mich gerichteten Fragen eingehe, einige grundsätzliche Bemerkungen.

Die Ressourcen für Bildung sind effizient einzusetzen; das haben wir in der Regierungserklärung festgehalten. Wir müssen "Wildwuchs", der sich ergeben hat, beseitigen. Wir müssen auch endlich ein neues Dienstrecht für die Universitäten bekommen. Wir müssen endlich die wirkliche Autonomie der Universitäten mit Qualitätskriterien, mit Qualitätssicherung vorantreiben. (Abg. Öllinger: Kein Weihrauch, bitte!) In dieser Gesamtdiskussion spielt die Frage von Studienbeiträgen eine besondere Rolle. – Übrigens: Diese Diskussion wird ja seit Jahren mit Vehemenz geführt, und irgendwie dürften Sie es als so etwas wie ein Tabu betrachten, da eine Entscheidung zu fällen; offensichtlich will man da keine Entscheidung fällen.

Die Rektoren haben in ihrem "Schwarzbuch für die Autonomie der Universitäten" festgehalten, dass diese Frage zu klären ist. Aber das muss die Politik klären, und so ist es dort auch festgehalten worden.

Es haben verschiedene Vertreter der SPÖ mehrfach geäußert, dass sie Studienbeiträge sehr wohl für zielführend halten. Der damalige Finanzminister Staribacher etwa sagte: Auch Studiengebühren halte ich für richtig. – Vorher sagte das auch Lacina. Und Herr Nowotny als Finanzsprecher der SPÖ meinte – ich zitiere –: Ab einer gewissen Einkommenshöhe der Eltern sind Studiengebühren zumutbar. Studiengebühren sind gerechter als die Kürzung der Familienbeihilfe. – Zitatende.

Abgeordneter Niederwieser sagte im Jahre 1997 in einem "Standard"-Interview, Gebühren könnten einen Qualitätsdruck auf die Unis ausüben. (Abg. Mag. Trattner: So ist es!)

Herr Kollege Einem sagte im Jahre 1997 dem "Kurier" gegenüber – ich zitiere –: Wir müssen uns im Lichte der angespannten Staatsfinanzen überlegen, ob wir das Angebot des freien Hochschulzuganges auf eine sozial gerechte Weise finanzieren. – Zitatende. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Schau! Schau! – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Einem, der an seiner Kleidung einen Sticker mit der Aufschrift "Einführung von Studiengebühren? – Nein Danke!" trägt –: Einem, nehmen Sie doch Ihr Plakat herunter!)

Meine Damen und Herren! Diese Diskussion wird also bereits seit Jahren geführt, und ich meine, es ist Aufgabe der Politik, zum richtigen Zeitpunkt das Notwendige zu tun. Und wir haben jetzt zum richtigen Zeitpunkt das Notwendige getan. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Studienbeiträge werden abgefedert durch soziale Begleitmaßnahmen, durch ein Studienbeihilfensystem, welches sowohl von der Menge als auch von der Höhe her erweitert wird. Eine weitere Abfederung wird es durch die Möglichkeit geben, ein begünstigtes Darlehen in Anspruch zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Wenn ein junger Mensch acht Semester studiert und 40 000 S an begünstigtem Darlehen hat – oder soll es ein Darlehen von 80 000 S sein –, so ist das etwas, was ein Akademiker ab einer gewissen Einkommenshöhe dann leicht zurückzahlen kann. (Widerspruch bei der SPÖ. – Ruf bei den Grünen: Wenn er einen Job bekommt!)

Meine Damen und Herren! Diese Systeme funktionieren in vielen europäischen Ländern, funktionieren in vielen Ländern dieser Welt.

Ich stelle klar und deutlich fest: In Österreich bleibt der freie Hochschulzugang erhalten. In Österreich werden sozial verträgliche Studienbeiträge eingeführt, abgefedert – und es wird den jungen Menschen jegliche Unterstützung gegeben. (Zwischenruf bei den Grünen.) Es ist das kein Wortbruch von mir! Sie können in der letzten Ausgabe von "Uni-Extra" nachlesen, dass ich mehrfach betont habe: Bildung kann nicht unentgeltlich und ständig gratis sein; wir müssen uns über Beiträge unterhalten.

Meine Damen und Herren, nun zur Beantwortung der einzelnen Fragen.

Zur Frage 1: Studienbeiträge in der Höhe von 5 000 S ab dem Herbstsemester 2001.


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36. Sitzung / Seite 112

Zur Frage 2: Nein.

Zur Frage 3: Es gibt keine soziale Staffelung der Studiengebühren.

Zur Frage 4:

Das jährliche Aufkommen kann derzeit noch nicht endgültig festgelegt werden, da wir wissen, dass 43 Prozent der 232 000 Inskribierten keine Prüfung gemacht haben, und es ist die Frage, ob diese weiterhin inskribieren werden.

Zur Frage 5: Der Verwaltungskostenaufwand wird möglichst niedrig gehalten.

Zur Frage 6:

Ich erwarte keine Reduzierung der Zahl tatsächlich Studierender, sondern dass mit großem Einsatz und mit großer Leistungsbereitschaft studiert wird.

Zur Frage 7:

Das hat nichts mit der Einführung von Studienbeiträgen zu tun. (Abg. Huber: Das ist überheblich und arrogant!) Die LKW-Maut hat nichts mit der Einführung von Studienbeiträgen zu tun!

Zur Frage 8:

Im Budgetjahr 2001 werden zusätzlich 500 Millionen Schilling für Investitionen zur Verfügung gestellt; im Budgetjahr 2002 werden noch einmal 500 Millionen Schilling dazu kommen. Das heißt, es wird in die Universitäten investiert.

Die Fragen 9 und 10 beantworte ich gemeinsam:

Es werden für diejenigen, die beruflich tätig sein müssen, die Studienförderungen ausgeweitet, und es wird ein begünstigtes Darlehen geben.

Zur Frage 11:

Die Akademikerquote in Österreich wird dadurch nicht beeinträchtigt. Es werden viele schneller fertig studieren. – Ich meine auch, dass die Akademikerquote in Österreich in absoluten Zahlen ansteigen wird, wenn die Pädagogischen Akademien Pädagogische Hochschulen sein werden; in anderen Ländern werden diese Absolventen ja immer mitgezählt.

Zu den Fragen 12 und 13 bezüglich Stipendien:

Es ist eine Ausweitung des Bezieherkreises und eine Anhebung der Stipendien geplant.

Zur Frage 14 bezüglich Maßnahmen im Hinblick auf sozial schwächere und bildungsfernere Familien:

Diesbezüglich wurden von meinen Vorgängern zahlreiche Maßnahmen getroffen, welche selbstverständlich in gleichem Umfang weiterwirken werden.

Zur Frage 15:

Die Finanzierung der Fachhochschul-Studiengänge ist gewährleistet; der Fachhochschulentwicklungsplan II wird eingehalten.

Zur Frage 16:

Fernstudien werden im Hinblick auf die Anwendung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien in besonderem Maße gefördert. Es gibt ein EU-Projekt, wonach 100 Millionen Schilling für diese Fernstudien aufgewendet werden.


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36. Sitzung / Seite 113

Zur Frage 17 betreffend Vollrechtsfähigkeit:

Dazu gibt es eine Arbeitsgruppe, und in dieser wird auch geklärt werden, ob dadurch überhaupt Mehrkosten entstehen. Das kann derzeit noch nicht gesagt werden.

Zu den Fragen 18 und 19, die ich in einem beantworten kann:

Dazu ist zu sagen, dass die Budgetverhandlungen noch nicht abgeschlossen sind, dass wir zusätzliche Mittel bei den Investitionen vorgesehen haben, dass jetzt 500 Millionen Schilling zusätzlich dazu kommen, dass wir ein Schwerpunktprogramm für wichtige Investitionen ausarbeiten, aber nicht nach dem Gießkannensystem vorgehen werden.

Die Fragen 20 bis 25 beziehen sich auf den Schulbereich und werden von mir gemeinsam beantwortet.

Was Strukturmaßnahmen anlangt, die wir zu erbringen haben, wenn es ein Budget zu sanieren gilt – und wir haben einen großen Sanierungsbedarf auf Grund der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte –: Strukturmaßnahmen müssen in allen Bereichen gesetzt werden. (Abg. Gradwohl: Wie lange sind Sie schon Chefin in diesem Ministerium?) Man braucht immer einen Partner, mit dem man etwas machen kann; so ist es eben auf der Welt. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Schauen wir uns doch an, wie die Personalkosten gestiegen sind: Die Personalkosten für Lehrer sind in den Jahren 1989 bis 1994 geradezu explodiert, und zwar um über 50 Prozent – ohne dass gleichzeitig die Zahl der Kinder im selben Maße gestiegen wäre. Das müssen wir wieder in den Griff bekommen! Deshalb werden durch Strukturmaßnahmen im Pflichtschulbereich 1,5 Milliarden Schilling bis zum Jahre 2002 und im Bundesschulbereich 1,1 Milliarden Schilling bis zum Jahre 2002 zu erbringen sein. Es werden dadurch keine Gegenstände gestrichen, keine Übungen, sondern es wird die Verwaltungstätigkeit neu organisiert. Ebenso wird es zu einer neuen Abgeltung für Überstunden und Supplierungen kommen.

Zur Frage 22:

Für jeden Schüler, der zu einer HTL dazukommt, werden die dazugehörigen Werteinheiten der HTL zur Verfügung gestellt. (Ruf bei der SPÖ: Ab wann?) Es gibt ein Schulentwicklungsprogramm, in dem all jene Projekte bezüglich Schulbauten, die umgesetzt werden müssen, festgehalten sind. Das steht auch alles im Schulentwicklungsprogramm.

Was eine Herabsetzung der hohen Klassenschülerzahlen anlangt – die Klassenschülerhöchstzahl beträgt 30 –: Diese wird in den Anfangsjahren in einigen HTLs überschritten; das pendelt sich aber dann in den weiteren Jahren wieder ein.

Zum Thema Arbeitsplätze von Lehrerinnen und Lehrern in Pflichtschulen und berufsbildenden Schulen: Es werden, wenn die Verwaltungsarbeiten neu organisiert sein werden, natürlich nicht mehr so viele Lehrer und Lehrerinnen gebraucht. Wir werden aber danach trachten, dass das im Einklang mit den tatsächlichen Pensionierungen steht.

Zu den Pädagogischen Akademien: Alle Maturanten erhalten von mir jährlich vor der Matura einen Brief, in dem steht, in welchen Fachbereichen die Aussicht, angestellt zu werden, nicht besonders gut ist. Ich habe allen Maturanten jedes Jahr mitgeteilt: Wer Deutsch und Geschichte studiert, muss mindestens acht Jahre lang auf eine Anstellung warten. Deswegen gibt es natürlich in einigen Fachbereichen ein zu großes Angebot. 50 Prozent der Bewerber drängen sich in acht Gegenständen. Allerdings gibt es aber auf der anderen Seite – und das sage ich jetzt ganz bewusst – einen Lehrermangel, und zwar einen Lehrermangel bei den Fächern Informations- und Kommunikationstechnologie, Elektrotechnik, Maschinenbau – und daher auch einen Arbeitskräftemangel an solchen Fachpraktikern in der Wirtschaft. Es ist sehr wichtig, das immer wieder öffentlich zu sagen, damit sich junge Menschen auch diesen Studienbereichen zuwenden.


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36. Sitzung / Seite 114

Was die "Computermilliarde" anlangt, ist festzustellen, dass im Budget der Jahre 2001 und 2002 dafür Vorsorge getroffen wird, dass es diese "Computermilliarde" bis zum Jahre 2003 geben wird.

Meine Damen und Herren! Ich meine, Aufgabe der Politik ist es auch, Dinge anzugreifen, die manchmal nur schwer umzusetzen sind. Ich verstehe auch, dass junge Menschen beim ersten Hinsehen mit gewissen Maßnahmen nicht einverstanden sind, und ich verstehe auch, dass sie daher ihrem Unmut Ausdruck verleihen, meine aber, dass wir uns alle zusammensetzen sollten, um das bestmögliche Stipendiensystem zu gestalten, bestmögliche Angebote bezüglich Darlehen zu machen, und dass wir damit auf die Universitäten einen starken Qualitätsdruck ausüben und so eine Strukturreform in Gang setzen, die zu autonomen Universitäten, zu einem neuen Dienstrecht und zu einem neuen Verständnis führt, dass Bildung ein Wert ist, der auch etwas kosten darf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gehen in die Debatte ein. Redezeit laut Geschäftsordnung: kein Klub mehr als 25 Minuten, kein Redner mehr als 10 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist als erste Rednerin Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.30

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Versuchen Sie bitte nicht, den Betroffenen Sand in die Augen zu streuen. Man kann nicht einerseits Studiengebühren einführen und andererseits behaupten, es bleibe alles unverändert: Der freie Zugang zum Hochschulstudium bleibt selbstverständlich erhalten. – Das glauben Ihnen die Betroffenen nicht, weil es nicht so ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich war heute bei einer spontanen Demonstration dabei (Rufe bei den Freiheitlichen: Aha! Spontan!)  – ja –, bei der immer mehr Leute dazugekommen sind, der Zug ist immer länger geworden (Abg. Ing. Westenthaler: "Spontan" mitorganisiert!), wo Betroffene dabei waren, die sehr enttäuscht sind von dem, was da passiert. Sie sagen: Das ist Wortbruch! Der Bundeskanzler, die Bildungsministerin hat versichert: Es wird keine allgemeinen Studiengebühren geben! (Abg. Ing. Westenthaler: Einem, Niederwieser, Nowotny, Lacina!) Und dann, von heute auf morgen, ein Wortbruch. (Abg. Parfuss hält eine Tafel mit der Aufschrift: "Es gilt das gebrochene Wort!" in die Höhe.)

Noch am 19. September hat Frau Minister Gehrer gesagt: Der freie Zugang zu den Universitäten muss erhalten bleiben. Es gibt auch keine Diskussion über allgemeine Studiengebühren. – Was hat sie gemeint? Hat sie damit gemeint – das hat sie zumindest signalisiert –: Wir planen es nicht!, oder hat sie nur gemeint: Wir diskutieren nicht, sondern wir führen es einfach überfallsartig ein. – Offenbar war das gemeint. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Frau Bundesministerin! Die jungen Leute haben das aber anders verstanden. Schauen Sie sich doch heute einmal die Homepage der ÖVP an. Ich weiß nicht, ob Sie schon die Zeit dazu gefunden haben. Da gibt es eine rege Diskussion über die Einführung von Studiengebühren. Leute, die Sie gewählt haben, sind sehr enttäuscht. Der Succus ist: Wir sind belogen worden! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aber auch keine nette Aussage, Frau Generalsekretär!) Frau Bundesministerin! In gewisser Weise sitzen Sie heute mit einer langen Nase hier. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Nebelvorhang der EU-Maßnahmen ist gelüftet, und der Blick auf die soziale Kälte Ihrer alltäglichen Politik wird klar. In besonders zynischer Weise haben Sie unter dem Titel der sozialen Treffsicherheit eine Verschlechterung der Lebenschancen von vielen Bevölkerungsgruppen vorgenommen, eine Verschlechterung von Lebenschancen in der Gegenwart wie in der Zukunft.


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Sie haben sich die Tarnkappe der sozialen Treffsicherheit aufgesetzt, aber auf wen zielen Sie denn wirklich? Auf die Arbeitslosen, die Unfallrentner, die Studenten und Studentinnen? Schaut so in Ihren Augen Überversorgung aus? (Abg. Ing. Westenthaler: Haben Sie schon einmal etwas zur Behinderten-Milliarde gesagt? Haben Sie sich schon etwas überlegt dazu? – Rufe bei der SPÖ: Zwei wegnehmen, eine ...!) So weit sind Sie von der Realität der Menschen entfernt, dass Ihnen das nicht einmal mehr auffällt. (Abg. Ing. Westenthaler: Geld für Behinderte ist Ihnen nie eingefallen!)

Besonders hat die jungen Leute heute getroffen ... (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Ing. Westenthaler. ) Herr Kollege Westenthaler! Vielleicht könnten Sie mir mehr Aufmerksamkeit schenken, vielleicht interessiert Sie das auch, was die Leute sagen, die betroffen sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Besonders betroffen gemacht hat die jungen Leute der Satz des ÖVP-Klubobmannes Khol: Was nichts kostet, ist nichts wert. – Ich würde Ihnen empfehlen, einmal mit Leuten zu sprechen, die aus nicht begütertem Elternhause kommen, die aber studieren konnten, weil es einen freien Hochschulzugang und ein Stipendienwesen gegeben hat. Ich würde Ihnen empfehlen, sich anzuhören, was das für die Lebenschancen dieser Menschen bedeutet hat und wie wichtig denen dieser freie Hochschulzugang auch noch rückblickend ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Was nichts kostet, ist nichts wert! – Das kann man nur dann sagen, wenn man aus Verhältnissen kommt, wo es heißt: Geld hat man, darüber spricht man nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Wir aber, sehr geehrte Damen und Herren, werden nicht aufhören, auch darüber zu sprechen, wie es Leuten geht, die aus einem Elternhaus kommen, wo dieser Satz bei weitem keine Gültigkeit hat.

Aber was kann eigentlich noch gemeint sein? Was kostet sonst noch nichts? – Die Schule, meine sehr geehrten Damen und Herren. Heißt das, dass der nächste Überraschungscoup, auf den wir uns einstellen dürfen, Schulgebühren lauten wird? Ihr Motto bei der Bildungspolitik ist offensichtlich: Bildung für die, die es sich leisten können. Sie zerstören ein Bildungssystem, das auf dem Grundsatz der Chancengleichheit aufgebaut war. Denn wer wird jetzt überlegen müssen, ob er sich das Hochschulstudium noch leisten kann? – Zum einen wird jetzt in Elternhäusern diskutiert werden, wo nicht viel Geld ist, und zum anderen – und das trifft mich zusätzlich noch besonders – wird wieder die Diskussion aufleben, ob die Tochter studieren darf oder ob die Tochter nicht vielleicht doch lieber im Frisierladen landen wird, obwohl sie begabt ist, obwohl sie lernen will. Diese Diskussion wirft uns in die sechziger Jahre zurück. Verliererinnen werden die sein, die in den letzten Jahren aufgeholt haben in der Bildungspolitik: die Frauen. Dorthin stellen Sie die Weichen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat vor einigen Wochen das Thema Bildungspolitik als "Micky-Maus-Thema" bezeichnet. Jetzt wird klar, dass er eine Leitlinie für die Bildungspolitik dieser Bundesregierung gesetzt hat. Mit der Einführung der Studiengebühren wird vermutlich der Anfang gesetzt – auf Kosten der Lebenschancen von jungen Menschen in diesem Lande! Ein wahrlich trauriger Tag, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.37

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Minister! Hohes Haus! Ich glaube, es ist angemessen, mit der gebührenden Ernsthaftigkeit den Plan, Studienbeiträge einzuführen, abzuhandeln, und nicht Verhetzung und Verunsicherung zu betreiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Was war die Ausgangslage dieser Bundesregierung? Eine Bilanz zeigt: Das Budget ist schnell und nachhaltig zu sanieren. Alle bisherigen Analysen haben nicht die volle Wahrheit an den Tag gebracht. 100 Milliarden gehen jährlich zur Tilgung von Zinsen auf, 160 Milliarden zur Finanzschuldenrückzahlung; also das extra noch einmal. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der


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Gesamtschuldenstand ist 64 Prozent des BIP, wir nehmen damit den viertletzten Platz in Europa ein – die EU-Regel ist 60 Prozent –, und mit 1,7 Prozent Defizitquote liegen wir bei den Eurostaaten an letzter Stelle.

Ich will das in Erinnerung bringen, damit uns klar ist, dass wir die Budgetfrage nicht fahrlässig leichtfertig behandeln können. Nehmen wir dazu im Vergleich ein Budgetmusterland: Finnland – übrigens ein Land, das Studienbeschränkungen und Studiengebühren verlangt – lebt von einem Budgetüberschuss, dieser beträgt gegenwärtig 2,5 Prozent, er wird nächstes Jahr weiter steigen. 30 Milliarden des Budgetüberschusses gehen in Forschung und Entwicklung. Hiermit zeigt ein Land, wie eine wissensbasierte, wissenschaftsorientierte Gesellschaft budgetiert und mit ihren Mitteln umgeht. Das ist auch unser Ziel, dahin wollen wir kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat einige Zahlen genannt und zur weiteren Budgetverbesserung eine Expertengruppe eingesetzt. – Eine sehr diskrete und zurückhaltende, aber professionelle Art. Wir wissen nicht alles selber. Von dieser Expertengruppe wurden seit dem Sommer einige Vorschläge zur sozialen Treffsicherheit beziehungsweise Gerechtigkeit publiziert, unter anderem der mit dem ehemaligen Koalitionspartner SPÖ vorgeschlagene Entfall der Familienbeihilfe für Studierende. In dieser Expertengruppe arbeitete auch wieder Bernd Marin, der den Vorschlag wiederholt hat: keine Familienbeihilfe ab dem zwanzigsten Lebensjahr, also Entfall von 2 700 S monatlich, egal welches Einkommen, egal welcher Sozialstandard anzutreffen ist.

Meine Damen und Herren! Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe ich bereits nachzudenken begonnen beziehungsweise habe in meinem Klub eine Diskussion über Studienbeitragsleistung mit wissenschaftspolitischen Kollegen fortgesetzt. Mit Dieter Lukesch und Ex-Minister Einem waren wir bereits sehr weit in der Diskussion über Studienfinanzierung, sind aber nicht zu einem Ergebnis gekommen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben den Dialog nicht abgebrochen. Ich bin sehr froh, dass diese Bundesregierung den Dialog im Zusammenhang mit Treffsicherheit wieder aufgenommen und einen Vorschlag gemacht hat, wie alle Bevölkerungsgruppen gemäß ihrer sozialen Leistungsfähigkeit einen Beitrag zur Budgetsanierung leisten können.

Die Bundesregierung hat gemeinsam mit der Expertengruppe diese Vorschläge vorgelegt und im europäischen Vergleich diskutiert, und ich muss Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ und von den Grünen, doch nicht in Erinnerung rufen, dass wir uns darin mit europäischen Ländern messen, die alle – mit Ausnahme von Luxemburg – Studienzugangsbeschränkungen, ob das Gebühren sind, Einschreibetaxen oder Prüfungen, Numerus Clausus oder sonstiges, kennen. Also wir sind bis jetzt mit Luxemburg das einzige Land, das keine Beschränkung im Hochschulzugang kennt.

Eine Frage dazu: Warum sind wir da noch nicht besser in der Akademisierungsquote? Warum sind wir noch nicht besser in anderen Hochschulbereichen? An Beiträgen kann es also nicht liegen, denn längst ist es unumstrittene These, dass das Studium beziehungsweise Bildung als gemischtes Gut, als öffentliches und als privates, durchaus mit Eigenfinanzierungsanteilen geleistet werden kann.

Die Treffsicherheitsgruppe – oder wie immer sie auch mit einem Arbeitsvokabel bezeichnet wird – hat unter Bernd Marin auch ausgeführt: Der Kindergarten in Österreich ist nicht gratis, der Zugang zur Uni schon. – Da stimmt etwas nicht in der Sozialbalance, meine Damen und Herren. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Daraufhin hat die SPÖ in Wien gesagt: Nein, nein, den Kindergarten können wir nicht gratis machen. Der muss etwas kosten. Also kann doch die Balance nur so hergestellt werden, indem man auch eine Einladung zur Beitragsfinanzierung an den Universitäten ausspricht, oder ich habe etwas nicht verstanden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Dass es ein diesbezügliches Musterbundesland in Österreich gibt, nämlich Niederösterreich, das in der Kinderbetreuung de facto nur einen kleinen Material- und Essensbeitrag kassiert, das verschweigen Wien und die anderen Bundesländer gerne.

Meine Damen und Herren! Längst ist auch Minister außer Dienst Einem einem Missverständnis aufgesessen und kann desselben überführt werden: dass nämlich die Berufstätigkeit bei Studierenden nicht allein aus dem Motiv der Lebensunterhaltssicherung nachzuweisen ist, sondern – das weiß man, wenn man den Hochschulbericht und den Bericht zur sozialen Lage liest – auch, um Berufspraxis und Berufserfahrung zu sammeln. Das ist ein wichtiges Motiv, das wir förderungswürdig finden. Inwiefern, das kommt noch in dem Maßnahmenpaket in Form des Entschließungsantrages zum Ausdruck, den Kollege Amon einbringen wird, das heißt neue Anstrengung für die Jahresdurchrechnung von studentischen Arbeiten.

Wahrscheinlich kann mit diesen Maßnahmen auch gezeigt werden, dass manches, das an der Universität von der ÖH jetzt kritisiert wird – Herr Professor Van der Bellen wird mir Recht geben –, auch ungerechtfertigt ist, denn so ein schimmeliger Billa-Laden, wie jüngst ausgeführt, sind wir, das heißt die Unis, noch lange nicht. Diese Kritik entsteht, weil wir über eine ungenaue Statistik verfügen und alle Inskribierten als Studierende gezählt werden, später dann teilweise als Drop-outs und als faule Prüflinge, weil natürlich die Einladung: Schaut mal vorbei! Lasst euch mal einschreiben! auch immer wieder ausgesprochen wird. Ich bin sehr froh, dass wir mit dem Umbau der Studienfinanzierung auch eine statistische Bereinigung machen können.

Dass damit auch das Tempo der Reform des Dienstrechtes, des Besoldungsrechtes, des Budgetrechtes, des Organisationsrechtes beschleunigt wird, ist selbstverständlich.

Jeder von uns würde gerne hier sagen: Liebe Studierende, wir geben euch etwas! – Aber das können wir vielleicht tun, wenn das Budget saniert ist und wir mit vollen Kassen da stehen.

Zum Abschluss noch eine Erinnerung an den Anfragesteller, Minister a. D. Einem. Er hat in der "Presse" vor einigen Tagen Bilanz gezogen und seine Ministertätigkeit nicht besonders gut beurteilt. Er hat gesagt: Eigentlich ist die Uni-Entwicklung in den letzten Jahren verfehlt gewesen beziehungsweise sogar gescheitert. Er bezieht in diese Scheiternsbilanz auch die Reformpolitik der Ministerin Firnberg mit ein, was mich sehr wundert.

Ein Element des Scheiterns ist offenbar auch, dass wir, dass Sie aufgehört haben, über die sozialverträgliche Studienfinanzierung zu reden. Die ÖVP war bereit, das Programm für die Enquete war fertig, es lag damals an der SPÖ. Daher ist die These vom Überfallsartigen ein Mythos. Ich bin sehr froh, dass wir nun neuerlich in die Diskussion eintreten, die für uns nie abgebrochen war. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Gleiche Redezeit. – Bitte.

15.45

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mich eigentlich etwas gewundert, da ich in den Medien seit gestern verfolge, dass die Grünen einen Dringlichen Antrag einbringen werden, und ich jetzt eine Anfrage der SPÖ vorliegen habe, die in ihrer Begründung äußerst dünn ist und auch in der Fragestellung eher auf die kurzfristige Zurechtzimmerung abgestellt ist.

Dass die Grünen sich offensichtlich in der Geschäftsordnung nicht auskennen, die sie selber beschlossen haben, und jetzt Opfer ihrer Geschäftsordnung geworden sind, verwundert mich nicht. Chaos macht sich bei Ihnen in allen Belangen breit. Ich unterstelle Ihnen nicht die Absicht, dass Sie versuchen wollten, die Parlamentsdirektion mit zu wenigen Unterschriften hinters Licht zu führen. Aber es ist gut und wichtig, dass wir dieses Thema heute auf dem Tisch haben. (Abg. Öllinger: Besser Chaos als Ihre Ordnung!)


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Die Bildungspolitik der Marke SPÖ der letzten 30 Jahre ist auf dem Tisch, und ich bin auch dankbar, dass die ehemalige Bundesministerin für Wissenschaft Firnberg diesbezüglich angesprochen wurde. Was ist denn die Ausgangslage gewesen? – Ich habe das hier in diesem Haus schon öfters gesagt. Damals herrschte eine ideologisch motivierte Situation vor, und der Herr Kollege Niederwieser, der als Wissenschaftssprecher heute nicht spricht, weil er offensichtlich anderer Meinung ist als die SPÖ, wird mir Recht geben. Damals hat man versucht, den 5-prozentigen Anteil der Kinder von Arbeitern an den Universitäten anzuheben. Das ist offensichtlich gescheitert. Es gibt nach wie vor – das hat der Bericht der sozialen Lage voriges Jahr ergeben – lediglich 6 Prozent von Arbeiterkindern an den Universitäten, und das war auch die sozialistische Politik.

Zur sozialen Lage der Studenten. Nicht Arbeiterkinder studieren heute, so wie geplant, sondern Studenten müssen arbeiten gehen, um studieren zu können, und arbeitslose Akademiker wurden produziert, am Markt wurde vorbeiproduziert. (Zwischenrufe der Abg. Dr. Lichtenberger. ) In den sozialpädagogischen, Grund- und Integrativwissenschaften oder anderen Berufen wurden sehr viele Studenten gezählt, während die Republik Österreich zum derzeitigen Zeitpunkt Techniker braucht, in den new economies ausgebildete Leute. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das wurde in Wirklichkeit verabsäumt.

Wenn die Bildungspolitik der SPÖ – und viele Abgeordnete der Grünen kommen ja aus der SPÖ – am Prüfstand steht, dann darf man nicht vergessen, dass die Akademie der Wissenschaften vor nicht allzu langer Zeit ein Alarmsignal losgelassen hat, und zwar im Jahre 1998/99, als sie festgestellt hat, dass in Österreich 300 000 erwachsene Menschen weder lesen noch schreiben können, dass 300 000 Österreicher nicht einmal imstande sind, Nachrichtensendungen im Rundfunk zu verstehen oder eine Stellenanzeige zu lesen. 300 000 Analphabeten – erwachsene Menschen! – gibt es in Österreich unter der sozialistischen Bildungspolitik der letzten 30 Jahre. – Ein Armutszeugnis für diese Bildungspolitik! Das hat sicher nichts damit zu tun, dass es keine Studiengebühren gegeben hat, sondern das war im Wesentlichen eine verfehlte Bildungspolitik, und das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

An dieser Stelle möchte ich einmal die Ehrlichkeit in der Politik ansprechen. Namhafte Vertreter wurden zitiert, die sich für Studiengebühren ausgesprochen haben – auch innerhalb der SPÖ, namentlich auch der ehemalige Wissenschaftsminister und heutige Abgeordnete Einem, der auch den Studiengebühren das Wort geredet hat, der dann allerdings ein Tabu verordnet hat.

Das Schlimmste, was man in einer entwickelten Gesellschaft machen kann, ist, Sprechverbote beziehungsweise Denkverbote zu verhängen, doch hier gab es ein offizielles Sprech- und Denkverbot. Aber wir kennen alle die unzähligen Interventionen von Hochschulprofessoren, von Mittelbauprofessoren, von Eltern, von Leuten aus der Bevölkerung, von Politikern, die hinter vorgehaltener Hand immer gefordert haben: Studiengebühren sind das Steuerungsinstrument, das auch eingesetzt werden soll. – Sozial verträglich. (Abg. Dr. Lichtenberger: Was steuern Sie dann?)

Ich habe – und das ist der Punkt zur Ehrlichkeit – bereits im Jahre 1999, und zwar am 24. August 1999, in der "Presse", also noch vor den Wahlen – nicht nach den Wahlen und auch nicht im Zuge der Koalitionsverhandlungen! –, den Standpunkt vertreten – und ich zitiere wörtlich aus der "Presse" –:

"Der freiheitliche Wissenschaftssprecher kann sich Studiengebühren unter gewissen Rahmenbedingungen vorstellen. Studenten, die die geforderten Leistungen termingerecht erbringen, sollten unabhängig vom Einkommen der Eltern wirklich gefördert werden. Wer das Studienziel in einer angemessenen Zeit erreicht, sollte nichts zahlen. Jene Studenten, die aber die Semester ohne Prüfung verstreichen lassen, sollten kräftig zur Kasse gebeten werden." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das war freiheitliche Politik schon vor den Wahlen, und es war daher auch kein Geheimnis! (Abg. Öllinger: Das ist aber etwas anderes! – Abg. Ing. Westenthaler: Nein, nein! Das ist


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schon das!) Wir haben es nicht so gehalten wie die SPÖ, die sogar die Familienbeihilfe senken wollte, nur um die "heilige Kuh", nämlich Studiengebühren, nicht antasten zu müssen. Und im Wesentlichen hat auch die SPÖ im Koalitionspakt mit der ÖVP, der nicht zustande gekommen ist, Studiengebühren paktiert gehabt. Tun Sie nicht so überrascht! (Abg. Dietachmayr: Was nicht zustande kommt, Herr Jurist, gilt nicht!) Sie waren sich genauso wie der seinerzeitige Wissenschaftsminister Einem klar darüber, dass Studiengebühren letztendlich kommen müssen. Sie müssen allerdings sozial ausgewogen eingeführt werden. (Abg. Dietachmayr: Als Jurist müssen Sie wissen: Was nicht zustande kommt, gilt nicht!)

Das Rektorenpapier zur Ausgliederung der Universitäten oder zur erweiterten Autonomie oder Schwarzbuch oder wie immer man es auch nennen möchte, hat im Wesentlichen den Stein ins Rollen gebracht. Die Rektoren haben sich darin nämlich eindeutig für und positiv zu Studiengebühren geäußert und alle negativen Meinungen diesbezüglich mit Argumenten entkräftet. (Abg. Dr. Kostelka: In den heutigen Zeitungen steht es aber anders!) Letztlich hatten die Rektoren allerdings nicht den Mut, im Rahmen der Ausgliederung autonom für jede Universität eine solche Regelung vorzunehmen (Abg. Dr. Kostelka: Die Frau Bundesministerin hat auch etwas anderes gesagt!), sondern haben gemeint, dass in einem Gesetz zur Ausgliederung eine Bestimmung, wonach jede Universität selbst entscheiden könne, ob sie Studiengebühren einhebt oder nicht, nicht enthalten sein sollte. (Abg. Dr. Kostelka: Zuerst nehmen wir Ihnen das Geld weg und dann schicken wir sie in die Freiheit!)

An anderer Stelle haben sie gesagt, es müsse eine obligatorische Angelegenheit sein, der Gesetzgeber sei gefragt. Und der Gesetzgeber hat reagiert. Wir beweisen auch in dieser Frage Mut und verstecken uns nicht hinter Scheinargumenten. (Abg. Dr. Kostelka: Das war die ÖVP! Wir haben das nie gesagt! ... Das war unser damaliger Koalitionspartner!)

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Studieren ist keine soziale Frage, sondern immer eine Frage der Leistungswilligkeit, der Leistungsfähigkeit für ein Studium. Wer studieren möchte, wird das auch in Zukunft können, und wir werden ihn dabei unterstützen. Geld wird nie eine Rolle spielen. Es wird im Gegenteil immer so sein, dass wir Studenten, die in Zukunft ihre Leistungen erbringen, auch entsprechend fördern, sodass sie nicht wie heute offiziell zu weit über 67 Prozent arbeiten gehen müssen, damit sie sich ihr Studium leisten können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Die Uhr ist auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

15.53

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Kollege Graf hat schon Recht: Wir hätten gerne einen Dringlichen Antrag eingebracht, und dieser Sache ist nicht nur die Geschäftsordnung entgegengestanden, sondern auch der Wille und die Toleranz unseres Oppositionspartners abhanden gekommen (Abg. Ing. Westenthaler: Oppositionspartner ist gut! Ihr seid ja schon eins!), wobei ich mich schon etwas über den Mut wundere, etwas als Dringliche einzubringen, zu dem ich, ohne lange zu suchen, ein Zitat in dem nicht zu Ende geführten SPÖ/ÖVP-Pakt finde. (Abg. Dr. Kostelka  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler –: Was sind wir? – Abg. Haigermoser: Oppositionskoalition!) Ich zitiere: Universitäten sollen die Möglichkeit bekommen, "für spezielle Angebote" und "Gruppen" autonom "Beiträge" einzuheben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka. )  – Sagen wir vielleicht Oppositionskollegen oder -kolleginnen. Ist das genehmer? Dann wähle ich diesen Ausdruck.

Aber, um es kurz zu machen: Wenn man unbedingt etwas lernen möchte, ist es das, dass das gesprochene Wort nicht lange hält. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege Grünewald! Oppositionskoalition, da sind Sie aber der Juniorpartner! – Abg. Dr. Petrovic  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler –: Seien Sie doch einmal ruhig!)

Das Prinzip Hoffnung ist auch bei Studiengebühren etwas, das – um Schüssels Worte zu gebrauchen – anscheinend "enden wollend" ist. Man hat versucht, Selbstbehalte im Gesundheits


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system einzuführen, um das System zu sanieren. Ähnlich geht es nun bei den Universitäten: Man versucht nun, flugs Selbstbehalte, also Studiengebühren einzuführen, um ein System zu reformieren, für das Studenten nicht zur Verantwortung zu ziehen sind. (Beifall bei den Grünen.)

Die Schwächsten im System – es ist ganz so wie bei der Krankensteuer – sollen nun Österreichs Universitäten zur Europareife bringen, finanzieren nun die seit Jahren versprochene Technologiemilliarde aus ihren eigenen und aus ihrer Eltern Taschen. Das finde ich großartig! Das finde ich umwerfend! Das ist "Politik neu"! Das ist "Speed kills" und was auch immer mehr. (Beifall bei den Grünen.)

Die Eintönigkeit dieser Phantasie wird letztlich nur mehr durch Kaltschnäuzigkeit und eine, ich sage vorsichtshalber, "ausgeprägte intellektuelle Schwäche" übertroffen. Ich werde das auch begründen.

Beginnen wir mit einem schnellen Blick in die – noch! – unabhängige Medienlandschaft und in die APA. Ich zitiere:

Bundeskanzler Schüssel im "Kurier" vom 27. Mai 2000: "Und so beteuert der Kanzler, dass sich die Regierung Studiengebühren ,nicht vorgenommen‘ habe und plädiert für den ,Aufstieg durch Bildung‘."

Schüssel in den ORF-Sommergesprächen, 11. September 2000: "So attraktiv ist es nicht, Student in Österreich zu sein. Da müssen die Eltern kräftig mitzahlen. Die Hälfte der Studenten muss dazuverdienen, damit sie überhaupt das Studium einigermaßen über die Runden bringt."

Schüssel-Meldung in der APA vom 19. September 2000 – das nennt man Trendwechsel! –: "Schüssel bezeichnete am Dienstag im Ministerratsfoyer die Einführung der Studiengebühren als ,sehr vernünftige und sozial gerechte Lösung‘." Und weiters: "So erwartet Schüssel auch Verständnis seitens der Bevölkerung und der Studenten für das Vorgehen der Regierung."

Warten Sie nur, warten Sie nur! Aber mit "Speed kills" hat Warten nichts zu tun. Ich glaube, "Speed kills" wird siegen.

Die Wissenschaftssprecherin der ÖVP, Gertrude Brinek, in der APA vom 20. März 2000: "Österreich drohen keine Studiengebühren. Der Bildungsgang von der Volksschule bis zum akademischen Abschluss wird auch weiterhin von der Gesellschaft getragen werden." (Abg. Ing. Westenthaler: Der glaubt, er hält eine Vorlesung!)  – Wer ist die Gesellschaft? Die StudentInnen allein und ihre Eltern? (Abg. Dr. Brinek: Mit!)

Da äußert sich Klubobmann Khol viril schon deutlich ungeschminkter und weniger schüchtern, allerdings unter der bezeichnenden Überschrift der APA "Universitäten Finanzen Budget ÖVP Burgenland" – was immer das auch bedeutet –:

"Für ÖVP-Klubobmann Andreas Khol sind die geplanten Studiengebühren ein ,legitimes Mittel‘ in einer großen Palette von Maßnahmen zur Budgetsanierung. ... ,Neue Ziele verlangen neue Mittel.‘ Das Sparprogramm könne auch vor den Universitäten nicht Halt machen." 

Ist das nicht eine relativ erbärmliche Interpretation einer vollmundig angekündigten Bildungs- und Forschungsinitiative der Bundesregierung? (Beifall bei den Grünen.) Ich bin froh, dass Sie jetzt nicht den Kopf schütteln, Sie beginnen allerdings bereits damit.

Wo gehobelt wird, da fliegen Späne. Da setzt er seinen Hobel an und hobelt alle gleich. (Abg. Dr. Khol: Das habe ich nicht gesagt!)  – Das ist jetzt nicht von Ihnen, sondern von Ferdinand Raimund, und handelt vom Gevatter Tod. Nun, Vater Klubobmann verweist in dieser APA-Aussendung darauf, "dass ein Student pro Jahr 200 000 bis 300 000 S koste." – Herr Professor Khol irrt aber.

Ich zitiere: "Die inflationsbereinigten Kosten pro Student sind seit 1970 um ein Viertel gesunken, im Vergleich zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (BIP)" – also gemessen am BIP –


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"sogar um zwei Drittel." – Sie glauben mir nicht? Raten Sie, woher ich das habe? (Abg. Dr. Khol: Hochschulstatistik!) Von der Homepage des Bildungsministeriums, aus der Studie "Der gebührenfreie Hochschulzugang und seine Alternativen", heruntergeladen gestern, am 19. September. (Abg. Ing. Westenthaler: Und zwar gebührenfrei!) Schauen Sie nach, ob Sie das morgen auf dieser Homepage noch finden! Das wäre dann ein Zeichen, wie vorsichtig man mit Wissenschaft umgeht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Öllinger: Speed kills!)  – Speed kills!

Dort hätte Herr Klubobmann Khol nachlesen können, dass die jährlichen institutionellen Kosten pro StudentIn in Österreich "im Schnitt 40 000 S betragen" und daher unter dem Preis, den Schüler, mit Ausnahme von VolksschülerInnen, kosten, liegen. So "teuer" sind die StudentInnen! (Abg. Dr. Khol: Das sind aber nicht alle Kosten!)  – Auch wenn man die anderen Kosten dazurechnet – Sie haben sich hier um den Faktor 5 bis 7 geirrt. Das ist ganz kräftig!

Rechnen Sie noch die Transferleistungen des Staates von zirka 40 000 S im Jahr dazu, kommen wir auf 80 000 S. Das ist eine Irrtumsrate oder ein Abweichen von der Wahrheit, Herr Klubobmann Khol, die immerhin noch 300 Prozent beträgt. Wenn Ihnen das nicht genügt, weiter herunter komme ich nicht mehr. (Beifall bei den Grünen.)

Aber lassen wir Herrn Professor Khol nachdenken und setzen wir fort mit Frau Bundesministerin Gehrer. Ich sage ganz offen, es tut mir Leid, dass ich Sie aus der APA vom 31. Juli 2000 zitieren muss:

"Bei Mehrfachstudien sind für Gehrer Studiengebühren denkbar, ein Erstabschluss müsse aber frei bleiben."

Gehrer im Streitgespräch mit Rektor Hansen und mir im "profil-Extra" vom September 2000:

"Warum man von Seniorenstudenten nichts verlangen soll, ist mir nicht einsichtig. ... Auch für ein Zweit- oder Drittstudium könnte man durchaus etwas verlangen." – Von einem Erst- und Grundstudium war damals – und das ist ja nicht ewig lang her – nicht die Rede.

Ich frage mich jetzt – und daraus mag vielleicht eine gewisse Sympathie für sie abgeleitet werden –: Wer hat Gehrer eines Schlechteren belehrt? Wer zwang Gehrer zum Umdenken? Wo sind die Schattenminister, wo das Schattenkabinett, die mächtigen Zuflüsterer? – Die wohlhabenden Besserwisser aus Wirtschaft und Industrie? Ist es nicht verdächtig, dass ein Ministerrat, wenige Tage nach Ankündigung der Wirtschaft und der Industriellenvereinigung, sie hätten Studiengebühren noch einmal intensiver geprüft, wenn nicht eingeführt, etwas plant, was also nun auf Zuruf verwirklicht werden soll?

Wo machen Sie Ihre Kniefälle? – Bei Wallfahrten dürfen Sie sie machen, aber machen Sie sie nicht vor einer Klientel, die in der Lage ist, ihre Kinder ganz anders zu fördern als Durchschnittseltern in Österreich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vor wenigen Wochen wurde in der "Tiroler Tageszeitung" ein Spitzenmanager von Böhler-Uddeholm mit folgendem Satz zitiert:

"Für den Wert der Ausbildung ihrer Kinder werden Eltern in Zukunft empfindlichere Opfer bringen müssen."

Wenn sich dieser Spitzenmanager empfindlichere Opfer erwartet, sage ich Ihnen: Mit 10 000 S wird dieser Herr vielleicht manchmal bei seiner Restaurant-Rechnung nicht auskommen. Das war aber in den Medien nicht nachzulesen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich setze nun fort mit einem Sinnspruch aus dem Schatzkästlein des Wirtschaftsbund-Generalsekretärs Karlheinz Kopf vom 19. September 2000, OTS: "Was getan werden muss, das muss man auch tun." – Man sollte aber dazusagen: Wenn man etwas tut, sollte man vorher auch denken. Und wenn ich jetzt nachschaue, was er meint, dass er nämlich glaubt, dass Studiengebühren die "Universitäten auf Europaniveau bringen" sollten, würde ich ihn doch bitten, seinem


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Familiennamen Kopf die Ehre zu erweisen und zu zeigen, mit welchen Fähigkeiten er zu diesen Schlüssen und zu dieser Sicherheit kommt. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Ganz zum Schluss: Ich bitte Sie wirklich, unterschätzen Sie den Hausverstand von angehenden Akademikern nicht! Wenn Sie beschließen, Studierenden die Hose auszuziehen – und das machen Sie mit Sicherheit –, und dann vage andeuten, dass ein Bruchteil von ihnen mit einem Lendenschurz abgespeist wird, ist das keine Methode, Treffsicherheit zu erreichen. (Abg. Dr. Mertel: Mit Socken!) Sie haben Ihr Wort gebrochen, Sie haben Resultate vieler wissenschaftlicher Expertisen in den Wind geschossen – Enttäuschung und Unmut der Betroffenen ist Ihnen sicher!

Aus "Verantwortung für Österreich" ist für mich etwas geworden, was sich teilweise auf Krawatten reduziert, und ich finde das tragisch. Ich warte nur, bis der Erste – ich sage jetzt keine Namen – im Kostüm des Bundesadlers hier aufkreuzt, um seinen Patriotismus und seine Vaterlandstreue unter Beweis zu stellen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Die Regierung bricht Ihr Wort bei den Schwächsten! Und dass sich verlorene Unschuld Schuld nennt, sollten Sie sich in Ihr Stammbuch schreiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Antoni –: 300 000 Analphabeten, was sagen Sie dazu? Arbeitslose Akademiker, was sagen Sie dazu?)

16.04

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Diese Bundesregierung führt bedauerlicherweise einen bisher noch nie da gewesenen Kahlschlag, ja eine Kampagne gegen das österreichische Bildungswesen durch, gegen Schüler, gegen Lehrer, gegen Eltern und somit gegen den Wirtschaftsstandort Österreich.

Die Qualität unseres wohl und gut durchdacht entwickelten Bildungswesens wird in Frage gestellt, und es ist in der Tat zu fürchten, dass unsere Schulen an Qualität verlieren werden. – Das ist die Meinung der Opposition, das ist aber auch – und das möchte ich unterstreichen – die Meinung einer Reihe von Bildungsexperten aus anderen politischen Lagern.

Lassen Sie mich hier nur ganz kurz aus dem "Kurier" vom 14. September zitieren. Herr Präsident Fenz, Präsident des Katholischen Familienverbandes, sagt darin: "Weitere Sparmaßnahmen am Humankapital Bildung wären ein versuchter Mord an der Entwicklung unserer Gesellschaft." – Also Sparen bei Bildung ist Mordversuch an der Gesellschaft.

Und der uns allen bekannte und auch in unseren Kreisen sehr geschätzte Landesschulratspräsident von Oberösterreich, Herr Riedl, sagt in derselben Ausgabe:

"Erhöhen wir das Verhältnis Lehrer zu Schülern, wird sich einerseits die Bildungsqualität verschlechtern. Andererseits ist es dann unvermeidbar, dass einige Lehrer zumindest vorübergehend arbeitslos werden – und dann das Sozialbudget belasten." – Zitatende.

Und die nächste Belastungswelle, meine Damen und Herren, ist schon in Vorbereitung. Wie mit den Studiengebühren verhält es sich offenbar auch mit der geplanten Abschaffung der Gratisschulbücher. Vor wenigen Tagen war im "WirtschaftsBlatt" vom Bildungssprecher der FPÖ – ihr kennt das alle – zu lesen (Abg. Öllinger: Seit wann gibt es in der FPÖ einen Bildungssprecher?): "Gratisschulbücher gehören sofort abgeschafft." – Niemand von den Regierungsparteien


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hat bisher reagiert, also ist für uns klar: Sie setzen Ihre Politik fort, dass Bildung immer mehr von Schülerinnen und Schülern, deren Eltern und von den Studierenden selbst zu bezahlen ist.

Ist das Ihre soziale Treffsicherheit? – Sie bezeichnen es so. Wir sagen, dass es ganz bestimmt nicht so ist.

All diese und weitere geplante Einsparungen im Bildungsbereich führen geradewegs neuerlich zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, und das leider auch an den Schulen Österreichs. Unter dieser Regierung geht es in Richtung einer Gesellschaft, in der sich der finanziell abgesicherte Teil der Bevölkerung Bildung wird leisten können, der restliche Teil der Bevölkerung aber nicht, denn wenn für solide Bildung gezahlt werden muss, werden einkommensschwächere Schichten sich das eben nur schwer leisten können.

Hohes Haus! Das ist der Beginn eines unheilvollen Weges in eine Bildungssackgasse. Der kostenlose Zugang zur Bildung, einschließlich der Universitäten, einschließlich der Gratisschulbücher gehört unseres Erachtens zu den wichtigsten familien- und bildungspolitischen Errungenschaften und Maßnahmen, die seinerzeit von der SPÖ-Regierung eingeführt wurden. Das waren entscheidende Beiträge zur Chancengerechtigkeit im Bildungswesen.

Heute drohen Verschlechterungen! Mehr Schülerinnen und Schüler werden in Hinkunft gezwungen sein, berufstätig zu werden, weil ihre Eltern die weitere Ausbildung kaum finanzieren können werden. Sämtliche bildungspolitischen Errungenschaften werden damit in Frage gestellt.

Schon jetzt, Hohes Haus, sind die unüberlegten und phantasielosen Maßnahmen an allen Schulen Österreichs zu spüren: weniger Förderunterricht, Entfall unverbindlicher Übungen an einer Reihe von Schulen, Schulversuche sind gefährdet, weil das Personal nicht mehr bezahlt werden kann, Kleinschulen in besonders strukturschwachen und ländlichen Regionen stehen vor ihrer Schließung, die Integration von Behinderten, von Ausländerkindern könnte auf der Strecke bleiben.

Noch schlimmer, meine Damen und Herren, ist die Situation – auch zu Beginn dieses Schuljahres – im berufsbildenden Schulwesen und im Bereich der AHS: Jahrgangsklassen mit weit überhöhten Schülerzahlen, Tausende Schülerinnen und Schüler sind auf der Suche nach Schulplätzen. Die Eltern klopfen da an, klopfen dort an. Manche Schüler finden noch einen Platz. Die Mehrzahl wird abgewiesen. Ich frage mich: Was hat unsere Berufsorientierung, was hat unsere Bildungslaufbahnberatung für einen Sinn, wenn der Schüler letztlich irgendwo unterkommt, oft in einer Schule, für die er gar nicht geeignet ist? Genau diese Situation führt in der Folge zu den enorm hohen Drop-out-Raten.

Auf der anderen Seite haben wir Tausende Junglehrer, die Arbeit suchen, haben wir eine Reihe von Lehrern mit Sonderverträgen, die Gefahr laufen, dass ihre Verträge nicht verlängert werden.

Hohes Haus! All das führt zu einem massiven Qualitätsverlust an unseren Schulen. Lassen Sie es mich an einem ganz kleinen Beispiel demonstrieren. Auf diesem Taferl (der Abgeordnete hält eine Tafel in die Höhe)  – ich habe mir erlaubt, auch einmal eines zu machen – können Sie sehen, dass in der Phase, als sozialdemokratische Bildungsminister die Verantwortung in unserem Bildungswesen hatten, die Anzahl jener Jugendlichen, die nach der Pflichtschule eine weiterführende Schule besucht haben, von 80 auf 99 Prozent gestiegen ist. Also nur ein Prozent ist im Jahr 1993 – in der Schulstatistik des Unterrichtsressorts nachzulesen – nach der Pflichtschule in keine weiterführende Schule gegangen. Seit dem Jahre 1994 geht diese Kurve herunter. Wir sind wieder knapp bei 10 Prozent. Die strichlierte Linie soll die von mir genannte Sackgasse verdeutlichen. Seit 1994 sind ÖVP-Minister für Bildung verantwortlich.

Meine Damen und Herren! Bildung darf in der Entwicklung nicht nach rückwärts gerichtet sein. Jahrelange Diskussionen und Planungen von Bildungsexperten werden beiseite gewischt, sinnvolle Vorschläge werden einfach ignoriert, die Bedürfnisse der Betroffenen werden übergangen.


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Meine Damen und Herren der Regierungsparteien! Überdenken Sie daher Ihren Kahlschlag des Bildungswesens! Österreichs Jugend und Österreichs Wirtschaft werden es Ihnen danken. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. Redezeit 10 Minuten. – Bitte.

16.13

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin einige Male angesprochen worden, und ich habe mir auch gedacht, dass es genauso laufen wird, obwohl Abgeordneter Einem und Frau Abgeordnete Kuntzl, die eigentlich die Begründer und Erstredner bei dieser Dringlichen Anfrage gewesen sind, gar nicht mehr im Saal sind. Ich hätte mir eigentlich gedacht, dass wir einen parlamentarischen Dialog führen und dass wir Argumente miteinander austauschen. (Beifall bei der ÖVP.)

Erster Punkt: Es ist einfach nicht richtig – und ich möchte das mit Entschiedenheit zurückweisen –, dass ich gesagt hätte, Bildungspolitik sei ein "Mickymaus-Thema". Im Gegenteil: Für uns ist Bildungspolitik eines der wichtigsten Themen überhaupt, und mich stört, offen gestanden, dass man ständig von "Humankapital" redet. Es geht um Menschen – und um nichts anderes, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Ein wenig würde ich schon auch darum bitten, dass wir in der Wortwahl bei der Mitte des Weges bleiben. (Abg. Dr. Antoni: Ich habe zitiert!) Es ist nicht wahr, dass jetzt auf einmal der Standort Österreich "in Gefahr" gerät, dass ein "Mord am Bildungssystem" geschieht, dass es zu einem "Skandal" kommt, dass "kaputtgespart" wird, dass ins "Gesicht gelogen wird" und so weiter.

Darf ich einmal, was mich betrifft, die angebliche Lüge entlarven. Ich bin nämlich derjenige, der immer gesagt hat, man wird für die Zukunft über Themen wie Studienbeiträge reden müssen. Jeder, der hier im Hause sitzt, weiß das. Ich habe das auch einige Male bei Verhandlungen eingebracht, wir haben auch in der Koalitionsvereinbarung, die nicht verwirklicht wurde, den Weg für solche Studienbeiträge für spezifische Lehrgänge – das waren schwierige Verhandlungen – festgehalten.

Es ist wahr, dass von Ihrer Seite massiv die Abschaffung der Familienbeihilfe für Studenten thematisiert wurde. Das soll auch einmal gesagt werden. Für die Studenten ist es völlig gleichgültig, ob sie pro Jahr 30 000 S oder über 30 000 S durch die Streichung der Familienbeihilfe verlieren und dafür der angeblich freie Hochschulzugang ohne Numerus clausus – der bleibt sowieso – gewahrt bleibt, ebenso die Schimäre, dass Studieren nichts kostet, was natürlich nicht wahr ist. Die Gesellschaft investiert in jeden Studenten, und richtigerweise investiert sie in jeden Studenten, Herr Professor, zwischen 100 000 S und 250 000 S, je nachdem. Es gibt sehr unterschiedliche Studienrichtungen, es kommt darauf an, ob Laborplätze oder nicht Laborplätze, und darauf, ob man die Karteileichen hereinrechnet oder nicht. Pro Student investiert die Gesellschaft 100 000 S bis 200 000, 250 000 S.

Was habe ich nun wirklich bei dieser Diskussion mit Schülern, die ja einige Male zitiert wurde, gesagt – heute übrigens nachzulesen im "Standard" –: Ich bin ein Ökonom. Alle Ökonomen halten stärkere Gebührenfinanzierung öffentlicher Leistungen für richtig. Das muss nicht kostendeckend sein, also etwa 10 000 S pro Student und Jahr. Die Diskussion wird dennoch kommen, sie wird aber von den Unis zu führen sein. Politisch haben wir Studiengebühren alleine nicht vor.

Die Rektoren haben uns dann gesagt, da muss die Politik entscheiden. Jetzt entscheidet die Politik. Das jetzt als einen Richtungswechsel darzustellen, ist einfach nicht korrekt. Ich sage das hier sehr offen. Ehrlicher und offener kann man eine solche Frage gar nicht diskutieren, und ich stehe dazu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Argument der Frau Bildungsminister ist ja bestechend. Wenn es heute für Kindergärten einen Kostenbeitrag pro Monat zwischen 1 000 S und 3 000 S in manchen sozialdemokratisch


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geführten Bundesländern gibt, dann kann es bitte nicht ein "Mord am Bildungssystem" sein, wenn einem angehenden Akademiker 5 000 S pro Semester zugemutet werden, deren Finanzierung möglich ist, wenn ein Stipendium gegeben wird, was wir ausbauen wollen, wenn ein kostenloser Kredit angeboten wird, der zurückgezahlt wird. Wer das alles nicht braucht oder in Anspruch nimmt, meine ich, kann das durchaus akzeptieren, weil ja später auch durch diese Investition der Gesellschaft eine doch deutlich höhere Einnahmensituation oder Einkommenssituation des Einzelnen erwartet werden kann.

Meine Damen und Herren! Ich würde da wirklich für etwas mehr Fairness und auch Behutsamkeit in der Wortwahl plädieren. Was wir vorschlagen, fällt uns nicht leicht. Ich sage das hier auch einmal ganz offen. Aber die finanzielle Situation der Universitäten ist nicht rosig. Lustig ist es für eine Bildungsministerin nicht, sich auf der einen Seite mit den Forderungen nach Schuldenabbau auseinandersetzen zu müssen, denn das ist ja die unsozialste aller Facetten der heutigen Budgetsituation, dass wir 100 Milliarden Schilling für Zinsen aufwenden müssen. Müssten wir dies nicht tun, könnten wir jede beliebige Forschungs- und Bildungsoffensive finanzieren und hätten überhaupt kein Problem, den Bürgern dafür ein Opfer abverlangen zu müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben gesagt, es wird überfallsartig eingeführt. – Bitte, was haben Sie für einen Begriff von "Überfall"? Das soll im Herbst zu Beginn des Wintersemesters 2001/2002 eingeführt werden. Sie haben eine lange Reaktionszeit, was einen Überfall betrifft. Ich finde es korrekt, dass man jetzt schon, zwei Semester vorher, die Öffentlichkeit ehrlich darüber informiert und auch in der Zwischenzeit an einer Erweiterung, Verbesserung des Stipendiensystems und einer Evaluierung auch der Situation an den Universitäten arbeitet. Denn da haben Professor Van der Bellen oder, wie ich meine, auch andere aus Ihrem Bereich natürlich Recht: Man wird den Universitäten und den Lehrern auch etwas abverlangen müssen, nämlich dass es eben bestimmte Dienstzeiten geben muss, dass Prüfungen abgehalten und nicht abgesagt werden, dass sich ein Student darauf verlassen kann, für sein Geld auch eine konkrete und korrekte Gegenleistung geboten zu bekommen. Darauf werden wir genauso achten, und dafür werden wir Sorge tragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Van der Bellen – bitte nicht böse sein, da nehme ich Sie viel zu ernst und meine nicht, dass Sie sich das nicht angeschaut haben –, Sie weisen darauf hin, dass durch die moderatesten Studienbeiträge, die wir in Österreich planen, jetzt die Akademikerquote sinken wird. Bitte stellen wir einmal einen internationalen Vergleich an. Wir haben eine Akademikerquote von 6,2 Prozent, Australien mit 80 000 S Studienbeitrag pro Jahr 16,6 Prozent, United Kingdom 15,4 Prozent, zwischen 15 000 und 55 000 S pro Jahr. Ich weiß nicht genau, wie hoch der Beitrag in der Schweiz ist, aber auch die verlangen natürlich etwas und haben 14 Prozent Akademikerquote. Spanien, vergleichbar mit uns, 10 000 S, 14 Prozent. Italien, etwas niedriger: 8,7 Prozent.

Also das mit der Akademikerquote (Abg. Dr. Petrovic: Wie viele Frauen?), auch mit der Frauenquote, Frau Abgeordnete Petrovic, ist nicht korrekt. Wir werden dafür sorgen, dass gerade über eine moderne Stipendienordnung den berechtigten sozialen Anliegen, auch jenen der Geschlechterrepräsentanz oder -parität, wirklich Rechnung getragen wird.

Nun zum letzten Punkt. Ich möchte schon auch darauf hinweisen, dass wir uns in der Bundesregierung über das Wochenende und in den Tagen vorher vorgenommen haben, eben unter Treffsicherheit nicht nur etwas zu verstehen, was eine Einschränkung von Leistungen ist. Wir haben bewusst zwei Bereiche herausgesucht, wo wir offensiv sein und mehr tun wollen. Einer ist die Universitätsmilliarde. Sie wird in zwei Stufen budgetiert: 500 Millionen Schilling zusätzlich im Jahre 2001 und noch einmal 500 Millionen Schilling dazu ab 2002. Dazu kommt der ganze Bereich der Behinderten, denn wenn wir schon die Gleichstellung von Unfallrenten – was ja auch fair ist – gegenüber den Invaliditätspensionen im Steuerrecht machen, was etwas bringt, dann wollen wir dafür aber auch offensiv für Behinderte, vor allem für junge Behinderte, Startpositionen auf dem Arbeitsmarkt schaffen.


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Wenn Sie das alles nicht wollen, dann sagen Sie es. Wenn Sie alles nur zusätzlich fordern wollen, dann sagen Sie es auch. Unsere Aufgabe ist es eben, im Interesse des Ganzen einerseits das Budgetziel zu erbringen und trotzdem notwendige Akzente zu setzen. Und wir haben das mit sehr viel Augenmaß gemacht.

Heute im "Morgenjournal" hat dies ein Wirtschaftsforscher, der uns nicht nahe steht, nämlich Professor Guger, auch sehr klar zugegeben. Das Paket, das wir Ihnen vorschlagen werden, das ja erst beschlossen werden wird, ist sozial ausgewogen, hätte, sagte er, in manchen Bereichen sogar noch schärfer ausfallen können, in anderen Bereichen hätte er sich Abrundungen im positiven Sinn vorgestellt, aber insgesamt eine sehr vernünftige Sache.

Also dramatisieren wir die Dinge nicht zu sehr! Ich verstehe, dass niemand begeistert ist über eine solche Maßnahme. Aber wenn wir das richtig abfedern, dann kann dies auch für die autonomen Universitäten der Zukunft ein Einstieg sein, der durchaus Sinn macht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort gemeldet. Maximal 2 Minuten. Zuerst die zu berichtigende Behauptung und dann den tatsächlichen Sachverhalt. – Bitte.

16.23

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Schüssel hat meine Angaben über die wahren Kosten der Studenten bezweifelt. Ich gebe zu, das ist ein langes Streitthema, ich kann die Zahlen aber erklären. Der Personalaufwand auf den Universitäten beträgt ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Wir können nicht Erklärungen in die Form einer tatsächlichen Berichtigung bringen. Die zu berichtigende Behauptung und den tatsächlichen Sachverhalt bitte!

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Die Kosten der Studenten sind deswegen deutlich niedriger, als der Herr Vizekanzler behauptet hat (Abg. Ing. Westenthaler: Der Vizekanzler ist eine Frau! – Abg. Haigermoser: Frau Dr. Riess-Passer ist gar nicht da!), weil nur 15 Prozent der Personalkosten darin einfließen, nur ein Drittel der Gerätschaften und Verbrauchsgüter und der Rest für die Forschung verwendet wird. Das ist internationaler Standard, das ist OECD-Standard. Die Kosten für Lehre und Studenten betragen zirka ein Drittel bis etwas mehr der gesamten Kosten des Universitätswesens. So ist es. (Beifall bei den Grünen.)

16.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich berichtige tatsächlich, dass das der Herr Bundeskanzler war und nicht der "Herr Vizekanzler". (Heiterkeit.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Amon. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

16.24

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bildungsministerin! Meine Damen und Herren! Ich verhehle nicht, dass ich mit dem Beschluss der Bundesregierung über die Einführung von Studiengebühren nicht besonders glücklich bin, und zwar deshalb nicht, weil ich nicht so wie die SPÖ immer gegen Studiengebühren gewesen wäre. Ich persönlich war ja einer, der im Sommer eigentlich die Debatte über die Frage von marktwirtschaftlicheren Strukturen im österreichischen Bildungssystem eröffnet hat, denn aus einer Leistung erwächst natürlich immer auch eine Gegenleistung.

Ich möchte aber doch auf das zu sprechen kommen, worum es geht. Es geht um die Einführung einer Studiengebühr in einer Größenordnung von 5 000 S pro Semester. Ich möchte nicht nur über die negative Seite dieser Einführung reden, wie Sie es gemacht haben, denn zweifelsohne war es erforderlich, um über Qualitäts- und Leistungsstandards an den österreichischen Hochschulen zu reden, zunächst einmal diese Ankündigung zu machen, weil wir ja in Wahrheit seit


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Jahren eine Diskussion darüber führen, wie wir die Qualität an den österreichischen Hochschulen verbessern können.

Herr Bundesminister außer Dienst Dr. Einem, Sie haben hier versucht, uns zu erklären, dass die Bundesregierung predigt, es ginge um ein Nulldefizit beim Budget, und haben gemeint, in diesem Fall werde das Gegenteil gemacht, weil man den Studierenden ein Darlehen zumute. – Sie haben nicht richtig verstanden, was wir mit der Budgetsanierung meinen. Hier ist es ja darum gegangen, zu sagen, wenn man Investitionen tätigt, sei es ein nicht allzu großes Problem, einen Kredit aufzunehmen, wenn man dann beginnt, dieses Darlehen auch wieder zurückzuzahlen. Was allerdings in der Vergangenheit passiert ist, war nicht die Rückzahlung, sondern die permanente Ausweitung dieses Darlehens, und das ist das eigentliche Problem, das haben Sie offenbar bis heute nicht verstanden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte die Zeit vom Beschluss der Bundesregierung hinsichtlich Einführung dieses Studienbeitrages bis zur eigentlichen Beschlussfassung hier im Haus nützen, um eine inhaltliche Debatte über die Form dieser Einführung zu führen. Denn eines ist klar: Wer zahlt, schafft auch an, wie heute in den "Oberösterreichischen Nachrichten" in einem Kommentar sehr schön zu lesen ist. Und es werden sich in Zukunft die Studenten nicht mehr gefallen lassen, dass ein ihnen im Universitäts-Studiengesetz zugestandenes Recht, nämlich dass jeder Professor pro Semester drei Prüfungstermine anzubieten hat, nicht eingehalten wird und die Prüfungstermine nicht angeboten werden. Er wird sie selbstverständlich anbieten müssen, wenn der Student einen Beitrag an die Universität leistet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wird in Zukunft nicht denkbar sein, dass jemand, wenn er Pädagogik studiert, auf einen Seminarplatz zwei Jahre wartet. Auch das werden sich in Zukunft die österreichischen Studentinnen und Studenten nicht gefallen lassen.

Es geht auch darum, dass wir – es sind hier einige Universitätsprofessoren – auch über die Lehrverpflichtung reden. Wissen Sie, welche Lehrverpflichtung Universitätsprofessoren heute haben? – Sie haben gar keine. Ich war eigentlich selbst überrascht, dass das tatsächlich so ist. In Hinkunft werden wir selbstverständlich eine derartige Lehrverpflichtung vorsehen müssen, denn es ist auch nicht zumutbar, von Studierenden einen Beitrag zu verlangen, wenn sie dann in völlig überfüllten Vorlesungssälen sitzen müssen.

Wir haben uns daher in einer längeren Debatte folgenden Antrag überlegt, den ich einbringen möchte:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Amon, Dr. Graf, Dr. Brinek, Mag. Schender und Kollegen betreffend begleitende Maßnahmen zur Qualitätssicherung an den Universitäten und Sicherstellung der sozialen Gerechtigkeit für Studierende im Zuge der Einführung von Studienbeiträgen

"Die Frau Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird ersucht, folgende Begleitmaßnahmen zur Qualitätssicherung an den Universitäten und Sicherstellung der sozialen Gerechtigkeit für Studierende im Zuge der Einführung von Studienbeiträgen zu berücksichtigen:

Es muss das Ziel angestrebt werden, dass die aus diesen Einnahmen erwachsenden Mittel den Universitäten zur Verfügung gestellt werden.

Transferleistungen für Studierende:

Zur sozialen Absicherung der Studierenden sollen die Stipendien ,in Breite und Höhe‘ unter besonderer Berücksichtigung von Mehrkinderfamilien ausgedehnt werden.

Die Familienbeihilfen für Studierende müssen erhalten bleiben.


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Es soll in Zusammenarbeit mit den Banken ein Darlehenssystem eingeführt werden, durch welches die Beiträge vorfinanziert und später ab einer bestimmten Einkommenshöhe zurückbezahlt werden können.

Es sollen die Leistungsstipendien ausgebaut werden.

Die Zuverdienstgrenze für Studierende soll erhöht werden und eine Jahresdurchrechnung eingeführt werden.

Sicherstellung der Qualität an den Universitäten.

Zusätzlich zu den oben erwähnten Vorhaben sind folgende Maßnahmen zu treffen:

Übergang zu vollrechtsfähigen Universitäten, bei denen Studienbeiträge in das jeweilige Universitätsbudget fließen.

Bedarfsorientierte Betreuung der Studierenden durch Universitätslehrer, Festlegung und Überprüfung der Lehrverpflichtung sowie Evaluierung der Lehrtätigkeit, um die Qualität der Lehre zu steigern.

Garantie der gesetzlich vorgeschriebenen 3 Prüfungstermine pro Semester.

Ausreichendes Angebot an Seminaren und gleichartigen Lehrveranstaltungen, um Wartezeiten zu vermeiden.

Verbesserung der Ausstattung der Universitäten."

*****

Ich glaube, dass wir mit diesem Entschließungsantrag die Forderung nach entsprechenden Begleitmaßnahmen erheben, die auf der einen Seite jedem, der es will, die Sicherheit und die Möglichkeit geben, auch in Hinkunft eine höhere Ausbildung zu absolvieren, und wodurch wir auf der anderen Seite aber auch sicherstellen wollen, dass jene, die einen Beitrag leisten, die Garantie erhalten, eine entsprechende Gegenleistung erwarten zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der referierte Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Haupt. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. (Abg. Mag. Haupt: 4 Minuten!) Ich korrigiere: Die Redezeit wird auf 4 Minuten verkürzt, ist aber nach wie vor freiwillig. – Bitte.

16.31

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur derzeitigen Debatte über die Dringliche Anfrage möchte ich vorweg schon eines sagen: Der grünen Fraktion möchte ich am heutigen Tag insofern gratulieren, als sie damit die Führungsrolle in der Opposition unter Beweis gestellt hat. Die mediale Publikation, die Einreichung dieser Dringlichen Anfrage, die Themenzusammenstellung in dieser Dringlichen Anfrage, all das ist von den Grünen. Die Durchführung und das Kontingent sind dann von den Sozialdemokraten in entsprechender Form zur Verfügung gestellt worden. Ich gratuliere den Damen und Herren von den Sozialdemokraten, dass sie sich nunmehr freiwillig auf dem zweiten Platz in der Opposition eingereiht haben – zumindest für den heutigen Tag und für die Dringliche Anfrage. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube aber auch, dass man klar sagen kann, dass die Spitze der Sozialdemokratie zumindest nicht in jener Mehrheit hier an der Debatte teilnimmt wie jene der freiheitlichen Fraktion,


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denn Kollege Gusenbauer und die anderen haben schon lange die Debatte verlassen. Die Studenten interessieren sie offensichtlich nur dann, wenn es sich um "spontane" Demonstrationen handelt, aber keinesfalls dann, wenn es um die Diskussion hier im Hohen Haus geht. Die Diskussion bei Dringlichen Anfragen hier im Hohen Hause interessiert Kollegen Gusenbauer sowieso nicht, denn da hat er ständig, seit er bei der Sozialdemokratie in führender Position ist, durch Abwesenheit geglänzt, außer wenn er hin und wieder zarte Wortspenden beigetragen hat, um dann wieder in die Couloirs dieses Hauses zu entfliehen.

Ich glaube, man sollte das hier in dieser Deutlichkeit sagen, um allen das tatsächliche Interesse der sozialdemokratischen Fraktion an dieser Debatte und an diesen Lösungen einmal vor Augen zu führen.

Nunmehr zur Debatte selbst. Herr Kollege Antoni! Wenn Sie hier quasi den Bildungsnotstand für Österreich ausgerufen haben, sage ich Ihnen eines klar und deutlich: Die Schülerhöchstzahlen, die nunmehr in manchen Fällen an österreichischen Schulen leider erreicht werden, basieren auf legistischen Grundlagen von Schulorganisationsgesetzen, deren Verabschiedung erfolgte, als Sie noch in der Regierung waren. Wenn Sie also damals gemeint hätten, dass Schülerzahlen in dieser Höhe unsozial, schlecht, nicht vertretbar und für das Bildungssystem kontraproduktiv sind, hätte Sie in den letzten Jahren niemand – auch nicht Ihr Koalitionspartner – daran gehindert, die Zahl mit Hilfe von Zweidrittelgesetzen in entsprechender Form so nach unten zu revidieren, dass die Schülerhöchstzahlen niedriger sind als jenes Ausmaß, das Sie heute beklagt haben. (Abg. Mag. Schweitzer: So ist es!)

Herr Kollege Antoni! Wenn Sie hier meinen, dass die Schüler vom heutigen System schlecht behandelt werden, so sage ich Ihnen, dass dort, wo in den Schulbehörden die Vertreter Ihrer Fraktion sitzen, sehr viel an Unsinn geschieht. Ich weiß das, ich bin Schulreferent. Volksschule: Sie haben die Ausbildung von Kindern von Zuwanderern, Gastarbeitern und Flüchtlingen und die Sprachausbildung in diesem Bereich beklagt. Eine Sprachlehrerin, eine Stützlehrerin, die dem Bezirk Spittal an der Drau von Ihrem Schulinspektor, der für diese Schule zuständig ist, zugeteilt wurde, wurde in andere Schulen versetzt, damit andere, die Liebkinder sind, dort hinversetzt werden können. Ich habe mich erfolgreich dagegen gewehrt. Ich lasse es nicht zu, dass dort, wo Schulen mit Kindern in sensiblen Bereichen sind, wo es besonders motivierend ist, dass die Kinder sich auf ihre Lehrperson einstellen, aus parteipolitischen Gründen Kinder von Prominenten in die Bezirksstadt versetzt werden und eingeschulte Lehrer, die Kontakt mit ihren Schülern haben und die dort Erfahrung bewiesen haben, auf Grund sozialdemokratischer Entscheidungen in den entsprechenden Schülervertretungen wegversetzt werden. Erfolgreich habe ich mich dort durchgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege! Wenn Sie das, was Sie hier am Rednerpult verzapft haben, ernst meinen, dann gehen Sie einmal in Ihre Gremien, zu Ihren Personalvertretern, zu Ihren Schulaufsichtsbehörden aus Ihren eigenen Reihen von Wien bis Kärnten und von Vorarlberg bis ins Burgenland und setzen Sie dort durch, dass nicht auf Kosten der Kinder, auf Kosten der Lehrpersonen eine Politik betrieben wird, durch die gegen die Bundesregierung auf Kosten der Kinder und ihrer Ausbildungschancen Parteipolitik gemacht wird. Machen Sie das, Herr Kollege Antoni, dann werden Sie hier am Rednerpult glaubwürdig sein!

Der Schulinspektor hat das dann auch Gott sei Dank im Sinn der pädagogischen Gegebenheiten wieder zurückgenommen und Ihre Vertreter dort, die sich in der Öffentlichkeit als die Hüter von Ausbildung und Schule aufgespielt haben, gezwungen, in entsprechender Form zurückzupfeifen.

Noch etwas, Herr Kollege Antoni, zu den 5 000 S für die Studenten. Keiner hat eine Freude, wenn diese Maßnahme hier eingeführt wird. Aber wir erwarten uns in entsprechender Form auch Entwicklungen wie in jenen Ländern, wo die entsprechenden Studiengebühren heute schon vorhanden sind. Australien hat eine fast doppelt so hohe Akademikerquote, innerhalb der Akademikerquote eine eineinhalb Mal so hohe Frauenakademikerquote wie Österreich; ähnlich ist es im Vereinigten Königreich.


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Ich glaube auch, dass es ungerecht wäre, hier davon zu reden, es sollten diese Studiengebühren nicht eingehoben werden, aber auf der anderen Seite Bedarfsbeschränkungen zu machen, wie etwa in der Bundesrepublik Deutschland, wo es solche Studiengebühren nicht gibt, allerdings einen Numerus clausus, Prüfungen und eine entsprechende Senkung der Ausbildung, die in manchen Berufsgruppen bis zu 10 Prozent unter dem Niveau liegt, das die Volkswirtschaft braucht.

Wir haben in Österreich nach wie vor den Zugang zu den Bildungseinrichtungen für alle. Wir Freiheitlichen und die Vertreter der Bundesregierung beider Parteien werden dafür sorgen, dass das System der Stipendien sozial gerecht und gestaffelt wird, dass das, was wir seit 30 Jahren kennen, seit jener Zeit, als ich noch studiert habe, was bis heute unverändert geblieben ist, dass jene, die bilanzieren und es sich beim Einkommen in entsprechender Form richten können, Stipendien bekommen und jene, die aus den "kleinen" Arbeitnehmerkreisen kommen, weil sie einige hundert Schilling zu viel verdienen, keine Stipendien bekommen, geändert wird.

Wir werden auch dafür sorgen, dass bei den Leistungsstipendien eine deutliche Verbesserung kommt. Sie haben 30 Jahre Zeit gehabt. Sie haben uns 2 000 Milliarden Schilling Schulden hinterlassen, aber Sie haben uns kein soziales Stipendiensystem an den Universitäten hinterlassen, auch Sie nicht, Herr Einem, der Sie ressortführend für diesen Bereich zuständig waren.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich glaube daher, es wäre gut für Sie, sich gemeinsam mit den Regierungsparteien zusammenzusetzen, um die soziale Symmetrie unter diesen neuen Rahmenbedingungen für alle in diesem Staat abzusichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

16.38

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie Kosten- und Gebührenkomponenten bei der Finanzierung öffentlicher Leistungen im Sinne der Kostenwahrheit für etwas grundsätzlich Positives halten. Da muss ich sagen, da wundern mich aber dann Ihre parlamentarischen Anfragebeantwortungen. Sie haben mir am 6. September 2000 auf meine Frage nach einer geschlechtsspezifischen staatlichen Kostenrechnung mitgeteilt, dass Sie das als eine Form der Entsolidarisierung ablehnen.

Ich habe etwa nach den Kosten im Straßenverkehr gefragt – weil Sie gesagt haben, es gebe keinen Zusammenhang –, und zwar Kosten verursacht durch notorische, unbelehrbare Raser – zu über 90 Prozent Männer. Ich habe auch nach Kosten gefragt, die Waffennarren in dieser Gesellschaft anrichten, nach Kosten durch Tierquälerei, die so genannte Killerhundproblematik – alles überwiegend Männerprobleme. Und der Bundeskanzler sagt, nein, das möchte er nicht, er will die Solidarität. Herr Bundeskanzler! Ich sage jetzt vielleicht etwas sarkastisch: Gilt Ihre Solidarität den Waffennarren, den Tierquälern und den notorischen Rasern, nicht aber den Studierenden? (Abg. Dr. Brinek: Mein Gott!)

Frau Brinek! Hier steht eine sehr ernste Frage dahinter: Was sind öffentliche Leistungen? Wenn wir etwa der Meinung sind, die Kosten für die Überwachung des Straßenverkehrs sollen von jenen aufgebracht werden, die Übertretungen verursachen, dann sollte man das tun. Aber Sie kennen diese Form der Kostenverursachung, und die hat einen ganz klaren Zweck, nämlich den offenen Universitätszugang zu verengen, zu schließen und eine soziale Selektion durchzuführen. Das ist die klare Intention, und die lehnen wir ab. (Beifall bei den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat auch gesagt, die Gesellschaft investiere in die Unis und damit in die Studierenden. Ich sehe das eher umgekehrt: Die Studierenden investieren in die Gesellschaft. Sie investieren ihre Zeit, ihre Mühe, ihr Risiko und auch ihr Geld. Herr Bundeskanzler! Sie sagten, Sie seien Ökonom. Ich bin auch Ökonomin. Die Opportunitätskosten für Studierende – das ist das, worauf sie dadurch verzichten, dass sie nicht gleich in den Job gehen – betragen


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knappe 200 000 S im Jahr. Demgegenüber beträgt die staatliche Finanzierung durch Stipendien im Durchschnitt etwa 40 000 S. Das heißt: Ein Fünftel zahlt der Staat, drei Viertel zahlen schon heute die jungen Leute für unser aller Zukunft. In welche Richtung fließen also die Investitionen? Und warum steigen Sie auf diese Art von Neidparolen ein, die wir von rechts außen seit Jahren hören: InländerInnen gegen AusländerInnen, Alte gegen Junge? Jetzt kommt es auch vom bisher staatstragenden Regierungspartner: Die Studierenden – dumpfe Ressentiments werden verstärkt – studieren auf unsere Kosten. Das Gegenteil davon ist wahr! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek. )

Frau Dr. Brinek! Ich werde Ihnen einen Brief vorlesen. Und es ist ein Brief, der stellvertretend für viele andere steht, die mich via e-mail erreicht haben und die ähnlich lauten. Unter der Überschrift "Aus und vorbei" schreibt mir eine Frau: Ich bin Mutter von vier Kindern und bin eine so genannte "ewig Studierende". Sie führt das dann näher aus, schreibt, dass die Kinder, die sehr unterschiedlichen Altersstufen angehören, natürlich sehr betreuungsintensiv sind und es ihr nur erlauben, eine sehr geringe Anzahl von Lehrveranstaltungen pro Semester zu besuchen. Sie schreibt aber dann, sie brauche ihr Studium wie die Luft zum Atmen, denn die geistige Nahrung sei für sie wichtig. – Ich finde diese Frau toll! Ich meine, genau solche Frauen gehören unterstützt. Allein: Sie studiert sehr lange. Sie weiß, dass sie nicht anders kann, ohne irgendeine ihrer Verpflichtungen zu vernachlässigen. Abschließend schreibt sie, für sie seien 5 000 S pro Semester nicht aufbringbar. Und auf Kredit – also da läppert sich was zusammen.

Warum bestrafen Sie diese Frau mit einem Rucksack voller Schulden, die sie nicht mehr zurückzahlen kann? Denn genau dann, wenn es an die Rückzahlung ginge, wird sie womöglich Geld brauchen für ihre vier Kinder. Sie schreibt am Ende: Ich fühle mich betrogen um meine Matura, um meine Studienberechtigung. Was nützt es mir, das alles zu haben, wenn das Geld oder die Zeit fehlen? Und das sind anscheinend die einzigen Kriterien, die als Studienqualifikation zählen und nicht mehr Können oder Wissen. Österreich wird ein armes Land dadurch. – Ich fürchte das auch. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Brinek! Wir wissen aus ausländischen Studien, dass Studiengebühren in jeder Art, auch Darlehensvarianten, zu Lasten von Frauen wirken. Und ich verstehe nicht ganz: Sie zeigen immer großes Verständnis für die Budgetkritik der EU. Wir sind aber auch schon oft wegen Nichtverringerung des Gender-Gaps gerügt worden. Prüfen Sie doch diese Studien! Untersuchen Sie doch erst einmal, wie es sich auswirkt, und diskutieren Sie es hier im Parlament, bevor Sie eine eindeutige Umverteilung von den Frauen zu den Männern durchführen, das heißt von den Diskriminierten zu den ohnehin schon Begünstigten.

Ein Allerletztes: Ich habe den Eindruck, dass das auch keine so akademische Debatte ist, sondern dass da handfeste, massive, knallharte ökonomische Interessen im Hintergrund stehen, und die heißen unter anderem IMADEC, Herr Amon. Ich habe hier ein Schreiben in Händen, das davon zeugt, dass es hinter den Kulissen – und die Frau Bundesministerin weiß das ja – recht lebhaft zugeht. Es handelt sich um ein Schreiben von Professor Landfried, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz aus Bonn. Und er schreibt – es ist ein langes Schreiben, in dem er sich an sich für Privatuniversitäten, für Österreich ausspricht –, es wäre unglücklich, wenn in der internationalen Scientific Community wie auch bei den Unternehmen, die ihr Personal aus Einrichtungen zu rekrutieren wie auch dort weiterzubilden wünschen, der Eindruck entstünde, es würden die im Gesetz niedergelegten Anforderungen unter dem öffentlichen Druck privater, wirtschaftlicher und politischer Interessen nicht so strikt angewandt, wie der Gesetzgeber es sinnvollerweise vorgesehen hat. – Er verweist auf die Vorkommnisse der Sitzung vom 24.7., über die wir uns auch noch einmal unterhalten werden.

Wenn man dies in Verbindung mit Ihren Äußerungen sieht, der Staat solle doch auch überlegen, bei den Privaten dazuzufinanzieren, wird es ganz klar: Es geht von den Frauen zu den Männern, von der Öffentlichkeit zu privaten Eliten und einigen, die dann nach irgendwelchen Kriterien Diplome verleihen.


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Abgeordneter Graf hat gesagt, der bisherigen Bildungspolitik sei ein Armutszeugnis auszustellen. Ich sage: Nach all den aufgezählten Faktoren, über die wir noch oft reden werden, ist das die Bankrotterklärung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schasching. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.46

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Heute haben wir es mit einem weiteren Kapitel dessen zu tun, was uns die in Österreich herrschende Regierung des gebrochenen Wortes beschert. An der Spitze steht ein Bundeskanzler, der irgendwann einmal gesagt hat, er werde bei einem solchen Wahlergebnis in die Opposition gehen. Wir haben es mit einem Finanzminister zu tun, der irgendwann einmal gesagt hat, wir würden nur ausgabenseitig sparen, und wir haben es hier mit einer Bundesministerin für Bildung zu tun, die noch vor einer Woche gesagt hat, es kämen keine Studiengebühren in Frage. (Bundesministerin Gehrer: Das stimmt ja gar nicht!) Ich frage mich: Wann wird das ein Ende finden?

Aus diesem Grunde und um Sie daran zu erinnern, warum wir eine Dringliche Anfrage eingebracht haben – wir wollen das wertvolle Gut des freien Zugangs zu den Hochschulen erhalten und fordern daher, dass Sie Abstand davon nehmen, Studiengebühren einzuführen –, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Einem, Mag. Andrea Kuntzl, Dr. Antoni und Genossen betreffend freien Zugang zur Bildung und gegen die Einführung von Studiengebühren

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, den freien Zugang von jungen Menschen zu allen Bildungsinstitutionen, gleich aus welchen sozialen oder ökonomischen Verhältnissen sie kommen, fortzusetzen und zu sichern und keine Studiengebühren einzuführen."

*****

Werte Damen und Herren von FPÖ und ÖVP! (Abg. Dr. Martin Graf: Da stimmt der Niederwieser sicher dagegen!) Ich sage Ihnen auch gleich, warum Sie guten Grund hätten, diesen Antrag zu unterstützen. Das gilt vor allem für die ÖVP. Ich habe mich auf Ihrer Homepage ein wenig informiert, und zum Thema Studiengebühren gibt es da ganz Interessantes zu lesen. Es gibt viele interessante e-mail-Beiträge, die da gekommen sind, aber einer ist besonders lustig.

Bernhard schreibt: "Nicht ihr, wir sollen also Schulden machen. Bin ein Tiefschwarzer immer gewesen, habe unendliche Diskussionen geführt und euch verteidigt. Danke, dass ihr mir meine Glaubwürdigkeit genommen habt. Bin dafür zu sparen, jeder muss seinen Beitrag leisten. Wird fast jeder verstehen, doch keiner wird das in dieser Höhe verstehen. Bei 1 000 bis 2 000 S im Semester werden die Argumente schon rarer, doch 10 000 S im Jahr ist einfach unleistbar, um gleichzeitig nicht arbeiten zu müssen. Und das Tüpfelchen auf dem ‚i‘ ist dann euer großzügiges Angebot, ein Darlehen nehmen zu dürfen. Schon frühzeitig also wird die Jugend erzogen, Schulden zu machen. Wolltet ihr nicht vermitteln, dass genau das schlecht ist? Oder habe ich da was falsch verstanden? Ihr seid also stolz darauf, keine Schulden zu machen. Dafür müssen eben wir sie machen. Ist das wirklich das, was ihr wollt? Kann ich mir nicht vorstellen. – Ein frustrierter Anhänger eurer Partei." (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die FPÖ hätte guten Grund, unseren Entschließungsantrag mitzutragen, denn gerade diese Partei hat in der Vergangenheit immer gesagt: Wir sind die Partei des "kleinen Mannes", wir stehen an eurer Seite, wir wollen es sozial gerecht haben, wir wollen, dass ihr nicht unter die


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Räder kommt! Ja, dann machen Sie doch jetzt mit uns mit und seien Sie gegen Studiengebühren, denn die treffen ja genau die sozial Schwachen! Das ist nämlich genau so eine Maßnahme, die die schlechter Gestellten am meisten trifft. (Abg. Dr. Puttinger: Die sozial Schwachen kriegen es über die Stipendien wieder zurück!)

Das ist doch in Wahrheit alles nur ein Theater, das mit dem Sommertheater gegen die Lehrer eingeläutet wurde, ein Sommertheater, das damit begonnen hat, dass man die Lehrer zu Beginn der Ferien schlecht gemacht hat, dass man Bildung zum "Mickymaus-Thema" erklärt hat und jetzt in weiterer Folge bereits darüber zu diskutieren beginnt, ob nicht vielleicht doch die Schulbücher wieder was kosten sollen. Was ist denn dann das Nächste, meine Damen und Herren? Müssen wir dann die Fahrtkosten wieder selbst tragen, müssen wir Eintrittsgelder in die Schulen zahlen? – Das ist ja eine wunderbare Vision, die Sie unseren Eltern und unseren Kindern bieten. (Abg. Edler: Die Sanktionen sind vorbei, und die Regierung wirkt immer blasser!)

Ich denke doch, dass in Bildung und Ausbildung zu investieren bedeutet, Chancen für die Jugend zu eröffnen, was in der Vergangenheit sicher nicht immer hundertprozentig zum Optimum erfüllt wurde, was aber mit einer sozialdemokratischen Bildungspolitik vor mehr als 30 Jahren eingeläutet wurde. Viele Kolleginnen und Kollegen sitzen heute genau aus dem Grund hier herinnen, weil sie Kinder dieser Politik sind, weil es ihren Eltern dank sozialdemokratischer Bildungsminister und ihrer Maßnahmen gelingen konnte, ihnen höhere Bildung zu ermöglichen, ihnen bessere Chancen zu eröffnen, sodass sie sich artikulieren können. Das bleibt für mich ein unwidersprochenes Ziel und auch Grundsatz der Sozialdemokratie. Wir sind von allen Anfängen an eine Bildungspartei gewesen, um sozial schwachen und benachteiligten Menschen dazu zu verhelfen, überhaupt Zugang zu höheren Werten und zum gemeinsam Erarbeiteten zu erhalten. Das ist ein Wert, den wir uns nicht streitig machen lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Einen letzten Satz noch! Wenn Sie schon all das ignorieren, so ignorieren Sie bitte nicht die Wünsche und Sorgen vieler Eltern, die sich bereits in Elternverbänden formieren, die bereits überlegen, entsprechende Petitionen einzubringen. Sie investieren viel in ihre Kinder. Es sollte das auch der Staat weiterhin tun. Das ist unser Zukunftskapital, das brauchen wir. Und vergessen Sie nicht darauf, für unsere Jugend, für unsere Chancen in der Zukunft auch ein wenig Herz zu haben! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Niederwieser, unterstützen Sie jetzt diesen Antrag? – Abg. Dr. Niederwieser: Das werde ich hier jetzt nicht sagen! Ein bisschen Spannung muss schon noch bleiben!)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

16.52

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Frau Bundesministerin Gehrer! Meine Damen und Herren! Wir wissen alle, allen voran die Studentinnen und Studenten, dass schon in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren Studienbeiträge immer das am heißesten und am emotionellsten diskutierte Thema im Bereich der Hochschulpolitik war. Ich verstehe, dass es als erstes einmal einen riesigen Aufschrei gibt. Auch ich wäre wahrscheinlich, wenn ich in Wien gelebt hätte, mit 18 Jahren da draußen vor dem Parlament gestanden und hätte als Studentin als allererstes gesagt: Nein! (Rufe: Richtig so! – Beifall bei der SPÖ.)

Aber in all der Aufregung ist es einmal wichtig, nachzudenken und die Situation, wie sie ist, zu analysieren. Ich konnte das tun im Zuge einer Diplomarbeit über eine bereits vergangene Universitätsreform, bei deren Abfassung ich meine Meinung bereits vor zehn Jahren geändert habe, weshalb ich damals zu einer Befürworterin von Studiengebühren geworden bin. (Abg. Schwarzenberger  – in Richtung SPÖ –: Warum applaudiert ihr denn jetzt nicht mehr?)

Wie ist die Situation heute tatsächlich? Es ist richtig, in vielen Studienrichtungen haben wir immer noch zu wenig Prüfungstermine, wir haben zu wenig Praktikaplätze, zu wenig Laborplätze. (Abg. Schasching: Glauben Sie, dass die jetzt kommen?) Wir haben zu viele Studenten,


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die, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, arbeiten müssen. Das sind Probleme, die haben wir jetzt ohne Studienbeiträge beim Studium zum Nulltarif. Und wir haben sie mittlerweile seit 20 Jahren, seit 20 Jahren wiederholen sich die Probleme, und es wird höchste Zeit, sie zu lösen! (Abg. Sophie Bauer: Und die Studenten sollen das finanzieren! – Abg. Schasching: Und die sozial Schwachen sollen es zahlen!)

Meine Damen und Herren! Human ressources, das ist immer so ein Schlagwort, aber sie sind tatsächlich das wichtigste Gut, das unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft, eine Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft, in der heutigen Zeit haben. Und deswegen brauchen wir erstens so viele Absolventen von Universitäten wie möglich, und zweitens auch so gut ausgebildete wie möglich. Diesen Standard erfüllen wir weder in Fall eins, noch in Fall zwei in einem optimalen Ausmaß. Ich glaube, da sind wir uns einig. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

Es ist wichtig, dass jeder junge Mensch auch dann, wenn seine Eltern nicht viel verdienen, studieren kann. (Abg. Schasching: Das können sie aber nicht um 10 000 S!) Heute ist trotz Studiums zum Nulltarif die Situation so, dass viel mehr Kinder aus einkommensstärkeren Schichten studieren: Drei Viertel der Ausgaben fließen nämlich in die obere Einkommenshälfte und nach wie vor mehr als die Hälfte in das alleroberste Einkommensviertel, also dorthin, wo es sich die Eltern wirklich leisten könnten, Beiträge zu bezahlen. Wenigstens in dem Fall habe ich noch nirgendwo Kritik gehört, dass das auch gemacht werden soll. (Abg. Dr. Einem: Das sind falsche Daten!) Nein, nein. (Abg. Dr. Einem: Ja doch!)

Herr Van der Bellen! Die Zwei-Klassen-Gesellschaft auf den Unis, die ich gestern Ihrem Debattenbeitrag entnehmen konnte, kommt nicht wegen der Einführung von Studienbeiträgen, es gibt sie bedauerlicherweise schon! Und genau deswegen wird diese Bundesregierung Stipendien an wesentlich mehr – wesentlich mehr! – Studenten vergeben (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Antoni: Mehr als 50 Prozent!) und zugleich diese Stipendien erhöhen, damit die Bezieher nicht nebenher trotzdem noch im gleichen Ausmaß wie jetzt arbeiten müssen. Dazu ist es selbstverständlich auch wesentlich, dass die Zuverdienstgrenzen, wenn man wenigstens im Sommer einen guten Job hat, angehoben werden. Eine Forderung, die Werner Amon, ich und mit uns der Klub hier eingebracht haben.

Zum Studieren darf man nicht reich sein müssen oder ganztags arbeiten müssen, denn das ist sozial nicht gerecht. Die Abfederungsmaßnahme, die hier greift und die für mich eminent wichtig ist, ist das Darlehensmodell. Stellen Sie sich vor, alle die Mittelschicht-Haushalte, in denen es drei Kinder gibt, die studieren, fallen auch jetzt schon aus den Stipendienbezügen heraus. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Eltern zahlen das Studieren allen dreien, oder die Kinder arbeiten und brauchen damit wesentlich länger für ihr Studium. In Zukunft wird es so sein, dass begünstigte Darlehen gewährt werden, sodass die Studenten viel schneller mit ihrem Studium fertig werden. Allein wenn ein Student fünf Monate früher seinen Abschluss macht und danach zwischen 15 000 und 20 000 S verdient, hat er seine Studienbeiträge für fünf Jahre, wenn zum Beispiel ein BWLer ein Jahr länger braucht als die Mindeststudiendauer, schon wieder verdient. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist absurd!) Und ich gehe davon aus, dass diese Maßnahme dazu führt, dass die Studienzeiten wesentlich mehr verkürzt werden.

Dieses System hat sich in Australien – das haben meine Vorredner schon ausführlich dargelegt – bewährt. (Abg. Dr. Van der Bellen: Es hat sich nicht bewährt!) Es hat sich bewährt! Ich war auch bereits in Australien, und die dortigen Studenten akzeptieren das, die Zahlen belegen das. (Zwischenruf der Abg. Schasching. ) Außerdem darf eine gute Ausbildung auch etwas kosten, weil das das Kostenbewusstsein stärkt. Das wiederum steigert auch die Leistung. Wir kennen auch nicht nur die fleißigen Werkstudenten, sondern mir persönlich sind auch andere bekannt. Auch ich persönlich habe schon gebummelt, wo es nicht notwendig gewesen wäre. Und ich habe nichts bezahlt, obwohl es sich meine Eltern hätten leisten können und es sicherlich gerne getan hätten.

Der Zugang zum Studium muss also frei bleiben. Das bedeutet für diejenigen, die es sich sonst nicht leisten könnten, Stipendien, für diejenigen, die aus diesen Förderquoten gerade heraus


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fallen, ein Darlehensmodell und für alle Übrigen einen Beitrag für eine immer besser werdende Qualität der Lehre. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Kollegin Schasching eingebracht hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Na, Herr Professor, jetzt erklären Sie uns das!  – Abg. Mag. Schweitzer  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Sehr gerne!)

16.59

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Es fehlt der Applaus der Sozialdemokraten zur Einführung dieser Studiengebühren mit allen Begleitmaßnahmen.

Eine Ikone der Sozialdemokratie, Finanzminister Lacina, hat zum ersten Mal am 7. November 1991 genau das verlangt, was hier von dieser Bundesregierung vorgeschlagen wird. Finanzminister Ferdinand Lacina hat sich für die Einführung von Studiengebühren ausgesprochen, allerdings sollte es zugleich ein System von Unterstützungen für sozial bedürftige Studenten geben. Herr Kollege Einem! Genau das, was Lacina 1991 gefordert hat, wie viele andere auch, unter anderem Niederwieser, Einem selbst – etwas verschlüsselter – und einige weitere Sozialdemokraten, passiert. (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.  – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass das, was die Bundesregierung hier vorlegt, seine Begründung hat, zeigt sich in der Tatsache, dass bei uns die Fakten das geradezu fordern, denn 7,4 Jahre durchschnittliche Studiendauer ist im internationalen Vergleich zu hoch. In der Schweiz kommt 5,5 Prozent ... (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich habe viereinhalb Jahre studiert. So schnell hat der Cap nicht studiert, der hat ungefähr vier Mal so lange gebraucht. Viereinhalb Jahre war die Mindeststudienzeit. Ich habe kein Problem damit. Solchen Studenten könnte man durchaus eine Prämie geben, weil sie den Platz relativ rasch frei machen für die nachfolgenden Studenten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

50 Prozent aller Studierenden haben innerhalb eines Jahres keine Prüfung abgelegt. Die Drop-out-Quote beträgt zirka 50 Prozent. Meine Damen und Herren! Das sind Fakten, die diese Überlegung, nämlich die Einführung von Studiengebühren, durchaus rechtfertigen.

Da gab es zum Beispiel an der Medizinischen Fakultät den Professor Robert Mayr. Kollege Einem! Ist Ihnen dieser Name geläufig? – Dieser Robert Mayr hat vor kurzem seinen Job hingeschmissen, und zwar deshalb, weil er, so sagt er, das Ausbildungsniveau dramatisch sinken sieht. Der konkrete Anlass dafür, dass dieser Professor Mayr seinen Job hingeschmissen hat, war, dass zwei Studenten die Chemieprüfung – im Rahmen des Medizinstudiums ist eine solche abzulegen; normalerweise macht man sie im vierten Semester – nach 15 Semestern im fünften Anlauf endlich bestehen wollten. Für diesen fünften Anlauf ist eine Ausnahmegenehmigung beim Ministerium einzuholen, meine Damen und Herren, wie Sie wissen. Fünfter Anlauf im 15. Semester für eine Prüfung, die man normalerweise im vierten Semester macht!

Mayr hat gesagt, das ist nur ein Beispiel, aber dieses Beispiel zeigt, dass das System, das dahinter steht, nicht mehr funktioniert. Die dahinter liegenden bildungspolitischen Strukturen sind unter der langjährigen sozialdemokratischen Dominanz schlecht geworden. Da gibt es einen guten Analytiker, Herr Kollege Einem, den kennen Sie; er kommt aus Ihrer Partei. Das ist Hans Besenböck. Hans Besenböck, langjähriger AZ-Redakteur, Chef-Redakteur des ORF-Radios, hat es in einem Kommentar auf den Punkt gebracht, wenn er schreibt:

Linke Bildungspolitik will grundsätzlich jedem Menschen jede mögliche Chance geben, egal, wie talentiert oder untalentiert, egal, wie schnell oder wie langsam, egal, wie träge er sich auch erwiesen haben mag. Das ist eine gefährliche Haltung. – So Hans Besenböck. Er zieht sehr hart


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ins Gericht mit seinen Genossen, indem er weiter ausführt: Das ist typisch für das von den Sozialisten etablierte Bildungsbewusstsein. Mit ihrer gegenwärtigen bildungspolitischen Positionierung deformieren sie die eigenen bildungspolitischen Zielsetzungen der siebziger Jahre. – Da kann man ihm nur Recht geben.

Meine Damen und Herren! Die damalige Vorstellung von Chancengleichheit hat mit Sicherheit keinen Niveauverlust zum Ziel gehabt, so wie es heute bereits der Fall ist. Ganz im Gegenteil! Man wollte allen, die die Voraussetzungen hatten, die Möglichkeit zum Studieren geben. Echte Chancengleichheit unabhängig vom Einkommen der Eltern – so die sozialistische Bildungspolitik der siebziger Jahre.

Die sozialdemokratische Bildungspolitik in den neunziger Jahren schaut aber anders aus. Sie ist gekennzeichnet durch die Nivellierung nach unten. Sie ist gekennzeichnet dadurch, dass es gleiche Chancen auf Durchkommen für Kluge und weniger Kluge gibt, dass es gleiche Chancen geben muss für Fleißige und für Faule, dass es gleiche Chancen geben muss für Leistungswillige und Bequeme. Die SPÖ-Bildungspolitik der Gegenwart ist gekennzeichnet – so Besenböck, Herr Kollege Antoni – vom Versuch, die gesellschaftlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass der lustvolle Verzicht auf das Lernen nicht den Erfolg der bestandenen Prüfung verhindert. – So Hans Besenböck, ein aufrechter Sozialdemokrat, Kollege Antoni.

Eine solche Entwicklung war nur in einem politischen Umfeld möglich – wieder Besenböck –, das traditionelle Werte wie Leistung abqualifizierte, ohne neue an ihre Stelle zu setzen. Er sagt weiters: Im linken Denken sind Eliten suspekt – das ist ja immer wieder aufgefallen, auch in Diskussionen; er hat völlig Recht damit –, sie können mit dem Begriff "Eliten" nichts anfangen, sind Leistungsträger suspekt. Sie werden als Streber eingestuft. Detailliertes Wissen wird von vielen als Fachidiotentum bezeichnet. Wo Anpassung und Nivellierung das Wort geredet wird, meine Damen und Herren, dort muss mit der Zeit der Niveauverlust eintreten. Da häufen sich die Langzeitstudenten, da steigen die Drop-out-Quoten, da werden leistungsbereite Studenten behindert.

In diesem Sinne hoffe ich, dass Studiengebühren im Interesse der leistungsbereiten jungen Menschen positive Veränderungen an unseren Unis einleiten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.07

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Den Herrn Bundeskanzler brauche ich nicht mehr zu begrüßen. Herr Khol wurde heute schon einmal zitiert: Was nichts kostet, ist nichts wert. – Da stellt sich für mich doch die Frage: Wer finanziert eigentlich die Universitäten? Ist das bei Ihnen so, dass offenbar der Herr Finanzminister derjenige ist, der das Geld auch wirklich zur Verfügung stellt, oder die Regierung allein? – Ich würde meinen, dass sich der Staatshaushalt in erster Linie aus den Einnahmen finanziert, die die Österreicherinnen und Österreicher, die Nichtösterreicherinnen und Nichtösterreicher in diesem Land an Steuern zahlen, und aus diesem Staatshaushalt wird wohl auch Bildung finanziert. Von "nichts kosten" kann da wohl nicht die Rede sein. Bei Ihnen geht es um eine Umgestaltung, wer nun mehr finanzieren soll. Das möchte ich zunächst einmal festhalten. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie das in Bezug auf Bildung gesagt haben, dann ist "Bildung" wohl ein umfassender Begriff. Da geht es nicht nur um Universitäten, da geht es selbstverständlich auch um Schulen, da geht es um Erwachsenenbildung, wo Gebühren schon seit langem umgesetzt sind. Eigentlich hätte sich auch der Umgang mit dem Schulsystem, der zu Beginn dieses Schuljahres gesetzt wurde, eine Dringliche Anfrage oder einen Dringlichen Antrag verdient.

Ich kann Ihnen nur eines ankündigen: Wenn Sie das auch im Bildungssystem planen, wenn Sie die Maßnahmen, die Herr Amon und Herr Schweitzer, der soeben seine glorreichen Ausführungen über die Eliten, über die Klugen und Unklugen getätigt hat ... (Abg. Mag. Schweitzer:


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Das war der Besenböck!)  – Sie haben das dann irgendwie ziemlich klar weitergeführt. Mit der Ankündigung eines Bildungsschecks, der offenbar nur eine Basisversorgung sicherstellen soll, wobei alles weitere finanziert werden soll, ist es nicht getan. Sie haben – das war besonders originell im "Kurier"-Sommergespräch – ein Transfersystem für Lehrer, wie es bei den Fußballern üblich ist, vorgeschlagen. Lehrer sollen von den Schulen gegenseitig abgeworben werden. Und mit einem anderen Ansinnen – das hat mich besonders fasziniert –, das im Gegensatz und im Widerspruch zu allem steht, was von Bildungsexperten und -expertinnen als eindeutig bewiesen dargestellt wird, nämlich dass gerade die pädagogische Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer gegeben sein muss, schlagen Sie glatt vor, Sie wollen Pädagogik als Postgraduate-Ausbildung an die Fachstudien anhängen. Wenn Sie all das auch nur ansatzweise verwirklichen wollen und werden, dann werden Sie aber auf erbitterten Widerstand auch hier in diesem Haus stoßen. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Bundesministerin! Zweiter Punkt: Ich war schon fasziniert von einem Teil der Anfrage und Ihrer Antwort darauf. Da stand Folgendes: Welche Unterrichtsgegenstände, unverbindliche Übungen, Förderunterricht, Integrationsunterricht, Nachmittagsunterricht usw. müssen durch die Kürzungen entfallen? – Sie haben gesagt: Nichts, keine, alles geht weiter, so wie es bislang war.

Ich bringe Ihnen jetzt zwei Beispiele, wie zu Schulbeginn in Österreich umgegangen wurde. Sie haben einen Sparerlass an die Landesschulräte verteilt, wonach 5 Prozent eingespart werden sollten, und haben diesen gesagt: Das ist nicht mein Kaffee, nicht mein Bier. Ihr müsst selbst entscheiden, wie ihr diese Einsparung tätigen könnt.

Ein Beispiel aus der Steiermark, ein Brief eines betroffenen Lehrers. Ihm wurde am 21. August – das heißt, knapp zwei Wochen vor Schulbeginn – folgender Brief des Landesschulrats geschickt:

"Auf Anordnung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur wird Ihnen mitgeteilt, dass zur Sicherstellung der Erreichung des Budgetziels des Bundes 5 Prozent der den Bezirken bisher zur Verfügung stehenden Wochenstunden eingespart werden müssen. Der Bezirksschulrat Freistadt sieht sich auf Grund dieser neuen Situation veranlasst, Ihnen mitzuteilen" – zwei Wochen vor Schulbeginn! –, "dass eine Weiterverwendung im Bezirk Freistadt voraussichtlich nicht möglich sein wird. Im eigenen Interesse werden Sie ersucht, sich rechtzeitig an Ihre Arbeitsmarktservicestelle zu wenden."

Dieser Brief ist in Oberösterreich an 120 Lehrer zwei Wochen vor Schulbeginn ergangen. (Rufe bei der ÖVP: Steiermark hat er gesagt!) Interessanterweise gab es dann ein anderes Kontingent, das gefunden wurde. Eine Woche später haben die Lehrer einen Brief bekommen mit dem Inhalt: Alles halb so arg. Es geht weiter. – Ich denke, das ist ein hinreichend zynischer Umgang mit jenen Personen, die im österreichischen Bildungssystem tätig sind. (Beifall bei den Grünen.)

Ein zweites Beispiel: Höhere Bundeslehranstalt für Forstwirtschaft Bad Vöslau. Das betrifft Sie jetzt nur indirekt, weil dafür das Landwirtschaftsministerium als Träger zuständig ist. Dort wurde ebenfalls im Sommer der Schule und den Schülern, die bereits die Aufnahmeprüfung geschafft hatten, mitgeteilt, dass der Betrieb der Schule innerhalb von vier Jahren eingestellt wird und dass jene, die jetzt in Bad Vöslau – Niederösterreich, Badener Gegend – die Schule beginnen, diese doch bitte in Bruck an der Mur beenden sollen. Ein "sehr schönes" Angebot für die Schüler.

Mittlerweile laufen dort Versuche mit einem sehr guten Vorschlag, so denke ich, nämlich wenn zu viele Förster ausgebildet werden, dann sollte man gerade im Bereich von Ökologie, Wasserwirtschaft und Umweltmanagement doch einen Schritt setzen und eine Ausbildung an einer höheren Schule anbieten. Das Problem ist nur, das Landwirtschaftsministerium ist dafür nicht zuständig. Ich hoffe, es wird dann mit Ihrem Ministerium Verhandlungen geben, damit nicht eine Schule, die vor 13 Jahren um 250 Millionen Schilling errichtet wurde, zugesperrt wird. Das muss man sich einmal vorstellen! Diese Schule habe ich mir gestern angeschaut, eine sehr moderne Schule, die Lehrer haben teilweise schulfeste Stellen. Die Schule ist vorhanden und wird zuge


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sperrt. Zumindest nach momentanem Stand wird sie in vier Jahren zugesperrt. Das alles sind Maßnahmen, die wir so natürlich nicht akzeptieren können.

Ich möchte Ihnen noch einige ganz konkrete Beispiele nennen, da Sie sagen, es gebe keine Maßnahmen und keine Einsparungen. Sie können das ja nachprüfen: Im Bezirk St. Pölten, Niederösterreich, wurden alle BeratungslehrerInnen gekündigt. Diese gibt es einfach nicht mehr in diesem Schuljahr. BeratungslehrerInnen haben die Aufgabe, bei pädagogischen Problemen, bei psychologischen Problemen den Klassenlehrern unterstützend zur Seite zu stehen und einzugreifen.

Der Fall Spittal an der Drau ging durch die Medien. In einem Gymnasium haben sich die Schüler einer Klasse der siebten Schulstufe abgemeldet – alle Schüler dieser Klasse! –, weil zwei Klassen dieser Schulstufe zusammengelegt werden sollten. Nach heftigen Interventionen ist es jetzt zu einer Regelung gekommen, dass zumindest in gewissen Bereichen weiterhin ein Splitting stattfinden wird. Diese Zusammenlegung wurde zurückgenommen.

In Graz gibt es einen ganz drastischen Fall. Daran sieht man auch, wie "schön" diese Kürzungsmaßnahmen ineinander greifen. Im Sonderpädagogischen Zentrum gab es eine Klasse mit sechs Schwerbehinderten. Dort gab es bislang neben der Klassenlehrkraft eine Stützlehrkraft. Diese gibt es wegen Klasseneinsparungen jetzt nicht mehr. Es gab – Kollegin Haidlmayr kann davon ein Lied singen – in dieser Gruppe auch einen Zivildiener. Die Sparmaßnahmen haben ineinander gegriffen: Auch der Zivildiener ist nicht mehr da. Von den sechs Schülern und Schülerinnen wurden drei abgemeldet, weil die Eltern die Betreuung ihrer Kinder nicht mehr gewährleistet sahen.

Das alles sind Maßnahmen, die momentan durchgeführt werden. Wenn Sie sagen, es gibt keine Maßnahmen, dann würde ich Sie wirklich ersuchen, sich einmal in der Praxis umzusehen und umzuhören. Sie werden das genauso erfahren können, wie ich das erfahren habe.

Zum Schluss möchte ich noch auf eines zurückkommen: die Klassenschülerhöchstzahl. Wir haben vor dem Sommer einen Antrag eingebracht, die Klassenschülerhöchstzahl zu reduzieren. Ich habe die FPÖ kontaktiert, die ÖVP kontaktiert, und so, wie die Debatte jetzt läuft, war mir klar, dass sie sagen, sie werden diesen Antrag nicht mittragen. Ich habe auch die SPÖ kontaktiert, aber merkwürdigerweise, muss ich Ihnen sagen, gab es auch da keine Zustimmung, diesen Antrag auf Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen mitzutragen. Das fand ich bemerkenswert. Mal schauen, wie das im Herbst rennt – auch analog zur jetzigen Situation.

Auch Sie, Frau Bundesministerin, haben im Hinblick auf die Weiterbildung gesagt, dass sich die Halbwertszeit des Wissens unheimlich rasch verringert, dass alle vier Jahre das doppelte Wissen da ist. Das muss ja wohl auch für den Schulbereich gelten, deshalb können Sie doch in genau dieser Situation nicht hergehen und als Maßnahme verlangen, die Klassenschülerhöchstzahl in einem Ausmaß zu erhöhen, bei dem wir wieder zu den Zahlen der letzten Jahrzehnte zurückkommen.

Ich sehe, meine Redezeit ist abgelaufen. Schlusssatz: Diesen Antrag werden wir im Herbst hier mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen. Es kann nicht eine reine Budgetdiskussion werden. Ich hoffe, wir können endlich auch eine Bildungsdiskussion in diesem Haus führen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.15

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, beginnen Sie bitte mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen.

17.15

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Herr Abgeordneter Kogler! (Rufe bei den Grünen: Er hat gar nicht geredet! Brosz!) Ich berichtige Sie in Ihrer Aussage, dass im Bezirk Freistadt 120 Junglehrer nicht untergebracht werden konnten.


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Tatsache ist, dass 30 Junglehrer um eine neue Stelle im Bezirk Freistadt angesucht haben und dass 20 Lehrstellen auf diese 30 Junglehrer verteilt worden sind, mithin alle jungen Lehrer, die angesucht haben, mit einer Zwei-Drittel-Lehrverpflichtung ihren Dienst beginnen konnten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Persönliche Erwiderung!)

17.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer persönlichen Erwiderung hat sich Herr Abgeordneter Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Khol: Der ist ja persönlich gar nicht angesprochen!)

17.16

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Geschätzter Herr Kollege Mühlbachler! Sie haben mich insofern zu dieser persönlichen Erwiderung gezwungen, als ich heute hier den ganzen Tag noch gar nicht gesprochen habe und Sie mich, in diesem Sinne zumindest, nicht tatsächlich berichtigen konnten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.17

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die heutige Diskussion hat uns um eine Erfahrung reicher gemacht: Die Politik dieser neuen Bundesregierung ist unsozial. Das haben wir schon gewusst. Was anderes als unsozial ist es bitte, wenn Sie jetzt beispielsweise einem Zimmermädchen mit einem Verdienst von 10 000 S samt zwei Kindern nach der Saison die Arbeitslose streichen? – Das ist unsozial. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Wir haben erfahren, dass die Politik der neuen Bundesregierung auch unehrlich ist. Denn was anderes als unehrlich ist es, wenn Sie sagen, es gibt keine allgemeinen Studiengebühren und einige Wochen später den Beschluss fassen, diese doch einzuführen? – Das ist unehrlich.

Ich habe aber auch festgestellt, dass Ihre Politik feige ist, und zwar deshalb, weil Sie nicht den Mut haben zu sagen: Ja, wir wollen Studiengebühren, und das sind die Gründe dafür. Ihre Rednerinnen und Redner sagen: Der Niederwieser wollte das, der Einem wollte das, der Nowotny wollte das. – Sagen Sie es selbst, stehen Sie zu Ihren Entscheidungen und reden Sie sich nicht auf andere aus! Das wäre sinnvoll. (Beifall bei der SPÖ.)

Jawohl, es hat eine Diskussion über Studiengebühren in der Sozialdemokratischen Partei gegeben. Diese war ja offen genug, das konnte jeder mitbekommen. Wir haben alle Für und Wider abgewogen. Wir haben im Jahre 1998 mit dem Beschluss unseres Bildungsprogramms folgenden Beschluss gefasst: Wir lehnen Studiengebühren ab. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe kein Problem damit und bin Demokrat genug, eine solche Entscheidung, die nach langen Diskussionen getroffen wurde, mitzutragen und auch zu unterstützen. Das ist Demokratie. Wir haben geprüft und entschieden: Unsere Antwort war nein.

Sie haben aber in der heutigen Diskussion und mit diesem Beschluss auch die Wissenschaft missbraucht. Ich lese hier den Mazal-Bericht, auf den Kollege Khol gestern im Fernsehen mehrfach eingegangen ist – auch auf die vielen Expertinnen und Experten –, aber gelesen haben, können Sie ihn nicht, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, denn da steht auf Seite 59: Eine finanzielle Schlechterstellung von Studierenden könnte dazu führen, dass die Notwendigkeit zunimmt, neben dem Studium Geld zu verdienen, was sich negativ auf Studiendauer und Ausfallsrate auswirkt. – Das steht im Mazal-Bericht. Das haben Ihnen auch die Experten gesagt und nicht, dass Sie Studiengebühren einführen sollten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger. )

Es ist auch eine Doppelmoral – man muss ja heute klare Worte finden –, auf der einen Seite zu sagen: Wir als Staat wollen schuldenfrei sein, wir wollen das Budget sanieren!, auf der anderen Seite aber die Schulden in die Taschen der Bürger und der jungen Leute zu verlagern, wie Sie


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das gestern getan haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Kollege Khol, zu sagen: Sie können ja ein Darlehen aufnehmen!, ist einfach. – Das Defizit, das der Staat abbaut, nehmen dann die Bürger als Darlehen auf. Das ist ein Start in die Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.)

Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen nicht überrascht sein, denn am Beginn dieser neuen Bundesregierung steht ein gebrochenes Versprechen, nämlich das gebrochene Versprechen des jetzigen Bundeskanzlers, als drittstärkste Partei in die Opposition zu gehen. Und das gebrochene Versprechen bleibt das Markenzeichen dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.)

17.2


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1

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

17.21

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Kollege Niederwieser! Sie haben mich herausgefordert, Ihnen zu antworten. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Es ist richtig, dass alle Parteien in diesem Haus seit Jahren wissen, dass die Frage der Studiengebühren diskutiert werden muss, dass sie mit der Hochschulreform zusammenhängt. Alle wissen, dass wir um ehrliche Lösungen bemüht sein müssen. Das wissen wir alle. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir diskutieren das seit langem.

Sie wissen ganz genau, dass wir in den Regierungsverhandlungen, die wir zuerst mit Ihnen von der SPÖ geführt haben, ganz knapp an die Studiengebühren herangekommen sind (Abg. Mag. Posch: Wir wollen mit Ihnen nicht mehr!), dass wir in dem Papier, das wir mit Ihnen verhandelt haben, auch Studiengebühren für Zweitstudien und für Pensionisten vereinbart haben und auch Prüfungsaufträge, ob des Weiteren Studiengebühren nötig sind. Tun Sie also nicht so, als wäre das alles von Ihrer Seite aus von vornherein unmöglich gewesen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Sie haben genauso geprüft, Sie haben genauso abgewogen, und Sie sind dann zu einer anderen Entscheidung gekommen. Das respektiere ich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie können daher weder von "überfallsartig" noch von "unsozial" sprechen, und Sie können auch nicht von "feig" sprechen, denn wir haben ein neues Ziel dieser Bundesregierung beschlossen, mit dem der überwiegende Großteil der Österreicher einverstanden ist: mit der Schuldenpolitik aufzuhören und der kommenden Generation nicht weiter die drückenden und alle Lebenschancen beeinträchtigenden 100 Milliarden Zinsen zu überbürden. Und das ist sozial. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist nicht sozial, die Lebenschancen der nächsten Generationen jetzt zu verprassen. Man muss das wirklich sagen. Man muss auch sagen, dass es nicht klug ist, wenn der Bauer das Saatgut, das er zur Aussaat braucht, zu Brot bäckt und isst. Man muss an die nächsten Generationen denken, und es muss eine nachhaltige Politik sein.

Ich finde es unehrlich, wenn hier so getan wird, als wäre das alles neu, als wäre das alles feig. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Sie haben dagegen entschieden. Wir haben nach reiflicher Überlegung dafür entschieden.

Wir halten es für sozial, mit der Schuldenpolitik aufzuhören, und wir halten es für sozial, eine zusätzliche Hochschulmilliarde damit zu finanzieren. Sie haben eine andere Meinung, aber machen Sie daraus hier keine fundamentalistische Frage. Sie sind in Ihrem innersten Herzen ja auch anderer Meinung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Kostelka zu Wort gemeldet. – Bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen.

17.24

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Abgeordneter Khol! Jetzt haben Sie mich herausgefordert.

Wir sind gemeinsam in Koalitionsgesprächen gesessen, und zwar einander gegenüber. Sie haben hier behauptet, dass auch die Sozialdemokraten tief im innersten Herzen – wohin Sie doch nicht überall sehen können – Studiengebühren wollten. (Abg. Dr. Khol: Niederwieser! Niederwieser! – Abg. Ing. Westenthaler: Niederwieser hat das öffentlich gefordert!) – Das stimmt nicht, und das entspricht nicht den Tatsachen.

Wir haben ausschließlich für jene Studien, wo Studieren tatsächlich zur Freizeitbeschäftigung wird, solche durchaus diskutiert. (Abg. Dr. Khol: Also doch!) Aber für eine Berufsausbildung, für die Studenten, die heute mit Recht demonstrieren, haben wir sie dezidiert ausgeschlossen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Amon, Dr. Graf und Genossen betreffend begleitende Maßnahmen zur Qualitätssicherung an den Universitäten und Sicherstellung der sozialen Gerechtigkeit für Studierende im Rahmen der Einführung von Studienbeiträgen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 29.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Einem und Genossen betreffend freien Zugang zur Bildung und gegen die Einführung von Studienbeiträgen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nun zur Durchführung einer kurzen Debatte. Diese betrifft den Antrag der Abgeordneten Dr. Lichtenberger, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 26/A der Abgeordneten Dr. Lichtenberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird, eine Frist bis 17. Oktober 2000 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin. – Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, Sie sind am Wort.

17.27

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nun das dritte Mal, dass ich zum Thema Nachtfahrverbot, denn das ist der Gegenstand des Antrages, hier zu Ihnen spreche. Ich tue dies auch deshalb, weil es in der letzten Sitzung des Ver


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kehrsausschusses nicht gelungen ist, zu einer Befristung zu kommen, die eine rechtzeitige Entscheidung dieser Frage ermöglicht hätte. Den Grund dafür, dass ich von einer "rechtzeitigen Entscheidung" spreche, möchte ich genauer ausführen.

Jede und jeder, der sich derzeit mit Verkehrspolitik beschäftigt und in diesem Rahmen auch das Problem des alpenquerenden Transits und des Österreich durchquerenden Transits im Auge hat, und jeder, der sich mit der finanziellen Situation der ASFINAG beschäftigt, weiß, dass im Moment zwei gravierende Probleme knapp vor einer für Österreich mit größter Wahrscheinlichkeit leider negativen Entscheidung stehen.

Ein Problem ist die Klage gegen die höhere Brenner-Maut, über die wahrscheinlich in der Woche vom 26. September 2000 vom Europäischen Gerichtshof entschieden wird. Nach den bisherigen Stellungnahmen des Generalanwaltes wird es diesbezüglich, soweit man das heute absehen kann, zu einer Entscheidung kommen, die dramatisch negativ für Österreich ausfallen wird, und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits wird die Maut gesenkt werden müssen – die erhöhte Brenner-Maut wird gesenkt werden müssen; Fachleute stellen sogar eine Senkung auf die Hälfte in den Raum –, und das bedeutet nicht nur einen drastischen Einnahmenentfall für Österreich auf dieser Strecke, sondern auch eine Relativierung des Schutzes der Nachtruhe entlang der Transitstrecke, da die hohe Brenner-Maut in der Nacht natürlich den Nachtverkehr reduziert hat. Und andererseits bedeutet das weiteren Ausweichverkehr, da man die teure Schweiz meiden und durch Österreich fahren, Österreich durchqueren wird, da Österreich mit seiner Verkehrspolitik dann der Billige Jakob Europas im Nord-Süd-Transit sein wird. (Beifall bei den Grünen.)

Nun könnte man einwenden, dass das alles ja nicht stattfinde, weil wir einen "herrlichen" Transitvertrag hätten, der mit Hilfe der Ökopunkte ein Limit für die Durchfahrt auf den großen europäischen Transitstraßen, die Österreich queren, gesetzt hätte. Aber derjenige, der auch nur einigermaßen die Verkehrspolitik verfolgt, weiß, dass der Transitvertrag knapp davor steht, gebrochen zu werden. Wenn morgen, am Donnerstag, kein Kompromissvorschlag – und es ist klar, dass es keinen geben wird – zwischen der Europäischen Verkehrskommission und Österreich beschlossen werden kann, der eine Verbesserung der Situation für die Anrainer von Transitstrecken in alpinen Regionen mit sich bringt, dann tritt automatisch der Vorschlag der Europäischen Kommission in Kraft, der eine kalte Enteignung der Rechte der Anrainer von Transitstrecken in Tirol – aber nicht nur in Tirol, sondern in ganz Österreich – darstellt, denn dieser Vorschlag der Europäischen Kommission bedeutet, dass der Transitvertrag heuer ausgesetzt wird, und kein Mensch – kein Mensch! – kann garantieren, dass er nächstes Jahr und übernächstes Jahr nicht genauso gebrochen wird, wie er schon heuer gebrochen worden ist.

Nun braucht es – ich will mich jetzt nicht mit Kritik am Minister und auch nicht mit Kritik an den Vorgängern des Ministers aufhalten, an der Art und Weise, wie dieser Transitvertrag zustande gekommen ist und was jetzt seine negativen Folgen sind – Notmaßnahmen in Österreich, um ein Minimum an Schutz der Bevölkerung entlang der großen Transitrouten aufrechtzuerhalten. (Beifall bei den Grünen.)

Dieses Minimum an Schutz würde zum Beispiel ein generelles Nachtfahrverbot bedeuten, das keine Ausnahme mehr für so genannte lärmarme Fahrzeuge zum Inhalt hat. Genau das ist Gegenstand meines Antrages!

Ich weiß, dass bei den Vertretern jener Bundesländer, in welchen es heute noch nicht so viel Transitverkehr gibt wie in Tirol, leider noch viel zu wenig Verständnis für diese Probleme da ist. Wir im westlichen Österreich sind da leider "Problemvorreiter" und möchten – und das sage ich ganz offen – aber auch das gesamte Österreich in diese Regelung einbeziehen, wobei man über einige Strecken wird diskutieren müssen, um einen Schutz der Bevölkerung, zumindest aber einen Schutz von deren Nachtruhe zu gewährleisten.

Diesem Antrag sind Sie im Ausschuss nicht gefolgt. Dieser Antrag wurde nicht einmal in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe weiterbehandelt. Dieser Antrag wurde von Herren wie Kukacka oder Wattaul kalt vom Tisch gewischt. Es besteht keinerlei Verständnis für die Situation von


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Anrainern großer Transitrouten. Es besteht keinerlei Verständnis dafür, dass der Transitverkehr, wie er heute betrieben wird, wirtschaftlich schädlich ist, ökologisch schädlich ist und die Gesundheit der Bevölkerung beeinträchtigt.

Da müssen Maßnahmen greifen! Sie, meine Herren, die Sie im Verkehrsausschuss so besonders dagegen gekämpft haben, werden dann, wenn die Verkehrslawine rollt, nicht mehr sagen können, es seien nur die anderen schuld, denn auch Sie haben es verabsäumt, rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten, die da einen Schutz bedeuten würden. (Beifall bei den Grünen.)

Um Ihnen das zu verdeutlichen, zeige ich Ihnen eine kurze Wachstumskurve des LKW-Verkehrs auf einer Strecke. (Die Rednerin hält eine Graphik in die Höhe.) Die rote Linie stellt die Straße dar, die grüne Linie die Bahn. So viel zur Diskussion über die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene.

Diese Wachstumsrouten werden noch einmal gesteigert, wenn dieser mein Antrag auf Erlassung eines Nachtfahrverbots nicht angenommen wird und wenn damit eine Einladung an die Frächter Europas ergeht: Bitte fahrt bei uns durch, bei uns ist es billig, bei uns ist es bequem, bei uns ist es viel besser als in der Schweiz!

Ich stehe mit dieser Forderung nicht allein da. Es gibt die Alpenschutztransiterklärung – einige von Ihnen werden sie vielleicht kennen –, und in dieser Erklärung ist die Forderung nach Erlassung des Nachfahrverbots klar verankert.

Außerdem findet sich in dieser Transiterklärung eine Unterschriftenliste, und einige Namen der Unterzeichneten möchte ich Ihnen jetzt nennen, und zwar einfach zum Nachdenken für einige Abgeordnete hier im Hohen Hause. Es handelt sich dabei um den Bischof von Linz, Maximilian Aichern, um Fritz Dinkhauser – auch nicht uninteressant! –, um Dr. Peter Graus vom Alpenverein, um Bischof Kothgasser aus Innsbruck, auch um den Vizebürgermeister von Innsbruck aus den Reihen der Sozialdemokraten und um die Preisträger des Konrad-Lorenz-Staatspreises für Natur und Umweltschutz.

Aber diese Forderung stellt kein Allheilmittel dar – das sage ich auch ganz offen –, es braucht viele begleitende Maßnahmen wie Kontrollen und auch Schutzbestimmungen für die Fahrer. Der ganze Sommer war voll mit Skandalnachrichten über Fahrer, die übermüdet am Steuer gesessen sind und mit schweren LKW Unfälle verursacht haben. Daher braucht es zusätzlich Kontrollstellen, und es braucht Geld für diese Kontrollstellen, um die schwarzen Schafe im Transportgewerbe endlich zurückzudrängen und um auf den Straßen einen fairen Wettbewerb wieder herzustellen. Vor allem braucht es ein ökologisches und ein soziales Verständnis bei Ihnen allen, wenn es darum geht, mit Hilfe dieses Antrages zumindest einen Schritt in Richtung Schutz der Nachtruhe der Anrainer der Transitrouten zu gehen.

Diese Befristung musste ich einbringen, damit eine Entscheidung zumindest noch in zeitlicher Nähe zu den wahrscheinlich fallenden Beschränkungen des LKW-Transits gefällt werden kann. (Beifall bei den Grünen.) Sie haben keinen Termin für eine Sitzung des Verkehrsausschusses gefunden. Ich hoffe, dass es bald einen geben wird, damit nicht wieder etwas in der Verkehrspolitik eine endlose Geschichte und hoffnungslos verschlafen wird. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

17.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit der nunmehr zu Wort gemeldeten Abgeordneten 5 Minuten beträgt.

Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.37

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Nichtanwesende auf der Regierungsbank! (Abg. Mag. Firlinger: Der Minister ist in Luxemburg!) Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir Tiroler Abgeordneten, die Frau Kollegin Lichtenberger, die Frau Kollegin Hakl und ich, und die sozialdemokratischen Mitglieder des Verkehrs


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ausschusses haben bei jeder Gelegenheit in diesem Hohen Haus auf die Transit- und Ökopunkte-Problematik (Abg. Haigermoser: Wer hat den Transitvertrag ausverhandelt, Herr Kollege? Hat der nicht Klima geheißen? Daran kann ich mich doch dunkel erinnern! Jetzt ist er in Argentinien! Vielleicht kann man ihn befragen!) und auf die Lärmbelastung hingewiesen, die die Bevölkerung erleiden muss, Herr Kollege. Es dürfte daher auch in diesem Hohen Haus nicht unbekannt sein, dass insbesondere die Tiroler Bevölkerung eine Verkehrsbelastung zu tragen hat, die so nicht weiter akzeptiert werden kann. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Wer hat den Transitvertrag ausverhandelt? Beantworten Sie meine Frage!)

Nachdem schon der EU-Verkehrsministerrat in Luxemburg zu keiner Einigung gekommen war, habe ich an Bundesminister Schmid die Frage gerichtet, wie es denn mit der Einhaltung des Transitvertrages weitergehen soll. Ich erinnere Sie an die Antwort des Herrn Bundesministers. Er sagte damals, dass in dieser Frage keine Hektik angebracht sei und dieser Vertrag einzuhalten sei. Für ihn – für den Herrn Bundesminister – gelte die Einhaltung oder die Verbesserung des Vertrages. Und was haben wir heute? – Nun stehen wir vor der Situation, dass mangels eines EU-Kompromisses Brüssel sein Ökopunkte-Modell umsetzen wird.

Was hat der Herr Verkehrsminister da getan, um die Interessen der transitgeplagten Bevölkerung Tirols zu schützen? – Nichts, meine Damen und Herren! Er hat uns Tiroler mit schönen Worten vertröstet. Er hatte allerdings Recht. Er kam gemäß der damaligen Anfragebeantwortung tatsächlich ohne Hektik aus – zum Schaden der Tiroler Bevölkerung.

Dass die Transitproblematik offensichtlich sehr locker angegangen wurde, beweist auch eine APA-Meldung vom 13. September 2000. Seit Ende Juli habe es auf hoher politischer Ebene keine Kontakte mehr zwischen dem österreichischen Verkehrsministerium und Frau Kommissarin Loyola de Palacio gegeben. So hieß es am Mittwoch in einer Aussendung der EU Kommission. Der Minister hat von Beginn seines Ministeramtes an zu viel Zeit verplempert – wie wir es in Tirol so schön sagen –, anstatt sich intensiv mit der Transitproblematik und der unendlichen Ökopunkte-Problematik zu beschäftigen. Der damalige Kompromiss von Verkehrsminister Einem wurde vom Tisch gewischt, und anschließend wurden alle anderen Möglichkeiten, zu einem für alle tragbaren Kompromiss zu kommen, einfach verschlafen. Daher konnten sich bis dato die Verkehrsminister auf keinen gemeinsamen Nenner hinsichtlich der Verringerung der Zahl der Transitfahrten über den Brenner einigen.

Brüssel wird demnach heuer noch 20 000 Fahrten für Österreichs Frächter freigeben. Was wird Österreich, was wird der Verkehrsminister tun, um den damit zusammenhängenden erwarteten Transit-Crash zu vermeiden? – Wir müssen nun das EU-Modell, wie schon Kollegin Lichtenberger gesagt hat, das über drei Jahre verteilt eine schrittweise Reduktion der Zahl der Transitfahrten über den Brenner vorsieht, umsetzen.

Wird nun Klage beim EuGH eingebracht? – Meiner Meinung nach ist das sinnlos, denn es wird, wie wir alle wissen, bei solch einer Klage bis zum EuGH-Urteil mindestens zwei Jahre dauern, und dann ist der Transitvertrag abgelaufen.

Eine weitere Bombe wird auf uns zukommen: Es wird – wie Frau Kollegin Lichtenberger ebenfalls schon angesprochen hat – am 26. September der EuGH über die Höhe der Brenner-Maut entscheiden. Über 2 Milliarden Schilling an Rückforderungen an die Frächter kommen auf uns zu. Wer wird das bezahlen, meine Damen und Herren? Was wird weiter passieren – ohne LKW-Road-Pricing, ohne entsprechende Lenkungsmaßnahmen, wie zum Beispiel das generelle Nachtfahrverbot für LKW über 7,5 Tonnen, dafür aber mit Umwegverkehr, der zusätzlich 200 000 LKW-Fahrten über den Brenner statt durch die Schweiz bringen wird?

Der Herr Verkehrsminister hat es zugelassen, dass die Kommission viel zu spät reagiert hat. (Abg. Mag. Firlinger: Das ist aber interessant!) Die erste Sitzung des Ökopunkte-Ausschusses wurde zwar einberufen, aber es kam zu keiner Abstimmung. Zwei Monate später, am 2. Mai, gab es ein Gespräch mit der EU-Verkehrskommissarin ohne konkretes Ergebnis. Der Minister hatte Recht: Es gab keine Hektik! Die Zeit verstreicht ungenützt – zum Schaden der Tiroler! (Abg. Mag. Firlinger: Der Minister ist schuld!)


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Wir Tiroler Sozialdemokraten möchten noch etwas dranhängen: Wir fordern und erwarten auf jeden Fall die unbefristete Verlängerung des Transitvertrages, ... (Abg. Dr. Khol: Redezeit!)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ihre Redezeit ist erschöpft, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Gerhard Reheis (fortsetzend): ... zusätzliche Bahnkapazitäten mit attraktiven Tarifen, Verhandlungen über den Brenner-Basistunnel, Umsetzung des LKW-Road-Pricings, zusätzliche Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung wie Lärmschutz, Bekenntnis zum Nachtfahrverbot, ein Sonntags- und Feiertagsfahrverbot.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Gerhard Reheis (fortsetzend): Ja, sehr gerne. Ich komme jetzt zum Schlusssatz: Es ist diese Auflistung durchaus und verständlicherweise fortzusetzen, aber der erste Schritt zum Schutz der transitgeplagten Bevölkerung ist die Durchsetzung des Nachtfahrverbotes. Helfen Sie uns dabei! Wir sind da! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Warum hat das Minister Einem als Verkehrsminister nicht getan?)

17.43

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Abgeordneter Mag. Kukacka.

17.43

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich heute kurz fassen, weil dieses Thema wahrlich nichts Neues ist, Frau Kollegin Lichtenberger, denn wir beschäftigen uns damit nun schon zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ich werde es immer wieder bringen, solange, bis ihr es versteht!) Ihnen fällt wirklich nichts Besseres ein, als Ihre alten Anträge immer wortgleich abzuschreiben. Ein bisschen mehr sollten Sie sich schon zu diesem Thema einfallen lassen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Nein! Das ist der gleiche Antrag! Es handelt sich um eine Fristsetzungsdebatte!)

Sie können das auch nicht mit der bevorstehenden Entscheidung der EU-Klage argumentieren, denn vor zweieinhalb Jahren, als wir das erste Mal darüber diskutiert haben, war davon überhaupt keine Rede und auch im Jänner und März war davon überhaupt keine Rede.

Im Übrigen sind Sie, Frau Kollegin, auch sachlich nicht auf dem richtigen Dampfer, denn Ihr Forschungsinstitut, der VCÖ, hat in einer Aussendung vom 28. Februar gesagt: Der Generalanwalt hat die Brenner-Maut als zu hoch und als Diskriminierung für nicht in Österreich zugelassene LKW bezeichnet. Der Vorwurf sei berechtigt, hat er festgestellt. – Ja, Frau Kollegin, das sagt Ihr grünes Forschungsinstitut, der VCÖ! Der sagt ganz genau das Gegenteil von dem, was Sie sagen! (Abg. Dr. Lichtenberger: Nein!) Also schaffen Sie einmal Ordnung in den eigenen Reihen, vertreten Sie eine klare Verkehrspolitik, dann werden Ihre Argumente auch gehört werden, meine Damen und Herren von den Grünen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Wattaul: Frau Lichtenberger, das wird jetzt wirklich schon fad! – Abg. Schieder  – in Richtung des Abg. Wattaul –: Keine Zwischenrufe vom Platz, wo Sie gar nicht sitzen dürfen!)

Herr Kollege Reheis! Wenn jemand die verkehrspolitische Situation im Zusammenhang mit dem Transitvertrag zu verantworten hat, dann waren und sind es die sozialdemokratischen Verkehrsminister der letzten Jahre, angefangen von Klima bis Einem, die den Transitvertrag, den Sie, meine Damen und Herren, nun bejammern, ausverhandelt haben. Sie sind in dieser Frage völlig unglaubwürdig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was würde denn ein generelles Nachtfahrverbot bedeuten? – Eine völlige Verkehrsüberlastung morgens und abends, gerade dann, wenn der Berufs- und der Pendlerverkehr ohnedies auf dem Höhepunkt sind! Dann, in der Früh, würde auch noch der LKW-Verkehr einsetzen, weil die Frächter in der Nacht nicht fahren dürften. Das ist doch ein total falscher Ansatz, der an der Realität völlig vorbeigeht, meine Damen und Herren! (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichten


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berger.  – Abg. Wattaul  – in Richtung der Abg. Dr. Lichtenberger –: Pendlerverkehr! Nahversorgung!)

Herr Kollege Niederwieser! Ihnen möchte ich Folgendes sagen: Der Verfassungsgerichtshof hat schon im Jahr 1991 zum Thema Nachtfahrverbot gesagt: Die Einbeziehung lärmarmer LKWs in das Nachtfahrverbot bewirkt keinen ins Gewicht fallenden zusätzlichen Schutz der Bevölkerung und der Umwelt gegenüber dem PKW-Verkehr, weil der PKW-Verkehr mit 110 km/h – das entspricht dem derzeit geltenden Recht, und zwar auch im Inntal – genauso laut ist wie der LKW-Verkehr mit 60 km/h. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist nicht wahr!)

Was Sie wollen, würde heißen, dass man selbstverständlich dann auch den PKW-Verkehr in der Nacht verbieten müsste, weil er genauso laut ist wie der LKW-Verkehr. Das ist die logische Konsequenz. Das müssen Sie auch dazusagen, meine Damen und Herren von den Grünen! Sagen Sie das der Tiroler Bevölkerung, dass sie mit ihrem PKW nachts nicht mehr auf der Autobahn fahren darf – wenn es nach der Meinung der Grünen geht. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist doch nicht wahr! – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Also das, was Sie sagen, ist ein echter Pfusch, und es besteht auch keine Dringlichkeit und keine Hektik in dieser Sache.

Wir werden uns selbstverständlich mit dieser Thematik beschäftigen, wenn die EuGH-Klage auf dem Tisch liegt, wenn klar ist, was der Europäische Gerichtshof diesbezüglich entschieden hat, und dann werden wir die richtigen und vernünftigen Maßnahmen auch im Sinne des Schutzes der Tiroler Bevölkerung treffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Die Abgeordneten Öllinger und Dr. Lichtenberger: Wir wollen Wattaul!)

17.48

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Niederwieser hat den Zwischenruf gemacht: "Freie Fahrt für freie Bürger!" (Abg. Dr. Niederwieser: War das nicht der Meischberger?)  – Ich glaube, das hat sich der damalige Verkehrsminister Klima so gedacht. Er hat, glaube ich, schon im Jahre 1995 ein bisschen an die Automobilbranche gedacht, wo er dann fünf Jahre später gelandet ist. Er hat das im Kopf gehabt: Möglichst viele LKWs herein ins Land! Darum ist ihm der Transitvertrag eingefallen, zu dem er ja gesagt hat. (Zwischenruf des Abg. Dr. Niederwieser. ) Klima hat er geheißen, Herr Kollege Niederwieser, nicht Schmid! Wollen wir das, meine Damen und Herren, einmal festhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte jetzt auf die wiederholt vorgetragenen Punkte, auf den wiederholt vorgebrachten und eingebrachten Antrag der Grünen zu sprechen kommen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Einmal eingebracht!)

Wissen Sie, Frau Kollegin Lichtenberger, dieser Antrag ist genauso abstrus – es wurde ja schon in diese Richtung argumentiert – wie Ihre Forderung nach einem Benzinpreis von 35 S. Das möchten wir, bitte, auch festhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Die Unwahrheit ist das!)

Ich weiß doch, Frau Kollegin Lichtenberger, dass Ihnen das äußerst unangenehm ist, weil das Ihren Wählern auch wehtut. Sie wollen sich von der Diskussion, die Sie geführt haben, davonstehlen, aber das geht nicht, wir werden Sie festnageln. Es werden Ihre Anträge auch mit zunehmender Frequenz, in der Sie sie einbringen, nicht besser.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte Folgendes festhalten: Das, was da versucht wird, ist, das untaugliche Mittel einzusetzen, die Region Westösterreich gegen jene von Ostösterreich auszuspielen.


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Warum, meine Damen und Herren? – Wenn man den Antrag der Grünen umsetzen würde, dann würde das bedeuten: Na gut, LKW im Bereich unter 7,5 Tonnen können fahren, können weiterfahren. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Die Geschäftsordnung habt ihr beschlossen!) Und was glauben Sie, was sich dann in der Nacht abspielen würde? – In Wien, in der Ostregion, in einem Landesteil, der nicht weit weg ist beispielsweise von der tschechischen Republik oder von der Slowakei, würde ein intensiver Verkehr rund um die Uhr stattfinden. Diese LKW sind meistens wirklich noch sehr laut, das sind keine lärmarmen LKW, und die würden dann fahren.

Also bitte, meine Damen und Herren, so geht es wirklich nicht, dass man sagt: Wir machen vielleicht etwas für Tirol – die Tiroler Bevölkerung ist leidgeplagt, das verneint niemand –, für Tirol machen wir eine Lösung, aber was im Rest von Österreich passiert, ist uns egal. – Frau Kollegin Lichtenberger, das kann es doch nicht sein! (Abg. Dr. Lichtenberger: Haben Sie mir zugehört? Herr Kollege, haben Sie mir zugehört?) Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Machen Sie einen intelligenten Antrag, dann werden wir darüber befinden können! Aber wenn Sie so einen Antrag einbringen, dann bin ich der Meinung, dass es besser wäre, Sie bringen gar keinen ein.

Ich möchte auch von meiner Seite aus wiederholen: Wenn der Entscheid des EuGH da sein wird, dann werden wir uns mit all den Konsequenzen auseinander setzen. Auch Herr Minister Schmid hat schon angekündigt, dass es hier eine Reihe von Maßnahmen geben wird.

Würden Sie Zeitungen lesen – aber Sie lesen ja nicht einmal Zeitungen, Sie predigen nur herunter, was Sie selbst gerne hören wollen –, dann könnten Sie heute nachlesen, dass Minister Schmid gesagt hat, er werde sich mit einer Forderung auseinander setzen und versuchen, im Verordnungsweg beispielsweise den unnötigen Verkehr von der Straße wegzubringen, sodass man nicht ohne Hirn und ohne Verstand Müll quer durch Österreich transportiert. – Das steht heute im "Kurier". Aber das wollen Sie alles nicht wahrhaben. Sie wollen polemisieren!

Ein Wort noch zum Schluss, Frau Kollegin! Sie wollen Österreich polarisieren, das ist ganz klar. Sie wollen in der heißen und sensiblen Phase, in der wir uns jetzt befinden und in der die österreichischen Frächter keine Blockaden durchführen, durch so eine Maßnahme und durch so eine Forderung noch Öl ins Feuer gießen, meine Damen und Herren! Das ist die Realität. Sie wollen so chaotische Zustände wie in Frankreich und Großbritannien herbeiführen. Ihre Absicht ist es, Österreich ins Chaos zu stürzen!

Für eine solche Politik werden Sie uns nicht gewinnen können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Haigermoser: Frau Lichtenberger! Stimmt das: 35 S pro Liter Benzin haben Sie verlangt? – Abg. Dr. Martin Graf: Bleibt unwidersprochen! – Abg. Dr. Lichtenberger: Beweisen Sie mir das!)

17.53

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Justizminister! Meine Damen und Herren! Wäre das Anliegen und das Thema nicht ein Lebensthema, ein wirkliches Überlebensthema für die Bevölkerung in ganz Österreich und nicht nur in Tirol, müsste man als Zuhörerin oder als Zuhörer bei diesen Debattenbeiträgen wirklich entweder in Dauerlachen ausbrechen oder sich zutiefst schämen. – Das nur als kleiner Kommentar zu dem, was bis jetzt hier zu hören war. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte jetzt generell allen noch einmal deutlich ins Bewusstsein rufen, dass es hier wirklich um Lebensinteressen geht: dass es nicht nur um Nachtruhe und um Lebensqualität als solche geht, sondern überhaupt um Lebensgrundlagen! (Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Diese Lebensgrundlagen sind in Österreich in Tirol, am Brenner, durch den Transitverkehr am meisten gefährdet, weil dort die geographischen Verhältnisse am engsten sind. Was sich dort abspielt – jetzt, jede Nacht, jeden Tag –, das droht, bitte, über kurz oder lang auch in anderen


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Transitgegenden Österreichs, sei es in der Steiermark oder im Burgenland, sei es in Niederösterreich oder auch in Oberösterreich. Das ist ein gesamtösterreichisches Thema, das ist ein Lebensthema, das ist ein Klimaschutzthema, das ist ein Zukunftsthema. Hier sind wir auch der nachfolgenden Generation sehr stark im Wort, beziehungsweise hier müssen wir Vorsorge treffen.

Sie können ja mit mir wetten, Herr Kollege Kukacka – eine Wette haben wir Ihnen gegenüber schon gewonnen! Was glauben Sie: An welcher Messstelle sind die NOX-Belastungen höher, in Mailand oder in Vomp? (Abg. Dr. Martin Graf: Auf der Südosttangente!)  – Sie kneifen diesmal ehrlich, ich muss Ihnen das zugestehen: eindeutig in Vomp! Die höchsten NOX-Belastungen, die höchsten Belastungen mit einer Ozon-Vorläufersubstanz, haben wir in Vomp im Inntal!

Dagegen bitte muss man Maßnahmen ergreifen, die insgesamt auf die Reduzierung des LKW-Verkehrs hinauslaufen. Dass da Feuer am Dach ist, beweist nicht nur der Ministerrat morgen auf EU-Ebene, das beweist nicht nur das EU-Urteil Ende September, sondern das beweist die Sachlage jeden Tag.

Es geht darum, diese Engpassstelle in Österreich zum Hebel der gesamteuropäischen Verkehrspolitik zu machen. Sie haben ja noch nie begriffen, welche Möglichkeiten Sie an sich hätten, wenn Sie hier gezielt den Hebel ansetzten und das nicht der Schweiz überließen. Sie haben die Vorreiterrolle Österreichs beim Transitvertrag verschlafen oder verspielt – je nachdem –, Sie haben die Vorreiterrolle Österreichs jetzt in den letzten Verhandlungen verschlafen und verspielt, und Sie muten der österreichischen Bevölkerung – sei es in Tirol, sei es woanders – eine Lärmbelastung jede Nacht, tagtäglich zu. Das geht nicht mehr! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ihre Argumente sind ja mehr als hanebüchen. Mir fällt wirklich kein passendes Wort ein – "hanebüchen" ist ja noch ein Kompliment. Wenn ich nur daran denke: Die Versorgung bricht zusammen. – Bitte, die Schweiz hat schon lange ein Nachtfahrverbot. Jeder Schweizer genießt das frische Joghurt oder die frische Milch zum Frühstück. Das geht ja, es ist lächerlich, ein solches Schreckgespenst an die Wand zu malen! Es funktioniert wunderbar trotz Nachtfahrverboten. Die Wirtschaft der Schweiz blüht, der Landwirtschaft geht es dort besser, teilweise auch dem regionalen Gewerbe, und insgesamt wird dort eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik gemacht, die Sie nie und nimmer auch nur im Entferntesten jemals erreichen werden.

Dann das Zweite: VCÖ-Zitate. – Entschuldigen Sie, der VCÖ ist ja kein grüner Verkehrsclub, obwohl es mir zur Ehre gereicht, ihn einmal in diesem Zusammenhang genannt zu hören. Es würde mir eine Ehre bedeuten, wenn der VCÖ mit uns direkt eng verbunden wäre. Nur ist er eine fachwissenschaftliche Vereinigung, die sich überparteilich versteht. Diese fachwissenschaftliche Vereinigung hat oft Argumente und hat oft Studien, die unsere Verkehrspolitik sehr stark untermauern. Der VCÖ bietet die wissenschaftliche Grundlage, auf der die grüne Verkehrspolitik aufbaut. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

Sie haben ja gar keine wissenschaftliche Grundlage. Sie haben eine Lobby-Grundlage, und Sie haben eine Grundlage von irgendwelchen Einmaleins-Argumenten, die nicht einmal der kleine Maxi glaubt. (Abg. Mag. Kukacka: Und Sie distanzieren sich von der wissenschaftlichen Grundlage!) Das ist der Unterschied.

Ich schätze den VCÖ in jeder Hinsicht, und deswegen soll ihm Gerechtigkeit zukommen. Sein Zitat ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass er die EU-Wegekostenrichtlinie als zu gering angesetzt betrachtet und insofern im EU-Rechtssystem natürlich die Klage gegen die Brenner-Maut klar ist beziehungsweise die Brenner-Maut als zu hoch eingestuft wird. Das hat der VCÖ festgestellt.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Den Schlusssatz bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Andere Schriften – ich kenne sie jetzt nicht wortwörtlich – werden sicherlich darauf hinweisen, dass in Österreich insgesamt die Kosten


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wahrheit im LKW-Verkehr wirklich jenseits jeglicher Anforderung ist und dass wir hier ansetzen müssten. Da ist ein Beitrag zur Kostenwahrheit ...

17.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Redezeit ist erschöpft, Frau Abgeordnete. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ für die das Rednerpult verlassende Abg. Dr. Moser.)

Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 26/A der Abgeordneten Dr. Lichtenberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird, eine Frist bis 17. Oktober 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme nun die Verhandlung über die Punkte 1 bis 3 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Großruck. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

17.59

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich setze dort fort, wo ich vor der Dringlichen aufhören musste, nämlich bei einem Zeitungszitat über den Katzenjammer der EU-14. Ich darf "Die Welt" weiter zitieren: "Die 14 Mitgliedstaaten sollten nun geräuschlos zur Tagesordnung übergehen und sich künftig hüten, demokratisch gewählten Mitgliedsregierungen Noten zu geben." – Also auch eine schöne Bewertung der deutschen Zeitung "Die Welt" über das Verhalten der EU-14!

Meine Damen und Herren! Die "Zürcher Zeitung" bringt es auf den Punkt, wenn dort geschrieben wird – ich zitiere –:

"So bleibt der unschöne Verdacht haften, dass Europa einmal mehr für etwas anderes instrumentalisiert wurde – diesmal, um den von Macht und Pfründen verwöhnten österreichischen Sozialisten den Jungbrunnen der Opposition zu ersparen."

So, meine Damen und Herren, die Meinung und der Kommentar der ausländischen Presse. Ich glaube, dass wir dem durchaus zustimmen können.

Es kann nämlich nicht so sein, dass die Werte in der Europäischen Union vom Parteiprogramm der Sozialistischen Internationale bestimmt werden. Da gibt es auch andere Werte, die vielleicht noch besser und da und dort noch passender sind. Wir müssen alle Strömungen einfließen lassen. Es können nicht einige hergehen und in Europa sagen, was recht und gut ist, und wenn man nicht deren Meinung ist, dann ist man schlecht und böse. (Abg. Dr. Khol: So ist es!) Das hat die Diskussion hoffentlich gebracht, das hat hoffentlich die ganze Auseinandersetzung gebracht.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch Herrn Gusenbauer einen guten Ratschlag geben. (Abg. Dr. Heindl: Oje!) Als er in der "Pressestunde" beziehungsweise im "Sommergespräch" auftrat, war ich davon überrascht, dass er sich in einem neuen Outfit präsentiert hat. Wahrscheinlich hat ihn ein "Spin doctor" beraten. Jetzt wissen wir natürlich, dass auch Herr Klima von "Spin-Doktoren" beraten wurde, und wir wissen, wozu das geführt hat. Ich würde Herrn Gusenbauer raten, nicht sein Outfit zu verändern, sondern seinen Output, vor allem was die


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Sanktionen betrifft, und sich in Zukunft voll hinter Österreich zu stellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.02

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die so genannten Sanktionen der EU-14 waren mit Sicherheit ein schwerer politischer Fehler, der der Europäischen Union mehr Schaden zugefügt hat als Österreich oder der österreichischen Bundesregierung. Dass die diskriminierenden Maßnahmen, die von einigen Scharfmachern wie dem französischen Staatspräsidenten oder auch dem belgischen Außenminister gegen die Mehrheit der europäischen Politiker durchgesetzt worden waren, ein reiner Willkürakt gegen Österreich und dessen Bevölkerung waren, weiß jeder, der die stabilen demokratischen Verhältnisse in unserem Land kennt und beobachtet hat.

Die Beobachtung Österreichs durch drei ausländische Politiker – heute mehrfach als "Experten" bezeichnet – ist von den Menschen in unserem Land aber durchaus nicht so euphorisch begrüßt worden, wie das der eine oder andere Vorredner vor mir euphemistisch verbrämt hat. Viele Ältere haben sich an die Bevormundung Österreichs in der Vergangenheit erinnert. Manche hatten sogar den Eindruck, als würde unser Staat, unser souveräner Staat, wie eine französische oder belgische Kolonie im 19. Jahrhundert behandelt.

Dabei war allen in- und ausländischen Beobachtern in den Medien von Anfang an klar, dass die völlig willkürlich verhängten Sanktionen aufgehoben werden mussten. Aufgehoben werden mussten sie deshalb, weil Österreich nicht nur ein unbestreitbar demokratisches Staatswesen, sondern im internationalen Vergleich so etwas wie ein Musterbeispiel für eine funktionierende Demokratie ist. Die Parteien in Österreich – das ist mehrfach gesagt worden – sind lupenrein demokratische Parteien, die ihre demokratische Legitimierung in erster Linie vom österreichischen Wähler und nicht vom Ausland erhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der politische Linken! Nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass "demokratisch" und "links" keine Synonyme sind! Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es auch rechts von der Mitte politische Bewegungen gibt, die auf lange demokratische Traditionen zurückblicken können (Abg. Gradwohl: Aber nicht die Freiheitliche Partei!), so wie wir Freiheitliche das etwa mit dem heute mehrfach genannten historischen Erbe des Jahres 1848, aber auch dem der Zeitenwende 1918/1919 tun, was ich von dieser Stelle aus in diesem Haus ebenfalls schon mehrfach angesprochen habe.

Wenn nun manche ausländische Politiker, die den Gesichtsverlust einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, erklären, sie würden die FPÖ weiterhin beobachten, so sagen wir hier und heute: Sie sollen uns beobachten. Es hindert auch die Herren Schröder und Fischer niemand daran, dazuzulernen oder von Tag zu Tag gescheiter zu werden. Ich nehme allerdings an, dass ihnen der tagespolitische Opportunismus oft die objektive Schau oder die objektive Sicht der Dinge vernebelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nun, meine Damen und Herren, zur innenpolitischen Situation, zur Rolle der Opposition. Die Oppositionsparteien haben meiner Einschätzung nach in der Frage der Sanktionen die Rolle eines Trojanischen Pferdes gespielt. Nicht nur, dass bei der Konferenz in Stockholm die Angriffszeichen gegen das eigene Land gegeben wurden, haben Vertreter dieser Opposition sehr wesentlich zur "Vernaderung", wie man hier in Wien sagt, unseres Landes und seiner Regierung beigetragen. Der Name Voggenhuber und sein absurder Faschismus-Vorwurf sind in diesem Zusammenhang heute schon mehrfach genannt worden. Aber auch der Besuch von Herrn Gusenbauer beim SPD-Vorsitzenden – das "Champagnisieren", wie es unser Klubobmann genannt hat – ist uns noch in guter Erinnerung. (Abg. Haigermoser: In schlechter Erinnerung! – Abg. Gradwohl: Die Haider-Aussagen ...!)


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Dass wir Ihnen von der Opposition keine Chance gegeben hätten, gemeinsam mit den Regierungsparteien gegen die ungerechten Maßnahmen des Auslandes vorzugehen, können Sie wirklich nicht behaupten. Im Außenpolitischen Rat, aber auch im Außenpolitischen Ausschuss haben wir Sie wiederholt zu einem Schulterschluss mit dieser Bundesregierung und mit der österreichischen Bevölkerung eingeladen. Sie haben aus parteitaktischen Gründen und Überlegungen diese Angebote ausgeschlagen. Die Konsequenzen für dieses Verhalten müssen Sie nun selbst tragen. (Abg. Leikam: Das war’s! Wiederseh’n!)

Meine Damen und Herren! Ganz kurz zum Schluss: Österreich braucht, was die Demokratieentwicklung betrifft, international mit Sicherheit keinen Vergleich zu scheuen. Im Gegenteil! Jeder, der unser Land kennt, weiß, dass durch den Regierungswechsel im Februar und das Ausscheiden der SPÖ aus der Regierung noch lange kein demokratiepolitischer Notstand in diesem Land ausgebrochen ist.

Die Festigkeit der neuen Bundesregierung und die klaren Aussagen von uns Freiheitlichen zu einer möglicherweise notwendigen Volksbefragung haben letztlich dazu geführt, dass die Sanktionen 223 Tage nach Beginn der unnötigen Provokation bedingungslos aufgehoben wurden. Ich glaube, wir können das mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.08

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.08

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Sanktionen haben in den vergangenen Monaten ein wesentliches Thema Österreichs und der EU überdeckt, und zwar die Umweltpolitik basierend auf der Vereinbarung von Kyoto. Ich erlaube mir deshalb, für die Abgeordneten Kopf und Mag. Schweitzer folgenden Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kopf, Mag. Schweitzer und Kollegen betreffend Weiterverfolgung der österreichischen Klimastrategie

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird bei ihren Bemühungen unterstützt, ihre Klimastrategie im Sinne des Ministerratsbeschlusses vom 12. September 2000 weiterzuverfolgen und über dessen Umsetzung insbesondere auch mit den Gebietskörperschaften in Verhandlungen einzutreten.

2. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft wird ersucht, nach der Klimaschutzkonferenz in Den Haag dem Nationalrat noch in diesem Jahr über den Stand der Arbeiten zur Umsetzung des Kyoto-Ziels zu berichten.

3. Die Bundesregierung wird ersucht, in den Vorschlägen zum Budget 2001 und allen darauffolgenden die Umsetzung einer österreichischen Klimastrategie zu berücksichtigen.

4. Die Bundesregierung wird ersucht, ehebaldigst die Ratifikation des Kyoto-Protokolls vorzubereiten und dem Nationalrat vorzulegen.

*****

Meine Damen und Herren! Die Sanktionen gegen Österreich – das haben einige meiner Vorredner schon klar erklärt – waren vertragswidrig.


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14 Mitglieder der EU haben die EU-Verträge gebrochen. Es war von allem Anfang an klar, dass die Europäische Union laut Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union auf folgenden Grundsätzen beruht: auf der Freiheit der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit aller ihrer Mitglieder.

Im Artikel 7 ist klar festgelegt, welches Verfahren einzusetzen hat, wenn ein Mitglied gegen diesen Artikel 6 verstößt. In diesem Artikel 7 ist klar festgelegt, dass es ein Verfahren geben muss, bei dem der Beschuldigte zumindest gehört werden muss. Österreich wurde von den EU-14 im Rahmen dieser Sanktionen nicht ein einziges Mal gehört. Die Aufhebung der Sanktionen, meine Damen und Herren, ist deshalb ein Akt der Gerechtigkeit und nicht ein Akt der Gnade! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dieses Unrecht wurde nun aufgehoben, und es hat vielleicht auch ein klein wenig sein Gutes, weil dadurch vielen in Europa klargemacht worden ist, dass ein Ziel nicht erstrebenswert ist, nämlich ein zu errichtender zentralistischer Bundesstaat, wenn möglich unter sozialistischer Dominanz. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In den jetzt folgenden Verhandlungen zur notwendigen Institutionenreform der Union wird die Bevölkerung von 15 Mitgliedsländern ganz genau darauf achten, dass das nicht der Fall sein wird. Das ist der Nutzen, den diese Sanktionen hinterlassen.

Meine Damen und Herren! Den Zielen verschiedener europäischer Politiker in Bezug auf die Reform der Union ist entgegenzutreten, unter anderen auch jenen des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland, Joschka Fischer, der die Kernsouveränitäten aller Länder auf europäischer Ebene konzentrieren will und über die Achse Berlin–Paris Europa sozusagen steuern, ein Direktorium errichten möchte, das das Europa der zwei Geschwindigkeiten institutionalisiert. Meine Damen und Herren! Diesen Vorschlägen werden wir klar und deutlich widersprechen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diesen Tendenzen ist mit der klaren Forderung entgegenzutreten, dass auch nach einer Reform der Institutionen die Interessen und die Rechte aller Mitgliedsländer – auch der kleineren – erhalten und gestärkt werden müssen.

Meine Damen und Herren! Die Demokratisierung der Union, die uns allen ein Anliegen ist, muss vor allem heißen: mehr Respekt vor den Entscheidungen der Völker und deren Demokratie und Verfassung, Sicherstellung der Vertretung aller Mitgliedsländer in den entscheidenden Gremien der Union. Die Frau Minister hat schon angekündigt, dass ein Kommissar für uns keine Verhandlungsmasse darstellt.

Meine Damen und Herren! Auch die EU-Osterweiterung ohne Wenn und Aber wird es nicht geben können! Die Debatte über eine Volksabstimmung darüber empfinde ich als belebend, und sie zwänge die EU-Politiker zur Überzeugungsarbeit. Die sehr oft abgehoben agierenden Politiker im Rahmen der Europäischen Union werden von ihren hohen Rössern heruntersteigen müssen, wenn sie die Menschen von diesen großen Projekten überzeugen wollen.

Meine Damen und Herren! Deshalb muss die zentrale Forderung sein: mehr Föderalismus und mehr Bürgerrechte in der EU. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

18.14

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte mich noch einmal kurz mit dem eingebrachten Misstrauensantrag beschäftigen. Ich glaube, es ist durchaus interessant, wenn man die Grundlagen dieses Misstrauensantrages noch einmal durchleuchtet beziehungsweise Sachverhalte zurechtrückt, und zwar dort, wo Sachverhalte nicht richtig wiedergegeben wurden.


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Die drei Weisen haben in Punkt 94 ihres Berichtes – da zitiere ich jetzt wörtlich – gemeint: "In einer Pressekonferenz, die der Landeshauptmann des Landes Kärnten in Anwesenheit des Bundesministers der Justiz gab, wurde die Möglichkeit erwähnt, eine Vorschrift des Strafgesetzbuches auf Abgeordnete anzuwenden, die die Regierung kritisieren. Als die Oppositionsparteien eine förmliche parlamentarische Befragung einleiteten, betonte der Justizminister die Meinungsäußerungsfreiheit jener, die einen solchen Vorschlag unterbreiteten. Er unterstrich, daß jeder die Möglichkeit haben müsse, seine Meinung zu äußern."

In Punkt 95 führen sie dann weiter an: "Wir sind der Auffassung, daß eine solche Position eines Ministers in der Bundesregierung nicht mit den Verpflichtungen eines Staatsorganes vereinbar ist ..."

Das war einer der wesentlichen Punkte, die Aufregung erzeugt haben. Wenn man sich aber – und ich glaube, das ist in diesem Zusammenhang schon notwendig – das Wortprotokoll der Pressekonferenz des Landeshauptmannes Haider genau zu Gemüte führt – ich möchte es hier in diesem Gremium einmal für das Protokoll tun, weil Sie mir ja offensichtlich nicht zuhören, die Wahrheit nicht erkennen wollen –, dann merkt man, dass der Bericht der drei Weisen in diesem Punkt überhaupt nichts mit dem, was Landeshauptmann Jörg Haider gesagt hat, zu tun hat. Es ist nämlich um die Problematik des Gelöbnisbruches gegangen, einer strafgesetzlichen Norm, die, wie wir ja heute schon zur Kenntnis nehmen mussten, unter dem sozialistischen Justizminister Broda Eingang ins Strafgesetzbuch gefunden hat. Dazu wurde Jörg Haider befragt, und er sagte dann auf die Anfrage des Journalisten wörtlich:

"Meines Erachtens wäre der erste Schritt, dass man die Gelöbnisse etwas detaillierter führt, damit der Pflichtenkreis eindeutig bestimmt wird. Wenn dann ein Bundespräsident, ein Minister, ein Landeshauptmann, ein Abgeordneter dieses Gelöbnis bricht, dann gibt es auch für ihn sozusagen eine strafrechtliche Sanktion. Das kann auch der Funktionsverlust – und so weiter – sein. Denn viele Leute wundern sich, dass österreichische Politiker, die auf dieses Land einen Eid geleistet haben, im Ausland nicht Manns genug sind, ungerechtfertigte Angriffe gegen Österreich zurückzuweisen. Daher sollte man diskutieren, weil sonst diese ganze Gelöbnisablegung und die Eidesformel in Wirklichkeit keine Bedeutung mehr haben, denn jeder Jungmann – wir erleben dies ja beim Bundesheer; ich bin als Landeshauptmann immer bei Angelobungen – wird feierlich auf die Republik verpflichtet, wird letztlich von Politikern verpflichtet, die sich selbst nicht an solche Gelöbnisse halten. Der junge Wehrmann muss im Ernstfall mit der Waffe in der Hand die Republik verteidigen und sein Leben riskieren, während die Politiker nicht in der Lage sind, wenigstens verbal moralisch und ethisch zu diesem Land zu stehen." – Das war das wörtliche Zitat. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Herr Kollege Öllinger, keine Rede von einem Oppositionspolitiker, keine Rede davon, dass jemand, der die Regierung kritisiert, strafrechtlich verfolgt werden soll. (Abg. Dr. Kostelka: Ist ein Abgeordneter zwingend ein Regierungspolitiker?) Eben nicht, ganz im Gegenteil! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka. ) Selbstverständlich! Entweder gibt es die strafgesetzliche Norm des Gelöbnisbruches oder nicht. (Abg. Dr. Kostelka: Aber ein Oppositionspolitiker ist sehr wohl umfasst!) Auch, aber es sind ausdrücklich zitiert: Bundespräsident, Minister, Landeshauptleute und andere Politiker. Keine Frage. (Abg. Schieder: Aber theoretisch gilt es auch für Oppositionspolitiker!)

Herr Kollege Schieder! Darauf habe ich ja gewartet. Es gibt ein anderes Zitat – Sie kennen es ja sowieso – vom 4. September 1980, in der "Wiener Zeitung" veröffentlicht. Da steht: "Kreiskys Zehn-Punkte-Programm: Ehrenrührige Beschuldigungen eines Mitgliedes der Bundesregierung oder gleichrangiger Amtsträger sollten von einem Ehrensenat, bestehend aus den drei Präsidenten der Höchstgerichte sowie dem Präsidenten des Rechnungshofes, zu beurteilen sein, unbeschadet der Tätigkeit der ordentlichen Gerichte und parlamentarischer Untersuchungsausschüsse." (Abg. Schieder: Das ist ja etwas ganz anderes!)

Was hat Kreisky damals normiert? – Die Majestätsbeleidigung wollte er damit sanktionieren, die Majestätsbeleidigung! Ist der damals im Amt befindliche Justizminister Broda zurückgetreten, frage ich Sie. – Keineswegs!


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Dieses Problem hinsichtlich des Gelöbnisbruches ist bekannt und in Wirklichkeit auch so zu sehen. Ich sehe keinen Grund dafür, dass der Justizminister, dessen Aussagen nicht richtig wiedergegeben wurden – auch die Pressekonferenz wurde nicht richtig wiedergegeben –, deswegen seinen Hut nehmen sollte. Er hat sich in der parlamentarischen Beantwortung der Anfrage als korrekt wie ein wahrer Demokrat erwiesen, und dafür danke ich ihm auch. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Gegensatz zur Justizpolitik der SPÖ. Da ist uns ja dieser Aktenvermerk, der uns im Jahre 1997/98 zugespielt wurde, immer wieder hilfreich, denn daran erkennen wir, welche Justizpolitik Sie in Wirklichkeit geplant hatten. Dass dieser Minister da nicht mitmacht, wenn Sie mit Ihrem Justizsprecher und anderen Abgeordneten eine Runde versammeln, um die Diskussion über die Justizpolitik nach Ihrem Sinne anzuzetteln, das tut Ihnen weh. Ich zitiere aus diesem Aktenvermerk: "Diskutiert wird eine Reform des Richterdienstgesetzes." So weit, so gut, aber dann geht es wie folgt weiter: "Der Ansatzpunkt wären die Rechtspraktikanten. Hier wäre ein vernünftigeres Auswahlverfahren zu treffen und auch junge Genossinnen und Genossen zu ermutigen, in den Richterdienst zu gehen. Hinsichtlich der Auswahl der Rechtspraktikanten wäre auch zu erwägen, ob eine parlamentarische Anfrage an den Bundesminister für Justiz zu richten wäre, da es auch vollkommen undurchsichtig ist, wie viele übernommen werden und nach welchen Kriterien diese in den Richterdienst übernommen werden."

Etwas weiter unten wird festgestellt: "Das Problem vieler Richter ist, daß es auch keine Zusammenarbeit und kein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Richtern selbst gibt." (Abg. Schieder: Redezeit!)  – Freiwillige Redezeitbeschränkung, Herr Kollege!

Weiters führen Sie dann an – das ist ja das Bemerkenswerte, da fängt Ihre Gesinnungsschnüffelei nämlich wirklich an –: "Es wird die Idee einer rechtssoziologischen Untersuchung geboren. Richter und Parteibuch" – das wollen Sie untersuchen, und folgende Themen werden schlagwortartig für Ihre Justizpolitik ab dem Jahr 1997 programmatisch festgesetzt: Justiz- und Personalpolitik, Übernahme von Rechtspraktikanten und Richteramtsanwärtern, die Personalsenate, und eine Zentrale für die Weiterleitung von Infos soll in der Löwelstraße, der Parteizentrale der SPÖ, eingerichtet werden. (Abg. Haigermoser: Ah!)

Vernaderertum, Gesinnungsschnüffelei – das ist Ihre Justizpolitik, und da werden wir nicht mitmachen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.22

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Graf, Sie können den Vorwurf des Vernaderertums noch so oft wiederholen, er ist schlicht und einfach falsch. (Abg. Haigermoser: Wer? Wer ist falsch?) Sie versuchen nur eines damit zu erreichen: einen bleiernen Vorhang vor die Politik zu ziehen, für die Sie sich mit Recht genieren müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Da ist nichts mehr zu holen!)

Meine Damen und Herren! Es ist im Grunde genommen heute ein Tag der verlorenen, der verpassten Chancen. (Abg. Rosemarie Bauer: Ja, für die SPÖ!) Der Titel, den sich die beiden Regierungsmitglieder für ihre Erklärung gegeben haben, ist programmatisch gewesen. (Abg. Haigermoser: Da ist nichts mehr drinnen!) Wir haben Erkenntnisse zum Thema "Österreich in Europa" erwartet. Und, Frau Bundesminister – der Herr Bundeskanzler und die Frau Vizekanzler sind ja nicht mehr da –, so inhaltsreich wie der Titel, so inhaltsreich waren auch die beiden Erklärungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei wäre es eine Chance gewesen, sich mit dem Bericht von Ahtisaari, Frowein und Oreja auseinander zu setzen, und es wäre eine Chance für den Bundeskanzler gewesen. Denn solange Sie an diesen Bericht nur nach der "Rosinen-Theorie" herangehen, bleibt die Präambel, die Sie Ihrem eigenen Regierungsprogramm vorangesetzt haben, eine leere Hülse. (Abg. Haigermoser: Herr Kollege, da ist nichts mehr zu holen!) Die Konsequenzen aus diesem Bericht,


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gerade im Bereich der Freiheitlichen Partei, Herr Kollege, sind zu ziehen. (Abg. Haigermoser: Dieses Match haben Sie verloren!) Werden sie nicht gezogen, dann ist eines klar: Diese Regierung schweigt über die offensichtlichen Probleme, die Österreich mit einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Kollege Haigermoser, es ist nicht nur die Freiheitliche Partei, die ein Problem darstellt (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben nur noch die Funktion des Aufwischers, Herr Kollege!), sondern im Grunde genommen ist es ein Problem Schüssel. Ich war wirklich erschrocken, als ich in der "Zeit", einer sehr großen deutschen Wochenzeitschrift, der renommiertesten deutschsprachigen Wochenzeitschrift, auf der Seite 3 einen Artikel las, in der frank und frei festgestellt wird, dass der Bundeskanzler dieser Republik bei den wichtigsten Regierungschefs Europas seine Glaubwürdigkeit bereits verloren hat. Und innenpolitisch, meine Damen und Herren, sind die Werte dieses Bundeskanzlers in etwa in derselben Höhe. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Großruck: Traum und Wirklichkeit!)

Es wäre die Chance gewesen, meine Damen und Herren, sich glaubhaft mit den kritischen Äußerungen in diesem Bericht auseinander zu setzen. Weil Sie es nicht getan haben, weil Sie auch diese Chance versäumt haben, ist eines klar: dass letztendlich der Flurschaden, der außenpolitische Flurschaden erhalten bleibt. Es ist ja nicht gerade knapp, was im Weisenbericht in diesem Zusammenhang gesagt wird, er hat kritische Urteile in Österreich festgestellt, die nicht der Menschenrechtskonvention entsprechen. Er hat mangelnde Konsequenzen innerhalb der Freiheitlichen Partei festgestellt und hat ausdrücklich festgestellt, dass die Freiheitliche Partei und damit ein Teil dieser Bundesregierung sich von fremdenfreundlichen Äußerungen (Abg. Ing. Westenthaler: "Fremdenfreundlich", da haben Sie Recht!) nie distanziert hat und auch keine Konsequenzen hinsichtlich der Funktionäre gezogen hat, die sich in diesem Zusammenhang haben vernehmen lassen.

Aber, meine Damen und Herren, es ist letztendlich auch der Vorwurf erhoben worden – und das ist etwas, was in der Debatte teilweise eine Rolle gespielt hat –, dass es eine systematische Einschüchterung von politischen Kritikern gegeben hat. Sie werden sich über diesen für eine Demokratie fundamentalen Vorwurf nicht leichtfüßig hinwegsetzen können, und, Herr Bundesminister, wir werden da noch einiges zu diskutieren haben. Aber das ist ein Makel, der an Ihnen haften bleibt und mit dem Sie sich nicht auseinander gesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das glauben aber nur Sie! – Der Redner trinkt einen Schluck Wasser. – Abg. Haigermoser: Da muss man ja einen trockenen Mund bekommen!)

Es war heute auch die Chance, sich mit den Auswirkungen der Sanktionen und vor allem dem Weg aus diesen Nach-Sanktionen zu beschäftigen. (Abg. Haigermoser: "Nach-Sanktionen", das ist etwas Neues!) Diese Entschließung, die Sie vorgelegt haben, zeigt wirklich keinen Weg auf. Sie besteht im Wesentlichen aus den Fragen, die Sie einer Volksbefragung unterziehen wollten. Ich habe diese Fragen, weil wir österreichische Wissenschafter schon in ausreichendem Maße beschäftigt haben, einem Schweizer Universitätsprofessor übermittelt. Es handelt sich um den sehr renommierten Direktor des Instituts für Föderalismus der Universität Freiburg, den Universitätsprofessor Dr. Thomas Fleiner. Er stellt in einem Gutachten ausdrücklich fest, dass diesen Fragen die Transparenz und die Klarheit fehlt und dass sie widersprüchlich sind, und letztendlich kommt er zum Schluss, dass solche Widersprüchlichkeiten Ihrer Fragen längerfristig der direkten Demokratie großen Schaden zufügen würden. Das soll die Basis Ihrer außenpolitischen Aktivität sein, meine Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ.)

Aber dieser Entschließung kann man zumindest etwas Positives abgewinnen. Es findet sich nämlich auch der Satz darin, dass der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten ermächtigt wurde, einen Beauftragten der Bundesregierung für die Fragen im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung zu bestellen. Es wird wenige Minuten dauern, Herr Kollege Westenthaler, bis Sie zu dieser Begründung aufstehen werden. Ich habe Äußerungen von Ihnen im "Kurier" vom 25. August in Erinnerung, wo Sie sagen: Busek ist für uns gestorben! – Ein Phönix ist aus der Asche geboren, und ein Todgeweihter kehrt unter die Lebenden zurück. Ich gratuliere wenigstens zu dieser späten Einsicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Aber, meine Damen und Herren, es war am heutigen Tag auch die Gelegenheit, über die wirklich aktuellen Dinge zu reden, über die aktuellen Dinge, die mit Wortbrüchen im Zusammenhang mit den Studiengebühren zu tun haben. Frau Minister Gehrer hat noch am 19. August die Ablehnung von Studiengebühren damit begründet, dass der Zugang zu den Universitäten frei bleiben muss. Es wäre auch die Chance gewesen, dass Familienparteien – ich möchte hinzufügen: selbst ernannte Familienparteien – begründen, warum der Kinderzuschlag in der Arbeitslosenversicherung um 42 Prozent gekürzt wird – 42 Prozent, meine Damen und Herren! Und es wäre auch Gelegenheit gewesen, die Sie versäumt haben, zu begründen, warum das Arbeitslosengeld im Falle der einvernehmlichen Kündigung in den ersten vier Wochen gestrichen wird.

Meine Damen und Herren! Wir haben in Österreich rund 700 000 Arbeitsplatzwechsel pro Jahr zu verzeichnen; 31 Prozent davon, rund 220 000, auf Grund von freiwilligen Auflösungen des Dienstverhältnisses. Daran anschließend ergibt sich im Schnitt eine Arbeitslosigkeitsdauer von 115 Tagen, das heißt von rund drei Monaten. Was bedeutet das, was Sie tun, meine Damen und Herren? – Sie nehmen diesem Personenkreis, 220 000 Arbeitnehmern, ein Drittel ihrer Arbeitslose. Das ist Ihr soziales Verständnis, und das ist Ihr Beistehen dem Einzelnen dann, wenn er wirklich Hilfe braucht! (Beifall bei der SPÖ.)

In Wirklichkeit wollen oder werden Sie damit die Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern gefügiger machen, und zwar noch bevor das Dienstverhältnis begründet wird beziehungsweise bei der Verhandlung eines neuen Dienstverhältnisses. – Das ist eine Politik der sozialen Kälte, und das ist letztendlich eine Politik zurück in das konservative Österreich, das wir vor 30 Jahren verlassen haben! Sie wollen dieses Land in jene "guten alten Zeiten" zurückführen, in denen ein Studium ein Privileg von wenigen Reichen war, in denen Spitzenmedizin wirklich elitär war, weil sie wenigen offen stand, weil sie sich nur wenige leisten konnten, und in denen Arbeitslosigkeit und Behinderung letztendlich ein individuelles Risiko waren.

Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin schon gesagt, dass ich mich noch in zwei Punkten mit Herrn Bundesminister Böhmdorfer auseinander setzen muss. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten sich entschuldigen für die ungeheuerlichen Aussagen, die Sie gemacht haben! Das war eine Gemeinheit, die Sie gesagt haben!)

Herr Bundesminister! Ich habe am Montag – Sie sind darauf auch in Ihren Wortmeldungen eingegangen – eine Pressekonferenz abgehalten, bei der ich den im Raum stehenden und in wenigen Minuten abzustimmenden Misstrauensantrag begründet habe.

Ich habe erstens gesagt: Wir werden diesen Misstrauensantrag stellen, weil für uns ein Minister, der politische Kritiker zum Schweigen bringen will und letztendlich auch kriminalisieren will, inakzeptabel ist. (Abg. Haigermoser: Das stimmt ja nicht!)  – So wie der Weisenbericht das feststellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe darüber hinaus gesagt: Für uns ist ein Minister nicht akzeptabel, der ausdrücklich programmatisch erklärt, die Pressefreiheit habe Grenzen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie war das mit den Telefonen?)

Ich habe weiters erklärt, dass der Weisenbericht mangelnde Wahrnehmung der Pflichten durch diesen Bundesminister feststellt.

Und, meine Damen und Herren, ich habe noch zwei Bemerkungen hinzugefügt. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie war das mit den Telefonen?) – Ja, ich komme schon darauf zu sprechen. Haben Sie noch ein wenig Geduld, Herr Kollege Westenthaler!

Ich habe darüber hinaus zwei weitere Bemerkungen gemacht. Die eine Bemerkung ist, dass ich eine anonyme Zuschrift bekommen habe (Abg. Ing. Westenthaler: Super!), dass im Justizministerium bereits Akten über Telefongespräche auf Grund automatisierter Abhöreinrichtungen geführt werden, und dass mich das sehr, sehr nachdenklich stimmt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Ihre Quelle! Das ist Ihre Redlichkeit! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Warten Sie ein bisserl!


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Meine Damen und Herren! Ich habe zweitens festgestellt, dass in Österreich, dass in Wien zu hören ist, dass Herr Minister Böhmdorfer – wenn es schon nicht wahr ist, habe ich ausdrücklich hinzugefügt, dann ist es zumindest gut erfunden – beabsichtigt hat, hinsichtlich des Oreja-Frowein-Ahtisaari-Berichtes zu klagen.

Wissen Sie, was das Ergebnis war? – Herr Bundesminister Böhmdorfer hat es für notwendig befunden, sich auseinander zu setzen mit dem, was ich zuletzt gesagt habe und wo ich ausdrücklich hinzugefügt habe: Wenn es nicht wahr ist, ist es zumindest gut erfunden. Sein Pressereferent hat sich mit den anonymen Anzeigen auseinander gesetzt. (Abg. Dr. Krüger: Für Sie reicht es!)

Meine Damen und Herren! Herr Minister Böhmdorfer! Das, was ich Ihnen vorgeworfen habe, dass Sie nämlich die Opposition, politische Kritiker mit einer Klageflut überschüttet haben (Abg. Ing. Westenthaler: Pfui Teufel!), dass Sie wie kein anderes Regierungsmitglied von den drei Weisen kritisiert worden sind (Abg. Mag. Trattner: Tiefer geht es nicht mehr!), haben Sie in keiner Weise auch nur mit einem Sterbenswörtchen angesprochen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wie tief sinken Sie eigentlich noch?)

Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang – Kollege Khol hat das gerne zitiert –, es gibt das römische Wort "Qui tacet, consentire videtur!" – "Wer schweigt, stimmt zu!".

Herr Kollege Böhmdorfer! Zu den wesentlichen Vorwürfen meinerseits haben Sie geschwiegen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Die Quellen des Herrn Kostelka! Anonyme Zuschriften!)

Ich möchte auf ein Letztes zu sprechen kommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Zeigen Sie einmal Größe und ziehen Sie diesen ungeheuerlichen Vorwurf zurück!) Ich habe heute, meine Damen und Herren, mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass Herr Bundesminister Böhmdorfer in einem einzigen Fall persönlich geklagt hat: ein kleines Blatt, das er "Linkswende" genannt hat und das er der SPÖ beziehungsweise der Sozialistischen Jugend zugeordnet hat.

Ich darf Ihnen erstens sagen, sehr geehrter Herr Minister, dass die SPÖ, auch die SJ dieses Blatt nicht herausgibt, dass es kein Blatt der Sozialistischen Jugend oder der SPÖ ist. Die Informationen, die ich jetzt dem Hohen Haus zur Kenntnis bringe, habe ich von dem Vertreter der beklagten Partei in dem Prozess, den Sie angestrebt haben.

Es handelt sich bei der "Linkswende" um eine Zeitschrift mit einer Auflage von insgesamt 500 Stück. (Abg. Dr. Ofner: Wie heißt die?) – "Linkswende". (Abg. Dr. Ofner: "Linkswende"?)

In dieser Zeitung wird in erster Linie die Sozialdemokratie heftigst kritisiert. Diese Zeitschrift hat insgesamt, nach Auskunft des Rechtsanwaltes, einen Abonnentenstock von 40 Abonnenten. (Abg. Neudeck: Lauter Sozialisten!) In dieser Zeitschrift ist ein Leserbrief veröffentlicht worden, in dem die Bundesregierung mit jenem Zitat angesprochen wird, das der Herr Bundesminister am Beginn dieser Debatte genannt hat und das ich ablehne.

Meine Damen und Herren! Was war die Konsequenz? – Fünf Bundesminister, alles Mitglieder der Freiheitlichen Partei, haben dieses Blatt mit einer Auflage von 500 Stück auf Erwiderung und auf entsprechende Entschädigungszahlung geklagt. Und was in diesem Zusammenhang auch noch zu Tage gekommen ist: dass einer der 40 Abonnenten Herr Dr. Michael R., ein langjähriger Mitarbeiter Ihrer Kanzlei, ist. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das muss man sich alles vorstellen. Die Klagsmaschinerie Böhmdorfer schickt ihren Obermaschinisten in verdeckter Fahndung in eine politische Splittergruppe, um dort jene Informationen zu sammeln, die dann als sozialdemokratische Ungeheuerlichkeit enttarnt werden sollen.

Herr Kollege Böhmdorfer! Da Sie, wie ja heute schon mehrfach diskutiert, auf dem Briefpapier als "Rechtsanwälte Böhmdorfer und Gheneff", als eine Rechtsanwälte KEG, eine Erwerbsgemeinschaft, aufscheinen, stelle ich Ihnen die Frage: Hat das auch finanzielle Auswir


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kungen für Sie? Heißt das, dass Sie an dieser Klagsmaschinerie auch noch finanziell beteiligt sind, dass das Ganze neben der demokratiepolitisch problematischen Seite auch eine finanzielle Seite hat?

Ich sage Ihnen: Aus guten Gründen ist der Agent provocateur in Österreich verboten! Und genau das tun Sie aber. Sie beschäftigen Mitarbeiter in einer Form, die der Gesetzgeber ausdrücklich untersagt hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Dieser Misstrauensantrag ist gut begründet.

Herr Dr. Böhmdorfer! Ich sage Ihnen auch noch Folgendes: Sie mögen heute diesen Misstrauensantrag überstehen, ich persönlich bin aber davon überzeugt, auf Grund Ihrer Amtsführung, auf Grund Ihres Selbstverständnisses werden Sie diese Legislaturperiode nicht als Bundesminister für Justiz beenden. (Abg. Haigermoser: Da werden Sie sich schön täuschen!) Sie sind als Justizminister Träger eines politischen Mandates, und Sie üben dieses aus als Mandatsträger und Rechtsanwalt Dr. Jörg Haiders und Ihrer Partei, und das ist für uns inakzeptabel! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haigermoser: Da gibt es Sie schon lange nicht mehr politisch, wird es diesen Bundesminister noch geben! – Abg. Ing. Westenthaler  – darauf angesprochen, dass er nicht applaudiert –: Auf so etwas Erbärmliches reagiere ich nicht! Das war zu tief! U-Bahn-Tiefe! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

18.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der vom Vorredner, Herrn Abgeordnetem Bösch, eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Kopf und Mag. Schweitzer ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

18.41

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Kostelka, Sie haben jetzt etwas bewiesen: Ich habe nicht gedacht, dass Sie noch tiefer fallen können, aber das, was Sie hier aufgeführt haben, diese Diffamierungskampagne, dass Sie sich verlassen auf anonyme Mitteilungen, um hier gegen den Bundesminister für Justiz einen Misstrauensantrag einzubringen, ist das Tiefste, was ich hier im Hohen Haus jemals erlebt habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie Sie beziehungsweise Ihre Vorfeldorganisationen mit den Werten der Demokratie umgehen, haben wir heute Vormittag schon gehört. Stichwort "Linkswende". Sie haben sich fürchterlich aufgeregt und ausdrücklich betont, Kollege Schieder, dass das mit Ihrer Partei überhaupt nichts zu tun habe. Selbstverständlich ist die "Linkswende" für Sozialismus von unten, sie ist selbstverständlich ein sozialistisches Organ, ist selbstverständlich ein Organ der SPÖ, nur haben Sie das im Jahr 1999 durch eine Trägerschaft überdeckt. – Das ist nämlich die Art Politik, die Sie betreiben. Das ist die Wahrheit! (Abg. Mag. Mainoni: Das ist die Wahrheit!)

Aber nicht verdeckt, unverdeckt gehen Sie natürlich in Tirol mit Plakaten vor – jetzt kommt es, darüber können Sie lachen –: "Wir spielen euch das Lied vom Tod" – "Tod" ist blau geschrieben –, "Ein Fest’l im Freien gegen Schwarz und Blau". Die Mundharmonika in blauer Farbe, "Spiel mir das Lied vom Tod", "Tod" in blauer Farbe. – Was bedeutet das? – Das ist jener Aufruf, den Sie schon damals bei In-Kraft-Treten der Sanktionen ausgerufen haben: Schüssel und Haider an die Wand! Dieses Spiel setzen Sie fort. In Europa wollen Sie sich als die so genannten guten Menschen darstellen, sind aber die Oberdiffamierer der Nation. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber auch die Grünen sollen nicht ganz ungeschoren davonkommen. Am Sonntag gab es eine Fernsehdiskussion mit dem Chefredakteur von "Focus". Auch Frau Dr. Petrovic war bei dieser Debatte dabei. (Abg. Aumayr: Sie schläft!)  – Nein, nein, ich glaube, sie weiß ganz genau, wovon ich jetzt spreche, sie verdeckt nur die Augen ein bisschen und tut so, als ob sie schlafen würde, aber sie soll nur gut aufpassen, die Kassette ist auf dem Weg zu uns.


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Ich sage Ihnen, was Sie damals gesagt haben. – Wieder ein typischer Fall, die FPÖ zu diffamieren. Was war der Anlass? Sie haben in der Debatte folgendes Zitat gebracht: Wieder steht in einer Zeitung, nämlich in der "Kronen Zeitung", ein Zitat eines FPÖ-Politikers, der gesagt hat, die nigerianische Drogenmafia sei ohnedies bekannt und die FPÖ stehe einfach dafür, alle Nigerianer in dieser Art zu diffamieren, dass das alle Drogendealer seien. – Das war Ihre Wortwahl.

Ich habe mir gedacht, jetzt muss ich mir wirklich in der "Kronen Zeitung" vom Sonntag noch einmal dieses Zitat anschauen. Da steht nämlich Folgendes:

"Erwarten hartes Durchgreifen" "Wenig Freude mit dem exzessiven Drogenhandel im Gefängnis haben natürlich vor allem jene, die die Häftlinge dorthin gebracht haben – die Suchtgiftfahnder der Polizei. ,Wir wissen um die alarmierenden Zustände im Straflandesgericht‘, meint etwa der freiheitliche Personalvertreter Werner Radakovits, ,und erwarten uns, dass die Anstaltsleitung hier hart durchgreift. Vor allem aber zeigt dieser Fall deutlich, dass es ein folgenschwerer Fehler ist, fast alle Mitglieder des zersprengten nigerianischen Drogenkartells unter einem Dach einzusperren.‘" – Zitatende.

Was gibt es dagegen zu sagen? Aber Sie zitieren in einer Diskussion, die dann im Ausland ausgestrahlt wird, dass freiheitliche Politiker alle nigerianischen Bürger diffamieren, dass sie alle Drogendealer seien.

Stehen Sie endlich einmal auf und distanzieren Sie sich von solchen Aussagen! Wir werden Ihnen das Dokument nachliefern, und wir werden uns die entsprechenden Schritte gegen Sie überlegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Justiz Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Minister.

18.45

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Außenminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Es ist wohl selbstverständlich, dass ich keinerlei Abhörmaßnahmen irgendjemandem gegenüber geplant habe. Ich weise das auf das Schärfste zurück! Ich habe geglaubt, Sie erkennen das als Scherz, Herr Dr. Kostelka.

Zweitens möchte ich sagen, es ist selbstverständlich, dass ich keinerlei Klage gegen die drei Weisen einbringen werde.

Drittens danke ich Herrn Abgeordnetem Trattner, dass er die Trägerschaft zum Verein klargestellt hat. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.46

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich werde jetzt nicht noch lange versuchen, Sie in diese Diskussion einzuführen.

Wir haben heute auch eine außenpolitische Debatte geführt, und ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas anführen. Es hat Versuche gegeben, wiederum in einer sehr wichtigen umweltaußenpolitischen Frage eine Vier-Parteien-Entschließung zustande zu bringen. Dieser Versuch ist leider gescheitert. Ein wesentlicher Punkt, nämlich: dass es noch vor der großen Klimaschutzkonferenz im November in Den Haag in diesem Haus die Vorlage einer Klimastrategie geben soll, war aus Sicht der ÖVP zu scharf formuliert, zu hart, obwohl wir seit mindestens zwölf Jahren unsere Klimareduktionsverpflichtungen diskutieren und überlegen, wie wir


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das schaffen sollen. Selbst Bundesminister Molterer hat wiederholt angekündigt, dass vor der Konferenz in Den Haag eine Strategie vorgelegt wird.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Mag. Sima und Genossen betreffend eine umweltaußenpolitische Offensive zu Klimaschutz

1. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Parlament bis spätestens zum Beginn der Klimaschutzkonferenz in Den Haag im November 2000 eine nationale Klimastrategie vorzulegen, die die Erreichung der österreichischen Klimaschutzverpflichtungen (Kyoto-Ziels und Reduktionsvereinbarungen im Rahmen des so genannten EU-burden sharing) sicherstellt.

2. Die Bundesregierung wird ersucht, in den Vorschlägen zum Budget 2001 und allen darauffolgenden die Umsetzung einer österreichischen Klimastrategie zu berücksichtigen.

3. Die Bundesregierung wird ersucht, ehebaldigst die Ratifikation des Kyoto-Protokolls vorzubereiten und dem Nationalrat vorzulegen.

*****

Abschließender Satz: Wir hier in den Industriestaaten blasen Treibhausgas in die Luft, und vielen anderen Staaten, zum Beispiel den kleinen Inselstaaten im Pazifik, steht das Wasser mittlerweile bis zum Hals. Ich denke, da kann man durchaus auch eine gewisse Eile fordern. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig und Genossen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.48

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer! Ich bin ursprünglich nicht auf der Rednerliste gestanden, und zwar aus einem ganz pragmatischen Grund, nämlich, weil ich dachte, dass Sie, wenn Sie heute zwar nur 10 Minuten, aber immerhin doch fernsehgerechte Redezeit haben, nach einer der wirklich dramatischsten Niederlagen wie der durch den Weisenbericht, die ein Justizminister je in Europa bekommen hat, diese Gelegenheit dazu nutzen, zu diesem Weisenbericht Stellung zu nehmen. – Das war meine Erwartungshaltung.

Aber, Herr Bundesminister, Sie haben sich inzwischen schon zweimal, vielleicht sogar dreimal zu Wort gemeldet und sich kein einziges Mal zu den – ich sage jetzt nicht einmal: Vorwürfen – Feststellungen, die die drei Fachleute in dem so genannten Weisenbericht bezüglich Ihrer Person und Ihres politischen Wirkens getroffen haben, geäußert. Sie haben bisher keine einzige Bemerkung dazu gemacht, außer gerade eben vor ein paar Minuten, als Sie gesagt haben: Ich stelle fest, dass ich die drei Weisen nicht klagen werde! – Super, kann ich nur sagen.

Das ist ein politisches Verständnis, das ist politische Sensibilität, Herr Bundesminister! Ich habe es aber wirklich noch nie erlebt, dass jemand, der ein so hohes politisches Amt wie Sie innehat, ins Parlament kommt und ständig so tut, als wäre er in einem Gerichtssaal, wo er als Anwalt jemand anderen vertritt. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schieder. )


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Sehr geehrter Herr Bundesminister! Selbst zu dem sagen Sie nichts, was zentraler Punkt des Weisenberichtes ist, was Ihre Person und Ihre Politik angeht. Da könnte man durchaus fragen, warum kommt da nicht der Herr Bundesminister und sagt: Entschuldigung, ich habe damals einen Fehler gemacht, als ich bei dieser Pressekonferenz, vor der schönen Kärntner Kulisse sekundierend, diese Feststellung gemacht habe!? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und was würde das ändern?)

Herr Bundesminister! Sie haben das damals nicht nur als "sicherlich verfolgenswert" bezeichnet (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was würde das ändern?), Sie haben nach einer Nachreaktion später ja auch noch gesagt: Der Vorschlag ist in einem Frühstadium, und jetzt geht es darum, eine politische Diskussion darüber zu führen.

Herr Bundesminister! Ich meine, ich komme mir ja schon irgendwie ein bisschen blöd vor (Abg. Ing. Westenthaler: Ja!), wenn ich seit Monaten hier an das Rednerpult trete und Ihnen immer dasselbe sage (Abg. Ing. Westenthaler: Endlich ein wahres Wort!), denn diesbezüglich sind Sie absolut nicht lernfähig. Aber nicht, weil Sie nicht ein exzellenter Denker wären, sondern weil Sie absolut nicht willens sind, hier als Politiker zu agieren, und weil Sie es auch hier im Parlament absolut verweigern, Antwort auf eine Frage zu geben.

Herr Bundesminister! Ich möchte nicht ausschließlich von Ihnen sprechen, aber dass ich Ihnen, ebenso wie alle Mitglieder der grünen Fraktion und die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion, nach sechs Monaten – nein, nicht nach sechs Monaten, es war im Mai, es sind noch nicht so viele Monate vergangen – wieder das Misstrauen aussprechen muss, das ist ja nicht Jux und Tollerei, wenn man so vorgeht. (Abg. Schwarzenberger: Doch, doch! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Mit der Wahl dieses Mittels geht die Opposition sehr sorgsam um, und es wird nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, gegen jeden, weil es eben gerade passt, ein Misstrauensantrag eingebracht. Hier geht es aber nicht um irgendjemanden, sondern es geht um den Justizminister dieser Republik, um einen Justizminister, der Vorschläge gutheißt, die nun wirklich nichts anderes verdienen, als als Vorschläge bezeichnet zu werden, wie wir sie bisher nur aus diktatorischen Systemen kennen. Das alles haben wir auch schon damals in der Misstrauensdebatte im Mai hier erläutert.

Aber ich möchte mich noch dem Herrn Bundeskanzler zuwenden, auch wenn er jetzt nicht da ist. Aber die Frau Ministerin ist, Sie sind da, die ganze ÖVP-Fraktion ist da; Sie werden es ihm schon ausrichten. Was hat denn der Herr Bundeskanzler seinerzeit – vielleicht erinnert sich noch der eine oder andere, die eine oder andere daran – gesagt zu diesen Vorschlägen von Landeshauptmann Haider, sekundiert von Bundesminister Böhmdorfer? "Beginnendes Sommertheater" hat er das genannt, "beginnendes Sommertheater" hat er diesen Vorschlag genannt, und jetzt bekommt er, wenn man so will, im übertragenen Sinn die Sommertheater-Watschen dadurch, dass das ein zentraler Punkt dieses Weisenberichtes ist.

Und er schweigt ja auch noch immer dazu. Er ist heute in seinen Ausführungen, die dreimal so lang waren wie die Ihren, Herr Bundesminister, mit keinem Wort darauf eingegangen, was er als Chef dieser Regierung, die in ganz EU-Europa geächtet ist und auch in Zukunft geächtet sein wird, zu tun gedenkt. Es ist ja eine Illusion zu glauben, nur weil bilaterale Maßnahmen jetzt nicht mehr bestehen, dass der Stand dieser rechtspopulistischen Regierung – und als solche muss man sie bezeichnen, weil eine rechtspopulistische Partei mit extremen Elementen in dieser Regierung eine wesentliche, wenn nicht bestimmende Rolle spielt – ein anderer sei. (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja ungeheuerlich!)

Das ist die Sorge, die wir haben, und darum können nur konkretes Handeln, konkrete Schritte, konkrete Stellungnahmen, was diesen Bericht der drei Persönlichkeiten angeht, hier auch eine Lösung sein – eine Lösung im Sinne der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Ein Allerletztes, weil ich ja auch realistisch bin und nicht die Mehrheit sehe, die Ihnen heute das Misstrauen ausspricht: Herr Bundesminister! Ich bitte Sie – weil Sie ja trotzdem unser Bundesminister sind, bitte ich Sie darum –, endlich damit zu beginnen, die Sensibilität dafür an den Tag zu legen, dass der Bundesminister für Justiz eine besondere Rolle


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in diesem Gremium der Regierungsmitglieder spielt. Er persönlich, personifiziert, hat nämlich der Garant für die Unabhängigkeit der Justiz zu sein, Garant für die Unparteilichkeit zu sein, Garant dafür zu sein, dass es keine Einflussnahme gibt; denn das sind die drei Säulen unserer Demokratie, und eine davon repräsentieren in gewisser Hinsicht Sie. Und das, Herr Bundesminister, ist es, was uns Sorge bereitet.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Nach den Wahlen 1990, als ich Abgeordnete geworden war, kam als neuer Bundesminister ein Name in die politische Diskussion, nämlich der Name des inzwischen in Pension gegangenen Sektionschefs Oberhammer. Ein exzellenter Jurist! Ich habe ihn jetzt zehn Jahre lang in seinem Wirken beobachtet und ich meine, es haben ihm auch alle – Herr Bundesminister Michalek und alle vorangegangenen Bundesminister – hohen Respekt bei seinem Abschied gezollt.

Sein Name wurde damals ins Spiel gebracht, aber er wurde nicht Bundesminister, weil er sozusagen mit einem Makel – ich nehme an, man hat ihm damals Unrecht getan – behaftet war, nämlich nur mit einem geistigen Zusammenhang mit der seinerzeitigen "Lucona"-Affäre (Abg. Dr. Fischer: Nicht er, seine Frau!)  – nein, er! –, und dieser Makel bestand darin, dass seine Gattin – ich weiß es genau, will das aber jetzt nicht ausführen – eine Bekanntschaft hatte mit, ich glaube, einer geschiedenen Frau von Udo Proksch. Damals sind die Wogen so hoch gegangen, dass der Name Oberhammer als Minister sofort aus der politischen Kultur dieses Landes verschwunden ist.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren – wir standen damals in heftiger Konkurrenz zur SPÖ, sie war damals Regierungspartei, und tun es heute noch –, war damals, auch wenn es so quasi das politische Amt für Sektionschef Oberhammer gekostet hat, ein Akt politischer Kultur. Aber Kultur, meine sehr geehrten Damen und Herren, war noch nie die Stärke der FPÖ, ist nicht die Stärke von Bundeskanzler Schüssel und offenkundig, Herr Bundesminister, auch nicht Ihre. (Beifall bei den Grünen. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Gaugg: Das ist ja ungeheuerlich! – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Keine Rede ohne Beleidigung! Was Kultur ist, bestimmt die Frau Stoisits!)

18.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einem weiteren Redebeitrag hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort gemeldet. (Oje-Rufe bei den Freiheitlichen.)  – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.57

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte auf Grund der Vereinbarung in der Präsidiale, an die ich mich auch gehalten habe, in meiner ersten Rede nicht die Möglichkeit, auf vier mir wichtig erscheinende Punkte einzugehen, und das möchte ich jetzt nachholen.

Alle vier Punkte haben mit Herrn Dr. Böhmdorfer zu tun. Ich beginne bei einem ersten Punkt, der eigentlich den Begriff der politischen Kultur und das, was manche darunter verstehen, ausleuchtet (Abg. Mag. Kukacka: Das versteht der Pilz nicht unbedingt!), und stelle das Wirken unseres Kollegen Dr. Graf von der Freiheitlichen Fraktion hier zur Diskussion. Ich schließe dann mit der Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn ein Justizminister damit begänne, das zu qualifizieren. Was es hier mit Kultur auf sich hat, werden Sie gleich merken. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Wir diskutieren heute auch anhand des Außenpolitischen Berichtes und der aufgehobenen Sanktionen die nicht unerhebliche Frage, ob der Eindruck, es befände sich eine rechtsextreme Partei in der Regierung, gerechtfertigt sei oder nicht. Und ich beginne jetzt mit dem Donaustädter Abgeordneten Martin Graf, einem Mitglied der Burschenschaft "Olympia". Der "Spiegel" hat seinerzeit berichtet (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihnen fällt überhaupt nichts Neues mehr ein!), dass rechtsextreme Burschenschafter in der Bundesrepublik Deutschland wenig Chancen hätten. Ich zitiere jetzt aus dem "Spiegel":


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"Anders sieht es in Österreich aus. Dort gilt die deutsche Burschenschaft derzeit als Sprungbrett für ein Parteiamt bei den Freiheitlichen oder gar in den Nationalrat. Wer sich unter Burschen bewährt, lobt Nationalratsmitglied Graf, der schafft es auch in der Politik." (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Jetzt hat es mich einmal interessiert, was ist diese Burschenschaft, der Kollege Graf angehört, und ich habe mir ein Einladungsflugblatt zu einem geselligen Abend beschafft. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich lese aus diesem Einladungsflugblatt zum geselligen Abend. (Oh-Ruf bei den Freiheitlichen.)

Die Burschenschaft "Olympia" des Abgeordneten Graf bietet: "Jede Menge Sturm und Bier, solang die Kehle kann. Musikberieselung ohne den geringsten Anspruch auf Botschaft und Kunst. Spaß mit rassistischen oder wenigstens unappetitlichen Männerwitzen. Vitamin- und ballaststoffarme Hausmannskost, fett und füllend. Entspannend oberflächliche Unterhaltung unreflektierter Vorurteile voll. Selbstlob, Schulterklopfen, Lebensfreude. Kein Mitgefühl mit Würmern. Niveauvolles Geplauder, zwar akademisch, doch mit Herz." (Abg. Dr. Martin Graf: Wissen Sie, was Kabarett ist?)

"Fazit: Förderung der psychosozialen Gesundheit. Wir sind normal geblieben unter dem Schutt der Zeit. An uns sind Umerziehung, Trauerarbeit und Betroffenheit, doch auch Konsum, soziale Dünkel und Moderne fast spurlos vorübergegangen."

Zum Schluss. "Bist Du hässlich, fett, krank oder fremd im Lande oder hast Du eine Freundin mit, die weder schön noch still ist, dann bleibe lieber zu Hause! Du würdest sowieso nicht eingelassen werden." (Ruf bei der SPÖ: Wahnsinn! – Abg. Dietachmayr: Pfui!)  – Das ist die politische Kultur des Abgeordneten Dr. Graf! (Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt rechtfertigt das noch lange kein Eingreifen des Justizministers, werden Sie mir sagen, und ich sage: Selbstverständlich haben Sie Recht. In drei anderen Parteien, nehme ich an, würde es ein parteiinternes Eingreifen rechtfertigen, in der Freiheitlichen Partei selbstverständlich nicht.

Herr Abgeordneter Graf äußert sich aber auch europapolitisch und erklärt: Die heutigen Staatsgrenzen wurden willkürlich gezogen. Das deutsche Volkstum muss sich frei in Europa entfalten können. – Vor 1945 war das das Herzensanliegen der NSDAP, nach 1945 bis heute ist das das Herzensanliegen der deutschnationalen extremen Rechten. (Abg. Dietachmayr: Unfassbar!) Herr Abgeordneter Graf ist wahrscheinlich der prononcierteste Vertreter der deutsch-nationalen extremen Rechten in diesem Haus.

Ich weiß nicht, ob bei solchen Äußerungen ein Einschreiten des Justizministers oder des Ministeriums notwendig ist. Im Zweifelsfalle plädiere ich trotz allem aber immer für Meinungs- und Redefreiheit, auch wenn manchmal unappetitliche Sachen herauskommen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Ha, ha, ha!) Ich frage mich nur, wie vor dem Hintergrund solcher Äußerungen der Hinweis auf die Regierungsbank verstanden wird, dass die Europäische Union oder zumindest ihre Sachverständigen eine Partei als radikal und extrem populistisch bezeichnen, und jetzt langsam klar wird, was damit gemeint ist.

Jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Justizminister. (Ruf bei den Freiheitlichen: Redezeit!) Da das die politische Kultur derer ist, die Sie in diese Regierung gebracht haben und die offensichtlich auch Ihre Mentoren sind – der Unterschied zwischen Martin Graf und Jörg Haider gerade anhand solcher Zitate kann bis heute nicht wirklich klar gemacht werden; das ist ein und dieselbe Suppe, auf der Sie als politischer Schnittlauch Ihr Amt versehen (Ruf bei den Freiheitlichen: Ungeheuerlich!)  –, komme ich, Herr Justizminister, zu drei weiteren Punkten:

Wie sind Sie wirklich umgegangen mit Sprüchen, die in die Nähe der Wiederbetätigung kamen? – Wir haben bereits darüber diskutiert. Sie haben keine Antwort gegeben.

Was ist, wenn ein freiheitlicher Funktionär erklärt: "Meine Ehre heißt Treue!" und zufällig den Führerdolch zu Hause vergessen hat? – Nichts! Verständnis. Aber wenn ein Regisseur das dann paraphrasiert, dann tritt der freiheitliche Justizminister auf und sagt: Alle Härte der Justiz!


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So schaut es aus in dieser Republik! Und das ist ein Missbrauch Ihres Amtes. Das ist ein politischer Missbrauch Ihres Amtes, der zumindest in diesem Hause nicht geduldet werden kann. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ein Drittes ist untergegangen: Sie haben sich heute etwas geleistet, was auch in diesem Haus sehr selten ist, und zwar haben Sie eine Klage gegen André Heller referiert, über weite Passagen korrekt, und haben dann erklärt: Heller will keine Ehrenerklärung abgeben, er will das Verfahren führen und wird in der ersten Instanz – ich zitiere Sie, Herr Justizminister – "ein Spektakel veranstalten". (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!) Meines Wissens nach hat André Heller kein Spektakel, sondern einen Wahrheitsbeweis angekündigt. (Abg. Zierler: Eine Posse ist es auf jeden Fall!) Es ist noch überhaupt nichts passiert, das Verfahren, diese Verhandlung hat noch nicht stattgefunden, aber Sie als Justizminister wissen schon und verkünden es von der Regierungsbank aus, dass es sich um ein Spektakel handelt. Das ist die "neue" Qualität! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Wenn von Ihnen angegriffene Künstler ein ganz normales Verfahren führen wollen, dann diffamieren Sie als Justizminister das als Spektakel. Wissen Sie, was Sie damit nicht nur Herrn Heller, sondern der österreichischen Justiz sagen? – Genau das, worauf heute schon Bezug genommen worden ist: dass offensichtlich die freiheitlichen Minister und Abgeordneten nicht nur den Nationalrat und das Parlament, sondern auch die Justiz und die ordentliche Gerichte für ein Theater halten. Das ist der Punkt! Und für dieses Theater, für diese Vorstellung von Theater und für diese Diffamierung der Justiz tragen Sie, Herr Dr. Böhmdorfer, die persönliche und die politische Verantwortung! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Letzter Punkt: Sie haben erklärt, Sie haben alle Funktionen in Ihrer Kanzlei zurückgelegt. (Abg. Dr. Ofner: Was ist mit der Redezeit, Herr Präsident?) Ich sage Ihnen ganz offen, Herr Dr. Böhmdorfer: Das stimmt nicht! Das stimmt nicht! Nicht nur auf Ihrem Briefkopf steht "Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer", sondern Sie finden, wenn Sie ins Internet gehen und sich die Website law-in-austria.at anschauen, folgenden Eintrag: "Team: Mag. jur. Huberta Gheneff-Fürst, Dr. Karin Wintersberger, Dr. Michael Rami, Mag. Andreas Greger, Mag. Margot Maier". Über diesem Team steht: "Dr. Dieter Böhmdorfer, seit 29.02.2000 Bundesminister für Justiz". – Sonst nichts. Der Chef des Teams, der aktive Chef des Teams preist sich selbst in der Internetbewerbung der Rechtsanwaltskanzlei Böhmdorfer-Gheneff nicht nur als Teamchef, sondern als Bundesminister für Justiz an. (Abg. Schieder: Unfassbar! – Abg. Nürnberger: Das ist ein Skandal in diesem Lande! Das ist ein Skandal!) Wir müssen nicht einmal über Unvereinbarkeit diskutieren: Das ist unvereinbar! Da erübrigt sich jede Debatte. (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Skandal! Das ist wirklich ein Skandal, dass das im Internet steht!)

Eine einzige Frage bei dieser Klagsflut gibt es noch, Herr Justizminister Parteianwalt Dr. Böhmdorfer, eines will ich noch wissen: Um wie viel besser gehen Ihre Geschäfte, seit Sie Justizminister geworden sind? Das ist die einzige Frage, die noch offen ist!

Es bleibt bei der Aufforderung: Treten Sie zurück! Das ist der einzige Dienst, den Sie dieser Republik und Europa erweisen können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt mir jetzt das Protokoll über einen Debattenbeitrag des Abgeordneten Westenthaler und einen Debattenbeitrag des Justizministers Dr. Böhmdorfer vor.

Anlässlich dieser beiden Debattenbeiträge hat Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer mehrmals dem Redner am Rednerpult oder auf der Regierungsbank zugerufen: "Wieso lügen Sie schon wieder?", "Wieso lügen Sie dauernd?" et cetera. (Abg. Ing. Westenthaler: Ziemlich primitiv!)

Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Ich habe noch keinen Ordnungsruf erhalten!)


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36. Sitzung / Seite 165

Als nächster Redner zu Wort gemeldet zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte. (Abg. Schieder: Die Debatte ist geschlossen!)

19.08

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Das ist eine tatsächliche Berichtigung, zu der ich mich in der Früh zu Wort gemeldet habe und die an das Ende der Verhandlung vertagt wurde. (Abg. Schieder: Als Redner ist Ihnen das Wort erteilt worden!)

Ich berichtige die Feststellung, ich hätte vor längerer Zeit Dr. Haider als "fascist thinker, seeking a political revolution" bezeichnet.

Das ist nicht richtig! Die Richtigstellung ist im "Standard" vom 16. Mai 2000 abgedruckt. (Beifall bei der ÖVP.)

19.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur Abstimmung, und zwar gelangen wir zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Genossen betreffend Reform und Erweiterung der Europäischen Union. (Abg. Dr. Kostelka: Was ist mit den anderen tatsächlichen Berichtigungen? Da hat es doch noch welche gegeben!)

Es sind alle zurückgezogen worden; es ist keine einzige hier auf meinem Bildschirm verzeichnet. Mir hat man gesagt, sie seien alle zurückgezogen worden. Ich kann Ihnen nichts anderes berichten. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Keine Ahnung! – Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Geschäftsbehandlung!)

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte.

19.09

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich wollte nur anmerken: Die Worte von Herrn Khol jetzt waren eine Ergänzung zu meiner Rede, nehme ich an, aber eine tatsächliche Berichtigung war das keine. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Trattner: Das war der klassische Fall einer tatsächlichen Berichtigung!)

19.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Es sind alle tatsächlichen Berichtigungen zurückgezogen worden.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Khol, Ing. Westenthaler und Genossen betreffend Reform und Erweiterung der Europäischen Union.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen . (E 30.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jarolim und Genossen betreffend Einhaltung der Prinzipien der Demokratie und der Redefreiheit und der gemeinsamen europäischen Werte.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Kuntzl und Genossen betreffend konsequentes Auftreten gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.


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36. Sitzung / Seite 166

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz.

Gemäß Art. 74 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist zu einem solchen Beschluss des Nationalrates die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten erforderlich. Ich stelle diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene der Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zu Abstimmung über den Antrag des Hauptausschusses in 268 der Beilagen auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß Art. 49b Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.


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36. Sitzung / Seite 167

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Justiz gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Zu einem solchen Beschluss des Nationalrates ist gemäß Abs. 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten notwendig. Ich stelle diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-46 der Beilagen zur Kenntnis zur nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen betreffend außenpolitische Strategie zur Beendigung der außenpolitischen Isolierung Österreichs.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Schieder und Genossen betreffend ungerechtfertigte Pauschalkritik an Österreichs Diplomaten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Cap und Genossen betreffend keine weiteren Kürzungen im Bereich der Auslandskulturpolitik.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kopf, Mag. Schweitzer und Genossen betreffend Weiterverfolgung der österreichischen Klimastrategie.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 31.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig, Mag. Sima und Genossen betreffend umweltaußenpolitische Offensive zum Klimaschutz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

4. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Entschließungsantrag 217/A (E) der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch, Nikolaus Prinz und Genossen betreffend Verschärfung der Zucht- und Haltungsbedingungen für "potentiell gefährliche" Hunde (286 der Beilagen)

5. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 235/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Abwehr von Gefahren, die von gefährlichen Hunden ("Kampfhunden") ausgehen, das Strafgesetzbuch und das Waffengesetz geändert werden (287 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. (Abg. Dr. Van der Bellen: Zur Geschäftsbehandlung!)  – Zunächst Herr Abgeordneter Klubobmann Van der Bellen zur Geschäftsbehandlung.

19.15

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Herr Präsident. – Herr Präsident, Sie sind so schnell fortgefahren, dass es mir nicht möglich war, meine Meldung früher vorzubringen. Ich möchte bitten, dass im Protokoll festgehalten wird, dass bei der Abstimmung über den Antrag 211/A betreffend die Volksbefragungsidee der beiden Regierungsfraktionen der Nationalrat denselben einstimmig abgelehnt hat. (Beifall bei den Grünen.)

19.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir werden das im Protokoll festhalten.

Präsident Dr. Werner Fasslabend (den Vorsitz übernehmend): Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Kostelka. – Bitte.

19.16

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird heute, obwohl wir den ganzen Sommer lang versucht haben, eine entsprechende Gesetzesvorlage zu verabschieden und zur Beschlussfassung im Plenum vorzubereiten, keinen Beschluss in diesem Haus geben, und zwar deswegen nicht, weil die beiden Regierungsfraktionen schlicht und einfach nicht wollen, vor allem weil sie nicht dürfen, weil die Landeshauptmänner sie nicht lassen.

Was ist das Problem? – Es gibt in Österreich rund 500 000 Hunde. Davon sind nicht einmal ein halbes Prozent – rund 1 500 – als problematisch einzustufen. Und um genauer zu sein, nicht die Hunde, sondern die Hundehalter sind so einzustufen.

Worum es uns in diesem Zusammenhang geht, ist, Gefährdungen von Menschen, insbesondere von Kindern abzuwenden und dafür zu sorgen, dass es keine Verletzungen, ja keine Tötungen


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mehr gibt, so wie es beispielsweise in Deutschland, in Hamburg, vor wenigen Monaten eine gegeben hat.

Dazu ist gesetzliches Handeln notwendig, und alle Fachleute, die wir angehört haben, sind sich dessen bewusst, dass es derartiger gesetzlicher Bestimmungen bedarf.

Was tut not? – Fürs erste eine Verlässlichkeitsprüfung für die Führer von problematischen, von gefährlichen Hunden, darüber hinaus die Sicherstellung, dass problematische Hunde oder überhaupt alle Hunde identifiziert werden können – ein Kurzfristprogramm wäre eine Tätowierung, ein Langfristprogramm das so genannte Chippen, das heißt das Einsetzen, das Implantieren eines kleines Chips, mit dem der Hund dann auch mit entsprechenden Lesegeräten identifiziert werden kann –, ferner die Sicherstellung, dass es einen ausreichenden Versicherungsschutz gibt, eine Haftpflichtversicherung, weiters ein Importverbot für problematische Hunde und letztendlich das Verbot des so genannten Scharfmachens von Hunden, das heißt des Anerziehens von dem Hund nicht eigenen Aggressivitäten.

Wir sind im Grunde genommen mit den beiden Regierungsfraktionen durchaus einer Meinung, dass diese Maßnahmen gesetzt werden sollen. Unterschiedlich ist nur die Position, wie wir das tun. Auf der einen Seite stehen die ÖVP und die FPÖ, die meinen, dass ganz bestimmte wenige Maßnahmen im Strafrecht auf Bundesebene im Strafgesetzbuch verankert werden sollen, dass aber darüber hinaus die Frage der Verlässlichkeitsprüfung und einer entsprechenden Ausbildung der Hundehalter, aber auch die Identifizierbarkeit von Hunden, die Schaffung eines obligatorischen Versicherungsschutzes und das Importverbot auf Landesebene geregelt werden sollen, und zwar durch folgende Maßnahmen:

Dieses Haus wird heute – man muss sich das vorstellen! – durch Beschluss einer entsprechenden Entschließung die Bundesregierung auffordern, mit den neun Landesregierungen Kontakt aufzunehmen, um ihnen devotest die Bitte zu unterbreiten, dass die neun Bundesländer einen Art. 15a-Vertrag nach den Regeln des Völkerrechtes, wie die Verfassung sagt, abschließen mögen, dass alle neun Bundesländer neun Landesgesetze machen sollen, in denen Folgendes geschieht: Es soll in alle neun Gesetze das Gleiche aufgenommen werden, was wir heute oder in den nächsten Wochen in einem Bundesgesetz beschließen könnten.

Das ist im Grunde genommen unser Anliegen. Meine Damen und Herren, vor allem jene von der ÖVP, wir haben sehr schlechte Erfahrungen mit Ihrer Bereitschaft zum Handeln im Bereiche des Tierschutzes gemacht, daher fordern wir Sie auf, jetzt zu handeln!

Wir wollen kein Hunderassenverbot, aber wir wollen Maßnahmen gegen diese 1 500 Hunde, und zwar zum frühestmöglichen Zeitpunkt! Wir wollen nicht, dass sich diese beginnende Blutspur weiter durch Österreich zieht! Wenn das der Fall sein sollte, dann betone ich: Sie haben die Verantwortung! (Beifall bei der SPÖ.)

19.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

19.21

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Innenminister! Meine Damen und Herren! Wir von der ÖVP haben von Beginn an in dieser sensiblen Materie der gefährlichen Hunde vor Schnellschüssen gewarnt, vor Schüssen aus der Hüfte, und wir sind immer für eine akkordierte Vorgangsweise eingetreten.

Warum haben wir vor Schnellschüssen gewarnt? – Das Beispiel Deutschland zeigt: Man hat dort zu schnell reagiert, und es wird Novellierungen geben. Zum anderen hat ja auch die heutige Debatte gezeigt, dass Schnellschüsse nicht immer gut sind – zum Beispiel Schnellschüsse der Sozialistischen Internationale in Bezug auf die Sanktionen gegen Österreich. Und man wird das Gefühl nicht los, dass manche aus den Reihen der SPÖ da die Finger mit im Spiel hatten, vor allem dann, wenn man an die Verteidigungsstrategie und die Auslandsbesuche des SPÖ-Vorsitzenden in dieser Frage denkt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Mit den am Montag, dem 18. September, beschlossenen Anträgen und dem beschlossenen Abänderungsantrag der Regierungsparteien können, glaube ich, sofern der Wille vorhanden ist, entsprechend schnell weitgehende Regelungen geschaffen werden. Vor allem ist wichtig, dass die Expertenmeinungen bestmöglich berücksichtigt worden sind.

Ich danke hier von dieser Stelle aus all jenen sehr herzlich, die mit dieser Materie in der Sommerpause befasst waren, zum Beispiel in den Ministerien – wie Justizministerium, Innenministerium, Wirtschaftsministerium –, aber auch allen damit Befassten in den Klubs beziehungsweise hier im Hohen Haus selbst. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Gradwohl. )

Wir von der ÖVP wollen keine Kriminalisierung der Hundehalter, aber dort, wo es notwendig ist, eine konsequente Vorgangsweise. (Abg. Gradwohl: Sankt-Nimmerleins-Tag!) Wir stehen für den Schutz der Menschen vor der Gefährdung durch Tiere, was ja mit einer Novelle im Strafgesetzbuch entsprechend geregelt werden wird. (Abg. Gradwohl: Sankt-Nimmerleins-Tag!)

Wer die Medienberichte verfolgt hat, konnte feststellen, dass wir von der ÖVP durchaus von Anfang an auf der richtigen Linie gelegen sind – auch wenn das nicht alle so sehen wollen –, wenn wir Forderungen erhoben haben wie eine bessere Überwachung und den Vollzug der Regelungen, Importbeschränkungen oder -verbote, eine bessere Kontrolle an den Außengrenzen, keinerlei Hunderassendiskriminierung und -verbote, eine Kennzeichnung der Hunde, eine Versicherung zur Abdeckung von eventuellen Haftungsansprüchen für geschädigte Personen, Mindeststandards in der Ausbildung, eine Berechtigung zum Halten potentiell gefährlicher Tiere und eine Verschärfung der Zuchtbedingungen und der Zuchtselektion.

Mit diesem umfassenden Ansatz ist eine einheitliche Vorgangsweise möglich, gleichzeitig aber der individuelle Spielraum, wo er notwendig ist, vorhanden. Wir brauchen keine langwierigen Kompetenzverschiebungen, um die es ja anscheinend vor allem in der SPÖ gegangen ist, sondern wir brauchen vor allem eine entsprechende Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Das heißt, das Bewusstsein muss sich am anderen Ende der Leine verändern, damit in Zukunft zum Beispiel die Leinenpflicht auch eingehalten wird! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Exekutive wird in der Überwachung den Rückhalt der Politik brauchen. Wir brauchen in dieser Materie keine Schaffung von vielen Gesetzen und totem Recht. Es ist in Wahrheit eine Sicherheitsfrage: Es geht um den Schutz von Menschen und nicht um Tierschutz, aber ob das alle in der Opposition schon begriffen haben, wage ich zu bezweifeln. Die Bürger wollen jedenfalls praktikable Regelungen, die überwacht und vollzogen werden.

Die SPÖ hat ja immer ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz gefordert. Seltsamerweise sind aber im eigenen Antrag dazu die Hunde nicht einmal erwähnt, also so ernst dürfte es dann doch wieder nicht sein.

Wichtig ist aus meiner Sicht, dass vor allem sehr viele Experten in den Diskussionsprozess mit einbezogen worden sind, denn Experten spielen – egal, in welchem Diskussionsbereich, bei welcher Gesetzesmaterie – eine sehr wichtige Rolle. Ich spreche mich aber persönlich vehement dagegen aus, dass man mit Experten politisches Groschengeschäft machen will, und ich darf dazu einen konkreten Fall anführen.

Am Montag, dem 18. September, hat die SPÖ in der Sitzung des Verfassungsausschusses neben den Fraktionsexperten zwei zusätzliche Experten beantragt. – Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, aber die Begründung war schon ein bisschen merkwürdig, die Begründung und die Art und Weise – das ist das, was mich am meisten stört –, wie man dabei vorgegangen ist.

Herr Abgeordneter Kräuter hat gesagt, die beiden Experten hätten sich spontan auf die TV-Sendung "Hohes Haus" vom Sonntag, dem 17. September, gemeldet. Ich wiederhole: Er hat gesagt, sie hätten sich spontan gemeldet. Seltsam ist aber: Kollege Tancsits und auch ich persönlich haben diese zwei Experten gefragt, ob sie die TV-Sendung "Hohes Haus" am


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Sonntag, dem 17.9., gesehen hätten, und beide haben ein klares Nein zur Antwort gegeben – es ist also schon etwas merkwürdig, Herr Kollege Kräuter, wie da vorgegangen wurde! –, und sie berichteten, man hätte ihnen gesagt, zum Einlass ins Parlament sollen sie sich auf das Büro Kostelka berufen. – Ich finde, das ist äußerst merkwürdig!

Diese beiden Herren, diese beiden Experten, wurden von der SPÖ wirklich missbraucht. Herr Kollege Kräuter, entschuldigen Sie sich bei diesen beiden Experten für diese Ihre Vorgangsweise, denn Ehrlichkeit ist die Grundlage unserer Arbeit und nicht – wie es hier scheint – eine gewisse Unwahrheit in der Begründung! Das ist nicht notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Oder ist Ihr Leid in Ihrer derzeitigen Rolle, meine Damen und Herren von der SPÖ, wirklich schon so groß, dass Sie zu derart billigen Mitteln greifen müssen? – Das ist eigentlich unterstes Niveau, und das hätten eigentlich nicht einmal Sie nötig! Entschuldigen Sie sich bei den Experten, Herr Kollege Kräuter, und vermeiden Sie in Zukunft derartige "Fehlbisse" oder Fehltritte! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Das war nämlich peinlich! Herr Kollege Kräuter, es war sehr peinlich! – Abg. Dr. Khol: Kräuter ist ein gefährlicher – Redner!)

19.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

19.27

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, es gab eine sehr heftige Debatte über so genannte Kampfhunde den gesamten Sommer lang. Das ist nicht das erste Mal, es gab schon früher derartige Anträge. Ich bin im Nachhinein zwar doch einigermaßen beruhigt, dass die Debatte nicht völlig irrationale Züge angenommen hat, aber es gab durchaus Gefahrenmomente und auch Kosten, die jetzt von Privaten getragen werden.

Es sind auf Grund wirklich teilweise unbegründeter Ängste Tiere ausgesetzt worden – und daraus kann eine Gefahr entstehen –, die Tierheime quellen über, und die Hunde, die diesen als gefährlich bezeichneten Rassen angehören, sind kaum noch an den Mann oder an die Frau zu bringen. Auch in diesem Zusammenhang denke ich, es wäre hoch an der Zeit, dass die Gemeinden, die eigentlich nach der Verfassung die Aufgabe hätten, für diese Tiere aufzukommen, jetzt zumindest den Tierschutzorganisationen unter die Arme greifen, denn diese Misere ist politisch verursacht und mitverschuldet worden. (Abg. Mühlbachler: Aber auch von den Grünen!)  – Durch einzelne Äußerungen. Auf jeden Fall ist es die Aufgabe der Gemeinden, und sie sollten dieser nachkommen.

Was die Debatte im Ausschuss betrifft – und das hat mich ein wenig beruhigt –, war es immerhin so, dass die völlig übereinstimmende Meinung der Expertinnen und Experten berücksichtigt wurde. Das heißt, dass offenbar nicht geplant ist, irgendwelche Hunderassenverbote einzuführen, denn es war von vornherein klar, dass das so nicht definierbar ist, und es ist auch ebenso klargestellt worden, dass es sich um menschliches Verhalten handelt, das mehr oder minder verantwortungsbewusst sein kann.

Da gilt es anzusetzen: bei der Zucht, beim Import, bei der Haltung und auch bei der Kennzeichnung von Tieren, um – auch wenn etwas passiert – Verantwortlichkeiten feststellen und wahrnehmen zu können.

Bei den Anträgen, die jetzt eingebracht worden sind, bleibt – jedenfalls in meinen Augen – ein großer Wermutstropfen. Dem Antrag der Regierungsparteien stimme ich letztlich deswegen zu, weil er zumindest in einigen Bereichen eine bundeseinheitliche Regelung vorsieht – was die Kennzeichnung betrifft, was den Import betrifft, auch was die Möglichkeiten der Exekutive betrifft –, gegen nachweislich verantwortungslose Halterinnen und Halter vorzugehen. Aber es bleibt deswegen ein Wermutstropfen, weil anhand des Beispiels der Hunde wirklich überdeutlich erkennbar wurde, dass das Einzige, was wirklich angesagt wäre – und zwar für alle Tiere –, eine bundeseinheitliche Regelung zum Schutz von Tieren und Menschen wäre, aber dafür gibt es


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nach wie vor keine erforderlichen Mehrheiten. Das finde ich traurig und bedauerlich. (Beifall bei den Grünen.)

Ebenso ist es traurig und bedauerlich, dass auch die Regierungsparteien letztlich nur einen Entschließungsantrag mit Aufforderungen an den Justizminister, die Bundesminister für Finanzen und Inneres und die Bundesregierung zusammengebracht haben. Er geht, wie gesagt, im Kern, in Teilbereichen in die richtige Richtung, aber ich stelle mir da schon eine Frage: Wenn nicht einmal die Regierungsparteien einen eigenen Gesetzestext vorlegen können, dann deutet das doch wirklich sehr klar auch auf ein Ausstattungsdefizit des Parlamentes hin und andererseits auf eine Überausstattung der Regierung. Dort sind die legistischen Kapazitäten, wir haben sie nicht, und ich finde, es ist halt schon ein gewisses Armutszeugnis, wenn dieses Haus nicht selbst Gesetzesanträge erarbeitet, sondern an die Minister appelliert: Tut das für uns!

Ich hoffe jedenfalls, Herr Innenminister, dass es bei den Gesetzesvorschlägen, die Sie jetzt auszuarbeiten haben, entsprechend dem Mehrheitswunsch dieses Hauses die Bereitschaft gibt, auch da Expertinnen und Experten aus dem Bereich des Tierschutzes und auch Oppositionspolitikerinnen und -politiker in die Beratungen mit einzubeziehen, denn unsere heutige Zustimmung zu diesem Entschließungsantrag heißt natürlich noch nicht Ja und Amen bei jedem Gesetzestext, egal, was immer da herauskommt.

Ein Letztes noch zum Antrag der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuss. Ich habe im Ausschuss diesem Antrag nicht zugestimmt, weil er zwar an sich die Grundphilosophie, die in unseren Augen die einzig richtige ist, nämlich eine bundeseinheitliche Regelung, vorangestellt hat, aber dann in zwei wesentlichen Bereichen meiner Meinung nach unzulänglich ist oder war – jetzt kann ich schon fast sagen: war –, nämlich erstens in dem Punkt, dass es bei den Regelungen oder allfälligen Verboten doch wieder auf rassespezifische Merkmale ankommen sollte – wie gesagt, das widerspricht den ExpertInnenmeinungen –, und zweitens in dem Punkt, dass in einem sehr undifferenzierten Sinne allen psychisch Kranken, Suchtkranken und gebrechlichen Personen die Haltung von potentiell gefährlichen Hunden verboten werden sollte.

Ich denke, das geht zu weit. Gerade bei bestimmten Erkrankungen können Hunde auch Therapie sein, wirklich Gefährte im besten Sinne. Ich glaube, dass diese Formulierung etwas unüberlegt war, und ich höre jetzt auch auf der Ebene der ReferentInnen, dass hier die Bereitschaft besteht, bis zu den nächsten Verhandlungen im Unterausschuss diese beiden Paragraphen oder diese beiden Stellen noch zu verbessern und zu korrigieren. In diesem Sinne möchte ich so, wie ich der Regierung in diesem Punkt jetzt ein bisschen ein Vorausvertrauen geschenkt habe, das auch bei der sozialdemokratischen Fraktion tun, weil, wie gesagt, das Eigentliche, die bundeseinheitliche Regelung, in dieser Vorlage sehr stark betont ist. Das heißt, es mag zwar auf den ersten Blick etwas paradox erscheinen, aber wir werden diesen beiden Anträgen zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

19.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

19.34

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ein Krimineller hat im Frühsommer in Hamburg einen Hund aggressiv gemacht, auf ein Kind gehetzt, und der Hund hat in der mörderischen Absicht des Halters dieses Kind getötet. Ein Aufschrei ging durch unser Nachbarland, der bis Österreich reichte.

Die rot-grüne Regierung in Deutschland hat mit einem Gesetz reflexartig reagiert, das als Kriminalisierung der Hundehalter und Diskriminierung bestimmter Hunderassen aufgefasst wurde und in Deutschland zu chaotischen Verhältnissen führte. Tausendfach wurden Hunde ausgesetzt und in überforderte Tierschutzheime gebracht, Hundehalter wurden attackiert, und eine Hundejagd durch die Exekutive wurde provoziert.

Die SPÖ konnte der Verlockung nicht widerstehen und nützte diesen tragischen Anlass für Oppositionspolitik hier im Haus und natürlich über die Medien auch nach außen. Nun gut, ein


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intuitiver Zusammenhang mag ja bestehen: Opposition – bellen – beißen; in diesem Fall angstbeißen, denn der Kostelka'sche Angstbiss – es tut mir sehr leid, dass er sich hier nicht der Diskussion stellt – im Juli schaute so aus, dass ein Antrag das Thema in Richtung Strafgesetz und vor allem in Richtung Waffengesetz lenkte.

Wir hätten mit dieser Zuteilung oder unserer Zustimmung dazu nach meiner festen Überzeugung – und auch nach der Ansicht der ExpertInnen, um diesmal ausnahmsweise in der Terminologie von Frau Petrovic zu sprechen – durchaus die Verhältnisse von Deutschland nach Österreich importiert. Wenn man aus diesen Anträgen zitieren würde, dann müsste man sagen, es ist ein rassistisches Verbotsgesetz: Die Rassen, die Hunderassen, werden diskriminiert, und der Ausdruck "Kampfhunde" zieht sich quer durch diesen Antrag.

Nun wurde in der Folge in Österreich eine durchaus konstruktive Diskussion geführt. Die Debatte wurde auch von den Medien mit viel Sachverstand und Sachkompetenz in eine Richtung gelenkt, die von der Zuweisung der Gefährlichkeit zu einzelnen Rassen Abstand genommen hat. Ich zitiere aus einer Expertenmeinung, die das zusammenfasst:

Mit dem so genannten Kampfhund, meint Dr. Schauer einleitend, wurde ein Feindbild geschaffen, das heute als Ersatz für den bösen Wolf im Märchen herhalten muss. Die meisten Bissverletzungen stammen nicht von den in Verruf geratenen Rassen, sondern in erster Linie von so genannten gutmütigen Hunden. – Es wird eine Statistik der Bissverletzungen in Österreich von 1989 bis 1998 angeführt. Die Tendenz ist fallend. Während es vor zehn Jahren 5 146 waren, sind es 3 880 im Vorjahr gewesen.

Es ist auch die Aussage enthalten, es gebe keine genuin gefährliche Hunderasse, nur einzelne gefährliche Individuen. Schuld daran ist der Mensch: durch einseitig aggressive Zuchtauswahl, falsche Behandlung und Haltung, das zeigen die Hintergründe der Bissunfälle. Die Annahme, durch ein Verbot des "Kampfhundes" – hier natürlich mit entsprechend dicken Anführungszeichen versehen – das Problem der Hundebisse aus der Welt zu schaffen, ist naiv. – Zitatende.

Wir haben uns an dieser Diskussion beteiligt. Die Hauptpunkte und Ergebnisse der Diskussion unter dem Strich und die Forderungen der Experten waren: Kennzeichnung von Hunden mittels Mikrochip, Halteberechtigung für die Halter potentiell gefährlicher oder auffällig gewordener Hunde, eine obligatorische Haftpflichtversicherung für Hunde – ich merke sofort an: Erleichterungen für Hunde aus Tierheimen zum Beispiel, indem man den Tierheimen die Versicherung für drei Jahre vergütet –, eine Erweiterung des Tierquälerparagraphen – denn das Scharfmachen von Hunden hat immanent mit Tierquälerei zu tun –, Bestrafungen laut Strafgesetzbuch im Sinne des heute zu stellenden Antrages – er liegt Ihnen vor – und schließlich ein Importverbot.

Das waren die Wünsche der Experten. Dabei sind die Wünsche, die schon vor dem Sommer im Antrag der Regierungsparteien enthalten waren, präzisiert worden und liegen jetzt in diesem Antrag vor, den auch die Grünen, wie erwähnt, im Ausschuss mitgetragen haben und auch heute mittragen wollen. Dazu möchte ich sagen: Wenn man die Terminologie von Frau Petrovic uns gegenüber kennt, dann muss man das von ihr heute Gesagte als hohes Lob für die Versuche qualifizieren!

Schließlich zu der Meinung, dass diese Materie nur bundeseinheitlich geregelt werden könne: Frau Petrovic, in Ihrem Vorschlag für ein Bundes-Tierschutzgesetz finden sich keinerlei Hinweise auf die gestellte Problematik, ebenso wenig wie im sozialdemokratischen Vorschlag für ein Bundes-Tierschutzgesetz. Auch dort ist das nicht enthalten.

Zum Antrag, den wir heute ablehnen müssen, dem bemerkenswerterweise die Grünen zustimmen, nämlich dem Antrag der Abgeordneten Kostelka, Parfuss und Genossen betreffend ein Bundesgesetz zum Schutze vor gefährlichen Hunden: Er ist noch immer, wie wir gehört haben, von der Verfolgung einzelner Hunderassen getragen. Ich schließe mich der Meinung der Vorrednerin an, dass es nicht dazu kommen soll, dass Menschen keinen solchen Hund – ich sage das jetzt so dazu, ohne ihn genauer zu definieren – führen dürfen, die etwa psychisch krank, alkohol- oder suchtkrank sind oder ein körperliches Gebrechen haben. Ein solches Verbot


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würde etwa die Blinden ausschließen, einen Hund zu führen, oder eben die erwähnten psychisch Kranken, die einen Hund als Therapie brauchen. Das sind Bereiche, die man ganz einfach nicht ausschließen soll.

Diesem Antrag, der auf Rasse aufbaut, können wir nicht zustimmen. Im Übrigen glauben wir, dass angesichts der Fülle der Gesetze, die wir im Land haben, für diesen Bereich ein eigenes Gesetz tatsächlich nicht notwendig ist. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. – Bitte.

19.42

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Es ist augenscheinlich eine sehr schlechte Zeit, die Nachrichten sind offensichtlich interessanter.

Ich darf kurz rekapitulieren: Herr Dr. Grollitsch hat in einem Punkt richtig referiert und hat gesagt, wir Sozialdemokraten haben in diesem Fall Handlungskompetenz gezeigt. Wir haben im Sommer einige Aktivitäten gesetzt, Anträge eingebracht und haben dadurch die Regierungsparteien zum Handeln gezwungen. Ich habe das so interpretiert, wie ich es verstanden habe.

Ich persönlich habe mich sehr gefreut, weil es doch einen Vier-Parteien-Antrag gegeben hat, und wir haben beschlossen, dass die Bundesministerien Justiz, Inneres und Wirtschaft einen Auftrag haben, dem Parlament Lösungsvorschläge in Form von Gesetzen zu liefern. Das Ergebnis dieses Auftrages hat mich allerdings nicht sehr überrascht. Die drei Bundesminister stellen fest: leider keine Kompetenz, alles wieder retour!

Da frage ich mich: Sind wir hier im Parlament, wo es auch möglich ist, Kompetenzen zu beschließen und zu verschieben? Brauchen wir wirklich den Hinweis, es gehe nicht, und wir nehmen es so zur Kenntnis? – Ich sage Ihnen und interpretiere es so, dass Sie sich in Bezug auf dieses Thema über den Sommer gehantelt haben, und zwar unter dem Motto: Wir machen ohnehin etwas! – Zuerst habe ich gehört, dass Sie gesagt haben: Im September beschließen wir etwas! Ich glaube eher, dass der Auftrag geheißen hat: Sucht möglichst nach Ausreden!, und diese Ausreden aller drei Bundesministerien liegen vor, nämlich, wie ich schon gesagt habe: leider keine Kompetenz, alles wieder retour!

Meine Damen und Herren! Wir haben in unserem Antrag – Herr Klubobmann Kostelka hat das bereits ausgeführt, und ich möchte es nicht noch einmal wiederholen – die verschiedensten Problempositionen mit Lösungen versehen, und zwar betreffend Kennzeichnung, Konsequenzen bei Missbrauch und so weiter. Wir haben Hund und Hundehalter gemeinsam, also in einem gesehen, und für uns ist Menschenschutz auch Tierschutz.

Zu dem, was heute beschlossen werden soll, möchte ich den "Kurier" zitieren, in dem steht – ich glaube, da ist das auf den Punkt gebracht –: Neue Regeln für Hundehaltung sind nur Mindeststandards – laut Herrn Prinz –, Regierung präsentiert Vorschlag ohne Details, Bundesländer sind wieder einmal gefordert.

Wenn man sich rein optisch den Entschließungsantrag anschaut, so stellt man fest, dass die ersten zwei Passagen an die Bundesministerien gerichtet sind und alles Weitere an die Länder gerichtet ist. Das heißt, wir delegieren wieder an die Länder, wie gehabt. (Abg. Dr. Fekter: Subsidiaritätsprinzip!) Wir können es ändern, liebe Frau Abgeordnete, wir brauchen es nur zu beschließen.

Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat so, dass nur ganz wenige Punkte – die Kontrolle durch den Innenminister, die Verschärfung durch den Justizminister – an den Bund gerichtet sind, und die anderen Dinge betreffen die Länder. Was das heißt, wissen wir, wir kennen das von anderen Tierschutzproblemen – Herr Mag. Haupt, Sie waren auch einmal Bundestiersprecher –: Es wird bestenfalls in zwei, drei Jahren in Teilbereichen Problemlösungen geben.


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Bestenfalls in zwei bis drei Jahren! Herr Abgeordneter Prinz hat es dezidiert und auch richtig gesagt, als er den Hinweis machte: Wenn der Wille vorhanden ist, meine Damen und Herren!

Zum Schluss: Ich habe in den Presseaussendungen zweimal die Aussage von Herrn Dr. Grollitsch und von Herrn Prinz gelesen, die SPÖ sei heuchlerisch. Ich darf erinnern: Im Ausschuss hat Herr Abgeordneter Haupt gesagt, er könne diesem unserem Antrag deshalb nicht zustimmen, weil darin der Begriff "rassenspezifische Merkmale" enthalten ist. Herr Klubobmann Kostelka hat ihn dann gefragt, ob er mitstimmen würde, wenn dieser Begriff gestrichen werden würde. Darauf hat er keine Antwort mehr gegeben. Zumindest habe ich keine gehört.

Herr Abgeordneter Prinz! Im "Kurier" vom 19. September lese ich, dass Sie Folgendes gesagt haben: Rassen sind nicht definiert, aber wir werden darum nicht herumkommen. (Zwischenruf des Abg. Prinz. ) – Meine Damen und Herren, wer ist heuchlerisch in diesem Fall?

Meine Damen und Herren! Die ÖVP (die Rednerin räuspert sich)  – sogar die Sprache verschlägt es mir bei diesem Thema – scheut ... (Die Rednerin räuspert sich erneut. – Abg. Prinz: Weil Sie schon zu lange reden!) – Sie werden mir nicht vorschreiben, wie lange ich rede, es ist nicht Ihre Redezeit! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die ÖVP scheut die Bundeskompetenz wie der Teufel das Weihwasser, und auch die Pilgerreise nach Mariazell hat da nicht geholfen. Ich glaube, da braucht man schon zur Bekehrung den Exorzismus. (Beifall bei der SPÖ.)

19.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Haupt hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.47

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Kollegin Parfuss, Sie haben jetzt in Ihrer Rede ausgeführt, dass im Ausschuss auf die Bemerkung, dass die SPÖ heuchlerisch ist, der Herr Kollege Kostelka an mich die Frage gerichtet hat, ob ich seinem Antrag, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zustimmen würde, wenn er in entsprechender Form den Begriff "rassenspezifische Merkmale" streichen ließe. Sie haben weiters ausgeführt, dass ich darauf nichts mehr gesagt habe.

Ich berichtige: Ich habe mich dann sehr wohl wieder zu Wort gemeldet und habe zu Herrn Kollegen Kostelka gesagt, wenn er sämtliche Punkte meiner Kritik am SPÖ-Vorschlag, von § 1 bis einschließlich der Erläuterungen, vollinhaltlich berücksichtigt, dann werde ich selbstverständlich zustimmen.

Ich darf Sie aufmerksam machen: § 1 Verfassungsbestimmungen, § 2, § 3, rassenspezifische Bestimmungen, und in den Erläuterungen die falsche Verwendung des Ausdruckes "Kampfhund".

Ich habe mich sehr wohl zu Wort gemeldet. Falls Sie es nicht gehört haben sollten, bedauere ich das, aber zu Wort gemeldet habe ich mich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

19.49

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Parfuss, wir kommen jetzt vom Exorzismus wieder zu unserem eigentlichen Problem zurück. Ich glaube, einer der wesentlichen Unterschiede ist eben, dass bei uns Tierschutz nicht gleichzeitig auch Menschenschutz ist, wie Sie gemeint haben, sondern dass es sich um den Schutz des Menschen vor gefährlichen Hunden handelt. (Beifall bei der ÖVP.) Alle Anträge gehen in diese Richtung, und wir wollen keine Kriminalisierung der Hundebesitzer. Auch das sei bitte klargestellt! (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich darf feststellen, dass der Hund grundsätzlich schon einmal der Freund des Menschen ist (Zwischenruf des Abg. Riepl ), außer er wird vom Menschen zu etwas anderem gemacht. Herr Kollege, ich hoffe, Sie meinen das. Ich darf schon daran erinnern, dass die besondere Ausbildung des Hundes dem Menschen hilft und schützt, wie etwa beim Lawinenhund, beim Wachhund, beim Suchtgifthund, beim Blindenhund et cetera. Ich möchte nur Fritz Muliar zitieren, der in der "Furche" in einem Artikel seinem Hund einen Brief schreibt, weil er froh ist, dass er ihn hat.

Ich möchte auf die einheitliche Vorgangsweise hinweisen, weil dies heute von den Vorrednern schon in Frage gestellt wurde. Meine Damen und Herren! In den Anträgen ist besonders bedacht und darauf Wert gelegt worden, dass eine einheitliche Kennzeichnung – mit dem Chip, wie es die Fachleute empfohlen haben – enthalten ist, dass ein einheitlicher Befähigungsnachweis zur Haltung von gefährlichen Hunden entsprechend definiert ist und dass einheitliche Ausbildungs- und Abrichterichtlinien ebenfalls festgehalten sind. Dies wird von den Kynologen und vom Präsidenten des Österreichischen Kynologenverbandes Dr. Kreiner schon entsprechend praktiziert, und dazu werden entsprechende Vorlagen bereit gehalten.

Mir erscheint es wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass in keinem Fall beabsichtigt war, die Bestimmung zu schaffen, dass jeder österreichische Bürger, der sich einen Hund anschafft, einen so genannten normalen Hund, wie wir ihn kennen, auch eine Befähigung für dessen Haltung nachweisen muss. Das wäre zu übertrieben, und das wollen wir auf keinen Fall.

Ich möchte heute auch zum Thema Haftpflicht reden. Eine solche, meine Damen und Herren, halte ich für unbedingt notwendig. (Abg. Auer: Eine wichtige Versicherung!) Kollege Auer, wie du bestimmt weißt, schließt die landwirtschaftliche Haftpflicht auch die Hundehaftpflicht ein. Ich glaube, wir sollten verpflichtend eine Hundehaftpflicht einführen, so wie das im Kfz-Bereich der Fall ist, weil zu viele Hundehalter nicht in der Lage sind, bei etwaigen Schädigungen entsprechend zu zahlen, oder nicht zahlen wollen.

Zur Administration: Von Kollegen Maier wurde im Ausschuss angezweifelt, dass man eine Hundehaftpflicht braucht. Es würde so funktionieren wie bei einer Kfz-Haftpflichtversicherung. Wenn diese nicht bezahlt wird, dann wird das am Gemeindeamt gemeldet, so wie dies bei Nichtbezahlen einer Kfz-Haftpflichtversicherung der Bezirkshauptmannschaft oder beim Magistrat gemeldet wird. Wenn ein Hund auf Grund seiner Gefährlichkeit oder auf Grund seines Verhaltens keine Haftpflicht mehr bekommt, weil keine Versicherung bereit ist, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, dann soll es auch diese Hundehaltung nicht geben. So einfach würde sich dieses Problem lösen.

Noch eines in diesem Zusammenhang: Wenn es beim Biss durch gefährliche Hunde zu Verletzungen kommt, dann muss auch daran gedacht werden, dass dieser Hund eingeschläfert oder getötet werden können muss.

Ein abschließender Satz: Zur Kontrolle aller dieser Vorhaben und gesetzlichen Vorlagen, die es bereits gibt, wie etwa Leinen- oder Beißkorbpflicht, ist die Exekutive, die das zu kontrollieren hat, auch zu unterstützen, und zwar von der Öffentlichkeit, von den Medien und von der Politik, damit der Exekutivbeamte nicht allein gelassen wird, wenn er aufmerksam macht oder sogar bestraft, um für die entsprechende Konsequenz der Gesetze zu sorgen.

Meine Damen und Herren! Da darf ich auch die Zivilcourage einmahnen, die uns verpflichtet, auffällige Hunde oder auch auffällige Hundehalter zu melden, damit es nicht zu Bissverletzungen durch oder zu Überfällen von Hunden kommt. Wir können nur hoffen, dass es auf Grund dieser Maßnahmen keine gefährlichen Verletzungen mehr gibt. Das wünschen wir uns alle. Das Gesetz oder die Anträge allein werden nicht genügen. Wir haben da alle mitzuwirken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.


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19.55

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Grund der tragischen Vorfälle in den letzten Monaten hat uns ein sehr sensibles und emotionales Thema, nämlich der Umgang mit gefährlichen Hunden, sehr beschäftigt. Selbst seit Jahren Hundebesitzerin weiß ich wohl, wie man mit Hunden umgeht. Vor allem weiß ich aber auch über die Reaktion des Tieres Bescheid. Aber die Hand ins Feuer legen könnte ich auch für meinen Hund nicht. Auch dieses Tier könnte gefährlich werden. Ich bin aber trotzdem froh, meinen Hund zu haben.

Was ist also ein gefährlicher Hund? – Dieser Punkt wäre schon zu hinterfragen. Auch die Hundebesitzer sind gefordert, denn meiner Meinung nach muss der Hundebesitzer das Ausdrucksverhalten und die Signale – ob positiv oder negativ –, die vom Hund ausgehen, mehr beobachten. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, und ich bin überzeugt, dass so manche Unglücksfälle verhindert werden können.

Es herrscht auch von Seiten der Hundebesitzer eine gewisse Sorglosigkeit. Auch hier müsste man gegensteuern.

Die SPÖ hat daher in ihrem Antrag eine bundesweite – ich wiederhole: bundesweite – Lösung angeregt. Mehrere Punkte wären aus unserer Sicht sehr wichtig – es wurde schon vieles erwähnt, ich wiederhole es aber trotzdem –, wie zum Beispiel eine zentrale Registrierung des Tieres in Form von Chips. Das geht so vor sich, dass ein reiskorngroßer Chip dem Tier hinter das Ohr transplantiert wird. Der Chip enthält einen Code mit einer 15stelligen Nummer, und diese kann Auskunft über den Halter und das Tier geben. Bis zur zwölften Lebenswoche des Tieres sollte dieser Chip eingesetzt werden.

Ich pflichte meinem Kollegen Murauer bei, wenn er meint, dass eine Hundehaftpflichtversicherung für jeden Hund abgeschlossen werden müsste. Ich habe mich bei einer Versicherung erkundigt, nämlich der Allianz Elementar – ich darf das sagen, ich habe dort 19 Jahre lang gearbeitet –, und kann Ihnen mitteilen: Diese Versicherung kostet als Einzelversicherung 1 200 S und in einer Bündelversicherung 560 S. Ich meine, jeder Hundebesitzer müsste sich diese Versicherung im eigenen Interesse leisten.

Verpflichtend sollte auch eine Ausbildung nicht nur für den Hund sein, sondern auch für den Menschen. Was das Tier auf dem Hundeabrichteplatz gelernt hat, wird es nie mehr vergessen. Auch der Hundehalter sollte den Umgang mit den Tieren lernen. Da geht es einerseits um den Schutz und die Sicherheit von Menschen, andererseits auch um den Schutz der Tiere, in unserem Fall eben der Hunde. Da muss Verantwortungsbewusstsein im Vordergrund stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei aller inhaltlichen Übereinstimmung kommt es aber in der Diskussion auf die Umsetzung an. ÖVP und FPÖ sind nach wie vor der Meinung, dass man es einzeln, und zwar länderweise tun soll. Das heißt, diese Forderung soll in allen Bundesländern separat umgesetzt werden. Wir von der SPÖ sind der felsenfesten Überzeugung, dass es nur dann sinnvoll und effizient wäre, wenn man beispielsweise das Chippen von Hunden bundesweit durchführen könnte und vor allem die Erfassung der Daten nicht separat in Bregenz oder in Eisenstadt erfolgen würde, sondern bundesweit durchgeführt werden sollte. Ich würde Sie ersuchen: Bitte überlegen Sie und stimmen Sie unserem Antrag zu! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte.

19.59

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der gegenständlichen Materie, die hier abgehandelt wird, muss ich meinen beiden Vorrednerinnen, aber auch Kollegen Kostelka, von der sozialdemokratischen Fraktion schon einiges ins Stammbuch schreiben.


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Erstens: Dieser lange Weg der Bundesländer umfasst eigentlich nur mehr den Weg über zwei Bundesländer, nämlich über das Bundesland Salzburg und über das Bundesland Steiermark. In beiden Bundesländern sitzt die sozialdemokratische Fraktion mit führenden Regierungsmitgliedern einerseits im Wahlkampf, andererseits in der Regierung. Es wäre eigentlich an Ihnen, dort die Artikel-15a-Vereinbarung über die Heim- und Nutztiere endlich zu unterzeichnen, damit österreichweit die Meldepflicht für jene, denen es zum Beispiel nach den Salzburger Regelungen verboten ist, ein Tier zu halten, gültig wäre. Es sind das nicht nervenzerfetzend viele Menschen, aber es sind immerhin fünf. Diese würden dann österreichweit gemeldet werden, und alles wäre funktionsfähig. (Abg. Parfuss: Sind Sie nicht immer für die Bundeskompetenz?)

Es ist also der Weg der Durchsetzung der Artikel-15a-Vereinbarungen knapp vor dem Ziel, knapp vor der Ziellinie, aber ich würde Sie doch dringend bitten, Frau Kollegin Parfuss – Sie sind auch in der Steiermark im Wahlkampf unterwegs, Sie werden sicher Joachim Ressel und Ihre anderen Parteifreunde dort treffen –: Machen Sie doch Druck auf sie dahin gehend, dass sie endlich auch in der Steiermark die Artikel-15a-Vereinbarung bezüglich diesen Bereich unterzeichnen! (Abg. Parfuss: Welcher Gesinnungswandel ist da vorgegangen?)

Dann brauchen wir nur noch mit Kollegen Buchleitner und der Salzburger Landesregierung zu reden, dass auch dort eine entsprechende Haltung eingenommen wird. Dann sind alle Artikel-15a-Vereinbarungen in diesem Bereich getätigt. – So sieht der weite Weg der 15a-Vereinbarungen aus, wie er sich in der österreichischen Praxis tatsächlich darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zu dem, was wir heute hier verabschieden: Ich glaube, wir alle waren uns im Vorfeld der Einsparung sicher, dass wir keine ausufernden und nichts nutzenden Gesetze, die schlicht und einfach totes Recht sind, wollen. Wir haben dementsprechende Paragraphen im Strafgesetzbuch, angefangen bei den Verletzungen bis zur schweren Körperverletzung und zur vorsätzlichen schweren Körperverletzung. Dort wollen wir das, was im Zusammenhang mit Missbrauch bei der Haltung von Hunden und anderen Tieren geschieht, hineinschreiben.

Es sind im § 1320 ABGB die Haftungsregelungen enthalten, und auch die Regelung betreffend die Haltung von Tieren liegt in der Bundeskompetenz. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Dort wollen wir das, was im Zusammenhang mit Zwischenfällen mit Hunden, die in jüngster Zeit passiert sind, steht, verbessern. Es gibt in Österreich auf Grund streunender Hunde Tote und Verletzte im Straßenverkehr. Auch da sollten die diesbezüglichen Bestimmungen betreffend Reiter erweitert und andere Verkehrsteilnehmer in das entsprechende Gesetz aufgenommen werden.

Ich glaube, wenn die Zusammenführung der entsprechenden Legistik nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll und man sich auch die Mühe macht, das umzusetzen, dann sollten auch Sie, Frau Kollegin Parfuss, dem Beispiel der Kollegen der grünen Fraktion folgen und den eingeschlagenen Weg mittragen, das heißt also, dort einschreiten, wo eine Regelung fehlt und es in Bundeskompetenz liegt. Sie sollten daher nicht aus parteipolitischen Gründen das machen, was manche Ihrer SPD-Fraktionskollegen in den deutschen Bundesländern gemacht haben, nämlich einen Schnellschuss, der niemandem nutzt, der weder den Kindern noch den Verletzten hilft. Er nutzt auch in der Haftungsfrage niemanden und darüber hinaus schon gar nicht den Tierhaltern, die derzeit mit einem aufgeheizten emotionellen Klima konfrontiert sind. Wir wissen auch aus Berichten, dass einige Tiere von Menschen, die mit Tieren keine Freude haben, vergiftet worden sind, also zu Tode gekommen sind. Auch das möchte ich in dieser Debatte nicht unerwähnt lassen.

Ich glaube daher, Frau Kollegin Parfuss, man sollte in der gesamten Debatte Objektivität und Gelassenheit an den Tag legen. Man sollte Regelungen dort vorsehen, wo sie vonnöten sind und in Bundeskompetenz fallen. Die entsprechenden Bundesgesetze sind vorhanden, und eine Verbesserung der bestehenden Regelungen ist durchaus möglich.

Aber ich darf Sie auch an etwas erinnern, was mir im Ausschuss im Ohr geblieben ist: Mir hat ein hoher Polizeioffizier aus Wien auf die Frage von Kollegin Partik-Pablé, warum denn die Polizei und die Gendarmerie in dem Fall nicht tätig werden, mitgeteilt, dass der Herr Landeshaupt


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mann als Behörde intern quasi die Feststellung ausgegeben hat, dass in seiner Stadt Hundebesitzer nicht so schikaniert werden, und sich daher die Kontrollorgane im Regen stehen gelassen fühlen. Man wird vielleicht auch einmal an die Adresse des Herrn Landeshauptmanns und Bürgermeisters von Wien Häupl die Frage richten müssen, was denn jetzt richtig ist: seine Stellungnahmen im Fernsehen für die Verletzten oder seine internen Stellungnahmen, die Hundeführer in seiner Stadt nicht zu schikanieren. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Beides wird nicht gehen: sich einerseits um die Verletzten Sorgen zu machen und die Prävention hoch zu schreiben und andererseits seitens der Exekutive den unverbesserlichen Hundeführern nicht in entsprechender Form entgegentreten zu dürfen. Ich glaube, Sie sind gut beraten, auch in diesem Bereich parteiinterne Gespräche zu führen, um die Missstände, die es auch in Wien gibt, zu beseitigen.

Nunmehr zum Anlassfall: Die deutschen Behörden in Hamburg haben gewusst, dass der besagte Tierbesitzer den Verlässlichkeitskriterien nicht entspricht und unverlässlich ist und dass es davor schon mehrere Zwischenfälle gegeben hat. Trotzdem sind sie nicht tätig geworden, und nun ist es zu diesem bedauernswerten Todesfall gekommen. Ich glaube, wenn wir keine Rechtssituation schaffen, die tatsächlich umsetzbar und für alle akzeptabel und auch durchsetzbar ist, dann werden wir in diesem Bereich keine Verbesserung erzielen, sondern nur Verwaltung produzieren und sonst nichts.

Ich glaube daher, dass der Antrag der Regierungsparteien mit Unterstützung der Grünen der bessere Weg ist als jener des Kollegen Kostelka. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Huber: Wer hat eine Gehirnwäsche mit Ihnen gemacht?)

20.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte.

20.05

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Innenminister! Herr Justizminister! Herr Kollege Haupt! Ich habe eigentlich die massive Kritik der Kollegin Partik-Pablé, die 5 Minuten lang unseren Ausschuss besucht hat, gegen den Innenminister gerichtet empfunden, aber sie wird sich ja noch zu Wort melden und das dann näher erläutern.

Meine Damen und Herren! Ich möchte einige kritische Anmerkungen machen, aber auch etwas Perspektivisches und Versöhnliches sagen. Zuerst zum Negativen: Vor dem Sommer haben vier Fraktionen in diesem Parlament einen Auftrag an drei Ministerien erteilt, Gesetzentwürfe zur Problematik "gefährliche Hunde" auszuarbeiten. Wie schaut heute das Ergebnis aus, meine Damen und Herren? Wo sind diese Gesetzentwürfe? Was ist bei der Arbeit dieser drei Ministerien herausgekommen? – Es sei leider nicht gegangen, denn die Gesetzgebungskompetenz des Bundes habe gefehlt, wurde mir mitgeteilt.

Das, meine Damen und Herren, unterzeichnen Sektionsschefs? Das verantworten Minister? – Es ergeht also eine Mitteilung an das Parlament, dass die Lösung des Problems "gefährliche Hunde" scheitert, weil das Parlament keine Gesetzgebungskompetenz hat. Das ist grotesk! Die Fantasie reicht nicht aus für eine Drei-Zeilen-Passage in einem Bundesgesetz, einer Verfassungsbestimmung, um einen vernünftigen Weg einzuschlagen?

Wie schaut dieser Weg, den die angeblich so reformfreudige Bundesregierung weist, aus? Was macht der Nationalrat, meine Damen und Herren? – Na ja, er beschließt heute wieder einmal, auf die Bundesregierung einzuwirken, dass diese auf die Erlassung von Bestimmungen hinwirkt. – Was macht die Bundesregierung? – Sie sagt: Ja, wir werden hinwirken! Was macht die Bundesregierung dann noch? – Sie sagt, sie wird die Länder einladen, 15a-Verträge nach den Regeln des Völkerrechts abzuschließen. Was machen dann die Länder? – Die Länder werden ratifizieren, vielleicht auch nicht. Was machen die Länder noch? – Die Länder werden Gesetze beschließen, vielleicht auch nicht. Was machen die Länder noch? – Sie werden Verordnungen erlassen, vielleicht auch nicht. – Und angesichts dessen, meine Damen und Herren, soll das Ergebnis dann einheitlich sein? – Das Wort "einheitlich" ist bei den Beratungen zum Thema Chipen zum Beispiel immer wieder gefallen. Dieses Lippenbekenntnis hat sich wie ein roter Faden durch das Ganze durchgezogen.


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Meine Damen und Herren! Kennen Sie das Stille-Post-Spiel? – Bestimmt kennen Sie es. So kommt mir der heutige Beschluss der Mehrheit in diesem Haus vor. Es ist dies ein Stille-Post-Spiel mit "gefährlichen Hunden", und irgendein Ergebnis kommt am Ende heraus. Der Nationalrat flüstert der Bundesregierung irgendetwas zu, und zum Schluss kommen neun Verordnungen von neun Ländern heraus. – Meine Damen und Herren, das kann keinesfalls ein sinnvolles Ergebnis sein!

Was ist der Hintergrund dieses Vorgehens? – Es ist allgemein bekannt: Die ÖVP befürchtet Knurren und Bellen aus den Ländern und gesträubtes Fell von irgendwelchen Lobby-Gruppen. Es ist allen bekannt, dass das die Ursache des Scheiterns aller Organisationen, aller Leute, die sich da engagieren, sich Sorgen machen und Lösungen wünschen, ist.

Der Antrag der SPÖ, meine Damen und Herren, wäre eine Basis für eine Lösung, der aber zugegebenermaßen durchaus Verbesserungen vertragen würde. Elemente, die auf Rassen von Hunden abstellen, könnte man entfernen. Also an der konstruktiven Bereitschaft der SPÖ-Fraktion kann es nicht liegen.

Aber jetzt zum Positiven: Meine Damen und Herren! Am 6. Oktober wird nach Monaten der Terminsuche erstmals der Unterausschuss, der sich mit der Ausarbeitung von einheitlichen Bundestierschutzregelungen befasst, tagen. Das Positive ist, dass der erste Ausschusstermin stattfindet. In der verwandten Materie "gefährliche Hunde" war doch eine Tendenz erkennbar, nämlich das Suchen nach Einheitlichem. Es geht um eine einheitliche Kennzeichnungs- und Meldepflicht, um einheitliche Mindeststandards und um ein bundeseinheitliches Bewilligungsverfahren. Das heißt, das Wort "einheitlich" findet sich verstärkt und immer mehr in diesen Materien.

Daher besteht die Hoffnung, meine Damen und Herren, dass die ÖVP vielleicht doch ihre Bestemmhaltung, ihre Versteinerungspolitik in diesen Fragen aufgibt und den Weg frei macht für ein modernes Tierschutzrecht in Österreich, wie es seit Jahren die SPÖ-Fraktion fordert, wie es seit Jahren die FPÖ-Fraktion fordert und wie es seit Jahren die grüne Fraktion fordert.

Die SPÖ, meine Damen und Herren, ist zu konstruktiver Arbeit bereit. Ich lade alle Damen und Herren ein, mitzuwirken, und habe den Wunsch, Kollege Prinz, dass wir in einer Atmosphäre des konstruktiven Dialogs, der sachlichen Diskussion und des ehrlichen Bemühens an diese Aufgabe herangehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

20.09

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach einer anfänglich wirklich hysterischen Hundeverteufelungsdiskussion ist es Gott sei Dank letztendlich zu einer sachlichen Diskussion über Zucht, Haltungsbedingungen, Kennzeichnung, Ausbildung und Ähnliches gekommen. Ich bin sehr froh darüber, und es ist meiner Meinung nach besonders wichtig, dass es letztlich auch zu einer Diskussion über Verantwortung gekommen ist. Jemand, der ein Tier hält, hat nicht nur einen Spielgefährten, einen Freizeitbegleiter oder ein Statussymbol, sondern in erster Linie Verantwortung für dessen Leben und dessen Lebensbedingungen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich glaube daher, dass auch die Diskussion, die geführt wurde, gut war, und ich glaube, dass sie letztlich auch in die richtige Richtung gegangen ist, und ich bin eigentlich darüber auch sehr froh. (Abg. Huber: Sie ist noch in keine Richtung gegangen!) – Natürlich ist sie in eine Richtung gegangen.

Das Problem wird nicht allein durch ein Gesetz gelöst, und das ist etwas, was ich eigentlich der SPÖ ganz gerne ins Stammbuch schreiben möchte: Ich glaube, Frau Kollegin Parfuss, dass es einfach zu billig ist, vorzugaukeln, dass durch die Erlassung eines Bundesgesetzes alles in Ordnung wäre. Das trifft ganz einfach den Kern des Problems nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Huber. )


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36. Sitzung / Seite 180

Ich glaube auch, dass das Thema zu ernst und zu komplex ist, um es auf die schlichte Formel "Bundeskompetenz versus Landeskompetenz" zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.) Es gibt nämlich sehr viele Regelungen zu Fragen der Tierhaltung, und viele Regelungen – das hat die Diskussion gezeigt – werden einfach nicht vollzogen. Wir wären schon einen wesentlichen Schritt weiter, würden alle Gesetze und Verordnungen auch entsprechend vollzogen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Huber. ) – Sie waren im Unterausschuss nicht dabei. Alle Experten des Unterausschusses waren sich in dieser Sache einig.

Nun ganz kurz zu dem Vorwurf, die Österreichische Volkspartei würde die Schaffung einer Bundeskompetenz für diesen Bereich nur deshalb aufhalten, weil sie Lobby-Gruppen hinter sich hat. Dieses ist nicht der Fall! Aber selbstverständlich steht die Österreichische Volkspartei zur föderalen Struktur Österreichs und auch im Grunde zu den Kompetenzbestimmungen der Verfassung. Es hat sich nämlich der Verfassungsgesetzgeber damals durchaus auch dabei etwas gedacht, nämlich dass es einfach sinnvoller ist, manche Regelungen bundesgesetzlich zu regeln und manche durch das Land. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf Ihnen, wenn Sie das nicht glauben, einen Experten aus dem Büro des Stadtrates Fritz Svihalek, der bekanntlich Ihrer Partei angehört, zitieren, der meiner Meinung nach völlig zu Recht feststellt, dass sich die anonyme Großstadtstruktur letztlich nicht mit der Situation auf dem Land vergleichen lässt, wo aggressive Hunde den Nachbarn bekannt sind. Das allein ist schon ein Zeichen dafür, dass für Bund und Länder differente Regelungen notwendig sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich fordere Sie daher auf oder lade Sie ein, sich unserem durchaus sehr vernünftigen und auf Expertenmeinung basierenden Entschließungsantrag anzuschließen, und hoffe auf Ihre Zustimmung. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

20.13

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich lege ganz offenherzig zwei Geständnisse ab: Erstens: Ich fürchte mich vor Hunden, die man für gewöhnlich als gefährlich einstuft, also vor großen, die eine sehr große Beißkraft haben. Zweitens: Ich war lange Zeit der Ansicht, dass die beste Maßnahme gegen gefährliche Hunde wäre, dass man ganz einfach Rassen verbietet. Jetzt aber, nachdem wir im Ausschuss mit sehr vielen Experten geredet haben – ich selbst habe eine Enquete mit ebenfalls hochkarätigen Experten einberufen –, habe ich meine Meinung revidiert und mich davon überzeugen lassen, dass es der falsche Weg ist, Rassen zu verbieten.

Alle Experten waren sich einig in der Auffassung, dass es sinnlos und der falsche Weg wäre, würde man auf einzelne Rassen abstellen, würde man bestimmen, welche Rassen es in Österreich nicht mehr geben darf. Ich hätte mir eigentlich erwartet, dass auch die sozialdemokratischen Abgeordneten beziehungsweise die sozialdemokratische Fraktion aus den Stellungnahmen der Experten Erkenntnisse ziehen und dann die Meinung vertreten, dass es keinen Sinn hat, auf Rassen abzustellen. Aber in Ihrem Antrag fordern Sie ein Verbot von Rassen, und ich nehme an, dass dieser Entwurf, den Sie vorlegen, der Ausdruck Ihrer Fundamentalopposition ist, nämlich gegen all das zu sein, was die Regierung vorschlägt, um nur mit Ihren Vorschlägen durchzukommen.

Herr Kollege Kräuter hat gesagt, seit Jahren sind Sie dafür eingetreten, gegen gefährliche Hunde vorzugehen. Überhaupt nichts haben Sie in dieser Sache gemacht, als Sie in der Regierung waren! Erst jetzt wollen Sie die Regierung dazu bringen, ganz schnell eine Regelung zu schaffen, und behaupten, Sie hätten die Regierung zum Handeln gezwungen.

Weiters ist Ihrem Antrag auch deshalb nicht zuzustimmen, weil Sie ganz einfach bestimmte Randgruppen mit einer Punze der Unverlässlichkeit versehen. Das sind die Alkoholabhängigen, die Drogenabhängigen und behinderte Personen. Ich möchte mir nicht vorstellen, was Sie mit


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uns gemacht hätten, hätten wir mit einer derartigen Punze diese Randgruppen versehen. Menschenverachtend sei dies, wäre die geringste Beurteilung gewesen, die Sie uns vorgeworfen hätten. Sie aber wollen behinderten Personen offensichtlich nicht einmal das Recht geben, solche Hunde zu führen.

Weiters ist Ihr Entwurf auch deshalb nicht brauchbar, weil Sie ungeheuer viele unbestimmte Gesetzesbegriffe gebrauchen. Was ist "missbräuchliche Haltung"? Was ist "artfremde Haltung"? Was ist "unsachgemäße Haltung"? – Niemand kann sich etwas darunter vorstellen beziehungsweise stellt sich jeder irgendetwas anderes vor, all das kann man nicht nachvollziehen. Allein aus diesem Grunde können wir bei Ihrem Antrag nicht mitgehen.

Eines möchte ich auch noch sagen: Herr Kollege Kräuter hat mir vorgeworfen, ich hätte den Bundesminister für Inneres wegen der Nichtvollziehung der Gesetze angegriffen. Der Herr Innenminister ist leider nicht mehr da, ich hätte es ihm auch heute wieder gesagt. Es geht ganz einfach nicht, dass wir als Parlamentarier dieses Hilflosigkeitsbekenntnis der Exekutive hinnehmen, dass man den Leinenzwang nicht durchsetzen kann. Ich werde, weil der Herr Innenminister nicht da ist, auf andere geeignete Art und Weise mit ihm dieses Thema besprechen. Natürlich müssen in allererster Linie die bestehenden Gesetze vollzogen werden, bevor man neue schafft. Die Exekutive mit ihrer großen Angst vor Eskalationen muss sich eben etwas überlegen, wie man den Leinenzwang exekutiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass wir dann, wenn wir einmal durchsetzen, dass die bestehenden Gesetze vollzogen werden, schon einen großen Schritt weitergekommen sind. Bedauerlicherweise werden Sie heute unserem Antrag, wie ich voraussehe, nicht zustimmen. Aber bitte verstehen Sie auch, dass wir Ihrem Antrag auf Schaffung eines Bundesgesetzes nicht zustimmen können, weil auch die Verfassungsrechtler gemeint haben – Sie alle haben die Expertise bekommen –, dass es nicht möglich ist, diese Materie in Form eines Bundesgesetzes zu regeln. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen, denn wir alle müssen auf dem Boden der Verfassungsgesetzgebung stehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.18

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich melde mich deshalb ein zweites Mal zu Wort, weil ich die Ehre habe, den Vertreter dieser Tierschutzfrage, Herrn Dr. Kostelka, vis-à-vis zu haben. Er hatte sich nach seiner Wortmeldung der Debatte zur Gänze entzogen.

Herr Dr. Kostelka! Wir haben uns im Ausschuss eigentlich darauf geeinigt, dass wir versuchen, möglichst viel Konsens in dieser Materie zu erlangen, und haben das sachlich auch weitgehend geschafft.

Mir ist vor wenigen Tagen eine Zusendung zugegangen, auf der steht: Erst die Pensionisten, jetzt die Tierfreunde. Dr. Kostelka schreibt nach einer heroischen Einleitung an alle Tierschutzorganisationen im Land, dass nur mehr die Oppositionsparteien SPÖ und Grüne für ein Bundes-Tierschutzgesetz eintreten. Die FPÖ hat nämlich ihr früheres Versprechen, für eine Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes einzutreten, gebrochen.

Nehmen Sie zur Kenntnis – ich wiederhole das erneut –, dass das Endziel unserer Bemühungen ein Bundes-Tierschutzgesetz ist. Wir wollen versuchen, unseren Partner in der Koalition mit sachlichen Argumenten zu diesem Ziel zu führen. Es ist nicht richtig, was Sie als Meister der Anpetzerei und der Vernaderung, wie wir es heute bei einem anderen Tagesordnungspunkt schon erlebt haben, behaupten, nämlich diesen Weg zu gehen, und es ist unaufrichtig, dass Sie die Tierschutzorganisationen diesbezüglich falsch informieren. Wenn Sie nach wie vor Gemein


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samkeit und Konsens im Tierschutzbereich anstreben, dann unterlassen Sie solche Vernaderungen und Anpetzereien! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Grollitsch! Die Verwendung des Wortes "Vernaderung" ist nicht der Sprachgebrauch, den wir bei einer sachlichen Debatte wählen sollten. Ich bitte, das in Zukunft zu unterlassen!

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Da keiner der Berichterstatter das Schlusswort wünscht, gelangen wir sogleich zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 286 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen. (E 32.)

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 287 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit und damit angenommen.

6. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (111 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Rechtspraktikantengesetz geändert wird (288 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 210/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000 – UrhG-Nov 2000) (290 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (274 der Beilagen): Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Absatz 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Absatz 2 des Übereinkommens (292 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. (Abg. Dr. Kräuter: Zur Geschäftsordnung!)

Herr Abgeordneter Dr. Kräuter hat sich ... (Abg. Schieder: Er hat sich geirrt!) Er hat das zurückgezogen.

Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. Ich erteile es ihm hiemit.

20.22

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute hier drei Justizkapitel zu diskutieren.


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Ein kurzes Wort zum Rechtspraktikantengesetz: Die Kollegin Fekter als Vorsitzende des Justizausschusses ist leider nicht hier, daher nochmals meine Frage an Sie, Herr Bundesminister, ob § 22 Absatz 2 Ziffer 3 geändert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man nämlich dieser Diktion folgt, liegt eine Diskriminierung des Geschlechts dann vor, wenn ein Rechtspraktikant im Zusammenhang mit der Gerichtspraxis durch Dritte sexuell belästigt wird und der Vorsteher des Gerichtes es schuldhaft unterlässt, angemessene Abhilfe zu schaffen. Ich mache den Umkehrschluss: Wenn er Abhilfe schafft, liegt keine Diskriminierung vor. Herr Bundesminister, so kann es bitte nicht sein!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich nun der Änderung des Urheberrechtsgesetzes widmen. Diese Diskussion schließt sich an die Diskussion von heute Vormittag und heute Nachmittag nahtlos an. Es ist ein Zeichen der Politik dieser Bundesregierung, den einen Geld zu nehmen – gemeint sind in diesem Fall die Künstler –, andere zahlen zu lassen, nämlich die Studenten in Form von Studiengebühren, aber den Privilegierten, nämlich den Großbauern und den Industriellen in diesem Lande, Geld zu schenken.

Daher argumentieren wir sehr leicht in dieser Frage. Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir sehen nicht ein, dass § 16b des Urheberrechtsgesetzes ersatzlos gestrichen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier – Kollegin Fekter ist leider nicht hier – einen Brief des Herrn Honorarprofessors Dr. Michel Walter an Herrn Klubobmann Dr. Andreas Khol – er ist ebenfalls nicht hier –, datiert mit 14. September, in welchem sich dieser im Namen der Verwertungsgesellschaft bildender Künstler beklagt, dass Frau Dr. Maria Theresia Fekter bis heute noch keine Zeit für einen Gesprächstermin mit dieser Verwertungsgesellschaft gefunden hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt sind wir bei einem grundsätzlichen Problem: Dieser Initiativantrag ging nie in die Begutachtung – Punkt 1. Punkt 2: Die Einrichtungen, die damit befasst sind, wurden auch nie eingeladen, eine Stellungnahme abzugeben. Aber das ist nicht allein der Grund dafür, dass die sozialdemokratische Fraktion gegen diesen Initiativantrag stimmen wird. Der Grund liegt schlichtweg darin, dass es legistisch einfach wäre, das Problem, das auf Grund einer OGH-Entscheidung bekannt ist, zu lösen.

Ich bringe daher folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Maier und Genossen zum Bericht des Justizausschusses betreffend den Antrag 210/A der Abgeordneten Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2000 – UrhG-Nov 2000) – (290 der Beilagen)

Der Nationalrat möge beschließen:

1. Z 1 bis 3 entfallen.

2. Im § 16b ist die Wendung "zu Erwerbszwecken entgeltlich" durch die Wendung "gewerbsmäßig" zu ersetzen.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dieser legistischen Lösung würden wir den Künstlerinteressen entsprechen und andererseits nicht eine Entscheidung treffen, die sich im Grunde genommen gegen eine Pioniertat des österreichischen Gesetzgebers richtet, nämlich das Ausstellungsrecht. Ich darf erinnern: Das Folgerecht wurde, obwohl damals, 1996, dem Begutachtungsverfahren unterzogen, nicht beschlossen, das Ausstellungsrecht wurde beschlossen.


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Die heutige Entscheidung, die Sie mit einem Federstrich treffen werden, ist zum Nachteil der österreichischen bildenden Künstler. Wir werden Ihrer Meinung und Ihrer Entscheidung sicherlich nicht folgen, und ich darf Sie einladen, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

20.27

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Dem Rechtspraktikantengesetz werden wir selbstverständlich unsere Zustimmung geben. Mit diesem Gesetz schließen wir endlich eine Lücke im System, denn durch die geltende Rechtslage waren die Rechtspraktikanten dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz nicht unterstellt. Mit diesem Gesetz sind wir drauf und dran, diese Gleichstellung zu erreichen. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn das ein Vier-Parteien-Gesetz werden würde.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nun etwas ausführlicher der Urheberrechtsgesetz-Novelle zuwenden. Wir haben im Jahre 1996 eine Urheberrechtsgesetz-Novelle beschlossen, in der wir festgehalten haben, dass Künstler, und zwar bildende Künstler, die ihre Kunstwerke in Galerien oder Museen ausstellen, dafür ein Entgelt erhalten sollen. Dieses Entgelt ist von den Galerien und den Museen abzuführen. Wir wurden damals schon, zur Zeit dieser Gesetzwerdung, massiv von Künstlern wie Professor Rainer, von Galeristen wie Hilger oder von Frau Curtze dringend gebeten, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen. Schon damals haben sowohl Künstler als auch Galeristen befürchtet, dass durch diese Regelung eine Beeinträchtigung der Ausstellungstätigkeit für die bildenden Künstler entsteht.

Wir haben damals leider auf die Betroffenen nicht gehört, aber heute – festgeschrieben im Koalitionspakt 2000 – wird die Ausstellungsabgabe durch die heute zu beschließende Novelle ersatzlos gestrichen, und zwar aus vier Gründen: Erstens ist dieses Gesetz in dieser Form in Europa einzigartig, zweitens belasten wir damit Museen und Galerien, also Institutionen, die von Sponsoren und Subventionen leben, und drittens verhindern wir gerade bei lebenden modernen Künstlern Ausstellungstätigkeiten, weil diese Belastung ein Hemmnis für Galeristen darstellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Viertens hat der Oberste Gerichtshof dieses Gesetz dahin gehend interpretiert, dass auch bei Ausstellungen, bei welchen ein nachgeordneter Profit erzielt werden kann – das heißt Imagewerbung –, diese Abgabe zu leisten ist. Auch das wollten wir nicht. Daher sind wir gezwungen, dieses Gesetz zu ändern.

Meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion! Ich kann nicht verstehen, warum Sie diesem Gesetz Ihre Zustimmung verweigern. Sie wollen offensichtlich mit der Ablehnung dieses Gesetzes, dass junge Künstler behindert werden, dass ausstellungswillige Galeristen ebenfalls behindert werden, und Sie wollen durch die Ablehnung dieses Gesetzes, dass die Bürokratie, nämlich die Verwertungsgesellschaft bildender Künstler gestärkt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Abgaben, die an die Verwertungsgesellschaft geleistet werden, kommen nämlich den jungen Künstlern nicht zugute, die kommen ausschließlich dem Verwaltungsapparat der Verwertungsgesellschaften zugute. Daher, meine Damen und Herren, ersuche ich Sie, dies nochmals zu überdenken und im Zweifelsfall beim Kollegen Cap Informationen einzuholen, denn er hat damals als Kultursprecher dieses Problem sehr wohl erkannt. Ihr Kollege Maier aber scheint keinen Zugang zu Kunst und Kultur zu haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.


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20.32

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetz, das hier beschlossen werden wird, wird eine empfindliche Lücke geschlossen, nämlich die Lücke hinsichtlich der sexuellen Belästigung, in der sich Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten befinden. Sie sind keine öffentlich Bediensteten, sie sind aber auch keine Bediensteten der Privatwirtschaft, sondern sie befinden sich in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Das heißt, sie sitzen zwischen zwei Stühlen auf dem Boden, und da wollen wir Abhilfe schaffen.

Ich darf mich hinsichtlich der Diktion ein wenig mit meinem Vorredner Maier auseinander setzen. Es ist tatsächlich so, dass die Ziffern 1, 2, 3 des Absatzes 2 nicht ganz sinnvoll erscheinen – wir haben ja die Problematik im Ausschuss schon angerissen –, aber mittlerweile glaube ich schon, dass sie Sinn machen. Warum?

Es werden drei Tatbestände aufgezeigt: Der erste Tatbestand ist der, dass jemand durch einen Justizbediensteten sexuell belästigt wird. Der zweite ist der, dass jemand durch einen Dritten sexuell belästigt wird. Der dritte ist der, dass jemand belästigt wird und der Gerichtsvorsteher nichts dagegen macht.

Lesen Sie es einmal so! Es heißt da: "durch einen Justizbediensteten sexuell belästigt wird" – erster Tatbestand – "oder durch Dritte sexuell belästigt wird" – das ist der zweite Tatbestand –und "durch Dritte sexuell belästigt wird und der Vorsteher des Gerichtes es schuldhaft unterlässt, eine angemessene Abhilfe zu schaffen" – dritter Tatbestand –, und da ist dann der Täter der Gerichtsvorsteher. Ich glaube, so ist das zu verstehen. Würde man bei der dritten Passage die erste Wortgruppe weglassen, hinge der Gerichtsvorsteher mit seinem schuldhaften Verhalten in der Luft. Ich glaube, so ist es von den Legisten gemeint, und man sollte das wohl so beschließen. Die Freiheitlichen – und mit ihnen auch ich – werden jedenfalls dafür stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.33


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

20.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Prinzipiell sage ich ja zu diesem Bundesgesetz, weil diese Novellierung des Rechtspraktikantengesetzes ein Diskriminierungsverbot enthält, das ich selbstverständlich grundsätzlich begrüße, aber ich möchte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren – ich werde die kurze Redezeit, die ich habe, dafür verwenden –, darauf hinweisen, wie unsensibel man selbst bei solchen Dingen vorgeht, bei welchen es einen so eindeutigen Betroffenenkreis gibt.

Es gibt schon ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit, bei welchem die Bundesregierung – damals war es eine andere Zusammensetzung – ähnlich vorgegangen ist, nämlich beim SchulpraktikantInnengesetz. Da hat man, so wie jetzt auch beim Rechtspraktikantengesetz, bei der Formulierung des Gesetzes nicht Bedacht darauf genommen, dass diejenigen, die die Normunterworfenen – jetzt im positiven Sinn – sind, zu 95 Prozent Frauen sind, und zwar Opfer von sexueller Belästigung. Es heißt – lassen Sie mich Ihnen das vorlesen – in diesem Gesetz absurderweise: Wenn ein Rechtspraktikant – eine ausschließlich männliche Form! – durch einen Justizbediensteten sexuell belästigt wird ... – Es kann schon vorkommen, dass ein Justizbediensteter einen Rechtspraktikanten belästigt – das schließe ich nicht aus –, aber diese Form der sexuellen Belästigung ist jedenfalls in der Minderzahl.

Es ist einfach – und das sagen wir ja schon viele Jahre – eine schlechte Legistik, wenn man selbst bei einer so sensiblen Materie nicht imstande ist, das so zu formulieren, dass es zumindest geschlechtsneutral ist. Die in allen unseren Bundesgesetzen verwendete Formulierung: "Die in diesem Bundesgesetz verwendeten personenbezogenen Ausdrücke umfassen Männer und Frauen gleichermaßen" geht mir auf die Nerven. Aber nichtsdestotrotz werde ich diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

20.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Anna Huber. – Bitte.

20.36

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn nun mit diesem Rechtspraktikantengesetz endlich, wie von den Vertretern der beiden Regierungsparteien bereits erwähnt wurde, eine so genannte Lücke geschlossen wird, dann kann ich mich eigentlich nur relativ kurz darüber freuen. Es wurde nämlich im Ministerrat bereits ein so genanntes Objektivierungsgesetz beschlossen, das noch im Herbst in diesem Hohen Haus abgesegnet werden soll.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein Objektivierungsgesetz, das das bestehende Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – und die Rechtspraktikanten übernehmen wir jetzt mit ihren Rechten ja in dieses Bundes-Gleichbehandlungsgesetz – nicht nur aufweichen, sondern über weite Strecken außer Kraft setzen wird. Es ist ein unverständlicher Rückschritt auf Kosten von Frauen. Ich darf nur ein Beispiel nennen: In der Objektivierungskommission, der ja dann eine sehr entscheidende Rolle zum Beispiel bei künftigen Leiterfunktionsbestellungen zukommen wird, ist die Gleichbehandlungsbeauftragte des Bundes nicht einmal vertreten. Und das ist – ich möchte es einmal so ausdrücken – doch sehr seltsam.

Oder: Wenn zum Beispiel eine sehr qualifizierte Frau sich falsch bewertet oder beurteilt fühlt und nicht in den Dreier-Vorschlag aufgenommen wird, hat sie künftig keine Möglichkeit mehr, dagegen zu berufen.

Die Anführung solcher Beispiele ließe sich noch fortsetzen. Das alles ist für mich absolut unverständlich.

Wenn nun mit dem Rechtspraktikantengesetz endlich auch die Auszubildenden im öffentlichen Dienst gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung und gegen sexuelle Belästigungen geschützt werden, dann müssen wir schon eines im Auge haben, nämlich dass mit einem Objektivierungsgesetz, das sehr bald diesem Hohe Haus zugeleitet wird, die Keule der Aufweichung und der Außerkraftsetzung über dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz schwebt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

20.38

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entgegen der Auffassung des Kollegen Maier ist die Abschaffung der Ausstellungsvergütung, also die Abschaffung des § 16b des Urheberrechtsgesetzes, kunst- und kulturfreundlich und nicht kulturfeindlich.

Wenn hier eingewandt wurde, dass kein Begutachtungsverfahren stattgefunden hat, so ist dem Kollegen zu entgegnen, dass diese Frage schon seit Jahren sehr eingehend diskutiert wurde. Der von Dr. Michel Walter als Vertreter der Verwertungsgesellschaft bildender Künstler bemängelte "nicht stattgefundene" Termin hat ja schon vor Jahren stattgefunden. Wir wissen ja alle um die Problematik, nur habe ich im Gegensatz zu dir, Kollege Maier, das Gespräch mit Vertretern der Verwertungsgesellschaft geführt, also selbstverständlich mit Dr. Michel Walter auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch mit den Vertretern der betroffenen Museen. Da waren dabei der Vertreter des Jüdischen Museums, Dr. Frodl vom Oberen Belvedere, und da waren selbstverständlich auch Vertreter der anderen Museen.

All diese Personen haben überzeugend dargelegt, dass die Aufrechterhaltung der Ausstellungsvergütung kunstfeindlich ist, und zwar deshalb, weil Werke von zeitgenössischen Künstlern von der Ausstellungsvergütung belastet sind, wogegen dies bei den Werken jener Künstler, die schon 70 Jahre tot sind, nicht der Fall ist, weil diese Künstler beziehungsweise deren Erben nicht von der Ausstellungsvergütung betroffen sind.


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Das heißt, dass die Museumsdirektoren – und das haben sie sehr überzeugend dargelegt – bei Aufrechterhaltung der Ausstellungsvergütung auf Künstler umsteigen müssten, die schon länger als 70 Jahre tot sind. Das aber ist sicher nicht im Interesse der Kunst, das ist nicht im Interesse der von Ihnen angeblich so begünstigten zeitgenössischen Kunst, und das ist vor allen Dingen nicht im Interesse der zeitgenössischen Künstler, für die Sie vorgeben, sich einzusetzen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, der beste Beweis dafür, dass unsere Argumentation im Gegensatz zu Ihrer richtig ist, ist doch die Tatsache, dass nicht ein einziger bildender Künstler demonstriert hat beziehungsweise die Meinung vertreten hat, dass die Abschaffung kunstfeindlich wäre. Der Einzige, der für die Beibehaltung der Ausstellungsvergütung eingetreten ist, ist der zitierte Dr. Michel Walter, den ich als Kollegen durchaus schätze – er ist ein ganz großer Urheberrechtsexperte –, der aber, bitte, pro domo gesprochen hat, der in der Sache befangen ist. Er ist ja der Rechtsvertreter, der Syndikus der Verwertungsgesellschaft bildender Künstler, und die Verwertungsgesellschaft bildender Künstler hebt ja diese Ausstellungsvergütung ein. Das heißt, Dr. Michel Walter hat hier selbstverständlich in eigener Sache und nicht zugunsten der Künstler gesprochen.

Eines ist auch noch zu sagen: Wir hatten ja vor mehreren Jahren einen Gipfel – so wurde das damals genannt – der Kultur- und der Justizsprecher, damals unter Michalek. Josef Cap war dabei, und alle waren sich darin einig, dass die Ausstellungsvergütung nach § 16b Urheberrechtsgesetz nicht so interpretiert werden soll, dass beispielsweise die Bank Austria für ihre Ausstellungen eine Ausstellungsvergütung zu zahlen hat. Ich habe Ihnen damals prophezeit, dass der Oberste Gerichtshof wahrscheinlich, gestützt auf die Gesetzesbestimmung, zu einem anderen Ergebnis kommen wird. Diese Prophezeiung hat sich mittlerweile bestätigt: Der Oberste Gerichtshof hat der Klage der Verwertungsgesellschaft bildender Künstler stattgegeben. Was heißt oder was hieße das bei Aufrechterhaltung? – Dass selbstverständlich derartige Privatmuseen keinen Anreiz mehr hätten, Werke zeitgenössischer bildender Künstler auszustellen!

Das heißt mit anderen Worten, meine sehr geehrten Damen und Herren: Diese Bestimmung, die die Aufhebung der Ausstellungsvergütung vorsieht, ist im Sinne der Künstler. Vor allen Dingen, Kollege Maier, ist der Ausweichvorschlag, eine Änderung dahin gehend herbeizuführen, dass die Ausstellungsvergütung nur dann zuzusprechen ist, wenn Gewerbsmäßigkeit vorliegt, kein Ausweg, denn nenne mir doch bitte einen einzigen konkreten Fall in der Praxis, in dem diese Ausstellungsvergütung dann anwendbar wäre! (Abg. Mag. Maier: Privatstiftung Essl!) – Privatstiftung Essl: Wir wissen, dass Herr Essl ein großer Gönner der zeitgenössischen Kunst, ein Gönner der bildenden Kunst ist. Das hat aber doch nichts mit einer Gewerbsmäßigkeit zu tun, denn jedes Finanzamt würde von vornherein sagen, dass hier Liebhaberei vorliegt, weil ein derartiger Museumsbau – einige von Ihnen waren ja bei der Eröffnung oder auch später dort – sich natürlich nie rechnen kann! Eine Gewerbsmäßigkeit liegt also nicht vor. Du kannst mir tatsächlich keinen einzigen Fall nennen, in dem dieses Kriterium der Gewerbsmäßigkeit für die Einhebung der Ausstellungsvergütung zur Anwendung kommen würde.

Wir sind daher guten Mutes, weil wir davon überzeugt sind, dass wir diese unsinnige Ausstellungsvergütung zu Recht abschaffen. Sie behindert den Kunstmarkt. Gerade jetzt, wo auch ein Zeichen dafür gesetzt werden soll, dass Privatinitiativen verstärkt unter die Arme gegriffen werden soll, dass Anreize geschaffen werden sollen, dass Privatmuseen Werke moderner und zeitgenössischer Künstler ausstellen, würde eine Aufrechterhaltung der bisherigen Gesetzeslage diesen Bemühungen sicher zuwiderlaufen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

20.45

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! (Abg. Dr. Ofner: Die redet ununterbrochen!) Zu diesem Gesetz kann ich auch


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meine Zustimmung geben. Ich bin froh darüber, dass diese Lücke bei den Rechtspraktikanten und vor allen Dingen bei den Rechtspraktikantinnen geschlossen wird. Froh bin ich auch, dass dieses Gesetz einer Begutachtung zugeführt wurde. Ich muss hier aber schon auch einiges bemängeln.

So frage ich mich etwa, warum zum Beispiel in § 22 Abs. 2 Z 3 Rechtspraktikantengesetz nicht dem Vorschlag der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen im Bundesministerium für Justiz, laut deren Darstellung bei der jetzt im Rechtspraktikantengesetz verankerten Formulierung nur der Vorsteher des Gerichtes, nicht aber der Präsident genannt ist, Folge geleistet wurde. Wenn also ein Rechtspraktikant beim Gerichtshof erster Instanz sein Rechtspraktikum ableistet, dann bedarf es schon einer gewissen Interpretation, damit das auch subsumiert wird, wenn ich das so sagen darf.

Was von der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen in der Begutachtung noch bemängelt wurde, war auch eine Formulierung in § 22 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Rechtspraktikantengesetz, in welcher von Justizbediensteten als Täter die Rede ist. Da müsste laut Vorschlag der Arbeitsgruppe unbedingt eine Klarstellung dahin gehend erfolgen, dass damit auch Richter und Richterinnen gemeint sind. Man fürchtet hier also, dass genau dieser Stand, der Richterstand, nicht mit einbezogen ist. Das ist ein kleiner Wermutstropfen bei diesem Gesetz. Sonst bin ich froh, dass wir diese Lücke jetzt schließen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. – Bitte.

20.47

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Sozialdemokratie versteht sich gerne als Hüterin der Kunst. Dass es mit dem Engagement für zeitgenössische Kunst, für Gegenwartskunst lebender Künstler nicht weit her ist, das hat mir die letzte Sitzung des Justizausschusses gezeigt, und das zeigt mir vor allem die damalige und die heutige Wortmeldung Ihres Kollegen Jacky Maier.

1996 wurde § 16b Urheberrechtsgesetz mit der Bestimmung der Ausstellungsvergütung eingeführt. Diese Ausstellungsvergütung hat sich für die zeitgenössischen bildenden Künstler als kontraproduktiv erwiesen.

Das Regierungsprogramm trägt dem Rechnung und sieht die Aufhebung dieses § 16b Urheberrechtsgesetz vor. Aus Gesprächen mit bildenden Künstlern weiß ich, dass auch die Künstler dies als dringend notwendig ansehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was brauchen Künstler? – Künstler brauchen die Aufmerksamkeit des Publikums. Künstler brauchen die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Gerade junge zeitgenössische Künstler brauchen Beachtung: Sie brauchen Beachtung ihrer Werke und die darauf folgende Diskussion über ihre Werke.

Werte Herrschaften von der Sozialdemokratie! Dass Sie sich gegen die Künstler stellen, betrachte ich als Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Jawohl!)

§ 16b bewährt sich für Künstler nicht, sondern lediglich, wie schon angesprochen, für die Verwertungsgesellschaften.

Die sozialdemokratische Künstlerförderung hat versagt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Wie ich aus Gesprächen mit Künstlern weiß, sehen das auch die Künstler sehr klar. Wenn wir eine Vielzahl von Künstlern, ein breites Spektrum an Kunst tatsächlich fördern wollen, dann müssen wir die Rahmenbedingungen entsprechend ändern.


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Das vorhandene ineffiziente Fördersystem trägt ganz klar sozialistische Handschrift. Das Fördersystem gehört durchforstet, und da müssen wir bei den Kuratorien ansetzen. Es ist wichtig, zeitgenössische Kunst zu fördern. Es ist wichtig, zeitgenössische Kunst richtig zu fördern!

Zusätzlich zu den materiellen Förderungen brauchen wir immaterielle Förderungen. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die den Zugang erleichtern.

Ich halte es für unabdingbar notwendig, an öffentlichen Orten, bei öffentlichen Feierstunden verstärkt zeitgenössische Kunst zu präsentieren. Auch im Kindergarten, auch in der Schule müssen Grundwerte, muss ein Grundverständnis für Kunst vermittelt werden.

Die Herausforderungen der Zukunft liegen für mich darin, das Grundverständnis zu erwecken, Investitionen in Kunst durch die öffentliche Hand zu fördern, verstärkte immaterielle Förderungen vorzusehen und vor allem Steuererleichterungen für alle Kunstsponsoren zu schaffen.

Das Subventionssystem sozialistischer Prägung hat versagt. Die Bildungspolitik und die Kunstpolitik der Zukunft müssen die Versäumnisse der sozialdemokratischen Politik berücksichtigen und wettmachen.

Zurück zum § 16b Urheberrechtsgesetz: Ich appelliere an die Einsicht der Sozialdemokratie! Ich appelliere an Sie, den Antrag Dr. Fekter, Dr. Krüger im Interesse der Künstler mitzutragen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.51


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36. Sitzung / Seite 190

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

20.52

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Zu den kritischen Anmerkungen über die Legistik möchte ich Folgendes sagen: Es ist richtig, dass in § 22 Abs. 1 das Wort "Rechtspraktikant" verwendet wird. Es wird aber dem § 1 ein Abs. 3 angefügt, aus dem hervorgeht, dass darunter Frauen und Männer gleichermaßen zu verstehen sind. Damit ist, glaube ich, diese Sache geklärt. Wenn Sie einen besseren legistischen Vorschlag haben, Frau Abgeordnete Stoisits, dann werden wir dem nachgehen. (Abg. Mag. Stoisits: Ja, habe ich! Er heißt: "Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten"!) Ja. (Abg. Haigermoser: Aber die Mehrzahl heißt "Rechtspraktikanten"!)

In § 22 Abs. 2 Z 1 haben Sie reklamiert, dass dort das Wort "Justizbediensteten" steht. Wenn Sie sich die Erläuternden Bemerkungen ansehen, dann werden Sie feststellen, dass darunter auch Richterinnen, Richter und RichteramtsanwärterInnen und so weiter zu verstehen sind. Das ist klar.

Was § 22 Abs. 2 Z 3 anlangt, so findet sich dort die Wortfolge "Vorsteher des Gerichtes", und darunter ist nach der Terminologie des Gesetzes auch der Präsident des Landesgerichtes zu verstehen. Damit ist, glaube ich, in legistischer Hinsicht alles geklärt. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei den Freiheitlichen: Ja!)

20.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich als nächste Rednerin Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

20.53

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Bundesminister, Sie haben die Frage aufgeworfen, ob es einen besseren Vorschlag gäbe, als nur die männlichen Formen zu verwenden. – Ja, es gibt einen besseren Vorschlag: Verwenden Sie die weiblichen Formen und die männlichen Formen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Prammer: Oder vielleicht nur die weiblichen!)

20.54

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Da der Berichterstatter kein Schlusswort wünscht, gelangen wir sogleich zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 111 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle ebenfalls die Einstimmigkeit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 290 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Mag. Maier und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über diesen Abänderungsantrag und sodann über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Maier und Genossen sieht einen Entfall der Ziffern 1 bis 3 sowie eine Änderung des § 16b vor.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Ich lasse nun über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 274 der Beilagen: Erklärung der Republik Österreich nach Artikel 25 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, betreffend die Erneuerung des Vorbehalts nach Artikel 10 Abs. 2 des Übereinkommens die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Dieser Antrag ist damit angenommen.

9. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 209/A der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (289 der Beilagen)


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10. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (64 der Beilagen): Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen (291 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich ersuche, die Debatte zu eröffnen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

20.57

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Bundesminister! Ein paar kurze Bemerkungen zum vorliegenden Gesetzentwurf: Wir lehnen ihn ab, und zwar deshalb, weil diesem Entwurf kein echtes Änderungsbedürfnis, sondern offensichtlich allein das Bestreben nach der Umsetzung dessen, was ursprünglich bei der Präsentation des Justizprogramms der Regierung als Khol-Fekter-Kurs bezeichnet worden ist, zugrunde liegt. Ich möchte betonen, dass Justizminister Böhmdorfer in dieser Angelegenheit, wie mir schien, zunächst einen anderen Standpunkt bezogen hatte. Bei der Präsentation dieses Fekter-Khol-Justizprogramms war von Seiten der Kommentatoren die Rede von einer Rückkehr zum alten germanischen Rachedenken, von einer Signalgesetzgebung und davon, dass dieser Entwurf eines Justizprogramms eigentlich den Namen nicht verdient.

Wenn man sich das heutige Gesetzesvorhaben ansieht, so geht es im Grunde genommen darum, eine an sich ohnedies klare Regelung nunmehr noch mit dem Satz "Erforderlichenfalls ist auch Anzeige zu erstatten" auszustatten. Es geht im Grunde genommen darum, dass Sie jenen Personen, die mit dieser Materie arbeiten – das sind in erster Linie Psychologen und Therapeuten –, grundsätzlich, so wie Sie das in letzter Zeit auch immer wieder bei Richtern tun, Misstrauen aussprechen und meinen, dass diese im Umgang mit Kindern und Jugendlichen nicht die entsprechende Verantwortung aufweisen würden. Man müsse sie daher darauf hinweisen – in der letzten Ausschusssitzung war eigentlich nur mehr von "darauf aufmerksam machen, dass sie so etwas wissen müssten", die Rede, was ja an sich schon grotesk ist –, dass sie die Möglichkeit der Erstattung einer Anzeige haben.

Wenn dieser Entwurf oder dieses Vorhaben auch nur einigermaßen intellektuell argumentiert werden kann, dann bin ich diskussionsbereit. Ich habe bis jetzt allerdings noch kein einziges Argument gehört, das über das, worum es hier tatsächlich geht – nämlich um eine rein emotional angelegte Kampagne, mit der gezeigt werden soll: Wir müssen unsere Jugend schützen, weil ja offenbar irgendjemand anderer gegen diese Jugend auftreten würde!, was ja grotesk ist! –, hinausgehen würde. Das ist daher eine Emotionalisierung, die wir ablehnen. Es geht hier, wie ich bereits gesagt habe und wie auch aus Zitaten einiger Professoren hervorgeht, um ein Rachedenken, das diesen Khol-Fekter-Kurs ursprünglich gekennzeichnet hat und das auch im Zusammenhang mit diesem Entwurf noch als ein solches zu bezeichnen ist. Dass Minister Böhmdorfer und die FPÖ dann hier mit eingestimmt haben, ist bedauerlich. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich darf bei dieser Gelegenheit allerdings noch ein Weiteres einbringen: Es wäre höchst an der Zeit, dass wir uns mit Fristen auseinander setzen, und zwar deshalb, weil der Verfassungsgerichtshof bei einem Urteil in Salzburg, bei dem das Verfahren, glaube ich, zehn Jahre lang gedauert hat – das Urteil war also einige Meter dick –, festgestellt hat, dass hier die übliche Berufungsfrist von vier Wochen ganz einfach zu kurz ist und daher künftig bei besonders schwierigen Materien eine längere Berufungsfrist möglich sein soll.

Die Anwaltskammer hat dieses Bedürfnis aufgegriffen und hat einen durchkonstruierten Entwurf einer Änderung der StPO-Fristen erstellt – es waren dies die Kollegen Soyer, Lewisch und Zitta.


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Dieser Entwurf liegt vor und wurde auch im Ausschuss eingebracht, mit dem Ersuchen – zumal es weder die SPÖ noch die FPÖ war, sondern die Anwaltskammer –, dem beizutreten, weil es hier einfach um eine notwendige Weiterentwicklung und eine Verbesserung des Rechtsstatus geht. Bedauerlicherweise wurde dem nicht zugestimmt mit dem Hinweis, man könnte es bei irgendeinem nächsten Vorhaben – das wäre also die StPO-Novelle, die Vorverfahrens-Novelle, die im März 2001 präsentiert werden soll – mitbehandeln.

Ich hoffe, dass die Novelle bis dahin fertig ist, nur: Wir alle wissen, dass es, zumal das ja schon seit Jahrzehnten mehr oder weniger ein Vorhaben ist, nicht unbedingt so sein muss, dass das auch im März fertig ist. Wir denken daher, dass es sinnvoll wäre, diese Fristenregelung jedenfalls vorher zu beschließen – wenn sie heute, wie ja zu erwarten ist, niedergestimmt wird, dann eben in angemessener Zeit danach – und sie nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, sie aber vor allem auch nicht von anderen Materien, von denen derzeit wirklich nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, wann sie tatsächlich auf der Tagesordnung stehen werden, abhängig zu machen.

Wir hoffen, wie gesagt, alle, dass es sich mit März ausgeht; ich weiß nur aus persönlicher Erfahrung, dass es gerade in dieser Materie nicht so leicht ist, die Fristen wirklich alle einzuhalten.

Es geht im Wesentlichen darum, dass die 14-Tage- auf Vier-Wochen-Fristen verlängert werden und dass ferner bei besonders umfangreichen Urteilen eine Koppelung der Berufungsfrist beziehungsweise der Ausfertigungsfrist für die Berufung an die Dauer – sprich, die Anzahl der Tage – der Verhandlung erfolgen soll. Angemeldet werden sollen das Rechtsmittel und auch die längere Berufungsfrist gleich zu Beginn, sodass diesbezüglich mit keiner weiteren Verschleppung zu rechnen wäre.

Bezüglich der weiteren Details darf ich auf den Abänderungsantrag Jarolim, Stoisits, der Ihnen vorliegt, verweisen und Sie in diesem Sinne ersuchen, sich vielleicht noch einmal zu überlegen, ob man dieser Materie nicht doch zustimmen könnte.

Das wäre es eigentlich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Stoisits. )

21.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

21.03

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte jetzt nicht auf die Ausführungen des Kollegen Jarolim antworten, denn im Hinblick auf die Thematik der Anzeigepflicht bei Missbrauchsdelikten wird Kollege Miedl sich dann eingehend mit der Novelle befassen. Ich möchte mich zu jenem Teil der Strafprozessordnungs-Novelle äußern, der sich mit der Kontenöffnung befasst, weil hier doch eine sehr wichtige Maßnahme beschlossen oder, besser gesagt, präzisiert wird.

Unbestritten ist, dass es im Zusammenhang mit gerichtlich eingeleiteten Strafverfahren zu einer Durchbrechung des Bankgeheimnisses kommen soll. Ich halte es aber für dringend notwendig – und die Begutachtung hat auch gezeigt, dass es diesbezüglich nur positive Stellungnahmen gab –, dass wir mit dieser Novelle präzisieren, unter welchen Voraussetzungen Konten geöffnet werden können und wie das Prozedere stattfinden soll. Dabei wollen wir eine Bankkontoöffnung ähnlich regeln wie eine Hausdurchsuchung, nämlich insofern, als sie nur auf Grund eines richterlichen Beschlusses möglich sein soll, der sich auf vorliegende Tatsachen stützen muss, die darlegen, dass ein bestimmtes Konto beziehungsweise eine Kontobewegung innerhalb eines ganz bestimmten Zeitraums in unmittelbarem Zusammenhang mit einem eingeleiteten Strafverfahren steht.

Der Verdacht, dass das betreffende Konto und die Straftat in einem Zusammenhang stehen, muss sich auf Tatsachen gründen, und diese Tatsachen müssen in dem Beschluss auch dargelegt sein. Und in seiner Begründung muss klargelegt sein, wie der Zusammenhang sich aus den Tatsachen ergibt. Reine Vermutungen – etwa nach dem Motto: man könnte hier vielleicht etwas


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finden; machen wir daher einmal alle Konten auf – sind nicht ausreichend. Für mich ist das aus rechtsstaatlicher Sicht insofern erfreulich, als damit eindeutig klargestellt wird, dass auch bei Kontoöffnung der Erkundungsbeweis selbstverständlich unzulässig ist.

Was den von Herr Kollegen Jarolim angesprochenen Abänderungsantrag bezüglich einer Gesamtreform der Strafprozessordnung und der darin enthaltenen Fristen betrifft, so möchte ich unsere Ablehnung, die wir ja schon im Ausschuss kundgetan haben, noch einmal damit rechtfertigen, dass über ein so großes Reformwerk inhaltlich keine Begutachtung stattgefunden hat, weil dieser Abänderungsantrag ja erst im Ausschuss von der Opposition vorgelegt worden ist, und dass wir einen derartigen Schnellschuss über solch ein großes Reformwerk nicht goutieren. Es ist im Justizausschuss auch nicht üblich, in dieser Weise vorzugehen.

Inhaltlich ist der Vorschlag – Kollege Jarolim hat es ja erwähnt – von Experten der Rechtsanwaltskammer ausgearbeitet worden, und er ist auch bereits publiziert worden. Wir werden diesen guten Vorschlag selbstverständlich in die nächste große Strafprozessordnungs-Novelle einarbeiten und dabei auch einer Begutachtung unterziehen. Ich hoffe, dass die Opposition dieser großen Novelle im Frühjahr 2001 dann ihre Zustimmung geben wird.

Zum Abkommen mit Kuba, das wir ja hier auch in einem debattieren, wird sich mein Kollege Dr. Trinkl noch eingehend äußern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Ofner. )

21.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass der von Herrn Abgeordnetem Dr. Jarolim in seinen Kernpunkten erläuterte Antrag Jarolim, Stoisits, Freunde und Freundinnen schriftlich überreicht wurde, genügend unterstützt ist und mit in Verhandlung steht. Der Antrag wird im Hinblick auf seinen Umfang vervielfältigt und schriftlich verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Terezija Stoisits, Freunde und Freundinnen betreffend Strafprozessnovelle 2000

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Initiativantrag der AbgNR Fekter, Ofner und Genossen, Antrag 209/A, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, BGBl 631/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 191/1999, geändert wird, wird wie folgt abgeändert:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Initiativantrag der AbgNR Fekter, Ofner und Genossen, Antrag 209/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, BGBl 631/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl.I 191/1999, geändert wird, wird wie folgt abgeändert:

Artikel I

1. Ziffer 1 lautet wie folgt und die bisherige Z 1 wird zur Z 1a:

1. In § 15 wird der erste Satz zu Abs. 1; der 2. Satz wie folgt abgeändert und zu Abs. 2:

"(2) Sie haben ferner die Aufsicht über die Wirksamkeit der Strafgerichte ihres Sprengels zu führen und über Beschwerden gegen sie zu entscheiden. Soweit nicht der Rechtszug ausdrücklich untersagt oder anders geordnet ist, steht den Beteiligten gegen Entscheidungen des Vorsitzenden und des Einzelrichters eines Gerichtshofes erster Instanz, die außerhalb der Hauptverhandlung gefasst werden, das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz binnen vierzehn Tagen zu."


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2. Nach Ziffer 1a werden folgende Ziffern 1b bis 1e eingefügt:

1b. In § 48 Abs. 1 Z 2 erster Satz und Z 3 werden die Wortfolgen "binnen vierzehn Tagen" jeweils durch die Wortfolgen "binnen vier Wochen" ersetzt.

1c. In § 48 Abs. 1 Z 2 entfällt der letzte Satz.

1d. § 48a wird zu Abs. (1), und folgender Abs. 2 angefügt:

"(2) Für die Zeit zwischen dem Verlangen (Überreichung oder Postaufgabe) und der Zustellung der Mitteilung sind die Fristen nach § 48 Abs. 1 Z 2 und 3 gehemmt."

1e. An § 77 Abs. 2 wird folgender Abs. 3 angefügt:

"(3) Allen Parteien ist unverzüglich nach Erstellung der Ausfertigung des Urteils, auch des Urteils in gekürzter Form, eine Urteilsabschrift zuzustellen."

Nach Z 2 wird folgende Z 2a eingefügt:

2a § 112 Abs. 1 bis 3 werden wie folgt abgeändert, der bisherige Abs. 3 wird zu Abs. 4:

"(1) Nach Schließung der Voruntersuchung hat der Untersuchungsrichter die Akten dem Staatsanwalt zu übermitteln. Der Staatsanwalt ist verpflichtet, nach Empfang der Akten entweder die Anklageschrift beim Untersuchungsrichter einzubringen oder ihm die Akten mit der Erklärung zurückzustellen, dass er keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung finde. Für die Einbringung der Anklage steht dem Staatsanwalt eine Frist von vier Wochen offen, die der Untersuchungsrichter über Antrag des Staatsanwalts oder von Amts wegen nach Anhörung des Beschuldigten in schwierigen oder umfangreichen Fällen durch Beschluss bis zu drei Monaten verlängern kann, in außergewöhnlich schwierigen oder außergewöhnlich umfangreichen oder komplexen Strafsachen sogar bis zu sechs Monaten, in allen Fällen aber nur insoweit, als dadurch nicht wichtige Interessen des Beschuldigten oder grundrechtliche Vorschriften oder sonst Grundsätze eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens verletzt werden. Die Nichteinhaltung der jeweils geltenden Frist kommt dem Rücktritt von der Anklage gleich (§ 109).

(2) Der Privatankläger ist vom Abschluss der Voruntersuchung mit der Aufforderung zur Einbringung der Anklageschrift in Kenntnis zu setzen. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Abs. 1.

(3) Gegen den Beschluss, mit dem eine Fristverlängerung verweigert oder nach Auffassung des Anklägers unzureichend gewährt wird, steht ihm die binnen drei Tagen einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen; sie hat aufschiebende Wirkung. Den anderen Parteien steht gegen den Verlängerungsbeschluss keine Beschwerde zu. Der Gerichtshof zweiter Instanz muss ihnen jedoch vor seiner Entscheidung über die Beschwerde eine Stellungnahme zu ihr mit einer Frist von drei Tagen ermöglichen."

3. Die Ziffern 5 bis 13 werden wie folgt abgeändert und um die Ziffern 14 bis 26 ergänzt:

5. § 209 Abs. 2 und 4 werden wie folgt abgeändert:

"(2) Zur Erhebung des Einspruches steht dem Verhafteten eine Frist von vier Wochen offen, die im letzten Fall vom Zeitpunkt seiner Einlieferung zu laufen beginnt. Die Frist kann bis zu drei Monaten verlängert werden. Über die Fristverlängerung entscheidet der Untersuchungsrichter. Für die Verlängerung gelten die Bestimmungen des § 285 Abs. 3 bis 7 sinngemäß, soweit hier nichts Abweichendes bestimmt ist. Den Einspruch kann der Verhaftete beim Untersuchungsrichter zu Protokoll oder schriftlich anbringen."

"(4) Bleibt der Beschuldigte auf freiem Fuße, so ist ihm die Anklageschrift mit der Belehrung zuzustellen, dass er den Einspruch dagegen binnen vier Wochen beim Untersuchungsrichter mündlich oder schriftlich erheben, dass und unter welchen Voraussetzungen er die Verlängerung der Frist für den Einspruch beantragen könne und dass er für die Hauptverhandlung eines Verteidigers bedürfe."


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6. § 218 wird aufgehoben.

7. Im § 221 Abs. 1 wird die Wortfolge "von wenigstens drei Tagen" durch die Wortfolge "von wenigstens acht Tagen" ersetzt.

8. § 270 Abs. 1 wird wie folgt abgeändert:

"(1) Jedes Urteil muss binnen zwei Monaten vom Tage der Verkündung, wenn jedoch an mehr als zehn Tagen verhandelt worden ist, binnen drei Monaten vom Tage der Verkündung schriftlich ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie vom Schriftführer unterschrieben werden."

9. In § 281a entfallen in der Klammer die Worte "und 218".

10. In § 284 entfällt der Abs. 4.

11. In § 285 Abs. 1 entfallen im ersten Satz die beiden Wortfolgen "binnen vier Wochen"; der letzte Satz wird wie folgt abgeändert:

"Hat er eine Beschwerdeschrift innerhalb der ihm dafür offenstehenden Frist überreicht, so ist diese seinem Gegner mit dem Bedeuten mitzuteilen, dass er dazu eine Gegenausführung erstatten kann, verbunden mit der Belehrung über die dafür geltende Frist."

12. In § 285 wird der bisherige Abs. 2 zum Abs. 8; dem Abs. 1 werden die folgenden Absätze angefügt:

"(2) Die Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und für die Gegenausführung beträgt je vier Wochen, wenn jedoch insgesamt an mehr als fünf Tagen verhandelt worden ist, zwei Monate, und wenn insgesamt an mehr als zehn Tagen verhandelt worden ist, drei Monate.

(3) Die Fristen für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde sind über Antrag oder von Amts wegen bis zu höchstens sechs Monaten zu verlängern, wenn dies Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder sonst durch das Wesen eines die Strafverfolgung und die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist, rechtfertigen. Die Entscheidung obliegt dem Vorsitzenden des Schöffensenates.

(4) Der Antrag auf Fristverlängerung ist spätestens bei Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde zu stellen. Ergeben sich aber die Gründe, die eine Verlängerung der Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne des Abs. 3 rechtfertigen, insbesondere auch aus Umständen, die erst nach Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde eintreten, so ist der Antrag auf Fristverlängerung bis zum Ende der Rechtsmittelfrist zulässig.

(5) Zum Antrag auf Fristverlängerung wie auch dann, wenn der Vorsitzende des Schöffensenates eine Verlängerung von Amts wegen erwägt, ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme binnen dreitägiger Frist zu geben.

(6) Gegen den Beschluss, mit dem eine Fristverlängerung verweigert oder nach Auffassung der betroffenen Partei unzureichend gewährt wird, steht ihr die binnen drei Tagen einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz offen. Den anderen Parteien steht gegen den Verlängerungsbeschluss keine Beschwerde zu. Der Gerichtshof zweiter Instanz muss ihnen jedoch vor seiner Entscheidung über die Beschwerde eine Stellungnahme zu ihr mit einer Frist von drei Tagen ermöglichen.

(7) Der Beginn und der Fortlauf der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde sind für die Zeit ab Antragstellung, bei einer Entscheidung von Amts wegen ab Zustellung des Beschlusses, bis zur Rechtskraft des Beschlusses oder einem vorangegangenen Rechtsmittelverzicht gehemmt. In den Fällen des Abs. 4 zweiter Satz kommt es zur Hemmung, wenn der Antragsteller bereits mit dem Antrag das Vorliegen der erst nach Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde eingetretenen Umstände bescheinigt."


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13. In § 294 Abs. 2 letzter Satz wird die Wortfolge "binnen vierzehn Tagen" durch die Wortfolge "binnen vier Wochen" ersetzt.

14. In § 352 Abs. 2 zweiter Satz wird die Wortfolge "binnen vierzehn Tagen" durch die Wortfolge "binnen vier Wochen" ersetzt.

15. In § 357 Abs. 3 zweiter Satz wird die Wortfolge "binnen vierzehn Tagen" durch die Wortfolge "binnen vier Wochen" ersetzt.

16. In § 395 Abs. 1 wird der zweite Satz wie folgt abgeändert:

"Vor der Bemessung der Gebühren ist dem Gegner des Antragstellers Gelegenheit zur Äußerung binnen einer Frist zu geben, die mindestens zwei Wochen betragen muss."

17. In § 427 Abs. 3 erster Satz wird die Wortfolge "innerhalb von vierzehn Tagen" durch die Wortfolge "innerhalb von vier Wochen" ersetzt.

18. In § 445a Abs. 1 wird zwischen dem ersten Satz und dem zweiten Satz der nachstehende Satz eingefügt:

"Die Frist für die Stellungnahme muss mit mindestens vierzehn Tagen bestimmt werden."

19. In § 455 Abs. 1 wird die Wortfolge "von wenigstens drei Tagen" durch die Wortfolge "von wenigstens acht Tagen" ersetzt.

20. In § 466 entfällt der Abs. 7.

21. § 467 Abs. 3 wird wie folgt abgeändert:

"Die zugunsten des Angeklagten ergriffene Berufung wegen Nichtigkeit ist auch als Berufung gegen die Aussprüche über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche zu betrachten, die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld auch als Berufung gegen den Strafausspruch und den Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche, soweit in diesen Fällen der Angeklagte durch den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche beschwert ist."

22. In § 467 Abs. 5 zweiter Satz wird die Wortfolge "binnen vierzehn Tagen" durch die Wortfolge "binnen vier Wochen" ersetzt.

23. In § 471 Abs. 3 wird die Wortfolge "wenigstens drei Tage" durch die Wortfolge "wenigstens acht Tage" ersetzt.

24. In § 478 Abs. 1 wird die Wortfolge "binnen vierzehn Tagen" durch die Wortfolge "binnen vier Wochen" ersetzt.

25. In § 480 dritter Satz wird die Wortfolge "binnen vierzehn Tagen" durch die Wortfolge "binnen vier Wochen" ersetzt.

26. In § 489 Abs. 1 wird der zweite Satz wie folgt abgeändert:

"Für das Verfahren gelten dem Sinne nach die Vorschriften der §§ 464 bis 477 und 479 mit Ausnahme des zweiten Satzes im § 468 Abs. 2, hinsichtlich des § 467 Abs. 1 jedoch mit der Abweichung, dass für die Frist zur Ausführung der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruches über die Schuld § 285 dem Sinne nach gilt."

Erläuterungen

Vorbemerkungen :

1. Der VfGH hat mit Erk 16.3.2000, G 151, 166 und 168/99, die beiden Wortfolgen "binnen vier Wochen" in § 285 Abs. 1 erster Satz StPO 1975 als verfassungswidrig aufgehoben. Durch die


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aufgehobenen Wortfolgen war die Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde gesetzlich bestimmt worden, ohne dass die StPO eine Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen hätte. Der VfGH hat insbesondere ausgeführt: "Der im vorliegenden Zusammenhang einschlägige Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK iVm Art. 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK garantiert jedem Angeklagten mindestens das Recht, über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen. Art. 2 des 7. Zusatzprotokolls (BGBl. Nr. 628/1988) normiert das Recht, das Urteil entsprechend dem Gesetz durch eine höhere Instanz nachprüfen zu lassen. Nach unbestrittener Lehre und Rechtsprechung der Straßburger Instanzen gelten die Garantien des Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK auch für den Instanzenzug. Die in Art. 6 Abs. 3 EMRK formulierten Verfahrensgarantien sind in jedem einzelnen Fall zu gewährleisten. Eine (an sich zulässigerweise) am Regelfall orientierte gesetzliche Bestimmung ist auch dann wegen Verstoßes gegen Art. 6 EMRK verfassungswidrig, wenn sie für besondere Extremfälle keine Ausnahmemöglichkeit zur Sicherstellung der in Rede stehenden Verfahrensgarantie bereithält. Es ist offenkundig, dass eine vierwöchige Frist zur Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde in Extremfällen zu einer Beschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten führen kann. Auch der Gesetzgeber hat in der Rechtsanwaltsordnung in differenzierenden Regelungen auf die unterschiedliche Belastung, die durch die Dauer einer Hauptverhandlung verursacht wird, Bedacht genommen. Mit der Aufhebung der gesetzlichen Bestimmung wird für das Anlassverfahren die Möglichkeit zur richterlichen Festlegung einer den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK genügenden Frist zur Ausführung aller angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerden eröffnet." Der VfGH hat ausgesprochen, dass die aufgehobenen Bestimmungen im Anlassverfahren nicht mehr anzuwenden sind.

Ob und warum gegebenenfalls die aufgehobenen Bestimmungen, wie in den Individualanträgen, die zur Aufhebung führten, geltend gemacht, auch gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Rechtsstaatsprinzip verstießen und welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben würden, hat der VfGH nicht mehr geprüft.

Den Antrag, auch die Wortfolge "binnen vierzehn Tagen" in § 285 Abs. 1 StPO aus denselben Gründen als verfassungswidrig aufzuheben, hat der VfGH wegen fehlender Antragslegitimation zurückgewiesen. Bei dieser Frist handelt es sich um die gesetzliche Frist für die Überreichung der Gegenausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde einer anderen Partei. Der VfGH hat daher nicht darüber abgesprochen, ob auch diese Frist verfassungsrechtlich aus denselben Gründen zu beanstanden ist, deretwegen er die gesetzliche Bestimmung über die Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde aufgehoben hat.

Das den Anlass des Erk gebende Strafverfahren ist das bisher größte, jemals in Österreich geführte Strafverfahren gewesen. Der VfGH musste nur beurteilen, ob die vierwöchige Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde im Anlassfall die Verteidigungsrechte der antragstellenden Angeklagten verletzte oder nicht. Er hat dem Anlassfall den Regelfall gegenübergestellt, an dem sich eine Fristbestimmung orientieren darf. Dabei ist bemerkenswert, was der Österreichische Rechtsanwaltskammertag in seinem Wahrnehmungsbericht für das Jahr 1998 zur österreichischen Rechtspflege und Verwaltung – gestützt auf die Erfahrungen vieler Rechtsanwälte – ausgeführt hat (Österreichisches Anwaltsblatt 2000, 37): "Die Rechtsmittelfristen in überlangen Verfahren sind vielfach zu kurz bemessen, da es nicht möglich ist, innerhalb der gegenwärtigen Rechtsmittelfrist Protokolle, welche des öfteren mehrere tausend Seiten lang sind bzw. Urteile im Umfang von mehreren hundert Seiten für ein zweckdienliches Rechtsmittel durchzuarbeiten."

2. Die Neuregelung ist Sache des Gesetzgebers. Der VfGH hat offengelassen, auf welche Wiese der Gesetzgeber die Neuregelung verfassungsrechtlich unbedenklich gestalten kann.

Im vorliegenden Entwurf wurde folgender Weg gewählt: Die Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wurde für Durchschnittsfälle unverändert wie bisher mit vier Wochen belassen. Für Fälle, die sich von dem, was man typischerweise als Durchschnittsfall ansehen kann, unterscheiden, wurden die Fristen in zwei Stufen gestaffelt: Die Frist soll zwei Monate betragen, wenn in Strafverfahren an mehr als fünf Tagen verhandelt wurde, und drei Monate, wenn an mehr als zehn Tagen verhandelt worden ist. Diese Regelung greift einen Gedanken auf, der schon im geltenden Recht (§ 16 Abs. 4 RAO) verwirklicht ist.


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Darüber hinaus sollen alle Fristen im Einzelfall verlängert werden können und müssen, wenn außergewöhnliche Umstände dafür sprechen. Um sicherzustellen, dass Strafverfahren durch die Eröffnung der Möglichkeit einer Fristverlängerung nicht im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 EMRK unangemessen verlängert werden, schlägt der Entwurf eine Höchstgrenze für die Fristverlängerung vor.

Eine teilweise analoge Regelung enthält der Entwurf für die Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde einer anderen Prozesspartei, allerdings beschränkt auf die Ausdehnung der Frist für Durchschnittsfälle auf vier Wochen und die neuen längeren Fristen bei einer größeren Zahl von Verhandlungstagen, also ohne darüber hinausgehende Verlängerungsmöglichkeit im Einzelfall.

Obwohl Grund der Aufhebung der starren Rechtsmittelfrist lediglich die Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte von Angeklagten gewesen ist, sieht der Entwurf vor, dass die gesetzliche Verlängerung der Fristen und die zusätzliche Verlängerungsmöglichkeit durch richterlichen Beschluss auch für die Ankläger Geltung haben soll. Das erscheint angemessen, weil auch sie von den Umständen, die längere Fristen rechtfertigen, ebenso betroffen sind oder sein können wie Angeklagte. Die Regelungen der StPO müssen auch dem Wesen eines die Strafverfolgung sichernden, fairen Verfahrens entsprechen.

Die Neuregelung soll auch für Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz gelten, allerdings unter Ausschluss der Berufung allein punkto Strafe oder/und der privatrechtlichen Ansprüche sowie der Gegenausführung dazu (vgl. § 467 Abs. 3 idgF und neu). Auch vor dem Einzelrichter sind Verfahren, die einen überdurchschnittlichen Aktenumfang oder eine überdurchschnittliche Komplexität der Strafsache aufweisen oder in denen überdurchschnittlich lange verhandelt wird, möglich und kommen in der Praxis vor. Die Zuständigkeit des Einzelrichters reicht bis zu einem Strafrahmen von fünf Jahren Freiheitsstrafe und umfasst daher auch Fälle, in denen es für den Beschuldigten um sehr viel gehen kann und die der Art der strafbaren Handlungen nach umfangreich und komplex sein können. Die Neuregelung auch für das einzelrichterliche Verfahren gelten zu lassen, entspricht daher der EMRK und dem Gleichheitsgrundsatz.

3. Das Erk des VfGH bietet Anlass, auch die anderen Regelungen der StPO von Fristen für Prozesshandlungen daraufhin zu untersuchen, ob die Regelungen und insbesondere die Länge der eingeräumten Fristen insbesondere bei komplizierten Sachverhalten und für besonders wichtige Prozesshandlungen und -termine angemessen sind. Der Entwurf sieht für eine Reihe von Fällen Veränderungen gegenüber den bisherigen Fristen vor. Darunter befinden sich auch Verbesserungen zugunsten von Privatbeteiligten, also mutmaßlichen Opfern strafbarer Handlungen. Ebenso sollen die Fristen für die Anklageerhebung und die Urteilsausfertigung , die den praktischen Gegebenheiten oft nicht gerecht werden, nämlich zu kurz sind, verlängert werden. Für die Anklageerhebung ist außerdem eine zusätzliche Verlängerungsmöglichkeit im Einzelfall vorgesehen, doch wird die Frist gleichzeitig zu einer Fallfrist umgestaltet; das soll für die Frist zur Urteilsausfertigung nicht gelten, sondern sie wird als so genannte Mahnfrist belassen, deren Überschreitung keine unmittelbaren Sanktionen nach sich zieht. Schließlich sieht der Entwurf vor, dass den Beteiligten im Regelfall gegen Entscheidungen des Vorsitzenden und des Einzelrichters eines Gerichtshofes erster Instanz, die außerhalb der Hauptverhandlung gefasst werden, das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz eingeräumt wird. Diese Regelung ist § 481 StPO nachgebildet: Nach dieser Bestimmung steht den Beteiligten gegen Entscheidungen des Bezirksgerichtes, insofern sie der Berufung nicht unterliegen, das Rechtsmittel der Beschwerde an den Gerichtshof erster Instanz binnen vierzehn Tagen zu. Es ist kein Grund ersichtlich, warum das, was für Entscheidungen der Bezirksgerichte gilt, für Entscheidungen der Gerichtshöfe erster Instanz nicht gelten soll, und ebenso ist es nicht verständlich, dass gegen Entscheidungen der Untersuchungsrichter der Gerichtshöfe erster Instanz stets eine Beschwerde möglich ist (§ 113 Abs. 1 StPO), gegen Entscheidungen von Richtern der Gerichtshöfe erster Instanz im Zuge des Hauptverfahrens, aber außerhalb der Hauptverhandlung, dagegen nicht. Ganz im Gegenteil: Das Rechtsschutzbedürfnis ist nach Anklageerhebung und in Verfahren vor den Gerichtshöfen erster Instanz, wo es um schwererwiegende Delikte geht, größer anzusetzen als im Vorverfahren und im bezirksgerichtlichen Verfahren.


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4. Eine unangemessene Verlängerung von Strafverfahren ist durch die vorgeschlagenen Neuregelungen nicht zu befürchten. Die Dauer von Strafverfahren hängt am allerwenigsten von der Länge gesetzlicher und richterlicher Fristen ab, sondern von ganz anderen Umständen. Der Anlassfall zeigt das deutlich: Die Voruntersuchung wurde im Sommer 1989 eröffnet, die Anklageschrift im August 1995 verfasst. Die Voruntersuchung dauerte also mehr als sechs Jahre. Im Rahmen der Voruntersuchung wurde ein nicht weniger als 22 Bände umfassendes Gutachten erstellt; die Arbeit daran nahm Jahre in Anspruch. Im November 1995 wurde die Anklage rechtskräftig und stand fest, welche Berufsrichter dem erkennenden Schöffensenat angehören würden. Den Berufsrichtern stand eine Einarbeitungszeit bis September 1996 zur Verfügung. Die Hauptverhandlung wurde am 16.9.1996 eröffnet und endete am 14.6.1999 mit dem Urteil. Obwohl derzeit § 270 Abs. 1 StPO vorschreibt, dass jedes Urteil binnen vier Wochen vom Tage der Verkündung schriftlich ausgefertigt werden muss, und obwohl das Protokoll der Hauptverhandlung fortlaufend über EDV erstellt wurde, es also keine Wartezeit bis zum Einlangen der Protokollsübertragung gab, und obwohl die beiden Berufsrichter ausschließlich für diese Strafsache zuständig waren, wurde die Urteilsausfertigung, was angesichts der Umstände dieser Strafsache verständlich ist, erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist für die Urteilsausfertigung zugestellt (tatsächlich sogar erst am ...., also nach fast einem Jahr nach der Urteilsverkündung). Die Dauer dieses außergewöhnlich langen und komplizierten Strafverfahrens war also weitestgehend durch andere Umstände bestimmt als durch die Länge der gesetzlichen und richterlichen Fristen für Prozesshandlungen. Auch darf nicht übersehen werden, dass in vielen Fällen in Strafverfahren Fristen häufig überhaupt nicht zum Tragen kommen, so etwa bei Rechtsmittelverzicht oder Unterlassen von Rechtsmitteln. Wo aber die Länge von Fristen im Einzelfall doch aktuell wird, sind die geltenden Fristen nicht selten zu kurz, als dass eine sorgfältige Vorbereitung und Ausarbeitung der Prozesshandlung sichergestellt wäre. Verlängerungen gesetzlicher Fristen sieht der Entwurf außerdem nur für einige besonders bedeutsame Prozesshandlungen und -termine vor; richterliche Fristen sind schon nach dem bisherigen Recht ohnehin verlängerbar und bleiben es auch in Zukunft.

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu Z 1:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur bisherigen Rechtslage ist die Anfechtung nicht urteilsmäßiger Entscheidungen mit dem Rechtsmittel der Beschwerde im Gerichtshofverfahren – anders als im bezirksgerichtlichen Verfahren: § 481 StPO – nur zulässig, wenn die Beschwerde im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (z. B. SSt 29/85, EvBl 1981/33-Venier, Strafprozessrecht6 Rz 983 – 986); diesen Bedenken soll durch die Neuregelung Rechnung getragen werden.

Damit soll außerdem die Chance eröffnet werden, dass die Beteiligten möglichst weitgehend in die Lage kommen, verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein präjudizielles Gesetz oder einen präjudiziellen Staatsvertrag, die auch außerhalb von urteilsmäßigen Erledigungen in Betracht kommen, nach Maßgabe der Art. 140 f B-VG im Rahmen des Strafverfahrens an den VfGH herantragen zu lassen, weil Erstgerichte insoweit nicht berechtigt sind, den Antrag auf Aufhebung beim VfGH zu stellen (Art. 89 Abs. 2 B-VG); Individualanträge in Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Gerichte fallen, werden vom VfGH nur ganz ausnahmsweise für zulässig erachtet, wie auch im Erk vom 16.3.2000 dargestellt worden ist. Die vorgeschlagene Regelung trägt Überlegungen des VfGH in diesem Erk Rechnung; der VfGH hat u. a. ausgeführt: "Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen – vom Standpunkt des Betroffenen aus – zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es wesentlich darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften im Wege der ordentlichen Gerichte an den VfGH heranzutragen."

Zu Z 1b:

Der Privatbeteiligte wird zwar häufig, aber keineswegs immer anwaltlich vertreten sein. Wenn er die Verständigung bekommt, soll er ausreichend Zeit haben, eine rechtliche Beratung einzuho


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len, bevor er seine Entscheidung trifft. Die Verlängerung trägt außerdem dem Umstand Rechnung, dass gerade in die Zeit kurz nach der Zustellung der Anfrage z. B. ein schon früher fixierter Urlaub oder eine Erkrankung fallen kann, dem Privatbeteiligten also tatsächlich nur ein kleiner Teil der Frist zur Erledigung zur Verfügung steht. Auch bei bereits bestehender anwaltlicher Vertretung bedarf die Entscheidung einer Erörterung zwischen dem Privatbeteiligten und dessen Anwalt und in der Regel der Akteneinsicht oder einer ergänzenden Akteneinsicht und einer Beurteilung des oft umfangreichen Akteninhaltes darauf, ob die Aufrechterhaltung der Verfolgung nach den Umständen sinnvoll ist oder nicht. Die vorgeschlagene Verlängerung dient also Interessen mutmaßlicher Opfer strafbarer Handlungen.

Zu Z 1c:

Die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz, selbst die Versetzung in den Anklagestand auszusprechen, ist unpraktisch, unzweckmäßig, systemwidrig und begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 90 Abs. 2 B-VG und auf das Fairnessgebot des Art. 6 Abs. 1 EMRK. Außerdem wird dadurch dem Beschuldigten die Möglichkeit des Einspruchs gegen die Anklageschrift genommen. Der Anklagewille des Privatbeteiligten ist zwar aus seiner Erklärung, die Verfolgung aufrechtzuerhalten, ebenso ersichtlich wie die Bezeichnung der Tat, auf die sich seine Erklärung bezieht, aber der Privatbeteiligte soll die Möglichkeit behalten, seine eigene Begründung iSd § 207 Abs. 3 zu geben. Derzeit legt es das Gesetz dem Gerichtshof zweiter Instanz auf, von sich aus die Begründung zu verfassen (§ 218 iVm § 207 Abs. 3); dadurch wird jedenfalls dem äußeren Anschein nach ein Gericht in die Position des Anklägers gerückt.

Zu Z 1d:

Die Gründe für die Entscheidung des Staatsanwaltes können dafür, ob der Privatbeteiligte die Verfolgung aufrecht erhält oder nicht, von wesentlicher Bedeutung sein. Dem Staatsanwalt ist für die Mitteilung der Gründe seiner Entscheidung keine Frist gesetzt. In der Praxis können daher die Gründe des Staatsanwalts für seine Entscheidung durch den Privatbeteiligten bisher oft nicht mehr berücksichtigt werden. Diese Situation ist unbefriedigend. Die vorgeschlagene Verlängerung dient also Interessen mutmaßlicher Opfer strafbarer Handlungen.

Zu Z 1e, Z 10 und Z 20:

Die bisherige Regelung in den §§ 284 Abs. 4 und 466 Abs. 7 macht es zulässig, die Urteilsabschrift zunächst nur dem Beschwerdeführer zuzustellen, nicht aber auch den anderen Parteien. Das ist weder zweckmäßig noch sachgerecht noch entspricht es vielen anderen einschlägigen prozessrechtlichen Regelungen. Die Zustellung einer Urteilsabschrift liegt regelmäßig auch dann im Interesse der Parteien, wenn das Urteil sofort oder durch unausgenütztes Verstreichen der Frist für die Anmeldung von Rechtsmitteln rechtskräftig wird. Insbesondere kann das Urteil in allen Fällen für die anschließende Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche von Bedeutung sein. Der vorgeschlagenen Neuregelung entsprechend sollen der Abs. 4 im § 284 und der Abs. 7 des § 466 entfallen.

Zu Z 2a:

Für die Verlängerung der Anklagefrist von vierzehn Tagen auf vier Wochen sind die Erwägungen in den Vorbemerkungen maßgebend. In schwierigen oder umfangreichen Strafsachen kann aber auch eine Frist von vier Wochen zu kurz sein und dem Interesse an der Strafverfolgung nicht gerecht werden. Als Ausweg sieht der Entwurf eine gestaffelte Verlängerungsmöglichkeit durch gerichtlichen Beschluss vor, abhängig allerdings von der Wahrung der Interessen des Beschuldigten (besonders in Haftsachen). Dafür soll zur Wahrung der berechtigten Interessen des Beschuldigten die Frist zur Erhebung der Anklage in Zukunft auch für den Staatsanwalt nicht mehr eine bloße Mahnfrist, sondern eine Fallfrist sein.

Zu Z 5:

Bedenkt man, welche oft schweren nachteiligen Auswirkungen für den Beschuldigten die Versetzung in den Anklagestand und damit die Hauptverhandlung mit sich bringt, dann ist klar, dass


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es sich bei der Entscheidung, ob der Beschuldigte Einspruch erhebt oder nicht, und bei der Ausführung des Einspruches um eine Maßnahme von großer Bedeutung handelt. Oft haben Beschuldigte im Vorverfahren noch keinen Verteidiger. Dann macht es die Erhebung der Anklageschrift notwendig, sich mit einem Verteidiger zu besprechen; dieser muss den Akt studieren und abschätzen, ob ein Einspruch sinnvoll ist oder nicht. Der Akt kann bereits sehr umfangreich sein. Auch wenn der Beschuldigte schon durch einen Verteidiger vertreten war, bedarf es zur Entscheidung, ob Einspruch erhoben werden soll oder nicht, und gegebenenfalls zur Ausführung in vielen Fällen einer (ergänzenden) Akteneinsicht mit Aktenstudium. Eine eingehende Befassung mit dem Akt ist besonders dann erforderlich, wenn Gründe dafür aufgezeigt werden sollen, dass es einer besseren Aufklärung des Sachverhaltes bedarf (§ 211 Abs. 1). Schon für den Regelfall ist daher eine vierwöchige Frist angemessen, dies um so mehr, als gleichzeitig vorgesehen wird, dass auch die Regelfrist zur Erhebung der Anklageschrift von bisher zwei Wochen auf vier Wochen verlängert wird.

Da es aber mit zunehmender Häufigkeit Strafsachen gibt, in denen der Sachverhalt überdurchschnittlich umfangreich oder kompliziert ist und die Voruntersuchung Monate oder Jahre dauert, viele Beweise aufgenommen, Gutachten erstattet werden usw., soll insbesondere solchen Umständen dadurch Rechnung getragen werden, dass die Frist zur Ausführung des Einspruches ähnlich den Fristen zur Erhebung der Anklage und zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde verlängert werden kann und bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Fristverlängerung verlängert werden muss. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte nach der StPO kein Recht hat, sich etwa zum Entwurf der Anklageschrift vor Anklageerhebung zu äußern. Oft wird er nicht einmal annähernd wissen, ob der Staatsanwalt wirklich Anklage erheben und wann die Anklageschrift zugestellt werden wird; die Erläuterungen zu 2. treffen mutatis mutandis auch hier zu.

Zu Z 6:

Die Aufhebung entspricht dem Entfall des letzten Satzes des § 48 Abs. 1 Z 2 (oben unter 3.).

Zu Z 7:

Es gibt keinen gerechtfertigten Grund, bei der Bestimmung der ohnehin in aller Regel zu kurzen Mindestfrist zur Vorbereitung der Verteidigung zwischen Verhandlungen vor den Geschworenengerichten und anderen Verhandlungen zu unterscheiden; Strafsachen, die in die Zuständigkeit des Geschworenengerichtes fallen, zeichnen sich typischerweise nicht durch einen größeren Umfang oder eine größere Komplexität als andere Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Gerichtshöfe erster Instanz gehören, aus.

Zu Z 8:

Die vierwöchige Frist für die schriftliche Urteilsausfertigung wird in der Regel nicht eingehalten. Einer der Gründe dafür liegt schon darin, dass die Ausfertigung des Protokolls der Hauptverhandlung zumeist schon erhebliche Zeit beansprucht und die Ausarbeitung der schriftlichen Urteilsausfertigung vor Vorliegen und Korrektur des Verhandlungsprotokolls kaum möglich ist. Außerdem sind bei jedem Richter zur selben Zeit auch andere Strafverfahren anhängig, in denen Akten studiert, Entscheidungen getroffen, Hauptverhandlungen geführt und Urteile ausgefertigt werden müssen, in Haftsachen sogar vorrangig. Die bisherige vierwöchige Frist ist daher im Regelfall sowohl unrealistisch als auch unangemessen. Da es sich bei der Frist nach herrschender Auffassung um eine bloße Mahnfrist handelt, ist es überflüssig, gesetzlich die Möglichkeit einer weiteren Fristverlängerung im Einzelfall vorzusehen.

Zu Z 9:

Der Entfall dieses Verweises ist die Folge der Aufhebung des § 218 (oben unter 3.).

Zu Z 11:

Die Neuregelung der Fristen lässt es zweckmäßig erscheinen ,die Fristbestimmung aus dem Abs. 1 des § 285 zur Gänze zu eliminieren.


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Zu Z 12:

Dem Grundsätzlichen nach kann auf die Ausführungen in den Vorbemerkungen unter 1., 2. und 4. hingewiesen werden. Die Staffelung der Fristen nach einem objektiven Merkmal hat den Vorteil der Klarheit, Übersichtlichkeit und Vorauskenntnis und soll die Notwendigkeit häufiger Beschlussfassungen vermeiden helfen. Im Falle der Wiederholung der Verhandlung (§ 276a) ist die Zahl aller Verhandlungstage, sowohl der ursprünglichen als auch der wiederholten Hauptverhandlung, maßgebend ("insgesamt"), weil der Prozessstoff sich auch in diesem Fall in der Regel vermehrt; zumeist wird in der Praxis auch im Wiederholungsfall nicht tatsächlich alles neu verhandelt, doch soll es bei den Fristen nicht darauf ankommen, wie dies im Einzelfall gehandhabt worden war. Die Fristverlängerung ist, den im Abs. 3 angeführten Grundsätzen entsprechend, insbesondere in den nachstehenden Fällen zu bewilligen: außerordentlicher Aktenumfang, außerordentliche Schwierigkeit der Strafsache, mutmaßliche oder bereits erfolgte Beanspruchung einer längeren als der gesetzlichen Höchstfrist für die Urteilsausfertigung durch das Gericht, bei der dreimonatigen Frist ein Mehrfaches von zehn Verhandlungstagen, unvorhergesehene bedeutende Erkrankung oder Ableben des Anklägers oder des Verteidigers.

Die im Abs. 7 angeordnete Hemmung ist notwendig, um dem Antrag auf Fristverlängerung und einer Beschwerde nicht u. U. die Wirkung zu nehmen. Dafür wurde die Beschwerdefrist mit nur drei Tagen außergewöhnlich kurz bemessen. An den Gerichten wird es liegen, ihre Entscheidungen rasch zu fällen. Die Möglichkeit gelegentlicher Missbräuche darf kein Hindernis dafür sein, von einer notwendigen Regelung Abstand zu nehmen.

Zu Z 13 und 22:

Es ist zweckmäßig, die Fristen für die Ausführung der Berufung und für die Gegenausführung gleich lang zu halten. Die gleiche Dauer beider Fristen wird im Entwurf bezüglich der Nichtigkeitsbeschwerde und der Gegenausführung hiezu angeordnet. Im Zivilprozess sind die Fristen für die Berufung und Berufungsbeantwortung und die Revision und die Revisionsbeantwortung sowie im Falle eines zweiseitigen Rekurses für den Rekurs und die Rekursbeantwortung seit jeher gleich lang. Die Vereinheitlichung von Fristen ist, soweit dem nicht wichtige Gründe entgegenstehen, generell zweckmäßig.

Angesichts des beschränkten und relativ einfacheren Gegenstandes der Berufung und der Gegenausführung hiezu erscheint es nicht nötig, gestaffelte Fristen und die Möglichkeit einer Fristverlängerung vorzusehen. Das bringt es mit sich, dass dann, wenn die Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde länger als vier Wochen ist und die längere Frist auch ausgenützt wird, die Ausführung der Berufung nicht in einem Schriftsatz mit der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde verbunden werden kann, sondern gesondert vor Ablauf der vierwöchigen Frist erstattet werden muss.

Zu Ziffer 14, 15 und 25:

Die Fristverlängerung ist zweckmäßig und in manchen Fällen geboten, weil Entscheidungen über die Wiederaufnahme komplexe Sachverhalte umfassen können. Es besteht auch kein Grund, es bei der bisherigen kürzeren Frist zu belassen, weil das Strafverfahren ohnehin bereits rechtskräftig abgeschlossen ist.

Zu Z 16 und 18:

Das Fehlen einer Mindestfrist kann sich zum Nachteil des Betroffenen auswirken. Die Bestimmung der Frist mit vierzehn Tagen entspricht auch anderen Regelungen der StPO (z. B. den meisten Beschwerdefristen, dann § 364 Abs. 3 u. a.); doch soll sie, weil es sich um eine richterliche Frist handelt, eine Mindestfrist sein.

Zu Z 17 und 24:

Die Fristverlängerung entspricht der Bedeutung eines Abwesenheitsurteiles; vgl. auch die Erläuterungen zu 1a.


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Zu Z 19:

Die Änderung dient der Vereinheitlichung von Fristen mit gleicher Funktion.

Zu Z 19:

Wenn eine Nichtigkeitsberufung und eine Schuldberufung auch als Berufung gegen den Strafausspruch gelten, ist es umso mehr angezeigt, die Wirkung dieser Berufungen auch auf die privatrechtlichen Ansprüche zu erstrecken, soferne der Angeklagte durch den Ausspruch darüber beschwert ist. Außerdem wird durch die Ergänzung erreicht, dass die verlängerten gesetzlichen Fristen für die Ausführung der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen Schuld im einzelrichterlichen Verfahren vor dem Gerichtshof erster Instanz nicht auch für Berufungen bloß gegen den Schuldausspruch und den Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche gelten (vgl. dazu § 489 Abs. 1 zweiter Satz neu).

Zu Z 23:

Die Frist wird zur Vereinheitlichung und damit Vereinfachung an die des § 286 Abs. 1 für den Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof angeglichen.

Zu Z 26:

Mit der Änderung soll erreicht werden, dass, wie in den Vorbemerkungen begründet, die Neuregelung betreffend die Fristen für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Gegenausführung hiezu auch für die Berufung und die Gegenausführung hiezu im Verfahren vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz Geltung hat.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

21.08

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Im Anschluss an die Ausführungen von Frau Dr. Fekter ein paar Worte zum Umgang mit umfangreichen Entwürfen wie dem, den die Dozenten Lewisch und Soyer und Herr Dr. Zitta – alle drei genannten Herren sind Rechtsanwälte – im Auftrag des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages ausgearbeitet haben.

Es ist in dieser Bundesregierung ja jetzt irgendwie ein bisschen schick geworden, sich im Zusammenhang mit der Krise, in der der Herr Bundesminister steckt – in der politischen Krise, nicht in der inhaltlichen, was die StPO angeht –, zur Selbststützung ständig auf den Ratschlag und auf die Unterstützung der Rechtsanwälte zu berufen. Und dann macht einmal der Österreichische Rechtsanwaltskammertag etwas, was den Herrn Bundesminister und das ganze Justizressort und auch die Frau Vorsitzende des Justizausschusses mehr als freuen müsste, nämlich einen super fundierten, von niemandem kritisierten Entwurf (Abg. Dr. Fekter: Ja, freut uns auch!), den man sozusagen nur abzuschreiben bräuchte. (Abg. Dr. Fekter: Aber den schießen wir nicht aus der Hüfte! Den schicken wir in die Begutachtung!)

Darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir am Montag in den Beratungen des Justizausschusses ja auch die Anregung gemacht: Wenn es darum geht, nicht aus der Hüfte zu schießen, dann könnte man ja die Strafprozessnovelle in Bezug auf die Fristen aussetzen – denn es ist ja auch genügend Zeit, weil der Verfassungsgerichtshof ja die Frist bis Mitte nächsten Jahres gelegt hat – und diese umfassende Fristen-Novelle, so wie sie der Österreichische Rechtsanwaltskammertag vorschlägt, dann beschließen.

Aber diese Regierung geht ja nach dem Prinzip vor: "Speed kills quality". So etwas kommt doch nicht in Frage! (Abg. Dr. Fekter: Nein, sondern nach dem Prinzip: Quality wins!) Es geht Ihnen doch überhaupt nicht darum, etwas Ordentliches und Fundiertes zu beschließen, sondern es muss halt irgendetwas beschlossen werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist


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aber nicht wirklich unser Problem. Vielmehr müssen Sie das dann den Normadressaten und Rechtsunterworfenen erklären, wenn dieser Zustand weiter besteht. – Das Motto der neuen Bundesregierung – auch in diesem Zusammenhang – ist jedenfalls: Hauptsächlich schnell, der Inhalt ist nicht so wichtig.

Eigentlich wollte ich aber erwähnen – und jetzt spreche ich den Herrn Bundesminister auch inhaltlich an –, dass ein extrem signifikanter Punkt dieser neuen Law-and-Order-Welle, die jetzt über Österreich hereinbricht, nun umgesetzt wird. Der Vorschlag, dass die Ausnahme von der Anzeigenpflicht zum Schutz eines persönlichen Vertrauensverhältnisses abgeändert wird, stammt zwar zugegebenermaßen nicht von Herrn Dr. Böhmdorfer, sondern aus dem Koalitionsübereinkommen zwischen Blau und Schwarz, als Herr Dr. Böhmdorfer noch gar nicht Minister war. Dieser Vorschlag ist aber nichts anderes als eine Untermauerung der autoritären Wende, die in Österreich jetzt bedauerlicherweise vor sich geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was heute beschlossen wird, wird von allen, die in Fragen des Jugendschutzes – und darum geht es im Wesentlichen –, der Opferhilfe und des Opferschutzes tätig sind, unisono abgelehnt. Die Ablehnung, die im Begutachtungsverfahren vorgebracht wurde, wird in erster Linie damit argumentiert, dass die Verunsicherung der Nutznießer dieser Ausnahmeregelungen von der generellen Anzeigepflicht, die 1993 mit der Strafprozessnovelle eingeführt wurden, im Bereich der öffentlichen Dienststellen enorm groß ist.

Bei dieser StPO-Novelle 1993 wurde – ich kann mich noch sehr gut daran erinnern – wirklich auf eine gewissenhafte Abwägung zwischen den Interessen des Opferschutzes, der effektiven Opferhilfe und, im Gegensatz dazu, das legitime Interesse der Strafverfolgung extrem viel Wert gelegt. Das können Sie auch im Ausschussbericht der seinerzeitigen Novelle nachlesen. Bei den Ausnahmen von der Regel, die geschaffen wurden, hat der Gesetzgeber sich ausschließlich darauf bezogen, dass eine gewissenhafte und wirklich berufspezifische Interessenabwägung erfolgt.

Im Rahmen der Dokumentation über die bisherigen Erfahrungen findet sich beispielsweise auch ein Zwischenbericht einer Begleitstudie im Zusammenhang mit der Reform der Anzeigepflicht im Ärztegesetz. Darin steht, dass alles bestens ist, und all die Drohungen, die in den vergangenen Monaten ausgesprochen wurden, dass das etwas mit Kindesmissbrauch und weniger Schutz für die Opfer zu tun habe, stimmen schlicht und einfach nicht!

Ich bin keine Expertin, die vor Ort tätig ist, daher kann ich mich nur auf die diesbezüglichen Erfahrungen stützen, die die Jugendämter, der Magistrat der Stadt Wien, die Bewährungshilfe, die Jugendgerichtshilfe und vor allem auch die Lehrer und Lehrerinnen, die in einer solchen Konfliktsituation eine Interessenabwägung vornehmen mussten, gemacht haben und welche im Begutachtungsverfahren dokumentiert sind. Und daraus geht hervor, dass es null Regelungsbedarf im Sinne von Opferschutz und Opferhilfe gibt.

Es gibt jedoch den explizit und deutlich formulierten Wunsch dieser Bundesregierung, dass wir den Menschen das Gefühl geben müssen, dass Strafverfolgung wichtiger ist als Opferschutz. – Das ist nämlich das Resultat dieser Novelle.

Deshalb möchte ich folgenden Antrag verlesen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Johannes Jarolim, Freunde und Freundinnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Initiativantrag der Abgeordneten Fekter, Ofner und Genossen, 209/A, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000) wird abgeändert.


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Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Initiativantrag der Abgeordneten Fekter, Ofner und Genossen, 209/A, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000) wird wie folgt abgeändert.

Artikel I Z 2 wird wie folgt abgeändert:

2. Im § 84 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

"(2a) Die Behörde oder öffentliche Dienststelle hat jedenfalls alles zu unternehmen, was zum Schutz des Verletzten oder anderer Personen vor Gefährdungen erforderlich ist."

*****

(Abg. Dr. Fekter: Das haben wir auch aufgenommen!)  – Ja, selbstverständlich. Aber die Wiedereinführung der Anzeigepflicht und dieser deutliche Hinweis in Ihrem eigenen Abänderungsantrag in Abschwächung des Initiativantrages ist im Sinne von effektiver Opferhilfe, meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr als überflüssig! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

21.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Die Redezeit beträgt 6 Minuten. – Bitte.

21.15

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich bringe zunächst einen Abänderungsantrag zu dieser Strafprozessnovelle ein, der da lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner zum Bericht des Justizausschusses (289 der Beilagen) betreffend den Selbständigen Antrag (209/A BlgNR) der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Genossen, Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der Selbständige Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Dr. Harald Ofner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2000), 209/A BlgNR XXI. GP, in der Fassung des dem Bericht des Justizausschusses, 289 BlgNR XXI. GP, angeschlossenen Gesetzentwurfes, wird wie folgt geändert:

1. Im Art. 1 Z 2 wird in Abs. 2a des § 84 StPO nach den Worten "erforderlichenfalls ist auch" die Wendung "in den Fällen des Abs. 2" eingefügt.

2. Im Art. I Z. 5 hat die lit. a zu lauten:

"a) Abs. 1 hat zu lauten:

(1) Der Beschwerdeführer hat das Recht, binnen vier Wochen nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde, wenn ihm eine Urteilsabschrift aber erst nach der Anmeldung des Rechtsmittels zugestellt wurde, binnen vier Wochen nach der Zustellung eine Ausführung seiner Beschwerdegründe beim Gericht in zweifacher Ausfertigung zu überreichen. Er muss entweder in dieser Schrift oder bei Anmeldung seiner Beschwerde die Nichtigkeitsgründe einzeln und be


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stimmt bezeichnen, widrigens auf seine Beschwerde vom Obersten Gerichtshof keine Rücksicht zu nehmen ist."

3. Art. III hat zu lauten:

"Artikel III Inkrafttreten und Schlussbestimmungen

Art. I Z 9 (§ 376 Abs. 1 StPO) tritt mit 1. Jänner 2002, die übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten mit 1. November 2000 in Kraft."

*****

Soweit dieser Abänderungsantrag. – Sie werden unschwer erkannt haben, dass es sich um einen rein grammatikalisch-technischen Antrag handelt, der inhaltlich ohne entsprechende Bedeutung ist.

Zu den Anmerkungen meiner Vorredner möchte ich sagen, dass wir alle uns in jenen Fällen, in denen Kreditinstitute verhalten werden, Vorgänge offen zu legen oder Unterlagen herauszugeben, natürlich auf einem schmalen Grat befinden. Es geht einerseits darum, dafür zu sorgen, dass nicht völlig Unbeteiligte zum Handkuss kommen: Im Zusammenhang mit einem Erkundungsbeweis – die Judikatur unterscheidet ja zwischen einem reinen Erkundungsbeweis und einem Erkundungsbeweis an sich – sollen sich nicht, wie gesagt, völlig Unbeteiligte auf einmal in den Medien oder anderswo wieder finden.

Andererseits geht es aber schon darum, der Sicherheitsexekutive die Möglichkeit einzuräumen, entsprechend herauszufinden, was tatsächlich vorgeht, und nicht darum, der Wirtschaftspolizei oder der Kriminalabteilung der Gendarmerie in den Bundesländern die Hände zu binden, nur weil man fürchtet, dass irgendjemand sich bezüglich eines Vorkommnisses in der Zeitung findet, im Zusammenhang mit welchem er nicht gerne in der Zeitung steht, wobei er in der Regel wahrscheinlich schon weiß, warum. – Das wollen wir auch nicht.

Ich glaube, dass die Vorlage diesem Umstand, dass wir uns diesbezüglich eben auf einem schmalen Grat befinden, Rechnung trägt, indem Unbeteiligte geschützt sind, wir aber die Exekutive entsprechend tätig werden lassen.

Es ist vor allem vom Kollegen Jarolim beklagt worden, dass Änderungs- oder Gestaltungsvorschläge des Rechtsanwaltskammertages oder von Anwälten, die vom Rechtsanwaltskammertag diesbezüglich ersucht wurden, nicht Eingang gefunden haben. – Soweit ich die Dinge beurteilen kann, handelt es sich um einen Kompromiss. Vielleicht ist all das aber auch etwas zu spät gekommen, und man hat sich in dem allgemeinen Bemühen, die Dinge über die Bühne zu bringen, dann nicht mehr dazu aufgerafft, entsprechende Änderungen vorzunehmen.

Im Hinblick darauf, dass es nicht nur den Standpunkt der Rechtsanwälte, sondern auch den Standpunkt der Richtervereinigung und außerdem noch eine eigene Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes gegeben hat, ist schließlich ein Kompromiss herausgekommen. Ich glaube, dass alles zusammen zwar eine kleine, aber akzeptable Novelle darstellt, und wir Freiheitlichen werden dafür stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag Fekter/Ofner wurde geschäftsordnungskonform eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

21.20

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich auch auf die Novelle zur Strafprozessordnung beziehen, insbesondere auf die Neugestaltung des § 84, weil diese wieder einmal ein deutlicher Hinweis darauf ist, was insgesamt an Politik in diesem Land gemacht wird.


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Hinsichtlich dieser Änderung wird zwar argumentiert, dass man damit ein sehr erstrebenswertes Ziel verfolgt, Tatsache ist aber, dass Sie damit etwas ganz anderes im Schilde führen. (Abg. Dr. Ofner: Glauben Sie wirklich, dass es bei einer solchen Schnackerlnovelle jemanden gibt, der etwas im Schilde führt?)  – Sie entspricht ja gar nicht Ihrem Vorschlag, Herr Kollege Ofner, sie trägt ja die Handschrift von Herrn Khol und von Frau Fekter! Das ist ja gar nicht Ihre Meinung! Sie haben in der Vergangenheit eine ganz andere Meinung vertreten! Warum verteidigen Sie Herrn Khol?

Worum geht es? – Mit der Novelle zur Strafprozeßordnung 1993 – das möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen – haben wir einiges erreicht. Seither werden im Strafprozess neben der Wahrheitsfindung auch andere Prinzipien berücksichtigt. Im Mittelpunkt dieser neuen Prinzipien stand das Wohl des Kindes. Unter anderem kam es in diesem Zusammenhang auch zu einer Einschränkung der Anzeigepflicht. Seit damals ist in § 84 geregelt, dass man zur Anzeige nicht mehr verpflichtet ist, wenn – ich zitiere – "die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf".

Den Vertretern der Behörden und öffentlichen Dienststellen, denen das ermöglicht wurde, wurde im Zuge der Novellierung der Strafprozeßordnung 1993 gleichzeitig natürlich die Verpflichtung auferlegt, eine gewissenhafte Interessenabwägung vorzunehmen, wobei in jedem Einzelfall zwischen Opferschutz, effektiver Opferhilfe und Strafverfolgung sorgfältig abzuwägen ist.

Diese Einschränkung, die 1993 getroffen wurde, hat sich in der Praxis als sehr positiv herausgestellt und hat alle Erwartungen, die wir damals auch formuliert haben, tatsächlich übertroffen. Sie hat also ihren Zweck erfüllt. Es ist nämlich einerseits gelungen – das wissen alle aus der Praxis –, dass Betroffene und Opfer verstärkt Hilfsangebote auch deshalb in Anspruch nehmen können, weil diese Informationen vertraulich sind und diese Personen nicht zu befürchten haben, dass sie, wenn sie Hilfe gesucht haben, nach einer Beratung womöglich traumatische Vorgänge vor Gericht erneut darlegen müssen.

Zweitens ist es damit auch zu einer Sensibilisierung der betreffenden Berufsgruppen gekommen. Kollegin Stoisits hat schon darauf hingewiesen, dass diese zwei positiven Aspekte spätestens seit 1989, nämlich seit den Arbeiten der Begleitforschungsgruppe zur Reform der Anzeigepflicht im Ärztegesetz auf dem Tisch liegen.

Das heißt, um es konkret zusammenzufassen, dass sich die derzeitige Regelung des § 84 in der Praxis bewährt hat. Das wurde im Begutachtungsverfahren von der Mehrheit auch so zum Ausdruck gebracht, und daher ist eine Änderung unserer Auffassung nach nicht sinnvoll.

Die von der blau-schwarzen Regierung geplante Gesetzesänderung wird in der Realität keine Verbesserung des Opferschutzes bedeuten, vielmehr wird durch diese Regelung bewirkt werden, dass das hohe Vertrauen, das in den letzten Jahren in die Sozialarbeit gesetzt wurde, schwinden beziehungsweise in Misstrauen münden wird.

In Anbetracht dessen ist für mich und für die sozialdemokratische Fraktion klar, dass diese Neuregelung keinesfalls dem Opferschutz, sondern allein der Strafverfolgung dienlich ist, und daher wird es dazu von uns keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Pumberger: Logisch war Ihre Erklärung aber nicht!)

21.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Er hat das Wort.

21.25

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Bures, mit der Novelle des § 84 wird ein Ziel verfolgt, nämlich der Schutz des Opfers und sonst gar nichts. Wenn Sie den Gesetzestext richtig lesen, dann werden Sie dort das Wort "erforderlichenfalls" finden. Und zwar ist eine Anzeige dann erforderlich, wenn sie im Sinne des Opferschutzes notwendig ist. (Abg. Mag. Stoisits: Das ist "absolut" notwendig!)


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Zu Frau Kollegin Terezija Stoisits, die gesagt hat: "Speed kills quality", darf ich sagen: Das wäre dann der Fall, wenn wir das täten, was ihr von uns verlangt: nämlich aus der Hüfte zu schießen und sofort einen umfangreichen Abänderungsantrag, den viele kaum kennen, im Ausschuss zu beschließen.

Wenn wir aber, wie hier richtig gesagt wurde, bis Juni 2001 Zeit haben, dann können wir uns auch Zeit nehmen und den an sich guten Vorschlag des Rechtsanwaltskammertages einer Begutachtung unterziehen, um eine gute Lösung im Interesse aller in diesem Haus zu erreichen. Und genau das wollen wir tun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte einige Worte zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba sagen, auch wenn das vielleicht ein ungewöhnlicher Anlass und ein Punkt ist, bei welchem normalerweise nicht viel diskutiert wird. – In Österreich besteht derzeit mit rund 50 Staaten per Abkommen die Möglichkeit, die Strafvollstreckung im Heimatstaat durchzuführen. Diese Möglichkeit hat es mit Kuba bisher mangels Gegenseitigkeit nicht gegeben, und genau dieser Mangel ist dem Grazer Studenten Robert zum Verhängnis geworden. Er hat am eigenen Leib verspürt, was es heißt, in einem Land wie Kuba eine sechsjährige Gefängnisstrafe abbüßen zu müssen.

Die Geschichte ist bekannt: Er hatte einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang. Die Strafe lautete: sechs Jahre Gefängnis. Er wurde in einem kubanischen Gefängnis interniert, und zwar unter Bedingungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die wir uns kaum vorstellen können: schlechtes Essen, aber auch schlechte ärztliche Versorgung, keine entsprechenden Medikamente, Skorpione in der Zelle, große Sprachprobleme und nur einmal im Monat Besuchserlaubnis. – Es waren wirklich sehr, sehr schlimme Bedingungen, und er war in einem ganz schlechten persönlichen Zustand.

Ich möchte heute betonen: Wenn der Student Robert – wie ich ihn nennen möchte – sich heute in Österreich befindet, dann verdanken wir das insbesondere unserer Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die sich über die Missionen, aber vor allem auch persönlich in Kuba für die Freilassung dieses Studenten eingesetzt hat. Daran erkennen wir, dass diese Außenministerin, die für dieses Land so viel tut, auch in persönlichen, menschlichen Fragen eine außerordentlich großartige Dame ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Hagenhofer: Das wurde nie bestritten!)

Robert befindet sich in der Zwischenzeit in Österreich. Nach eineinhalb Jahren der Verhandlungen und bitterer Entbehrungen ist er krank, abgemagert und seelisch zerstört zurückgekehrt. Mittlerweile ist er in der Karlau in Graz interniert, und wir hoffen, dass er entsprechende Bedingungen in Österreich vorfindet, dass er möglichst bald frei sein und sein Studium in Graz beenden kann.

Wenn man die Vorgeschichte kennt und ein wenig in diesen Fall involviert war, so wie ich persönlich es war, dann freut man sich verständlicherweise, dass wir heute gemeinsam diesen Staatsvertrag beschließen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

21.30

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die internationale Reisetätigkeit hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen, und die touristische Attraktivität der Karibikinsel Kuba hat viele Österreicherinnen und Österreicher in jüngerer Zeit dazu veranlasst, eine Urlaubsreise nach Kuba zu unternehmen. Im Winter genießen viele Österreicherinnen und Österreicher die Sandstrände und das saubere Meer auf dieser Insel.

Leider sind in Einzelfällen damit bilaterale Kontakte verbunden, die eine strafrechtliche Dimension haben. Zwei Härtefälle, von denen Österreicherinnen und Österreicher in Kuba betroffen


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waren, waren schließlich der Anlass dafür, dass Österreich an die kubanischen Stellen herangetreten ist, um ein Abkommen über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen abzuschließen.

Die Experten beider Länder haben dann einen einschlägigen Vertrag ausgearbeitet, und der diesbezügliche Entwurf wurde am 14. Oktober 1999 in Wien unterzeichnet. Durch diesen Vertrag haben nun in Kuba verurteilte Personen aus Österreich die Möglichkeit, die über sie verhängten Freiheitsstrafen in ihrem Heimatland zu verbüßen.

Dies steht sowohl im Interesse des Verurteilten, der in Kuba im Gefängnis sicherlich ungünstigere Umstände zu erwarten hat, als dies beispielsweise in Österreich der Fall ist, zum anderen aber auch im Interesse der österreichischen Gesellschaft, weil die Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft leichter möglich ist, wenn er seine Strafe in Österreich absitzt.

Der Vollstreckungsstaat hat dabei grundsätzlich die im Urteilsstaat verhängte Freiheitsstrafe zu vollstrecken, außer wenn die im Vollstreckungsstaat vorgesehene Höchststrafe überstiegen wird. Auch ist der Vollstreckungsstaat an die Tatsachenfeststellungen gebunden, die der Urteilsstaat in die getroffene Entscheidung einfließen ließ. Die bedingte Entlassung richtet sich aber grundsätzlich nach dem Recht des Vollstreckungsstaates.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich denke, dass auch aus humanitären Gründen der vorliegende Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba zu unterstützen ist, und meine Fraktion wird dieser Vorlage voll zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mainoni. – Bitte.

21.32

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegende Regierungsvorlage betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und Kuba über wechselseitigen Strafvollzug gibt mir Gelegenheit, Ihnen einiges über diese Materie zu sagen. Ich bedauere nur, dass zum Beispiel die Herren Cap oder Pilz momentan nicht anwesend sind. Aber vielleicht hören sie mich über die Hausanlage.

In den Erläuterungen zu diesem Vertrag wird ganz höflich formuliert, dass der Österreicher – ich zitiere – "in kubanischen Gefängnissen mit Situationen konfrontiert ist, die von österreichischen Verhältnissen stark abweichen". – Das ist eine sehr vornehme Formulierung! Eine mir bekannte Person hatte das zweifelhafte Vergnügen, 48 Stunden in Havanna in Untersuchungshaft zu sitzen, und zwar wegen des vermeintlichen Zolldeliktes der illegalen Ausfuhr von Zigarren aus Kuba.

Meine Damen und Herren! Die dortigen Zellen sind drei Meter lang und drei Meter breit, darin befinden sich insgesamt vier Stahlrohrbetten mit verschmutzten Matratzen, und es gibt nur künstliches Licht, eine Glühbirne. Es herrschen Temperaturen jenseits der 40 Grad Celsius, ein Loch im Boden dient als WC, ist als Toilette gedacht, das Trinkwasser ist Zisternenwasser, und es können auf diesen neun Quadratmetern vier Personen bis zu zwei Jahren – so lange kann die Untersuchungshaft in Kuba nämlich dauern – festgehalten werden. (Abg. Öllinger: Waren Sie schon in Traiskirchen?)  – Herr Öllinger! In der Nacht hört man Schreie von Häftlingen, die offensichtlich gefoltert werden.

Dieser Bericht ist für all diejenigen gedacht – wahrscheinlich auch für Sie, Herr Öllinger –, die so große Sympathie für Fidel Castro, diesen máximo leader, und seinen politischen Weg empfinden; und von diesen gibt es hier einige! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiter für alle Castro-Fans – vielleicht hört mich auch Herr Cap –: Die UNO-Menschenrechtskonvention verurteilte Kuba wegen Verletzung fundamentaler Freiheiten – heuer, im Jahr 2000. Und im Juni 2000 erfolgte eine scharfe Rüge wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen


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durch eine Institution, die Sie, sehr geehrte Sozialdemokraten, sehr gut kennen und derer Sie sich auch ganz gerne bedienen, nämlich "amnesty international".

Weiter für alle Freunde des letzten kommunistischen Despoten: Bis heute sind Folterungen an der Tagesordnung, Herr Öllinger! Bis heute sitzen Menschen wegen so genannter Meinungsdelikte in kubanischen Gefängnissen, das sind politische Häftlinge! – Dies sei vor allem den Sozialdemokraten ins Stammbuch geschrieben, die hinsichtlich des kommunistischen totalitären Regimes keine Berührungsängste haben, sondern mit Castro den sozialistischen Bruderkuss tauschen, wie das natürlich schon geschehen ist. (Abg. Heinzl: Sind Sie gegen den Vertrag?)

Zu diesen Freunden Castros zählt in der Sozialistischen Internationalen zum Beispiel Ihr Freund, der deutsche Bundeskanzler Schröder. Er überschlägt sich förmlich vor Einladungen. 1985 war er bereits bei Fidel Castro in Kuba, 1996 wurde er vom kommunistischen Diktator empfangen, aber er war nicht nur wegen der Zigarren dort, sondern auch, weil er die Politik in diesem Land offensichtlich für so faszinierend hält. Dieser Herr Schröder, der zugleich die Sanktionen gegen Österreich als wichtig und notwendig erachtet, empfängt und begrüßt solche Herrschaften! (Zwischenruf des Abg. Heinzl. )

Vor wenigen Monaten hat der deutsche Bundeskanzler Schröder – und das wirft ein bezeichnendes Licht auf diese Person – noch gesagt: Die deutsche Regierung ist fest entschlossen, die EU-Sanktionsmaßnahmen gegen Österreich die ganze Legislaturperiode lang durchzuhalten. – Originalzitat Schröder. Und dieser Herr Schröder lädt den kommunistischen Diktator Fidel Castro feierlich nach Deutschland ein, wie es jetzt der Fall war, meine Damen und Herren! (Abg. Haigermoser: Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dieser Diktator, in dessen Land politische Haft, Folter und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, wird von der deutschen Regierung offiziell und freundschaftlich eingeladen!

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, für alle, die es nicht wissen: Es gibt auch einen Fanclub des kommunistischen Diktators hier im Hohen Haus, allen voran Herr Dr. Peter Pilz. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Herr Dr. Peter Pilz bereiste bereits in seiner Jugend Kuba und nahm an einer Arbeitsbrigade teil – was auch immer das sein soll –, um die Segnungen des Kommunismus aus nächster Nähe kennen zu lernen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weitere Castro-Fans und Verehrer sind Herr Josef Cap – er ist leider nicht hier, wahrscheinlich genießt er gerade ein Glas toskanischen Weines –, Herr Peter Pelinka, aber auch Herr Michael Häupl, seines Zeichens Bürgermeister von Wien. – All das sind Castro-Verehrer und Verehrer dieses Regimes. Überdenken Sie einmal die Sympathien zu diesem kommunistischen Diktator, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie heute – gerade Sie, meine Damen und Herren Sozialdemokraten, Herr Gusenbauer, Frau Bures und Konsorten – des Öfteren das Wort "menschenverachtend" in den Mund genommen haben, dann möchte ich sagen: Für mich verhalten sich diejenigen Politiker menschenverachtend, die mit einem kommunistischen Diktator sympathisieren, mit einem Mörder, wie New Yorks Bürgermeister Giuliani dies formulierte! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

21.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es gab auch einen Besuch des Papstes in Kuba. (Heiterkeit. – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Miedl. Er hat das Wort.

21.39

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Bures und Frau Abgeordnete Stoisits! Ich bin einigermaßen betroffen im Hinblick auf die Motive, die Sie uns hinsichtlich der Änderung des § 84 Strafprozessordnung unterstellen.


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Meine Damen und Herren! Sie haben uns letztlich betreffend das Thema Kindesmissbrauch – eines der heikelsten, schwierigsten und sensibelsten Themen im gesamten Strafrecht – billigen Revanchismus unterstellt. – Tatsächlich geht es darum, dass wir aufgrund der Situation, in der wir uns befinden, eine Fortentwicklung der gesetzlichen Situation vorantreiben wollen und werden, und ich werde auch begründen, warum, Frau Kollegin Stoisits.

Wir ändern § 84 Strafprozessordnung in Wahrheit nur in einer Passage. Die Helferverbände sind so wie bisher von der Anzeige ausgenommen. Allerdings wird für den Fall, dass es im Interesse des Opfers erforderlich ist, dazu aufgefordert, sehr wohl Anzeige zu erstatten. Und ich werde jetzt ausformulieren, wieso ich glaube, dass das notwendig ist.

Meine Damen und Herren! Kinder, die Opfer eines sexuellen Missbrauchs werden, treffen auf ihren Täter oder Peiniger sehr oft im Familienkreis. Es gibt dann im Regelfall die zaghafte Mutter, die nicht weiß, was wirklich stimmt: die Information des Kindes oder die Beteuerung des Vaters oder des Stiefvaters. Es gibt den sehr vehement abstreitenden Vater oder Stiefvater, und es gibt das Kind, das verängstigt, besorgt, frustriert und verunsichert ist.

Auf Grund dieser Situation haben sich zumindest in der Steiermark zweierlei Schulen für Sozialarbeiter entwickelt, die für mich sehr bedenklich sind, weil es keine einheitliche Vorgangsweise gibt. Die eine Schule vertritt die Auffassung, dass man den Täter nach Möglichkeit so lange wie möglich im Familienkreis belassen soll, weil die Familie als Einheit therapiert werden soll. Dabei kommt es immer wieder vor, dass der peinigende Vater oder Stiefvater erneut sexuell aggressiv gegen das Kind vorgeht. – Die zweite Schule spricht davon, dass der Täter so rasch wie möglich aus dem Familienverband entfernt werden soll, damit das Opfer so rasch wie möglich therapiert werden kann. – Die Wahrheit wird wahrscheinlich in der Mitte liegen.

Meine Damen und Herren! Auf Grund dieses Umstandes haben wir in der Steiermark Therapeuten, Richter, Anwälte, Politiker und alle, die sich dafür interessiert haben, zusammengefasst und versucht, eine neue Vorgangsweise zu erarbeiten. Die Psychotherapeuten und Sozialarbeiter haben übereinstimmend gesagt, dass auf alle Fälle folgendes notwendig ist: Will man das Opfer therapieren oder Therapieversuche unternehmen, dann muss die Schuld vom Opfer fortgewiesen werden. Im Regelfall fühlen sich nämlich die Mädchen, minderjährige Mädchen, aber auch die Buben schuldig, wenn sie Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden sind. Solange die Schuld nicht vom Opfer weggebracht wird, ist eine Therapie nicht möglich.

Jetzt ganz kurz zu einem Beispiel, das meiner Meinung nach diese Bestimmung heute emotional wie auch sachlich geradezu herausfordert und forciert. Ich bringe Ihnen ein Fallbeispiel, das via Video dokumentiert ist und Ihnen jederzeit, weil es anonym ist, vorgespielt werden kann:

Ein 12-jähriges Mädchen wird – das war vor sieben Jahren, also genau in der Zeit, in der man diese Änderung der Strafprozessordnung das erste Mal durchgeführt hat – von seinem Stiefvater missbraucht. Es kommt in weiterer Folge zu einem Schwangerschaftsabbruch. Der Täter bleibt im Familienkreis. Die Sozialarbeiter erfahren erstmals von der Tatsache der Peinigung. Der zweite Schwangerschaftsabbruch folgt zwei Jahre später.

Meine Damen und Herren! Der Täter wird noch immer nicht angezeigt, und die Sozialarbeiter machen jetzt etwas, was ich wirklich unverschämt finde: Sie spielen Detektiv, vernehmen den Täter ein und sagen wortwörtlich: Wenn du nicht gestehst, dann bringen wir den Fall an die Öffentlichkeit. – Und zu dem Mädchen sagt man: Wenn du uns nicht sagst, was los ist, dann wird es dir nicht gut gehen.

Meine Damen und Herren! Genau diese Tatsachen sind es, die professionelle Hilfe notwendig machen. Ich habe heute mit mehreren Sozialarbeitern gesprochen, und ich glaube, dass diese Regelung, die wir heute beschließen werden, eine für die Allgemeinheit verträgliche ist, mit der die Sozialarbeiter und vor allem auch die Opfer ganz gut leben können. Wir werden diesem Antrag zustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.43


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Bitte die Plätze einzunehmen, denn wir haben jetzt eine Reihe von Abstimmungen vorzunehmen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zu den Abstimmungen, die über die einzelnen Ausschussanträge getrennt vorgenommen werden.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 289 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen Zusatz- und Abänderungsanträge eingebracht.

Es wird daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- oder Abänderungsanträgen betroffenen Teile, und zwar der Systematik des Gesetzentwurfes entsprechend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abgestimmt werden.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag auf Änderung der §§ 15, 48, 48a und 77 des Artikels I eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür stimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits, Dr. Jarolim und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 84 Abs. 2a bezieht.

Auch hier darf ich für den Fall der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen bitten. – Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 84 Abs. 2a bezieht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Dieser Abänderungsantrag ist mehrheitlich angenommen worden.

Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel I §§ 112, 209, 218, 221 und weitere Bestimmungen eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist nicht die Mehrheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Kollege Dr. Jarolim, Frau Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag zu Artikel I § 285 eingebracht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 285 bezieht.

Im Falle der Zustimmung ersuche ich um ein Zeichen. – Dieser Abänderungsantrag ist mit Mehrheit angenommen worden.

Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag zu Artikel I § 294 eingebracht.


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Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag findet keine Mehrheit.

Ich komme daher zur Abstimmung über Artikel I § 294 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Diese Bestimmung ist in der Fassung des Ausschussberichtes mit Mehrheit angenommen worden.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel I §§ 352, 357, 395, 427, 445a, 455 und 466 eingebracht.

Ich lasse über diese Vorschläge gemeinsam abstimmen und bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen der Bejahung. – Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag zu Artikel I § 467 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Der Antrag findet keine Mehrheit.

Ich komme zur Abstimmung über Artikel I § 467 Abs. 5 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung darf ich um ein diesbezügliches Zeichen bitten. – Diese Bestimmung in der Fassung des Ausschussberichtes ist mit Mehrheit angenommen worden.

Die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag zu Artikel I § 471 eingebracht.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Antrag folgen wollen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, der Antrag findet keine Mehrheit.

Ich komme zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Im Falle der Zustimmung erbitte ich ein Zeichen. – Die Fassung des Gesetzes im Sinne des Ausschussberichtes ist mehrheitlich angenommen worden.

Die Kollegen Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Artikel I §§ 478 und 480 eingebracht.

Ich bitte im Falle der Zustimmung um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag zu § 489 in Artikel I eingebracht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein Zeichen. – Ich stelle fest, der Antrag findet keine Mehrheit.

Ich komme daher zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes und bitte im Falle der Zustimmung um ein Zeichen. – Der Artikel I § 489 in der Fassung des Ausschussberichtes ist mit Mehrheit angenommen worden.

Die Abgeordneten Dr. Fekter, Dr. Ofner und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel III des Gesetzentwurfes eingebracht.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Artikel III ist in der Fassung des Abänderungsantrages mit Mehrheit angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese restlichen Teile des Gesetzentwurfes sind mit Mehrheit in zweiter Lesung angenommen.

Damit ist die zweite Lesung beendet. Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, dass jene Damen und Herren, die in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, dies bekunden. – Ich stelle fest, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 64 der Beilagen, das ist der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Kuba, über die wechselseitige Vollziehung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Staatsvertrag mit Kuba zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, dass dieser Vertrag einstimmig vom Hohen Haus genehmigt wurde und beschlossen ist. (Abg. Kiss: Wenn es um Kuba geht, sind sie dabei! – Abg. Schwarzenberger: Das sind Gesinnungsgenossen!)

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

11. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Bericht (III-43 der Beilagen) des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 16.4.1998, E 110-NR/XX. GP (217 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Liegt ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung vor? – Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Debatte und bitte Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl als erste Rednerin zum Rednerpult. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

21.52

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der uns vorliegende Bericht zur Einkommenssituation von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung ist ein sehr wertvolles Dokument, auch wenn er ein sehr ernüchterndes Ergebnis präsentiert. Die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern betragen nach wie vor im Schnitt zirka 28 Prozent, und die Ursachen dafür sind in vielen Dimensionen zu suchen. Ich werde jetzt die mir am wichtigsten erscheinenden darstellen und dann versuchen, daraus Konsequenzen abzuleiten.

In erster Linie ist die Berufswahl entscheidend, die ein Mensch in seinem Leben trifft. Da ist festzustellen, dass Frauen sich eher für Berufe in Niedriglohnbranchen entscheiden oder, anders gesagt, aber mindestens genauso richtig, dass in den Branchen, in denen vor allem Frauen arbeiten, die niedrigen Löhne dominieren.

Der zweite Punkt ist die Bildung. In diesem Bericht kommt klar und deutlich zum Ausdruck, dass die Bildung die Einkommensunterschiede minimiert, also ein besonders wichtiges Instrument zur Senkung der Einkommensunterschiede darstellt.

Ein aus meiner Sicht sehr interessantes Detailergebnis ist, dass bereits im Starteinkommen ein Unterschied zwischen Männern und Frauen von 18 Prozent zu Lasten der Frauen besteht, was man eigentlich nur als "Geschlechtsabschlag" bezeichnen kann, den die Arbeitgeber in der Einstufung von Frauen vornehmen.

Ein besonders wichtiger Punkt ist auch, dass Berufsunterbrechungen sehr drastische Auswirkungen auf die Einkommenssituation nach sich ziehen. Es wird in diesem Bericht nachgewie


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sen, dass eine fünfjährige Berufsunterbrechung einen Einkommensverlust von minus 9 Prozent bewirkt. Im Unterschied dazu kann eine Frau, die in diesen fünf Jahren in ihrem Job bleibt, das Einkommen um plus 20 Prozent verbessern. Das heisst, die Differenz summiert sich dann in diesen fünf Jahren auf nahezu 30 Prozent.

Ein weiterer Punkt, den ich in diesem Zusammenhang noch ansprechen möchte, ist die ungleiche Verteilung der Versorgungsarbeit, die natürlich zu Lasten der Frauen ausgeht. Um die Langsamkeit der Entwicklung und die Komplexität darzustellen, die notwendig ist, um hier anzusetzen, möchte ich kurz das Szenario, wie der Prozess vorangetrieben werden könnte, schildern, welches in diesem Bericht dargestellt wird. Es wird dabei davon ausgegangen, dass es einen Konsens darüber gibt, die Einkommensungleichheit innerhalb von zehn Jahren um ein Fünftel zu verringern.

Wenn man sich in Österreich auf ein solches Ziel einigen würde, dann wäre das erreichbar, wenn Jahr für Jahr die Berufschancen für mindestens zwei Drittel der Berufsanfängerinnen an jene ihrer männlichen Kollegen angepasst würden und wenn sich in der Hälfte der Haushalte, in denen ein Kind geboren wird, Mutter und Vater entschlössen, eine gleichartige Balance zwischen beruflicher Leistung und persönlicher Versorgung zu finden. – Sie sehen, es wäre ein sehr ambitioniertes Szenario, und dennoch würden wir in diesen Jahren nur einen geringen Fortschritt erzielen.

Welche Schlüsse kann man aus diesem Bericht ziehen? – Zum einen den Schluss, dass die Schritte, die die Bundesregierung jetzt setzt, genau in die falsche Richtung weisen. Im Bildungsbereich – um diesen anzusprechen –, der ein wichtiges Instrument in dieser Frage wäre, wird durch die Einführung der Studiengebühren wieder die Diskussion forciert, ob Mädchen mit einer höheren Grundausbildung wirklich die Chance bekommen, diese Bildung zu absolvieren.

Und mit Ihrem Modell des Kindergeldes schaffen Sie ein Anreizsystem für lange Berufsunterbrechungen und ein System, das die Rollenbilder und die Rollenaufteilungen verfestigen wird. All das steht dem entgegen, dass die Versorgungsarbeit aufgeteilt werden müsste.

Die Regierungsparteien haben sich offensichtlich dazu entschlossen, die Weichen in die falsche Richtung zu stellen und Maßnahmen zu setzen, die die Einkommensunterschiede weiter vergrößern werden. Nach Lektüre dieses Berichtes muss ich sagen: Sagen Sie bitte nicht, Sie täten es nicht wissentlich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

21.57

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich vorweg bei den Autoren und bei allen, die an diesem Bericht mitgearbeitet haben, sehr herzlich bedanken. Soviel ich mich erinnern kann, war es ein Begehren des Gleichbehandlungsausschusses und der Frauen aller Fraktionen in diesem Hause, verknüpfte Daten zu erstellen, die uns gerade in dieser sehr sensiblen Frage – gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – helfen sollten, jene Ansätze zu finden, die jetzt vorliegen.

Dieser Bericht beschäftigt sich mit dem Beobachtungszeitraum von 1977 bis 1996, wird von Herrn Bundesminister Bartenstein vorgelegt, wurde jedoch von Frau Bundesministerin Hostasch begonnen.

Dieser Bericht ist von der Gliederung und von der Information her ausgezeichnet. Er ist aber nicht weniger deprimierend als alle Berichte, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, wenn man bedenkt, dass Fraueneinkommen beziehungsweise die Forderung nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit eigentlich bereits zu Beginn der Frauenbewegung eine der drei zentralen Forderungen der Frauen war, also schon vor 170 Jahren. Das Recht auf gleiche Ausbildung ist verwirklicht, das Wahlrecht ist erreicht, aber es ist äußerst schwierig, den gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit durchzusetzen oder zu erreichen.


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Es gibt einige Schwerpunkte, die von vornherein schon festgelegt beziehungsweise aufgezeigt wurden: zum Beispiel die Erstwahl. Es verblüfft mich immer wieder – wir haben ja nicht nur die gesetzlichen Vorsorgen getroffen –, dass Verhaltensänderungen letztendlich offenbar schwieriger sind, als wir sie uns vorgestellt haben. Wir drängen darauf, dass Frauen die Ausbildung und die Bildung als sehr wesentlichen Punkt ihrer Lebensgestaltung sehen und nicht meinen, durch irgendwelche familiären Versorgungsverpflichtungen letztendlich ihr Leben bis zum Lebensende bestreiten zu können. Ich glaube, dass wir in diesem Zusammenhang schon sehr viel getan haben.

Ein weiterer Punkt, den ich noch hervorheben möchte, ist auch ein besonders schwieriger: Es ist nämlich nicht nur die Berufswahl ein Problem, sondern auch der Wiedereinstieg, der gerade im städtischen Bereich von anderen Möglichkeiten begleitet ist als im ländlichen Bereich. Dort steuert man bei der Berufswahl oft noch immer den erstbesten Beruf oder den erstbesten Arbeitsplatz an, um in räumlicher Verbindung mit den Eltern beziehungsweise dann später mit der eigenen Familie zu sein. Letztendlich geht aber dadurch bei einer geringen Einkommenssituation, bei einer geringen Qualifikation die Spirale nach unten, und zwar bis zur Altersversorgung, sodass dann auch die Altersversorgung wesentlich geringer ist.

Tatsache ist, dass offensichtlich – und das haben die Autoren bemerkt – die gesetzlichen Regelungen relativ weit ausgereizt sind, dass es nicht mehr sehr viele Möglichkeiten gibt und dass man Entwicklungen immer nur in einem Beobachtungszeitraum von in etwa zehn Jahren sehen kann. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass all das, was wir im Nationalen Beschäftigungsplan für die Frauen gemacht haben und was hier natürlich noch nicht aufscheinen kann, letztendlich dann in einem nächsten Bericht schon positive Früchte zeigt.

Frau Kollegin Kuntzl! Etwas, was wir ÖVP-Frauen schon immer gewollt haben, betrifft auch Ihre Befürchtungen: Man muß das Arbeitsverbot während der Karenzzeit einfach lockern beziehungsweise aufheben. Mit der Maßnahme "Karenzgeld für alle" soll das geschehen, damit eine Fußangel weg ist und die Frau nach Verfügbarkeit und nach ihren eigenen Wünschen ihre Berufstätigkeit weiter ausüben kann, vielleicht nur vermindert, vielleicht auch stufenweise – so, dass sie sozusagen den Fuß in der Tür hat und später ihren Beruf wieder voll ausüben kann.

Frau Kollegin Kuntzl! Ich glaube, dass die Schlussfolgerungen nicht ganz ... (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. )  – Das haben wir ja gemacht! Das war ein Begehren der ÖVP-Frauen, eine ganz vehemente Forderung im Rahmen des Frauen-Volksbegehrens, weil wir gesehen haben, dass das das größte Handicap für den Wiedereinstieg ist. Wenn man einmal draußen ist, dann ist man draußen! (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Wie auch immer: Die Verfügbarkeit für den Beruf ist ein ganz wesentlicher Bestandteil dieser Forderung. Ich glaube, dass das letztendlich auch in diesem Punkt des Wiedereinstiegs ein wesentlicher Lösungsansatz sein kann.

Natürlich gibt es da viele Möglichkeiten. Wir haben uns entschlossen, mit dem Koalitionspartner zu diesem Thema auch eine Enquete abzuhalten und zu versuchen, noch einmal in den einzelnen Bereichen, aus denen wir jetzt die Unterlagen haben, Möglichkeiten und weitere Lösungen zu finden, um diesem Problem besser begegnen zu können.

Ich sage noch einmal: Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir in diesem umfassenden Bericht jene Wünsche berücksichtigt finden, die wir betreffend Verknüpfung von Daten und Vergleichszahlen, zu denen wir bislang keinen Zugang hatten, gehabt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Aumayr. Die Redezeit ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

22.04

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Der Bericht über das Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung ist – das muss man wirklich sagen – kein erfreulicher Bericht. Die darin enthaltenen Zahlen müssen uns allen wirklich zu denken geben. Wenn man sich vorstellt, dass im Jahr 2000 die Einkom


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mensdifferenz 30 Prozent beträgt, dann kommt das wirklich einer schweren Diskriminierung der Frauen gleich.

1997, also vor drei Jahren – ich glaube, das ist bis heute nicht anders –, betrug das mittlere Einkommen von Männern in unselbständiger Beschäftigung rund 25 000 S pro Monat, das der Frauen 17 000 S. Frauen mit Universitätsabschluss oder Fachschulabschluss müssen eine Einkommensdifferenz von rund 10 Prozent hinnehmen, das heißt, ihr durchschnittliches Einkommen beträgt um 10 Prozent weniger.

Dieser Bericht zeigt aber auch, dass der Einkommensabstand zwischen Männern und Frauen seit 30 Jahren kaum geringer geworden ist! Er ist seit 30 Jahren annähernd gleich. Frau Ex-Ministerin! Da muss man sich schon fragen: Wie erfolgreich ist eigentlich die sozialistische Frauenpolitik gewesen? – Immerhin haben Sie sämtliche Frauenministerinnen in dieser Regierung in den vergangenen Jahren gestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Das wird sich alles unter Schwarz-Blau ändern! Sickl ist die beste Person, dies zu ändern!)

Wie erfolgreich ist diese Frauenpolitik für die österreichischen Frauen gewesen? – Aber ich brauche das eigentlich gar nicht zu fragen, denn die Antwort steht in diesem Bericht. (Abg. Dr. Mertel: Sickl ist die beste Person, dies zu ändern! – Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) In diesem Bericht kommt zum Ausdruck, dass der wirtschaftliche Nutzen der sozialistischen Frauenpolitik – der SPÖ-Frauenministerinnen – für die Frauen in Österreich gleich null war.

Frau Kollegin Prammer! Sie von der SPÖ haben wirklich keinen Grund, die jetzige Bundesregierung in Sachen Frauenpolitik zu kritisieren. Frau Kollegin, dieser Bericht ist eine Bankrotterklärung Ihrer Politik! (Anhaltende Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Mertel und Mag. Prammer.  – Rufe bei der SPÖ: Was ist mit der Mitversicherung?!) Ihre Politik hat für die Frauen absoluten Stillstand bedeutet! Seit 30 Jahren hat sich beim Einkommen zwischen Frauen und Männern nichts bewegt. (Abg. Mag. Wurm: Was ist mit der Mitversicherung?!)

Frau Kollegin Prammer! Außer Spesen nichts gewesen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich wiederhole: Außer Spesen nichts gewesen! Frau Kollegin Prammer! Sie haben zugeschaut! Widerspruchslos haben Sie hingenommen, dass die Frauen um 30 Prozent weniger verdienen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Nein! – Abg. Mag. Wurm: Sind Frauen ohne Kinder keine Frauen für Sie? – Anhaltende Zwischenrufe der Abg. Mag. Prammer. )

Tausende Frauen, Zigtausende Frauen haben keine Pension, stehen heute ohne Pension da! Sie schweigen dazu, dass Frauen bei Krankenzusatzversicherungen die doppelte Prämie bezahlen müssen. Das ist eine echte Diskriminierung! (Abg. Mag. Prammer: Was machen Sie mit der ...? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)  – Frau Kollegin Prammer! Frauen müssen, wenn sie eine Zusatzversicherung abschließen, die doppelte Prämie bezahlen, nur weil sie Frauen sind! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Das ist kein Schwachsinn, Herr Kollege! Frauen zahlen bei der Zusatzversicherung die doppelte Prämie.

Frau Kollegin Prammer! Sie waren Frauenministerin und Konsumentenministerin. Sie haben in beiden Bereichen versagt. – Nicht genügend, setzen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Typisch Aumayr! – Rufe bei der SPÖ: Maischmayr!)

22.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

22.07

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich knüpfe gleich bei den Schlussworten meiner Vorrednerin an. Frau Kollegin Aumayr! Ich hätte es sehr begrüßt, wenn Sie mich im Kampf gegen die Diskriminierung durch private Versicherungsgesellschaften unterstützt hätten. Bisher war ich da sehr, sehr alleine. Die einzige Ausnahme waren die Gleichbehandlungsanwältin – sie hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten einiges versucht – und einige Kolleginnen von der ÖVP, das muss ich auch sagen.


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Die Diskriminierung ist eine himmelschreiende, und immer dort, wo das Frausein zum Nachteil der Frauen eingesetzt werden kann, passiert es: bei der Krankenversicherung etwa oder bei den privaten Pensionskassen, wo die längere Lebenserwartung zum Nachteil der Frauen durchschlägt und es völlig außer Acht bleibt, dass sie viel geringere Chancen haben, auch nur annähernd gleiche Beträge einzuzahlen. Diese geringeren Beträge werden dann auf längere Zeit aufgeteilt. Das wird die Armut zum Quadrat für Frauen, und Sie wissen das.

Ich halte es für verfassungswidrig, wenn man dieses Kriterium in Versicherungsverträge einbaut, während andere Kriterien, von denen wir wissen, dass sie zu Lasten der Männer wirken würden – etwa ein höheres Risiko im Straßenverkehr oder durch Extremsportarten und in vielen anderen Bereichen –, außer Acht gelassen werden.

Der Herr Bundeskanzler – ich habe diese Anfragebeantwortung vom 6. September 2000 heute schon erwähnt – will offenbar, dass das so bleibt. Ich will das nicht! Es würde mich sehr freuen, wenn vielleicht auch einmal die Kolleginnen der Regierungsparteien die Männer in ihren Fraktionen auf dieses Problem aufmerksam machen würden, denn offenbar fällt den Versicherungsgesellschaften der Faktor Frau nur dann auf, wenn er zu höheren Prämien führt. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Bericht, zu der Studie "Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung". (Abg. Aumayr: Soviel zum Schwachsinn der ...!) Ich werde diesem Bericht, entgegen den sonstigen Gewohnheiten im Grünen Klub, zustimmen, obwohl der Inhalt einer ist, der nicht Anlass zur Freude gibt. Aber frau wird schon bescheiden, denn ich finde es fast schon keine Selbstverständlichkeit mehr, dass Berichte überhaupt das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Ich kenne manche Studie beziehungsweise habe ich gehört, dass es so manche Studie geben soll, die wegen der Unliebsamkeit ihres Inhalts in bestimmten Schubladen verbleibt.

Insofern finde ich es wichtig und richtig, dass es diesen Bericht gibt und dass wir die Möglichkeit haben, darüber zu reden – auch über den unerfreulichen Inhalt zu reden. Frau Staatssekretärin! Ich sehe darin eine Verpflichtung des Ressorts, dass die Anregungen, die hier gegeben werden, aufgegriffen werden und dass auch die Forschungsarbeit in diese Richtung intensiviert wird.

Dieser Bericht setzt auch ein Ziel – es ist nicht nur eine Erfassung des Status quo –, und auch deswegen kann ich dem Bericht zustimmen. Er zeigt Wege auf, wie wir die Einkommensungleichheit über die Jahre verringern können. Hier wird ein in meinen Augen sogar ambitioniertes Ziel der Verringerung des Abstandes von Frauen- und Männereinkommen um 6 Prozentpunkte – 6 Prozentpunkte von 30 Prozent – innerhalb von zehn Jahren angenommen. Da sind wir noch immer weit weg von der Gleichheit, da sind wir noch immer weit weg von der Gerechtigkeit, und trotzdem sehe ich im Moment noch keine legistische Maßnahme, die Anlass zur Hoffnung gibt, dass wir auch diesem Ziel einer wenigstens kleinen Verringerung des großen Abstandes näher kommen könnten.

Die Maßnahmenfelder, die hier angegeben werden, sind eigentlich sonnenklar. Mit diesen Maßnahmen gehe ich konform. Dazu gehört der Ausgleich der Berufsstartchancen, das heißt die Förderung von Frauen und Mädchen in Berufen, die nicht typische Frauenberufe sind, und damit eine Verbreiterung der Palette. Wir wissen, dass es heute auch zum Nachteil der Frauen gereicht, dass sie sich auf viel weniger Berufe als die Männer konzentrieren und daher im Falle von Branchenschwierigkeiten geringere Chancen haben, zu wechseln oder umzusteigen.

Weiters geht es um einen Ausgleich der Aufgabenteilung Beruf – persönliche Versorgung zwischen Frauen und Männern und auch um Maßnahmen in der Berufssphäre, der betrieblichen Sphäre, zugunsten der Frauen.

Was jetzt passiert, halte ich nicht für zielgerichtet. Denn es wird immer betont, dass ein Systemwechsel bei der Karenzfinanzierung, Kinderbetreuungsfinanzierung eine höhere Zuverdienstmöglichkeit eröffnen wird. Nur, meine Damen und Herren: Was heißt bei einem Familienlastenausgleichsmodell eine höhere Zuverdienstgrenze, und zwar nur berechnet vom Fraueneinkommen? – Bisher war es bei den Familienlastenausgleichsfonds-Leistungen so, dass es – nämlich insbesondere, wenn es um die Männer, um die Familienerhalter ging – gar keine Zuverdienst


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grenzen gab! Warum also erstmals zu Lasten der Frauen ein nicht systemimmanentes Instrument einsetzen?

Da müssten Sie genauso bei den Familienbeihilfen irgendwelche Grenzen einziehen, und da hat meiner Meinung nach die ÖVP immer zu Recht nein gesagt. Warum also geben da offenbar die ÖVP-Frauen nach, wenn es jetzt zu Lasten der Frauen geht? – Ich verstehe das nicht.

Außerdem wird das genau die qualifizierten Frauen treffen, meine Damen und Herren, also die Frauen, die wir eigentlich ermutigen, begünstigen und auch als Vorbild zeigen wollen, oder die Alleinverdienerinnen, die gar keine andere Option haben, als weiter berufstätig zu sein. Warum eine Frau, die beispielsweise 15 000 S selbst verdient und Kinderbetreuung braucht und will, kein Karenzgeld, kein Kinderbetreuungsgeld bekommen soll, verstehe ich nicht. (Abg. Dr. Brinek: O ja! Soll sie auch!) Das verstehe ich nicht. Es ist aber in den Modellen so drinnen, und das ist unbegreiflich. (Beifall bei den Grünen.) Ich glaube auch nicht, dass das verfassungskonform zu lösen ist.

Ein Weiteres: Ich denke, wenn es ein Ziel ist – und das ist hier im Bericht drinnen –, auch die Männer an ihre Verantwortung für die Privatsphäre, für Kinder, für den Haushalt, für die Reproduktionsarbeit zu erinnern, warum bleibt dann etwa ein Anspruch eines Kindes gegen den Vater außer Betracht? Besteht Anspruch nur gegen die Mutter? – Das ist rechtlich nicht nachzuvollziehen! Ich glaube, dass es auch nicht verfassungskonform ist.

Ein Weiteres betrifft die Mittelverteilung. Sie sind offenbar bereit, mit dieser Kinderbetreuungsregelung in etwa 8 Milliarden zusätzlich ausgabenseitig zu bewegen. (Abg. Dr. Mertel: Zusätzlich!) Ich weiß nicht, ob das tatsächlich geschehen wird. Aber eines ist sonnenklar: Die Möglichkeit, zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen – nämlich wirklich gute, qualitätsgesicherte, den jeweiligen Bedürfnissen der Eltern der Kinder entsprechende –, ist damit gleich null, und zwar mit absoluter Sicherheit.

Frau Kollegin Brinek! Die bisher ohnehin nur bescheidene Finanzierung von zweimal 600 Millionen aus Bundesmitteln für zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen ist ratzeputz ausgeschöpft! Dort ist null vorhanden, und die zusätzliche Finanzierung bisher, in den jetzigen Entwürfen, ist auch null. Das heißt aber, dass das Defizit, das auch von der EU immer wieder moniert wird – Österreich tut zu wenig, vor allem für die Kinder unter drei und für die Kinder von sechs bis zehn Jahren, das heißt, die Volksschulkinder; hier wissen wir, dass es gewaltige Defizite gibt, und auch bei den ... (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Kinder unter drei sollten zweckmäßigerweise bei der Familie sein!)

Aha, hier kommt wieder die sonderpädagogische Meinung der Freiheitlichen! Sie widerspricht all dem, was wir wissen. Und vor allem – vielleicht meldet sich doch noch eine ÖVP-Frau zu Wort, wenn hier die männlichen Kinderbetreuungsexperten ihre gewichtige Meinung einbringen und damit auch die Frauen de facto an den Herd verbannen –: Ich wehre mich dagegen, und ich finde es eine unglaubliche Impertinenz, immer zu unterstellen (Beifall bei den Grünen), dass Frauen, die einen Beruf weiter ausüben und Kinder betreuen, nichts zu tun haben mit der Arbeit für Kinder und im Haushalt. Stellen Sie sich vor, es gibt Doppel- und Dreifachbelastungen, und die Frauen nehmen sie wahr! Und sie werden von dieser Gesellschaft dafür diskriminiert und ungleich behandelt! Das ist der Skandal! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Aber auch berufstätige Eltern nehmen ihre Verpflichtung wahr und kümmern sich um ihre Kinder. Es ist für Kinder das beste und förderlichste Modell, abgestimmt auf das Alter des Kindes und auf die Bedürfnisse der Eltern, vor allem der Mütter, eine zeitliche Betreuungslösung zu finden. Wir wissen aus allen Studien, dass die Kinder, die frühzeitig Gelegenheit haben, mit anderen Kindern in Kleingruppen in Kontakt zu kommen, das wesentlich bessere Sozialverhalten lernen – klar, auch das muss gelernt werden! –, dass sie weit weniger Gefahr laufen, durch eine Verengung der Sozialbeziehungen, vielleicht auch durch schlechte Familienverhältnisse, zu Schaden zu kommen, und insgesamt, dass es der Entwicklung von Kindern sehr, sehr förderlich ist.


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Ich denke, man sollte auch einmal die Leistungen der professionellen Kinderbetreuerinnen und -betreuer, der Tageseltern gebührend würdigen. Warum Sie diese Leistungen immer abqualifizieren, ist mir unverständlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sehen, wie bei einer so kleinen Debatte sofort die Ideologie durchbricht. Das ist eigentlich angestrebt. (Abg. Jung: Sehr richtig!) Es ist eigentlich angestrebt, dass Frauen durch dieses Modell der Kinderbetreuung in der alten Aufgabenverteilung bleiben. Da hören Sie es, Frau Steibl, Frau Brinek: Der eigentliche Zweck dieser ungleichen Mittelverteilung, der Gießkanne einerseits und der absoluten Nullfinanzierung andererseits, der Zweck dieser Operation ist klar: Bestehende gesellschaftliche Aufgabenverteilungen sollen sich bloß nicht ändern! Die Privilegien derer, die sie heute fest umklammert haben, sollen bleiben! Insgesamt wird damit die Kluft zwischen Österreich und anderen Staaten – die auch unzureichend, auch noch mit vielen Defiziten, aber zumindest probieren, einen besseren Weg zu beschreiten – größer werden.

Meine Damen und Herren! 30 Prozent Unterschied für die gleiche Leistung, eine Verdrängung von Frauen aus Ganzzeit-Arbeitsplätzen, das ist der Befund, vor dem wir stehen. Es wird nicht zuletzt auch an den Frauen in diesem Haus, auch an den Frauen in den Regierungsparteien liegen, ob zumindest die Möglichkeit besteht, die Erkenntnisse der Forschung teilweise umzusetzen und weiterzuforschen, oder ob Sie denn Herren mit einer ganz bestimmten Voreinstellung das Feld überlassen, das Geld überlassen und damit die Kluft mit Sicherheit vergrößern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

22.20

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich brauche nicht zu wiederholen, dass wir diesen Bericht für einen guten Bericht halten und dass wir die Ergebnisse, die darin zu lesen sind, nicht besonders ermutigend finden. Lassen Sie mich im Wesentlichen nur zu ein paar inhaltlichen Fragen Stellung nehmen, aber vielleicht auch noch eine Anmerkung zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Aumayr machen.

Ich denke, wenn wir hier über Fragen der Gleichbehandlung von Frauen reden, dann halte ich es wirklich für zu billig, wenn eine der Abgeordneten der Regierungsparteien, Frau Aumayr, nichts anderes zu tun hat, als zu vergessen, dass Sie schon in der Regierung sitzen, und in die Vergangenheit keppeln! (Abg. Aumayr: Der Bericht ist vom Jahr 1998!) Die Angelegenheit der Frauen, Frau Aumayr, ist wichtig genug, dass wir vielleicht versuchen, in diesem Hohen Haus gemeinsam etwas daraus zu machen! Es kann doch nicht um die Frage gehen, ob schon alles wunderbar ist. Es geht um die Frage, Frau Aumayr, ob wir vielleicht gemeinsam endlich etwas im Interesse der Frauen verbessern können! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie der Abg. Dr. Brinek.  – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich zu zwei inhaltlichen Punkten kurz ein paar Anmerkungen machen. Der eine Punkte, der sehr deutlich zeigt, wo das Problem liegt, sind die Einstiegseinkommen. Das heißt, Frauen verdienen, wenn sie zu arbeiten beginnen, im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer.

Tatsächlich ist es so, dass die Politik in diesem Feld nicht allzu viele eigene Karten in der Hand hat. Das eine, worauf wir Einfluss nehmen können, worauf die Politik Einfluss nehmen kann, ist der öffentliche Dienst. Dort sind im Prinzip bei oberflächlicher Betrachtung die Einstiegsgehälter dieselben. Aber wir sollten darauf achten, dass auch die Chancen der Entwicklung in diesen Berufen dieselben sind. Daher – um es ganz kurz zu machen – denke ich, ein wesentlicher Punkt besteht darin, Frau Staatssekretärin, dass diese Bundesregierung wirklich das Gleichbehandlungsgesetz nicht nur in vollem Umfang aufrechterhält, sondern auch dafür sorgt, dass es zeitgemäß weiterentwickelt und angewendet wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es sind eine ganze Reihe von Vorhaben dieser Bundesregierung im Gange, die dazu führen werden, dass es auch die Frauen im öffentlichen Dienst nicht mehr so leicht haben werden, ihre


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berechtigten Interessen durchzusetzen. Hier, denke ich, sollten wir gemeinsam dafür kämpfen, dass diese Interessensdurchsetzung der Frauen erfolgen kann.

Zweiter Punkt: Im privaten Bereich ist es ungleich schwieriger, und ich denke, dass es nicht besonders viel Sinn macht, hier mit allzu vielen dirigistischen Maßnahmen vorzugehen. Es gibt Maßnahmen, die Sinn machen, aber es gibt durchaus auch marktkonforme Maßnahmen, die in diesem Bereich ergriffen werden können. Ich denke, wenn wir Betriebe finden, in denen die Arbeitgeber tatsächlich mustergültig gleichbehandeln, also etwa beim Einstiegsgehalt tatsächlich dieselben Gehälter für Frauen und Männer in denselben Beschäftigungen zahlen, dann sollten wir solche Betriebe gelegentlich auch positiv herausstellen. (Abg. Dr. Brinek: Das geschieht!)

Umgekehrt gilt dasselbe für jene Betriebe, die in besonderer Weise Frauen ganz offensichtlich diskriminieren. Auch sie sollten dafür bekannt werden. Ich denke, es macht Sinn, darauf hinzuwiesen, dass Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot, dass Verstöße gegen dieses Mindestmaß an Fairness und Gerechtigkeit auch bekannt werden. Das sind keine Kavaliersdelikte! Genauso, wie es in vergangenen Jahrzehnten oft möglich war, seinen individuellen Protest etwa gegen unterdrückende, rassistische und menschenrechtsfeindliche Regimes dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass man Waren von dort nicht gekauft hat, kann man das auch jetzt zum Ausdruck zu bringen, wenn dort Frauen offen diskriminiert werden.

Ich lade Sie ein: Gehen Sie mit uns einen derartigen Weg! Worum es geht, ist, endlich Verbesserungen zu erreichen. Das können wir nur gemeinsam und nicht mit einem kleinlichen Hickhack hier gegeneinander. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich aber noch einen zweiten Punkt ansprechen, weil ich auch den für wesentlich halte; er ist schon kurz gestreift worden. Es ist aus diesem Bericht ganz deutlich abzulesen, dass Berufsunterbrechungen für Frauen einen Einkommensnachteil in ihrer weiteren Karriere bedeuten, den sie nie mehr aufholen können. Das ist der Grund dafür, dass wir, dass zuletzt Frau Bundesminister a. D. Prammer ein Modell vorgeschlagen hat, ein Elternzeitmodell, das einen Anreiz dazu bietet, dass die Elternbetreuungsarbeit tatsächlich besser geteilt wird. Diese Arbeit kann nur dann besser zwischen beiden Elternteilen verteilt werden, wenn sichergestellt wird, dass es sich auch der Mann – und die Familie insgesamt – leisten kann, in Karenz zu gehen, sodass auch der Mann in Karenz geht und auch er seine Pflichten wahrnimmt.

Ich denke, wir sollten auch hier durchaus die Offenheit besitzen, über diese Dinge miteinander zu sprechen. Sie wissen, dass wir nicht der Meinung sind, dass das Modell, das Sie als Kinder- und Karenzgeld anbieten, besonders geeignet ist, weil wir glauben, dass davon ein Anreiz ausgeht, dass Frauen länger, als es ihrer eigenen Entwicklung, ihrer Chancengleichheit, ihren Einkommensperspektiven gut tut, zu Hause bleiben. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass die partnerschaftliche Erledigung dieser Aufgaben zunimmt, und dafür braucht es Anreize.

Ich möchte es kurz machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden uns – auch in der Opposition – als Partner finden bei Maßnahmen, die wirklich zu einer Verbesserung der Situation der Frau beitragen. Wir werden uns allerdings gleichwohl die Freiheit nehmen, dort, wo wir glauben, dass Sie von der Bundesregierung Schritte setzen, die diesem Ziel nicht dienen, das auch in aller Offenheit zu sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Steibl. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

22.26

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, mit meiner kaum vorhandenen Stimme doch ein paar Dinge zu sagen. Ich würde aber liebend gern einiges mehr sagen. (Abg. Schwemlein: Gute Besserung!)

Eines wundert mich: Früher hat es immer geheißen: Frauenpolitik hat mit Familienpolitik nichts zu tun. – Aber diese Diskussion geht jetzt in Richtung Familienpolitik. Es freut mich sehr, dass wir so diskutieren, aber Sie wissen ganz genau, dass das früher nicht so war.


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Wenn Herr Kollege Einem hier so polemisch vorträgt, was wir alles nicht tun (Widerspruch bei der SPÖ), dann muss ich sagen, dass das ein Bericht ist, der rückblickend aufzeigt, was damals nicht getan worden ist, und dass es einem Antrag der ÖVP-Frauen zu verdanken ist, dass es diesen Bericht überhaupt gibt. Ich bedanke mich dafür.

Da Frau Kollegin Petrovic meinte, dass wir ein Kinderbetreuungsmodell einführen wollen, das die Frauen zurück an den Herd bringt, muss ich sagen: Das stimmt nicht! Wir müssen nur weiterverhandeln, weil es noch arbeits- und sozialrechtliche Probleme gibt. Aber Karenzgeld oder Kinderbetreuungsgeld für alle Frauen mit einer sehr hohen Zuverdienstgrenze – genau das, was auch Sie begrüßen –, damit frau Familie und Beruf besser vereinbaren kann, das ist doch, bitte, ein erster Schritt! Außerdem kommt das Geld aus dem FLAF, dem einzigen Fonds, der nicht verschuldet, sondern derzeit Gott sei Dank ausgeglichen ist.

Ich bin auch überrascht und freue mich sehr darüber, dass Sie auf einmal das Wort "Tagesmütter" in den Mund nehmen. Bisher hat es für Sie doch nur die staatliche Kinderbetreuung gegeben! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Nun ganz kurz zu der Studie: Ich möchte mich für die Studie bedanken und nur noch etwas anregen. Ich glaube, die Frauen-Grundsatzabteilung hat dafür schon Vorarbeit geleistet. Es sind nämlich noch einige Fragen offen, und zwar konkret betreffend die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede und deren Entwicklung nach Branchen sowie deren Zusammenhang mit den beruflichen Qualifikationen.

Es fehlt auch noch das, was in Österreich leider noch nicht so wichtig genommen wird wie in anderen Ländern: die Durchrechnung und die Entwicklung des gewichteten Pro-Kopf-Einkommens, das immer mehr zur Einkommensberechnung herangezogen wird. Es fehlt auch noch eine Analyse des Einflusses der Betriebsgrößen oder des Betriebes überhaupt, des Organisationstyps auf die Einkommensunterschiede.

Ich möchte die Frau Staatssekretärin darum bitten, dass sie unserem Herrn Bundesminister mit auf den Weg gibt, dass es eine weitere Studie geben soll, damit wir hier noch konkreter daran arbeiten können, diese tatsächlichen Ungleichheiten zu verringern. Wir wissen zum Teil, wo sie liegen und wo sie versteckt sind, und wir werden auch daran arbeiten. Aber man hätte das schon sehr, sehr lange tun können. Wir haben Jahre hindurch eine Frauenministerin und eine Sozialministerin gehabt, und erst im Zuge des Verhandelns für das Frauen-Volksbegehren musste von uns der Antrag kommen, eine solche Studie zu erstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Ja, aber leider hat die ÖVP ...!)

22.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. Er hat das Wort.

22.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Es ist erfreulich, dass es immer mehr Männer gibt, die sich für Frauenfragen interessieren und engagieren. Ich kann mich erinnern, wie es war, als ich noch allein im Gleichbehandlungsausschuss die Linie der Männer vertreten habe. Aber ich freue mich um jeden Mann, der sich dieser Angelegenheiten annimmt.

Vielleicht ein paar Anmerkungen zum Beitrag von Frau Kollegin Petrovic: Sie hat das erste Mal wirklich eindeutig das freiheitliche Modell des Kinderbetreuungsschecks gefordert, indem sie gesagt hat, die Frauen sollen unabhängig von ihrem Einkommen dieses Kindergeld bekommen. – Genau das wollen wir, und noch viel mehr dazu: Die Frauen sollen dann die Wahlfreiheit haben (Abg. Mag. Wurm: Die Männer nicht?), was sie mit diesem Geld machen wollen. Ich finde, das ist ein großartiges Modell. Das wird ein großer Erfolg! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Zweiten: Ich bin ebenfalls Vater. Ich finde, es ist eine Unterstellung, wenn Sie behaupten, die Männer tragen zur Arbeit im Haus nichts bei. Ich habe meine Kinder mindestens genauso oft


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gewickelt und bin genauso oft in der Nacht aufgestanden wie meine Frau. (Abg. Dr. Khol: Das glaube ich nicht! Ein Drittel!) Wir erinnern uns beide sehr gerne an diese Zeit. Inzwischen sind die Kinder diesem Stadium leider entwachsen.

Zum Dritten: Vielleicht hätten Sie den Begriff "Reproduktionsarbeit", den Sie hier gebraucht haben, näher erklären sollen. Ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Wenn Sie damit die Hausarbeit meinen: Auch das lässt sich ohne weiteres einrichten. – Wenn Sie damit etwas anderes meinen, das, was wir vielleicht meinen, dann muss ich sagen, das habe ich nie als Arbeit empfunden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht hält uns aber doch einen sehr kritischen Spiegel vor. Die Einkommensunterschiede sind tatsächlich erheblich! Es muss vieles getan werden, um diese Einkommensschere zu schließen. Ich weiß mich darin eines Sinnes mit allen hier Anwesenden, dass es ein gesellschaftspolitisches Ziel sein muss, diese Einkommensschere und Einkommenslücke zu schließen.

Eines kommt in diesem Bericht ganz deutlich heraus: dass die gesetzliche Gleichstellung nicht der wirtschaftlichen Gleichstellung entspricht. Wir alle wissen, wie ich schon gesagt habe, dass hier etwas geschehen muss.

Die Ursachen sind bereits erwähnt worden: Es sind im Wesentlichen die Unterbrechungen der Laufbahn, die Erstberufswahl und ferner die Wochenarbeitszeit. Es ist tatsächlich so, dass Frauen viel weniger die Gelegenheit ergreifen, auch Überstunden zu leisten. Wir alle wissen, dass Überstunden ein wesentlicher Einkommensbestandteil sind. Die Probleme ... (Abg. Mag. Wurm: ... die Männer zu Hause lassen!)  – Genauso ist es. Aber wissen Sie: Auch die Männer müssen Überstunden leisten, um ihre Familie materiell entsprechend versorgen zu können.

Aber ich lese auch einige positive Punkte. (Zwischenrufe der Abgeordneten Sophie Bauer und Mag. Wurm. ) Passen Sie gut auf, Sie können vielleicht auch etwas Positives aus dem Bericht herauslesen! Es gibt sehr wesentliche positive Aspekte. So kann man dem Bericht zum Beispiel entnehmen, dass sich in den ersten Berufsjahren die Aufstiegschancen für Frauen verbessert haben und dass die Frauen in den ersten Berufsjahren einen Teil dieser Lücke schließen können. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. )

Es hat sich aber vor allem eines gezeigt, und das ist besonders erfreulich: dass sich die Qualifikationsverteilung, Frau Kollegin Wurm, positiv zugunsten der Frauen entwickelt. Von 1993 bis 1997 konnte der Anteil an hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen von 175 400 auf 250 000 gesteigert werden. Ich finde, das ist ein positives Signal, und es zeigt mir auch, dass die Frauen – durchaus in Analogie dazu, dass die Universitäts-, Fachhochschul-, Maturaabschlüsse bei den Frauen stärker repräsentiert sind als bei den Männern – in diesem Bereich sehr wohl auf der Überholspur sind. Es wird eine Möglichkeit geben, und es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass es gelingen wird, die bestehenden Lücken zu schließen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen haben uns immer zu dem Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" bekannt. Eines weiß ich aus verschiedenen Betriebsbesuchen, und es wird auch an uns Abgeordneten liegen, dass wir bei Betriebsbesuchen und Fir-menbesuchen auch die Frage stellen: Wie halten Sie es denn mit der Entlohnung? (Abg. Sophie Bauer: Kommen Sie einmal zu uns!)  – Bei mindestens 10 bis 15 Betriebsbesuchen in der letzten Zeit wurde mir bestätigt, dass die Arbeitgeber sehr wohl für die gleiche Arbeit, für die gleiche Einstufung des Arbeitsplatzes, ganz egal, ob dort ein Mann oder eine Frau arbeitet, ... (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Wenn es bei Ihnen, in Ihrem Bereich, so ist, dann hängt das vielleicht mit dem Einfluss zusammen, den Sie dort ausüben. (Abg. Sophie Bauer: Wahrscheinlich!) Dort, wo wir sind, ist es so, dass für gleiche Arbeit durchaus der gleiche Lohn bezahlt wird. Es wird aber, wie gesagt, an uns Abgeordneten liegen, auch bei unseren Betriebsbesuchen dazu aufzufordern, die entsprechenden Unterschiede zu beseitigen.


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Es sind sicherlich viele Maßnahmen zu setzen, aber meine Redezeit neigt sich dem Ende zu. Die Herausforderung ist groß, und es wird sicherlich dieser Bundesregierung vorbehalten bleiben, auch auf diesem Gebiet erfolgreich zu sein und das Schließen der Einkommensschere in dieser Legislaturperiode ein gutes Stück weiterzutreiben. – Glück auf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Einem: Sehr sachlich! – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl  – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Sehr sachlich, Herr Kollege! – Gegenruf des Abg. Dr. Einem. )

22.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. Bitte: kritisierte Behauptung – tatsächlicher Sachverhalt. (Abg. Dr. Khol: Das betrifft die Reproduktionsarbeit?)

22.35

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat behauptet, ich hätte in meinem Redebeitrag das freiheitliche Modell des Kinderschecks gutgeheißen oder unterstützt. – Das ist nicht der Fall. Ich habe dieses Modell niemals gutgeheißen oder unterstützt, auch nicht in meinem Redebeitrag.

Ich habe lediglich auf die Inkonsequenz hingewiesen: Wenn eine Mehrheit schon ein Modell dieser Art aus FLAF-Mitteln einführen will, dann ist es systemwidrig, inkonsequent und gegen die Frauen gerichtet, eine Einkommensgrenze einzuführen. Das Modell an sich jedoch wird von mir nicht unterstützt und nicht gutgeheißen. Ich habe mich immer für einen stärkeren Arbeitsmarktbezug von Kinderbetreuungsregelungen ausgesprochen. (Beifall bei den Grünen.)

22.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

22.36

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Gleichbehandlungsausschusses sagt für mich schon Gravierendes aus, und zwar, dass sich die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert hat.

Im Jahr 1993 verdienten Frauen im Durchschnitt um insgesamt 31 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. 1977 waren es 29 Prozent. (Abg. Aumayr: Sozialistische Regierung!) Von 1977 bis 1997 hat sich der Einkommensabstand zwischen Männern und Frauen also um drei Prozentpunkte vergrößert. (Abg. Aumayr: Alsdann, SPÖ-Frauenministerinnen waren das!)  – 30 Jahre, ja. Frau Aumayr, dann müssen Sie sich das besser anschauen! Die Ansage, die Sie heute gemacht haben, war ja auf der einen Seite bezeichnend.

Der krasse Unterschied beträgt teilweise sogar bis zu 60 Prozent. Es ergibt sich bei den absoluten Einkommenszahlen der Angestellten und der Arbeiter nämlich Folgendes: Eine weibliche Angestellte verdiente 1999 im Durchschnitt 22 206 S, ihr Kollege aber 36 946 S. Im Jahr 1999 verdienten Arbeiterinnen im Durchschnitt 16 027 S, ihre männlichen Kollegen aber 25 836 S.

Aber auch bei einer guten Ausbildung müssen Frauen ein geringeres Einkommen als Männer in Kauf nehmen. Die Gründe dafür liegen in fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen und auch darin, dass Frauen weniger Geld haben, sich kein eigenes Fahrzeug leisten können und dadurch nicht so flexibel wie die Männer sind.

Meine Damen und Herren! Ich sehe die reale Situation jener Frauen, die unter härtesten Bedingungen ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Besonders arg ist die Situation dann, wenn sie über Leasingfirmen in den Betrieb kommen. Leasingfirmen zahlen ja nur einen ortsüblichen Lohn. Das heißt zum Beispiel für Frauen, die in unserem Betrieb über Leasingfirmen eingestellt werden, dass sie einen Stundenlohn von 75 S brutto bekommen. Die Leistungen dafür sind Akkordarbeit, Früh- und Nachmittagsschicht. Die Männer aber bekommen bei gleicher Arbeit einen Mindestbetrag von 80 S.

Es ist für den Arbeitgeber sicherlich sehr nützlich, billige Arbeitskräfte zu haben – noch dazu, wenn es Frauen sind, die schon mehrere Jahre vorher im Betrieb waren, gekündigt wurden und


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über diese Leasingfirmen wieder aufgenommen werden. Der Unterschied ist ja "nur", dass sie vor der Kündigung 93 S verdient hatten und jetzt über die Leasingfirmen bei gleicher Arbeit nur mehr 75 S brutto verdienen.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Regierung: Können Sie sich überhaupt vorstellen, was das heißt, bei 40 Stunden Akkordarbeit in Früh- und Nachmittagsschicht bei einer Stundenentlohnung von 75 S zu arbeiten? – Ich glaube, nicht.

Auch im Bereich der Teilzeitarbeit, die von den Frauen nicht immer freiwillig angestrebt wird, ist eine massive Diskriminierung festzustellen. Frauen, die Betreuungspflichten haben – das heißt, die Kinder haben –, werden doppelt und dreifach diskriminiert: erstens, weil sie stärker von Kündigung bedroht sind, und zweitens, weil sie nach Inanspruchnahme einer Karenz bei ihrem Wiedereintritt in die Firma damit konfrontiert sind, einen weniger qualifizierten Arbeitsplatz zu einem niedrigeren Einkommen annehmen zu müssen.

Es gäbe noch viele Erschwernisse, die ich hier anführen könnte. Frauen haben als Arbeiterinnen mit extrem schlechten Rahmenbedingungen zu kämpfen. Wenn auch heute wieder vorwiegend von ÖVP-Abgeordneten von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesprochen wird – wovon sie aber vor Ort oder in den Medien anders reden –, dann frage ich sie, wie das funktionieren soll. Ich denke etwa nur an die Einführung der Studiengebühren: Das ist den Familien nicht mehr zumutbar, geschweige denn einer Alleinerzieherin! Diese wird dann kaum mehr die Chance haben, ihr Kind studieren zu lassen.

Daher fordern wir Sozialdemokraten auch von den Unternehmen, ihre derzeitige Politik der Institutionen, der institutionellen Ausbeutung zu beenden und die Frauen als gleichwertige Partner zu behandeln und nicht als billige Arbeitskräfte zu sehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Regierung – und dies ist besonders an die ÖVP-Frauen gerichtet –, setzen Sie Taten statt Worte! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Das tun wir doch ohnehin!)

22.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Lentsch. – Bitte. (Abg. Dr. Mertel: Sie lächelt so wissend, die Frau Lentsch! Sie weiß alles! – Abg. Lentsch  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Frau Mertel, warum schießen Sie sich immer so auf mich ein? Warum werten Sie mich so auf? – Abg. Dr. Mertel: Sie überschätzen sich!)

 

22.43

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe schon mehrmals, wenn es um die Gleichstellung beziehungsweise Gleichberechtigung von Männern und Frauen ging, betont, dass ich in dieser Frage wenig bis gar nichts von staatlichen Anordnungen halte. Auch der vorliegende Bericht, für den ich mich bei den Autorinnen ausdrücklich bedanken möchte, kann natürlich das Problem lediglich aufzeigen beziehungsweise darstellen.

Wir hier im Hohen Haus können immer wieder sehr lange und sehr breit über Gleichbehandlung reden, aber für echte Änderungen wird es sicherlich mehr brauchen. Denn für berufliche Gleichstellung können wir als Gesetzgeber nur dort sorgen, wo der Staat auch Dienstgeber ist, und im staatlichen Bereich, also im öffentlichen Dienst, funktioniert es ja bekanntlich hervorragend, sowohl, was die Karrierechancen betrifft, als auch, was die Gehaltshöhe betrifft. (Abg. Dr. Mertel: Ach ja? Das wundert mich nicht!)  – Ja, das weiß ich.

In der Privatwirtschaft allerdings werden die Arbeits- und Dienstverhältnisse per Kollektivvertrag geregelt, Frau Kollegin Bauer. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Die tägliche Praxis entscheidet sich also in Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Und da gibt es die Probleme, da funktioniert es mit der Gleichstellung von Frauen und Männern einfach nicht! (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. ) Wer das nicht glaubt, dem kann ich nur wärmstens empfehlen, den Bericht zu lesen. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. )


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Dass für die Kolleginnen im öffentlichen Dienst an vorderster Stelle christliche Gewerkschafter verhandeln und bei allen anderen Berufsgruppen SPÖ-dominierte Gewerkschafter, daran wird es doch wohl hoffentlich nicht liegen! Ich glaube allerdings, dass die gesetzlich erfolgte Gleichstellung von Mann und Frau in der Privatwirtschaft deswegen noch nicht funktioniert, weil sehr viele Faktoren dafür verantwortlich sind.

Beginnen wir bei der Ausbildung: Die scheint vielen Frauen und Mädchen immer noch eher zu "passieren", als dass sie geplant wäre. Während Männer schon sehr früh relativ genaue Vorstellungen davon haben, wo sie mit 25 Jahren, mit 30 Jahren beziehungsweise mit 40 Jahren stehen wollen und was sie bis dahin erreichen wollen, planen Frauen ihre Karriere leider nicht immer im Voraus. (Abg. Dr. Brinek: So ist es!) Wenn ich zudem dem vorliegenden Bericht entnehme, dass nach wie vor die meisten Mädchen nur drei Traumberufe haben – nämlich Verkäuferin, Sekretärin und Friseurin –, dann weiß ich ebenfalls, wie weit wir noch vom Ziel der wirtschaftlichen Gleichstellung entfernt sind.

Solange Frauen aus diesen Ghettos nicht herauskommen, solange sie nicht auch zum Beispiel in technische Berufe vordringen, werden all unsere Forderungen und Appelle nichts nützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Sophie Bauer: Die Chance dazu müssen sie haben! – Abg. Mag. Wurm: Wie, glauben Sie, kommt man aus dem Ghetto heraus? Durch Studiengebühren vielleicht?!)

Was man uns Frauen in diesem Zusammenhang zutraut oder, besser gesagt, nicht zutraut, kann ich mir vorstellen, wenn ich beispielsweise Seminarangebote wie "EDV für Frauen", "Internet für Frauen" und derlei Dinge mehr sehe. Damit wird nämlich schon sehr deutlich, was man von uns Frauen in diesen Zukunftsbereichen hält: Man unterstellt uns gleichsam, dass wir Frauen von einem deutlich niedrigeren Niveau aus in diese technischen Berufe gehen als die Männer.

Und jetzt sagen Sie mir, was hier Gleichstellungsgesetze bewirken könnten! Erklären Sie mir, was hier das Frauen-Volksbegehren gebracht hat, und sagen Sie mir, was hier das Frauenministerium gebracht hat! Sie, liebe Kolleginnen von Rot und Grün, haben sich in der Frauenpolitik immer mit Aktionismus zufrieden gegeben. Ich halte Aktionismus auf diesem Gebiet für kontraproduktiv.

Bei diesem Thema hilft einzig und allein sehr viel Überzeugungsarbeit, sowohl in den Schulen als auch in der Familie und in den Betrieben – überall dort, wo Frauen und Männer miteinander reden, miteinander leben und miteinander arbeiten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

22.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

22.49

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich bin ein bisschen enttäuscht von der Kurzmeldung des Herrn Dr. Einem. Zu sagen, Kollegin Aumayr würde hier auf die Vergangenheit "keppeln", das ist, bitte, nicht der Stil, dessen man sich hier bedienen soll, wenn man sich als Mann mit Frauenangelegenheiten beschäftigt. Ich bin wirklich ein bisschen enttäuscht! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Auer: So ist er halt, der Einem!)

Es ist anzunehmen, Herr Dr. Einem (Abg. Auer: So ist er halt, der Einem!), dass Sie die Sache nicht ernst nehmen und dass Sie sich nur hier herausgestellt haben, um irgendetwas zu sagen. (Abg. Schieder: Für Sie ist es eine Herzensangelegenheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit herausgegebene Endbericht bezüglich der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zeigt ein ernüchterndes, ich könnte auch sagen, erschütterndes Bild über die in den letzten Jahrzehnten in Österreich nicht vorhandene Gleichbehandlung auf. Die Synthesis Forschungs


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gesellschaft hat – davon bin ich überzeugt – mit diesem Bericht gute Arbeit geleistet. Dieser Bericht kann sicher für die weitere Arbeit, was Frauenangelegenheiten anbelangt, verwendet werden. Die prekäre Situation der Frauen in unselbständiger Beschäftigung wird hier korrekt aufgezeigt. Man kann an den Bericht anknüpfen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn vor 30 Jahren – ich weiß, das haben Sie auch schon gehört, aber ich wiederhole es trotzdem – bereits ein Großteil (Abg. Dr. Mertel: Das hat Ihnen jemand aufgeschrieben!) der diskriminierenden Regelungen gefallen sind und sich bis heute der Unterschied zwischen den Einkommen von Männern und Frauen kaum verringert hat, dann muss wohl trotz vermeintlicher gesellschaftlicher Anstrengungen die eigentliche Starrheit der Systeme, wie im zitierten Bericht erwähnt, für diese unbefriedigende Situation zumindest mit verantwortlich gemacht werden.

Für die Starrheit der Systeme sind mehrere verantwortlich, in hohem Maße auch die Gewerkschaften. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Niederwieser: Was möchten Sie damit jetzt kritisieren?) Sie sind mitverantwortlich nicht nur für die schlechtere Entlohnung der Frauen in fast allen Berufsgruppen, weil teilweise eine Gleichstellung verhindert worden ist, sondern auch für die weitaus schlechteren Chancen beim Einstieg in das Berufsleben und die weitaus schlechteren Chancen beim beruflichen Fortkommen der Frauen. (Abg. Dr. Pumberger: Der Ex-Minister war das!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Weder eine verantwortungsvolle Politik noch die Wirtschaft kann es längerfristig verantworten, dass Frauen, wie im Bericht erwähnt wird, je nachdem, ob sie teilzeitbeschäftigt sind oder eine normale Arbeitszeit haben, zwischen 28 und 31 Prozent weniger verdienen als Männer. Das entspricht den Tatsachen. Alle Frauenförderungsprogramme, einschließlich des Gender Mainstreamings, würden wohl nur populäre und griffige Schlagworte bleiben, wenn die berufliche Bildungsbereitschaft, der Bildungsdrang sowie der Einsatz und der Leistungswille – ich betone: auch der Leistungswille – der Frauen nicht in gleichem Ausmaß wie bei den Männern honoriert würden. (Abg. Dr. Niederwieser: Ein ...anwalt ist teuer! Der kostet zehn Blaue!)

Hier gilt es, im gemeinsamen Bemühen – und dieses gemeinsame Bemühen bieten wir an, dafür werden wir auch stehen – eine wesentliche Verbesserung für Frauen zu erreichen. Dazu bekennen wir Freiheitlichen uns in vollem Umfang!

Es ist schon befremdend, dass die Starteinkommen für männliche Berufseinsteiger bei Zugehörigkeit zur selben Berufsgruppe wesentlich höher sind als die der Berufseinsteigerinnen!

Heute ist von Herrn Dr. Einem ein Beitrag gekommen, in dem er fordert, dass auch die Männer in Karenzurlaub gehen müssten. – Ja, bitte, warum passiert denn das nicht? – Weil eben die Starteinkommen der Männer schon wesentlich höher sind und weil, wenn die Männer, die meistens älter sind als die Ehefrauen, in Karenzurlaub gingen, das Familieneinkommen entsprechend geringer wäre. (Abg. Mag. Prammer: Das lässt sich lösen über das einkommensabhängige Karenzgeld!) Selbst Frauen mit hervorragender Ausbildung, Akademikerinnen mit Universitätsabschluss wie auch solche mit Fachhochschulabschluss können die Einkommensdifferenzen im täglichen Berufsleben nicht mehr aufholen!

Neben den für Frauen grundsätzlich gegebenen schlechteren Chancen beim Start ins Berufsleben – die Karenzzeiten sind schon genannt worden – spielen auch kürzere Wochenarbeitszeiten eine wesentliche Rolle.

Für mich erschütternd ist, dass die krassen Einkommensunterschiede sogar in den Führungspositionen zu finden sind, dass sogar Frauen in Führungspositionen um rund 39 Prozent weniger verdienen als Männer.

Noch mehr erschüttert mich die Tatsache, dass die einkommensschwächsten Frauen noch stärker benachteiligt sind. Die 286 000 einkommensschwächsten Frauen lagen bei einem durchschnittlichen Monatsverdienst von rund 7 300 S. Wie sich das bei einer allfälligen Arbeitslosigkeit beim Arbeitslosengeld, bei der Notstandshilfe auswirkt, das wissen wir. (Abg. Verzetnitsch:


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... mit der Wartefrist, die Sie wollen!) Jawohl, Herr Präsident Verzetnitsch. (Abg. Verzetnitsch: ... mit der Wartefrist, die Sie wollen!)

Es sind zu mir in meiner Funktion als Leiter einer Arbeitsmarktservice-Geschäftsstelle viele Frauen gekommen, die mich gebeten haben: Bitte vermittelt mir eine Stelle, wo ich annähernd gleich viel verdienen kann wie die Männer, weil ich als Alleinerzieherin für mich und mein Kind zu sorgen habe! – Das war teilweise nicht möglich, weil das System das verhindert hat – ein System, zu dem Sie sehr viel beigetragen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Welches denn? Welches System?)

Herr Dr. Einem versuchte auch ein bisschen in die Zukunft zu sehen, und darauf möchte ich eingehen. (Abg. Dr. Mertel: Von welchem System sprechen Sie?) Bei einer EU-Osterweiterung (Abg. Dr. Mertel: Welches System, Herr Staffaneller?) müssten im Sinne der Frauen und natürlich auch im allgemeinen Interesse der arbeitenden Menschen in Österreich (Abg. Dr. Mertel: Sie haben gesagt, wir sind am System beteiligt. Welches System meinen Sie?)  – lesen Sie bitte im Bericht nach, dann werden Sie das finden! – wohl lange Übergangsfristen im Hinblick auf die Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt vereinbart werden. Diese Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt müsste laut Wifo und anderen anerkannten Instituten so geregelt sein (Abg. Dr. Khol: Redezeit!), dass die diesbezüglichen Übergangsbestimmungen erst in 15 beziehungsweise 20 Jahren aufgehoben werden könnten (Abg. Dr. Niederwieser: ... Da hat es eine Entschließung gegeben!), um nicht eine weitere Benachteiligung der Frauen zu bewirken.

Gemeinsame Anstrengungen sind notwendig, um die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte, die Versäumnisse der sozialdemokratischen Politik wettzumachen. (Abg. Dr. Khol: Der hört nicht auf!) In den letzten Jahrzehnten waren ausschließlich sozialdemokratische Sozialminister und sozialdemokratische Frauenministerinnen tätig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Jetzt hört er auf!)

22.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Barbara Prammer. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ – in Richtung des auf seinen Platz zurückgekehrten Vorredners –: Sie haben Ihre Redeunterlagen vergessen! – Abg. Mag. Prammer: Die nehme ich mir jetzt mit!)

22.57

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Es ist über den uns vorliegenden Bericht nun schon sehr lange diskutiert worden. Auch ich erwähne noch einmal den Sukkus daraus.

Zwei Aussagen sind diesem Bericht zu entnehmen: Der erste Punkt ist, dass es die Geschlechterrollen sind – und ganz besonders in Österreich die Geschlechterrollen –, die die Ursache für die unterschiedlichen Einkommen zwischen Männern und Frauen sind. Solange wir die Geschlechterrollen nicht endlich anders definieren und auch anders einteilen, so lange werden die Frauen in der Einkommenssituation keine gleichen Chancen vorfinden, meine Damen und Herren! Das Private ist nicht privat! (Beifall bei der SPÖ.)

Aus diesem Grund ist es so unglaublich notwendig, genau auf diese Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer wieder einzugehen und hinzuweisen und nicht das zu tun, was Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, in der nächsten Zeit zu tun vorhaben, nämlich Frauen dorthin zu locken, wo sie wirklich nicht hinpassen, nämlich nur nach Hause! (Abg. Gatterer: Warum schließen Sie auf das?)

Dieser Einkommensbericht – und Sie können dem nicht widersprechen (Abg. Gatterer: Warum schließen Sie auf das? – Abg. Dr. Stummvoll: Sie machen Zwangsbeglückung!)  – sagt ganz eindeutig: Zu 30 Prozent haben die Karenzzeiten, und vor allem die langen Karenzzeiten, den Ausschlag für die Einkommensunterschiede gegeben. Ich kann dann nicht den Schluss ziehen: Verlängern wir die Karenzzeiten noch einmal, um damit die Einkommensschere zu schließen, meine Damen und Herren! Dieser Logik kann ich nicht folgen! Es steht in diesem Bericht vielmehr drinnen, dass es notwendig ist, dass Väter auch in Karenz gehen, und das zu gleichen Teilen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es ist ja nicht wahr, Herr Staffaneller, dass es keine Modelle dafür gibt, auch Väter in die Karenz zu "locken", wenn man so will oder wenn man es so bezeichnen soll.

Der zweite Punkt dieser Studie, der als Überschrift drüberstehen könnte, lautet: Gleiches ist nicht automatisch gleich. – Wer glaubt, mit Gleichbehandlungsgesetzen, so wie wir sie jetzt haben, schon den Punkt gefunden zu haben, oder glaubt, dass Gleichbehandlungsgesetze obsolet geworden sind und dass man sie wieder abschaffen oder reduzieren könnte, der hat auch nichts von Gleichstellungspolitik verstanden, meine Damen und Herren! Denn Gleiches ist nur dann gleich, wenn die Startbedingungen gleich sind, und Startbedingungen kann ich nur dann gleich machen, wenn ich tatsächlich den einen warten lasse, bis der andere auch am Start steht. Die Frauen aber stehen noch nicht am Start, und wir haben alles daran zu setzen, dass sie endlich auch zu diesem Start kommen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Gabriela Moser.  – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Aber auch da, meine Damen und Herren von der Regierung, machen Sie mit Ihrer Politik genau das Gegenteil – heute ist schon lange und breit darüber diskutiert worden –: die Studiengebühren, um nur ein Beispiel zu nennen. Es ist ja nachvollziehbar und beweisbar, meine Damen und Herren, was der Bildungsboom der siebziger Jahre damals für die Frauen ausgelöst und bedeutet hat beziehungsweise wo wir heute stehen würden, wenn das damals nicht geschehen wäre! Wir können darauf warten, wie Mädchen zu all der Benachteiligung, die sie bis heute haben, aufgrund ähnlicher Maßnahmen wie die Studiengebühren auch in Zukunft noch weitere Benachteiligungen dazubekommen werden. (Zwischenruf des Abg. Großruck. )

Meine Damen und Herren! Es ist auch bezeichnend, was dann bei Punkten wie dem vorliegenden von ÖVP und FPÖ in die Diskussion eingebracht wird. Es ist manches Mal fast amüsant, wie dann auch Geschichtsschreibung beziehungsweise Geschichte präsentiert wird.

Meine Damen und Herren! Das Frauen-Volksbegehren ist nicht von der SPÖ nicht umgesetzt worden! Wer das nicht glauben will, möge sich den Ausschussbericht zum Frauen-Volksbegehren hernehmen und möge nachlesen, wie die Positionen damals waren. Es ist darin enthalten, wer die Ursache dafür war, dass der eine oder andere Punkt nicht umgesetzt wurde, und die Verantwortung ist eindeutig auf der damaligen schwarzen Seite der Regierung zu suchen! (Abg. Dr. Pumberger: Wirklich? Habt ihr euch nicht durchsetzen können?)

Ich möchte Ihnen unbedingt ans Herz legen – vor allen Dingen Ihnen, Frau Staatssekretärin, und vor allen Dingen auch Frau Bundesministerin Sickl –, sich bei all den Maßnahmen, die in der nächsten Zeit anstehen, doch wirklich einmal um die Frauen zu kümmern, sich wirklich einmal um die Frauenangelegenheiten zu bemühen! (Abg. Großruck: ... kümmern sich nur um die Männer!) Etwa in Sachen Karenz: Wo sind denn die Anreize für die Väter? Wo ist denn der Einkommensersatz? Wo wird denn eine Regelung angepeilt, durch die es durchgängig auch mit einem einigermaßen sicheren Einkommen während der Karenz gelingen kann, auch wieder den Einstieg in den Beruf zu finden?

Wo sind denn die Kinderbetreuungseinrichtungen in den vielen "schwarzen" Bundesländern und dem mittlerweile einen "blauen" Bundesland? – Die Einzigen, die hier immer wieder von einer Ausnahme reden können, sind in diesem Fall ohnehin nur die Wienerinnen, die hier ein entsprechendes Angebot vorfinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Was haben Sie denn vor mit dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst? Haben Sie sich den Gesetzentwurf von Vizekanzlerin Riess-Passer schon angeschaut, in dem plötzlich die Gleichbehandlungkommission jeglicher Möglichkeiten und Kompetenzen enthoben wird und außer bei der sexuellen Belästigung keine Kompetenzen überbleiben werden? Haben Sie, meine Damen, liebe Kolleginnen der ÖVP und der Freiheitlichen Partei, sich diesen Entwurf schon angeschaut?

Wo ist denn der Gesetzentwurf des Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft? Sie propagieren ja immer, man braucht auf die Sozialpartner nicht Rücksicht zu nehmen und man braucht ja auch keine Sozialpartnerverhandlungen zu führen. – Legen Sie doch die Gesetzesnovelle zum Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft vor! Die Gleichbehandlungsanwältin


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hat in ihrem letzten Bericht ohnedies alle Punkte aufgeführt, die für eine derartige Novelle notwendig sind. Sie brauchen sie nur aus dem Bericht abzuschreiben, dann hätten wir tatsächlich schon des Rätsels Lösung! Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften werden Ihnen da sicher keine Steine in den Weg legen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas ganz Wichtiges: Es werden die Frauen sein, die es als Erste zu spüren bekommen, wenn Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte jetzt sukzessive ausgehöhlt und abgeschafft werden. Oder glauben Sie allen Ernstes, dass es sich die Supermarktkassierin in Zukunft auf betrieblicher Ebene wird richten können, ein entsprechendes Einkommen auszuhandeln, wenn Kollektivverträge ausgehöhlt und unterwandert werden sollen, meine Damen und Herren?

Das, was Kollegin Bauer hier gesagt hat, ist ja der schlagende Beweis dafür! Leasingfirmen haben keine Kollektivverträge, daher sind auch diese Lohnunterschiede vorhanden, meine Damen und Herren. Das ist offensichtlich Ihr Weg: der Weg außerhalb dessen, wo Frauen sich sicher fühlen können und außerhalb dessen, wo zumindest einigermaßen das Bemühen dafür vorliegt, dass Frauen auch in Zukunft doch irgendwie zu ihren Chancen, zu ihren Rechten kommen.

Dass das alles kein leichter Weg ist, dass das alles unglaublich mühsam ist – neben dem, dass es rechtliche Maßnahmen braucht, neben dem, dass so viel in den Köpfen der Menschen zu passieren hat –, ist uns bewusst. Was wir aber nicht brauchen, das ist eine konservative Wende zurück ins vorige Jahrhundert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

23.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Rossmann. – Bitte.

23.06

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mir das heute so anhöre, dann glaube ich, ich habe das alles nicht richtig verstanden. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Gusenbauer: Da haben Sie sicher Recht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Ministerin außer Dienst, Sie waren selbst Frauenministerin! (Abg. Ing. Westenthaler: Viel zu lange! Viel zu lange war sie Frauenministerin!) Die SPÖ betreibt seit 1970 aktive Frauenpolitik – die Betonung liegt auf "Frauenpolitik" –, und das Ergebnis dieser Frauenpolitik ist die traurige Wahrheit (Abg. Mag. Prammer: Wir werden Ihnen ein paar Vorschläge machen, dann werden wir schon sehen, was Sie ...!), die wir hier in diesem roten Bericht – (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe) man sieht, er ist rot – leider zur Kenntnis nehmen müssen. Ich sage ganz bewusst: Auch das ist eine Altlast dieser Bundesregierung, aber wir werden alles unternehmen, um auch diese Altlast zu beseitigen, und ich bin sicher, dass es uns gelingen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den ersten Schritt sind wir mit der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten gegangen. Auch das wird den Frauen zugute kommen. – Ich weiß, Sie wollen das nicht hören.

Ein weiterer wesentlicher Schritt ist durch die Umsetzung eines Punktes des Frauen-Volksbegehrens mit der Novelle zum Eltern-Karenzurlaubsgesetz passiert: der eigenständige Anspruch des Vaters auf Karenz und flexiblere Aufteilungsmöglichkeiten bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes. Das sind die ersten Schritte zur Wahlfreiheit, die dann wirklich auch die Wahlfreiheit der Frauen ermöglichen.

Ich sehe die Verpflichtung in unserem Ressort aber auch – und das sage ich durchaus sehr pointiert – in Richtung Wirtschaft. Es wurde heute schon das Thema der kollektivvertraglichen Verhandlungen im privatwirtschaftlichen Bereich angesprochen. Das ist Sache der Wirtschaft als Partner und muss auch im Sinne der Bewusstseinsbildung erfolgen, im Sinne des Bewusstseins, dass auf das Einkommen und auf die Bedürfnisse der Frauen Rücksicht genommen werden muss.


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Gerade auch in der Steiermark gibt es Vorzeigemodelle dafür – Frau Kollegin Silhavy weiß es –, wie man Frauen an nicht frauenspezifische Berufe heranführt, um auch diesen Einstieg zu erleichtern und diesen Anreiz zu geben. Das sind erste Versuche, Pilotversuche, aber aus diesen Versuchen wird man dann ersehen, wie die Entwicklung verläuft und wie die Bewusstseinsbildung sich in diese Richtung vollzieht.

Es ist selbstverständlich auch auf all jene Bereiche hinzuweisen, die uns die neuen Technologien bieten. Ich glaube, auch diesbezüglich – und das sage ich auch als Mutter zweier Töchter – ist Bewusstseinsbildung schon im Elternhaus und in der Schule gefragt, denn gerade in diesen Bereichen bietet sich für Frauen die Chance, an qualifizierte Berufe heranzukommen, die nicht mehr typisch männerspezifisch sind.

Ich sehe die positive Entwicklung hin zu einem Abbau der Einkommensunterschiede, aber auch bei der zukünftigen Zuverdienstmöglichkeit beim Karenzgeld, aber auch beim Kindergeld, das diese Koalitionsregierung vereinbart hat. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abgeordneten Dr. Khol und Kiss. )

Das ist die sprichwörtliche Wahlfreiheit. Die können wir dann tatsächlich verwirklichen! Ich sehe aber auch – und das sage ich durchaus kritisch – im öffentlichen Bereich einen Handlungsbedarf auf allen Ebenen – sei es auf Bundesebene oder auf Landesebene, aber auch in den Kommunen. Nach wie vor sind in führenden Positionen vorwiegend Männer tätig. Auch da ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

Es wurde heute interessanterweise von der sozialdemokratischen Fraktion das Problem der Leiharbeit angesprochen. Wie oft haben wir darauf hingewiesen beziehungsweise wurde darauf hingewiesen, dass gerade bei der Leiharbeit eine Aushöhlung sämtlicher Rechte, die die Arbeitnehmer haben, vollzogen wird! Da frage ich Sie schon: Wo sind da die Kollektivvertrags-Verhandlungspartner? Wo sind sie? Wo ist die Gewerkschaft? Wo sind Sie da? (Abg. Verzetnitsch: Fragen Sie in der Wirtschaftskammer nach!) Wieso gibt es da noch keine Regelung? – Diese Frage muss ich an Sie zurückgeben! (Abg. Verzetnitsch: Weil die nicht wollen!) Ich sehe die Verantwortung dafür durchaus bei der Sozialpartnerschaft!

Abschließend möchte ich festhalten, dass dieser Bericht auch für uns wirklich eine Herausforderung darstellt, alles zu unternehmen, um die Einkommensunterschiede abzubauen. Daher wird auch ein Pilotprojekt in zwei namhaften Betrieben weiterverfolgt, und zwar unter Beteiligung der Sozialpartnerschaft, um klare geschlechtsunabhängige Arbeitsbewertungsmodelle zu erarbeiten, die in Zukunft ein mögliches Instrument zum Abbau von Einkommensunterschieden sein könnten.

Zum Schluss möchte ich auch festhalten, dass ich glaube, dass es ein gesellschaftspolitischer Auftrag an uns alle ist, dahin gehend zur Bewusstseinsbildung beizutragen, dass Frauenarbeit und Männerarbeit gleich bewertet werden müssen. Diesbezüglich sind wir alle gefordert, und gerade hohe Parlamentarier könnten hier Vorbildwirkung bei der Bewusstseinsbildung haben. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ganz ausgezeichnet!)

23.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.11

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Der Einkommensabstand zwischen Frauen und Männern – das wurde heute schon festgestellt – ist derzeit kaum geringer als vor 30 Jahren. Tatsache ist ebenso, dass sich die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern seit mehreren Jahren nur unmerklich schließt.

Ich bin für den Bericht des Wirtschaftsministeriums besonders dankbar, da er Tendenzen offen legt, die zu dieser nicht zufriedenstellenden Entwicklung geführt haben. Diese Tendenzen haben folgende Ursachen: die wirtschaftlich unvorteilhafte Erstberufswahl von Mädchen und jungen Frauen, die Unterbrechung der Erwerbsfähigkeit durch Karenz, der schlechtere Zugang zu


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betrieblichen Qualifikations- und Aufstiegsmöglichkeiten, eine kürzere bezahlte Wochenarbeitszeit aufgrund des weitaus größeren Engagements von Frauen bei der Wahrnehmung von persönlichen Versorgungs- und Betreuungsaufgaben und damit verbundene Beschränkungen bei der Wahl des Arbeitsplatzes oder beim Wechseln des Betriebes.

Mir ist völlig klar, dass die Opposition für diese Situation die Regierung verantwortlich machen will und wird. Ich gebe den Ball aber gerne zurück und frage: Was hat das viel beweinte Frauenministerium zur Änderung der Lage beigetragen? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie rufen nach mehr Gleichbehandlung und -berechtigung in Familie und Beruf. – (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Ich zeige Ihnen gerne, wie wir das erreichen! Diese neue Regierung will mit ambitionierten Maßnahmen Verbesserungen erreichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine gute und umfassende Ausbildung ist die Voraussetzung für das Berufsleben jeder Person. Es muss sichergestellt werden, dass Mädchen und Buben die gleichen Startbedingungen haben. Es soll spezielle Fördermaßnahmen für Frauen und Mädchen in allen Bildungsbereichen, vor allem aber in der Wissenschaft und in der Technik geben. Wir setzen uns für die Förderung der Berufsorientierung und Bildungsberatung für Mädchen und Frauen ein.

Wichtig ist mir, an dieser Stelle anzumerken, dass das nicht nur für die Schulbildung gilt, sondern insbesondere auch für die Weiterbildung gelten muss, denn lebensbegleitendes Lernen ist wichtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zur Karenz: Uns ist jedes Kind gleich viel wert. Die Opposition macht aber leider immer noch den Fehler, dies mit der Forderung "Frauen, zurück an den Herd!" gleichzusetzen. Die Tatsache, dass man der Familie einen hohen Stellenwert zuerkennt, ist aber bestimmt nicht mit der Benachteiligung von Frauen gleichzusetzen! Wir sorgen nämlich nicht nur für die Karenzzeit selbst, sondern auch für die Zeit danach. Wir machen Familie und Beruf vereinbar und stehen für die Beseitigung frauendiskriminierender Arbeitszeitregelungen sowie für Förderungen während der Familienphase und für den Wiedereinstieg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir setzen uns für die Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Förderung hoch qualifizierter Teilzeitjobs ein. Ich danke allen Frauen für ihre großartigen Leistungen, die sie für die Gesellschaft und für die Familie erbringen! (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Lassen Sie mich eine weitere Feststellung machen. Erlauben Sie mir die Aussage, dass Frauenangelegenheiten leider immer viel zu eingeschränkt gesehen werden. Frauenangelegenheiten betreffen jeden politischen Bereich. Die neue Regierung hat in allen Bereichen bisher Gutes geleistet, und von dieser guten und zügigen Arbeit profitieren ganz besonders auch die Frauen! (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)  – Danke.

Ich nenne in diesem Zusammenhang die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, die Steuerreform, die Senkung der Miet- und Wohnkosten sowie das hervorragende Wirtschaftswachstum und den Rückgang der Arbeitslosigkeit: 14 000 Frauen weniger sind arbeitslos. Die Kindererziehungszeiten werden pensionsbegründend gestaltet, und wir setzen uns für die Schaffung von mehr und neuen Kinderbetreuungseinrichtungen ganz besonders ein. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Ist die Märchenstunde jetzt vorbei?)

Ich darf abschließend feststellen, dass wir diesen Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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23.16


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.16

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Nach dieser überzeugenden Rede meines Kollegen Freund – ich bin ganz hingerissen; er hat unentdeckte Talente, das habe ich überhaupt nicht gewusst! (Beifall bei der ÖVP)  – bleibt mir nur mehr, zusammenzufassen und auf die wichtigsten Maßnahmen hinzuweisen.

Was sind die Gründe für Lohnungerechtigkeiten? Zunächst die biologische und die soziale Mutterschaft. Damit daraus kein lebenslanger Nachteil wird, gilt es, Handlungen zu setzen. Im Bericht sind einige genannt. Nicht Männer sollen sich die Erwerbsarbeit mit sozialer und ökonomischer Anerkennung aussuchen können, sondern auch partnerschaftlich bei der Versorgungsarbeit zupacken. Wenn ich meinen Kollegen Freund richtig verstanden habe, dann will er dies.

Zweiter Punkt: das wenig ausgeprägte Bewusstsein der Frauen betreffend ihre eigene Kompetenz. Eine Kollegin, eine Bewerberin auf dem Arbeitsmarkt, nannte auf die Frage, welche Lohnvorstellungen sie denn habe, eine bestimmte Summe. Der Personalchef sagte, dass gerade ein Mann da gewesen sei, der dasselbe verlangt habe. Darauf reagierte die junge Kollegin mutig. Sie sagte: Na, dann liege ich ja richtig! – Der Personalchef war verblüfft. Er hatte mit einer so selbstbewussten Antwort nicht gerechnet. Diese junge Frau ist nicht die Norm, aber sie muss es werden!

Dritter Punkt: Mangel an Betreuungseinrichtungen, an engagierten, originellen, kinder- und elterngerechten Betreuungseinrichtungen. In diesem Zusammenhang müssen wir auch an neue Formen der Kinderbetreuung denken. Und damit bin ich schon bei einer Maßnahme. Wenn "Karenzgeld neu" ein Erfolg werden soll – und ich hoffe, es wird einer! (Beifall bei der ÖVP)  –, dann müssen die Zuverdienstgrenzen ganz nach oben geschoben werden oder überhaupt wegfallen. Mir soll es recht sein, wenn es keine gibt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.  – Abg. Schwarzenberger: Keine Zwischenrufe von einer Frau Ministerin, die versagt hat!)

Die Supermarktkassiererin steht mit anderen Kolleginnen in der gleichen Situation, in der sie als Mitt- oder Enddreißigerin vielleicht einen Durchschnittslohn erreicht und sich unter Umständen noch eine Mutterschaft zutrauen will. Solche Frauen sollen bestärkt werden, auf untypische, neue Art und Weise dazuverdienen und nach der individuellen Karenzzeit einen maßgeschneiderten Einstieg ins Erwerbsleben planen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dazu muss ich ergänzend sagen: Diese allfällige und hohe Zuverdienstgrenze soll natürlich für den karenznehmenden Elternteil gelten, nicht nur für Frauen allein. Das war ein Missverständnis. Und ich bin auch überrascht, dass Kollege Einem bisher offenbar einem Missverständnis aufgesessen ist. Er hat nämlich gefordert: Wir brauchen marktkonforme Maßnahmen zur Unterstützung von frauengerechten und familiengerechten Betrieben. – Das ist ja bereits der Fall! "Taten statt Worte" zeichnet frauenfreundliche Betriebe aus. Bei der SPÖ wird von marktkonformen Maßnahmen gesprochen – ich bin ganz hingerissen! (Beifall bei der ÖVP.) Diesbezüglich können wir sicherlich kooperieren, wenn das ein ernstes Angebot war.

Ich glaube auch nicht, dass Studiengebühren in allen Ländern Europas bewirken, dass die Unis nur ein paar einzelne Elitebubis hervorbringen, sondern sehr wohl auch Elitegirls! Warum haben wir also so große Angst davor, dass jetzt nicht nur für Kinderbetreuung etwas verlangt wird, sondern auch für ein erfolgreiches Studium an den Universitäten?

Ich rekapituliere: Marktkonforme Maßnahmen, partnerschaftliche Lösungen, die Möglichkeit, Versorgungsaufgaben auch an Dritte abzutreten, damit gemeinsam Lösungen gefunden werden können, Stichwort: Unternehmen Haushalt. Das ist ein Programm, das die ÖVP schon vor längerer Zeit vorgestellt hat und das noch immer gilt.

Meine Damen und Herren! Ich schließe angesichts der späten Stunde. Solange es noch immer Männer gibt, die sagen: "Es ist klasser, mit der Harley in die "Hacken" zu fahren, als mit den Pampers zum Mistkübel zu gehen!", haben wir noch viel zu tun! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

23.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

23.19

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dieser vorgerückten Stunde und nach der Selbsteuphorisierung der Regierungsparteien wird es vermutlich schwierig sein, noch ein paar kritische Bemerkungen anzubringen. Ich möchte es trotzdem versuchen.

Wenn etwa Frau Kollegin Lentsch in Bezug auf die Frauen sagt, dass ihnen das Bewusstsein für die Karriereplanung fehlt, dann ist das – und das gefällt mir nicht – einerseits ein Vorwurf an die Frauen selbst. Das kann und soll es nicht sein! Außerdem, Frau Kollegin Lentsch, ist auch ein zweiter Schritt erforderlich: Wenn man über Karriereplanung ernsthaft sprechen will, dann müsste man auch bereit sein, über Familienplanung ernsthaft zu sprechen. Aber diesbezüglich habe ich von konservativer Seite außer Widerständen und Vertuschungsversuchen bis jetzt noch nichts Ernsthaftes gehört! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Aber geh!)

Dann müssten Sie über Verhütungsmittel sprechen, dann müssten Sie darüber sprechen, wie man die Familienplanung im Hinblick auf die Karriereplanung vornehmen kann! Wenn Sie diese offene Auseinandersetzung aufnehmen, dann soll mir das recht sein! Wir stehen dafür zur Verfügung. Bis jetzt war all das aber nicht Gegenstand der ÖVP-Familienpolitik, meine Damen und Herren!

Zweiter Punkt: Es ist sehr viel darüber gesprochen worden, ob schon die neue Regierung oder noch immer die alte Regierung daran schuld ist, dass es diese Unterschiede gibt. Der Ball geht hin und her, und ich habe gestaunt. Das ist interessant!

Ich halte es mit jenen in der Debatte, die gesagt haben: Der Beitrag der Politik kann nicht übermäßig sein. Aber auch diesbezüglich tauchten wieder die Extreme auf, dass die Politik entweder gar nichts oder alles machen kann. – Meine Damen und Herren! Weder das eine noch das andere ist der Fall, aber die Politik kann Rahmenbedingungen setzen, und ich glaube, dass man es teilweise in der Vergangenheit verabsäumt hat, diese Rahmenbedingungen zu setzen, und teilweise jetzt in eine falsche Richtung gesteuert wird. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte wirklich versuchen, die Debatte darüber etwas zu entideologisieren. – Zum Beispiel hat Frau Kollegin Bauer in ihrem Beitrag darauf hingewiesen, dass es im Bereich der Textilindustrie, wie ich annehme, Leasingfirmen gibt, die Frauen um 75 S pro Stunde in die Betriebe schicken. – Dazu sage ich: Löhne von 75 S gibt es heute noch, und das ist zu wenig! Das richte ich in erster Linie an die Adresse der SPÖ, auch der Gewerkschaften: Warum haben wir heute noch immer keinen Generalkollektivvertrag, nach welchem es 15 000 S – oder meinetwegen 1 000 Euro, wie es der ÖAAB vorschlägt – für alle gibt? Das war auch eine Forderung des Frauen-Volksbegehrens. Die Frauenpolitik wird nicht an der Differenz von 1 000 S scheitern, an der Frage, ob es nun 14 000 S oder 15 000 S sein sollen. Aber das soll es bitte für alle geben! (Beifall bei den Grünen.) Mir ist es egal, ob das auf kollektivvertraglicher Ebene oder gesetzlich zustande kommt, nur sollte es bald zustande kommen!

Seit Jahren beziehungsweise Jahrzehnten können wir in diesem Bereich aber feststellen, dass nicht nur die Gewerkschaften daran schuld sind. Die Gewerkschaften haben ja auch einen Konterpart, nämlich die Wirtschaft: Das war ein ewiges Pingpong hin und her, bis schließlich nach zehn oder zwölf Jahren – solche Distanzen hat es gegeben! – die 10 000 S endlich einmal abgehakt werden konnten. Aber nach wie vor haben wir in bestimmten Bereichen Löhne, die nicht viel über diese 10 000 S hinausgehen.

Meine Damen und Herren! Daher soll nun die Initiative des Gesetzgebers gesetzt werden, 1 000 Euro oder 15 000 S, so wie es im Frauen-Volksbegehren gefordert wurde, auf gesetzlicher Grundlage als Mindestlohn zu verankern. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 235

Meine Damen und Herren! Der zweite Punkt – das wurde in der Debatte schon häufig angesprochen – waren die Karenzzeiten. Auch darüber könnten wir sehr lange diskutieren. Sie sind nicht einmal bereit, jene Konsequenz aus dem Bericht zu akzeptieren, dass überlange Karenzzeiten oder Karenzzeiten generell ein Problem bei der Einkommensdifferenz darstellen. – Wenn Sie die falschen Schlussfolgerungen ziehen – darauf hat Kollegin Prammer hingewiesen –, dann werden Sie immer wieder sagen: Das ist uns völlig egal, wir wollen in diese Richtung gehen!

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie auf etwas aufmerksam machen: Einerseits verkaufen Sie das Kinderbetreuungsgeld unter dem Motto "Wahlfreiheit für die Frauen", während auf der anderen Seite die FPÖ etwa mit dem Spruch Werbung macht: "Deutsch Griffen tagesmutterfrei – ein Erfolg des Kinderbetreuungsschecks der Freiheitlichen in Kärnten!" – Frau Kollegin Bauer! Ich wiederhole: "tagesmutterfrei"!

Frau Kollegin Bauer! Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie Wert darauf legen, dass Tagesmütter anerkannt werden! Aber die FPÖ empfindet es offenbar als einen Erfolg, dass es in bestimmten Orten, wo es den Kinderbetreuungsscheck gibt, keine einzige Betreuungsmöglichkeit gibt!

Das ist die Politik, die Sie mit dem Kinderbetreuungsscheck, mit dem Kinderbetreuungsgeld oder dem "Karenzgeld für alle" verkaufen wollen! (Abg. Dr. Fekter: Wer ist besser: die eigene Mutter oder die Tagesmutter?) Ich habe den Eindruck, dass es in diese Richtung geht, auch wenn man die Debatte über den Finanzausgleich betrachtet oder wenn man die Stellungnahmen der Länder und Gemeinden hört, die sagen: Wahrscheinlich werden aufgrund der Sparmaßnahmen Kinderbetreuungseinrichtungen in Ländern und Gemeinden teurer werden müssen.

Wenn man sieht, wie Sie Ihre Lenkungsmöglichkeiten nutzen und Ihre Interessen auf diesem Gebiet wahrnehmen, dann kann man nur sagen: Sie wollen den Frauen mit Sicherheit nicht die Möglichkeit zur Wahlfreiheit geben! Vielmehr betreiben Sie Ideologiepolitik, meine Damen und Herren von der ÖVP und der FPÖ! (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben sich auch in den nächsten Jahren einer ernsten Debatte zu stellen und nicht nur gebetsmühlenartige Wiederholungen zu äußern, was Sie tatsächlich für die Frauen leisten und geleistet haben. Da nützt es nichts, wenn ein Abgeordneter von Ihnen hier sagt: Wir haben die Heizölpreise gesenkt! – Das wird den Frauen zu wenig sein! (Beifall bei den Grünen.)

23.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte. (Ah- und Oh-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Lasst sie doch!)

23.27

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Ich möchte nur fünf, sechs Sätze sagen. Frau Kollegin Lentsch hat mich dazu herausgefordert, und ich meine auch, dass einige Frauen zum Schluss hier doch noch eine kleine Pointe anbringen sollten.

Frau Kollegin Lentsch! Sie haben gesagt, der Staat sei das Vorbild. – In der öffentlichen Verwaltung gibt es sicherlich bessere Rahmenbedingungen für Frauen als anderswo. Ich selbst bin Lehrerin und genieße das auch. Es gibt aber auch in der öffentlichen Verwaltung diesen ominösen gläsernen Horizont beziehungsweise diesen gläsernen Plafond, durch welchen man sehr schwer durchkommt. Diesbezüglich sind nach wie vor auch die öffentliche Hand und der Staat in der Schuld. Hier muss aufgerückt und den Frauen einfach mehr ermöglicht werden!

Zweitens: Der Staat sollte auch nicht nur bei sich Vorbild sein, sondern der Staat sollte auch andere dazu veranlassen, den Frauen mehr Raum zu geben. Es hat einmal eine Initiative gegeben, wonach die Förderungs- und Vergabepolitik an frauenfreundliche Kriterien geknüpft war. Das hat es gegeben! Was ist denn damit geschehen? Wann wurde das evaluiert? Wie wird das weiter betrieben, Frau Kollegin Bauer? (Abg. Rosemarie Bauer: Das gibt es immer noch!) Wo wird das weiter betrieben? Wer ist dahinter? Wann wird es die ersten Erfolgsziffern geben? Das möchte ich im nächsten Frauenbericht lesen! Das wäre wirklich eine Vorbildaktion!


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
36. Sitzung / Seite 236

Frau Kollegin Lentsch! Sie haben auch gesagt, dass Aktionismus kontraproduktiv sei. – (Abg. Mag. Schweitzer: Das sind mehr als sechs Sätze!) Wenn Sie als ÖVP-Politikerin Aktionismus als kontraproduktiv bezeichnen, dann frage ich Sie: Was ist denn dann dieses Plakat von Ihnen, das ich hier habe? Ist das nicht auch kontraproduktiv? Das ist doch wirklich das Letzte! (Die Rednerin weist ein Plakat mit der Aufschrift "Schau mir in die Augen, Kleiner! Stark. Schwarz. Weiblich" vor. – Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe dafür nur eine einzige Erklärung: Herr Bundeskanzler Schüssel kann zu wenig tief in Frauenaugen schauen! Nur das erklärt das hier. Anders könnte ich mir diese Plakate wirklich nicht erklären! Meines Erachtens sind sie der Ausdruck der Papiertigerpolitik, die Ihrerseits oft betrieben wird, der virtuellen Politik in Frauenangelegenheiten. Meines Erachtens sollte auf dem Plakat ehrlicherweise stehen: Stramm, schwarz und unsäglich – ich erspare mir das letzte Wort: d – u – m. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

23.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsausschusses, den vorliegenden Bericht (III-43 der Beilagen) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Einlauf

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 254/A bis 264/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1234/J bis 1260/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 21. September, 9 Uhr, ein.

Diese Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden. – Die Tagesordnung wird im Wege der Klubs zugestellt werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 23.31 Uhr