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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

911. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 16. Juli 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

911. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 16. Juli 2020

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 16. Juli 2020: 9.03 – 19.47 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Ar­beitsmarktservicegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeits­marktförderungsgesetz geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geän­dert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz ge­ändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Finanzierung von For­schung, Technologie und Innovation (Forschungsfinanzierungsgesetz – FoFinaG) erlas­sen wird sowie das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz, das Forschungs- und Technolo­gieförderungsgesetz, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Forschungs­organisationsgesetz, das IST-Austria-Gesetz, das OeAD-Gesetz und das ÖAW-Gesetz geändert werden (Forschungsfinanzierungsnovelle 2020)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 2012 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird, ein Bundesgesetz über Privathochschulen erlassen wird und das Fachhochschul-Studiengesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche und stu­dienförderungsrechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hoch­schulen, Einrichtungen zur Durchführung von Fachhochschul-Studiengängen und Fach­hochschulen aufgrund von COVID-19 (COVID-19-Hochschulgesetz – C-HG) geändert wird

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 11. Schulorgani­sationsgesetz-Novelle, das Schulunterrichtsgesetz, das Privatschulgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bundesgesetz über die Österreichische


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 2

Bibliothekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Prü­fungstaxengesetz geändert werden

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2020 – GB-Nov 2020)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Presseförderungsgesetz 2004 geändert wird

14. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Ver­einten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) über die Errichtung des Internationalen Zentrums für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene unter der Schirmherrschaft der UNESCO (Kategorie 2) in Graz (Ös­terreich)

15. Punkt: Satzung der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) samt Erklärung der Konferenz

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF-G) geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geän­dert werden

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (Ärztegesetz-Novelle 2020)

*****

Inhalt

Bundesrat

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 146

Aktuelle Stunde (78.)

Thema: „Perspektiven und Chancen am Arbeitsmarkt – Jugendliche in Be­schäftigung bringen“ ......................................................................................................................................... 10

RednerInnen:

Bernhard Hirczy ............................................................................................................ 10

Korinna Schumann ...................................................................................................... 13

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................... 15

Andreas Lackner .......................................................................................................... 18

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher .........................................  19, 27

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................... 23

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 24

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 26

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 27


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 3

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  27, 167

Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bun­desministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend „Missstände im Bereich der Erntearbeit“ (3794/J-BR/2020)          ............................................................................................................................. 112

Begründung: Korinna Schumann .............................................................................. 112

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher .............................................. 115

Debatte:

Rudolf Kaske .............................................................................................................. 121

Ernest Schwindsackl ................................................................................................. 123

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 125

Andreas Lackner ........................................................................................................ 127

Mag. Sandra Gerdenitsch .......................................................................................... 129

Martin Preineder ................................................................................................  132, 136

Korinna Schumann .................................................................................................... 134

Christoph Steiner ....................................................................................................... 134

Karl Bader ................................................................................................................... 135

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbesserungen im Bereich der Erntearbeit“ – Annahme (322/E-BR/2020) ....  132, 136

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservice­gesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeitsmarktförde­rungsgesetz geändert werden (285 d.B. und 319 d.B. sowie 10383/BR d.B.) ............................................................................... 28

Berichterstatter: Dr. Karlheinz Kornhäusl ................................................................... 28

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (320 d.B. sowie 10367/BR d.B. und 10384/BR d.B.) ............................................................................................................... 28

Berichterstatter: Dr. Karlheinz Kornhäusl ................................................................... 28

RednerInnen:

Andrea Michaela Schartel ........................................................................................... 29

Andreas Lackner .......................................................................................................... 31

Josef Ofner .................................................................................................................... 32

Heike Eder, BSc MBA .................................................................................................. 34

Andrea Michaela Schartel (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 36

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ................................................ 36

Horst Schachner ........................................................................................................... 39

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................................................... 41

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 42

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kollegin­nen und Kollegen „Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabe­dingter Schulschließung“ – Annahme (317/E-BR/2020) .....................................................................................................  30, 45


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Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“ – Annahme (318/E-BR/2020) ............................................................  31, 45

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wiedereinführung des Blum-Bonus“ – Ablehnung     33, 45

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona“ – Ablehnung ..........................................  40, 45

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 45

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 45

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird (703/A und 261 d.B. sowie 10365/BR d.B. und 10385/BR d.B.) ........................................................................................................ 46

Berichterstatterin: Dipl. Ing. Andrea Holzner ............................................................... 46

RednerInnen:

Bernhard Hirczy ............................................................................................................ 46

Stefan Zaggl .................................................................................................................. 47

Andrea Michaela Schartel ........................................................................................... 48

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 48

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird (68 d.B. und 281 d.B. sowie 10382/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 49

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................... 49

RednerInnen:

Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................................................. 49

Günther Novak .............................................................................................................. 50

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................................... 51

Michael Bernard ........................................................................................................... 52

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................................................ 53

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfsfonds für gestundete Energiekosten“ – Annahme (319/E-BR/2020) .............  51, 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 55

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz über die Finanzierung von Forschung, Technolo­gie und Innovation (Forschungsfinanzierungsgesetz – FoFinaG) erlassen wird so­wie das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz, das Forschungs- und Technologie­förderungsgesetz, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das For­schungsorganisationsgesetz, das IST-Austria-Gesetz, das OeAD-Gesetz und das ÖAW-Gesetz geändert werden (Forschungsfinanzierungsnovelle 2020) (239 d.B. und 308 d.B. sowie 10406/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 56

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................... 56


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 5

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................................................ 56

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................... 57

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .......................................................................... 58

Stefan Schennach ........................................................................................................ 59

Michael Bernard ........................................................................................................... 61

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................................... 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 63

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Tierversuchsgesetz 2012 geändert wird (289 d.B. und 309 d.B. sowie 10407/BR d.B.)                  63

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 63

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................... 64

Ing. Judith Ringer ......................................................................................................... 65

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 65

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 66

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Förderung tierversuchsfreier Forschung sowie Berichts­legung an den Bundesrat“ – Annahme (320/E-BR/2020) .....................................................................................................  67, 68

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 68

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird, ein Bun­desgesetz über Privathochschulen erlassen wird und das Fachhochschul-Studien­gesetz geändert wird (234 d.B. und 267 d.B. sowie 10400/BR d.B.) ............................................................................................................... 68

Berichterstatter: Dr. Karlheinz Kornhäusl ................................................................... 68

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 69

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................................................... 71

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 72

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................................................ 73

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .......................................................................... 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 75

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (204 d.B. und 269 d.B. sowie 10402/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 75

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ..................................................................... 76

RednerInnen:

Ing. Judith Ringer ......................................................................................................... 76

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 76

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ...................................................................................... 77

Marco Schreuder .......................................................................................................... 78


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 6

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .......................................................................... 79

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 80

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche und studienförderungs­rechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Ein­richtungen zur Durchführung von Fachhochschul-Studiengängen und Fachhoch­schulen aufgrund von COVID-19 (COVID-19-Hochschulgesetz – C-HG) geändert wird (660/A und 271 d.B. sowie 10403/BR d.B.) ............................................ 80

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ........................................................................... 80

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit (119 d.B. und 272 d.B. so­wie 10404/BR d.B.) .................................. 80

Berichterstatterin: Ing. Judith Ringer ........................................................................... 80

RednerInnen:

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 81

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ................................................................................... 82

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................... 83

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ................................................................................................ 85

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 9, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 86

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....... 86

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 11. Schulorganisationsgesetz-Novelle, das Schulunterrichtsgesetz, das Privatschulgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bundesgesetz über die Österreichi­sche Bibliothekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Prüfungstaxengesetz geändert werden (237 d.B. und 311 d.B. sowie 10375/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 86

Berichterstatterin: Dipl. Ing. Andrea Holzner ............................................................... 86

RednerInnen:

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 87

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................... 89

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 92

Andreas Lackner .......................................................................................................... 94

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .......................................................................... 95

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der täglichen Bewegungs- und Sporteinheit bedeutet bessere Gesundheit und Fitness unserer Kinder“ – Annahme (321/E-BR/2020) .......................................................  91, 96


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 7

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 96

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchs­umstellungsgesetz und das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2020 – GB-Nov 2020) (223 d.B. und 296 d.B. sowie 10366/BR d.B. und 10372/BR d.B.) ................................................... 96

Berichterstatterin: Mag. Dr. Doris Berger-Grabner ..................................................... 96

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................... 97

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................................................... 98

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 99

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 99

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................. 101

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 102

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Presseförderungsgesetz 2004 geändert wird (290 d.B. und 339 d.B. sowie 10364/BR d.B. und 10393/BR d.B.) ............................................................................................................. 102

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................. 102

RednerInnen:

MMag. Dr. Michael Schilchegger .............................................................................. 102

Klara Neurauter .......................................................................................................... 104

Elisabeth Grimling ...................................................................................................... 105

Marco Schreuder ........................................................................................................ 106

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ....................................................................... 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 107

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Na­tionen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) über die Errichtung des Internationalen Zentrums für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene unter der Schirmherrschaft der UNESCO (Kategorie 2) in Graz (Österreich) (181 d.B. und 298 d.B. sowie 10389/BR d.B.) ........................................ 108

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ................................................ 108

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend eine Satzung der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) samt Erklä­rung der Konferenz (225 d.B. und 300 d.B. sowie 10390/BR d.B.) .................................................................................................. 108

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ................................................ 108

RednerInnen:

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 108

Ing. Eduard Köck ........................................................................................................ 109

Stefan Schennach ...................................................................................................... 110


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 8

Marco Schreuder ........................................................................................................ 136

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .............................................................................................. 137

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ........................................... 139

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 141

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 141

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF-G) geändert wird (222 d.B. und 299 d.B. sowie 10391/BR d.B.) .................................................................................................. 141

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................. 141

RednerInnen:

Johanna Miesenberger .............................................................................................. 142

Günter Kovacs ............................................................................................................ 142

Mag. Bernd Saurer ..................................................................................................... 143

Marco Schreuder ........................................................................................................ 144

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ........................................... 145

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 146

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (284 d.B. und 326 d.B. sowie 10386/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 146

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 147

RednerInnen:

Günter Kovacs ............................................................................................................ 147

Karl Bader (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 149

Andreas Lackner ........................................................................................................ 149

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................... 150

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 151

Silvester Gfrerer ......................................................................................................... 152

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 154

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ersatzlose Streichung des fiktiven Ausgedinges“ – Ableh­nung ......  152, 156

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 156

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (708/A und 265 d.B. sowie 10387/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 156


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 9

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 157

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz ge­ändert werden (709/A und 266 d.B. sowie 10388/BR d.B.) .................................................................................................. 156

Berichterstatter: Andreas Lackner ............................................................................. 157

RednerInnen:

Ernest Schwindsackl ................................................................................................. 157

Stefan Zaggl ................................................................................................................ 158

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................................... 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 160

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 160

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (Ärztegesetz-Novelle 2020) (706/A und 293 d.B. sowie 10394/BR d.B.) ....................................................................................................................................... 160

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................... 161

RednerInnen:

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................. 161

Dr. Karlheinz Kornhäusl ............................................................................................ 162

Ingo Appé ...........................................................................................................  163, 166

Christoph Steiner ....................................................................................................... 164

Karl Bader ................................................................................................................... 166

Korinna Schumann .................................................................................................... 166

Christoph Steiner (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 167

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesundheitspolitische Initiativen für die Stärkung des nieder­gelassenen Bereichs“ – Ablehnung            164, 167

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 167

Eingebracht wurden

Antrag der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend bestmögliche Umsetzung der Kinderrechte (277/A(E)-BR/2020)

Anfragen der BundesrätInnen

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend vereitelter Gefängnisausbruch in Graz Jakomini (3792/J-BR/2020)

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Steuerbegünstigungen für REWE-Konzern (3793/J-BR/2020)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Fa­milie und Jugend betreffend Missstände im Bereich der Erntearbeit (3794/J-BR/2020)

Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend das Staatsarchiv unter Ausschluss der Öffentlichkeit (3795/J-BR/2020)


 


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 10

09.03.10Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Vizepräsidentin Mag. Elisa­beth Grossmann, Vizepräsident Mag. Christian Buchmann.

09.03.11*****


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Einen schönen guten Morgen, liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich eröffne die 911. Sitzung des Bundesrates.

Alle Mitglieder des Bundesrates sind anwesend.

09.03.21Aktuelle Stunde


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema:

 „Perspektiven und Chancen am Arbeitsmarkt – Jugendliche in Beschäftigung bringen“

mit der Frau Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend Mag. Christine Aschbacher, die ich sehr herzlich willkommen heiße. Guten Morgen! (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt, sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bun­desminister, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich erteile es Ihnen und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidial­konferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. Bitte, Herr Bundesrat.


9.04.39

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Einen schönen guten Morgen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! „Pers­pektiven und Chancen am Arbeitsmarkt – Jugendliche in Beschäftigung bringen“ – ein wichtiges Thema. Ich spreche aus Erfahrung, ich war selbst Lehrling, habe die Handels­schule in Jennersdorf besucht und dann im Familienbetrieb die Lehre genossen. Ich konnte somit als Lehrling, als Geselle, sprich als Facharbeiter, aber auch als Meister in unserem Betrieb mitwirken. – Gerade solche Beispiele kann man nutzen, um jungen Menschen aufzuzeigen, welche Chancen sich für junge Menschen bieten.

Allzu oft stellen wir uns die Frage: Wer sind unsere Facharbeiter von morgen, wer wird künftig unsere Häuser bauen, unsere Möbel fertigen, unsere Autos reparieren? Innova­tive Berufsfelder warten auf Jugendliche, aber eben auch klassische, gestandene Hand­werksberufe.

Ein funktionierender Arbeitsmarkt ist für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ent­wicklung des Landes von entscheidender Bedeutung. Die allgemeine Situation am öster­reichischen Arbeitsmarkt hat sich positiv entwickelt, dennoch gibt es eine Reihe von He­rausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Die größte aktuelle Herausforderung ist die Situation rund um Covid-19.


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An vielen medialen Aussagen, Verrenkungen merkt man, wie schwierig es ist, mit der Situation umzugehen – allzu oft merkt man, dass man im Nachhinein oft klüger ist als im Vorhinein, wenn es darum geht, entscheidende, richtige Schritte zu setzen. (Bundesrat Steiner: Ist bei der ÖVP meistens!) Ich darf hier festhalten, dass die Regierung richtige Schritte setzt (Bundesrat Rösch: Welche?), und darf auch festhalten, dass das Regie­rungsteam um Sebastian Kurz und Werner Kogler einen klaren, geradlinigen Weg geht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Lackner. – Bundesrat Rösch: Welche? Beispiele! Er soll ein Beispiel sagen!)

Die Kernaufgabe des AMS ist die möglichst effiziente Vermittlung Arbeitsuchender auf offene Stellen am Arbeitsmarkt. (Bundesrat Rösch: Beispiele kommen keine!) Das Ar­beitsmarktservice richtet dabei seine Tätigkeit auf die effektive Senkung der Arbeitslosig­keit aus. Die rasche und passgenaue Vermittlung wird hier gewährleistet.

In diesem Zusammenhang darf ich auf unsere Frau Bundesministerin Christine Asch­bacher verweisen, denn ihr ist es gelungen, gemeinsam mit Sebastian Kurz und Minis­terin Schramböck ein wichtiges Maßnahmenpaket, den Lehrlingsbonus, auf den Weg zu bringen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Der Lehrlingsbonus ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt, ein starkes Signal, eine große Chance für die Wirtschaft, aber vor allem eine Chance für viele Jugendliche.

Ministerin Schramböck sagte dazu: „Für mich ist es selbstverständlich, dass wir als Re­gierung eine besondere Verantwortung gegenüber all jenen haben, die sich im Umbruch befinden und im Moment auf der Suche nach einer Lehrstelle sind. Wir unternehmen sämtliche Anstrengungen, dass aus einer ‚talented generation‘ keine ‚lost generation‘ wird.“

Die Unternehmen werden unterstützt. Es gibt bereits diesen neuen Lehrlingsbonus von 2 000 Euro bis zu 3 000 Euro mit speziellem Fokus auf Kleinst- und Kleinunternehmen. Und speziell für Lehrlinge, die die Lehre abbrechen mussten, gibt es mit dem Programm Just 2 Work ein Instrument, das zur Verfügung gestellt wird und einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass junge Menschen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

In Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium, dem Bildungsministerium, dem Sozial­ministerium wurde von Frau Minister Aschbacher eine Taskforce für Jugendbeschäfti­gung initiiert. Auch dadurch sollen Lehrstellen suchende Jugendliche Perspektiven für den Einstieg in die Berufswelt geboten bekommen – jedem Jugendlichen ein betriebli­cher, überbetrieblicher oder schulischer Ausbildungsplatz. Viele Schwerpunkte werden hier gesetzt, hier tut die Regierung das Notwendige.

Die Taskforce hat bereits vergangene Woche ihre Arbeit aufgenommen und kann schon erste Ergebnisse vorweisen: Die Arbeitsministerin stellt in Zusammenarbeit mit der Wirt­schaftsministerin 1 000 Ausbildungsplätze für Menschen zwischen 20 und 30 Jahren für einen Lehrabschluss oder den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt bereit. Ein weiteres Ziel und ein weiteres Projekt ist es, Jugendliche im Rahmen eines Praktikumsbetriebs zu einem Lehrabschluss zu führen.

Ebenfalls ein Thema ist die Aufstockung der überbetrieblichen Ausbildung. Dies ist be­reits entsprechend angekündigt, da wird bedarfsorientiert ausgebaut, und dafür gibt es laufend Beobachtungen, aktuelle Daten und Prognosen – und das in Kooperation mit diversen Forschungsinstituten.

Wir sehen uns mit einigen klaren Faktenlagen konfrontiert, Covid-19 hat, wie schon ge­sagt, sehr viel verändert (eine Tafel mit einer Grafik und der Aufschrift „Entwicklung Ar­beitslosigkeit 2020 – Arbeitsmarktzahlen Covid 19“ auf das Rednerpult stellend): Wir hatten eine Rekordarbeitslosigkeit von über 588 000 Arbeitslosen, über 1,3 Millionen Men­schen waren in Kurzarbeit. (Bundesrat Rösch: Das ist ein Hohn!)


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Da bemerken wir in den letzten Wochen eine positive Entwicklung, die Zahlen verringern sich. In Kurzarbeit befinden sich derzeit rund 400 000 bis 450 000 Menschen. (Bundes­rat Rösch: Ich hoffe, die Rechnung bekommt ihr präsentiert! Allen, die jetzt kein Geld haben oder weniger Geld haben, zu sagen, dass ihr so toll seid, das ist ein Hohn!) Die Gesamtzahl der Arbeitslosen hat sich auf rund 414 000 verringert. In Schulung befinden sich rund 48 000 Menschen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Da kann man von einem Minus von 25 Prozent sprechen.

Konkret auf die Jugendlichen bezogen darf ich festhalten: Auch da haben sich die Daten deutlich verbessert und bestätigen die Maßnahmen der Bundesregierung. Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen hat sich von 85 000 auf circa 60 000 bis 65 000 verringert – eine Reduktion um circa ein Viertel. In Schulung waren teilweise 24 000 junge Menschen und nun sind es 21 000. Somit benötigen rund 44 000 junge Menschen dementspre­chende Lösungen, und auch da bin ich überzeugt, dass Ministerin Aschbacher und Mi­nisterin Schramböck richtige Schritte setzen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann fotografiert mit dem Handy die auf dem Rednerpult stehende Tafel.) Man muss die Zahlen nennen: Derzeit sind rund 64 000 junge Menschen unter 25 Jahren in Arbeitslosigkeit oder in Schulung.

Festzuhalten ist auch, dass unser duales Ausbildungssystem positiv angenommen wird. (Bundesrat Rösch – die auf dem Rednerpult stehende Tafel mit dem Handy fotografie­rend –: Das muss ich auch fotografieren! Das ist ein Hohn!) Ich selbst durfte im Jahr 1999 an einem Lehraustausch in Spanien teilnehmen. Noch heute pflege ich dorthin sehr gute Kontakte und noch heute wird darauf verwiesen, dass unser System in Österreich ein vorbildliches System und daher zu begrüßen ist.

Eine Chance sehe ich auch im Themenbereich Coding: Da gibt es Chancen für junge Arbeitnehmer im Bereich von Computerprogrammen, die den Schwerpunkt auf die spä­tere Änderung, auf Flexibilität, Erweiterung, Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit setzen. Eine ebenfalls wichtige Maßnahme ist das Mobilitätspaket: Auch da gibt es Chancen und Perspektiven für junge Menschen, die sich dementsprechend einbringen möchten.

Vielleicht noch spannende Zahlen im Detail: In Wien gibt es laut AMS 300 Lehrstellen, die gemeldet sind, und 3 000 Lehrstellensuchende. Aus dem Burgenland haben wir von der Industriellenvereinigung vernommen, dass rund 90 Prozent der Betriebe an ihrem Lehrstellenplan festhalten werden. Dies hat der Präsident der burgenländischen Indus­triellenvereinigung, Manfred Gerger, nach einer Umfrage auch veröffentlicht. Österreich­weit gibt es leider Gottes 7 673 Lehrstellensuchende, dies ist ein Zuwachs von 1 958 Per­sonen gegenüber dem Vorjahr. Ich denke, dies spiegelt die Situation von Covid‑19 wider. Dennoch ist festzuhalten, dass es gelungen ist, seit dem Höchststand der Krise über 150 000 Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen. Über 21 000 Jugendliche konn­ten wieder vermittelt werden. Im Westen von Österreich wird die Situation noch rascher besser.

Es gibt eben den Bedarf in diversen Berufsbereichen, egal ob es sich um den Bereich Mechatroniker, Drucktechniker, Kunststofftechniker und so weiter handelt; auch heimi­sche Fensterproduzenten – ich durfte unlängst einen Betriebsbesuch machen – sind auf der Suche nach jungen Lehrlingen. Ich bin auch da überzeugt, dass man es gemeinsam schaffen kann, Jugendliche zu motivieren, in die Berufswelt einzusteigen. Meine klare Botschaft an Jugendliche in ganz Österreich: Bitte bewerbt euch! Es gibt freie Lehrplätze, es gibt Möglichkeiten und es gibt Chancen.

Ich denke auch, dass wir im europäischen Vergleich gut aufgestellt sind. Es spre­chen auch Zahlen und Daten für uns, denn es werden gerade jetzt wieder 550 Millionen Euro in die aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik investiert; auch über die Lehr­stellenförderstelle werden derzeit 10 688 betriebliche Lehrstellen gefördert. Die Zahl der


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7 673 jugendlichen Lehrstellensuchenden, was so viel wie eine Lehrstellenlücke von 2 711 bedeutet, habe ich genannt. Zusätzlich erschwerend kommt natürlich das Faktum hinzu, dass per Juli 90 000 Schülerinnen und Schüler die neunte Schulstufe abgeschlos­sen haben. Erfahrungsgemäß werden davon rund 40 Prozent eine Lehrausbildung an­streben, was in diesem Fall ein Delta von 34 000 neuen Lehrstellenverhältnissen bedeu­ten würde. Somit kann man anhand der Zahlen aus der Vergangenheit ablesen, dass es im Herbst einen Bedarf von 7 500 bis 9 000 Lehrstellen geben könnte.

Dennoch, wenn man die Zahlen vergleicht, sieht man wiederum, dass die Maßnahmen, die gesetzt werden, richtig sind. Das Delta wird von der heimischen Wirtschaft, von unse­ren Betrieben abgedeckt. Genau diese Betriebe bilden unsere Facharbeiter der Zukunft aus, und diese sorgen dafür, dass unsere Arbeit auch in Zukunft gewährleistet ist. Es gibt viele gute Ideen. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen gegen die Jugendarbeitslo­sigkeit! – Danke, Frau Ministerin! Wir sind auf einem guten Weg. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

9.15


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


9.15.20

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zusehe­rinnen und Zuseher! Zuerst an den Kollegen gewandt, der jetzt das Schild hergestellt hat: Also ganz ehrlich, ich hoffe, Sie verhöhnen die Menschen, die jetzt arbeitslos sind, die keine Arbeit haben, nicht mit diesem Schild, und ich hoffe sehr, dass Sie dadurch nicht diese schwierige Arbeitsmarktsituation verharmlosen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.) Ich hoffe auch, dass Sie dann mit dem Schild dastehen, wenn die Arbeitslosigkeit im Herbst und Winter wieder hochgeht. Dann werde ich darauf warten, dass dieses Schild wieder da steht. Es ist sehr gefährlich, was Sie jetzt gemacht haben: eine Verharmlo­sung. (Ruf bei der ÖVP: Eine eigenwillige Interpretation!)

Und nun zur Sache: Am 23.1. fand eine groß angelegte Presseaktion der Bundesregie­rung zum Thema Lehre statt. Dabei wurde verkündet, dass die Zahl der Lehrlinge 2019 österreichweit um 1 196 junge Leute angestiegen ist, und das ist wunderbar. Das Jahr 2020 sollte zum Jahr der Lehre werden. Wirtschaftskammerpräsident Mahrer sagte: „Wir wollen dem Thema in Österreich mehr Respekt und Anerkennung zollen, denn Lehr­jahre sind Chancenjahre!“ – Auch das ist wunderbar und gut.

Jetzt aber ist es Mitte Juli 2020, und es ist alles anders. Die Coronakrise hat die Situation für junge Menschen in Österreich dramatisch verschlechtert. Die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen unter 25 Jahren hat sich verdoppelt. Im Herbst werden voraussichtlich 7 000 bis 8 000 Lehrstellen fehlen. Im Mai war bereits ein Anstieg von 103,8 Prozent von Jugendlichen ohne Job zu verzeichnen – und was hat die Regierung getan? Leider nicht viel: nur Tröpfchen auf den heißen Stein, wie in allen Bereichen, die die Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer betreffen. (Bundesrat Spanring: Pressekonferenzen haben sie gemacht!)

Die Fördertöpfe für die Lehrlingsausbildung wurden weiter erhöht – wunderbar: nach dem Gießkannenprinzip ohne Qualitätskriterien. Das kann doch nicht die einzige Antwort auf das drängende Problem des Fehlens von Lehrstellen sein. Gestern haben wir gehört: In Oberösterreich gibt es genug Lehrstellen. Dann würde ich vorschlagen, geben wir da den Unternehmen die Förderung nicht, die sie wollen, weil es ja genug Lehrstellen gibt. Warum braucht man dort dieses motivierende Instrument, anstatt dass man sagt, man fördert regional dort, wo es schwierig ist, Lehrstellen zu finden? Darüber sollte man re­den. Und ich glaube, das Gleiche würde auch für Niederösterreich gelten, wenn man sagt: Dort gibt es genügend Lehrstellen! – was ich eindeutig bezweifle.


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Bitte, schaffen Sie doch nicht eine verlorene Generation, indem Sie nicht handeln! Ver­zweifelte Jugendliche, die nicht wissen, wie es im Herbst weitergehen soll, verzweifelte Eltern, die sich wünschen, dass ihre Kinder eine gute, zukunftsgerichtete Ausbildung erhalten, und jetzt fürchten müssen, dass die Kinder ein Jahr bei ihnen zu Hause, ohne Perspektive, sitzen: welch unglaubliche Belastungen für die jungen Menschen und für die Eltern! Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es unerträglich, und es wäre all das nicht notwendig, wenn die Regierung endlich gehandelt hätte. Das Jahr 2020 wird nicht zum Jahr der Lehre werden, im Gegenteil: Es wird wohl auch zum Jahr der Jugendarbeitslosigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit Mai – oder vielleicht auch schon seit April – kennen Sie die Entwicklung und handeln nicht. Jugendarbeitslosigkeit muss mit allen Mitteln bekämpft werden! Wir können und wir dürfen uns eine Jugend ohne Perspektiven nicht leisten, weil wir Fachkräfte brau­chen, weil wir mitten im größten Wandel der Arbeitswelt stehen und die Digitalisierung neue Formen der Ausbildung fordert. Jetzt ist es Zeit, Jugendliche weiter zu qualifizieren, weil es für die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels in vielen Fachbereichen gut ausgebildete Fachkräfte braucht. Ohne sie können umweltfreundliche Technologien nicht praktisch umgesetzt werden.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern eine Lehrplatzgarantie. All jene Jugendliche, die jetzt keine Lehrstelle finden, müssen einen garantierten Platz in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte bekommen. Wir wollen, dass niemand zurückgelassen wird. Wie startet man ins Berufsleben, wenn einem signalisiert wird, niemand braucht einen, niemand interessiert sich dafür, wie ich zu einer Berufsausbildung komme? – Das darf nicht sein. Es braucht die Lehrstellengarantie. Auch der öffentliche Dienst ist jetzt als Arbeitgeber gefordert, ein verstärktes Angebot an Lehrstellen bereitzustellen. Das müsste selbstverständlich sein. Ich habe vom Bund diesbezüglich noch nichts gehört.

Fakt ist, dass die Regierung zu handeln verpflichtet ist. Ich darf an das Ausbildungs­pflichtgesetz erinnern, das 2016 unter Sozialminister Hundstorfer umgesetzt wurde. Da­rin wird die Verpflichtung zu einer Bildung und Ausbildung für Jugendliche nach der Schulpflicht bis zum 18. Lebensjahr vorgeschrieben. Also bitte nicht den Schmäh brin­gen: Wir machen Goodwill-Aktionen und wir gründen Arbeitskreise! Es besteht für Sie eine Verpflichtung, der Sie nachkommen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern weiters: Die Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre muss wieder eingeführt wer­den. Jeder, jede ÖsterreicherIn unter 25 Jahren hat das Recht auf eine Berufsausbil­dung. Diese Garantie wurde unter der ersten Regierung Kurz abgeschafft, jetzt muss sie wieder aufleben. Ziel ist es, junge Menschen zu qualifizieren. Das hilft ihnen am besten für ihre Zukunft am Arbeitsmarkt.

Die Stadt Wien hat da bereits vorausschauend wesentliche Umsetzungsschritte gesetzt: ein 17-Millionen-Euro-Investitionspaket für Jugendliche, die besonders von der Corona­krise betroffen sind. Gemeinsam mit dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds, dem Waff, werden rasch Schritte gesetzt, um zu helfen: 10 Millionen für die überbetriebli­chen Lehrwerkstätten, 7 Millionen für die Qualifizierung junger, arbeitsloser Wienerinnen und Wiener mit Hilfe des Qualifikationspasses und eine Jugendstiftung zur Qualifizierung in Zukunftsberufen. Das ist beispielgebend.

Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass sich im Herbst und Winter die Si­tuation am Arbeitsmarkt noch schlimmer darstellen wird. Umso schlimmer ist dieses Schild, das Sie da hergestellt haben. Es ist leider mit Insolvenzen zu rechnen, und die Entwicklung der Auftragslage in Industrie und Baugewerbe wird sich wahrscheinlich, zu­sätzlich zur saisonbedingten Arbeitslosigkeit, noch verschlechtern. Wegschauen, wie Sie es tun, hilft da nicht. Ab sofort müsste bereits ein Masterplan gegen die Jugendar­beitslosigkeit feststehen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es geht um die Lehrstellengarantie, aber es geht auch um die Frage: Welche Perspek­tiven haben junge Menschen in der Coronazeit nach der Matura auf einem schwer be­lasteten Arbeitsmarkt? Sind genug Studienplätze in Fachhochschulen und Universitäten vorhanden, um diesen jungen Erwachsenen den Weg in eine weitere Ausbildung zu er­möglichen? Es braucht da ressortübergreifende Initiativen – auch unter Einbeziehung des Bildungsministeriums und Wissenschaftsministeriums. Die ausreichende Finanzie­rung der überbetrieblichen Lehrwerkstätten und des universitären Bereichs muss be­reitgestellt werden, um Perspektiven anbieten zu können. Es ist heute der 16. Juli und es ist unbegreiflich, warum nicht bereits ein fertiges Konzept zur Bekämpfung der Ar­beitslosigkeit von jungen Menschen bereitsteht.

Neulich hat mir eine 23-jährige Frau gesagt: In meinem Leben ist es bereits die zweite schwere Wirtschaftskrise, die ich erlebe, und ich mache mir unglaubliche Sorgen, wie meine berufliche Zukunft aussehen wird. – Das ist Realität, und sie und alle jungen Men­schen, die jetzt vor diesen Problemen stehen, brauchen schon heute Antworten.

Frau Bundesministerin, die MitarbeiterInnen im AMS leisten in den letzten Monaten, vor allem in der Umsetzung des erfolgreichen Sozialpartnermodells der Kurzarbeit, Großarti­ges. Die Beratung und Betreuung von Arbeitslosen ist jetzt extrem wichtig. Die Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter des AMS arbeiten am Limit. Bitte, warum gibt es noch immer nicht die angekündigten zusätzlichen 500 Planstellen für das AMS? Sie werden dringend gebraucht. Handeln Sie endlich! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Als Arbeitsministerin sollte es selbstverständlich sein, sich gerade für jene starkzuma­chen, die in der Coronakrise so Übermenschliches geleistet haben. Klatschen und schö­ne Reden sind zu wenig. Die Heldinnen und Helden der Coronakrise in den systemre­levanten Berufen warten noch immer auf ihre finanzielle Anerkennung: Noch immer gibt es keinen Coronatausender für sie – nur Beifall und schöne Worte und kein Herz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Arbeitsministerin! Ich darf Sie noch auf eines von vielen weiteren Problemen am Arbeitsmarkt hinweisen: Die Arbeitslosigkeit von Frauen geht wesentlich langsamer zu­rück als jene von Männern. Der Einbruch in den nicht systemrelevanten Bereichen wie Tourismus und persönliche Dienstleistungen hat besonders negative Auswirkungen auf die dort beschäftigten Frauen. Ebenso wissen wir, dass Frauen den Hauptteil der gering­fügig Beschäftigten bilden. Die großen Probleme beim Kinderbetreuungsangebot, die nicht ausreichende Regelung der Sonderbetreuungszeit: All das sind Faktoren, die sich negativ auf die Beschäftigung von Frauen auswirken. Frauen übernehmen, besonders in der Krise, den Löwenanteil der unbezahlten Arbeit in Österreich, und sie dürfen auf keinen Fall zu den Verliererinnen am Arbeitsmarkt werden.

Wir wollen nicht, dass junge Menschen abgehängt werden. Junge Leute wollen arbeiten. Arbeit bedeutet Identität. Wenn man keine Arbeit hat, kommt es zu einem Verlust von Sozialkontakten und Status. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern Lehrstellen und Ausbildungsgarantien und sagen Nein zu einer Lost Generation und Ja zu einer Generation mit Zukunft. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundes­rates Rösch.)

9.25


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


9.25.46

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Hohes Haus! Werte Frau Minister! Es ist wirklich schade, dass der ORF seinen öffentlichen Auftrag nicht wahrnimmt und diese Sitzung heute hier nicht überträgt. Ich habe gehört, Oe24, ein privater Sender, macht es


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für den ORF, der es nicht der Mühe wert findet, die Debatten im Bundesrat, die zu ver­folgen für die Bevölkerung wichtig sind, um sich eine Meinung zu bilden – was sagt der eine, was sagt der andere –, um das Verkürzte nicht glauben zu müssen, zu übertragen.

Genau das, was wir heute von Herrn Hirczy und gestern von Frau Ringer, als sie über die Lehrstellen und die Lehrstellensuchenden gesprochen hat, gehört haben: Ich würde mir so sehr wünschen, dass das – heute und gestern – die Lehrstellensuchenden, die Lehrlinge der Zukunft – unsere Zukunft –, sehen könnten, weil das nicht zu überbieten ist: alles in einen Topf zu schmeißen, das Ganze aus einer privilegierten Sicht zu sehen – im Volksmund würde man sagen, das aus der Bobo-Sicht zu sehen –, eingebettet in eine Familie, in einen Betrieb, wo die Eltern vielleicht das eine oder andere lockermachen können, damit man eben eine gute Ausbildung hat, was sich jeder, alle Eltern für ihre Kinder wünschen würden!

Manchen aber geht es einfach nicht so gut, und die stehen dann an und schreiben wirk­lich Bewerbung um Bewerbung, suchen einen Ausbildungsplatz, kommen dann im End­effekt – Gott sei Dank, wenn sie im dualen System nicht ankommen können, weil sie keiner aufnimmt – irgendwo in Lehrwerkstätten unter, um doch noch eine Zukunft zu haben, um nicht diejenigen zu sein, die schon ganz am Anfang des Arbeitsmarktes abge­hängt sind. Wenn man das nicht sieht und das nicht auch spürt, dann hat man mit Lehr­stellensuchenden und mit richtigen Arbeitnehmern nichts zu tun. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ich würde mir da wirklich mehr Seriosität, auch Aktivität aus dem Ministerium wünschen, weil – das muss ich ganz ehrlich sagen – ich nicht einmal etwas Schlechtes sagen kann: Es kommt ja nichts. Normalerweise sagt man: Wer schläft, sündigt nicht!, aber in dem Fall, wo man eine Verantwortung hat, ist Schlafen eine Sünde. Wir haben das in der Coronakrise schon gesehen, als mit falschen Zahlen gearbeitet wurde, als mit falschen Modellen gearbeitet wurde, als uns dann gesagt worden ist – ich will das mit den 100 000 Toten gar nicht mehr überstrapazieren –: Jeder wird einen Toten kennen! Wir müssen uns irgendwo dann scannen lassen, jeder muss überall verfolgbar sein! – Und, und, und, was da alles gekommen ist! Wir konnten Gott sei Dank das Schlimmste ab­wehren.

Niemand hat dann gesagt – Herr Dr. Kornhäusl hat das in der vorletzten Rede als Arzt Gott sei Dank gesagt –, und das möchte ich nur noch kurz erwähnen: Der Ärzteschaft, die auf die glorreiche Idee gekommen ist, die Nummer 1450 einzurichten, ist es zu ver­danken, dass nicht alle in die Krankenhäuser gegangen sind, dass nicht alle in die Ordi­nationen gegangen sind! Das ist die Nachtdienst- und Feiertagsnummer der Ärzte. Na­türlich war die am Anfang völlig überlastet, und viele haben sich geärgert, dass sie nicht durchgekommen sind und dass sie oft Stunden oder Tage versucht haben, dort durchzu­kommen, um dann einen Termin zur Prüfung zu bekommen. Es hat aber schließlich und endlich dann doch geklappt. Vor allen Dingen hat es so geklappt, dass wir an einer richtig bösen Pandemie in Österreich vorbeigeschrammt sind, und da hat die Regierung leider Gottes noch an Modellen gearbeitet, die völlig falsch waren – mit völlig falschen Zahlen. Und sie hat das bis heute nicht eingestanden, sondern macht immer nur eine Politshow, wie das hier jetzt auch wieder zu sehen war: alles schönreden, alles toll, alles paletti.

So ist das Leben nicht! Wir müssen, wenn es um Jugendliche geht, wenn es um Arbeit­nehmer geht, wenn es um Sorgen der Bevölkerung geht, ein bisschen ernster werden, und da müssen wir dann auch die Zahlen richtig deuten.

Auch wenn wir sagen, wir haben soundso viele Lehrstellensuchende und wir haben so­undso viele Lehrplätze, so ist das aber nicht gleichmäßig verteilt. Und wer sagt denn, dass, wenn einer Koch werden will und nebenan eine Maurerstelle frei ist, der jetzt unbe­dingt Maurer werden soll? Das ist doch ein DDR-System! Das gab es doch in einem System, in dem wir gar nicht leben wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)


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Wir müssen schauen, dass es für die Leute Angebote in jenen Berufen gibt, in denen sie auch ausgebildet werden wollen, und dann müssen wir natürlich auch schauen, wo es das gibt. Will ich einen 15-jährigen Unmündigen durch ganz Österreich schicken? Das ist vielleicht innerhalb gewisser Grenzen und Distanzen für Arbeiter und Angestellte möglich, aber wenn wir Kinder haben und einer macht vielleicht eine Koch-, eine Maurer‑, eine Tischlerlehre oder sonst etwas und der muss dann 200 Kilometer irgend­wohin fahren, würde ich dem zumuten, in einer eigenen Wohnung zu wohnen? – Da muss sich doch das Ministerium, das eigentlich die Verantwortung für diese Ausbildung hat, Gedanken machen! Da hätte ich doch gerne die besseren Lösungen von Ihnen, und nicht, dass immer wir hier heraußen stehen und Ihnen sagen müssen, was an und für sich angesagt ist und was Sie tun sollten. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Da wir schon so viele Arbeitslose und mehr Menschen in Kurzarbeit haben, möchte ich auch das AMS ansprechen. Es kann doch nicht sein, dass Sie wirklich glauben, dass das AMS mit dem gleichen Personalstand eine wesentlich höhere Anzahl von Klienten stemmen kann und dass das auch am Personal des AMS friktionsfrei vorbeigeht. Ich kann Ihnen sagen: Im AMS ist es oft schon so, dass eine richtig angespannte Atmosphä­re herrscht, weil die Leute, die Angestellten dort so etwas von überfordert sind, und sie kriegen die ganze Zeit immer nur mit, dass Sie sagen: Wir werden niemanden kündigen, wir werden vielleicht die Pensionierungen hinausschieben.

Diese Krise ist nicht vorbei, wie Sie in der Regierung das auch schon richtigerweise gesagt haben, und diese Krise wird uns noch begleiten. Wir werden leider Gottes mit Corona leben müssen, weil ein Erfolg, dass wir Corona irgendwie besiegen, nicht in Sicht ist. Da müssen Sie jetzt ganz einfach auch einmal in die Umsetzung kommen und irgend­etwas tun.

Wir haben unseren Tausender gefordert, und wir wollten das, weil wir schnell handeln wollten – wie die Schweiz oder Deutschland, die ja gesagt haben: Wer schnell hilft, hilft doppelt! Bei uns wird ein Mosaik von Almosen in einem Fleckerlteppich verwoben, in dem immer wieder Löcher sind. Ich kann Ihnen betreffend die Kurzarbeit sagen, es gibt Mitarbeiter in Kurzarbeit, die bekommen 20 Prozent ihres Lohnes, den anderen Teil aber nicht. Warum? – Weil die WKO – wir haben ja kritisiert, dass die WKO in Wirklichkeit eine Standesvertretung ist und das macht – genau jenen, von denen eben keine Beiträge bezahlt werden, weil das ausländische Firmen sind und sie vielleicht nur ein Büro unter­halten und hier nur Angestellte haben, praktisch die Beiträge verwehrt.

Genau solche Firmen kenne ich, und die dort Angestellten sind wirklich verzweifelt, weil sie nicht wissen, wie sie überleben sollen – und das AMS schickt sie zur WKO und die WKO schickt sie zum AMS. Das kann nicht sein!

Dasselbe gilt betreffend die 450 Euro. Warum verwehren Sie denen, die sich selber Ar­beit suchen, die dann Regale einschlichten oder irgendetwas anderes machen, weil sie in der Gastronomie und so weiter arbeitslos geworden sind, sie es sich aber nicht leisten können, arbeitslos zu sein, warum also verwehren Sie denen die 450 Euro? – Das kön­nen Sie keinem erklären.

Sie werden uns auch noch erklären müssen, welche Visionen Sie haben. Wir haben schon das letzte Mal darüber geredet, und da habe ich Sie aufgefordert: Kommen Sie das nächste Mal bitte und erzählen Sie uns, welche Visionen Sie für den Arbeitsmarkt haben. Der ist ja nicht erst seit der Krise angespannt, sondern es hat auch schon vor der Krise Bedarf gegeben, den Kolleginnen und Kollegen, die im Angestellten- und Arbeiter­verhältnis sind, eine Möglichkeit zu geben, in Arbeit zu kommen. (Bundesrat Schen­nach: Wo keine Visionen sind, gibt es auch keine Antwort!) – Ja!

Damit möchte ich noch einmal auf unsere Forderungen zurückkommen. Wir haben Ent­schließungsanträge eingebracht, die angenommen wurden, die dann von der Regierung


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aber wieder abgeschmettert wurden. Mag ja sein, dass die ÖVP sagt: So wollen wir das nicht!, aber es kamen keine Antworten. Ich sage sie Ihnen noch einmal: Den Aufzahlungs­modus für Notstandshilfebezieher, die Aufstockung des AMS-Personals, den 1 000-Eu­ro-Gutschein für alle Österreicher, den Blum-Bonus und vieles, was wir vorgeschlagen haben, was in dieser Situation wirklich helfen würde, haben Sie, obwohl es hier im Bun­desrat bestätigt wurde, dann in der Regierung wieder abgeschmettert – aber von Ihrer Seite ist nichts gekommen, kein Angebot. Also die Politshow, die da draußen abgeführt wird, ist zum Schämen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Und damit ich das noch loswerde: Ich würde auch den Koalitionspartner einmal hinter­fragen, wenn er sagt, Sie sind „voll nett“ oder „sehr zuvorkommend“, und er Ihnen das Attribut „lieb“ und so weiter zuschreibt, und mir überlegen, wie Sie das für sich werten. Ich würde mich politisch dagegen stemmen, wenn ich als Frau Minister dastehe und nur als „lieb“ und „nett“ wahrgenommen werde. (Beifall bei der FPÖ.)

9.36


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen. (Bundesrat Schennach: Na, schauen wir einmal, was er jetzt ...! – Bundesrätin Mühlwerth: Da kann er sich gleich verteidigen! – Bundesrat Schennach: Das macht er nie!)


9.36.46

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Zahl der arbeitslosen jungen Menschen hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt – als junge Menschen gelten beim AMS alle unter 25 Jahren.

Wie sieht die Situation bei den Lehrlingen aus? – Es ist mit einem Rückgang von 7 000 bis 8 000 betrieblichen Ausbildungsplätzen im Herbst zu rechnen. Aus diesem Grund gibt es derzeit viele Gespräche, Abstimmungen und Maßnahmenplanungen, um diese Lücke zu schließen. Zur besseren Abstimmung wurde eine Taskforce (Bundesrat Schennach: Ah, sehr gut!) aus Sozialministerium, Bildungsministerium, Arbeitsministe­rium und Wirtschaftsministerium ins Leben gerufen, die das Ziel hat, für jeden Jugend­lichen einen betrieblichen, überbetrieblichen oder schulischen Ausbildungsplatz zu er­möglichen. (Bundesrat Schennach: Als ob es nicht schon genug Konzepte gäbe! – Bun­desrat Rösch: Das Ziel! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Den Rahmen dafür – Frau Schumann, da haben Sie recht – bildet die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre, die im Falle eines Ausbildungsabbruchs auch aufsuchende Maßnahmen wie zum Beispiel das Jugendcoaching vorsieht, im Rahmen dessen dann in einem indi­viduellen Entwicklungsplan erarbeitet wird, wie es möglich ist, an anknüpfende Ausbil­dungsmaßnahmen anzuschließen und diese wieder für die Person zugänglich zu ma­chen. Alle altbekannten Probleme in der Lehrausbildung, die es auch schon vor Covid – ich meine hier zum Beispiel Qualitätsunterschiede, Drop-outs et cetera – an den Schnitt­stellen zwischen Schule und Ausbildung gab, lassen sich sicher nicht auf einmal behe­ben, aber ein Grund für die Taskforce ist eben auch, dass es hier zu einer besseren Abstimmung und zur Ausweitung der ÜBA-Plätze als Ergänzung kommt. Auch der Lehr­lingsbonus inklusive der Sonderförderung für Kleinst- und Kleinbetriebe, die ausbilden wollen, sind Schritte in die richtige Richtung.

Um die Auswirkungen der Covid-Krise auf die Lehrausbildung zu bekämpfen, braucht es verschiedene Ansätze, beispielsweise Anreize für Betriebe, Lehrlinge aufzunehmen. Der schon angesprochene Lehrlingsbonus sieht vor, Betriebe, die von März bis Oktober Lehrlinge neu aufnehmen, mit 2 000 Euro pro Lehrling zusätzlich zu fördern; 1 000 Euro bei Abschluss des Lehrvertrages, 1 000 Euro nach Ablauf der Probezeit. Diese Förde­rung gibt es zusätzlich zur bereits bestehenden Lehrstellenförderung.


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In den letzten Jahren hat sich der Anteil an sehr großen Lehrbetrieben von 29 Prozent auf 38 Prozent erhöht, aber Kleinstbetriebe haben immer weniger Lehrlinge ausgebil­det – auch daraus ergibt sich Handlungsbedarf.

Der österreichischen Wirtschaftsstruktur entsprechend und auch aufgrund von Rückmel­dungen von Jugendgewerkschaft, Arbeiterkammer und auch von Studien und Berichten haben wir Vorschläge für einen Zuschlag für Kleinstbetriebe – das sind Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern – und Kleinbetriebe – das sind solche mit weniger als 50 Mitarbeitern – gemacht (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) – ja, die Arbeiter­kammer war beteiligt, da haben Sie recht, Frau Schuhmann (Bundesrat Rösch: Die haben vielleicht die Worte gehört, aber dabei sein heißt noch nicht mitmachen!) –, nun einen Kompromiss gefunden, und dieser Zuschlag kommt noch zusätzlich dazu. Das ist die erste Förderschiene für Lehrbetriebe, die auf die Betriebsgröße Bezug nimmt und eben das Ziel hat, kleine Lehrbetriebe in ihrer Ausbildung zu unterstützen.

Von der Kostenschätzung her ist es so, dass der Lehrlingsbonus mit ungefähr 50 Mil­lionen bis 60 Millionen Euro budgetiert wird und die Sonderförderung für Kleinst- und Kleinbetriebe etwa 8 Millionen Euro ausmachen wird.

Jetzt folgt ein Appell an alle Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat – Sie sind ja auch Vertreter Ihrer Bundesländer –: Regen Sie in Ihren Bundesländern an, dass Betriebe im Einflussbereich des jeweiligen Landes im Herbst verstärkt Lehrlinge aufnehmen! (Bun­desrätin Mühlwerth: ... sie es sich leisten können!)

Ein weiterer wichtiger Schritt wird sein, die Kapazitäten der überbetrieblichen Lehre aus­zubauen – diese sind ja vor zwei Jahren empfindlich reduziert worden, und deswegen ist es auf jeden Fall notwendig, sie wieder stärker auszubauen. Etwa 7 Prozent aller Lehrstellensuchenden sind auf einen ÜBA-Ausbildungsplatz angewiesen. Derzeit gibt es etwa 7 000 ÜBA-Plätze und weitere 3 000 für die integrative überbetriebliche Ausbil­dung.

Weiters sind auch andere Qualifikationsschienen für junge Menschen zu nutzen. Da geht es um die Ausbildungsgarantie des AMS bis 25, und da sind Maßnahmen wie Ar­beitsplatznahe Qualifizierung, Facharbeiterintensivausbildungen und Implacementstif­tungen sicher weiter zu verstärken.

Insgesamt kommt dem AMS meiner Meinung nach eine zentrale Rolle bei der Be­kämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu, und daher ist es natürlich auch besonders wich­tig, das AMS mit entsprechendem Personal auszustatten. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.42


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


09.43.11

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich freue mich besonders, dass wir dieses Thema heute besprechen können. Es ist uns als gesamter Bundesregierung und auch mir persönlich ein Herzensanliegen, insbesondere den Jugendlichen eine Perspektive und Mut zu geben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Jugendlichen sind unsere Zukunft, leben aber im Jetzt und Hier. Wie Sie wissen, habe ich selbst drei Kinder, und beispielsweise auch meine Neffen stellen sich gerade der herausfordernden Frage: Bleibe ich in einer weiterführenden Schule oder suche ich mir eine Lehrstelle? Es gilt, hier für die Jugendlichen zu kämpfen und genügend Aus­bildungsplätze – entweder in der Schule oder in den Unternehmen als Lehrstelle – zur


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Verfügung zu stellen. Das ist unser Ziel und dafür kämpfen wir gemeinsam. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte noch ein paar Zahlen nennen, um auch einige Daten geradezurücken, die hier im Hohen Haus, aber auch sonst teilweise herumschwirren. Wir sehen, dass wir seit dem Höchststand der Krise, der am Arbeitsmarkt mit Mitte April zu verzeichnen war, bereits 150 000 Menschen wieder in Beschäftigung bringen konnten. Diesbezüglich ist jede und jeder Einzelne davon ein Erfolg, denn es gibt wieder Beschäftigung und die Gelegenheit, einem Job nachzugehen, und das ist das beste Mittel gegen Armut. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Dennoch sind 438 421 Personen beim AMS entweder als Arbeit suchend oder in einer Schulung befindlich gemeldet. Wir haben also viel zu tun, und wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst, das kann ich Ihnen garantieren und versprechen. Wir geben tagtäglich und ganz oft auch nächtens mit vereinten Kräften unser Bestes.

Weil die Kurzarbeit angesprochen wurde, möchte ich auch noch erwähnen, dass diese ein wichtiges und richtiges Instrument ist. Wir konnten mittlerweile über 900 000 Men­schen wieder zu einem Normalbetrieb zurückführen, und das ist wichtig, denn einerseits ist die Arbeitsplatzgarantie, die dahintersteckt, damit verbunden, andererseits aber auch die finanzielle Absicherung – und vor allem auch die Perspektive, dass es wieder normal weitergeht.

Dennoch sind manche Branchen, manche Unternehmen, aber auch verschiedene Ziel­gruppen nach wie vor betroffen. Es handelt sich um eine internationale Wirtschaftskrise, die aus der Pandemie entstanden ist, und dementsprechend gilt es Vorkehrungen zu treffen und Maßnahmen zu setzen, wie beispielsweise, die Kurzarbeit ab Herbst in einer Form zur Verfügung zu stellen, bei der es eben darum geht, auch Unternehmen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Perspektiven zu geben und Arbeitsplätze abzusichern.

In diesem Zusammenhang haben wir bereits 3,5 Milliarden Euro an die Unternehmen ausbezahlt, und wir haben eine Auszahlungsquote von über 94 Prozent. Das bedeutet, wenn Unternehmen die Abrechnung einreichen, bekommen sie mittlerweile innerhalb von einer guten Woche ihre Gelder ausbezahlt – es wird da monatlich abgerechnet. (Bundesrat Rösch: Da kenne ich komischerweise die, denen es nicht gut geht!)

An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AMS österreichweit, die in den letzten Monaten wirklich Herausragendes geleistet haben, aber auch nach wie vor leisten, und hier sei auch die Unterstützung durch viele Hilfskräfte und externe Kräfte besonders erwähnt. Zu den Höchstzeiten hatten wir über 600 Unterstützungskräfte, derzeit sind es nach wie vor über 400, damit insbesondere auch die Kurzarbeit abgewickelt werden konnte und kann, aber auch, damit der Schwer­punkt der Arbeit, der selbstverständlich auf der Vermittlung, der Kernkompetenz des AMS, liegt, nicht zu kurz kommt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Mühl­werth: Es geht um die ...! – Bundesrat Schennach: Das versteht sie nicht!)

Zu den Jugendlichen: Wir haben bei den Jugendlichen eine Arbeitslosenquote – inklu­sive in Schulung befindlicher Menschen –, die eine Steigerung von 32,6 Prozent im Ver­hältnis zum Vorjahr bedeutet. Ich möchte das klarstellen: Natürlich ist jede und jeder Einzelne zu viel (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), aber ich möchte auch bitten, dass wir nicht nur die Angst und Sorgen in den Vordergrund stellen, sondern auch Mut und Perspektiven verbreiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich bin mit vielen Jugendlichen in tagtäglichem Austausch, einerseits als Arbeitsminis­terin, als Jugendministerin, aber auch als Familienministerin in vielen Gesprächen mit den Eltern. Teilweise wurde es auch schon erwähnt: Auch wir Eltern wollen natürlich das Allerbeste für unsere Kinder und möchten natürlich auch einen Ausbildungsplatz entwe­der in der Schule oder in der Lehre zur Verfügung stellen.


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Daher ist es mir auch wichtig zu sagen, dass wir als Bundesregierung mit vereinten Kräf­ten, da gerade dieses Thema eine Querschnittsmaterie ist, alles geben. Aus diesem Grund haben wir auch die Taskforce eingerichtet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann.) Darüber hinaus haben Sie es ja selbst gefordert, und wir setzen es bereits um, dass wir eine gemeinschaftliche Vorgangsweise haben, nämlich gemeinsam mit der Wirtschaftsministerin, mit dem Bildungsminister und mit dem Sozialminister, wodurch es Meilensteine gibt, wodurch beispielsweise auch schon die Anzahl der FH-Plätze erhöht wurde, aber auch andere Bereiche bereits in Umsetzung sind, um eben Mut und Pers­pektiven zu geben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Schennach: Das AMS wurde vergeben!)

Dennoch gibt es über 64 000 Jugendliche, die zurzeit Arbeit suchend sind. Wir haben 500 Jugendliche innerhalb einer Woche vermitteln können, seit dem Höchststand der Krise waren es über 21 000 Jugendliche, die wir vermitteln konnten. Auch da ist jede und jeder einzelne Vermittelte ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist noch viel zu tun, und ich kann Ihnen versprechen: Wir lassen die Ärmel hochgekrempelt. (Bundesrat Schennach: Die Ärmel hochgekrempelt!)

Derzeit gibt es eine Lehrstellenlücke von 2 700 Plätzen, es sind 7 700 Personen auf Lehrstellensuche und 5 000 Lehrstellen sind beim AMS ausgeschrieben. Zum Glück gibt es auch viele Lehrstellen, die nicht beim AMS gemeldet sind, sondern direkt in der Wirt­schaft, wo sich die Jugendlichen bewerben können.

Beispielsweise war ich jetzt in Kärnten unterwegs und davor in der Steiermark, wo Un­ternehmer zu mir gesagt haben: Ich suche sechs Lehrlinge. Da habe ich gesagt: Bitte auch an das AMS rückmelden, damit wir bei der Vermittlung unterstützen können!

Es gilt, in Mut und Perspektive zu investieren und Mut und Perspektive zu transportieren und nicht nur mit Sorgen und Ängsten Stimmung zu machen. (Bundesrat Steiner: Die Wirtschaftsministerin hat gestern andere Zahlen mitgehabt!)

Wenn wir uns aber jetzt – Sie, Frau Kollegin, haben es angesprochen – die Bereiche genau anschauen – und es geht jetzt gerade bei den arbeitsmarktpolitischen Herausfor­derungen darum, dass wir aus der Krise lernen und uns genau anschauen: Welche Ziel­gruppen brauchen welches Instrument des arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkoffers, nämlich auch zu welcher Zeit? –, sehen wir, dass es ein Ost-West-Gefälle und die Un­gleichheiten zwischen den Städten und den Regionen gibt.

Es gibt in Wien eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, es stehen aber sehr wenige Lehrstel­len zur Verfügung. In Oberösterreich beispielsweise ist es umgekehrt. Wir haben nach der Krise oder in dem neuen Normal, in dem wir uns jetzt ja befinden, ermöglicht, dort, wo es geht, so viel wie möglich weiterzuarbeiten, und auch zu schauen: Wie bekommen wir Lehrlinge dorthin? Daher geht es auch darum, entsprechende Aktionen zu setzen, um diese Lücke zu schließen, nicht nur inhaltlich, sondern auch regional. (Bundesrat Steiner: Welche Aktionen sind das denn? Sagen Sie es uns!)

Bei der Taskforce für Jugendbeschäftigung geht es uns in allererster Linie darum, mit verstärkter Berufsorientierung die Stärken der Jugendlichen festzustellen, zu identifizie­ren (Bundesrat Steiner: Das sind ja alles leere Worthülsen!), damit wir wissen: Wo sind die Jugendlichen? Was machen sie gerne? Es geht darum, diesen Funken zu entfachen und dort ein bedarfsorientiertes Angebot zur Verfügung zu stellen.

Mit unserem Programm für Jugendliche, das wir als ersten weiteren Meilenstein auch der Taskforce kommuniziert haben, ermöglichen wir 1 000 jungen Menschen zwischen 20 und 30 einerseits den Wiedereinstieg, wenn beispielsweise eine Ausbildung abgebro­chen oder durch Ereignisse in verschiedenen Bereichen des Lebens unterbrochen wur­de, eine Lehre noch abzuschließen oder beispielsweise auch einen Wiedereinstieg als junge Mutter. (Bundesrat Rösch: Welches Programm ist das? Lauter Allgemeinplätze!)


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Wie soll das gelingen? – Da bitte ich alle Jugendlichen, aber auch die Unternehmen, die zusätzliche Praktikumsplätze zur Verfügung stellen, sich an den AMS-Betreuer oder die AMS-Betreuerin zu wenden. Wir unterstützen intensiv beim Matching, aber auch finan­ziell für eine durchschnittliche Ausbildungsdauer von zwei Jahren in diesem Programm und unterstützen auch jene Jugendlichen, die flexibel und mobil sind, die beispielsweise keine Betreuungspflichten haben und sagen: Ich bin bereit, mich auch über die Bundes­ländergrenzen hinauszubewegen.

Wir sind ja hier in der Länderkammer des Parlaments, im Bundesrat. Da werden Sie sicher zustimmen, dass wir mit dem Mobilitätspaket, mit dem die Kosten des Wohnsitz­wechsels, aber auch die Miet- und Fahrtkosten übernommen werden, eine Win-win-Si­tuation erzielen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir investieren über 550 Millionen Euro in aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik für Jugendliche. Wir schauen uns gerade bedarfsorientiert an: Wo ist es möglich, mit den Unternehmen gemeinsam Lehrstellen auf dem Ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen? Dementsprechend unterstützen wir auch mit dem Lehrlingsbonus, ganz beson­ders, nämlich in erhöhter Art und Weise, die Kleinst- und Kleinunternehmen, damit eben die Jugendlichen direkt vor Ort, dort, wo sie gebraucht werden, einer sinnerfüllenden Tätigkeit nachgehen können.

Je nach Bedarf werden wir natürlich die überbetrieblichen Lehrstellen aufstocken, damit wir für die Jugendlichen Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.

Für die Lehrstellenförderung wird derzeit in über 10 688 betriebliche Lehrstellen inves­tiert.

Es ist mir auch wichtig, Lehrlinge immer mit zu beachten, sie beispielsweise im Zuge der Kurzarbeit zu inkludieren und sie vor den Vorhang zu holen. Aufgrund der Coronapan­demie mussten die Euroskills von Juni auf Jänner verschoben werden, aber – das ist ganz wichtig – da sind wir Vorreiter. Ich freue mich schon jetzt darauf, die Lehrlinge aus Österreich nicht nur in Europa, sondern auch international vor den Vorhang zu bringen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrat Schennach: Da müssen Sie aber selber lachen!)

Uns geht es darum, mit unserem gesamten Maßnahmenmix die Jugendlichen bedarfs­orientiert und zielgruppenspezifisch zu unterstützen. Viele weitere Maßnahmen sind in der Pipeline, sodass wir den Jugendlichen Mut und Perspektive geben und mit dem Aus­bildungsjahr 2020/2021 einen Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen können, denn es geht darum, unseren Jugendlichen jetzt zu zeigen: Wir unterstützen euch, wir sind selbstverständlich für euch da und wollen euch eure Stärken entfalten lassen, und das am besten auf dem Ersten Arbeitsmarkt oder im Rahmen einer weiterführenden schuli­schen Ausbildung.

Für die Zeit nach der Matura – weil Sie es angesprochen haben – wurden bereits die FH-Plätze, aber auch andere Ausbildungsplätze aufgestockt. Daran arbeiten wir auf Hoch­touren. (Bundesrat Schennach: Auf Hochtouren, in der Taskforce!)

Es geht darum, dass wir den Jugendlichen eine Zukunft, aber auch eine sinnhafte Tä­tigkeit garantieren, sodass es sich in der Früh auszahlt, aufzustehen, und man am Abend sinnerfüllt nach Hause kommt und sich freut, wieder einer Tätigkeit nachzugehen. Wir geben mit vereinten Kräften dahin gehend alles.

Ich danke auch Ihnen für die Kooperation, dafür, dass wir gemeinsam für die Jugendli­chen in diesem Land kämpfen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

9.56


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich danke der Frau Bundesministerin für ihre Ausführungen.


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Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Bun­desrätin, ich erteile es Ihnen.


9.56.40

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsi­dentin! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher! Als am vergangenen Freitag für über eine Million Schülerinnen und Schüler die Ferien begonnen haben und für fast 400 000 Studierende in unserem Land das Semester geendet hat, war das nicht nur das Ende eines, glaube ich, sehr außer­gewöhnlichen Ausbildungs- und Schuljahres, sondern es war vor allem auch der Start in ganz außergewöhnliche Ferien, in denen vieles, was für sie sonst selbstverständlich war, nicht selbstverständlich sein wird, vom Reisen, von der vielleicht geplanten Interrailreise, über Festivals, Fortgehen und Feiern – auch das gehört im Sommer, glaube ich, dazu – bis hin zu vielen Ferienbetreuungseinrichtungen und Feriencamps.

Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um jenen Danke zu sagen, die auch in diesem Jahr alles tun, um Jugendlichen und jungen Leuten in unserem Land schöne Ferien zu ermöglichen. Ich glaube, das haben sie sich verdient. Da bin ich allen sehr, sehr dankbar, die auch im heurigen Jahr alles tun, um Feriencamps zu ermöglichen. Ich denke da zum Beispiel an die Pfadfindergruppe bei mir daheim, die auch im heurigen Jahr ein Sommerlager hat stattfinden lassen. Ich denke an viele Unternehmen, die die Jugendlichen auch im heurigen Jahr schnuppern lassen. Das ist keine einfache Aufgabe in einem Jahr wie diesem. Ich denke vor allem auch an alle Eltern, die nach Homeoffice und Homeschooling jetzt mit der Ferienbetreuung vor einer neuen Herausforderung ste­hen und sich dieser auch stellen. Dafür wirklich ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich an die Ferien im heurigen Jahr denke, dann denke ich aber auch ganz be­sonders an 40 000 Maturantinnen und Maturanten – Kollegin Schumann hat es heute schon angesprochen –, die jetzt ein bisschen das Label des Coronajahrgangs haben und für die sicherlich auch punkto Studienbeginn, punkto Präsenzdienst noch vieles of­fen ist.

Ich denke auch ganz besonders an jene, die im letzten Jahr eine polytechnische Schule besucht haben und im Herbst eigentlich mit einer Lehre starten wollten und bei denen vieles offen ist.

Wir müssen in dieser Situation, glaube ich, natürlich auch an jene denken, die durch die Coronakrise ihren Arbeitsplatz verloren haben und die heute ohne Ausbildungsplatz dastehen.

Ich glaube, in solch einer Situation kann es nur ein Credo geben, nämlich das Credo, Sicherheit zu geben, und da kann es nur ein Ziel geben, und dieses Ziel lautet, nieman­den zurückzulassen und um jeden Ausbildungs-, Schul- und Betreuungsplatz in diesem Land zu kämpfen. Das tut diese Bundesregierung, und dafür sage ich ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es kommt immer wieder der Vorwurf: Es wird nichts getan. – Ich glaube, es ist eine ganze Menge, die getan wird. Das hat man auch feststellen können, wenn man der Frau Ministerin zugehört hat, aber ich zähle es gerne noch einmal auf: angefangen bei der Coronakurzarbeit, die auch für Lehrlinge ermöglicht wurde, über den Lehrlingsbonus, mit dem wir es den Unternehmen weiterhin möglich machen und es für sie attraktiv machen, Lehrlinge zu beschäftigen, über die Taskforce Jugendarbeit, bei der erst gestern ein Pro­gramm präsentiert wurde, um 1 000 Jugendlichen zu ermöglichen (Bundesrätin Grim­ling: Ich brauche keine Taskforce! Ich brauche Lehrstellen!) – doch, wir brauchen eine


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Taskforce, weil wir mit dieser Taskforce das 1 000 Jugendlichen ermöglichen –, eine Lehre nachzuholen, und das ist wichtig. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Mitte Juli! Mitte Juli!)

Von unserer Seite möchte ich eines schon noch an dieser Stelle sagen: Für uns ist die betriebliche Lehre immer noch die beste Lehre. Das ist das, was den österreichischen Wirtschaftsstandort in den vergangenen Jahren so erfolgreich gemacht hat, was für einen prosperierenden Wirtschaftsstandort sorgt und wo die Jugendlichen marktorien­tiert, hochqualitativ ausgebildet werden. Das brauchen wir auch in Zukunft, und deswe­gen bin ich froh und dankbar, dass wir das mit dem Lehrlingsbonus auch in Zukunft ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Danke! Danke! Danke!)

Ich möchte noch einen kurzen Blick auf mein Heimatbundesland Niederösterreich wer­fen. Da gibt es Schätzungen, dass 800 Lehrstellen im nächsten Jahr fehlen werden, aber es gibt auch, um das abzufedern, eine intensive Sozialpartnerschaft, die in Niederöster­reich seit vielen Jahren gelebt wird. Meine Kollegin Sonja Zwazl ist da ganz federführend beteiligt gewesen. Da setzt das Land Niederösterreich gemeinsam mit der Wirtschafts­kammer, gemeinsam mit dem AMS, gemeinsam mit der Arbeiterkammer Maßnahmen wie die Unterstützung durch Covid-19-Berater, die dazu beitragen, dass man das Thema Lehre und Corona bestmöglich bewältigen kann. Wir setzen auf Ausbildungsverbünde. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Hören Sie mir doch zu, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir entwickeln jetzt gerade in Niederösterreich auch die Covid-19-ÜBA, bei der wir über ein Jahr lang sozusagen in einer gezielten Partnerschaft mit Unternehmen zusammenarbeiten und die Jugendlichen nach diesem einen Jahr wieder direkt in die Unternehmen bringen. (Bundesrat Steiner: Danke! – Zwischenrufe der Bundesräte Rösch und Spanring.)

In Niederösterreich gibt es einen klaren Tenor, und der lautet: Gemeinsam schaffen wir den Neustart für Niederösterreich! Ich wünsche mir einen solchen Tenor auch auf Bun­desebene. Ich glaube, unsere Jugendlichen haben sich das verdient. Sie haben es sich verdient, dass wir ihre Situation nicht nur ganz ernst nehmen, sondern dass wir auch Mut und Optimismus versprühen. Das möchte ich gerne tun. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Danke!)

10.01


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


10.02.12

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In meiner Kindergruppe sind aktuell zwei Mädchen, die gerade die neunte Schul­stufe absolviert haben und auf Lehrstellensuche sind – leider haben beide keinen so privilegierten familiären Hintergrund, wie wir es heute schon gehört haben –, die eine möchte Konditorin werden, die andere Tischlerin. Sie haben unzählige Bewerbungen geschrieben, sie haben wenige Antworten bekommen und leider nur Absagen. (Bundes­rat Rösch: Das ist die Realität!) Überall dort, wo es möglicherweise einen Hoffnungs­schimmer gab, wurde er durch Corona zunichte gemacht. Keine Tischlerei, keine Kondi­torei traut sich drüber, jetzt einen Lehrling aufzunehmen.

In der letzten Woche ist es zum Glück gelungen, für eine der beiden eine Perspektive zu eröffnen, und zwar konnten wir sie bei Jugend am Werk in einer überbetrieblichen Lehr­werkstätte in Wien unterbringen. Das Mädchen und seine Mutter sind unglaublich er­leichtert. Das gibt Hoffnung, das gibt eine Perspektive. (Beifall bei der SPÖ.) Sie wissen aber auch, dass es ein extremer Glücksfall war.


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Das andere Mädchen, das Konditorin werden will, hat aktuell keine Ahnung, was mit ihr im September sein wird. Das ist sehr, sehr belastend.

Kollege Lackner, jetzt kann ich Ihnen gleich eine gute Nachricht bringen: Die Stadt Wien hat vergangene Woche die Zahl der Lehrstellen verdoppelt. Das gibt wirklich große Hoffnung für viele, viele Jugendliche in Wien. Die Stadt Wien hat erkannt, dass wir uns keine „Generation unsicher“ leisten können. Wir müssen Perspektiven statt Planlosigkeit vermitteln. Das gelingt uns dadurch zumindest für einige Tausend Jugendliche. Ich den­ke mir: Was in Wien gelungen ist, sollte österreichweit gelingen und sollte im öffentlichen Dienst insgesamt, auch beim Bund, möglich sein. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Lackner. – Bundesrat Schennach: Wien agiert und braucht keine Taskforce!)

Ich möchte alle Bundesländer und auch die Bundesregierung bitten, das nachzumachen, was in Wien vorgemacht wurde, denn die Jugendarbeitslosigkeit und diese Perspekti­venlosigkeit müssen nicht sein. Es ist allein eine politische Entscheidung, ob da investiert wird und die richtigen Maßnahmen getroffen werden.

Die Alternative zur Arbeitslosigkeit ist – ich denke, darin sind wir uns einig –, junge Men­schen in Ausbildung zu bringen, aber das muss jetzt passieren. Es sind noch sechs Wochen, bis der September beginnt. Eine Taskforce, die jetzt beginnt, sich Gedanken zu machen (Bundesrat Schennach: Ist lächerlich!), löst in mir Unbehagen aus, und ich empfinde Ungeduld und denke mir: Die Zeit drängt.

In sechs Wochen Tausende Jugendliche in Ausbildung zu bringen, das ist ein logisti­scher Kraftakt – das weiß ich. Da müssen jetzt die Maßnahmen gesetzt werden, und es muss jetzt die Logistik übernommen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schen­nach: Diese Taskforce ist lächerlich!) Es darf kein Tag mehr vergehen, an dem man sich nur Gedanken macht, sondern man muss ins Handeln kommen. Ich denke, da drängt die Zeit extrem.

Ich möchte noch ein Wort zu den Perspektiven für junge Menschen verlieren: Das eine ist, Lehrstellen und Ausbildungsplätze zu finden, das andere ist die materielle und die existenzielle Absicherung von einzelnen Menschen und auch Familien, weil das ganz viel mit Perspektive, mit Mut und mit Hoffnung, die Sie heute angesprochen haben, zu tun hat.

Da gibt es nicht erst seit der Coronakrise Handlungsbedarf. Es gab schon vor der Co­ronakrise 300 000 Kinder und Jugendliche, die unter der Armutsgrenze leben mussten. Wir wissen, was das für die Bildung, für die Arbeitsmarktchancen, für die Gesundheit, für die Sozialkontakte bedeutet.

Wir haben in den letzten zwei Wochen zwei Studien kennenlernen müssen, in denen beschrieben wurde, welche Auswirkungen diese Perspektivenlosigkeit auf die Psyche dieser jungen Menschen hat. Wir wissen, was das in den Familien auslöst. Wir wissen, dass die Gewaltstatistik enorm steigende Zahlen aufweist. Die Frauenhäuser sind quasi voll, die Hotlines gehen vor Meldungen über. Das ist ein so großer, nachhaltiger Scha­den, wenn eine Generation heranwächst, die mit Angst belastet ist und deren Psyche enorm leidet, dass wir ihn uns als Gesellschaft nicht leisten können. Wir können uns keine kranke neue Generation leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie haben in diesem Fall das Glück, Arbeits- und Jugendministerin zu sein und beides in der Hand zu haben. Es ist Ihre Entscheidung, ob man jetzt in die Gänge kommt und ob diese Generation eine Perspektive bekommt oder verloren geht. Bitte kommen wir in die Gänge! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 26

10.07


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


10.07.49

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die Lage bezüglich Ar­beitslosigkeit bei Jugendlichen war ja eigentlich schon vor Corona prekär, mit Corona hat sich die Zahl verdoppelt. Das ist eine schwierige Situation für unsere jungen Men­schen in diesem Land, sie stehen eigentlich vor einer ungewissen Zukunft. Die Lehrstel­lensuchenden werden mehr, die Lehrstellen werden weniger. Wenn man einer Market-Studie glauben darf, werden im Herbst rund 10 000 Lehrstellen zusätzlich fehlen.

Was mich jetzt irritiert, ist: Gestern war Ihre Kollegin, Ministerin Schramböck, hier und hat von einem Lehrstellenüberhang gesprochen. Das hat mich ein bisschen irritiert, weil ich nicht glaube, dass wir in Österreich einen Lehrstellenüberhang in einem Ausmaß haben, dass wir jubeln könnten. Vielleicht gibt es ihn in gewissen Bereichen, aber insge­samt zweifle ich das an.

Ich verstehe schon auch die Unternehmer ein wenig, wenn sie sich momentan, in dieser Situation, nicht drübertrauen, Lehrlinge einzustellen. Es sitzt der Schrecken einfach noch in den Knochen: Die haben durch den Lockdown keine Umsätze gehabt, das bedeutet Millionenverluste für die Unternehmen, und im heurigen Jahr ist dieser Umsatzverlust sicherlich nicht mehr aufzuholen.

Weiters darf ich eine leichte Kritik – eigentlich eine starke Kritik – an die Regierung richten: Durch die permanente Panik- und Angstmache, dass wir eventuell auf einen zweiten Shutdown zusteuern, traut sich halt kein Unternehmer drüber, dass er zusätzli­ches Personal einstellt, weil schließlich und endlich, wenn etwas schiefgeht, ja der Unter­nehmer das wirtschaftliche Risiko tragen muss. Da wird der Staat nicht für ihn einsprin­gen. Im Gegenteil: Es wird sogar das Epidemiegesetz, wenn irgendeine Krise kommt, außer Kraft gesetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Unternehmen brauchen Sicherheit, sie brauchen Planungssicherheit. Es ist zwar vielleicht eine gut gemeinte Geste, dass dieser Lehrlingsbonus von 2 000 Euro in zwei Tranchen ausbezahlt wird, das ist aber eine Einmalzahlung, welche den Unternehmen gar nichts bringt, weil sie ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Was die Unternehmen brauchen, ist Planungssicherheit vom ersten Tag des Lehrverhältnisses des jungen Menschen an bis zur Überreichung des Gesellenbriefs. Denken wir an den Blum-Bonus, der den Unternehmer wirklich vom ersten bis zum letzten Lehrtag unterstützt hat. So hat der Unternehmer Planungssicherheit.

Viele Betriebe haben sich 2008, 2009 – wir haben es ja damals gesehen –, nach der Finanzkrise also, nicht drübergetraut, Lehrlinge einzustellen. Facharbeitermangel hat im Land Einzug gehalten, das haben wir gesehen. Geben wir unseren Unternehmern Mut und auch die Möglichkeiten – vielleicht mit einem Blum-Bonus –, dass sie Lehrlinge ein­stellen können, also junge Menschen ausbilden können.

Genau diese Perspektiven und diese Planungssicherheit brauchen auch unsere jungen Menschen. Ich habe es vorhin schon gesagt: Jugendarbeitslosigkeit ist ja keine neue Erfindung, allein durch Corona bedingt. Ich gehe einen Schritt zurück und sehe da in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr wohl große Verfehlungen in unserem Bildungs- und Ausbildungssystem.

Das Bildungssystem in Österreich ist mit dem Lehrberuf, mit unserer dualen Ausbildung ja ausgezeichnet. Bis die jungen Menschen aber einmal zu einem Lehrverhältnis kom­men, ist es ein steiniger Weg. Wenn wir Schüler haben, die nach neun Jahren Schul­pflicht nicht einmal sinnerfassend lesen oder gut schreiben können, ja wie sollen sie dann Arbeitsanweisungen ordentlich verstehen und sich in die Wirtschaft einbringen können? Ich kenne viele Betriebe, die darum ein drittes Standbein für die Lehrlinge auf­gebaut haben, nämlich zusätzlich zur dualen Ausbildung noch eine Ausbildung innerhalb des Betriebs.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 27

Frau Minister, Kollege Rösch hat Sie vorhin gefragt, welche konkreten Lösungen Sie haben und welche Aktionen Sie setzen. Ich glaube, Sie kommen nach mir eh noch ein­mal zu Wort, bitte gehen Sie darauf noch einmal ein!

Sie haben sich auch bei allen Mitarbeitern des AMS bedankt. Sie können ihnen auch Danke sagen: Vom Betriebsrat wäre ein Bonus angedacht gewesen – der ist leider am 30. Juni abgelehnt worden. Ein Bonus für die Mitarbeiter des AMS wäre angebracht, oder zumindest dass man ihnen zwei Urlaubstage Sonderurlaub schenkt. Was meine Kollegen beim AMS in den letzten Monaten geleistet haben: Hut ab! Die haben sich verausgabt! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Sie haben sich verausgabt, sie sind teilweise physisch und psychisch über ihre Grenzen gegangen. Es war für meine Kollegen aber eine Selbstverständlichkeit, im Sinne einer guten Lösung zusammenzustehen, zusammenzuhelfen und zusammenzuarbeiten.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Den Schlusssatz bitte!


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Ja, das Ausbildungssystem gehört reformiert. Geben wir der Jugend eine Chance! Fordern und fördern wir unsere Jugend! Es wird zu unser aller Wohle sein. – Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.13


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zur Abgabe einer abschließenden Stel­lungnahme hat sich nochmals die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.


10.13.41

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Frau Präsidentin! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Da ich vorher, glaube ich, meine Redezeit ein bisschen überzogen habe, möchte ich mich jetzt gerne ganz kurz halten und mich in allererster Linie bei Ihnen für den Austausch, für die Anregungen bedanken. Wir nehmen daraus viele Vorschläge und Ideen mit.

Es ist wichtig, an dieser Stelle zu sagen, dass wir ein gemeinsames Ziel haben, nämlich den Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen, entweder in einer weiterführenden Schule oder in Form von Lehrstellen, als Priorität womöglich direkt bei den Unternehmen, am Ersten Arbeitsmarkt, und wenn das nicht möglich ist, in Form der überbetrieblichen Lehre. Daran arbeiten wir mit vereinten Kräften.

Zusätzlich aber haben wir selbstverständlich einige laufende Projekte wie beispielsweise das Jugendcoaching, das Programm für 1 000 Jugendliche, das wir bereits mehrmals besprochen haben, das Fachkräftestipendium oder die Erhöhung der Fachhochschul­plätze und viele, viele mehr.

Dementsprechend gilt es nicht, ein Programm für alle zu schaffen, sondern bedarfsorien­tierte Programme für die verschiedenen Bedürfnisse unserer Jugendlichen. Wir arbeiten aktiv und mit vereinten Kräften daran, niemanden zurückzulassen. Wir sind mittendrin, es ist voll im Gange und ich kann Ihnen versprechen, dass wir als gesamte Bundesregie­rung, aber auch mit den beteiligten Stakeholdern nicht lockerlassen werden, voran­schreiten werden, um unseren Jugendlichen eine Perspektive und Mut zu geben. – Herz­lichen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.15


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.15.25Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Eingelangt sind und den zuständigen Aus­schüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.


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Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 und 2, 9 und 10, 14 und 15 sowie 18 und 19 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsord­nung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bun­desrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Missstände im Bereich der Erntearbeit“ an die Frau Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend vor­liegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, nicht aber über 16 Uhr hinaus.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.16.501. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeitsmarktförderungsgesetz geändert werden (285 d.B. und 319 d.B. sowie 10383/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird (320 d.B. sowie 10367/BR d.B. und 10384/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 1 und 2, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Ich bitte um den Bericht.


10.17.29

Berichterstatter Dr. Karlheinz Kornhäusl: Frau Präsidentin! Verehrte Frau Bundes­ministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktser­vicegesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Arbeitsmarktförderungs­gesetz geändert werden.

Worum geht es? – Dieser Beschluss leistet einen Beitrag, Nachteile infolge der Co­vid‑19-Krise besser bewältigen zu können. Es wird arbeitslosen Personen eine zusätz­liche finanzielle Abgeltung gewährt. Jenen Personen, die eine berufliche Ausbildung


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während der Pandemie nicht abschließen konnten, wird ein Nachholen des Abschlusses erleichtert. Weiters werden Familien finanziell gefördert und die Mittel für den Corona­familienhärtefonds auf 60 Millionen Euro erhöht.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumenten­schutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert wird.

Es sollen entsprechende Bestimmungen im AVRAG geändert werden, um Anpassungen der Vereinbarungen über Familienkarenz oder Bildungsteilzeit zu ermöglichen. Dies gilt sowohl für eine Verlängerung einer aufrecht bestehenden Vereinbarung als auch für de­ren Fortsetzung nach einer allfälligen coronabedingten Unterbrechung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Herzlichen Dank.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die ausführliche Berichter­stattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Bun­desrätin, ich erteile es Ihnen.


10.19.53

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Ich möchte doch noch kurz einen Satz zu Ihrem vorigen Statement sagen.

Sie haben gesagt, es sei sehr wichtig, dass wir in dieser Zeit nicht immer nur negative und schlechte Dinge sehen, sondern vor allem Mut verbreiten und Perspektiven eröff­nen. Genau das aber ist momentan am Arbeitsmarkt das größte Problem, weil es der Regierung trotz so vieler Pressekonferenzen absolut nicht gelungen ist, vor allem den Unternehmen Mut zu geben und Perspektiven aufzuzeigen, und daher ist die Verunsi­cherung so groß. Wir müssen im Herbst mit einer sehr großen Arbeitslosenwelle rech­nen, die Sie wahrscheinlich auch wiederum nicht mit einkalkuliert haben – das wird wirk­lich passieren. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

Ich kann Ihnen das wirklich aus meiner Praxis sagen. Ich betreue sehr große Betriebe, sogenannte systemrelevante Betriebe, und nicht einmal die sind heuer bereit, in den Ferien Praktika oder Ferialjobs anzubieten, weil auch sie nicht wissen: Wie wird es wei­tergehen? Normalerweise hat einer der Betriebe im Juli und auch im August mindestens 30 Praktikanten, Ferialangestellte – das passiert heuer nicht!

Auch merke ich, dass die Mitarbeiter sich gar nicht so richtig trauen, auf Urlaub zu gehen. Warum? – Weil niemand weiß, was im Herbst passiert, was in den Schulen passiert, was in den Kindergärten passiert. Das heißt, jeder spart momentan nur – auf der einen Seite Urlaubstage und Reserven von Freizeit, genauso und vor allem aber auch Geld.

Daher sage ich – und das sagen wir, seit es die Diskussion um die Coronagesetze gibt ‑: Das Wichtigste ist, den Menschen so viel Geld zur Verfügung zu stellen, dass sie sich alle Dinge leisten können, dass sie es in die Wirtschaft investieren können, dass sie Waschmaschinen kaufen können, Sachen sanieren lassen können. Es mag nämlich durchaus sein, dass Produktionsbetriebe jetzt schon von der einen oder anderen posi­tiven Auftragslage wissen, dass sie wissen, dass sie sie haben. Der kleine Tischler, der


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kleine Maler, der Installateur aber lebt ausschließlich von Privatkunden. Da hilft auch eine kommunale Investitionsinitiative nichts, denn die Gemeinde X wird einen Großauf­trag sicherlich nicht an den kleinen Installateur mit drei Mitarbeitern vergeben.

Deswegen ist es eben so wichtig, dass man die Kaufkraft der Österreicher stärkt, und deshalb wäre es vernünftig und gut gewesen, hätten Sie unseren Antrag im Nationalrat und auch hier im Bundesrat, demzufolge jeder Österreicher einen 1 000-Euro-Gutschein kriegen sollte, den er in sämtlichen Bereichen der österreichischen Wirtschaft einsetzen kann, schnell und rasch umgesetzt. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

Nun aber zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2: Es ist schon wieder einmal so, dass Sie ein Sammelgesetz vorlegen. Ich denke mir manchmal, entweder machen Sie es einfach – ich weiß nicht –, weil Sie davon ausgehen, dass das eine oder andere vielleicht hakt und dadurch unter Umständen nicht beschlossen werden könnte, wenn man es einzeln herausnimmt, oder es hängt damit zusammen, dass man versucht, zumindest die Fachbereiche der Minister in irgendeiner Art und Weise in einem Gesetz zu sammeln. Das Tragische daran aber ist, dass es in jedem dieser Sammelgesetze gute Ansätze gibt, denen wir gerne zustimmen, bedauerlicherweise aber auch immer kritische Dinge dabei sind, denen wir nicht zustimmen können, und wir haben immer nur die Möglichkeit, entweder zu allem Ja oder bedauerlicherweise zu allem Nein zu sagen.

In diesem Fall ist es wieder so: In diesem Gesetz wird auf der einen Seite diese Ein­malzahlung für Arbeitslose geregelt, bei der wir der Meinung sind, das geht wirklich total am Bedarf der Betroffenen vorbei. Es ist zwar sozusagen eine nette Geste, aber Sie werden damit nicht das erreichen, was ganz, ganz wichtig ist, nämlich, dass die Men­schen das Gefühl haben, sie brauchen keine Existenzängste zu haben, sie müssen sich nicht überlegen: Was passiert mit der Miete? Wie schaut es mit dem Schulanfang aus? Deshalb müssen wir leider diesem Teil des Tagesordnungspunktes unsere Zustimmung verweigern, weil wir davon überzeugt sind, dass es eine wesentlich bessere Variante gäbe. (Beifall bei der FPÖ.)

Weiters ist darin auch die punktuelle Erhöhung der Familienbeihilfe im September ge­regelt, das heißt, für jedes Kind erhält man 360 Euro. Wir sind aber davon überzeugt, dass das viel zu wenig für die Familien ist, weil diese sehr, sehr große finanzielle Ein­bußen haben, vor allem, wenn beide Eltern entweder von Kurzarbeit betroffen sind oder unter Umständen in die Arbeitslosigkeit gelangt sind.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Kinderbeihilfe bis zum vollendeten 14. Le­bensjahr des Kindes für jene Monate zu verdoppeln, in denen die Betreuungseinrichtun­gen wie Schulen, elementarpädagogische Einrichtungen und Horte coronabedingt ge­schlossen waren bzw. sind. Die Auszahlung hat unverzüglich zu erfolgen.“

*****

In diesem Gesetz geht es auch um diese 450 Euro für Personen, die im Zeitraum von Mai bis August mindestens 60 Tage arbeitslos sind. Mein Kollege Bernhard Rösch hat es vorhin schon erwähnt: Wenn zum Beispiel Personen versuchen, jetzt trotzdem irgend­wie einen Job im Ausmaß von ein paar Stunden pro Woche zu finden, dann würden sie


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um dieses Geld umfallen. Sie wissen genau, wenn am Ende des Monats nicht mehr viel Geld vorhanden ist, dann ist man bereit, jeden Job anzunehmen. Wir haben wirklich sehr, sehr viele arbeitswillige Menschen in Österreich, die aber aufgrund der momenta­nen Situation am Arbeitsmarkt einfach keine Chance haben.

Wir sind auch davon überzeugt, dass es wirklich einer Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes bedarf, und deshalb bringe ich auch noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Er­höhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die zum Inhalt hat, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Per­sonen, der Bezug der aktuellen Leistung um die Dauer der Krise, mindestens jedoch bis zum 31. Mai 2021 verlängert wird und zusätzlich ein ,COVID-19-Ausgleich‘ für Arbeitslo­se in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020 gewährt wird. Dieser Zuschlag soll über die Finanzämter, bei denen alle Daten aller Erwerbstätigen vorhanden sind, automatisch, also ohne forma­le Antragstellung, ausgezahlt werden.“

*****

(Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.27


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Die von den BundesrätInnen Andrea Mi­chaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen eingebrachten Entschließungsanträge, ers­tens betreffend „Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung“ und zweitens betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“ sind ordnungsgemäß eingebracht, ge­nügend unterstützt und stehen damit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bun­desrat, ich erteile es Ihnen.


10.28.19

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Werte Frau Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Von einer wirklichen Entspannung am Arbeitsmarkt kann nicht die Rede sein – im Gegenteil: Es wird jede Kraftanstrengung brauchen, damit wir die Menschen wieder zurück in Arbeit und Beschäftigung bringen und die Arbeitslosenzahlen in etwa auf das Vorcoronaniveau senken können. Dazu muss man auch sagen, dass bereits das Vorcoronaniveau höher war als die Arbeitslosenzahlen vor 2008, also vor der Finanzkrise. (Vizepräsidentin Gross­mann übernimmt den Vorsitz.)

Damit wir die Arbeitslosigkeit zurückdrängen können, wird es einen breiten Maßnahmen­mix brauchen. Sowohl öffentliche Investitionen sind dringend notwendig, als auch Maß­nahmen, die insbesondere die Nachfrage stärken und die Folgen der Coronakrise, insbe­sondere Armut und Armutsgefährdung, bekämpfen.

Es wird mit der Senkung des Einstiegssteuersatzes und der Erhöhung des Sozialversi­cherungsbonus auf bis zu 400 Euro jährlich ein Paket geschnürt, das Einkommen um


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circa 1,7 Milliarden Euro stärkt. Heute diskutieren wir Maßnahmen, die eine dringend notwendige Unterstützung von Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind oder waren, und eine Unterstützung aller Familien mit Kindern bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde in den letzten Wochen auch sehr viel über die Arbeitslosengelderhöhung in Form einer Einmalzahlung von 450 Euro diskutiert. Es wurde auch viel kritisiert. Einiges der Kritik wurde aber auch aufgenommen. So ist etwa der Anspruchszeitraum auf vier Monate ausgeweitet worden, und dadurch ist der mögli­che BezieherInnenkreis deutlich größer geworden. Weiters wurde im Gesetzestext auch eindeutig, klar und unmissverständlich festgehalten, dass es sich um eine Unterstützung handelt, wobei der Vorteil auch darin besteht, dass eine Einmalzahlung leichter als Sonderbedarf zu definieren ist – der nicht auf die Mindestsicherung anzurechnen ist – und diese 450 Euro daher wirklich netto übrig bleiben. Jetzt sind die Bundesländer am Zug, sicherzustellen, dass das auch so umgesetzt wird. (Bundesrätin Schumann: Na schauen wir einmal!)

Im September werden im Rahmen der Familienbeihilfe zusätzlich einmalig 360 Euro pro Kind ausbezahlt werden. Insgesamt umfassen die beiden Maßnahmen ein Volumen von 900 Millionen Euro. Zusammen mit der erwähnten Senkung des Einstiegssteuersatzes und der Erhöhung des Sozialversicherungsbonus kommen wir auf Entlastungen und Hil­fen mit einem Volumen von insgesamt 2,6 Milliarden Euro. Diese Hilfen kommen unbü­rokratisch und direkt an, weil dafür kein Antrag zu stellen ist – sie werden automatisch ausbezahlt.

Auch wir Grüne sind der Meinung, dass es vermutlich noch mehr brauchen wird. So hat Vizekanzler Werner Kogler ganz klar ausgesprochen, dass im Herbst nicht nur ein Ar­beitsmarktpaket vonnöten sein wird, sondern dass auch über die Höhe des Arbeitslo­sengeldes neu diskutiert und weitergeredet werden muss. (Bundesrätin Schumann: Wir nehmen Sie beim Wort!) Diese 450 Euro sind ein wichtiger erster Schritt, und vor allem ist dieser Schritt am schnellsten und technisch am einfachsten umsetzbar – er hilft rasch. Auch wenn das eine einmalige Arbeitslosengelderhöhung ist, ist es doch die erste seit Jahrzehnten. Ich ersuche auch im Sinne der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen um breite Unterstützung! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.32


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte, Herr Kollege.


10.32.52

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wenn man die Debatte in der Aktuellen Stunde verfolgt hat, dann konnte man den Eindruck gewinnen, dass vor allem gewisse Personen in der ÖVP ein verzerrtes Realitätsbild haben. Sie meinen, dass eigentlich alles bestens ist, dass wir auf dem besten Weg sind und es die entsprechenden Maßnahmen gibt. – Diese werden allerdings nicht umgesetzt.

Ich möchte jetzt die Realität in ÖVP-Rhetorik darstellen: Danke, ÖVP! Danke, lieber Bas­ti, lieber Messias, fürs totale Herunterfahren unserer Wirtschaft! (Bundesrat Steiner: Danke!) Ein herzliches Dankeschön natürlich auch für die extrem negativen Auswirkun­gen auf unsere Wirtschaft und ein extrem großes Dankeschön natürlich auch für die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Form von Rekordarbeitslosigkeit. (Bun­desrat Pisec: Danke!) Danke vielmals vor allem auch für die unzähligen Pressekonfe­renzen ohne Lösungsansätze und Inhalte! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt eine Bitte: Kehren Sie wieder zur Realität zurück! Man hat heute von Ihnen auch gehört: Auch bei den Jugendlichen haben wir keine Probleme! – Bitte sehr: Bei den Ju­gendlichen unter 25 Jahren – und da sind natürlich auch die Lehrlinge dabei – hat sich


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die Zahl der Arbeitslosen verdoppelt! Wenn man sich die Zahlen vom Juni dieses Jahres anschaut, dann sieht man, dass über 45 000 junge Menschen arbeitslos sind und wir eine Steigerung von 80,5 Prozent gegenüber dem Juni des Vorjahres haben. Erschwe­rend beziehungsweise verschärfend kommt noch dazu, dass eine aktuelle Studie des Marketinstituts besagt, dass wir vor allem im Herbst einen eklatanten Lehrstellenmangel haben werden, da wir rund 10 000 Ausbildungsplätze weniger haben werden.

Wenn man diesbezüglich eine entsprechende Trendumkehr erwirken möchte, dann wird es notwendig sein, dass man sofort entsprechend effiziente Maßnahmen ergreift, um diese Problematik zu lösen! Aus diesem Grund werde ich heute einen Entschließungs­antrag einbringen, der eine entsprechende Lehrlingsförderung zur Schaffung und zum Erhalt der Lehrplätze vorsieht. Wir sehen die adaptierte Wiedereinführung des soge­nannten Blum-Bonus als probates Mittel, denn dieser Bonus hat sich bereits in den Jah­ren 2004 und 2008 bewährt. Wir sehen das als weiter gehenden Ansatz als nur Lehr­platzgarantien über die ÜAZs, also die Überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen, die zwar wichtig sind, aber laut Blum das Lehrstellenmanko nicht ausreichend kompensieren werden können.

Die Situation muss zudem als verschärft gesehen werden, weil laut einer Studie jeder dritte Betrieb in Österreich heuer keine Lehrlinge aufnehmen möchte und vor allem auch im nächsten Jahr mit dieser Tendenz zu rechnen sein wird; das wird sich ähnlich ver­halten. Daher wird es wichtig sein, dem Lehrberuf in der Bewusstseinsbildung wieder jene Wertschätzung und Attraktivität zukommen zu lassen und zu verleihen, die er ver­dient. Man muss nämlich auch sagen, dass man über Jahrzehnte eine verfehlte Politik in Form einer beispiellos abwertenden Haltung gegenüber dem Lehrberuf verfolgt hat, die sich nunmehr rächt. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem Zusammenhang wird es auch notwendig sein, wie Sie heute auch gesagt ha­ben, bei der Berufswahl besser auf die Eignungen und Neigungen einzugehen, denn es ist ein alarmierendes Signal, wenn man heute in Österreich sieht, dass jeder fünfte Lehr­ling infolge einer falschen Berufswahl seine Lehre abbricht.

Nach den von Blum ausgearbeiteten Fördermodellen – er sieht zwei Varianten von För­dermodellen im Hinblick auf die Coronapandemie vor – wäre eine Variante die Vergü­tung der vollen Lehrlingsentschädigung für die Aufnahme der ersten fünf Lehrlinge in einen Betrieb im Jahr 2020, und diesfalls würde das Fördervolumen bei 20 000 Lehrlin­gen 168 Millionen Euro betragen. Außerdem gibt es eine gestaffelte Variante mit 400 Eu­ro, 200 Euro beziehungsweise 100 Euro, aufgeteilt auf die Lehrjahre, vierzehnmal im Jahr. Bei diesem Modell hätte man bei 20 000 Lehrlingen ein Fördervolumen von 196 Millionen Euro.

Das wären effektive Maßnahmen, und daher sehen wir die Umsetzung einer dieser Varianten als dringend notwendige Maßnahme, um entsprechende Anreize für die Be­triebe zu schaffen, Lehrlinge auszubilden beziehungsweise sie vor allem erst einmal aufzunehmen.

In diesem Sinne stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wiedereinführung des Blum-Bonus“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der ein an die aktuelle Situation angepasster ‚Blum-Bonus‘, der einen monatli­chen Zuschuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

*****


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Abschließend möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass es vor allem für die kleinen und mittleren Betriebe notwendig sein wird, entsprechende Anreize zu schaffen, um dem Fachkräftemangel und vor allem der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzutreten. Dabei muss die Attraktivierung des Lehrberufes einen festen Schwerpunkt bilden.

Es ist aber noch eine ganz wichtige Maßnahme notwendig – Frau Ministerin, wenn Sie mir bitte Ihre Aufmerksamkeit schenken –: Hinsichtlich der Bedürfnisse unserer Lehrbe­triebe muss auch die Verordnung betreffend Beschränkungssituationen und Beschäfti­gungsverbote für Jugendliche an die Realität angepasst werden, denn es wurden Be­schränkungen und Verbote geschaffen, die es den Unternehmen beinahe unmöglich machen, dass sie Lehrlinge aufnehmen und ausbilden. In gewissen Situationen schwin­det nämlich die Begeisterung wirklich. (Beifall bei der FPÖ.)

Der wichtigste Schwerpunkt, die wichtigste Größe ist aber wieder einmal der Faktor Zeit, denn wenn diese Maßnahmen nicht sofort ergriffen werden, kann man dieser Thematik im Zusammenhang mit Fachkräftemangel und Jugendarbeitslosigkeit nicht entgegen­treten. Daher wäre es wichtig, Frau Ministerin und – vor allem – werte Kollegen von der ÖVP, hier nicht nur zu reden, sondern endlich zu handeln! Setzen Sie die notwendigen Schritte! Ein erster Schritt wäre es, unseren Antrag heute zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.40


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Lehrlingspa­ket für Österreichs Lehrlinge – Wiedereinführung des Blum-Bonus“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin darf ich Frau Bundesrätin Heike Eder ans RednerInnenpult bit­ten. – Bitte sehr.


10.41.06

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream an diesem so intensiven Plenartag so kurz vor der Sommerpause! Es isch a g’freute Sach’: Das würden wir auf Vorarlbergerisch zu den heute zu beschließenden Unterstüt­zungsmaßnahmen für Familien und für arbeitslose Menschen sagen. Für den Rest Ös­terreichs etwas verständlicher formuliert: Das ist eine sehr erfreuliche Sache. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Schachner: Nein!)

Wir beschließen heute nämlich drei dringend notwendige Unterstützungsmaßnahmen für Familien und Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind oder betroffen waren. Meine VorrednerInnen haben diese Unterstützungsmaßnahmen bereits etwas genauer beleuchtet und beschrieben, das werde ich daher nicht mehr tun. Erlauben Sie mir aber, diese Unterstützungsmaßnahmen an dieser Stelle nochmals ganz kurz aufzuzählen, weil sie wirklich sehr gut sind.

Eine Maßnahme, die mich ganz besonders freut, ist der Kinderbonus von 360 Euro pro Kind, welcher im September ganz unbürokratisch und automatisch ausbezahlt wird. Zweitens werden die Mittel für den Coronafamilienhärtefonds verdoppelt und drittens soll heute ein einmaliger Arbeitslosenbonus von 450 Euro beschlossen werden. (Bundesrat Rösch: Aber nicht für alle!) Voraussetzung dafür ist (weiterer Zwischenruf des Bundes­rates Rösch) – dazu komme ich noch –, dass man zwischen Mai und August zumindest zwei Monate beziehungsweise 60 Tage arbeitslos war. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Mei­ne lieben Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, das ist Ihnen offen­sichtlich entgangen! In Ihrem Entschließungsantrag schreiben Sie, dass der Zeitraum von Juli bis September umfasst sein soll. Wir sind auf die Forderung der Opposition eingegangen, das wurde abgeändert, aber da haben Sie offensichtlich geschlafen. (Bun­desrat Rösch: Wir haben nicht geschlafen!) Tut mir leid! (Beifall bei der ÖVP.)


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Mit dem zweiten Tagesordnungspunkt wird eine Verlängerungsmöglichkeit der Bildungs­karenz beziehungsweise der Bildungsteilzeit beschlossen, wenn das Bildungsziel be­dingt durch Corona nicht erreicht werden kann. – Auch das ist eine gute Maßnahme.

Ich möchte jetzt auf den Kinderbonus in Höhe von 360 Euro pro Kind eingehen und dabei die Zahlen für sich sprechen lassen: In Vorarlberg haben wir ungefähr 86 000 Kinder, die Aufwendungen für den Kinderbonus allein für Vorarlbergs Familien liegen also in der Höhe von 31 Millionen Euro. 720 Euro bekommt eine Familie mit zwei Kindern und 1 080 Euro eine Familie mit drei Kindern. Das ist wichtig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, denn die Familien können dieses Geld gerade zu Schulbeginn sehr gut brau­chen, das wird die Kaufkraft direkt stärken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

An dieser Stelle möchte ich noch ein Wort zur Indexierung des Kinderbonus sagen, da dies von einigen meiner Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ im Vorfeld als Ungleich­behandlung von Kindern kritisiert wurde. Wie Sie wissen, werden für im Ausland lebende Kinder nicht 360 Euro bezahlt, sondern es wird ein an die Lebenshaltungskosten im je­weiligen Wohnsitzland angepasster Betrag bezahlt. Für ein Kind ist es völlig irrelevant, mit welchem Eurobetrag eingekauft wird, relevant ist, was sich im Einkaufskorb befindet, und die Indexierung führt genau dazu, dass für alle Kinder das Gleiche im Warenkorb liegt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Das ist Fairness! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Nicht nur der Kinderbonus, sondern insbesondere auch der Arbeitslosenbonus von 450 Euro wurde in den vergangenen Tagen von den Oppositionsparteien diskutiert, aber auch kritisiert. Es seien „Almosen“, es sei „zu wenig, [...] nicht nachhaltig [...] und [...] sozial ungerecht“. – So lautete die Kritik der Sozialde­mokraten, aber auch der Freiheitlichen Partei.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dazu möchte ich Ihnen gerne zwei Punkte mitgeben.

Erstens: Für jeden Arbeitslosen ist das Arbeitslosenentgelt entweder ausreichend oder nicht ausreichend, und zwar unabhängig davon, wie viele Menschen gerade arbeitslos sind. Von 2007 bis 2017 waren Sie, liebe Sozialdemokraten, in Regierungsverantwor­tung und waren im Sozialministerium für Arbeit und Soziales zuständig. Offensichtlich haben Sie das Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum nicht als zu gering empfunden, denn sonst wären Sie im Rahmen Ihrer Zuständigkeit sicherlich tätig geworden. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt, da aufgrund der Coronapandemie besonders viele Menschen unverschuldet ar­beitslos geworden sind, fordern Sie, aber auch Sie, liebe BundesrätInnen der Freiheitli­chen Partei, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wieso die Höhe des Arbeitslosengeldes von der Anzahl der Arbeitslosen abhängig ist! Sollte man nach genauer Prüfung drauf­kommen, dass das Arbeitslosengeld zu gering wäre, dann wird man auch aktiv werden. Das hat aber nichts mit der Anzahl der Arbeitslosen zu tun, meine lieben Kollegen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Grimling: Ihr Chef sagt aber etwas ande­res!)

Zweitens: In einer idealtypischen Welt, wo zu verteilendes Vermögen im Überfluss vor­handen ist, wären die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen durchaus sinnvoll und richtig. In dieser Welt leben wir aber nicht! Wir erleben die größte Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg, und wir müssen uns genaue Gedanken darüber machen, wie, wofür und wann wir unser Geld zur Hilfe der Wirtschaft und der Menschen in unserem Land ausgeben. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es geht um Verantwortung und Nachhaltigkeit, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, und Sie haben bei Ihren Forderungen nach mehr, mehr und mehr offenbar eine Gruppe


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völlig vergessen! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Grim­ling.) Sie haben die Generationen unserer Kinder, Kindeskinder und Urenkel vergessen, das wird aber die Bevölkerungsgruppe sein, die für die jetzt getätigten Schulden haften wird! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mir ist auch klar, warum Sie, liebe Mitglieder der Op­position, diese Gruppe offenbar vergessen oder ignorieren: Sie bringt heute noch keine Wählerstimmen! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bravoruf des Bundesrates Seeber.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich kann Sie beruhigen: Es ist unsere politische Pflicht und Verantwortung, Ausgaben gewissenhaft zu planen und zu tätigen, sodass auch unsere zukünftigen Generationen eine Chance auf ein würdiges Leben und die Möglichkeit haben, sich Eigentum aufzubauen und ihre Träume zu verwirklichen.

Die Bundesregierung hat ein Hilfspaket in der Höhe von 50 Milliarden Euro geschnürt. 50 Milliarden Euro, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist unfassbar viel Geld! (Bun­desrat Pisec: Das stimmt ja nicht! Das sind ja Garantien!) Würde man diese 50 Mil­liarden Euro in 10-Euro-Scheinen aneinanderreihen, dann würde sich ein Stapel in der Ausdehnung von 500 Kilometern ergeben, das würde von Bregenz bis nach Eisenstadt reichen. (Bundesrat Pisec: Das sind ja Garantien! Das ist kein Cash!)

Ich glaube, man kann mit Fug und Recht sagen, dass das ein österreichumfassendes Paket ist. Das ist also richtig viel Geld, und das muss auch finanziert werden. (Bundesrat Pisec: Garantien sind keine Liquidität!) Ich denke, das Paket erreicht das maximal Mög­liche an wirtschaftlich und sozial Verträglichem, sodass auch zukünftige Generationen, die für diese Schulden aufkommen müssen, damit leben können.

Im Sinne Ihrer zukünftigen Wählerschaft appelliere ich deshalb insbesondere auch an Sie, liebe Freiheitliche Partei, und an Sie alle, heute diese Unterstützungsmaßnahmen mitzutragen und sie gemeinsam zu beschließen. Das wäre eine gfreute Sach’! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bravoruf des Bundesrates Bader.)

10.49


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Es hat sich Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Sie kennt sicherlich die Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte sehr.


10.49.34

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Kollegin Eder hat behauptet, dass es uns darum geht, dass die Nettoersatzrate wegen der Anzahl der Arbeitslosen erhöht wird. Sie versteht das nicht.

Ich berichtige tatsächlich: Darum geht es nicht! Es geht darum, dass die Menschen, die aufgrund der Coronakrise arbeitslos geworden sind, keine Chance haben, einen Arbeits­platz zu finden, und deshalb wollen wir ihnen punktuell ein höheres Arbeitslosengeld zur Verfügung stellen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.50


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Es hat sich nun Frau Bundesministerin Mag.a (FH) Christine Aschbacher zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


10.50.13

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Liebe Zuschau­erinnen und Zuschauer! Ich darf mich auch zu diesen wichtigen Punkten der Tages­ordnung hier zu Wort melden. In allererster Linie möchte ich Ihnen Dankeschön für die konstruktiven Anregungen sagen. Ich möchte Sie aber auch bitten, zuzustimmen, denn es geht um Unterstützungsleistungen, die wir als Bundesregierung in der Bundesregie­rungsklausur vorgeschlagen haben, denen im Nationalrat zugestimmt wurde und die jetzt hoffentlich auch im Bundesrat beschlossen werden.


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Wir unterstützen in den Bereichen, für die ich zuständig sein darf, die Menschen dort, wo es in dieser besonders herausfordernden Zeit dringend gebraucht wird. Insbeson­dere die Familien möchte ich hier in den Vordergrund rücken: Die Eltern, aber auch die vielen Kinder haben in den letzten Monaten gemeinsam Großartiges und Enormes ge­leistet. Sie sind aber nach wie vor gefordert.

Wie Sie wissen, habe ich selbst auch drei Kinder, und ich führe mit Familien in unter­schiedlichen Situationen und vor unterschiedlichen Herausforderungen viele Gespräche. Neben den Maßnahmen, die wir gesetzt haben, geht es beispielsweise um die Unter­stützung bei der Kinderbetreuung, wo ich die Sonderbetreuungszeit herausnehmen möchte und wir über 21 000 zu Betreuende unterstützen konnten. Deshalb haben wir das Modell wieder aktiviert, damit auch über den Sommer, vorerst bis Ende September, die Möglichkeit besteht, mit dem Arbeitgeber Sonderbetreuungszeit für die Kinder zu vereinbaren, und zwar nicht nur drei Wochen am Stück, sondern auch in flexibler Form, um den Herausforderungen der Sommerferien, die jetzt gegeben sind, zu entsprechen.

Es geht darum, dass auch einzelne Tage oder einzelne Halbtage in Anspruch genom­men werden können, wofür sich, wenn möglich, Mütter oder Väter melden können. Aber auch Alleinerziehende sollen die Unterstützung in Anspruch nehmen können. Wir haben in der Auswertung der ersten Monate gesehen, dass in diesem Zusammenhang über 21 000 Menschen zu betreuen sind, wobei der ganz große Teil davon Kinder, aber auch Menschen mit Behinderungen waren, die zu pflegen und zu betreuen sind. Aber auch für Pflegebedürftige, bei denen beispielsweise die 24-Stunden-Pflege ausgefallen ist, konnte diese Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen werden.

Um hier finanziell zu unterstützen, haben wir für die Familien ein Triangel an Angeboten zur Verfügung gestellt, bestehend aus dem Familienhärtefonds, dem Familienkrisen­fonds und dem Kinderbonus, der für alle Familien in Österreich nun eine Unterstützung darstellt. Wir unterstützen Familien im Rahmen des Kinderbonus mit 650 Millionen Euro. Alle Familien können sich darauf verlassen und mit der Planungssicherheit in den Som­mer gehen, dass wir im September gemeinsam mit der Familienbeihilfe 360 Euro pro Kind automatisch ausbezahlen. Dafür ist kein Antrag notwendig.

Eine Besonderheit möchte ich dabei hervorheben: Wir zahlen die Familienbeihilfe, die wir zusätzlich zum Kinderbonus ausbezahlen, selbstverständlich auch für diejenigen, die eine erweiterte Familienbeihilfe in Anspruch nehmen, wie beispielsweise Menschen mit Behinderung. Der Kinderbonus von 360 Euro pro Kind wird für alle Familien, die an­spruchsberechtigt sind, ausbezahlt. Somit unterstützen wir 1,1 Millionen Familien mit 1,8 Millionen Kindern. Das wird selbstverständlich zusätzlich zum üblichen Schulstart­geld als Zusatzleistung im September automatisch ausbezahlt.

Zum Familienhärtefonds: Hier steht der Beschluss einer Aufstockung an. Wir haben über 20 Millionen Euro an die betroffenen Familien ausbezahlt. Die Hälfte der Anträge ist in Bearbeitung, und zwar insofern in Nacharbeitung, als betreffend Daten bei den Nach­weisen nachgefasst werden muss, wenn man etwa sagt, dass man im Zuge der Krise Arbeit suchend geworden ist. Hier unterstützen wir treffsicher, und ich bitte Sie um Un­terstützung, dass wir die Aufstockung auf 60 Millionen Euro vornehmen können, damit wir allen Familien, die anspruchsberechtigt sind, diese Unterstützung auch geben können.

Ich kann Ihnen sagen: Auch hier arbeitet mein Team in der Verwaltung auf Hochtouren. Wir haben über 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur für die Abwicklung des Fami­lienhärtefonds zur Verfügung gestellt und auch hier automatisiert mit der IT nachgezo­gen, sodass wir diese treffsichere Unterstützung entsprechend abwickeln und den Fami­lien dieses Geld zukommen lassen können.

Im Rahmen des Familienkrisenfonds stellen wir 30 Millionen Euro gemeinsam mit dem Herrn Gesundheits- und Sozialminister zur Verfügung, und zwar insbesondere für die


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Familien, die vorher schon entweder in Notstandshilfe waren oder Arbeitslosengelder bezogen haben und daher eine Unterstützung von 100 Euro pro Kind bekommen. Hierzu ist kein Antrag notwendig, sondern die Auszahlung erfolgt seit diesem Montag automa­tisch. – In diesem Sinne gilt es, jene Familien zu unterstützen, die besonders von der Krise betroffen sind, und das geschieht mit diesem Triangel an Familienunterstützungen zusätzlich zu den laufenden Familienleistungen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bezüglich der Unterstützung für Arbeit suchende Menschen haben wir die Ideen und Vorschläge im Rahmen der Begutachtungszeit umgesetzt, die kurz war, um das jetzt noch durch den parlamentarischen Prozess zu bringen, damit die Auszahlungen mit September garantiert sind. Wir haben den Beobachtungszeitraum von Mai bis August erweitert, sodass die Menschen, die wieder in Beschäftigung gekommen sind, diese Un­terstützung von 450 Euro im September auch automatisch überwiesen bekommen. Wir sehen, dass das hilfreich ist, denn in der Woche vom 1. Juli konnten innerhalb einer Woche über 21 000 Menschen wieder vermittelt werden. Es bekommen all jene, die in diesem Zeitraum 60 Tage Arbeit suchend waren oder weiterhin sind, diese Unterstüt­zung.

Ich möchte noch einmal etwas klarstellen: Betreffend Jugendliche wurden während der Debatten immer wieder unterschiedliche Zahlen genannt. Ich habe das eingangs schon erwähnt und möchte es noch einmal erwähnen: Es wurde von plus 80 Prozent gespro­chen. Plus 80 Prozent ist gegenüber dem Vorjahr die Steigerung der Zahl von Jugendli­chen, die Arbeit suchend sind. Wenn wir uns aber die Gesamtzahl von Arbeit suchenden Menschen inklusive der in Schulung befindlichen anschauen, die wir auch wöchentlich kommunizieren, dann sehen wir, dass das ein Plus im Verhältnis zum Vorjahr von 32,6 Prozent ist.

Dennoch ist die Lage ernst, und wir nehmen sie sehr ernst, wie auch schon vorhin aus­geführt wurde. Ich möchte aber, dass wir bitte die richtigen Zahlen gemeinsam kommu­nizieren, um hier nicht andere Erwartungen zu wecken! Gerade bei den Jugendlichen haben rund 60 000 Personen im ersten Halbjahr 2020 Schulungen und Qualifizierungs­maßnahmen des AMS in Anspruch genommen. Daran sehen wir, dass besonders die Jugendlichen in Schulungen gehen und sich weiterbilden wollen. Im Hinblick darauf ge­ben wir, wie schon vorhin erwähnt, alles, damit diese Ausbildungsplätze in den weiterfüh­renden Schulen oder in den Lehrstellen zur Verfügung gestellt werden können.

Ich möchte noch dazusagen, dass mir als Arbeitsministerin nicht nur die sozialen Dienste und Absicherungen für die Arbeit suchenden Menschen wichtig sind, die wir gemeinsam auch mit dem Regierungsteam, insbesondere auch mit dem Sozialminister beschließen; vielmehr ist es auch wichtig, Arbeitsplätze zu sichern. Von der Bundesregierung wurden auch entsprechende Investitionen getätigt, so etwa 12 Milliarden Euro in das Krisenins­trument Kurzarbeit, die genehmigt wurden.

Es geht aber auch darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen. In den verschiedenen Berei­chen wie zum Beispiel in der Digitalisierung können 20 000 neue Arbeitsplätze geschaf­fen werden. Auch hier investieren wir, einerseits mit der Gemeindemilliarde, andererseits aber auch mit dem 12-Milliarden-Investitionspaket in Regionalität, in Digitalisierung und auch in Klimaschutz. Es müssen auch in diesem Bereich die Qualifikationen der Arbeit suchenden Menschen zur Verfügung gestellt und unterstützt werden. Wir arbeiten – das hat auch der Herr Bundeskanzler schon angekündigt – gerade an einem Konzept einer zusätzlichen Arbeitsstiftung, wo es besonders um Aus- und Weiterbildung und um Re­qualifizierungen in den verschiedenen Bereichen geht. Auch das AMS baut seine Schu­lungsaktivitäten für den kommenden Herbst deutlich aus, daran arbeiten wir intensiv, und wir können jetzt schon seit Ende Mai einen Anstieg um knapp 5 000 Menschen ver­zeichnen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Sie fragen mich immer auch nach konkreten Instrumenten und laufenden Maßnahmen: Vor Kurzem wurde zusätzlich auch das Fachkräftestipendium um zwei Jahre verlängert. Wenn sich jemand noch in Bildungskarenz befindet und durch die Coronakrise diese Ausbildung oder Weiterbildung nicht abschließen konnte, unterstützen wir die entspre­chende Verlängerung, damit es den Menschen möglich ist, einen Bildungsabschluss zu erzielen und auch die finanzielle Absicherung über das AMS gegeben ist. (Bundesrätin Grimling: Wer zahlt das?)

Wir werden weiterhin alles geben, damit wir die Menschen an ihren Arbeitsplätzen und in Beschäftigung halten, ihnen aber auch neue Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, und wir werden selbstverständlich auch in Aus- und Weiterbildung investieren, um mit ver­einten Kräften eine möglichst hohe Beschäftigung zu erzielen und uns für den Herbst und Winter zu wappnen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.01


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. – Bitte, Herr Kollege.


11.01.42

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe beziehungsweise wir haben hier heute schon sehr viel gehört. Ich möchte jetzt zum Schluss noch sagen: Die 450 Euro gelten von Mai bis Au­gust. Was aber machen wir mit den Menschen, die schon im März und bis April arbeitslos waren? Diese Personen bekommen nämlich gar nichts von den 450 Euro! – Das ist einmal ein Punkt. Das wollen wir einfach nicht verstehen!

Kollegin Eder hat die Frage in den Raum gestellt, was die SPÖ früher gemacht hat. – Ich möchte darauf hinweisen, dass die SPÖ mit der ÖVP in einer Koalition war und dass es dort Bremser gegeben hat, damit wir das Arbeitslosengeld nicht erhöhen. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Verweildauer betrug damals 90 Tage, jetzt haben wir schon 181 Tage Verweildauer in der Arbeitslosigkeit! Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Regierung lässt die Arbeitslosen im Regen stehen. So kann man Ihre Politik leider in Worten zusammenfassen. Insgesamt gibt es viele Maßnahmen, die verschiede­ne Gruppen mit Geld in Milliardenhöhe unterstützen. Wir haben auch gestern darüber gesprochen. So gibt es zum Beispiel für die Land- und Forstwirtschaft Beträge von 3 600 Euro und für Unternehmen gibt es knappe 36 000 Euro. Dagegen haben wir nichts. Ich bin Sozialpartner, und wir müssen darauf achten, dass auch die Betriebe Geld bekommen, überhaupt kein Problem! Dass aber sieben Millionen Menschen, die in Ös­terreich leben, nämlich die PensionistInnen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, in den nächsten vier Jahren nur 1 100 Euro bekommen, das ist uns einfach zu we­nig! (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich glaube, darüber brauchen wir nicht viel zu disku­tieren. 450 Euro Arbeitslosengelderhöhung, wenn wir 55 Prozent Nettoersatzrate haben: Wie soll sich das in Wirklichkeit ausgehen? Ich habe das schon einmal hier am Redner­pult gesagt: Wenn die meisten, bevor sie im Zuge der Coronakrise arbeitslos geworden sind, zwischen 1 500 und 1 800 Euro netto – ob sie nun in Fabriken oder im Gastge­werbe gearbeitet haben – verdient haben und jetzt mit 990 Euro leben müssen: Kann sich jemand hier herinnen vorstellen, was es bedeutet, mit der Hälfte des Gehaltes auskommen zu müssen? – Das ist ein riesengroßes Problem für die Arbeitslosen, und deshalb muss das einfach erhöht werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen müssen wir die Nettoersatzrate von 55 auf 70 Prozent erhöhen. Das sagen wir nicht, damit die Leute mehr Geld haben, sondern damit die Konjunktur belebt wird.


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Es hilft uns nichts, wenn wir den Arbeitslosen kein Geld geben. Deren Zahl wächst, es werden immer mehr. Schauen wir uns im Herbst an, was sich da im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit abspielen wird! Jeder hier herinnen weiß, dass im Herbst viele Be­triebe wahrscheinlich zusperren werden, dass viele Betriebe - - (Bundesrat Steiner: Die Regierung weiß das nicht!) – Ja. Viele Betriebe werden im Herbst zusperren und einfach nicht mehr aufsperren können, weil das nicht mehr geht. Und was bedeutet es, wenn sie zusperren? – Das bedeutet, dass wir noch mehr Arbeitslosigkeit haben und sich die Leu­te noch weniger werden leisten können! Wer aber ist der Motor, damit die Konjunktur in die Höhe geht? – Das sind nicht drei Unternehmer, sondern die sieben Millionen Men­schen, die tagtäglich einkaufen gehen! So schaut die Wahrheit aus. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Deshalb werden wir nicht müde werden, zu fordern, dass die Nettoersatzrate auf 70 Pro­zent erhöht wird. Das wäre jetzt die richtige Maßnahme. Machen wir das! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Gferer.)

Über Jugendarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit von Lehrlingen ist auch in der Aktuellen Stunde gesprochen worden; ich wollte mich schon zu Wort melden. Ich kann euch nur sagen, wie die Wahrheit ausschaut: Ich komme aus einem Betrieb mit 2 700 Leuten. (Bundesrat Steiner: Die wählen aber nicht alle die SPÖ!) Ich bin dort Zentralbetriebsrat. Wir nehmen jedes Jahr Lehrlinge auf. (Zwischenruf des Bundesrates Gferer.) Ich sage euch: Wir nehmen Lehrlinge auf. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Passt auf! 450 Ansuchen kommen jährlich zu uns, und wisst ihr, wie viele Lehrlinge wir aufneh­men? – 20. Was geschieht mit den anderen 430 Lehrlingen? Jetzt soll mir niemand sa­gen, dass diese im nächsten Betrieb anfangen können. Das funktioniert einfach nicht. Deshalb gehören Lehrlingsprogramme her! Wir müssen die überbetrieblichen Lehrwerk­stätten forcieren, wir müssen schauen, dass diese jungen Menschen in Ausbildung kom­men, denn es ist immer schlecht, wenn sie ein Jahr Wartezeit haben, während der sie nichts tun können. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Kaltenegger.)

Ich weiß, dass ihr euch aufregt, aber es ist einfach so! Man muss damit leben. Momentan haben wir dieses riesengroße Problem. Ich kann mich noch erinnern, dass Bundeskanz­ler Kurz gesagt hat: „Koste es, was es wolle“, keiner darf zurückbleiben! – Die Jugend­lichen, die Arbeitslosen und alle anderen bleiben aber zurück. Was soll das? In Wirklich­keit muss man jetzt etwas dagegen tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrlings­garantie in Zeiten von Corona“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat ein umfassendes Paket zur Bekämpfung und Vermeidung von Ju­gendarbeitslosigkeit vorzulegen, das allen Jugendlichen, die im Herbst eine Lehre star­ten möchten und in der Wirtschaft aufgrund der Corona-Krise keinen Platz finden, einen entsprechenden Lehrplatz – in Kooperation mit den Ländern – in überbetrieblichen Lehr­werkstätten bzw. direkt bei der öffentlichen Hand garantiert. Dazu muss das AMS mit den entsprechenden finanziellen Mitteln für zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen aus­gestattet werden. Zudem muss das AMS Personal entsprechend aufgestockt werden.

*****

Danke. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

11.07



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Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Horst Schach­ner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Lehrlings­garantie in Zeiten von Corona“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Kollegin.


11.08.16

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Unterstützung, die wirklich hilft, Un­terstützung, die ankommt: Genau das ist ein zentraler Punkt für die Menschen in Ös­terreich, um gestärkt aus dieser aktuellen Coronakrise herauszukommen. Die Krise trifft nämlich genau diejenigen, die es auch sonst schwer genug haben, also sozial schwache Familien, AlleinerzieherInnen und Arbeit Suchende. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, hat in einer Aussendung davon gesprochen, dass die Coronakrise eine noch stärkere Krise für den Arbeitsmarkt darstellt als die Krise im Jahr 2008. Genau deshalb ist es nun umso wichtiger, dass rasche Entlastung spürbar ist.

Von meinen Vorrednern wurde schon auf die einzelnen Maßnahmen eingegangen, ich möchte mich daher auf die Förderungen für die Familien konzentrieren. Die zusätzliche Familienbeihilfe im September von 360 Euro pro Kind stellt einen sehr wichtigen Zu­schuss für die Familien in Österreich dar. Sie wird zusätzlich zum Schulstartgeld im Sep­tember ausbezahlt. Der Bonus bleibt netto auf dem Konto der Betroffenen und kommt somit auch an, wo er gebraucht wird, ohne dass eine Leistung der Sozialhilfe oder die Mindestsicherung, die die Länder und Gemeinden auszahlen, dadurch gekürzt würde.

Eine von Arbeitslosigkeit betroffene Familie mit zwei Kindern erhält neben der laufenden Leistung des AMS und der Familienbeihilfe daher im September extra 1 170 Euro netto. Das ist wie ein 15. Gehalt – eine wichtige Entlastung, um wieder aus der Krise herauszu­kommen.

Laut Statistik Austria waren im Jahr 2019 303 000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jah­ren armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Das Jahr 2020 mit der Coronakrise trifft genau diese Kinder und Jugendlichen besonders hart. Aus diesem Grund möchte ich den Fa­milienkrisenfonds mit 30 Millionen Euro und die Erhöhung des Coronafamilienhärtefonds um 30 Millionen Euro auf ganze 60 Millionen Euro besonders hervorheben. Hier spre­chen wir von einer Verdoppelung des Budgets und somit einer effektiven Maßnahme, um den Familien, die es wirklich brauchen, unter die Arme zu greifen.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Es wurden inzwischen rund 18 000 An­tragsfälle abgearbeitet und im Durchschnitt 1 200 Euro pro förderungswürdiger Familie ausbezahlt. Man darf wohl sagen, dass diese Förderung für diese Familien eine wichtige Hilfe ist.

Gerade Familien mit kleineren Kindern waren in dieser Zeit des Lockdowns besonders gefordert. Kinderbetreuung, Homeschooling und mitunter noch Homeoffice waren unter einen Hut zu bringen. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei allen Familien bedanken. Sie haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, unsere Gesellschaft gut durch die Krise zu tragen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Einmalzahlung der Familienbeihilfe aus dem Härtefonds wird im September antrags­frei überwiesen. Das soll eine gerechte Belohnung dafür sein, welch tolle Leistung alle Familien erbracht haben.

Neben der so wichtigen Hilfe für Familien hat die Einmalzahlung der Familienbeihilfe den weiteren Effekt, dass sie die Kaufkraft stärkt und somit auch einen Beitrag zur Stärkung


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der Wirtschaft leistet. Die Stärkung und die Ankurbelung der Wirtschaft sind in der ak­tuellen Situation, in der wir uns derzeit befinden, sehr wichtig. Je besser es der Wirtschaft geht, desto mehr Menschen können aus der Arbeitslosigkeit wieder in die Beschäftigung kommen.

Ich bitte Sie, stimmen Sie für diese Maßnahmen und leisten Sie damit einen wichtigen Beitrag, damit 1,1 Millionen Familien und 1,8 Millionen Kinder rasche Unterstützung be­kommen, die sie aktuell so dringend brauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich danke meiner Kollegin Heike Eder, die bereits sehr gute Argumente gegen die Ein­wände der Opposition vorgebracht hat. (Bundesrat Schennach: Das war eher ein Scherz von der Frau Eder! – Bundesrätin Schumann: Das glaube ich auch!)

Erlauben Sie mir abschließend noch ein paar Worte zum Entschließungsantrag des Kol­legen Ofner. Mich als Vorarlbergerin freut es natürlich besonders, dass du den Blum-Bonus meines geschätzten Landsmannes Blum wieder aus der Schublade kramst. Du hast recht, der Blum-Bonus war damals eine tolle und wichtige Sache, damit österreich­weit mehr Lehrlinge ausgebildet werden. Wie wir vorhin jedoch von unserer Bundesmi­nisterin Aschbacher gehört haben, geht es aktuell nicht darum, dass wir einen öster­reichweiten Anreiz benötigen – einen kleinen Anreiz von 2 000 Euro je Lehrling gibt es ja –, damit die Lehrlinge ausgebildet werden, denn in Oberösterreich, haben wir vorhin gehört, oder zum Beispiel in Vorarlberg gibt es noch immer viele Unternehmen, die hän­deringend Lehrlinge suchen. Erst vor ein paar Tagen hat mich ein Tischler in Vorarlberg gefragt, wo denn all die Lehrlingsbewerber seien, von denen aktuell so sehr gesprochen werde. (Bundesrätin Grimling: In Vorarlberg!) Auch wir in unserer Druckerei suchen noch Lehrlinge, aber es gibt kaum Bewerber. (Bundesrätin Schumann: Weil es dort kei­ne Förderungen gibt!)

Es gibt hier offensichtlich dieses Ost-West-Gefälle, von dem Frau Bundesministerin Aschbacher vorhin gesprochen hat. Flexible und mobile Lehrstellen Suchende sind wich­tig. Es war früher gang und gäbe, dass junge Menschen für ihre Ausbildung ihr Eltern­haus verlassen haben – zumindest bei uns am Land war es so. Es wird daher nichts Unmenschliches verlangt, wenn Lehrlinge für ihre Ausbildung an einen anderen Wohnort ziehen. (Bundesrat Spanring: Wer zahlt das? Wer kann sich das leisten?) Gerade in Zeiten wie diesen wird es nicht nur für Lehrlinge, sondern für alle Stellensuchende wichtig sein, etwas umzudenken und flexibler zu werden. Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass, so wie bisher, dort, wo man wohnt, genügend Arbeitsplätze zur Verfü­gung stehen. (Bundesrat Spanring: Wer soll das bezahlen? Bleiben Sie realistisch!)

Ich möchte mich daher bei Frau Bundesministerin Aschbacher bedanken, dass flexible Lehrlinge in den Genuss des Mobilitätspakets kommen können, das heißt, dass die Kos­ten des Wohnsitzwechsels und die Miet- und Fahrtkosten übernommen werden. (Bun­desrat Steiner: Danke! – Rufe bei der SPÖ: Danke! – Bundesrat Schennach: Sollen wir Sebastian Kurz auch noch danken? Der Kurz hat gefehlt!) Das ist eine Maßnahme, die nicht nur den Lehrstellen Suchenden, sondern auch den Unternehmen hilft, die in Re­gionen tätig sind, in denen es aktuell kaum Lehrstellen Suchende gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.15


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Entschuldigung, es gibt noch eine spontane Wortmeldung. – Bitte, Frau Kolle­gin Zwazl, ich erteile Ihnen das Wort.


11.15.41

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin, ja, es ist eine spontane Wortmeldung! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als ich heute der Diskussion zugehört habe, habe ich mir gedacht: Bitte, wer von euch


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hat gewusst, dass wir eine Pandemie kriegen? Wer von euch hat gewusst, dass es ein Coronavirus geben wird? – Niemand! Wir sind von der Situation ganz einfach überrascht worden.

Ich frage euch aber schon: Wie würden wir ausschauen, wenn wir nichts für die Jugend, für unsere Lehrlinge gemacht hätten? (Bundesrätin Mühlwerth: Was haben wir ge­macht? – Bundesrätin Schumann: Da hat es keine Alternative gegeben! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Jetzt sage ich noch etwas dazu, weil wir das immer wieder vermischen: Es ist nicht jeder Jugendliche für eine Lehre geeignet. Warum? – Weil eine Lehre eine hochwertige Aus­bildung ist, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Seien wir wirklich offen und schauen wir, was wir mit unserer Jugend tun!

Ich habe es schon gestern gesagt: Die Jugend gehört von klein auf unterstützt. Es ist heute gesagt worden, es kommen die jungen Leute aus der Schule und können nicht sinnerfassend lesen. (Bundesrätin Grimling: Jetzt sind die Jugendlichen schuld! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Hahn.) – Das kann man nicht den Jugendlichen vorwerfen – nein, gar nicht –, sondern wir müssen uns überlegen, wie wir die Jugendlichen fördern und fordern können.

Wir von der Wirtschaft haben seit Jahren Programme gemacht. Und eines frage ich euch schon: Wie würden wir ausschauen, wenn wir das nicht gemacht hätten? (Bundesrätin Grimling: Wie würden wir ohne die Überbetrieblichen ausschauen?) Wir haben Lehrstel­lenberater, die ganz einfach in die Betriebe gehen und fragen: Wie geht es weiter? Haben Sie Lehrlinge? Warum nehmen Sie keine Lehrlinge auf? Und gibt es ein Problem mit einem Lehrling, dann gibt es die Konfliktberatung. Damit sind sie auch sehr erfolg­reich, denn 50 Prozent der Konflikte werden so gelöst. Manchmal ist es halt so, und ein junger Mensch muss in dem Alter gären. Es ist viel gescheiter, er gärt in dem Alter, als er zuckt mit 50 aus.

Es ist ganz einfach so, dass vielfach auch junge Leute in einen Beruf gesteckt werden, für den sie weder das Talent, die Begabung noch die Potenziale haben. (Bundesrat Schennach: Ich verstehe die ganze Aufregung nicht!) Deshalb haben wir jetzt öster­reichweit diesen Talentecheck, indem wir für die jungen Menschen in der dritten Unter­stufe und auch deren Eltern schauen: Wer bist du eigentlich? Was kannst du? Wo ist deine Begabung, und welche höherbildende Schule oder welche Lehrstelle ist für dich geeignet? – Ich denke, da haben wir schon einiges dazu beigetragen. (Bundesrat Schen­nach: Was soll das?)

Wir haben heute auch gehört, Lehrlinge brechen nicht so oft ihre Lehre ab, es sind zwischen 6 und 7 Prozent. Das ist auch ein gewisser Anteil, aber in den höherbildenden Schulen sind es zwischen 30 und 40 Prozent. (Bundesrätin Schumann: Das stimmt ja nicht!)

Die Lehrabschlussprüfungen waren der Grund, warum meine Kollegin den Blum-Bonus angesprochen hat. Der Blum-Bonus war dazu da, um in der Mitte der Lehrzeit eine Prü­fung, sozusagen eine Qualitätskontrolle zu machen. Der Blum-Bonus hat 3 000 Euro betragen und ist dann ganz einfach nicht mehr finanzierbar gewesen, weil es ja auch Prüfungskommissionen braucht. Ich glaube, ihr habt ganz einfach vergessen, dass es eine Basisförderung gibt: Es gibt im ersten Jahr drei Lehrlingsentschädigungen an För­derung, im zweiten zwei und dann im dritten und im vierten eine. Rechnet euch das aus! – Ich glaube, das haben wir.

Jetzt sind weitere Anreize gesetzt worden. Das ist ganz einfach wichtig, die Situation ist nicht lustig. Noch einmal: Wie würde es ausschauen, wenn wir uns nicht schon die ganze Zeit so um die Lehrlinge bemüht und diese Initiativen gesetzt hätten? (Bundesrätin


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Schumann: Wunderbar! – Bundesrat Steiner: Danke, danke, danke!) – Ja, sag danke, es ist ja schön, wenn du dich einmal bedankst! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke, wenn du ein bisschen zuhörst, weißt du auch, was es gibt. Es gibt zum Bei­spiel eine Gratisnachhilfe. Wenn ein junger Mensch, ein Lehrling, Probleme hat, dann gibt es Gratisnachhilfe. Das ist eine Initiative vom AMS. (Bundesrätin Schumann: Jetzt würde ein Dank für die überbetrieblichen Einrichtungen hergehören! – Bundesrat Stei­ner: 80 Prozent von der Wirtschaftskammer gemacht! Das hat ja nichts mit der Regie­rung zu tun!) – Entschuldigung, diese Initiativen sind vom AMS gesetzt worden. Das AMS zahlt die Gratisnachhilfen, und wir organisieren das – ganz einfach. (Bundesrat Steiner: Das ist ja zehn Jahre her! – Du wärmst ein altes Gulasch auf! Das hat ja nichts mit der Frau Minister zu tun!) – Nimm einmal etwas Positives an, junger Mann! Sag den Leuten etwas Positives und stoße sie nicht immer in den Graben! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Du kannst dich auch zu Wort melden! Melde dich spontan, du hast eh Temperament! Geh dann auch heraus und rede, aber lass mich jetzt einmal ausreden!

Wir haben zum Beispiel auch Let’s Walz ins Leben gerufen. Das ist ganz einfach eine Initiative, dass junge Menschen ins Ausland gehen, damit gerade unsere Lehrlinge über den Tellerrand schauen, damit die Lehre auch attraktiver ist. Das ist ja heute auch ange­sprochen worden.

Ihr habt gestern gesagt: Was brauchen wir das, dass wir in einem Dokument den Meis­tertitel vor den Namen schreiben? (Bundesrätin Grimling: Das hat jeder gesagt!) Das hängt genau mit der Attraktivität und mit dem Aufmerksammachen zusammen, dass eine duale Ausbildung eine gute Ausbildung ist. Eine duale Ausbildung ist aber eine hochwer­tige, und man muss die Kinder vorbereiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ihr habt es angesprochen, natürlich ist es so, dass manches Mal die Lehrstelle nicht vor der Haustür ist. Wir haben jetzt unsere Lehrlingswohnheime, -wohnhäuser aufgemacht. Wenn ein Jugendlicher in der Nähe eines Lehrlingswohnhauses eine Lehrstelle hat, kann er dort während der Woche wohnen, damit er eben seine Ausbildung machen kann und nicht weiß Gott wann in der Früh aufstehen muss. (Bundesrat Steiner: Das ist die Wirt­schaftskammer!)

Korinna, du hast die überbetrieblichen Lehrausbildungen angesprochen. Ich habe mir das erste Lehrjahr angeschaut, denn es würde ja ein bisschen verfälschen, wenn ich die gesamte Lehre hernehme. Es ist so, dass bei der überbetrieblichen Lehrausbildung ein Rückgang von 6,6 Prozent ist. Mit Stichtag 30.6 sind es heuer 2 992, voriges Jahr waren es 3 202. Ich begrüße alle Einrichtungen für unsere Jugendlichen – es gibt auch zwi­schenbetriebliche, überbetriebliche –; alles, was dazu beiträgt, junge Leute zu unterstüt­zen und ihnen zu helfen, dass sie Fuß fassen, dass sie ausbildungsfähig werden, ist zu begrüßen. Wir wissen, diese Initiativen, die es gibt, haben dazu beigetragen, dass wir nicht in einer noch schwierigeren Situation sind. Und das möchte ich sagen: Man muss aufzeigen, was es alles gibt! Ich danke, dass es diese Initiativen gibt, und man kann nicht alles einfach schlechtmachen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Aber was machen wir jetzt? – Schlafen! Jetzt schlafen wir!)

Ich sage auch dir, Frau Ministerin, ein herzliches Dankeschön, weil es ja sehr viele Ein­richtungen für Menschen gibt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Bundesrat Steiner: Ja, danke!) Wir haben auch eine Initiative für Langzeitarbeitslose. Wir sind in der Wirtschaft schon der Meinung, dass man Menschen oft eine zweite und dritte Chan­ce geben muss. Diese Möglichkeiten gibt es. (Bundesrat Steiner: Das hat ja niemand abgestritten!) Es gibt viele Initiativen, und diese sind ganz einfach der Grund dafür, dass unsere Situation nicht so schwierig ist, wie sie in anderen Ländern ist, wo es diese gan­zen Initiativen und Konzepte nicht gibt. (Bundesrat Steiner: Was machen wir jetzt?) –


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 45

Wir machen das weiter und weiten diese Initiativen aus, damit wir die Situation am Ar­beitsmarkt wieder in den Griff kriegen. Mit dem Schlechtreden erreichst du aber gar nichts, denn du frustrierst und demotivierst die Leute, und das ist nicht unser Ziel! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das habt ihr ja über Monate gemacht mit eurer Panikmache!)

11.23


11.23.37

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Gibt es nun noch weitere Wortmeldun­gen? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen, die ich getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Mehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kol­legen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Verdoppelung der Familienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung“ vor. Ich lasse über diesen Entschlie­ßungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Mehrheit fest. Der Antrag auf Fassung der gegenständli­chen Entschließung ist daher angenommen. (317/E-BR/2020)

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kol­legen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erhöhung der Nettoersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme)“ vor. Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle auch hier die Mehrheit fest. Der Antrag auf Fassung der ge­genständlichen Entschließung ist daher angenommen. (318/E-BR/2020)

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge – Wieder­einführung des Blum-Bonus“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstim­men.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dieser Antrag hat nicht die Mehrheit gefunden. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsge­setz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 46

11.27.393. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird (703/A und 261 d.B. sowie 10365/BR d.B. und 10385/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Ich bitte um den Bericht.


11.28.16

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Bitte sehr, Herr Kollege.


11.29.11

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren nun den eben genannten Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird. Die Sozialpartner haben gemeinsam nach einer entsprechenden Lösung gesucht. Es geht konkret darum, dass wir die Winterarbeitslosigkeit reduzieren. Gerade für die Baubranche ist diese Maßnah­me von großer Bedeutung, da es sich hier eben um eine relevante Saisonbranche han­delt.

Wir können die Eckpunkte in drei Teilbereiche zusammenfassen. Ein Bereich betrifft die Erhöhung der Refundierung der Nebenleistungen im Sachbereich der Winterfeiertagsre­gelung von 17 auf 30,1 Prozent ab dem 1. Dezember 2020. Durch die Einigung der So­zialpartner lohnt sich das Abmelden vor dem 24. Dezember für die Bauunternehmer nicht mehr. Diese Rückerstattung der Lohnnebenkosten ist ein wichtiger Beitrag für viele Arbeitnehmer sowie auch für Familien und sorgt für mehr Planungssicherheit.

Der zweite Teilbereich betrifft die Senkung des Zuschlagfaktors im Sachbereich bezüg­lich des Überbrückungsgeldes von 1,5 auf 0,4 in den Monaten Dezember bis März 2021.

Der dritte Bereich betrifft die Erleichterung der Erreichung der sechsten Urlaubswoche für Arbeitnehmer; dies bedeutet eine Anwartschaft nach 1 040 statt 1 150 Wochen, einfa­cher dargestellt: nach 20 statt 22 Jahren.

Festzuhalten ist, dass diese Maßnahmen für die ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerIn­nen kostenneutral sein sollen. Es geht hier um klare Anreize. Wir wollen, dass Arbeit­nehmer und Arbeitnehmerinnen über den Winter beschäftigt bleiben. Dies erhöht auch die Attraktivität der Branche und wirkt dementsprechend auch dem Fachkräftemangel entgegen.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 47

Wie gesagt, die Baubranche ist eine wichtige Benchmark. Ende März waren hier noch über 55 000 Menschen ohne Beschäftigung, jetzt sind es rund 22 000. Das ist auch ein klares Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Abschließend sei ein großes Dankeschön an die Sozialpartner gerichtet, ebenso ein großes Lob an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirtschaftskammer, des AMS und des Finanzamtes. Alle wurden in den letzten Monaten sehr gefordert und haben einen wichtigen Beitrag geleistet, damit wir das Comeback für Österreich schaffen. Dan­ke für diesen unermüdlichen Beitrag. Denken wir nicht in Problemen, denken wir in Lö­sungen! Jeder Arbeitslose ist einer zu viel. Liebe Frau Minister, danke für deinen Einsatz! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.32


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Herrn Bundesrat Stefan Zaggl ans Rednerpult bitten und ihm das Wort erteilen.


11.32.12

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Wichtigkeit dieser Gesetzesänderung zu betonen, liegt mir sehr am Herzen. Die Sozialpartner im Baubereich, die Gewerk­schaft und auch einige Politiker haben durch ihre monatelange Ausarbeitung einen gro­ßen und dankenswerten Beitrag für die zukünftigen Verbesserungen gemacht.

Leider haben wir trotz des guten Wetters eine Rekordarbeitslosigkeit bei Bauarbeitern. Auch wenn während der Covid-19-Zeit die Maschinen am Bau weiter aktiv waren – selbstverständlich unter den strengen Bestimmungen –, gab es im März wie auch im April einen enormen Urlaubsabbau. Die Maßnahmen wurden von den Firmen gesetzt, um weniger Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Es gab in diesem Bereich auch kaum Kurzarbeit, das ist ein starkes Zeichen. Dennoch zeigen uns die Zahlen lei­der, dass in den nächsten Monaten noch weitere Maßnahmen erforderlich sind.

Diese Gesetzesänderung ist ein Schritt zu einer allgemeinen Verbesserung der Situation der Arbeiter in diesem Bereich. Nun soll es sich nicht mehr lohnen, den Arbeiter, wie man es aus der Vergangenheit kennt, in der Winterzeit abzumelden und beim AMS in Warteposition zu hinterlassen: durch die Lohnnebenkostensenkung wird das für die Un­ternehmer nicht mehr allzu sinnvoll. Jene Firmen, deren Auftragseinteilungen so gestaf­felt sind, dass sie ihren Mitarbeitern eine Ganzjahresbeschäftigung bieten, werden somit entlastet. Das Resultat ist ganz eindeutig, dass es weniger Arbeitslose in dieser Branche geben wird.

Früher war es so, dass ein Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Win­termonate eine Beschäftigung hatten und zwei Drittel arbeitslos gemeldet wurden. Heute ist es zum Glück umgekehrt. Die Situation wird sich durch diese Erneuerung weiter ver­bessern, sodass man nicht mehr eine Art Saisonarbeit hat.

Ebenso ist die Urlaubswochenänderung ein gravierender Fortschritt, den wir hochhalten dürfen. Nicht erst nach 25 Dienstjahren gibt es die sogenannte Belohnung, die sechste Urlaubswoche, sondern schon nach 20 Dienstjahren. Auch hier zeigt sich wieder, dass wir uns auf bestem Weg befinden.

Seit der Covid-19-Krise befinden sich noch mehr Arbeitnehmer in der Arbeitslosigkeit. Durch die Möglichkeit, dass auf die Abfertigung Alt vorgegriffen werden kann, können viele ihre täglichen Lebenshaltungskosten tragen, da das doch sehr niedrige Arbeitslo­sengeld dies leider oft nicht mehr möglich macht. Die Vorauszahlungen bringen für diese Bürger wieder etwas mehr Stabilität und Sicherheit im Alltag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Arbeitslo­sigkeit zu bekämpfen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.35



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 48

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Als letzte zu diesem Tagesordnungs­punkt gemeldete Rednerin darf ich Frau Kollegin Andrea Michaela Schartel ans Red­nerInnenpult bitten und ihr das Wort erteilen.


11.35.50

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Minister! Wie gesagt, das ist ein Gesetz, in dem ein paar gute Ansätze sind, zum Beispiel betreffend den Urlaubsanspruch und auch die Geschichte, dass man auf diese gesetz­liche Abfertigung zugreifen kann.

Ich möchte aber schon eines richtigstellen: Die Buak ist keine Geschenksorganisation, die Unternehmen etwas schenkt, die Buak verwaltet ausschließlich Geld, das Unterneh­mer dort einzahlen. Das muss man schon einmal feststellen, weil jetzt so getan wird, als mache man da eine zusätzliche Maßnahme, damit eben zum Beispiel die Bauarbeiter über den Winter länger beschäftigt werden, weil die Unternehmen etwas geschenkt krie­gen. Die Buak lebt ausschließlich von Einzahlungen der Unternehmer und kriegt keine einzige staatliche Förderung – erstens.

Zweitens muss man richtigerweise auch sagen, dass von dieser Winterfeiertagsvergü­tung nicht die gesamte Baubranche betroffen ist, sondern nur jene aus dem sogenannten Bauhauptgewerbe. Das heißt, alles, was Bauhilfs- und Baunebengewerbe ist, wie Fas­sader, Stuckateure, teilweise Maler, Anstreicher, Dachdecker, Estrichleger, sind von die­ser Regelung überhaupt nicht betroffen.

Wir haben jetzt über die Abfertigung geredet. Ich habe immer wieder angeprangert – und ich verstehe eigentlich nicht, dass man dieses Gesetz nach wie vor diesbezüglich nicht geändert hat –, dass Leuten, die in die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse hi­neinfallen, bedauerlicherweise ihre Abfertigung verfallen kann. Man hat bei uns in Öster­reich ein Gesetz, wodurch die Buak in treuhänderischer Verwaltung das Geld der Unter­nehmen verwaltet, wenn der Dienstnehmer aber die Frist verabsäumt, nicht selber den Antrag auf Abfertigung stellt, ist das der Fall. In der Privatwirtschaft habe ich bei der Abfertigung Alt eine Auflösung, und der Unternehmer muss mir die Abfertigung automa­tisch auszahlen.

Ich hätte mir gewünscht, wenn es Gott sei Dank einmal möglich ist, dass man bei einem Gesetz Änderungen macht, dass man ernsthaft darüber nachgedacht hätte. Ich werde diesbezüglich sicher auch mit Herrn Kollegen Muchitsch einmal ein Gespräch über ge­wisse Dinge, die in der Buak sehr veraltet und der heutigen Zeit nicht mehr angepasst sind, führen. (Bundesrätin Schumann: Machen Sie das!) Man sollte einmal darüber sprechen, ob nicht doch Verbesserungsmöglichkeiten bestehen, was die Abfertigung be­trifft, ob man das nicht für die Arbeitnehmer erreichen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

11.38


11.38.17

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf Frau Bundesministerin Leonore Gewessler ganz herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Es liegen zu diesem Tagesordnungspunkt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 49

11.39.054. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird (68 d.B. und 281 d.B. sowie 10382/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht, Herr Kollege.


11.39.37

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Kollegin.


11.40.29

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuse­her zu Hause vor den Bildschirmen! Dieser Tagesordnungspunkt betrifft eine Novelle, mit der das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert werden soll.

Diese vorliegende Novelle ist rein technischer Natur und dient lediglich dazu, unions­rechtlichen Vorgaben zu entsprechen und ein EU-Vertragsverletzungsverfahren zu ver­meiden. Dazu werden im § 15 des Energieeffizienzgesetzes nun die Beachtung von Kos­tenwirksamkeit, Wirtschaftlichkeit, von technischer Eignung, Nachhaltigkeit und ausrei­chendem Wettbewerb verbindlich geregelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Novelle hat nichts mit dem großen und neuen Energieeffizienzgesetz zu tun, das sich bereits in Ausarbeitung befindet. Das neue System soll wesentlich unbürokratischer werden und ein wesentlicher Hebel zur Erreichung unserer Klima- und Energieziele sein. Ich bin sicher, dass wir in einer guten und partnerschaftlichen Zusammenarbeit aller Parteien für die Zukunft unseres Landes wesentliche Meilensteine setzen werden. Dass dies dringend notwendig ist, steht außer Zweifel, deshalb ist es auch im Regierungsprogramm als einer der wesentlichen Schwer­punkte verankert.

In den letzten zehn Jahren hat sich der Energieverbrauch in Österreich um 7,5 Prozent erhöht, der Stromverbrauch hat sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Es liegt also auf der Hand, dass wir einerseits den Ausbau der erneuerbaren Energien erhöhen müs­sen, aber andererseits viel sorgsamer mit unseren Energien umgehen müssen. Ich den­ke, wir können diesbezüglich zuversichtlich in die Zukunft schauen. In der im Ministerrat beschlossenen Novelle des Umweltförderungsgesetzes wurde festgelegt, dass in den nächsten zwei Jahren, also bis Ende 2022, in die thermische Sanierung und den Heiz­kesseltausch insgesamt 650 Millionen Euro investiert werden. Für den Ausbau der er­neuerbaren Energien bis Ende 2022 im Rahmen der Klimaschutzmilliarde werden 259,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 50

Das sind nur einige von vielen Maßnahmen, die zu diskutieren wir noch viel Gelegenheit haben werden in diesem Haus und von denen ich sicher bin, dass es dafür breite Un­terstützung geben wird. Österreich übernimmt im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz eine Vorreiterrolle in Europa, und das ist gut so. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.43


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke.

Ich darf nun Herrn Bundesrat Günther Novak ans Rednerpult bitten. – Bitte, Herr Kollege.


11.43.40

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde eigentlich schon viel gesagt. Übrigens: Sie (in Richtung Bundesministerin Gewessler) zeigen sich hier mit dem Helm. – Gratuliere! Radfahrer oder Biker? (Bundesministerin Gewessler: Fahrrad!)

In der gegenständlichen Novelle geht es darum, dass der Bund in seiner gesetzlichen Selbstbindung beim Erwerb und bei der Miete von unbeweglichem Vermögen, also von Immobilien, verstärkt die Auswirkungen der Energieeffizienz beachtet und dort in weite­rer Folge auch den Hebel ansetzt. Das ist eine sehr begrüßenswerte Entscheidung, da­gegen ist auch nichts einzuwenden, aber diese Novelle ist auch ein notwendiger Schritt, um die negativen Folgen für die Republik Österreich im Rahmen eines EU-Vertragsver­letzungsverfahrens abzuwenden.

Die Europäische Kommission ist nämlich zum Schluss gekommen, dass die bisherige Position Österreichs, die sich in dieser Sache mehrheitlich auf die Wirtschaftlichkeit aus­gerichtet hat, den EU-Richtlinien nicht entspricht. Es ist dies aber nur ein Symptom des­sen, wie es mit den nationalen Energieeffizienzzielen 2020 derzeit aussieht, diese wer­den nämlich in keiner Weise erreicht. Der Energieeffizienzumsetzungsbericht der Moni­toringstelle Energieeffizienz bringt dies klar zum Ausdruck.

Wir haben es schon gehört: Wenn wir die Klimaneutralität und die Klimaziele bis 2040 vor dem Hintergrund des Green Deal tatsächlich erreichen wollen, bedarf es eines bedeutend ambitionierteren Zugangs im Bereich der Energieeffizienz. Es ist auch schon darüber gesprochen worden – ich glaube, an diesem Thema werden wir alle arbeiten müssen –, ich habe es gestern schon gesagt, wir sind die Ersten und die Letzten, die im Bereich der Klimasituation ansetzen müssen, denn sonst werden wir in der Zukunft ein Problem haben.

Den Gesetzentwurf für das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und das Energieeffizienzge­setz, die Energieeffizienz-Richtlinienverordnung gemeinsam zu erarbeiten ist längst überfällig, es wurde von Frau Bundesminister Köstinger in Ihre Richtung geschoben. Ich denke doch, dass wir dieses Ziel erreichen werden, weil wir es erreichen müssen.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der ganz wesentlich ist: Wir brauchen ein neues Energieeffizienzgesetz, auch weil wir in der Bekämpfung der Energiearmut vorankom­men müssen. Derzeit sind keine finanziellen Unterstützungen für Menschen in Aussicht, die durch die Covid-19-Krise in Not geraten sind und deren Energierechnungen gestun­det wurden. Auch die diesbezüglichen freiwilligen Vereinbarungen mit der Energiewirt­schaft betreffend Abschaltungen sind ausgelaufen. Meine Damen und Herren, es braucht rasche und ausreichende Hilfe für die in Not geratenen Menschen, die sich durch die unverschuldete Notlage Strom- oder Gasrechnungen nicht mehr leisten können und nicht auf Energieversorgungssicherheit bauen können.

Wir bringen deshalb einen Entschließungsantrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 51

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfsfonds für gestundete Energiekosten“

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, einen Hilfsfonds zur finanziellen Unterstützung von jenen HaushaltskundInnen einzurichten, deren Energie­kosten während der COVID-19-Krise gestundet wurden bzw. werden.“

*****

Schauen wir mit Zuversicht in die Zukunft zum Thema Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und Energieeffizienz-Richtlinienverordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Hilfs­fonds für gestundete Energiekosten“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leonore Ge­wessler. – Bitte, Frau Ministerin.


11.48.27

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Bundesräte! Energieeffizienz ist ein fundamental wichtiges Thema für die Energiewende. Wir reden in Wahrheit viel zu wenig darüber und deswegen wäre ich jetzt gerne schon mit einer größeren Energieeffizienzrechtsnovelle hier im Bundesrat bei Ihnen.

Ich bitte Sie aber um Ihre Unterstützung für eine notwendige technische Novelle, über die Sie heute hier abstimmen, die im Prinzip dazu dient, eine Vertragsverletzungsklage der Europäischen Union abzuwenden. Es geht um eine technische Anpassung, das wurde erläutert, ich glaube, ich muss es nicht wiederholen, aber es ist ein wichtiger Schritt.

Es ist ein wichtiger Schritt auf einem langen Weg, denn betreffend die Situation beim Thema Energieeffizienz haben wir in Österreich wirklich Arbeit vor uns. Wir haben uns Ziele vorgenommen, verfehlen diese Ziele aber derzeit leider deutlich. Deswegen sind wir einerseits mitten in einer Analyse der derzeitigen rechtlichen Situation des Energieef­fizienzgesetzes, die wir im Herbst im Wirtschaftsausschuss, im Nationalrat debattieren und diskutieren wollen, andererseits in der Erarbeitung einer Novelle, die vor allem dazu dienen soll, dass wir beim Thema Energieeffizienz tatsächlich wirksam werden, wirksam vorankommen und das Ganze für die Betroffenen auch unbürokratischer wird, denn auch das war ein Effekt, den wir jetzt gesehen haben.

In der Zwischenzeit möchte ich aber auch auf weitere wichtige Themen betreffend Ener­gieeffizienz eingehen, die in den letzten Wochen dennoch gelungen sind, auch wenn die große Novelle noch nicht so weit ist. Wir haben im Konjunkturpaket – die Frau Bundes­rätin (in Richtung Bundesrätin Kaltenegger weisend) hat es erwähnt; Entschuldigung,


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 52

jetzt habe ich den Namen vergessen – dem Thema Energieeffizienz wirklich eine große Rolle beigemessen. Wir haben in den nächsten zwei Jahren 650 Millionen Euro für die thermische Sanierung und den Heizkesseltausch – also raus aus Öl- und fossilen Gas­heizungen, rein in erneuerbare Heizsysteme – vorgesehen. Die thermische Sanierung ist eines der Schlüsselthemen beim Thema Energieeffizienz.

Wir haben aber auch – das ist mir ein besonderes Anliegen  ab nächstem Jahr 50 Mil­lionen Euro pro Jahr, also für 2021 und 2022, direkt dem Thema Energiearmut gewidmet, weil es wichtig ist, das Thema auch wirklich gezielt, strukturiert anzugehen. Wir sehen, es gibt in Österreich sehr, sehr gute Projekte, die Energieversorger und Bundesländer gemeinsam mit betroffenen Menschen machen, die wir verstärken können, die wir un­terstützen können, denn es ist vor allem auch ein Thema der Informationsverfügbarkeit, der Beratung, des Arbeitens mit den Menschen, wie man aus dieser Situation gut he­rauskommen kann, wo man unterstützen kann.

Das werden wir in den nächsten zwei Jahren gemeinsam sehr intensiv angehen. Das wollte ich Ihnen einfach noch als Ergänzung berichten. Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.51


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke, Frau Ministerin.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Kollege.


11.51.41

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Als freiheitlicher Bundesrat begrüße ich den Beschluss des Nationalrates vom 8.7.2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Energieeffizienzgesetz geändert wird, obwohl ich mich sehr wohl frage: Was wurde seit dem Ende der Regierungsbe­teiligung der FPÖ von der sogenannten Expertenregierung und dem anschließenden türkis-grünen Projekt umgesetzt? – Anscheinend nicht viel oder nichts.

Wir Freiheitlichen haben uns während unserer Regierungsbeteiligung wirklich sehr ambi­tionierte Ziele gesetzt, da für uns Energieeffizienz auch zum Klimaschutz mit Hausver­stand gehört. Es wurde vorher schon erwähnt: Das, was wir heute beschließen, ist in Wahrheit Schnee von gestern oder vorgestern. Da geht es um eine gesetzliche Umset­zung der Energieeffizienzrichtlinie der EU aus dem Jahre 2009 durch das entsprechende Gesetz 2014. Eine Richtlinie der Europäischen Union ist ja – im Gegensatz zu einer Ver­ordnung, die direkt anwendbar ist – binnen einer bestimmten Frist in nationales Recht umzusetzen. Spannender wäre die Energieeffizienz auf Grundlage der dritten EU-Ener­gieeffizienzrichtlinie 2019 – das bedeutet, wir sind auch da im Verzug, die Umsetzung hätte bis 25. Juni 2020 erfolgen sollen. Da sind wir genauso hinten nach wie mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.

Von der Phase des Erzählens der schönen Gutenachtgeschichten sollte das türkis-grüne Projekt auch bei diesem Thema endlich in die Umsetzungsphase kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind schon sehr, sehr gespannt auf das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und auf das neue Energieeffizienzgesetz. Der Plan ist ja, so hört man – wir haben es vorher gerade gehört –, dass es im Herbst in die Begutachtung geschickt werden soll. Die Hoffnung auf ein Wunder, so sagt man, stirbt zuletzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir werden in der Umsetzung genau darauf schauen, dass – entsprechend unserer frei­heitlichen Energiepolitik – eine Ausgewogenheit zwischen drei grundsätzlichen, in glei­chem Maße zu verfolgenden Zielen eingehalten wird: selbstverständlich Klimapolitik,


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 53

Umstieg auf Erneuerbare beziehungsweise Senkung der Treibhausgasemissionen be­ziehungsweise Steigerung der Energieeffizienz. Was für uns auch wichtig ist: die Ver­sorgungssicherheit. Da gibt es natürlich Zielkonflikte zwischen Leistbarkeit und Wirt­schaftlichkeit. Wir werden uns auch mit den Möglichkeiten, die wir im Rahmen des Ener­gieeffizienzgesetzes haben, nämlich ordnungspolitische Möglichkeiten, Gesetze, För­derprogramme beziehungsweise Marktinstrumente genau anschauen, inwieweit dahin gehend die Ausgestaltung im Detail passiert.

Angesichts der Entwicklung der österreichischen Wirtschaft in den letzten drei Monaten muss aber auch ganz klar sein: Wir Freiheitlichen werden keine Maßnahmen gutheißen und unterstützen, die mittelfristig und langfristig zu einer Schädigung des Wirtschafts- und Industriestandortes Österreich und damit mittelfristig zu einer Verringerung oder ei­nem Verlust von Arbeitsplätzen führen. (Beifall bei der FPÖ.)

Weitere Themen gibt es natürlich auch in den Ländern. Die Bauordnungen müssen auf der einen Seite entrümpelt, auf der anderen Seite modernisiert werden. Solche Maßnah­men würden auch zur Verbesserung der Energieeffizienz beitragen, ebenso eine Sanie­rungsoffensive bei Gebäuden der öffentlichen Hand. Die sind teilweise in einem Zustand, der nicht vorbildlich ist, und wir können von der privaten Wirtschaft nicht verlangen zu sanieren, wenn die Gebäude der öffentlichen Hand derartig desolat sind.

Intelligente Energiepolitik schafft neue Arbeitsplätze, belebt die Region und schützt un­sere Umwelt. Uns Freiheitlichen war es immer wichtig und wird es immer wichtig sein, im Sinne der Bevölkerung unser wunderschönes Heimatland zu erhalten, und wir sehen es als unsere Aufgabe, für die zukünftigen Generationen Umwelt- und Klimapolitik mit Hausverstand – wie beschrieben – sozial verträglich umzusetzen. Wir werden daher kei­nen Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

11.56


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Als vorerst letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross vorgemerkt. – Bitte, Herr Kollege.


11.56.21

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Ministerin! Die anstehende Anpassung im Energieeffizienzgesetz ist viel­leicht auf den ersten Blick nicht extrem prickelnd, sie macht aber doch klar, und das halte ich für nicht unwichtig – das ist vorhin schon kritisiert worden, aber genau das findet jetzt statt –, dass der Bund bei Beschaffung und Anmietung und Nutzung von Gebäuden kla­rer auf Energieeffizienz Rücksicht zu nehmen hat. Das geht zurück – wir haben es ge­hört – auf eine Rüge der Kommission, die übrigens schon länger zurückliegt. Also das hat uns ja nicht die jetzige Regierung eingebrockt oder das offenbar irgendwie nicht so genau genommen, trotzdem lenkt jetzt das Thema Energieeffizienz die Debatte auf ein wirklich wichtiges Thema, wenn es um die Energiewende geht, die anzugehen ist.

Das Regierungsprogramm setzt sich ja, Sie wissen das, ein überaus ambitioniertes Ziel, nämlich 2040 Klimaneutralität zu erreichen, das heißt, bis dahin komplett aus allen fossilen Energieträgern ausgestiegen zu sein. Ja, da muss man klar sagen, das werden wir nicht erreichen, wenn es nicht gelingt, den Energieverbrauch zu reduzieren, gar keine Frage. Natürlich muss man gleichzeitig die erneuerbaren Energieträger massiv ausbau­en, aber das wird halt auch extrem schwierig, wenn uns praktisch gleichzeitig der Ener­gieverbrauch gleichsam davonrennt. Leider ist er in den letzten Jahren immer noch ten­denziell gestiegen; jedenfalls ist es noch nicht gelungen, eine Trendwende herbeizufüh­ren, eine Energiewende herbeizuführen. Das steht nun an, und da sind wir auch intensiv dran.


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Ich möchte schon anmerken, dass wir praktisch auch Dinge korrigieren müssen, auf­räumen müssen, die in der Vergangenheit versäumt wurden. Herr Kollege Bernard, noch während Ihrer Regierungszeit ist halt in dieser Hinsicht nichts passiert. Ich bin jetzt schon gespannt auf die Unterstützung für die kommenden Gesetzespakete in diese Richtung, Sie haben schon einmal vorsorglich eine ganze Reihe von Abers angedeutet.

Ja, Energieeffizienz ist keine leichte Aufgabe, denn es gibt kaum etwas anderes, das so eng mit der Art, wie wir wirtschaften, mit unserem Konsumverständnis, mit unserem Ver­ständnis, mobil zu sein, verbunden ist. Den Energieverbrauch zu senken bedeutet immer mehr oder weniger auch die Nutzung selbst zu hinterfragen, und es ist halt auch regulativ komplexer, als beispielsweise Ökostrom aufzubauen. Das wird auch eine Herausforde­rung, aber da kann man etwas dazubauen, immerhin verändert man nicht so sehr be­stehende Strukturen. Das ist bei Energieeffizienz eben ganz anders, da gibt es ein viel grundlegenderes Eingreifen und auch, ja, Berühren von bestehenden Systemen und Prozessen.

Ein Effekt, der leider immer wieder auftritt, das Leben nicht leichter macht in der Ener­gieeffizienz, das sind die sogenannten Reboundeffekte. Das heißt, die Wirtschaft entwi­ckelt effizientere Geräte, das ist gut so, aber es entsteht dadurch immer ganz automa­tisch ein Anreiz, davon wieder mehr zu nutzen. Nur ein paar Beispiele: Das Auto ist definitiv effizienter geworden, die Motoren sind besser geworden, aber die Autos größer, es werden mehr Kilometer gefahren.

Da kommt es dann darauf an, zu überlegen, wie man das jetzt macht, dass die Motoren, die Autos effizienter werden und gleichzeitig nicht genau diese Effekte eintreten, dass dann beispielsweise größere Autos in einem viel zu großen Ausmaß gekauft werden, wie wir es derzeit haben.

Oder allgemeiner gesagt: Einkommensgewinne durch weniger Energieverbrauch führen halt oft woanders wieder zum Konsum und damit zu mehr Verbrauch. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Das bestehende Energieeffizienzgesetz – wir haben es gehört – war leider kein großer Erfolg. Das hat mehrere Gründe, einer davon ist, dass viel zu viele nicht wirksame Maß­nahmen anrechenbar waren; das ist ja auch zum großen Teil ein Bottom-up-System in der Anrechnung. Das hat ganz nebenbei noch zu einem Preisverfall geführt, dadurch war auch der Fonds nicht entsprechend ausgestattet; ja, Mitkopplung sozusagen. Bei­spiele dafür sind diese berühmten Durchflussbegrenzer an Wasserhähnen oder kuriose Additive bei Treibstoffen. Solche Scheinmaßnahmen wird es in Zukunft nicht mehr ge­ben.

Das Regierungsprogramm ist sehr ambitioniert, auch betreffend Energieeffizienz. Die Frau Ministerin hat es gesagt, die Novellierung des Energieeffizienzgesetzes ist im Wer­den, und es soll dieses Mal wirklich wirksam werden. Wir hoffen, dass wir in absehbarer Zeit damit in Begutachtung gehen können. Es wird übrigens innerhalb dieses Gesetzes einen großen Schwerpunkt zur Energiearmut geben – auch das ist angedeutet worden –, um gerade Menschen in Haushalten, die es hinsichtlich Einkommen nicht so dick haben, wirklich zu helfen.

Es ist aber schon jetzt gelungen – auch das ist angeschnitten worden –, die Mittel für Energieeffizienz im Energieeffizienzgesetz massiv aufzustocken, 650 Millionen Euro in zwei Jahren für thermische Sanierung, 50 Millionen Euro Haftungsübernahme für Contracting­projekte. Das ist ein sehr genialer marktorientierter Zugang. Im Grunde wird die ganze Planungs- und Umsetzungsarbeit über Profis, über Contractoren erledigt. Um Sicherheit zu bieten, dass die da nicht über die Einsparungen um ihre Erträge umfallen, ist geplant, da Haftungen zu übernehmen.

Ganz wichtig: 100 Millionen Euro in zwei Jahren für Energieeffizienzmaßnahmen in Haushalten mit besonders geringem Einkommen. Das ist schon ein Brocken und ein


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großer Schritt. Was steckt dahinter? – Es geht darum, dass genau diese Haushalte in die Lage versetzt werden, Investitionen zu tätigen, Maßnahmen zu setzen, die den Ener­gieverbrauch dauerhaft senken und damit dauerhaft zur Energiekosteneinsparung und zu mehr Haushaltseinkommen und damit auch zu einer Anhebung des Wohlstandes führen.

Ja, Kollege Novak, wir gehen dieses Thema wirklich strukturiert an. Ich verstehe das gut, unterstelle jetzt auch gar nichts, es ist sicher gut gemeint, aber das, was Sie machen, das sind Schnellschnellanträge. Was wir jetzt wirklich brauchen, sind strukturelle, durch­dachte Maßnahmen, die wirklich langfristig die Kosten für diese Menschen senken. (Bun­desrat Steiner: Also ihr habt eure Anträge nicht durchdacht! Bundesrätin Schumann: Es war durchdacht!)

Etwas besonders Schönes ist, dass sich Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit verbin­den lässt und verbinden wird. Zwei Beispiele: Wenn ein Gebäude heute im höchsten Standard als Passivhaus errichtet wird, kostet das vielleicht 2, 3 Prozent mehr bei der Investition, spart aber enorme Kosten über die gesamte Lebensdauer ein. In einem sol­chen Haus können Sie Ihre Wohnung um 150 Euro pro Jahr heizen. Das ist schon eine Maßnahme, die sicherstellt, dass sich Menschen mit geringem Einkommen auch bei Energiepreiserhöhungen das Heizen leisten können.

Ein anderes Beispiel sind öffentliche Verkehrsmittel, die man sich wirklich leisten kann, die Mobilität gerade für Menschen mit geringem Einkommen garantieren. Wir wissen, dass gerade Menschen, die nicht viel verdienen, kein Auto haben, sich kein Auto leisten können. So, und denen kann man mit einem entsprechend guten Angebot Mobilität si­chern. Auch das senkt den Energieverbrauch und ist ein Beitrag zum Klimaschutz. (Bun­desrätin Schumann: Auf, auf!)

Energieeffizienz ist aber noch mehr, ist Innovationsmotor, das ist wichtig, denn eines ist klar: Mittel- und langfristig werden – auch in Österreich – die Wirtschaftszweige konkur­renzfähig bleiben, denen es gelingt, mit möglichst geringem Energieaufwand, mit mög­lichst geringem Ressourcenaufwand ihre Produktion zu sichern. Da gibt es gute Beispie­le in Österreich, die Voest zum Beispiel, die produziert deswegen noch Stahl in Öster­reich, weil sie so effizient ist. Würde sie wirtschaften wie ein Konkurrent in Indien, Mittal oder so etwas, dann wäre sie sicher schon längst weg. Genau diese Innovationskraft und Energieeffizienz sichert das Überleben.

Also ich korrigiere meine Einleitung, Energieeffizienz ist doch prickelnd, man muss sie nur von der richtigen Seite betrachten: als unverzichtbaren Baustein im Klimaschutz, damit bei der Zukunftssicherung als Strategie für die Verbesserung des Einkommens von Menschen, denen es nicht so gut geht, und als Wettbewerbsvorteilsbringer für die Wirtschaft. Genau so soll es sein. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.05


12.05.48

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Ich begrüße Herrn Bundesminister Heinz Faßmann im Bundesrat. Herzlich willkommen, lieber Herr Bundesminister! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 56

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Hilfsfonds für gestundete Energiekosten“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (319/E-BR/2020) (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

12.06.515. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Finanzierung von Forschung, Technologie und Innovation (Forschungsfinanzierungsgesetz – FoFinaG) erlassen wird sowie das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz, das Forschungs- und Technologieförderungs­gesetz, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Forschungsorganisa­tionsgesetz, das IST-Austria-Gesetz, das OeAD-Gesetz und das ÖAW-Gesetz ge­ändert werden (Forschungsfinanzierungsnovelle 2020) (239 d.B. und 308 d.B. so­wie 10406/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Marco SchreuderIch bitte um deinen Bericht.


12.07.13

Berichterstatter Marco Schreuder: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Herr Minister! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Finanzie­rung von Forschung, Technologie und Innovation (Forschungsfinanzierungsgesetz – FoFinaG) erlassen wird sowie das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz, das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Forschungsförderungsgesellschaftsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz, das IST-Austria-Gesetz, das OeAD-Gesetz und das ÖAW-Gesetz geändert werden (Forschungsfinanzierungsnovelle 2020) zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


12.08.17

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Ministerin! Herr Minister! Forschung oder vielleicht besser gesagt der Forschergeist der Menschen ist wohl der wichtigste Treiber jedweder Entwicklung. Da meine ich jetzt natürlich nicht nur die technischen Wissenschaften, Forschungen im Ingenieurbereich, sondern genauso die gesamte Grundlagenforschung, die uns wirklich sehr wichtig ist – es muss nicht alles gleich schon einen direkten Nutzen haben –, gesellschafts- und so­zialpolitische Forschungsbereiche und so weiter, die ganze Forschungslandschaft mit­hin.

Um den Forschergeist zu fördern, damit langfristig unseren Wohlstand zu sichern und damit wiederum die großen Zukunftsfragen aktiv anzugehen – da gibt es ja einige, die anstehen, am Tisch liegen –, da braucht es motivierte und kluge ForscherInnen, hoch­wertige und entsprechend ausgestattete Forschungseinrichtungen, keine Frage. Diese


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wiederum brauchen planbare, stabile Rahmenbedingungen, sprich eine Finanzierungs­sicherheit. Ich weiß, wovon ich rede, ich war selber jahrelang in der Forschung und weiß, wie mühsam das ist, wie nervös das die Einrichtungen und die Mitarbeiter und Mitarbei­terinnen macht, wenn man nie weiß, ob die Forschungsgelder kommen, wenn man sie jährlich wieder beantragen muss, und so weiter. Das ist eine ganz schwierige Situation für die ganzen Forschungsarbeiten und für die betroffenen Menschen.

Um genau diese Situation zu verbessern, beschließen wir heute einen Meilenstein – fin­de ich. Es ist ein Meilenstein mit einer langen Vorgeschichte, die mindestens zehn Jahre zurückreicht, mit dem Ergebnis, dass es nun eine Regierungsvorlage gibt, die wesent­liche Verbesserungen bei den Forschungsbedingungen bringen wird. Dazu zählen zum Beispiel garantierte Planungsgrundlagen durch fixe dreijährige Forschungsbudgets, ein Kürzungsverbot und ein wiederkehrender verbindlicher Planungsprozess, um diese Dreijahresperioden wiederholt absichern zu können.

Es gibt Finanzierungssicherheit für wichtige Forschungs- und Forschungsförderungsein­richtungen. Gesetzlich werden sie zu sogenannten zentralen Einrichtungen erklärt, da­runter zum Beispiel das Austrian Institute of Technology, die Akademie der Wissenschaf­ten, die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft, das Austria Wirtschaftsservice, die Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft, der Wissenschaftsfonds, die Forschungsförderungs­gesellschaft, um einige wichtige zu nennen.

Weiters gibt es nun – wie vorhin kurz skizziert – dreijährige Leistungsfinanzierungsver­einbarungen mit den Einrichtungen selbst anstelle jährlicher Einzelbeauftragungen und mühsamer Genehmigungsschritte. Es ist vielleicht ein kleiner Wermutstropfen, dass es keinen im Detail festgelegten Wachstumspfad gibt. Davon war das BMBWF nicht zu überzeugen. Dennoch besteht immerhin die Sicherung einer langfristig wachstumsorien­tierten Finanzierung, womit es eine Perspektive gibt und man keine Angst vor Kürzungen haben muss.

Nicht zu vergessen ist, dass mit dieser Bundesregierung bereits sehr viel an Verbes­serungsmaßnahmen geschieht. Im Rahmen des Coronakonjunkturpakets wurden zu­sätzlich 300 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung mit einem Schwerpunkt bei Innovationen und Entwicklungen im Themenfeld Klimaschutz verankert.

Also: Für die Absicherung der sozusagen organisierten Neugier zum Wohle der Gesell­schaft ist heute ein erfreulicher Schritt getan. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.12


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Kollegin Mag. Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Kollegin.


12.12.29

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der heutige 16. Juli ist ein Tag, der immer einen festen Platz in der Geschichte von Wissenschaft, Forschung und Technik einnehmen wird.

Im vergangenen Jahr haben wir an diesem Tag ein großes Jubiläum gefeiert, heuer ist es um ihn wieder ein wenig ruhiger, aber ich möchte gerne in Erinnerung rufen, was am 16. Juli 1969 passiert ist. An diesem Tag sind Michael Collins, Edwin „Buzz“ Aldrin und Neil Armstrong gemeinsam in die Saturn-V-Rakete eingestiegen und haben damit die erste bemannte Mondlandung gestartet. Die Zeitung hat an diesem Tag von der Odyssee zum Mond berichtet. Ob es eine wirkliche Odyssee war, die uns zum heutigen Beschluss des Forschungsfinanzierungsgesetzes führt, mögen andere beurteilen. Ich glaube aber, man kann mit Fug und Recht sagen, dass gut Ding manchmal Weile braucht.


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Es war 2009, als zum ersten Mal über ein Forschungsfinanzierungsgesetz nachgedacht wurde, damals noch unter Bundesminister Johannes Hahn. Es fand sich danach in drei Regierungsprogrammen wieder und heuer, 2020, ist es so weit, dass wir es beschließen. Wir haben etwas Gutes vorliegen und beschließen mit dem heutigen Tag nicht nur ein einzelnes Gesetz, sondern genau genommen acht Artikel, die rund um diesen Themen­bereich umgesetzt werden.

Was sind die Eckpunkte? – Wir definieren die zentralen Forschungs- und Forschungsför­derungseinrichtungen im Land und schaffen für sie einen gemeinsamen Rahmen. Ein besonders wichtiger Player dabei ist das IST Austria. Im vergangenen Jahr wurde dort das zehnjährige Bestehen gefeiert, Bundespräsident Van der Bellen sprach von einem österreichischen Wunder. Ich glaube, es ist zu einem absoluten und auch europäischen Vorbild für exzellenzbasierte visionäre Wissenschaft geworden.

Mit einem budgetären Steigerungspfad schaffen wir Planungs- und Finanzierungssicher­heit und haben uns, glaube ich, auch noch Verbesserungspotenzial für die Zukunft be­reitgehalten. Wir stellen jedenfalls sicher – und das ist ganz, ganz wichtig –, dass Mittel auch in womöglich schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht gekürzt werden und wir wirk­lich etwas haben, was wir aus dem Hochschul- und dem universitären Bereich sehr gut kennen, nämlich dreijährige Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen.

Wir sorgen für Verwaltungsvereinfachungen, wir schaffen auch Voraussetzungen für ein einheitliches Monitoring und last, but not least führen wir dazu einen FTI-Pakt ein, mit dem wir die strategischen Schwerpunkte der Einrichtungen in Zukunft beschließen wer­den und damit ganz maßgeblich zur Umsetzung unserer FTI-Strategie beitragen können.

Ich möchte noch einmal zum historischen Anlass des heutigen Tages zurückkommen. Die Zeitung hat nicht nur von einer Odyssee gesprochen, sondern – ich sage jetzt ein­mal – mit einer gewissen amerikanischen Euphorie getitelt: „Next stop moon“.

Ich glaube, das kann auch für uns ein schönes Motto sein – sozusagen symbolisch –, dass wir uns als nächste Station den Innovationleader vornehmen. Österreich ist seit Jahren auf der Verfolgerspur oder in Lauerstellung, um vom Innovationfollower zum In­novationleader aufzusteigen. Ich glaube, wir wissen, dass gerade in Zeiten wie diesen für eine kleine exportorientierte Volkswirtschaft, wie wir es sind, Innovation nicht zum Selbstzweck stattfindet, sondern dass sie schlicht und ergreifend überlebensnotwendig ist. Innovation, so glaube ich, kann uns auch helfen, in Zukunft vielleicht eine Nasenlänge voraus zu sein, wenn es darum geht, das wirtschaftliche Comeback zu schaffen.

Somit wird ganz entscheidend sein, ob dieser Beschluss dazu führt, dass Fördermittel zukünftig leichter und unbürokratischer abgeholt werden können und wirklich innovative Vorhaben leichter umgesetzt werden, denn dann schaffen wir mit diesem Gesetz einen echten Grundpfeiler für das Gründen, Forschen, Entwickeln und einen richtigen Meilen­stein für die österreichische Forschungs-, Technologie- und Innovationslandschaft.

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Gesetzesbeschluss wie der heutige nicht in die Geschichtsbücher eingehen wird, aber es bleibt zu hoffen, dass es ganz, ganz viele In­novationen sind, die dieser Gesetzesbeschluss ermöglicht und die wir dann in den Ge­schichtsbüchern finden. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.17


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


12.17.20

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich stimme den optimistischen Vorrednern


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 59

und der Vorrednerin zu: Dieses Forschungsfinanzierungsgesetz ist eine wirklich wesent­liche Gesetzgebung, um die Forschung in Österreich zu strukturieren und ihr auch zu helfen.

Meine Vorredner haben auf die drei wesentlichen Vorzüge hingewiesen, die ich auch teile. Das eine ist, dass wir definieren, wer die wesentlichen und wichtigen Forschungs­träger und Forschungsförderer in Österreich sind. Das Zweite ist eine neue Art von Governancestruktur: Das Ministerium mit all seiner Weisheit zieht sich ein klein wenig zurück und diskutiert Strategien, mischt sich aber nicht in das tägliche Geschäft von Forschungsträgern und Forschungsförderungsinstitutionen ein. Als ehemals Betroffener dieser Diskussionen sage ich, es ist gut so, die Forscher und Forscherinnen in ihren Institutionen wissen es manchmal tatsächlich besser, als es die Ministerien tun.

Das Dritte ist der sehr optimistische Satz im Gesetz, dass die langfristige Planungs- und Finanzierungsorientierung festgeschrieben wird. Wir haben lange darüber diskutiert, ob man konkrete Zielwerte angeben soll. Wenn man aber darüber nachdenkt, kommt man auch schnell ins Schleudern. Ein Zielwert wie die Forschungsquote, also die Ausgaben für Forschung gemessen am Bruttoinlandsprodukt, würde letztlich dazu führen, dass wir dieses Jahr weniger für die Forschung ausgeben müssten, weil das Bruttoinlandsprodukt sinkt und eine gekoppelte Quote ungünstig wäre.

Es gibt manche Vorschläge, die sagen, wir sollten einen kontinuierlichen prozentmäßi­gen Wachstumspfad angeben. Dies aber führt sehr schnell zu einem exponentiellen Wachstum. Wenn ich sage, jährlich sind 5 Prozent, 7 Prozent Steigerung vorgesehen, verstehe ich jeden Finanzminister, der nervös wird, weil dieser auch nicht weiß, ob er jährlich 5 bis 7 Prozent Einnahmensteigerung hat. So ist jetzt eine Absichtserklärung enthalten, die besagt, dass mehr Geld für die Forschung ausgegeben werden soll.

Für mich ist auch wesentlich: Es gibt ein Dreigespann. Das Gesetz definiert die grund­sätzlichen Strukturen; daneben gibt es eine Strategie bis zum Jahr 2030, die grundsätzli­che Prämissen niederschreiben wird; und es gibt einen dreijährigen Forschungspakt, in dessen Rahmen eine konkrete Numerik erfolgen wird, wie viel in den kommenden drei Jahren für Forschung ausgegeben wird.

Herr Dipl.‑Ing. Gross, Sie haben den Wettbewerb bedauert, den Forscher und Forsche­rinnen haben oder haben müssen. Den Wettbewerb wird es weiterhin geben. Wettbe­werb im Forschungsbereich ist gut, weil er zu Qualitätssicherung führt.

Frau Zeidler-Beck, Sie haben gesagt, Forschungsmittel werden leichter abgeholt. – Nein, sie werden nicht leichter abgeholt, sie werden abermals nach qualitätsorientierten Kriterien abgeholt. Das muss nicht immer leichter sein, es ist manchmal sogar schwerer, wenn man am Besseren arbeitet.

Was für mich auch wesentlich ist – und das ist mein Schlusswort –: Der vorliegende Ent­wurf ist ein Produkt von drei Fachministerien plus dem Finanzministerium. Mich hat es wirklich gefreut, dass es gelungen ist, Brücken über diese Ministerien zu schlagen und zu einem gemeinsamen Gesetzestext zu kommen. Es freut mich auch sehr, dass Sie, wie ich gehört habe, keinen Einspruch erheben werden. Dafür und für Ihre Aufmerksam­keit bedanke ich mich sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der BundesrätInnen Pi­sec und Steiner-Wieser.)

12.21


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


12.21.38

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! In dem Punkt,


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 60

dass Wettbewerb wahnsinnig wichtig ist und unsere Zukunft in der Forschung und Ent­wicklung liegt, nicht nur in Österreich, sondern in Europa, teile ich Ihre Meinung. Derzeit wird ja am mehrjährigen Finanzrahmen der EU gearbeitet, der noch immer das Bild eines agrarischen Entwicklungskonzerns bietet. Es sollte jedoch einige Verschiebungen nach sich ziehen vor dem Hintergrund, dass speziell Forschung, Wettbewerb und Entwicklung die riesige Chance für Europa ist.

Frau Zeidler-Beck, danke für Ihr Bild! Darf ich Ihr Bild kurz ergänzen? (Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.) Ohne Österreich, ohne eine österreichische Firma, ohne österreichische Forschung wären die Apollo-Missionen nie möglich gewesen. Wissen Sie, woher der Hitzeschild für alle Apollo-Kapseln kam? – Aus Tirol. Er wurde von den Planseewerken in Tirol entwickelt. Das konnten die Amerikaner nicht selber. Es ist da ganz viel Know-how hineingeflossen. Sie wissen, wie lange die Apollo-Missionen andau­erten. Diese Hitzeschilde aus Europa haben das Verglühen der Kapseln beim Wieder­eintritt in die Erdatmosphäre verhindert. Insofern waren wir da Weltspitze.

Zweitens, Herr Kollege Gross: Meilenstein ist ein bisschen ein großes Wort. Es ist ein wichtiger Schritt. Der Herr Minister hat sich bedankt, dass es keinen Einspruch gibt. Wa­rum sollte es einen Einspruch gegen etwas Substanzielles geben, das wir wie einen Bissen Brot brauchen? – Das ist Forschung, das ist die Möglichkeit zum Forschen, das ist auch die multinationale Zusammenarbeit in der Forschung hier in Österreich.

Wenn Sie zum Beispiel zum Campus Wien Biocenter gehen: Im gesamten Bereich der Biomedizin sind Forscher und Forscherinnen aus über 80 Nationen tätig. Genau das ist das Amalgam, in dem man weiterkommt, in dem man zeigt, wie Institute, wie Universi­täten, aber auch Firmen zusammenarbeiten und dadurch ein wissenschaftliches Biotop schaffen, aus dem ganz, ganz viel als Grundlagen für unsere Zukunft erwachsen kann.

Oder wenn wir das Institute of Science and Technology Austria in Gugging anschauen – ich glaube, Kollege Gross hat das schon genannt–: Es ist fantastisch zu sehen, was die arbeiten, welche Planungsfreiheit und welche wissenschaftliche Freiheit dort vorhanden ist. Genau das ist eines der wichtigsten Dinge, die wir im Bereich von Forschung, For­schungsfinanzierung und Wissenschaft brauchen.

Herr Minister, eines noch zum Wachstumspfad, den Sie so nett hinauskomplimentiert haben: Das ist unrichtig, und Sie beide, Frau Ministerin und Herr Minister, wissen es, dass an der Wiege dieses Forschungsfinanzierungsgesetzes immer stand: Es wird einen Wachstumspfad geben. Forschung ist nämlich teuer, und vor allem in der Kombination Universität, Institute und Firmen muss es eine klare Planbarkeit geben. Dieser Wachs­tumspfad fehlt. Deshalb, lieber Kollege Gross: Wäre er enthalten, dann hätten wir einen Meilenstein – aber er fehlt. Daher ist es ein wichtiger Schritt, aber kein Meilenstein – ein wichtiger Schritt, den wir brauchen.

Kommen wir wieder einmal auf die positive Ebene: Was ist enthalten? – Es ist eine drei­jährige Planungssicherheit enthalten. – Das ist gut! Es sind Schritte der Entbürokratisie­rung enthalten. – Das ist gut! Es ist ein Budgetkürzungsverbot enthalten. – Das ist nicht nur gut, sondern sehr gut! Man muss allerdings dazusagen, dass man nun die inflations­bereinigten 5 Prozent mitbeschließt. Das heißt, dies geht auf die Gesamtsumme der förderrelevanten Bundesmittel. Das heißt aber nicht, Herr Bundesminister – Sie werden jetzt hoffentlich nicken, denn jetzt sage ich das sehr richtig –, dass nicht innerhalb der Budget- und Einzelpositionen Abstufungen vorgenommen werden können, weil sich das ja auf das Gesamtbudget bezieht.

Trotzdem: Forschung und Entwicklung müssen weitergehen. Es ist eine Riesenchance für österreichische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, für österreichische Stu­dierende, die hier mit Studierenden und Lehrenden aus aller Welt zusammenkommen können, auch dass hier Startups entstehen und die Zusammenarbeit mit Firmen erfolgt.


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Die 5 Prozent beziehen sich auf den Anteil des Bundes. Insgesamt beträgt ja die öffent­liche Finanzierung der Forschung 35 Prozent, der Bund trägt davon knapp 29,8 Prozent. Darauf beziehen sich die 5 Prozent, die wir hier heute beschließen.

Allerdings, Frau Ministerin, Herr Minister, Planbarkeit heißt, einen Pfad der kontinuierli­chen Erneuerung zu haben. Wir können uns über diesen Wachstumspfad, der Ihnen budgetär offensichtlich so viele Sorgen bereitet, durchaus unterhalten. Für die Zusam­menarbeit von Universitäten, Instituten und Firmen ist das eines der wichtigsten Schmiermittel, die wir brauchen. Deshalb sollten wir den Wachstumspfad nicht aufge­ben, denn er war in der Geburtsstunde dieses Gesetzes klar ein Teil der gemeinsamen Willensbildung. Jetzt ist er nicht mehr da.

Wenn ich noch einmal auf Kollegen Gross Bezug nehmen darf: Aus dem „Meilenstein“ machen wir einen „wichtigen Schritt“, und deshalb tragen wir das vor allem für die Zukunft Österreichs und für die Zukunft Österreichs in Europa mit.

Lieber Kollege Gross, ich weiß schon, Wettbewerb verbreitet Stress, aber gerade in der Forschung geht es ohne Wettbewerb nicht. Es geht darum: Stoßen wir zu den euro­päischen und weltweiten Spitzenreitern in der Forschung hinzu? – Das passiert nicht ohne Wettbewerbsgefühle und Wettbewerbsbedingungen.

Vieles ist entbürokratisiert worden, es muss aber unser Ziel sein, unser Land in der Forschung und Entwicklung wieder ganz im Spitzenfeld zu haben. Es liegt teilweise im Spitzenfeld, es lag vor langer Zeit in bestimmten Bereichen im Spitzenfeld. Das ist das Ziel, und deshalb stimmen wir dem Gesetz auch zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.29


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Kollege Michael Bernard ist zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.29.46

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister, sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Replizierend auf Kollegen Gross beim vorigen Tagesordnungspunkt: Der Unterschied zwischen grüner und freiheitlicher Energiepolitik ist: Grüne Politik kündigt an, Freiheitliche kündigen an und setzen auch persönlich um. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Ich habe das jetzt nicht verstanden ...!) – Gut, das kannst du ja im Protokoll nachlesen, kein Problem.

Das Gesetz, das wir heute zur Abstimmung bringen wollen, ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Es wurde noch in der letzten Gesetzgebungsperiode zwischen ÖVP und FPÖ abgestimmt und ausgearbeitet. Es ist schon länger in Arbeit und beinhaltet betref­fend Organisatorisches einige sehr gute und für unsere Forschungs-, Wissenschafts- und Technologielandschaft bedeutende Punkte, wie zum Beispiel die strategische Steuerungs- und Kontrollverantwortung, die genau definiert wurde, eine jährliche Umset­zungsplanung mit den entsprechenden Berichten, eine Programmdurchsicht sowie eine Konsolidierung.

Was damals noch nicht fertig verhandelt wurde, für uns Freiheitliche aber sehr entschei­dend ist: Wenn wir noch in Regierungsverantwortung wären, würde das 26 Seiten lange Gesetz – in welches ich mich zwar eingelesen habe, das ich aber aufgrund der Redezeit­beschränkung nicht im Detail wiedergebe – einen wesentlichen Punkt beinhalten, und dieser lautet: ein vereinbarter Wachstumspfad, um den sich alles dreht.

§ 1: Das Gesetz beinhaltet „die langfristige, wachstumsorientierte“ Finanzierung von „For­schung, Technologie und Innovation“. Ich hoffe, es bleibt nicht nur bei den Worten, bei dem Text, sondern: Umsetzung ist gefragt!


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§ 4 sieht ein Kürzungsverbot vor, aber betreffend konkrete Zahlenwerte: Fehlanzeige! Im Jahr 2008 hat ein gewisser Herr Hahn – derzeit, wie wir alle wissen, mit der EU be­schäftigt – angekündigt, in einem halben Jahr werde dieses Gesetz inklusive Wachs­tumspfad stehen.

Nun stelle ich mir die Frage: Wer verhindert das seither? – Ich denke, die jeweiligen Fachminister verhindern den Wachstumspfad nicht. Ich denke da an die Verhinderer, an die vielen ÖVP-Finanzminister: Sie verhindern den Wachstumspfad!

Die österreichische Industrie und die österreichische Forschungslandschaft hätten sich eine konkrete Aussage verdient, um wirklich planen zu können und nicht jedes Jahr von Almosen abhängig zu sein. Planungssicherheit ist unter anderem die Grundlage für Wachstum und für eine erfolgreiche Ernte. Dies gilt nicht nur in der Landwirtschaft, son­dern auch in diesem Bereich.

Ich denke, es wird in Zeiten von Corona den meisten anwesenden Personen zusätzlich bewusst geworden sein, wie wichtig Forschung auch in der Biomedizin ist.

Um aber positiv zu enden: Im Regierungsprogramm ist festgehalten, dass die Füh­rungsstrukturen der wichtigsten Förderinstitute verbessert werden sollen, dies auch in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Ministerien, zur strategischen Zielsetzung und im Hinblick auf gesamtgesellschaftliche Prioritäten, aufbauend auf der Forschungs‑, Technologie- und Innovationsstrategie sowie der Standortstrategie, bei verstärkter Auto­nomie in der operativen Umsetzung und mit dem Grundsatz weg von zahlreichen Ein­zelprogrammen hin zu größeren Programmen.

So kann man davon ausgehen, dass durch die Schaffung kritischer Programmgrößen im Verhältnis zum Förderzweck sowie durch übersichtliche Förderportfolios bei Erhöhung der operativen Autonomie der zentralen Forschungsförderungseinrichtungen eine Ver­waltungsvereinfachung bei der Bereitstellung von Bundesmitteln zur Ausführung und Förderung von Forschung, Technologie und Innovation und die Erhöhung der Effizienz in den Umsetzungsstrukturen erfolgen sollen.

Unter diesen Voraussetzungen werden wir Freiheitlichen keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

12.34


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesministerin Leonore Gewessler hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


12.34.07

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundes­rätinnen und Bundesräte! Ich sehe schon, Herr Schennach, Herr Gross und ich werden uns anschließend über die Bedeutung des Wortes Meilenstein unterhalten. Ich bin im Team Meilenstein. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich bin aus vielen Gründen im Team Meilenstein, zwei davon will ich hier noch anführen, denn Kollege Faßmann hat schon etliches erzählt, und vieles wurde auch in den Reden ausgeführt.

Wir kommen mit diesem Gesetz in eine Planungs- und Finanzierungssicherheit, wie sie die Forschung in Österreich noch nicht gehabt hat. Wir kommen mit diesem Gesetz weg von Ermessensausgaben hin zu gesicherten Budgets im Forschungsbereich mit einem Kürzungsverbot über drei Jahre. Das ist ein Meilenstein – das haben wir bis jetzt noch nicht gehabt, und es verdient aus meiner Sicht auch diesen Begriff.

Der zweite Punkt ist: Neben Planungs- und Finanzierungssicherheit gibt uns das als Ministerien – Heinz Faßmann hat es ausgeführt – eine Möglichkeit, viel stärker zu einer


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strategischen Governance überzugehen und damit längerfristige Schwerpunkte zu setzen. Speziell in einem Bereich wie dem Klimaschutz, in dem es große Herausforde­rungen gibt, die wir mit dem vollen Instrumentenkoffer der Klimapolitik – von Regelset­zungen bis hin zu Forschung und Innovation – werden behandeln müssen, braucht es Schwerpunktsetzungen. Das geht jetzt über dreijährige Vereinbarungen und über eine viel stärkere Fokussierung auf die strategische Governance, weg von der operativen Governance.

Was heißt das ganz konkret für die FFG, die in meinem Verantwortungsbereich liegt? – Wir kommen von 50 Einzelbeauftragungen zu einer Vereinbarung auf drei Jahre. Das ist genau der Unterschied, den dieses Gesetz machen wird, worüber ich mich sehr freue.

Der Wachstumspfad: Das Gesetz sagt sehr klar, wir haben eine wachstumsorientierte Finanzierung – um sie werden wir kämpfen, da haben Sie mein Wort und sicher auch das Wort von Kollegen Faßmann, und ich weiß, auch von Frau Kollegin Schramböck. Wir drei haben dieses Gesetz unter Federführung – auch das möchte ich noch erwäh­nen – von Herrn Pichler aus dem Ministerium, der seit vielen, vielen Jahren daran ar­beitet, erstellt. Wir drei werden kämpfen wie die Löwen und Löwinnen, dass wir diesen Wachstumspfad auch im Budget abbilden, und das gelingt auch.

Ich möchte folgendes Beispiel nennen: Wir haben im Konjunkturpaket als Bundesre­gierung 300 Millionen Euro zusätzlich für Forschung, Technologie und Innovation für die Themen im BMK über die nächsten Jahre vereinbart. Das sind 20 Prozent mehr Budget für das Forschungsbudget meines Hauses in den nächsten Jahren. – Es geht. Wir müs­sen uns gemeinsam dafür einsetzen, das werden wir tun.

Ich bleibe dabei, auch zum Schluss: Sie beschließen heute hoffentlich keinen Einspruch gegen einen Meilenstein. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.37

12.37.13


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

12.37.426. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 2012 geändert wird (289 d.B. und 309 d.B. sowie 10407/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger. – Ich bitte um den Bericht.


12.38.05

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 2012 geändert wird.


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Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.


12.39.02

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Notwendige Anpassungen an das EU-Recht erlauben es uns, heute im Bundesrat unsere Aufmerksamkeit auf das Thema Tierversuche zu lenken. 250 000, eine Viertelmillion – an so vielen Tieren wurden im Jahr 2019 laut einer Statistik des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung Tierversuche durchgeführt. Rund 250 000 Mäuse, Ratten, Meerschwein­chen, Hunde, Katzen und viele andere Tiere waren Teil von Forschung. Dabei ist zu erwähnen, dass sich seit 1990 die Zahl der Tierversuche bereits halbiert hat, in den letz­ten Jahren aber hat sie sich konstant bei 250 000 eingependelt.

Die Frage, die sich mir nun stellt, die sich uns allen stellen sollte, ist: Sollte es im 21. Jahr­hundert nicht mehr Alternativen zu Tierversuchen geben? Die Potenziale, ohne Tierver­suche zu arbeiten, haben sich unter anderem durch computergestützte Simulationen vervielfacht. Es ist erfreulicherweise gelungen, das Förderbudget für die Ersatzmetho­denforschung 2020 von 290 000 auf immerhin 600 000 Euro anzuheben. In Zukunft wird es auch einen jährlichen Staatspreis für Forschungsprojekte, die zur Verringerung von Tierversuchen beitragen, geben. Der Ausbau des 3R-Zentrums wird jährlich mit 100 000 Eu­ro gefördert. Kurz zur Erklärung: 3R verweist auf die Termini replace, reduce und refine.

Ja, vielleicht noch ein paar Sätze zu Oberösterreich: Wir hatten in Oberösterreich im Mai beziehungsweise im Juni eine intensive Diskussion um das neu entstehende Tierver­suchslabor an der Medizinischen Fakultät der Johannes-Kepler-Universität. Der wissen­schaftliche Beirat äußerte in der Diskussion, dass die Möglichkeit, Tierversuche zu machen, zu jeder zukunftsorientierten, verantwortungsvollen medizinischen Fakultät ge­höre, vor allem dann, wenn sie Teil einer internationalen Kooperation werden wolle. Sei­tens der Uni will man sich aber stärker binden, als es das Tierversuchsgesetz vorsieht, und Maßstäbe dafür entwickeln. Es wurde ein offener Diskussionsprozess gestartet, in dem in einer ersten Runde unter anderem über den Einsatz von Computerchips, soge­nannten Multiorganchips, als Ersatz für Tierversuche debattiert wurde.

Sie sehen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es tut sich viel in der Welt der Wissenschaft. Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns als Teil des legislativen Prozesses mit ihr mitbewegen und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Die Zahl der Tierversuche weiter zu reduzieren, muss unser erklärtes Ziel sein. Die techni­schen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts unterstützen uns dabei, adäquate Ersatzme­thoden zur Verfügung zu haben. – Danke. (Beifall der BundesrätInnen Holzner, Schreu­der und Steiner-Wieser.)


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12.43


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ing.in Judith Ringer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.43.19

Bundesrätin Ing. Judith Ringer (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf jetzt über ein Thema sprechen, das wohl keinen von uns kaltlässt. Meine Vorrednerin hat die Zahl schon ge­nannt. Jeder einzelne Tierversuch schafft Leiden, die vielleicht gar nicht immer nötig sind. Genau dieses Thema gehört gesetzlich geregelt.

Allein das Wort Tierversuch löst wohl bei den meisten von uns schaurige Bilder aus. Tierversuche sind aber derzeit immer noch notwendig, um neue Medikamente zu testen, wissenschaftliche Erkenntnisse im Kampf gegen Krankheiten zu erhalten. Wir hier sind uns aber alle einig, dass unnötiges Tierleid absolut zu vermeiden ist, es vermieden wer­den soll und muss. Der Tierschutz liegt uns sicherlich allen am Herzen.

Gott sei Dank wird an alternativen Methoden gearbeitet, aber derzeit geht es wie gesagt noch nicht ganz ohne Tierversuche. Bei dieser Gesetzesänderung geht es um eine von der EU geforderte Verbesserung der Transparenz und auch um eine Reduktion des Ver­waltungsaufwandes. Außerdem sollen verschärfte Anforderungen an die Sachkunde des Personals gestellt werden.

Klar ist, dass Tierversuche möglichst zu vermeiden und zu reduzieren sind. Die Zucht, Unterbringung, Pflege und Verwendung von Tieren sind zu verbessern. Die gesetzlichen Anforderungen sind streng, und das ist gut so. Umso erfreulicher ist, dass es Unis und Institute gibt, die diese gesetzlichen Anforderungen sich selbst verpflichtend noch weiter verschärfen wollen. Wie gesagt geht es aber derzeit noch nicht ganz ohne Tierversuche. Wichtig ist, dass an Ersatzmethoden gearbeitet wird, damit Tierversuche in Zukunft hin­fällig werden.

Ich ersuche Sie, den geplanten Änderungen in der Zwischenzeit zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schererbauer.)

12.45


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundes­rätin Mag. Bettina Lancaster. – Bitte, Frau Kollegin.


12.45.50

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Bei der aktuellen Novelle des Tierversuchsgesetzes 2012 handelt es sich, wie wir bereits gehört haben, um eine unionsrechtlich notwendige Anpassung an die Tierversuchsrichtlinie der Kommission.

Die Änderungen betreffen zum einen die Berichtspflichten an die Kommission und zum anderen das Beheben von Defiziten bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht. Letzteres soll ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Österreich abwenden. Es ist wichtig, dass die EU-Richtlinie zu Tier­versuchen nun auch in Österreich europarechtskonform umgesetzt wird – spät, aber doch. Diese Vernachlässigung gibt aber auch Aufschluss darüber, welchen Stellenwert die Tierversuchsrichtlinie im Besonderen und der Tierschutz im Allgemeinen bei den Zu­ständigen genießt. Aus Hintanstellung lässt sich definitiv keine hohe Priorität ableiten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Im vergangenen Jahr wurden wie bereits erwähnt 250 000 Tiere in Versuchen einge­setzt, 20 000 davon in sogenannten schweren Versuchsanordnungen. Unser Ziel muss es sein, den Tierverbrauch zum Erkenntnisgewinn zu reduzieren, ohne dabei die For­schung zu gefährden. Die 3Rs – replacement, reduction and refinement – sind, wie auch bereits erwähnt, Schlüsselstrategien für einen sukzessiven Ausstieg aus den Tierversu­chen. Die Politik hat verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das auch


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gelingt. Da muss nachgeschärft werden. Es mangelt aber am Willen der Regierung, die notwendigen Gesetzesänderungen voranzutreiben. In den Stellungnahmen zum Ge­setzentwurf wird sehr differenziert auf mögliche Maßnahmen zur Reduzierung von Tier­versuchen eingegangen. Angesprochen werden zum Beispiel Verbesserungen beim Kri­terienkatalog zur objektiven Schaden-Nutzen-Analyse von Versuchen oder das aktive Einbinden der Tierschutzombudspersonen als Oberkontrolle und so weiter.

Es steht außer Zweifel, dass die 3Rs ihren Niederschlag in der Anpassung des Tierver­suchsgesetzes haben sollen. Mir fehlt jedoch die tatsächliche Auseinandersetzung. Öf­fentlichkeitswirksame Bekenntnisse in bekannter Manier müssen da schon reichen.

Mit meiner Anfrage wollte ich an und für sich die Anzahl beantragter Tierversuche und jene genehmigter Tierversuche in Erfahrung bringen und daraus den Prozentsatz be­rechnen. Die entsprechenden Zahlen sind allerdings bis jetzt bei mir noch nicht einge­gangen. So habe ich mich schlaugemacht, was im Internet kursiert. (Bundesrätin Mühl­werth: Gegoogelt!) Es kursiert die Aussage, dass ein einziger beantragter Versuch ab­gelehnt worden ist. Das ist ein schlechtes Zeichen für die Qualität des Gesetzes. (Bun­desrat Schennach: Ein Skandal!) Dieser eine Fall liegt derzeit beim Verwaltungsge­richtshof. Eine derart hohe Erfolgsquote lässt den Schluss zu, dass das Denken an Alter­nativen zum Tierversuch bei uns nicht forciert wird. (Bundesrat Schennach: Genau!) Man könnte meinen, der Erhalt des Status quo ist das tatsächliche Ziel. (Beifall bei der SPÖ.)

Die erwähnte Forschungsoffensive für tierfreie Ersatzmethoden ist nett. Auch ich halte viel von weichen Faktoren in der Politikgestaltung, aber den gewünschten Paradigmen­wechsel werden wir mit den kolportierten 600 000 Euro nicht einläuten. Genauso verhält es sich mit dem Forschungspreis für tierleidfreie Alternativmethoden. Sie sind vielleicht gut geeignet für die eine oder andere Pressemeldung aus dem grünen Eck der Regie­rung, aber nicht für mehr. Die Tierversuchsindustrie mit ihren vor- und nachgelagerten Bereichen wird sich davon nicht überzeugen lassen. Dazu braucht es Verbindlicheres, dazu braucht es gesetzliche Grundlagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Gesetzesvorschlag beschränkt sich wie gesagt auf die Anforderungen der Tierver­suchsrichtlinie der EU und geht keinen Schritt weiter. Wir geben uns quasi mit einem Genügend auf der Notenskala zufrieden. Wesentlich mehr Leistungsbereitschaft und Einsatz im Sinne des Tierschutzes sind dringend notwendig. Nichtsdestotrotz werden wir dieser mutlosen Gesetzesänderung zustimmen, da damit zumindest ein Vertragsver­letzungsverfahren aus dem Weg geräumt wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.51


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile dieses. – Bitte, Frau Kollegin.


12.51.43

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir haben es heute ja schon gehört: Der Beschluss, über den wir dann abstimmen, geht auf ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen mehrere Staaten in Europa, so auch gegen Österreich, zurück. Es ist eigentlich eine kleine Geschichte und leicht zu beheben. Es wurde ein geringer Mangel geortet. Es geht weniger um tierasso­ziierte Änderungen als vielmehr um unionsrechtlich erforderliche legistische Anpassun­gen. Wir Freiheitliche werden dem zustimmen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um generell über Tierversuche zu sprechen. Angeb­lich sind Tierversuche notwendig, um Produkte, die wir verwenden und benutzen, zu testen oder um neue Behandlungsmethoden für kranke Menschen zu finden. Tierversu­che sind aber nicht hundertprozentig dazu geeignet, die Ungefährlichkeit für den Men­schen tatsächlich zu garantieren. Im 21. Jahrhundert sind Tierversuche eigentlich nicht


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 67

mehr die zeitgemäße Methode. Wir wissen ja, seit es Tierversuche gibt, dass es ekla­tante Unterschiede zwischen Tier und Mensch hinsichtlich Körperbau, Organfunktion, Stoffwechsel und so weiter gibt. Wir sind uns ja alle einig, dass der Tierschutz hochge­halten werden muss, dass wir Tierversuche einschränken sollten und dass wir in diese Richtung aktiv werden müssen.

Wir haben es heute wieder gehört, dass 250 000 Tiere Opfer von Versuchen werden, sage ich jetzt einmal. Wenn man Bilder davon sieht, graut einem. Tiere müssen bis zur Erschöpfung schwimmen, werden am Schwanz aufgehängt, es werden ihnen Elektro­schocks verabreicht und Löcher in den Darm gestochen, damit der Darminhalt in die Bauchhöhle fließt, Giftinjektionen oder Stromstöße ins Hirn gesetzt und Transplanta­tionen von fremden Organen von anderen Tieren durchgeführt. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.) Es ist wirklich schrecklich, was Tiere in Tierversuchen erleiden müssen.

Kollegin Hauschildt hat schon die Organchips erwähnt, die man alternativ dazu verwen­den kann. (Die Rednerin hält eine Kopie mit mehreren Fotos in die Höhe.) So schaut ein Organchip aus. Die weitere Forschung zur tierversuchsfreien Forschung scheitert oft­mals lediglich am fehlenden Geld. Ich bin glücklich, wenn ich höre, dass das Forschungs­budget erhöht wurde. Wenn man bedenkt, dass bei 250 000 Tierversuchen die Erfolgs­quote für die klinische Anwendung nur bei 0,024 Prozent liegt, dann fragt man schon ein bisschen nach der Sinnhaftigkeit von Tierversuchen. Statt krampfhaft an diesen Metho­den festzuhalten, sollten wir doch alternative wissenschaftliche Forschungstechniken ohne Tierversuche in den Vordergrund rücken, um in der Medizin wirklich Fortschritte zu machen.

Kollege Gross hat heute schon gesagt: Der Forschergeist gehört gefördert. Es gehören planbare Rahmenbedingungen her, eben auch bei den Forschungsgeldern. Es gehört dazu, dass für tierversuchsfreie Forschung noch mehr Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Der tierversuchsfreien Forschung muss eine Chance gegeben werden. Die Mit­tel gehören bis zu jenem Betrag aufgestockt, der für Forschung mit Tierversuchen ein­gesetzt wird, also bis zu dem, was dafür an Geld ausgegeben wird.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „För­derung tierversuchsfreier Forschung sowie Berichtslegung an den Bundesrat“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung stellen sicher, dass für die tierversuchsfreie Forschung derselbe Geldbetrag zur Verfügung gestellt wird, wie für die Forschung mit Tierversuchen. Des Weiteren ha­ben die zuständigen Bundesminister gemeinsam dem Bundesrat darüber jährlich einen Bericht zu übermitteln.“

*****

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe auf eine breite Zustimmung. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

12.56


12.56.46

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Förderung


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 68

tierversuchsfreier Forschung sowie Berichtslegung an den Bundesrat“ ist genügend un­terstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen. (Bundesrätin Steiner-Wieser – in Richtung ÖVP –: Vielen Dank! Danke im Sinne des Tierschutzes!)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Förderung tierversuchsfreier Forschung so­wie Berichtslegung an den Bundesrat“ vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen. (320/E-BR/2020) (Bundesrat Rösch: Dass die Grünen da nicht mitgehen, war ja zu erwarten, aber dass sich da auch die ÖVP dagegen verwehrt!)

12.58.177. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird, ein Bundesgesetz über Privathochschulen erlassen wird und das Fachhochschul-Studiengesetz ge­ändert wird (234 d.B. und 267 d.B. sowie 10400/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.58.35

Berichterstatter Dr. Karlheinz Kornhäusl: Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungs­gesetz geändert wird, ein Bundesgesetz über Privathochschulen erlassen wird und das Fachhochschul-Studiengesetz geändert wird.

Worum geht es? – Es geht um ein Hochschulrechtsreformpaket zur qualitativen Weiter­entwicklung und Erhöhung der Planungssicherheit im Hochschulsystem etwa durch Wei­terentwicklung der Akkreditierungsvoraussetzungen für Fachhochschulen und Privat­unis, durch gesetzliche Verankerung des Fachhochschulentwicklungs- und ‑finanzie­rungsplans und durch Etablierung einer inneren Differenzierung im Privatuniversitäts­bereich.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Herzlichen Dank.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte, Frau Kolle­gin.



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 69

13.00.05

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegenden Bundes­gesetze sehen Neuregelungen bei Fachhochschulen, Privatunis und pädagogischen Hochschulen vor, enthalten durchaus einige positive Elemente, aber es überwiegen lei­der die negativen Seiten und die Risiken, die einfach dem Hochschulwesen insgesamt nicht guttun, wie auch viele, viele kritische Stellungnahmen zeigen, die aber leider nicht berücksichtigt wurden.

Wir Bundesrätinnen und Bundesräte haben ein Schreiben der Österreichischen Fach­hochschul-Konferenz erhalten, die ja immerhin die 21 Fachhochschulen in Österreich vertritt. Die üben schon sehr harsche Kritik: Sie seien bei wesentlichen Verfahrensschrit­ten nicht eingebunden worden. Der Ministerialentwurf wurde in wesentlichen Punkten abgeändert, ohne dass man Gelegenheit bekommen habe, diese in den Gremien zu diskutieren und eine Stellungnahme dazu abzugeben.

Es hat sich auch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung in Bezug auf die Fach­hochschulen sehr kritisch zum Entwurf geäußert. Das kann uns als steirischen Bundes­rätinnen und Bundesräten natürlich nicht egal sein, Herr Präsident, Herr Kollege Korn­häusl und alle anderen steirischen KollegInnen. Wir sind ja schließlich die Länderkam­mer, sind vom Steiermärkischen Landtag entsandt, also das können wir natürlich nicht ignorieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist euch aber sonst auch wurscht!)

Von der Fachhochschul-Konferenz wird die Unterfinanzierung durch die real rückläufige Bundesförderung beklagt, was natürlich ein großes Problem darstellt. Ja, es hat im Fach­hochschulsektor insgesamt ein hohes Maß an Irritation und Unverständnis ausgelöst. Der Entwurf wird als demokratiepolitisch äußerst problematisch bewertet, und damit zi­tiere ich aus dem erwähnten Schreiben. Es ist also schon starker Tobak, der hier ent­halten ist.

Es sind viele Dinge, die sehr viel Anlass zu Kritik geben, etwa die Möglichkeit von pri­vaten Rechtsträgern, Fachhochschulstudienplätze, ja ganze Studiengänge zu kaufen. Das heißt im Endeffekt natürlich, dass maßgeschneiderte, auf bestimmte Betriebe zu­geschnittene Auftragsstudiengänge und Bildungsangebote geschaffen werden. Das ist eigentlich in der gesamten Bildungslandschaft nicht das, was man sozusagen unbedingt braucht. Wir brauchen Breite in der Ausbildung, wir brauchen wirklich Breite in der Aus­bildung. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen eine Ausbildung, die das Rüstzeug für ein ganzes Berufsleben bietet, das natürlich auch die Möglichkeit einschließt, dass man den Arbeitgeber wechselt und sich dann wiederum auf ein anderes System einstellen kann. Man sollte wirklich bestens breit ausgebildet sein, damit man auch international viele Möglichkeiten vorfindet, die Ausbil­dung zu verwerten. Genau das macht eigentlich die tertiäre Bildung aus, nämlich ein breites Fundament, das dann seinerseits Spezialisierungen ermöglicht. Die betriebsspe­zifische Spezialisierung, das bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Aufgabe des Betriebes und eben nicht von öffentlich finanzierten oder großteils öffentlich finan­zierten Hochschulen.

Das sollte man bei einer zukunftsweisenden Bildungspolitik wirklich beachten, dass Wert darauf gelegt wird, dass wir breite Bildungsangebote schaffen und den Menschen, die sich uns und unseren Bildungsorganisationen, Bildungsbetrieben anvertrauen, eben wie gesagt wirklich ein gutes Rüstzeug für ein ganzes Berufsleben bieten. Wir wissen, wie oft Arbeitsplätze im Laufe eines Berufslebens gewechselt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es besteht die große Gefahr der Abhängigkeit von solchen Auftraggebern, wenn – und das hören wir ja gerade von den Fachhochschulen – diese nicht ausreichend öffentlich finanziert werden. Ein Ausbau von Fachhochschulstudienplätzen gerade dort, wo großer


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 70

Bedarf, große Nachfrage besteht, wäre dringend notwendig. Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir der Jugend Zukunftsperspektiven, Berufschancen, Bildungschancen bieten, um unsere jungen Menschen nicht schon am Beginn ihrer Berufslaufbahn zu Opfern der Coronakrise zu machen. Gerade jetzt müssen wir wirklich ganz gezielt in die Ausbildung der jungen Menschen investieren, gerade auch im tertiären Sektor und natürlich auch in allen anderen Bereichen. Das konnten wir und werden wir heute noch mit Ihrer Kollegin Aschbacher besprechen. Da ist der tertiäre Sektor besonders gefragt. Da sollten wir alle zusammenwirken, um unserer Jugend die Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten, die sie dringend braucht und die sie auch verdient hat.

Problematisch ist auch, dass eine Veröffentlichung von privaten Finanzierungsquellen nicht vorgesehen ist, von öffentlichen natürlich schon, aber private Zahlungen werden nicht erfasst. Was ist da mit dem Transparenzgebot? Warum will man das nicht veröf­fentlichen?

Bei Privatuniversitäten, und das ist positiv anzumerken, sollen nun Ausbildungsverträge veröffentlicht werden. Das ist gut so. Wichtig wäre bei privaten Bildungsanbietern insge­samt und gerade auch bei tertiären Hochschulangeboten aber schon, dass die Gesamt­kosten eines Studiums veröffentlicht werden, damit die Studierenden eine Entschei­dungsgrundlage vorfinden, ob sie sich das dann in der Gesamtheit auch wirklich leisten können, wenn man das schon so anlegt und immer mehr privatisieren möchte. Dem gegenüber bin ich natürlich sehr kritisch eingestellt, wie Sie gehört haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Nichts Neues bei der SPÖ!) Wenn man das aber schon so macht, dann soll wenigstens eine entsprechende Transparenz und Planungssicherheit für die Studieren­den gegeben sein.

Durch dieses Gesetz können verstärkt Privathochschulen gegründet werden. Angesichts von durch die demografische Entwicklung fallweise rückläufigen Studierendenzahlen muss ich mich auch fragen: Wo ist da der Bedarf? Besteht da vielleicht die Gefahr, dass öffentliche Angebote zurückgenommen werden, weil es sich dann insgesamt nicht mehr ausgeht? Das wäre eine große Gefahr und würde zu einer Ausdünnung des Bildungs­angebotes führen. Der Erfolg soll ja schließlich nicht von der materiellen Leistungsfä­higkeit abhängen, sondern von der geistigen Leistungsfähigkeit beim Studium. (Bundes­rätin Mühlwerth: Das ist euch sonst nicht so wichtig! Ihr seid eher fürs Durch- und Mit­schleppen!) Das ist ein Grundprinzip, weswegen ich einer Kommerzialisierung des Hoch­schulwesens sehr, sehr kritisch gegenüberstehe. Die USA sind sicherlich auch in diesem Bereich kein gutes Vorbild. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ich noch ansprechen möchte: Wie schaut es mit der Autonomie der pädagogischen Hochschulen aus? Da möchte man offensichtlich wieder alles zurück ins Ministerium holen. Der Hochschulrat wird auf ein Gremium zurückgestutzt, das unverbindliche Stel­lungnahmen abgeben darf. Es gehen viele Entscheidungskompetenzen verloren. Durch die Teilrechtsfähigkeit haben die pädagogischen Hochschulen eine hohe Verantwortlich­keit, aber eine immer geringere direkte Entscheidungskompetenz. Immer wieder werden Worte wie Eigenverantwortung und Subsidiarität strapaziert, aber dieser Entwurf, diese Vorlage geht da in eine ganz andere Richtung, nämlich in Richtung totale Zentralisie­rung: Alles geht vom Ministerium aus. Das ist eine politische Entscheidung, die man so treffen kann, die man auch nicht so treffen kann, aber, bitte schön, wenn man schon so eine politische Entscheidung trifft, dann sollte man sich auch dazu bekennen und das auch klar sagen: Es soll alles vom Ministerium ausgehen, wir wollen das alles wieder zurückholen! Aber streuen Sie den Menschen nicht Sand in die Augen, indem Sie sagen: Na ja, ihr habt ja ohnehin so viel Eigenverantwortung, und die Autonomie der pädago­gischen Hochschulen wird nicht angetastet. – Das stimmt so einfach nicht! Sagen Sie bitte deutlich, Herr Minister, was Sie vorhaben und wie da Ihre Perspektive ist! – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

13.10



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 71

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner. Ich erteile es ihr.


13.10.26

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine geschätzten Damen und Herren, die Sie heute zu Hause zuhören! Bei Tagesord­nungspunkt 7 handelt es sich ja um ein sehr umfassendes Regierungsvorhaben, das heute hier zur Debatte steht. Wir haben von meiner Vorrednerin, Kollegin Grossmann, schon einiges gehört, deshalb möchte ich es nur mehr im Groben zusammenfassen: Im Wesentlichen geht es um drei Gesetze aus dem tertiären Bildungsbereich, nämlich vor allem mit dem Ziel der Modernisierung der Universitäts- und Hochschulorganisation und der Qualitätssicherung und Profilbildung im Hochschulsektor.

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, schauen wir uns zunächst einmal gemein­sam die österreichische Hochschullandschaft an! Österreich verzeichnet derzeit circa 380 000 Studierende, die in einem der vier Hochschulsektoren studieren. Es gibt 22 öf­fentliche Universitäten, 21 Fachhochschulen, 14 pädagogische Hochschulen und 16 Pri­vatuniversitäten.

Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihre gesetzlichen Grundlagen und die Art der Finanzierung, sondern vor allem durch ihr Ausbildungsprofil und ihren inhaltlichen Fo­kus. Ich nehme jetzt als Beispiel den Campus in Krems her, wo wir eine Fachhochschule, eine Universität und eine Privatuniversität haben. Man sieht sehr, sehr gut, dass sich diese Hochschulen wunderbar ergänzen, dass diese Vielfalt zu einem jährlichen Zu­wachs an Studierendenzahlen führt und dass sich Symbiosen ergeben, vor allem im Forschungs- und im Lehrbereich.

Ich selber bin jetzt seit mehr als 20 Jahren im Hochschulwesen tätig, sei es als wissen­schaftliche Mitarbeiterin an der Wirtschaftsuni, als Lektorin an Privatuniversitäten und Universitäten und seit 16 Jahren auch an der Fachhochschule. Ich resümiere daher aus diesen Erfahrungen, dass alle diese Hochschulen einen wichtigen Beitrag dazu geliefert haben, dass sich der Hochschulstandort Österreich zu dem entwickelt hat, was er heute ist, sich international messen lassen kann.

Alle haben eine gleichwertige Bedeutung und Berechtigung im Hochschulsektor. Schau­en wir uns den FH-Sektor an, dann sehen wir, dass mittlerweile jede/jeder Vierte auf einer Fachhochschule studiert. Im Vergleich zu den Universitäten verzeichnet der FH-Sektor überdurchschnittliche Zuwachsraten. Ich will jetzt kein Plädoyer für die Fachhoch­schulen halten, aber dennoch die Bedeutung dieses Sektors hervorheben.

Zum Fachhochschul-Studiengesetz haben wir im Ausschuss bereits sehr, sehr viel dis­kutiert. Ich habe in den letzten Tagen auch schon viele Gespräche geführt und Stellung­nahmen gelesen, nämlich allein 73 Stellungnahmen zu dem Ministerialentwurf, und es sind noch einige weitere dazugekommen. Grundsätzlich ist das Ziel, die Akademia in den Fachhochschulen zu stärken, was ich auch sehr begrüße, die Lehrenden, Studien­gangsleitungen und Studierenden stärker in Entscheidungen miteinzubeziehen.

Im Rahmen des vorliegenden Gesetzwerdungsprozesses wurden zahlreiche, teilweise diametrale Positionen sichtbar, was natürlich im Hinblick auf die Vielfältigkeit und die Unterschiedlichkeit der Hochschulen, insbesondere des FH-Sektors nicht verwunderlich ist – 21 Fachhochschulen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, eine Vielfalt, die diver­ser nicht sein kann. Vielfalt ist grundsätzlich etwas Positives, wichtig ist hier, einen Kon­sens zu finden, eine Richtung, die für alle umsetzbar ist und dennoch gewisse Flexibilität sicherstellt.

Mit den gegenständlichen Änderungen im Fachhochschul-Studiengesetz wird unter an­derem die Kompetenz in den Bereichen Strategie, Forschung und Internationales von


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der Geschäftsführung an das Hochschulkollegium gewissermaßen übertragen. (Bundes­rätin Mühlwerth: Leider!) Soweit wir den Stellungnahmen entnehmen konnten, führt die­se Kompetenzverschiebung bei vielen Fachhochschulen auch zu Unsicherheit.

In erster Linie gibt es zum Beispiel die Befürchtungen, dass im weitesten Sinn soge­nannte exekutive Kompetenzen von der Geschäftsführung einer Fachhochschule, die ja schließlich für die Belange der Fachhochschule umfassende Verantwortung und Haftung trägt, einem Kollegialorgan übertragen werden, welches mit 20 gewählten Mitgliedern, bestehend aus Studiengangsleitungen, Lehrenden, Forschenden und Studierenden so­wie der Vorsitzführung, in seiner strukturellen Verfasstheit und auch personellen Zusam­mensetzung für die Wahrnehmung exekutiver Aufgaben grundsätzlich nicht eingerichtet ist.

Wir entnehmen den Stellungnahmen, dass viele Befürchtungen haben, dass diese Re­gelung in der Praxis der Führung einer Fachhochschule vielleicht schwer lebbar und handhabbar ist und zwangsläufig zu Kompetenzüberschneidungen, Rollenkonflikten und Zwistigkeiten führen kann.

Ich komme aus dem Management und habe sehr oft gesehen, dass solch ein Change sehr oft zu Unsicherheiten führt. Teilweise verstehe ich diese Unsicherheiten, aber ich bin mir sicher, die FHs können und werden sich in ihrer Flexibilität auch auf diese Verän­derungen gut einstellen können. Darum bitte ich auch Sie, Herr Bundesminister – und das ist mir dabei sehr wichtig –, dass wir uns diese Veränderungen wirklich genau an­sehen und beobachten und dass wir, wenn wir merken, dass diese Novelle nicht zu den Auswirkungen führt, die wir uns davon erhoffen, auch bereit sind, wieder Änderungen vorzunehmen.

In diesem Sinne ersuche ich Sie und euch um Ihre, um eure Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.17


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


13.17.31

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher zu Hause! Ja, Frau Kollegin, die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich frage mich aber, warum man das in ein Gesetz so hineinpacken muss, wenn man dann nur hoffen kann, dass es sich bewährt.

Wir werden diesem Gesetz trotzdem zustimmen, wir halten nämlich – im Gegensatz zu Kollegin Grossmann – die Möglichkeit der Einrichtung von privaten Fachhochschulen für durchaus begrüßenswert. Es soll ein Miteinander geben, ein Und nicht ein Oder. Grund­sätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass es auch private Fachhochschulen gibt – das gibt es in anderen Ländern auch. Es gibt auch in anderen Ländern private Hoch­schulen, und ich habe noch nicht gehört, dass sich das schlecht bewährt hätte. Also warum nicht bei uns auch? Wir haben sie ja schon, es ist ja nur eine Ausweitung.

Die Sache mit dem Kollegium sehe ich aber kritisch, ich kann dem nichts abgewinnen, gestehe ich ganz offen. Da wäre erstens die Kompetenzverschiebung von der Ge­schäftsführung hin zum Kollegium: Die Geschäftsführung trägt zwar das Risiko, muss die Haftung übernehmen, aber die Entscheidung wird ins Kollegium verschoben, das aus 20 Personen besteht, also ein ziemlich großes Gremium ist. Wir wissen, dass sich oft fünf nicht einigen können, wie sollen sich dann 20 einigen? Da wird es ja auch unter­schiedliche Wünsche, Anforderungen und Meinungen geben. Dann muss dieses Kolle­gium ja auch einmal zusammentreffen. Was macht man in der studienfreien Zeit? Da ist


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die Hälfte auf Urlaub, und die andere Hälfte ist da; dann kann keine Entscheidung ge­troffen werden und die Geschäftsführung muss warten, bis dieses Gremium endlich eine Entscheidung gefunden hat.

Ich glaube, dass das wirklich unnötige Zeitverzögerungsprozesse sind, Konfliktpotenzial ist vorprogrammiert und Reibungsverluste ebenso. Also ich weiß nicht, was die Grund­lage dafür war, dass man das so gemacht hat, dass man das unbedingt in ein Gremium aus Studierenden und allem möglichen Personal verschieben musste. Es gibt einen Ge­schäftsführer. Wieso kann der jetzt nicht für den operativen Bereich, für das Internatio­nale zuständig bleiben? Wenn er es nicht richtig macht, habe ich ihn, wie man in Wien sagt, eh beim Krawattl; aber da habe ich wenigstens eine klare Kompetenz und muss nicht auf ein Gremium zurückgreifen, von dem man nicht weiß, wie es sich entwickeln wird und von dem man, um noch einmal an den Redebeitrag meiner Vorrednerin anzu­schließen, hofft, dass es funktionieren wird. So sollten wir die Hochschulen nicht organi­sieren, dass man sagen muss: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Es hat aber auch viel Positives, das von meinen Vorrednerinnen schon angesprochen worden ist, sodass ich es nicht wiederholen muss. Wir finden auch durchaus einiges Positive daran. Bei uns hat eben bei aller Kritik das Positive überwogen, und daher wer­den wir zustimmen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Bader und Novak.)

13.20


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.


13.21.11

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Mit der Änderung des Hochschul-Qualitätssicherungsgesetzes, des Fach­hochschul-Studiengesetzes und des Bundesgesetzes über Privathochschulen erfolgt aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt in Richtung Qualitätssicherung, in Richtung Mit­sprache und in Richtung Transparenz.

Ich habe jetzt übrigens nicht Meilenstein, sondern wichtiger Schritt gesagt – das als An­merkung. Für die Fachhochschulen wird durch Verankerung von Finanzierungsplänen eine lange Forderung nach Verbesserung in der Planungssicherheit erfüllt. Eine weitere, sehr wichtige Bewegung bei den Fachhochschulen erfolgt in Richtung Akademisierung des Betriebs der Fachhochschule. Das heißt, das Kollegium wird gestärkt (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, leider!) beziehungsweise endlich emanzipiert, könnte man auch sagen. Dazu gehören die Weiterentwicklung der Lehre, dann der Forschung und der Interna­tionalisierung sowie die Verleihung von akademischen Graden. Das halte ich für längst überfällig und wünschenswert.

Das sehe ich ganz anders als Sie, Frau Kollegin Mühlwerth. Eine operative Geschäfts­führung ist nun einmal grundlegend etwas anderes als eine Weiterentwicklung unter strategischer Positionierung von Lehre und Forschung. Insofern ist das ein ganz, ganz wichtiger Schritt, auch in Richtung Hebung des Images der Fachhochschulen, weil sie damit eigentlich einen weiteren Schritt näher zu den Universitäten kommen, indem Kolle­gialorgane gestärkt werden.

Das Bundesgesetz über Privathochschulen wird das Privatuniversitätengesetz ersetzen. In Zukunft erfolgt eine Differenzierung innerhalb der Privathochschulen. Die erste Akkre­ditierung erfolgt als Hochschule, quasi als Etablierung, und später kann diese Hoch­schule eine Akkreditierung als Privatuniversität erlangen. Auch das ist eigentlich ein lo­gischer, sinnvoller Schritt, weil es eine Entwicklungsrichtung abbildet. Es braucht immer­hin Zeit von der Gründung einer Hochschule bis sie dann wirklich universitäre Ansprü­che, was vor allem die Forschung betrifft, erfüllen kann. Deswegen ist es auch da ein Beitrag zur Qualitätssicherung.


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Die pädagogischen Hochschulen werden in Hinkunft nach dem gleichen Qualitätssiche­rungsregime wie die Universitäten erfasst. Auch das, denke ich, ist sehr, sehr wichtig, weil damit viel stärker eine externe Sicht in die Qualitätssicherung hineingebracht wird.

Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, dass die Sozialdemokraten und die Freiheitlichen in den Ausschüssen ganz wichtigen Sachen nicht zugestimmt haben, beispielsweise den Hochschulräten, die man endlich entpolitisiert hätte, oder einer Stärkung des Rektorates an den pädagogischen Hochschulen – ja, gut, wenn man das nicht will –, denn auch das wären eigentlich wichtige Schritte im Sinne der Unabhängigkeit der Fachhochschulen gewesen.

Trotzdem ist das aus unserer Sicht insgesamt – keine Frage – ein erfreulicher Beitrag zur Stärkung des so unverzichtbaren tertiären Sektors in der österreichischen Bildungs­landschaft. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.24


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Abschließend hat sich Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.24.55

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich bedanke mich bei den Vorrednerinnen und beim Vorredner für die, wenn ich mir das erlauben darf, kompetente und differenzierte Diskussion über dieses Gesetzespaket. Ich darf vielleicht einige Bemerkungen aufgreifen.

Frau Grossmann, ich beginne mit Ihnen: Sie haben gefordert, dass im tertiären Sektor Chancen für die Jugend eröffnet werden. – Natürlich, ich glaube, das ist allgemeiner Konsens. Wir wollen die Chancen für die Jugend im tertiären Sektor eröffnen. Ich erin­nere nur daran, dass während einer laufenden Leistungsvereinbarungsperiode noch nie so viel Geld an den Universitäten ausgegeben wurde wie in den vergangenen drei Jahren. Wir hatten noch nie so viele Studienplätze in den Fachhochschulen wie derzeit. Auch hatten wir noch nie so einen hohen Akademisierungsgrad in der Bevölkerung wie derzeit. Ich bin froh, dass wir daneben auch einen prosperierenden dualen Sektor haben, der für dieses Land extrem wichtig ist. Hier also von einer Umkehrung, es gibt keine Chancen für die Jugend im tertiären Sektor, zu sprechen – ich glaube, so haben Sie es wahrscheinlich auch nicht gemeint.

Frau Grossmann, noch einmal auch zu den PHs: Mein Vorredner hat, glaube ich, auf die wesentlichen Punkte hingewiesen, die wichtig sind, die auch mir wichtig waren, zum Beispiel den Hochschulrat analog zu einem Universitätsrat aufzustellen und auch die Regeln dazu festzulegen, wann Politiker Mitglieder eines Hochschulrates sein dürfen. Ich finde es sehr günstig, zu sagen: keine aktiven Politiker beziehungsweise, wenn Poli­tiker, dann erst nach einer Abkühlungsphase. Stichwort: Entpolitisierung von tertiären Bildungseinrichtungen – das ist enorm wichtig. Beispiele zeigen, dass sie sich, wenn man sie gleichsam politisch in Ruhe lässt, am besten entwickeln können. Warum Ihnen das nicht gefällt, ist mir in der Tat auch nicht ganz klar. (Bundesrätin Grimling: ...! Wir wissen, wie es ausgeht! Alles umgedreht! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Wohin ich mit den pädagogischen Hochschulen kommen möchte, ist auch relativ eindeu­tig. Die pädagogischen Hochschulen haben eine zentrale Bedeutung für die Ausbildung der Lehrer und Lehrerinnen. Da müssen wir uns miteinander abstimmen. Da kann ich mir keine Programmautonomie der pädagogischen Hochschulen vorstellen, denn wir brauchen ausgebildete Pädagogen und Pädagoginnen, und das muss man mit den pä­dagogischen Hochschulen absprechen. Dafür sind sie da. Sie haben eine zentrale per­sonalentwicklerische Funktion in dieser Republi


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k.

Auf der anderen Seite will ich den pädagogischen Hochschulen so etwas wie administra­tive Autonomie geben. Ein Rektor einer pädagogischen Hochschule soll entscheiden können, und er wird in Zukunft mehr entscheiden können als bisher. (Bundesrätin Grim­ling: Was?)

Darf ich vielleicht auf noch einen zentralen Punkt eingehen? Sie haben auch bezüglich der Kompetenzverschiebung Kritik geäußert. Wir haben viele Meldungen aus dem FH-Sektor bekommen: Bitte stärkt die Akademia! Wir haben das ja nicht aus Jux und Tollerei gemacht hier, sondern wir haben uns als loyalen Makler eines wichtigen Bereichs im FH-Sektor verstanden, und diese Stimmen aus der Akademia, die gesagt haben: Gebt uns etwas mehr Mitsprache an der Gestaltung und Weiterentwicklung der FHs!, kann man nicht einfach so weglegen.

Was herausgekommen ist, auch nach den vielen Stellungnahmen, auch nach der Stel­lungnahme beispielsweise der Steiermärkischen Landesregierung, ist ein Abänderungs­antrag, den der Gesetzgeber eingebracht hat. Letztlich ist herausgekommen, und da darf ich im entsprechenden Paragrafen zitieren: „strategische Weiterentwicklung von Lehre, angewandter Forschung und Internationalisierung zur Sicherstellung kompetenz- und zukunftsorientierter Studien auf Hochschulniveau im Einvernehmen mit dem Erhalter“.

Es geht also um die strategische Weiterentwicklung von drei Bereichen – Sie haben es richtig angeführt –: das Internationale, die angewandte Forschung und die Lehre selber, um letztlich zukunftsorientierte Studien sicherzustellen, das ist das Ziel dabei, im Einver­nehmen mit dem Erhalter. Der Erhalter bleibt operativ tätig. Da nimmt ihm niemand etwas an Macht weg. Er unterschreibt sämtliche Verträge, er hat das Geld in der Hand – und wer das Geld in der Hand hat, hat immer auch die Macht in einer Institution –, er muss sich halt jetzt etwas mehr mit der Akademia auseinandersetzen.

Ich halte diese Art von Kompetenzkonsens für durchaus in Ordnung und wichtig, auch zur Weiterentwicklung dieses Sektors, von dem ich sage: Es ist ein extrem wichtiger Sektor. Er füllt genau eine Lücke dahin gehend aus, was die Universitäten so nicht leis­ten können, nämlich eine stärker anwendungsorientierte Forschung und eine stärker an den Arbeitsmarkt gekoppelte Ausbildung, berufsbegleitend, aber auch als eine selbst­ständige Ausbildung.

Daher wird der FH-Sektor immer unseren Wohlgefallen finden, und wir schauen auch, dass er finanziell gut ausgestattet wird; aber diese Form von Balancehalten und gemein­samer Weiterentwicklung halte ich für wirklich berechtigt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.30

13.30.53


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

13.31.218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (204 d.B. und 269 d.B. so­wie 10402/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Ich bitte um den


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Bericht.


13.31.43

Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Sehr geehrter Präsident! Lieber Herr Mi­nister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und For­schung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke vielmals für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing. Judith Ringer. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.32.33

Bundesrätin Ing. Judith Ringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Aufgrund des Brexits ist es leider erforderlich, unser Studienförderungsgesetz zu ändern. Da das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil der EU ist, ist es nötig, eine Regelung für die dortigen österreichischen Studierenden zu finden, und das sind immerhin 200 Studierende pro Jahr, da Großbritannien auf der Be­liebtheitsskala unserer Studierenden auf Platz zwei hinter Deutschland liegt. Mit dieser Gesetzesänderung wird UK als Zielland aufgenommen. Damit können Mobilitätsstipen­dien vergeben werden, und das sind für die Studierenden bis zu 6 000 Euro pro Jahr, also ein erheblicher Beitrag. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Für unsere Studierenden ist es von großem Vorteil, in einem englischsprachigen Land zu studieren, da diese Sprache im internationalen Bereich ganz wichtig, ja die Sprache Nummer eins ist. Da meine ältere Tochter seit drei Jahren in Essex studiert, weiß ich sehr wohl um die positiven Auswirkungen eines Auslandsstudiums. Die Kenntnisse wie auch das Wissen über die Sprache, das Land und die verschiedenen Zugänge, die ein solches Studium bringt, sind wichtig und wertvoll und werden in vielen Bereichen ge­braucht. Deshalb sollten wir diese Erfahrung möglichst vielen Studierenden ermöglichen und diese Förderung, sprich diese Gesetzesänderung, sicherstellen.

Bei dieser Gesetzesänderung geht es auch noch um die Gleichbehandlung der aus UK kommenden Studierenden, damit diese bis zum Ende der Übergangsfrist, die am 31.12. ausläuft, eine Förderung bekommen; ab diesem Zeitpunkt gelten sie aber als Drittstaats­angehörige.

Ich ersuche um Ihre Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.34


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag.a Bet­tina Anna Lancaster zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.35.12

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherin­nen und Zuseher! Keine Frage, wir müssen den Jungen in unserem Land die Möglichkeit offenhalten, unter leistbaren Bedingungen im Vereinigten Königreich zu studieren. Der Aufenthalt muss auch für jene machbar sein, deren Eltern die Finanzierung nicht über­nehmen können. Die Kriterien sind Talent und Leistungsbereitschaft und nicht verfügba­res Geld.

Deshalb begrüßen wir natürlich die durch den Brexit notwendig gewordene Novellierung des Studienförderungsgesetzes. Es ist wichtig, dass das Vereinigte Königreich mit die­ser Ergänzung zu den Zielländern zählt, in denen Studien mit dem Mobilitätsstipendium


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gefördert werden. Die Studien können so auch weiterhin, wie meine Vorrednerin bereits gesagt hat, mit bis zu 6 000 Euro pro Jahr und Kopf gefördert werden.

Durchschnittlich studieren wie gesagt 200 junge Menschen aus Österreich pro Jahr an britischen Universitäten. Großbritannien zählt neben Deutschland zu den Hauptdestina­tionen, die unsere Jungen auswählen. Wichtig ist, dass dies auch nach dem 31. Dezem­ber 2020 möglich bleibt.

Der zweite Teil der Novelle befasst sich mit der Gleichstellungsvoraussetzung für Studie­rende aus dem Vereinigten Königreich. Auch dieser Abänderung stehen wir positiv ge­genüber.

Nun noch etwas zur Lebenssituation von Studierenden in der Covid-Pandemie-Zeit: Studieren ist für die Jungen aus den ländlichen Gegenden zumeist mit Wohnsitzwechsel und Gründung eines eigenen Haushaltes im Verband mit Kommilitonen verbunden. Das kostet Geld, das kostet richtig viel Geld, und wenn man sich die durchschnittlichen Le­benshaltungskosten in der Stadt anschaut, ist es nur für wenige leistbar.

In den günstigsten Fällen sind es die Eltern, die die Studienzeit ihrer glücklichen Kinder zur Gänze finanzieren. Es gibt aber auch jene jungen Menschen, die alles oder zumin­dest einen großen Teil selbst stemmen müssen, jene Jungen, die aus wirtschaftlich be­nachteiligten Verhältnissen stammen, die über Stipendien, prekäre Arbeitsverhältnisse, aber auch geringfügige Arbeit ihr Leben in der Stadt finanzieren müssen. Diese jungen Menschen fanden schon immer schwierigste Bedingungen vor. Durch die Covid-19-Pan­demie gingen jedoch viele dieser Beschäftigungsverhältnisse, besonders die geringfügi­gen Beschäftigungsverhältnisse, verloren. Auf Leistungen aus dem Härtefallfonds haben sie, wie wir in vorhergehenden Sitzungen bereits besprochen haben, keinen Anspruch, wenn sie nur ein einfaches geringfügiges Beschäftigungsverhältnis haben.

Dies trifft unsere Studierenden hart und ist zutiefst ungerecht. Als Sozialdemokratin ist es mir wichtig, dass gerade diese jungen Menschen eine Unterstützung von uns allen, dem Staat, erhalten. Ein Verweis auf Nothilfen durch die ÖH ist für mich inakzeptabel, da zu beliebig. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Rein­hard Pisec zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.38.51

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was würde infolge des Brexits nicht alles passieren, hat es geheißen! Es würde Chaos ausbrechen und so weiter und so fort. Nun liegt das erste feine, schöne, wenn auch kleine Gesetz zwischen dem Vereinigten Königreich und Österreich schon am Tisch.

Vielleicht ist es sogar gut, wenn Boris Johnson und die britische Bevölkerung aus si­cherer Entfernung zuschauen und nicht teilnehmen müssen, wenn sich die Europäische Union jetzt in eine Schuldenunion transformiert. In den nächsten Tagen wird Österreichs Bundeskanzler vermutlich umfallen und österreichische Steuergelder allen Ernstes in Form von Zuschüssen auf Kosten der österreichischen Bevölkerung in die südeuropäi­schen Länder transferieren lassen.

Interessant ist auch, wenn man sich die Bildung in Österreich genauer ansieht: Da wer­den einem die Augen dahin gehend geöffnet, dass da vielleicht doch noch etwas Nach­holbedarf besteht. Ich habe mir das Shanghai-Ranking angesehen, das ist das Global Ranking aller Universitäten weltweit, und auf den ersten 35 Plätzen sind 24 amerikani­sche Universitäten – sensationell! – und sechs britische. Die erste Universität aus einem Land der EU kommt aus Kopenhagen und liegt erst an 26. Stelle – vor ihr, an 19. Stelle,


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ist noch Zürich, aber die Schweiz gehört ja nicht zur EU –, und Österreichs beste Uni­versität im Sinne von jener mit dem größten wissenschaftlichen Output ist die Universität Wien, die sich unweit von hier befindet, die auf Rang 151 bis 200 liegt – die Plätze zwi­schen 151 und 200 werden im Ranking zusammengefasst.

Interessant für mich ist, dass die Wirtschaftsuniversität Wien, dieser riesige Campus, nicht unter den ersten 1 000 und auch im Ranking von Österreich nicht unter den ersten zehn zu finden ist. Da läuft meiner Meinung nach etwas falsch. Warum es die Wirt­schaftsuniversität Wien im Prater seit Jahrzehnten nicht schafft, einen wissenschaftli­chen Output zu liefern, der auch international anerkannt ist, wundert mich sehr.

Die Universität Wien hat am Oskar-Morgenstern-Platz auch eine wirtschaftswissen­schaftliche Fakultät, und damit komme ich auf eine Initiative der Freiheitlichen Industrie zurück, die ich mir vor wenigen Jahren in der Wirtschaftskammer Wien vorzustellen er­laubt habe. Die Wirtschaftskammer Wien hat diese Initiative aufgenommen und hat einen Teil des Budgets dafür bereitgestellt beziehungsweise will ihn bereitstellen, um damit eine Gastprofessur, eine Gastfakultät an der Universität Wien, am Standort Oskar-Mor­genstern-Platz, zu finanzieren, damit die österreichische Schule der Nationalökonomie dort ihre Fortsetzung finden kann.

Die Universitätslandschaft, die Universität Wien und die österreichische Schule der Na­tionalökonomie, deren einziger Nobelpreisträger Hayek war, der in London gelehrt und dort sein berühmtes Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ publiziert hat, hat sich von diesem intellektuellen Exodus nie erholt, muss man sagen.

Welche Wissenschaftler in den 1930er-Jahren emigriert sind – solche, die mussten, aber es gab auch Freiwillige –, weil hier das Umfeld nicht mehr gegeben war! Ich erinnere an Oskar Morgenstern, den man jetzt irgendwie rehabilitiert hat, indem man zumindest den Namen genannt hat, Fritz Machlup, Mieses, Philippovich – gut, der ist schon vorher ver­storben, der war eine Generation davor – und Gottfried Haberler. Sie waren nicht nur jüdischer Herkunft, sie waren auch Wirtschaftsliberale – also die Gejagten waren auch die Wirtschaftsliberalen in der Ersten Republik, und es ist gut, dass von der Wirtschafts­kammer Wien diese Initiative gesetzt und versucht wird, eine Restauration dieser Lehre stattfinden zu lassen. Wenn Sie, Herr Bundesminister, da mitgeholfen haben, möchte ich mich dafür auch bedanken, weil ich das ganz wichtig finde. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann.) Der Letzte in dieser Reihe war übrigens Hans Mayer, der 1955 verstorben ist.

Das Gesetz ist ein Partikularstein in der Bildungsentwicklung, und man kann jungen Menschen, wie meine Vorredner schon gesagt haben, wirklich nur den Weg ebnen, in­dem in der Weltsprache Nummer eins, und das ist das Englische, hier Akzente gesetzt werden; das ist auch für das Wirtschaftsleben das Wichtigste, weil das die Sprache schlechthin ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.43


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.43.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt doch etwas über die Rede meines Vorred­ners irritiert, weil Sie, wenn ich das richtig verstanden habe, den Weg, den Boris Johnson geht, gut und einen Ausstieg aus der Europäischen Union richtig finden – wenn ich Sie richtig verstanden habe. (Bundesrat Pisec: Das habe ich nicht gesagt! – Bundesrätin Mühlwerth: Aber selbst wenn, kann man das auch richtig finden, oder?) Das sehe ich fundamental anders, und ich glaube tatsächlich, dass die europäische Solidarität gerade in Krisenzeiten so notwendig ist wie noch nie. Das möchte ich hier betonen.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 79

Außerdem: Wir hätten uns, glaube ich, ein Gesetz wie dieses auch sparen können, hät­ten sich die Briten anders entschieden – aber das muss man zur Kenntnis nehmen. Das ist Demokratie, das ist so. Dann stellt sich eben die Frage, wie man damit umgeht, wenn sich ein so wichtiges Partnerland auch bei Wissenschaft und Forschung, in der universi­tären Forschung und im Austausch von Studentinnen und Studenten entscheidet, diese Solidaritätsgemeinschaft zu verlassen.

Wir haben jetzt schon gehört, die britischen Universitäten haben einen guten Ruf: Wer denkt nicht sofort an Oxford und Cambridge und hat auch sofort Bilder im Kopf, die eine jahrhundertealte Tradition widerspiegeln – wobei man sagen muss, dass es neben den Eliteunis auch andere Universitäten im Vereinigten Königreich gibt. Von ihnen geht eine große Attraktion aus, und wir wollen mit diesen Mobilitätsstipendien – und so heißt die­ses Konzept: Mobilitätsstipendium – Studentinnen und Studenten, die sich das nicht leis­ten können, helfen, damit auch sie im EWR-Raum studieren können.

Wie wichtig Stipendien sind, weiß ich auch aus persönlicher Erfahrung: Als Halbwaise, dessen Vater schon gestorben war, hätte ich nicht studieren können, wenn es keine Stipendien gegeben hätte, und gäbe es diese Stipendien nicht, würde ich vielleicht auch gar nicht hier stehen.

Mit diesem Beschluss wollen wir Menschen die Erfüllung des Traumes, an den großar­tigen Universitäten des Vereinigten Königreiches zu studieren, ermöglichen. Es wurde schon gesagt: Es gibt jedes Jahr durchschnittlich über 370 Anträge auf dieses Mobilitäts­stipendium, um an britischen Universitäten zu studieren; ungefähr 200 davon werden bewilligt. Wir helfen damit sozial förderungswürdigen Studierenden, und gäbe es den Brexit nicht, hätten wir uns auch das ersparen können. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.46


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bun­desminister Dr. Heinz Faßmann gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.46.35

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hohes Haus! Frau Präsidentin! Meine Stellungnahme erfolgt deswegen, weil sich die Diskussion in eine interessante Richtung entwickelt hat. Das hätte ich nicht gedacht, weil es ja letztlich nur zwei kleine technische Notwendigkeiten sind, die wir durchführen müs­sen.

Das Erste, was ich sagen möchte, ist: Die Wissenschaftsszene unisono bedauert den Brexit klarerweise. UK ist ein attraktives Land für Studierende und auch ein hoch kom­petitives Land für Forscher und Forscherinnen. Wir hoffen, dass es nach dem Brexit eine Form von Assoziation gibt, bei der UK in der einen oder anderen Form Teil eines euro­päischen Forschungsraumes wird.

Meine zweite Bemerkung, Herr Pisec, bezieht sich auf Ihre Wortmeldung. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass die in den 1930er-Jahren vertriebene Intelligenz zu einem intellektuellen Aderlass in Österreich geführt hat, von dem sich die österreichischen Uni­versitäten erst nach vielen, vielen Jahrzehnten so einigermaßen erholt haben. Ich teile nicht ganz Ihre kritische Betrachtung des Shanghai-Rankings oder ähnlicher Rankings – ich teile sie deswegen nicht, weil ich gerade mit der Beschlussfassung des UGs von 2002, welches ein unglaublich gutes Gesetz war, zufrieden bin. Wir haben vorhin von Meilensteinen gesprochen: Das war ein Meilenstein, weil es den Universitäten Hand­lungsmöglichkeiten eröffnet hat, die vorher nicht bestanden haben. Seitdem haben die Universitäten gerade auch durch viele internationale Berufungen sehr viel an Terrain gewonnen, gar keine Frage.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 80

Wenn eine Universität wie meine ehemalige Universität auf Platz – ich weiß nicht – 130, 140 steht, dann ist das eine Sichtweise, aber gemessen an allen Universitäten dieser Welt, wenn Sie so rechnen – wir wissen nicht genau, wie viele es gibt; 10 000 gibt es auf alle Fälle, vielleicht 20 000, weil dann letztlich die Abgrenzung, wann eine Institution kei­ne Universität mehr ist, natürlich in jedem Land unterschiedlich ist –, muss man sagen, dass die österreichischen Universitäten vielleicht unter den besten 1, 2, 3, vielleicht 5 Pro­zent der Universitäten weltweit sind.

Das soll uns nicht beruhigen, es soll nur ein realistisches Ausmaß darstellen, aber es ist gleichzeitig auch, und da bin ich Ihrer Meinung, Ansporn, weiterzumachen und, wenn es geht, in die Liga der Top 100 aufzusteigen – das wären schon so Zielvorstellungen. Des­wegen – das ist mein Anschluss an das vorige Gesetz –: Natürlich brauchen Universitä­ten dafür auch eine ausreichende Finanzierung, damit man sich jene Topwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen leisten kann, die notwendig sind, um genau jene Rangverbes­serungen zu ermöglichen.

Wenn es dazu Unterstützung seitens des Bundesrates gibt, dann nimmt mein Haus – und ich auch – diese immer sehr gerne an. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Ofner und Pisec.)

13.49

13.49.47


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.50.159. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche und studienförderungsrechtli­che Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen, Einrich­tungen zur Durchführung von Fachhochschul-Studiengängen und Fachhochschu­len aufgrund von COVID-19 (COVID-19-Hochschulgesetz – C-HG) geändert wird (660/A und 271 d.B. sowie 10403/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über wissenschaft­lich-technologische Zusammenarbeit (119 d.B. und 272 d.B. sowie 10404/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 9 und 10, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Ing.in Judith Ringer. – Frau Bundesrätin, ich bitte um die Berichte.


13.50.59

Berichterstatterin Ing. Judith Ringer: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche und studienförderungs­rechtliche Sondervorschriften an Universitäten, pädagogischen Hochschulen, Einrich­tungen zur Durchführung von Fachhochschulstudiengängen und Fachhochschulen auf­grund von Covid-19 geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 81

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, daher komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


13.52.55

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Zu Tagesordnungspunkt 9: Zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 an den Universitäten sind einige Maßnahmen notwendig geworden. Der Stu­dienbetrieb hat nicht so stattfinden können wie immer, und daher wird jetzt auch dem Minister die Möglichkeit gegeben, Verordnungen zu erlassen, um diesen Studienbetrieb weiter fortsetzen zu können – unter gewissen Einschränkungen, aber dennoch –, was die Fortführung des Studiums anbelangt, was Fragen betrifft wie jene, ob Studiengebüh­ren teilweise rückerstattet werden können oder wie es mit den Forschern ausschaut. – Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die da getroffen werden.

Ich möchte mich dabei auf den berühmt-berüchtigten § 109 konzentrieren. § 109 regelt die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen, und diese können ja jetzt mit diesem Gesetz noch einmal verlängert werden. Das tritt in Kraft, nachdem dieses Gesetz kundgemacht wurde, und endet im September 2021. Da gab es ja auch schon im Na­tionalrat die Diskussion, wieso man aber dann bis 2021 noch einen neuen Vertrag ab­schließen darf, worauf Sie im Nationalrat auch schon gesagt haben, dass das im Herbst neu geregelt werden wird.

Das hat ja eine lange Vorlaufzeit. An sich sind Kettenarbeitsverträge in Österreich ver­boten, aber 2002 hat man für die Universitäten die Möglichkeit geschaffen, solche Ket­tenverträge – weil es in Ausnahmefällen geht – abschließen zu können, und seit damals, glaube ich, stehen diese Kettenarbeitsverträge im Blickpunkt der Kritik.

Die EU-Kommission hat schon ausrichten lassen, sie hält das für rechtswidrig und auch EU-rechtswidrig. Der EuGH hat sich das angeschaut, hat dann aber doch die Finger davon gelassen; er hat zwar schon eine Meinung dazu abgegeben, aber kein Urteil ge­fällt, mit dem man gesagt hätte: So, damit muss jetzt Schluss sein! Daher glaube ich auch, dass das im Herbst geregelt werden muss, weil man irgendwann einmal mit jeder Sache zu einem Ende kommen muss. Das führt sie hoffentlich zu einem glücklichen Ende.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 82

Es gibt aber natürlich ohnehin den Kritikpunkt, den Forschenden und Lehrenden keine unbefristeten Stellen geben zu können. Jetzt weiß ich schon, die muss man ja auch haben, die muss jemand bezahlen, aber es gibt – und da können wir schon manchmal über Österreichs Grenzen hinausschauen – Länder, in denen junge Forscher relativ schnell unbefristete Verträge bekommen, darunter vor allem die USA, und die sind ja normalerweise nicht die, die so auf Sicherheit bedacht sind. Da gibt es aber den Grund, dass man junge, talentierte, gute, exzellente Forscher halten möchte, und das ist ja et­was, das auch wir anstreben müssen.

Unsere Universitäten sind gut, unsere Fachhochschulen – das haben wir vorhin disku­tiert – haben eine 25-jährige Erfolgsgeschichte, aber wir alle wissen, dass wir bei der internationalen Bewertung der Universitäten sehr wohl noch Luft nach oben haben. Daher wäre es wichtig, die Leute auch an den Universitäten hier bei uns im Land halten zu können, und deshalb darf das Bestreben nicht sein, diese befristeten Arbeitsverträ­ge – in welcher Form auch immer – neu zu verlängern, sondern Ziel muss sein, dass wir unbefristete Verträge ausgeben können, damit die guten Leute hier bei uns bleiben. Da­her werden wir diesem Gesetz, weil wir das eben so unzufriedenstellend finden, auch nicht zustimmen – auch wenn wir wissen, dass durch das Coronavirus jetzt natürlich Maßnahmen notwendig geworden sind.

Der zweite Punkt – weil sie ja unter einem verhandelt werden – betrifft das Abkommen mit Brasilien. Grundsätzlich ist es gut, wenn man sich auch im Bildungs- und For­schungsbereich international vernetzt. Südamerika – das wusste ich zwar schon, aber im Ausschuss habe ich es noch einmal gehört – ist sehr ausbaufähig. Ich war schon einige Male, auch im Rahmen von Bundesratsdelegationen, in Südamerika, und dort sieht man natürlich schon genau: Die orientieren sich in allererster Linie an den USA. Sie sind ihnen ja auch wesentlich näher, aber es wäre natürlich schon erfreulich, wenn es zwischen Europa und Südamerika eine verstärkte Kooperation geben könnte. Daher ist dieses Abkommen, auch wenn es noch in den Kinderschuhen steckt, zu begrüßen, und deshalb stimmen wir diesem Punkt auch zu. (Beifall bei der FPÖ.)

13.58


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Doris Berger-Grabner. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


13.58.39

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Geschätzte Damen und Herren, die von zu Hause aus zuhören! Ich möchte mich gleich einmal darauf beziehen und auf das referenzieren, was meine Vorrednerin, Kollegin Mühlwerth, gesagt hat, und zwar betreffend diesen § 109, die Kettenvertragsregelung. Diese wurde ja geschaffen, damit Jungwissenschafter und -wissenschafterinnen nicht immer von einer befristeten Stelle zur anderen weiterzittern müssen, sondern tatsächlich irgendwann einmal in eine unbefristete Anstellung kommen. Und das ist auch gut so. (Bundesrätin Mühlwerth: Hat aber nicht so gut funktioniert!)

Wir haben im Wissenschaftsausschuss ja über eine sehr breite Palette von Themen und Anträgen gesprochen. Wir haben jetzt schon einiges über den Nachwuchswissen­schaftsbereich gehört, ich möchte daher auf einen anderen Bereich zu sprechen kom­men, und zwar auf den Bereich Lehr- und Forschungsbetrieb an Hochschulen. Diese Maßnahmen sind auch deshalb so wichtig, um genau diesen Betrieb aufrechterhalten zu können, vor allem damit Tausende Studierende das Semester auch tatsächlich ab­schließen können, indem eben die Arbeitsverhältnisse von Lektoren und Lektorinnen verlängert werden.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 83

Distancelearning war ja in den letzten Wochen tatsächlich eine sehr sinnvolle und auch zeitgemäße Variante, um Lehrinhalte vermitteln zu können, Wissen weiterzugeben, ins­besondere auch für den berufsbegleitenden Bereich, um tatsächlich auch lebenslanges Lernen zu ermöglichen. Es ist aber schlichtweg nicht für jeden Themenbereich und Lehr­gegenstand möglich oder zweckmäßig. Ich denke jetzt zum Beispiel an Laborübungen oder – im Nationalrat sehr oft thematisiert – den Unterricht an Kunstuniversitäten, an praktische Übungen, vor allem in der gesundheitswissenschaftlichen Ausbildung.

Ich sehe am Campus in Krems, dass wir derzeit sehr, sehr viel in Präsenz nachholen und dass jetzt tatsächlich sehr viel Leben am Campus ist. Das ist etwas sehr, sehr Schö­nes.

Weiters ist diese Maßnahme wichtig, um Drittmittelprojekte, Forschungsprojekte und Publikationen fertigstellen zu können. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig das ist, wenn man sich mitten in einem Forschungsprojekt befindet und sich an eine Deadline halten muss, diese Deadline aber nach hinten verschoben wird. Sie können sich vor­stellen, welche Auswirkungen das hat, nicht nur auf den Projekterfolg, sondern vor allem auch auf die Personen, die am Projekt beteiligt sind. Deshalb bin ich sehr, sehr froh, dass es diese Maßnahmen geben soll, die die Arbeitsverhältnisse dieser Personengrup­pen verlängern, um auch den Lehr- und Forschungsbetrieb sinnvoll abschließen zu kön­nen.

Ich komme jetzt noch zu Tagesordnungspunkt 10, dem Beschluss des Nationalrates be­treffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit. Mit dem gegenständli­chen Abkommen mit Brasilien sollen die Mobilitätskosten bei gemeinsamen Forschungs­arbeiten und Veranstaltungen auf wissenschaftlich-technologischem Gebiet auf Grund­lage von Gegenseitigkeit finanziert werden.

Ziel dieses Abkommens sollen Chancen sein, Chancen für die Wissenschaft und für die Forschung, aber nicht nur für Wissenschaft und Forschung im Allgemeinen, sondern vor allem Chancen für unsere jungen, motivierten, innovativen Wissenschafter und Wissen­schafterinnen, die sich international betätigen können. Es hat sich wirklich bewährt, so­wohl für Studierende als auch für Technologie, für Wissenschaft, für Forschung, dass ein Austausch stattfindet. Insbesondere junge Forscher und Forscherinnen können da­mit nämlich tatsächlich den Grundstein für nachhaltige internationale Partnerschaften und Netzwerke legen.

Kurz zu Brasilien: Brasilien ist eine sehr aufstrebende Volkswirtschaft, hat circa 210 Mil­lionen Einwohner und zeigt einen Drang zur Internationalisierung, und deshalb entspricht es absolut dem allgemeinen Zeitgeist, sich diesen Herausforderungen offen und ge­meinsam zu stellen, auch in der Wissenschaft und in besagter Forschung.

Zusätzlich ist es mir wichtig, hervorzuheben: Gelder, die da eingesetzt werden, funktio­nieren wie Samen, die zunächst einmal gesät werden, um etwas zum Entstehen zu bringen, zum Wachsen zu bringen, sogenanntes Seedmoney. Durch den Einsatz von 1 Euro werden mehrere Euro Ertrag ausgelöst. Ich freue mich sehr, dass Österreich in diesen Bereich investiert und es mit Sicherheit zu einer Win-win-Situation kommen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.03


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


14.04.06

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zu­schauerinnen und Zuschauer via Livestream! Das Spannende heute ist, dass sich viele


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 84

Themenbereiche auf der Tagesordnung immer wieder ein bisschen überschneiden und vieles heute schon angesprochen wurde.

Wir haben heute schon etwas über Forschung und Entwicklung in Österreich gehört. Wir wissen, dass es bei Weitem nicht nur die Unternehmen sind, die da tätig sind. Immerhin knapp ein Viertel – nämlich genau 23 Prozent – aller in der Forschung und experimentel­len Entwicklung in Österreich beschäftigten Personen sind im Hochschulsektor ange­stellt. Im Jahr 2017 waren das nach Angaben der Statistik Austria aus der letzten Voller­hebung immerhin über 48 000 Personen, was ungefähr einer Zahl von 17 000 Vollzeit­äquivalenten entspricht. Das Ministerium zählt auch noch die forschungsführenden Ein­heiten auf, und das sind für ein doch relativ kleines Land wie Österreich sage und schrei­be 1 259 an unseren 22 öffentlichen Universitäten.

Das sind, glaube ich, beachtliche Zahlen, erfreuliche Zahlen, aber – und das haben wir heute schon gehört – auch an der Forschung ist die Covid-Krise natürlich nicht ganz spurlos vorübergegangen. Der natürlich notwendige Lockdown hatte zur Folge, dass so manches aus Drittmitteln finanzierte Forschungsprojekt und so manche Publikation nicht während der befristeten Arbeitsverhältnisse fertiggestellt und abgeschlossen werden konnten.

Dieser Problematik soll jetzt das COVID-19-Hochschulgesetz Rechnung tragen. Das ist aus unserer Sicht durchaus nachvollziehbar und positiv und gibt den Betroffenen in die­ser Situation auch eine gewisse arbeitsrechtliche Sicherheit. Dass jetzt auch Arbeits­verhältnisse miteinbezogen werden, die zum Erreichen einer Qualifikation oder auch einer bestimmten Karrierestufe notwendig sind, sehen wir ebenso positiv, aber – und das haben wir heute schon von Kollegin Mühlwerth gehört; ich hätte mir nicht gedacht, dass wir uns noch in einem Punkt einig werden (Bundesrätin Mühlwerth: Was habe ich falsch gemacht?), aber da sind wir es – ich möchte auch noch eine weiterführende The­matik ansprechen, die damit nicht geklärt wird, nämlich betreffend § 109 und jene Ket­tenverträge, die an den Unis leider immer noch gängige Praxis sind und die nicht nur von der Arbeiterkammer stark kritisiert werden – ganz zu Recht, wie ich meine.

Da gibt es beispielsweise den ganz konkreten Fall einer Chemikerin an einer Wiener Universität. Deren Dienstverhältnis wurde nach insgesamt zwölf Jahren an aneinander­gereihten befristeten Arbeitsverträgen nicht mehr verlängert. Das hat die Debatte, zu Recht, wie ich finde, neu angefacht und eine neue Dynamik in die Diskussion gebracht. Inzwischen ist aufgrund ihrer Klage ein Verfahren beim EuGH anhängig. Die EU-Kom­mission hat dazu erst kürzlich verlauten lassen, dass sie die Regelung für unionsrechts­widrig hält. Wir werden sehen, zu welchem Erkenntnis der EuGH in diesem Fall kommen wird.

Ich bringe noch ein zweites konkretes Beispiel, das eines männlichen Betroffenen, der bis dato 28 Mal jeweils Monatsverträge verlängert bekommen hat – 28 Mal! Ich glaube, das kann es nicht sein.

Der Experte des Ministeriums hat uns im Ausschuss jedenfalls versichert, dass diese Kettenvertragsregelung unter Einbindung der Sozialpartner genau unter die Lupe ge­nommen werden soll. Das ist erfreulich. Das soll nach seiner Aussage zu einer neuen Regelung führen, die hoffentlich, wenn es so bleibt, noch im Herbst in Begutachtung gehen soll. Wir nehmen das jetzt einmal wohlwollend zur Kenntnis, werden aber natürlich ganz genau darauf schauen, ob diese versprochene Verbesserung dann auch wirklich so kommen wird.

Noch in aller Kürze zu TOP 10, zum Abkommen über wissenschaftliche Zusammenar­beit zwischen Österreich und Brasilien: Dazu wird es ebenfalls unsere Zustimmung geben. Aus unserer Sicht kann man dem Stärken von bilateralen Beziehungen auf Basis wissenschaftlicher Kooperation eigentlich keine Steine in den Weg legen. Da geht es ja


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 85

zum Beispiel auch um die Teilnahme an internationalen Forschungsprogrammen. Das ist natürlich sinnvoll, richtig und wichtig. Auch da hat uns der Experte aus dem Minis­terium bestätigt, dass diese Kooperation, na ja, bis dato nur sehr schwach ausgeprägt und entwickelt ist. Er hat selbst auch eingeräumt, dass dahin gehend noch viel Luft nach oben besteht.

Wir hoffen, dass sich nach der heutigen Beschlussfassung da ein bisschen mehr tun wird. In diesem Sinne legen wir bei aller Kritik, die es zu äußern gibt, beiden Gesetzent­würfen keine Steine in den Weg. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.08


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.‑Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.09.09

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Minister! Die gegenständlichen hochschuldienstrechtlichen Bestimmungen sind ei­ne wichtige Sache zur Absicherung von Arbeitsverhältnissen im Rahmen von Drittmit­telprojekten, im Rahmen von Forschungsprojekten. Aufgrund von Covid-Maßnahmen war es in vielen Fällen nicht möglich, die entsprechenden Arbeiten wie geplant fertigzu­stellen. Es ist klar, dass das den Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen darf. Die können nichts dafür, und es hätte vor allem auf NachwuchswissenschafterInnen wirklich untragbare Auswirkungen.

Ähnliches gilt für ArbeitnehmerInnen an Hochschulen und Universitäten, die sich in Lauf­bahnstellen befinden und ihre Qualifizierungsvereinbarungen nicht rechtzeitig erfüllen konnten. Auch daraus darf kein Nachteil entstehen.

Es gibt auch Schutzregelungen für das Lehrpersonal, vor allem für LektorInnen, die die Lehre jetzt nicht umfänglich anbieten und durchführen konnten. Besonders betroffen sind da die Kunstuniversitäten.

Was die Diskussion um die problematischen Kettenvertragsregelungen betrifft: Wir sind auch der Meinung, das muss verbessert werden, das ist keine Frage, wobei die Mei­nungen da weit auseinandergehen. Es gibt ja Leute, die sagen, das passt schon. Dann folgen noch mehr Kettenverträge aufeinander, doch null aufeinanderfolgende Verträge zu haben ist wahrscheinlich auch etwas kritisch. Auf jeden Fall braucht es da aber eine bessere Regelung. Da dürfen einfach keine Härtefälle mehr auftreten.

Was ich trotzdem nicht verstehe, Frau Mühlwerth, ist, wieso Sie seitens der FPÖ deshalb dem Gesetzentwurf, bei dem es um die Akutregelungen bei den Dienstverpflichtungen geht – die Kettenvertragsregelung ist einfach kein Thema in diesem Gesetzentwurf –, nicht zustimmen. Das kann ich einfach nicht nachvollziehen. Diese Logik erschließt sich mir nicht. Auf jeden Fall – wenn man das einmal weglässt – ist das ein ganz wichtiger Schritt, um Nachteile vom Hochschulpersonal und damit natürlich auch von der Volks­wirtschaft abzuwenden.

Was das Abkommen mit Brasilien über technologisch-wissenschaftliche Zusammen­arbeit betrifft: Das ist natürlich zu begrüßen, keine Frage. Im Wesentlichen geht es um Forschungsmobilität, also um Austausch von Forscherinnen und Forschern in beide Richtungen. Forschungsvorhaben sind ja dann trotzdem noch einmal extra zu beantra­gen, aber es soll erleichtern, dass Forschungsvorhaben gemeinsam gemacht werden und dass Forschungspartnerschaften entstehen.

Gerade in Zeiten, in denen in Brasilien ein rechtsextremer Präsident regiert, der, wie es für solche Leute typisch ist, seine eigenen antiwissenschaftlichen Wahrheiten schafft, ist ein evidenzbasierter Austausch mit WissenschafterInnen wirklich wichtig, gilt es doch, gerade diese Kräfte zu unterstützen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.12


14.12.27


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 86

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Hochschulgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Re­publik Brasilien über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.14.2411. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 11. Schulorganisationsgesetz-Novelle, das Schulunterrichtsgesetz, das Privatschulgesetz, das Land- und forstwirtschaft­liche Bundesschulgesetz, das Bundesgesetz über die Österreichische Bibliothe­kenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Prü­fungstaxengesetz geändert werden (237 d.B. und 311 d.B. sowie 10375/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Ich bitte um den Bericht.


14.14.45

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Ich bringe den Bericht des Unterrichtsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorgani­sationsgesetz, die 11. Schulorganisationsgesetz-Novelle, das Schulunterrichtsgesetz, das Privatschulgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bun­desgesetz über die Österreichische Bibliothekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Prüfungstaxengesetz geändert werden. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 87

Der Unterrichtsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich habe nun die Ehre, Frau Präsidentin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler das Wort zu er­teilen. – Bitte, Frau Präsidentin.


14.15.59

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren via Livestream! Auch ich teile mit Kollegen Rösch das Bedauern, dass der ORF unsere Debatten nicht mehr überträgt. Seien Sie versichert, liebe Kolleginnen und Kol­legen: Wir arbeiten im Präsidium sehr intensiv daran, dass wir wieder eine Übertragung gewährleistet bekommen. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätin Mühlwerth: Das wird nur nichts nützen!) – Doch, es wird etwas nützen. Wenn man es nicht probiert, dann hat man schon verloren. Wir kämpfen dafür. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit auch davon erfährt. – (Bundesrätin Mühlwerth: Nur ein Erfahrungswert! Das machen wir seit Jah­ren! – Zwischenruf des Bundesrates Bernard.)

Jetzt komme ich aber zum Tagesordnungspunkt: Es ist mir ein ganz großes Anliegen, zu Beginn allen Lehrerinnen und Lehrern, allen Direktorinnen und Direktoren, dem gan­zen Schulverwaltungspersonal zu danken. Was diese Damen und Herren in den letzten Monaten geleistet haben – wir haben vom Thema Distancelearning schon von Kollegin Berger-Grabner gehört; dann die Organisation des Schulalltages mit reduzierter Schü­lerInnenanzahl, die Organisation von Hygieneartikeln, die Einteilung der Klassen ‑, also das war wirklich großartig. Ich glaube, an dieser Stelle ist einmal ein großes Danke an diese Personen gefragt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Grimling: Auch an die Beamten des Bildungsministeriums!)

Natürlich schließe ich in diesen Dank auch die Eltern und Erziehungsberechtigten ein, denn miteinander haben wir es geschafft, diese Krise gerade im Schulbereich gut zu meistern. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Mit der Novelle des Schulorganisationsgesetzes und des Schulunterrichtsgesetzes, der wir hier gerne zustimmen, führen wir wichtige Neuerungen ein, wie zum Beispiel die Verankerung des Lehrgangs für Früherziehung als Sonderform der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik, die Übernahme eines nach Übergangslehrplan geführten Ausbil­dungsganges in der land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalt und auch, was mich be­sonders freut, die Implementierung der Sommerschule. Schülerinnen und Schüler kön­nen dadurch in den letzten zwei Ferienwochen allfällige Lücken füllen und auch die Lern­rückstände, die wegen Corona entstanden sind, aufholen, mit Schwerpunkt Deutsch. Auch für die Eltern ist natürlich diese Sommerschule eine wesentliche Entlastung. – Herzlichen Dank, Herr Minister, dass Sie das mit Ihren Beamtinnen und Beamten auf den Weg gebracht haben! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Danke! Danke! Danke!)

Wir haben im Ausschuss gehört, dass sich bereits 22 600 Schülerinnen und Schüler an 560 Standorten in ganz Österreich dafür angemeldet haben. Das sind 55 Prozent des errechneten Potenzials, und das ist damit schon jetzt eine Erfolgsgeschichte. 1 300 Pä­dagoginnen und Pädagogen haben sich freiwillig für diesen Unterricht gemeldet. Ich denke, diese Solidarität ist wirklich großartig. Wir können stolz auf das Bildungssystem in Österreich sein.

Wir setzen mit dieser Novelle auch weitere Verbesserungen um. So werden ganze Schulversuche – es gibt unglaubliche 1 420; das hat Nico Marchetti, mein Kollege im


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Nationalrat, recherchiert – evaluiert. Sie werden jetzt entweder auslaufen oder ins Regel­werk überführt. Bei uns in Salzburg zum Beispiel betrifft das die Skileistungssportschulen in Saalfelden und Bad Hofgastein. Das ist wichtig, das gibt Sicherheit, und das ist auch eine Anerkennung für diese Schulen.

Auch die Einführung des Ethikunterrichts – wie Sie wissen, Herr Minister, eines meiner Steckenpferde – ist im Ausschuss besprochen worden, und auch das begrüßen wir sehr. Wir haben gehört, dass angedacht ist, ihn im Schuljahr 2021/22 beginnen zu lassen. Die entsprechende Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer läuft ja bereits, und ich finde, es wäre gut, wenn wir diesen Schulversuch dann auch zu einem fixen Bestandteil des Un­terrichtes machen würden.

Im Schuljahr 2021/22 wird im Rahmen der Comebackaktion der Bundesregierung die Bildung im digitalen Bereich verstärkt werden. So werden in den 5. und 6. Schulstufen Laptops zur Verfügung gestellt. (Bundesrätin Grimling: In einem Jahr!) Das ist ja auch wichtig – wir haben gelernt, wie wichtig diese Laptops sind. (Bundesrätin Hahn: Viel zu spät! Das Konzept liegt ja schon ...!) Für uns in Salzburg bedeutet das rund 21 000 Stück, eine großartige Leistung. Damit schauen wir, dass unser Schulsystem noch effizienter und den Erfordernissen der jetzigen Situation angepasst wird.

Bei der Nost, der neuen Oberstufe, gibt es eine terminliche Änderung. Sie wurde ja zu Beginn im Herbst des Schuljahres 2017/2018 in den Schulen eingeführt und bereits von einigen berufsbildenden und etlichen allgemeinbildenden Schulen freiwillig übernom­men. Nach einem Testlauf von circa zwei Jahren hätte die Nost nun flächendeckend ausgerollt werden sollen. Es hat sich aber im Testlauf gezeigt – wir haben das auch im Ausschuss besprochen –, dass noch einige Probleme aufgetaucht sind. Es ist daher nur gut und richtig, zu schauen, wo die Probleme liegen, und diese Ausrollung um zwei Jahre zu verschieben.

Ich kenne Schulen, die begeisterte Anhänger der Nost sind, ich kenne aber auch Schu­len, die sagen: Das will ich gar nicht, dieses Mitnehmen der Nicht genügend, diese Ruck­sackproblematik! – Es ist daher gut, wenn man sich das noch weiter anschaut und im Rahmen der Schulautonomie den Schulen die Möglichkeit gibt, sich freiwillig dafür zu melden. Das ist ja schon möglich.

Abschließend noch eine kurze Anregung oder Information zum Herbst – auch darüber haben wir im Ausschuss gesprochen, weil wir natürlich alle nicht wissen: Wie wird die Schule im Herbst wieder starten können? Gibt es einen regulären Schulbetrieb? –: Ich hätte mir nie gedacht, dass ich so viele Schülerinnen und Schüler treffe, die sagen: Ich möchte wieder in die Schule gehen, ich möchte mit meinen Klassenkolleginnen und ‑kollegen wieder zusammen sein, ich möchte vor Ort sein! (Bundesrätin Grimling: ... schrecklich!) – Darum ist es natürlich wichtig und notwendig, dass wir schauen, dass wir diesen regulären Schulbetrieb im Herbst wieder einführen können.

Ich weiß, Herr Bundesminister, Sie sind da auch mit dem Gesundheitsministerium in enger Abstimmung, um zu schauen: Wenn Cluster auftreten, wie kann man schnell und rasch handeln? – Es geht ja auch um die Gesundheit der Kinder, es ist ja nicht so, dass wir sagen, wir wollen das, sondern wir müssen zuerst auf den gesundheitlichen Aspekt schauen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, aber in den Schulen hat es die wenigsten Infek­tionen gegeben! Wovon redet ihr?) Es ist daher gut und richtig, dass es verschiedene Szenarien gibt.

Das Ziel soll sein – ich glaube, da sind wir uns alle einig –, im Herbst einen Regelbetrieb zu haben. (Bundesrat Steiner: Das muss das Ziel sein!) Wir können aber alle nicht in die Zukunft schauen, keiner von uns hat eine Glaskugel, keiner weiß, wie es werden wird. Darum ist es gut, zu wissen, dass an verschiedenen Szenarien für unsere Schüle­rinnen und Schüler gearbeitet wird, auch damit die Eltern Sicherheit haben. Dafür


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 89

bedanke ich mich sehr herzlich bei Ihnen und Ihrem Team, Herr Bundesminister! (Bun­desrat Steiner: Danke!)

Es ist keine leichte Zeit. Wie gesagt, keiner kann in die Zukunft schauen. Wir bemühen uns aber alle, das Beste zu geben, das Beste für unsere Schülerinnen und Schüler, für unsere Kinder, für unsere Jugendlichen. Das tun Sie mit Ihrem Team, Herr Minister, herzlichen Dank dafür! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.23


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. – Bitte, Frau Kollegin.


14.24.05

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist, wie so oft, schon wieder ein Konvolut an verschiedensten Materien, die zwar in die­sem Fall allesamt im Bildungsministerium angesiedelt sind – so weit, so gut –, thema­tisch aber haben sie zum überwiegenden Teil nichts oder kaum etwas miteinander zu tun. Das macht es schwierig in der Beurteilung und in der endgültigen Entscheidung, ob man zustimmen kann oder nicht. Man könnte fast meinen, da steckt ein bisschen System dahinter, aber sei es drum.

Einiges ist durchaus nachvollziehbar und zu befürworten, wie zum Beispiel der Lehrgang für Früherziehung. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt, alleine aufgrund der Tatsa­che, dass ja der Bedarf an Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige stetig zunimmt und sicher auch noch steigen wird, und daher braucht es natürlich auch speziell dafür ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Überführung von Schulversuchen in das Regelschulwesen in den Bereichen Leistungssport und darstellende Kunst, wie wir es gerade gehört haben, ist begrüßens­wert.

Kritisch sehen wir dagegen das Verschieben der Einführung der Nost, also der neuen Oberstufe, auf das Schuljahr 2023/24. Ich glaube, gerade die Phase des Homeschool­ings, aber auch die Phase danach, also der Schichtbetrieb, und die Ergebnisse der Ma­thematura haben uns deutlich gezeigt, dass es in der Oberstufe noch ganz, ganz viel Verbesserungsbedarf gibt.

Die Einführung der Nost wäre zumindest ein Schritt in Richtung einer modernen Bildung gewesen, nämlich vor allen Dingen durch eine wirksamere Orientierung an den Interes­sen und Stärken der Schülerinnen und Schüler. Das wieder nach hinten – und relativ lange nach hinten – zu verschieben ist aus meiner Sicht sehr kurzsichtig. Ich glaube, eine Adaptierung anhand einer Evaluierung, die jetzt erst angegangen wird, hätte in Wahrheit schon lange stattfinden können und müssen. Wieder werden drei Schuljahre unnötig verstreichen, ohne dass es in diesem Bereich wirklich zu Verbesserungen kom­men wird.

Dass es dringenden Handlungsbedarf nicht nur in der Oberstufe, sondern eigentlich im gesamten Bildungssystem gibt, wurde uns ja schon lange vor Corona bestätigt. Ich darf an dieser Stelle an den Nationalen Bildungsbericht erinnern, den wir hier 2019 bereits ausführlich diskutiert haben und der uns aufgezeigt hat, wie stark Bildung in Österreich in Wahrheit vererbt wird, immer noch und immer stärker, und dass der sozioökonomi­sche Hintergrund der Eltern viel zu oft verantwortlich für die Bildungskarriere ihrer Kinder ist. Die Covid-19-Krise hat diese Bildungskluft noch viel, viel weiter aufgemacht.

Der Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde zeigt auch Interessantes auf, nämlich dass die Schließung von öffentlichen Bildungsein­richtungen die Gefahr birgt, dass sich soziale, wirtschaftliche und gesundheitliche Un­gleichheiten verstärken, insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien. (Beifall


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bei der SPÖ.) Er bestätigt, was wir immer wieder kritisiert haben, nämlich dass Fernun­terricht mithilfe von digitalen Technologien als Ersatz für einen herkömmlichen Unter­richt, in der Klassengemeinschaft wohlgemerkt, eben nicht in allen Familien möglich oder überhaupt umsetzbar war und ist.

Im Ministerium hat man mit der Sommerschule darauf reagiert. – Besser als gar nichts, wie man so schön sagt; das Problem, das ich dabei sehe, ist, dass die Sommerschule nur auf eine sehr kleine Zielgruppe ausgerichtet ist. Wir haben es schon gehört: Es geht da hauptsächlich um Deutschförderung.

Was aber ist mit jenen Schülerinnen und Schülern, die Probleme beispielsweise in Ma­thematik oder auch in Englisch haben? Was ist mit jenen Schülerinnen und Schülern, die schlicht und einfach Hilfe dabei brauchen, jetzt nach über einem halben Jahr ohne geregelten schulischen Tagesablauf genau diesen wieder aufzubauen? In diese Rich­tung passiert gar nichts. Ich hoffe, das ist irgendwann der Fall, denn das wäre dringend notwendig.

Wien geht da einen ganz bedeutenden Schritt voraus, muss man sagen. (Bundesrat Schennach: Richtig!) Es zeigt mit den Summer-City-Camps, die großen Erfolg haben und sehr gut angenommen werden, eindrucksvoll vor, wie es gehen kann. Ich glaube, daran hätte man sich ein Beispiel nehmen können. Es ist großartig, was da passiert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ohne Zweifel – ich glaube, da sind wir uns alle einig – liegt ein sehr aufregendes Schul­jahr hinter uns, auf jeden Fall ein herausforderndes Schuljahr. Wir befinden uns mittler­weile in der ersten beziehungsweise zweiten Woche der Sommerferien. Es darf also schulisch ein bisschen durchgeatmet werden, wenn man das so sagen darf.

Ich möchte daher an dieser Stelle natürlich auch die Gelegenheit nützen, um wirklich ein großes Danke und ein Kompliment auszusprechen, ein Danke in erster Linie den Schü­lerinnen und Schülern, die die Herausforderung, dass es jetzt einfach ganz, ganz anders läuft, in Wahrheit wirklich angenommen haben, die sehr schnell und rasch gelernt haben, mit Homeschooling, mit Schichtbetrieb und vielem anderen mehr, auch mit der vielleicht nicht ganz so einfachen Situation zu Hause umzugehen, und die wirklich ganz, ganz Großartiges geleistet haben, beispielsweise auch im Bereich des digitalen Lernens. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Danke natürlich auch den Eltern, den Müttern und Vätern, die entsprechend unterstützt haben, obwohl sie oft wirklich schwierige Situationen vorgefunden haben – ich nenne da nur die Dienstfreistellungen für die Betreuung der Kinder, die notwendig waren, und vie­les andere mehr! Da wurde auch ganz, ganz Großartiges geleistet, das ist sicher keine einfache Aufgabe gewesen.

Selbstverständlich danke ich auch den Pädagoginnen und Pädagogen, die sehr kurz­fristig, von jetzt auf gleich, wie man in Niederösterreich so schön sagt, den Unterricht umstellen mussten und dabei aber auch ganz neue, innovative Lern- und Lehrmethoden entwickelt haben. Da ist eine wahre Digitalisierungsexplosion passiert, da ist ganz, ganz Tolles entstanden. Auch dafür meine Hochachtung allen meinen Kolleginnen und Kolle­gen da draußen! Es ist wirklich ganz, ganz viel weitergegangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben also gesehen, wo die Chancen für unser Bildungssystem liegen, und ich finde es mehr als schade – nicht nur schade, sondern eigentlich grob fahrlässig –, dass ge­rade diese Entwicklung in Wahrheit gebremst wird und die flächendeckende Ausstattung mit digitalen Endgeräten erst 2021/22 umgesetzt wird. Meines Wissens wird da auch wieder mit den Bundesschulen begonnen, die Pflichtschulen werden wieder vergessen – oder ich weiß es nicht. Wieder wird also etwas Essenzielles nach hinten verschoben, für das es aber bereits ein fertiges Konzept gab und das daher eigentlich sehr schnell hätte umgesetzt werden können. Das ist aus meiner Sicht völlig unverständlich und kurzsich­tig.


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Es gibt viele vertane Chancen, anscheinend ist aber in dem Fall politisches Kalkül wich­tiger als eine bestmögliche Bildung und Ausbildung unserer Kinder und ihre Chancen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ma, das sind die alten Stehsätze! Bundesrat Steiner: Da waren die Sozis auch nicht viel besser!) – Sie können sich gerne später zu Wort melden, jetzt aber bitte einmal zuhören, damit man auch entsprechend darauf antworten kann! Zuhören ist eine Stärke, die nicht jeder beherrscht – ich weiß. (Bundesrätin Mühlwerth: Parlamentarismus lebt auch von Zwischenrufen! – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Noch eine Schwäche unseres Schul- und Bildungssystems hat der Lockdown ans Licht gebracht beziehungsweise noch wesentlich stärker aufgezeigt: Die WHO hat ja schon vor Jahren festgestellt, dass sich jeder dritte Österreicher, jede dritte Österreicherin zu wenig bewegt, und auch den Kindern und Jugendlichen fehlt es an Bewegung. Kein Turnunterricht, keine Möglichkeit, sich im Verein sportlich zu betätigen, all das hat wäh­rend der Coronakrise noch das Seine dazu beigetragen.

Bisweilen hat es an den Schulen wirklich kreative und individuelle Lösungen gegeben, Turnstunden per Videokonferenz zum Beispiel, regelmäßig ganze Sportkurse per Lern­video und vieles mehr. Unsere Pädagoginnen und Pädagogen wissen sehr wohl um die Bedeutung der Bewegung im Schulbereich und haben sehr einfallsreich versucht, den durch Schließung der Schulen und Schichtbetrieb sowie durch das quasi Sperren der Sportvereine naturgemäß entstandenen Bewegungsmangel auszugleichen.

Es braucht aber auch, ganz besonders in Zukunft, einen fest in den Stundentafeln der Schulen verankerten regelmäßigen Sport und solche Bewegungseinheiten, und das im besten Falle täglich, denn wir wissen: Regelmäßige Bewegung trägt ganz wesentlich zur Vorsorge, zur Prävention von Herz-Kreislauf-Krankheiten, von Erkrankungen des Bewe­gungsapparates und auch zur Unfallverhütung bei, und es ist wissenschaftlich erwiesen, dass damit so nebenbei die Konzentrationsfähigkeit steigt und bessere schulische Leis­tungen ermöglicht werden.

Wir kennen alle den Spruch mens sana in corpore sano, ich glaube, ich muss es nicht übersetzen. 2018 wurde die flächendeckende Umsetzung der täglichen Turnstunde ab 2020 vom damaligen Sportminister Strache noch groß angekündigt, umgesetzt worden ist sie in dieser Form aber leider nicht, ganz im Gegenteil. (Bundesrat Rösch: Dem ist was dazwischengekommen! – Bundesrat Steiner: Ibiza ist dazwischengekommen!)

In diesem Sinne darf ich heute den folgenden Antrag einbringen – begründet habe ich das, glaube ich, entsprechend ausführlich; der Antrag liegt Ihnen ja auch vor, daher kom­me ich gleich zum Antragstext –:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der täglichen Bewegungs- und Sporteinheit bedeutet bessere Gesundheit und Fitness unse­rer Kinder“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Bundesminister für Kunst, Kultur, Öffentlicher Dienst und Sport und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden er­sucht, gemeinsam mit den Bundesländern und dem organisierten Sport Bewegungsini­tiativen in den Kindergärten und Schulen weiterhin zu fördern und die flächendeckende Umsetzung der täglichen Bewegungs- und Sporteinheit in allen Kindergärten und Schul­typen voran zu treiben.


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Die Umsetzung einer Gesamtstrategie für eine tägliche Bewegungs- und Sporteinheit in allen Kindergärten und Schultypen ist auch ein wichtiger Beitrag für die Entwicklung un­serer Gesellschaft und wird positive Folgewirkungen vor allem für das Gesundheits- und Sozialsystem sowie die Motivierung von Kindern und Jugendlichen für den Leistungs- und Spitzensport haben.

Die Bundesregierung wird aufgefordert eine Gesamtstrategie auszuarbeiten, die auch die Öffnung von Freizeitanlagen und von der öffentlichen Hand errichtete und geführte (Schul)-Sportanlagen beinhaltet, damit diese vor allem Kindern und Jugendlichen ganz­jährig zur Verfügung stehen. Zwischen Kindergarten, Schule und dem organisierten Sport mit seinen Verbänden und Vereinen ist eine aktive, wertschätzende Partnerschaft weiter auszubauen. Für die Durchführung der täglichen Bewegungs- und Sporteinheiten sollten der Zugang für ÜbungsleiterInnen, TrainerInnen bzw. Bewegungscoaches an Kindergärten und schulischen Einrichtungen erleichtert und bürokratische Hürden abge­baut werden.“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, eine tägliche Bewegungs- und Sporteinheit würde uns auf längere Sicht jährlich sage und schreibe 530 Millionen Euro an Folgekosten im Gesundheitssystem ersparen.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Bitte die Redezeit beachten!


Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (fortsetzend): Ich komme schon zum Schlusssatz.

Nachdem uns die versprochene Patientenmilliarde irgendwo in irgendwelchen Regie­rungsabkommen und -programmen abhandengekommen ist, müsste uns diese tägliche Bewegungseinheit das allemal wert sein. In diesem Sinne hoffe ich auf Ihre Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.35


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Umset­zung der täglichen Bewegungs- und Sporteinheit bedeutet bessere Gesundheit und Fit­ness unserer Kinder“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.


14.36.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Frau Kollegin Hahn, glauben Sie, dass Sie es schaffen, im nächsten Schuljahr ein paar neue Stehsätze zu kreieren? (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Steiner. – Bundesrätin Hahn: Was soll das eigentlich?) Ihre alten Steh­sätze kennen wir hinlänglich, die können wir ja fast schon auswendig herbeten, denn Sie sagen jedes Mal genau dasselbe. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wäre wirklich angenehm, von Ihnen einmal etwas Neues zu hören! (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir müssen zu einem normalen Schulbetrieb zurückkommen! Wir haben ja jetzt gehört, was alles im Gesetz enthalten ist, das muss ich nicht wiederholen, wir werden auch zustimmen. Nur: Wir müssen wieder zu einem normalen Schulbetrieb zurückkommen. Wir können nicht sagen: Na, wer weiß, was im Herbst ist, und vielleicht – ja, was jetzt?!

Wenn die Zahlen wieder steigen – wir wissen aber, an den Schulen waren die wenigsten Ansteckungen –, dann fallen sie wieder, es gibt ein Hin und Her und unsere Kinder ha­ben dann in den nächsten fünf Jahren keinen regulären Unterricht mehr. – Das kann ja nicht ernst gemeint sein! (Beifall bei der FPÖ.)


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Das Homeschooling hat ja ganz gut funktioniert. Es war nicht so super, denn es waren nicht alle Lehrer so super, und es hat die Eltern vor wirklich schwerste Herausforderun­gen gestellt, denn nicht jeder wohnt so komfortabel, dass er die Kinder fallweise auch einmal in ein anderes Zimmer schicken kann. Es gibt viele, die auf 60 Quadratmetern zu viert oder zu fünft wohnen und aber Homeoffice haben machen müssen; und die Kinder, wie wir wissen, kommen immer im unpassendsten Moment und wollen irgendetwas wis­sen, erklärt haben et cetera.

Das war für die Eltern schon eine echte Herausforderung, und so sehr die Kinder ei­nerseits dieses Zuhausesein genossen haben – das haben sie schon auch, die Ruhe gemeinsam mit den Eltern, das war schon auch spannend –, haben sie gleichzeitig ihre Schulkameraden vermisst, weil sie diesen Umgang mit den Gleichaltrigen natürlich brau­chen. Wir wissen auch, dass es in vielen Familien nicht friktionsfrei abgelaufen ist, auch das ist eine Tatsache, auch daran sieht man, wie schwierig diese Verhältnisse für die Familien waren.

Es ist so eine immer wiederkehrende Aussage, die stolz vorgebracht wird: Wir werden die Kinder mit Laptops ausstatten! – Ja, schön. Ich halte es auch für nötig und ich halte es auch nicht für falsch. Nur: Dieser Laptop ist jetzt so eine Art neuer Götze geworden. Ich sage Ihnen: Das herkömmliche Lernen ersetzt er nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen auch – nicht erst seit gestern –, dass der Erfolg beim Unterricht in der Schule und auch beim Lernen der Schüler mit dem Lehrer steht und fällt. Ist er ein guter Lehrer, kann er auch seine Schüler motivieren – das gilt natürlich immer für beide Geschlechter, für Männer wie für Frauen –, ist er ein schlechter Lehrer, dann hat er seine Probleme. Die Rolle des Lehrers wollen, sollen und dürfen wir also nicht unterschätzen. Das kann kein Laptop ersetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch zwei Sätze zur Mathematikmatura: Ich habe heute wieder gelesen, man überlegt, das soll an die BHS angepasst werden. Ich möchte hier ausdrücklich betonen: Die BHS, die eine berufsbildende Schule ist, wird in Mathematik wahrscheinlich ein wenig anders agieren als eine allgemein bildende höhere Schule. Aufgabe und Ziel der AHS ist ja, die Studierfähigkeit der Schüler sicherzustellen. Das tut sie in vielen Fällen ja eh schon nicht mehr. Es ist ja nicht so, dass sie ein Garantieschein ist, dass diese studierfähig sind. Mathematik ist aber auch etwas Abstraktes, und wir brauchen - - (Bundesrätin Schu­mann: Das sind ja auch nur Stehsätze!) – Frau Kollegin Schumann, Ihre ewige Gleich­macherei wird Sie nicht weiterbringen, und es hat sich ja auch schon gezeigt, dass sie Sie nicht weitergebracht hat. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann. – Bundesrätin Hahn: Sie kritisieren Stehsätze und bringen nichts anderes ein!) Das Ergebnis Ihrer Bildungspolitik ist, dass ein Viertel nach neun Jahren nicht ausrei­chend lesen, schreiben und rechnen kann. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Das ist das Erfolgserlebnis der SPÖ! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich fürchte mich daher davor, dass Sie irgendwo beim Ausarbeiten eines Gegenstandes die Finger im Spiel haben, denn das kann nur schlecht ausgehen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Bei allen Schülern, vor allem aber bei denen, die die AHS verlassen und dann vielleicht ein Technikstudium machen, kann ich nicht sagen, wir machen jetzt so eine Pipifax-Ma­thematikmatura. Das muss schon eine ordentliche Matura sein. (Bundesrätin Grimling: Es ist so, dass die BHS in Mathematik besser abschneidet als die AHS!)

Man muss manchmal auch den schon etwas reiferen Menschen zuhören. Ich kann mich noch erinnern, während der ersten Zentralmatura in Mathematik war ich am Rathaus­platz, denn da war gerade das Waldviertel zu Gast. An meinem Tisch saßen mir unbe­kannte Personen und haben sich über die Mathematikmatura unterhalten. Einer von de­nen, die halt schon ein bisschen älter als 40 Jahre waren, sagte: Also ich verstehe nicht,


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wo das Problem ist, das haben wir in der 6. Klasse rechnen können.  Das sollte uns schon zu denken geben.

Wir haben diese Bestrebung, alles gleichzumachen, was ungleich ist, ungeachtet des­sen, ob jetzt jemand dafür geeignet ist – da sind wir wieder bei den Begabungen und Talenten, die Frau Kollegin Zwazl heute angesprochen hat –, ob jemand begabt, lernwil­lig, lernfähig oder talentiert ist. Man versucht, dass alle die Matura machen. Wir machen daher alle gleich, wir nivellieren das Niveau immer weiter nach unten, damit dann auch endlich alle die Matura machen können, die dann am Ende aber auch immer weniger wert geworden ist. Davon müssen wir weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen, dass sichergestellt ist, dass, wenn jemand ein Gymnasium oder auch eine berufsbildende höhere Schule mit einer Matura verlässt, seine oder auch ihre Studierfä­higkeit gegeben ist. Also bitte jetzt nicht wieder an der Mathematik herumdrehen, bis die Schraube endlich ganz fest angezogen ist, sondern sie an das anpassen, wo sie hinge­hört, was verlangt wird und was auch gebraucht wird! (Beifall bei der FPÖ.)

14.43


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Kollege.


14.43.58

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mein Gesamteindruck von Homeschooling ist – abseits von allen Schwierigkeiten und Belastungen, die es natürlich gab – schon auch der, dass eigentlich alle Schulpartner eine gewisse Flexibilität bewiesen haben, dass es letztlich dann doch geklappt hat und dass ja auch neue Skills entwickelt worden sind, die wahrscheinlich förderlich für die Zukunft sein werden.

Es geht jetzt um ein Schulrechtspaket, und vielleicht ist es auch im Gesamten ganz in­teressant, sich anzuschauen, was eigentlich alles drinsteckt. Es sind ja Novellierungen drinnen, die ganz verschiedene Bereiche des Bildungssystems beleuchten und so auch irgendwie auf die Vielfalt unserer Bildungslandschaft hinweisen.

Es ist einerseits der Lehrgang für Früherziehung enthalten, da geht es um Ein- bis Drei­jährige, ein Bereich, der – da stimme ich Ihnen auf jeden Fall zu – auf jeden Fall noch aus­zubauen ist.

Dann ist einiges über Gymnasien drinnen, über die Oberstufe, und da finde ich vor allem die Nost, die neue modulare Oberstufe, interessant. Die Lehrpläne der Nost sind kompe­tenzorientiert gestaltet und semestriert aufgebaut. Das ist eine wirkliche Veränderung und aus meiner Sicht eine zeitgemäße Reform. Anscheinend sind diese Veränderungen auch so markant, dass die Oberstufen zwei weitere Jahre bis zur Umsetzung benötigen.

Des Weiteren sind in diesem Paket Schulversuche drinnen, speziell die Leistungssport­schulen, Ballettschulen, Skigymnasien, Skihauptschulen zum Beispiel, es sind land- und forstwirtschaftliche Fachschulen enthalten.

Es sind auch Neuerungen beim Bibliothekenverbund dabei. Das öffnet auch den Blick auf die Erwachsenenbildung, ein Bereich, der oft, wenn es um Bildung geht, ein bisschen vergessen wird.

Insgesamt ist die Bildungslandschaft in Österreich also bunt und dynamisch, und daraus ergibt sich natürlich auch immer wieder der Bedarf an Anpassungen und Änderungen. Das liegt auf der Hand, und mit den hier diskutierten Novellierungen wird das auch ge­setzlich festgeschrieben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.46



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Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Minister Faßmann gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


14.46.26

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich habe mich auch zu einer Stellungnahme hinreißen lassen, Frau Hahn, weil Sie eine sehr pointierte Rede gehalten haben. Der erste Teil findet meine uneingeschränkte Zustimmung, Sie haben auch die Dankesworte an Schüler, Leh­rer und Eltern sehr elegant, sehr schön gemacht.

Sie haben dann aber angefangen, gleichsam implizite Vorhaltungen zu machen, dass manches zu spät kommt. Insbesondere haben Sie dann erwähnt, dass die Weitergabe von circa 160 000 Endgeräten nicht im September erfolgen kann. – Ich kann klarerweise auch nicht in den nächsten Elektroladen gehen und 160 000 Geräte kaufen. (Bundesrä­tin Hahn: Das Konzept dafür war ja schon länger da!) – Ich komme gleich auf Ihre Kon­zepte zu sprechen. Es ist ganz klar, dass das in einem ordentlichen Ausschreibungsver­fahren über die Bundesbeschaffungsgesellschaft durchgeführt werden muss. Ich möchte letztlich nicht vor einem Untersuchungsausschuss landen, weil diese Sache einer gro­ßen Investition nicht wirklich rechtlich korrekt abgewickelt wird. Dahin gehend bitte ich um Ihr Verständnis.

Jetzt haben Sie gesagt: Warum erst jetzt? – Meine Vorgängerinnen – es waren meistens Vorgängerinnen, einige kamen aus der Sozialdemokratie – muss ich fragen: Warum ist da nichts passiert? (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht nur eine! Leider!) 1986 hat der da­malige Minister Helmut Zilk das Unterrichtsfach Informatik eingesetzt, und seit damals – wenn Sie Vorwürfe machen wollen, müssen Sie sie an die Vorgängerinnen richten – ist nichts realisiert worden. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Papier ist produziert - - (Bundesrätin Hahn: Wer hat den Finanzminister gestellt? – Bundesrat Steiner: Das ist die Ausrede für alles! – Bundesrätin Hahn: Das ist auch so! – Bundesrat Steiner: Dann braucht ihr aber nie wieder zu regieren! – Bundesrat Rösch: Wir hatten die besten Mi­nister aller Zeiten! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Vizepräsidentin Gross­mann gibt das Glockenzeichen.) – Sie haben die Ursache inzwischen geklärt, das ist, glaube ich, wertvoll.

Darf ich noch etwas zur Nost sagen? – Die Nost hat eine gute und richtige Ambition, Sie haben es auch erwähnt. Die Nost sollte auf die Stärken und Talente von Schülern und Schülerinnen eingehen. Daraus geworden ist aber im Wesentlichen ein gewisses Park­platzsystem für nicht positive Noten. Wir haben daher auch mit gutem Grund die Nost noch einmal ins Regierungsübereinkommen aufgenommen und haben gesagt, wir prü­fen, ob nicht eine echte Modularisierung durchgeführt werden kann, die tatsächlich auf die Interessen und Talente von Schülern und Schülerinnen Rücksicht nimmt.

Frau Mühlwerth, Sie haben von mir eingefordert, es muss wieder einen normalen Schul­betrieb geben. – Sie kennen meine Ambitionen, und ich sage: Natürlich möchte ich ha­ben, dass es wieder einen normalen Schulbetrieb geben wird. Unsere Planungsperspek­tive für den Herbst ist der Beginn einer normalen Schule. Wir müssen aber natürlich auch Gesundheitsschutz im Auge haben, das ist eine ganz wichtige Sache. Wir arbeiten im Sommer wirklich intensiv daran, das kommende, zu definierende Ampelsystem mit dem Schulsystem in Kombination zu bringen. (Bundesrätin Mühlwerth: Man kann das mit gewissen Regeln verknüpfen, das ist klar!) Ich möchte haben, dass Schule wieder statt­findet.

Ich habe ja auch gesagt, dass ich a priori gegen flächige Schulschließungen bin, denn es hat sich ganz eindeutig seit März und in vielen Untersuchungen herausgestellt: Die Schulen sind nicht die Orte der Transmission oder der Quelle des Virus. (Bundesrätin Mühlwerth: Nicht die Hotspots!) Ganz im Gegenteil: Die Ages hat sehr schön gezeigt,


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dass ganz wenige Cluster wirklich auf Schulen zurückgeführt werden können. Das gibt mir auch Optimismus, dass wir die Schule wieder normal beginnen lassen können, aber zu 100 Prozent kann ich es nicht garantieren.

Insgesamt bedanke ich mich für die Diskussion zu diesem Schulpaket. Es ist so ein merkwürdiges Paket geworden, weil – und das müssen Sie auch sagen und sehen – manches immer wieder gesetzlich geklärt werden muss. Wir haben ein Schulrecht, wel­ches sehr, sehr komplex ist. Alleine die Umwandlung eines Schulversuches für die Sän­gerknaben in eine Bundesanstalt bedarf einer Gesetzesänderung. Das ist auch etwas, was wir uns vorgenommen haben: eine neue Formulierung des Schulrechtes, damit es etwas einfacher wird und nicht so komplex ist.

Nichtsdestotrotz geht mein Dank auch an Sie, und ich wünsche Ihnen, weil das der letzte Tagesordnungspunkt für mich ist, eine schöne und erholsame Zeit im Sommer. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

14.51

14.51.18


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke schön, Herr Minister. Ich darf nun bei uns im Bundesrat Frau Justizministerin Alma Zadić ganz herzlich begrüßen. (Allge­meiner Beifall.)

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Umsetzung der täglichen Bewegungs- und Sport­einheit bedeutet bessere Gesundheit und Fitness unserer Kinder“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest, der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (321/E-BR/2020)

Ich darf nun den Vorsitz wieder an die Frau Präsidentin übergeben. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Bitte, mach weiter!) – Gut, ich darf weitermachen.

14.52.5112. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert werden (Grundbuchs-Novel­le 2020 – GB-Nov 2020) (223 d.B. und 296 d.B. sowie 10366/BR d.B. und 10372/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr.in Doris Berger-Grabner. – Ich bitte um den Be­richt.


14.53.34

Berichterstatterin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli


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2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz und das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2020), zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmenein­helligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


14.54.38

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Justizministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! Beim Grundbuch gab es in der Vergangenheit große Fortschritte bei der Automatisierung, wodurch es möglich ist, dass möglichst wenige Anträge hän­disch erfasst und bearbeitet werden. Vor allem im Bereich der Rangordnungsanmerkung läuft aber vieles noch über Papier. Die Rangordnung an sich bietet dem/der Liegen­schaftskäuferIn die Sicherheit, dass sich zwischen der Unterzeichnung des Kaufver­trages und der Grundbuchseintragung niemand anderer wirksam ins Grundbuch eintra­gen lassen kann.

Jetzt steht eine Novelle des Grundbuchsgesetzes an, mit der wir vor allem beschließen, dass das Instrument der Rangordnung und auch jenes der Treuhändervollmacht wesent­lich vereinfacht und leichter zugänglich gemacht werden.

Im Ausschuss wurde es schon ganz kurz angesprochen, bereits unter Maria Theresia wurde ab 1770 begonnen, ein umfassendes Häuserverzeichnis für ganz Österreich an­zulegen. Seitdem besteht unser Grundbuch als wesentliches und wichtiges Instrument, um öffentlich einsehbar feststellen zu können, welche Besitzverhältnisse, Rechte und Pflichten und Belastungen auf dem entsprechenden Eigentum liegen. Es ist ein öffentlich zugängliches Register, aus dem jeder und jede Informationen entnehmen darf, und es ist natürlich für die Allgemeinheit zugänglich. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Auf einem anderen Gebiet waren das Grundbuchsrecht und das Grundbuch wegwei­send, und zwar im Bereich der Digitalisierung. Das Grundbuch wurde nämlich schon in den 1980er-Jahren digitalisiert, damals zunächst bei den Einlagen, dann später bei den Eingaben und jetzt auch nach und nach in der Urkundensammlung.

Diese beiden Bereiche sind auch wesentliche Stützen und wesentliche Instrumente, bei denen man in die Zukunft gehen muss. Digitalisierung und Informationsfreiheit sind zwei wesentliche Punkte, die wir aus dem Grundbuchsrecht in alle anderen Rechtsgebiete übertragen wollen und werden. Genau aus diesem Grund werden wir uns – so wie auch schon früher – auch jetzt das Grundbuch als leuchtendes Vorbild nehmen und diese beiden Bereiche voranbringen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)


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14.57


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


14.57.55

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Das Grundbuch hat in Österreich eine lange Tradition. Es ist eine Erfolgsgeschichte und ein wesentliches Instrument zur Schaffung und zum Erhalt von Publizität und Rechtssicherheit. Es ist ein öffentliches Register, welches ein zentrales Element unseres Rechtsstaates bildet und für die Bür­gerinnen und Bürger ebenso wichtig ist wie für den gesamten Wirtschaftsstandort. Ich denke, dass wir in Österreich zu Recht stolz auf unser Grundbuch und die entsprechen­den Regelungen sein können.

In diesem Bereich moderne, zeitgemäße und praxisnahe Lösungen zu haben, die im Einklang mit der notwendigen hohen Rechtssicherheit stehen, ist aus meiner Sicht un­umgänglich. Ich möchte die Vorlage ausdrücklich loben, da wir mit den vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen einen weiteren Schritt in diese Richtung machen. Es wurden Probleme in der praktischen Umsetzung erkannt, adressiert und Anpassungen vorge­nommen sowie einige bürokratische Erleichterungen geschaffen.

Ein Aspekt, den ich im Zusammenhang mit dieser Novelle besonders hervorheben möch­te, ist, dass durch die Vorlage die Digitalisierung und Automatisierung vorangetrieben werden. Die Förderung der Digitalisierung von Geschäftsprozessen der Behörden ist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, aber auch aller Wirtschaftsteilnehmer und eine Notwen­digkeit. Es geht darum, in der heute immer mehr digitalisierten Welt notwendige Schritte zur Verfahrensvereinfachung und ‑beschleunigung zu setzen. Dieses Ziel stellt einen Schwerpunkt der Regierungsarbeit dar und wird in Österreich konsequent vorangetrieben.

Die Bestimmungen zum Grundbuch wurden bereits in der Vergangenheit in diesem Sin­ne angepasst und zukunftsfit gemacht. Die gegenständliche Vorlage ist ein weiterer Schritt auf diesem Weg. In den letzten Jahren konnten in diesem Bereich große Erfolge in Richtung Digitalisierung erzielt werden. Aufgrund der verbliebenen Medienbrüche, vor allem im Bereich der klassischen Papierrangordnungen mit ihrer Bindung an den Papier­beschluss, müssen aber nach wie vor viele Anträge auch in analoger Form verfasst und bearbeitet werden. Die Treuhänderrangordnung ist ein wesentlicher Teil, der dazu bei­trägt, dass die Prozesse wesentlich automatisierter ablaufen. Ein Hauptziel dieser Novel­le ist die Stärkung der Treuhänderrangordnung. Sie soll praktikabler ausgestaltet wer­den, sodass die Vorteile dieser Rangordnung überwiegen und die Papierrangordnung weiter zurückgedrängt wird.

Vorgesehen sind auch weitere Anpassungen, etwa in den Bereichen Antragstellung und Zustellung. Bei der Zustellung der Dokumente gibt es eine große Erleichterung, und zwar reicht in Zukunft die Zustellung nur an den Vertreter. Notaren und Rechtsanwälten kann man die Dokumente immer elektronisch zustellen, Privatpersonen jedoch nicht. Die Ver­treter leiten die Dokumente dann an die Vertretenen weiter und können ihnen den Sach­verhalt dann auch gleich erklären. Bei unterschiedlichen Zustellungsmethoden, das heißt, an den Vertreter elektronisch und an den Vertretenen postalisch, wären außerdem unterschiedliche Rechtsmittelfristen die Folge. Diese Änderung ist daher nicht nur eine Erleichterung, sondern sie macht auch wegen der Rechtsmittelfristen Sinn.

Es werden mit der Novelle außerdem Unsicherheiten beseitigt, wie beispielsweise die Frage, was passiert, wenn Notare oder Rechtsanwälte, die als Treuhänder tätig sind, versterben oder ihre Berufsberechtigungen verlieren. In so einem Fall soll der für einen Notar bestimmte Notariatssubstitut oder der für einen Rechtsanwalt bestellte Kammer­kommissär die Rangordnung unkompliziert ausnützen können.

Ein Punkt, den ich besonders hervorheben möchte, ist die Neuregelung in § 10 Abs. 3 des Grundbuchsumstellungsgesetzes. Die Regelung, wonach die Vorlage einer Original­urkunde unterbleiben kann, wenn auf den Originaldatensatz eines inländischen öffentlichen


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 99

und digital geführten Registers verwiesen wird, stellt für mich ein schönes Beispiel für eine Entbürokratisierung dar. Aus Sicht der Rechtsunterworfenen ist diese Regelung sehr zu begrüßen. Neben der erwähnten Erleichterung wird damit zudem erreicht, dass im Grundbuchverfahren aufgrund aktueller Daten entschieden wird.

Zusammenfassend zielt die Vorlage also darauf ab, das Grundbuch effizienter und digi­taler zu machen und Bedürfnissen aus der praktischen Handhabung nachzukommen. Die Vorlage ist durchwegs zu begrüßen, weshalb ich der Vorlage auch meine Zustim­mung erteilen werde. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.03


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Mag.a Elisabeth Grossmann. – Liebe Frau Vizepräsidentin, ich erteile es dir.


15.03.28

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Grund­buchs-Novelle, die von meinen Vorrednerinnen schon eingehend erläutert wurde und Ihnen somit auch hinlänglich bekannt ist, findet unsere Zustimmung, weil sie Sinn macht und praktikablere Lösungen anbietet.

Damit kann ich meine Rede schon beenden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Seeber und Rösch.)

15.04


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


15.04.17

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Werte Frau Minister! Werte Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Mit diesem kurzen Redebeitrag habe ich jetzt nicht gerechnet. Ich habe mir gedacht, ich habe noch ein bisschen Zeit.

Vorweg entschuldige ich mich gleich einmal bei Ihnen, dass ich heute etwas leger hier stehe. Ich habe mir gedacht, wenn zwei Plenartage hintereinander sind und der ORF es nicht einmal wert findet, dass man auch nur einen Halbtag überträgt, dann kann ich auch ohne Krawatte dastehen. Ich habe mir dann auch gedacht: Okay, warum macht der ORF das? Vielleicht ist es so, dass auf ORF III wirklich etwas Spannendes läuft? – Ja, tat­sächlich, von 9 bis 12 Uhr laufen vier Folgen von „Soko Kitzbühel“. Das hat wahrschein­lich eine höhere Einschaltquote als wir, das gebe ich zu (Bundesrätin Schumann: Nein!), aber es wäre vielleicht nicht schlecht, auch ein bisschen dem Bildungsauftrag nachzu­kommen und auch einmal die Sitzungen aus dem Bundesrat zu übertragen. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

So viel zur Wertschätzung des ORF uns gegenüber. Ich möchte aber auch noch etwas Zweites ansprechen. Es war jetzt doch einige Zeit Herr Minister Faßmann hier. Auch da möchte ich von Wertschätzung sprechen, aber in die andere Richtung. Auch wenn ich inhaltlich nicht immer seiner Meinung bin, möchte ich schon anmerken: Wenn ein Mi­nister hier sitzt und sich wirklich über Stunden anhört, was teilweise an Kritik aus der Opposition kommt, das aufnimmt und darauf auch zumindest repliziert – ob er es dann mitnimmt oder nicht, ist eine andere Geschichte –, wirklich hier sitzt und aufpasst, zeugt das von Wertschätzung. Dafür danke ich Herrn Minister Faßmann. Das ist nämlich bei dieser Regierung leider nicht selbstverständlich. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Bundesrat Rösch – in Richtung ÖVP –: Jetzt gibt es einmal Lob, und ihr klatscht nicht!)

Vorweg: Wir werden der Grundbuchs-Novelle natürlich zustimmen, weil die Ausgestal­tung dieser Treuhänderrangordnung in Wahrheit eine Anpassung an die Praxis darstellt.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 100

Das Gesetz wird somit praktikabler. Ich erkläre es jetzt auch nicht genauer, denn das ist ja schon teilweise durch meine Vorredner passiert.

Etwas möchte ich aber schon erwähnen, und zwar wenn es um die Beglaubigung der Unterschrift auf einem Rangordnungsgesuch beziehungsweise auf einer Rangordnungs­erklärung durch einen Notar geht, dessen Bestellung eben dann nicht mehr dem entge­gensteht, dass er unterschreiben darf. Das ist nämlich etwas, was unser Nationalratsab­geordneter Volker Reifenberger noch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion als Abänderungs­antrag eingebracht hat. Das wurde dann zu einem Allparteienantrag und konnte somit auch in das Gesetz mit einfließen. – Vielen Dank dafür! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, das Grundbuch ist den Österreichern seit jeher lieb und teuer, lieb und teuer im wahrsten Sinne dieser beiden Worte, denn das Grundbuch ist historisch gesehen natürlich eine Erfolgsgeschichte. Unter Kaiserin Maria Theresia gab es 1770 die ersten Grundbücher. Das waren wirklich dicke Schwarten, in Leder eingebunden. Da waren handschriftliche Aufzeichnungen drin. Heute ist man ein bisschen weiter, es wird elektronisch und inzwischen bei Gericht geführt. (Bundesrat Pisec: Papier hält ewig!)

Lieb ist uns das Grundbuch vor allem, weil es für uns einen Faktor der Sicherheit dar­stellt, wo jedermann nachlesen kann, wem was gehört oder auch wie etwas belastet ist. Somit wird mit dem Grundbuch auch, kann man sagen, Täuschung oder Betrug hintan­gehalten oder zumindest erschwert. Das ist auch gleichzeitig ein wichtiger Faktor für den Wirtschaftsstandort Österreich, weil man eben hier mit dem Grundbuch eine gewisse Form der Verlässlichkeit hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, es ist den Österreichern lieb und teuer. Teuer ist es deshalb, weil das Grund­buch eigentlich die größte Einnahmequelle der Justiz darstellt. Die Grundbuchsgebühr soll eigentlich – wie das Wort es ja aussagt – eine Gebühr sein, und eine Gebühr soll immer kostendeckend sein. Von kostendeckend sind wir bei diesen Gebühren allerdings weit weg, es kann schon lange nicht mehr von kostendeckend die Rede sein.

Für die Eintragung eines Wohnungseigentumsrechts ins Grundbuch, also der soge­nannten Verbücherung, wird eine Gebühr von 1,1 Prozent des Kaufpreises fällig. Wenn Sie dieses Kaufobjekt jetzt zum Beispiel mit einer Hypothek belasten, dann wird für den Teil, den Sie belasten, sprich das Pfandrecht, 1,2 Prozent dieses Wertes noch einmal fällig. Hinzu kommen dann noch – das ist dann eher weniger – einmal 44 beziehungswei­se 62 Euro, je nachdem, ob die Antragstellung im elektronischen Rechtsverkehr erfolgt oder nicht. Stellen Sie sich einmal vor, Sie kaufen sich eine Wohnung oder ein Haus mit einem Wert von 300 000 Euro – ich denke, das ist in der heutigen Zeit realistisch –, dann zahlen Sie alleine für die Verbücherung dieses Hauses 3 300 Euro.

Wenn Sie jetzt davon 200 000 Euro bei einer Bank aufnehmen, dann zahlen Sie für diese 200 000 Euro 1,2 Prozent, das sind noch einmal 2 400 Euro, die dazukommen. Das heißt, für ein Haus oder eine Wohnung um 300 000 Euro zahlen Sie 5 700 Euro an Grund­buchsgebühren.

Das heißt – diese Zahlen habe ich jetzt nicht gesichert, aber ich denke, das dürfte so ziemlich stimmen; vielleicht kann mir das die Frau Minister dann bestätigen –, im Jahr 2019 gab es bei der Justiz deshalb Einnahmen von knapp 760 Millionen Euro allein aus Grundbuchsgebühren. Hut ab!, das ist kein kleiner Betrag.

Meine Damen und Herren von der Regierung, allen voran Frau Justizminister, das ist etwas, das dringendst reformiert gehört, denn diese Abzocke – das ist eine Abzocke! – gehört abgestellt. Aus dieser versteckten Steuer gehört wieder das gemacht, was es ist, nämlich eine Gebühr – eine leistbare Gebühr für unsere Landsleute. (Beifall bei der FPÖ.)

15.10



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 101

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


15.11.09

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Zuallererst möchte ich die Gelegenheit nutzen, um der Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler zur Übernahme der Bundesratspräsidentschaft für das Land Salzburg zu gratulieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es freut mich auch, dass etwas Normalität in das Hohe Haus eingekehrt ist und wir jetzt über ein Gesetz entscheiden, das nichts mit Covid zu tun hat. Es geht eben um die Grundbuchs-Novelle 2020. Ich freue mich auch deswegen, dass wir dieses Gesetz auf den Weg bringen, weil es auch entsprechend dem Regierungsprogramm zu einer Auto­matisierung und Digitalisierung insbesondere im Grundbuch beiträgt und damit ein klei­ner Mosaikstein im Vorantreiben der Justiz 3.0 gesetzt werden konnte. Daher freue ich mich auch, dass wir heute über diesen Antrag abstimmen.

In den letzten Jahren konnten bereits große Fortschritte erzielt werden, es sind aber trotzdem Medienbrüche verblieben, die dazu beigetragen haben, dass die Papierbe­schlüsse und viele Anträge im Grundbuch immer noch händisch erfasst und bearbeitet werden mussten. Es gibt diese Treuhänderrangordnung, die auf den Namen des Rechts­anwalts, des Notars als Treuhänder lautet, die dann für den Mandanten oder die Man­dantin ausgenutzt werden kann. Es war geplant und ist nach wie vor geplant, dass diese das Papierdokument und den Papierbeschluss etwas weiter zurückdrängen kann.

Jetzt hat sich aber erwiesen, dass es da einige nicht praktikable Regelungen gibt, daher war uns einfach wichtig, mit dieser Grundbuchs-Novelle 2020 die Treuhänderrangord­nung praktikabler zu gestalten, sodass die Vorteile dieser Rangordnung überwiegen. Ein paar dieser Punkte wurden ja schon genannt. Allen voran möchte ich aber auch kurz auf einen Punkt eingehen, der ein bisschen für Kritik im Hintergrund gesorgt hat, aber ich möchte diesen trotzdem aufgreifen.

Es geht insbesondere um die Erleichterung der Zustellung. Wir haben uns bei dieser Novelle bewusst dafür entschieden, auch im Grundbuch die Zustellungsarten an das restliche Zivilverfahren anzupassen, daran, wie es normalerweise im Zivilverfahren gere­gelt ist. Das heißt, wir sind davon abgegangen, auch direkt an die Partei zuzustellen, sondern wenn eine Partei vertreten ist, dann wird nur an den Vertreter zugestellt. Da hat es ein bisschen Sorge gegeben, ob denn das zu Missbrauch führen würde. Wir haben, das kann ich Ihnen versichern, im Justizressort mit Expertinnen und Experten eingehend darüber gesprochen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir durch diese Änderung keine Missbrauchsgefahr sehen, auch weil die Rechtsanwaltskammer – die Vertreter sind ja oftmals Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – ganz strenge Regelungen im Bereich des vermeintlichen Missbrauchs getroffen hat. Des Weiteren hat sich ja diese Regelung auch im Zivilverfahrensrecht bewährt. Daher gehen wir davon aus, dass sie sich auch da bewähren wird und dass es zu wesentlichen Erleichterungen kommen wird.

Im Justizausschuss und auch im Nationalratsplenum wurde unsere Grundbuchs-Novelle einstimmig angenommen. Ich bin dankbar, dass es diesen Allparteienantrag gab, der manche Unsicherheiten beseitigen konnte, also danke für die diesbezügliche Initiative.

Dass diese Novelle im Nationalrat die Zustimmung aller im Parlament vertretenen Par­teien gefunden hat, hat auch viel damit zu tun, dass unsere Beamtinnen und Beamten im Justizressort wirklich großartige Arbeit geleistet haben, und das auch in einer Zeit, in der wir natürlich durch die Coronakrise in etwas turbulentes Fahrwasser geraten sind. Ich freue mich aber sehr und möchte mich auch bei den Beamtinnen und Beamten im Haus bedanken, dass das gelungen ist.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 102

Ich hoffe sehr, dass dieser Entwurf auch die Zustimmung aller hier im Bundesrat findet. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.16

15.16.19


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.16.5213. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Presseförderungsgesetz 2004 geändert wird (290 d.B. und 339 d.B. sowie 10364/BR d.B. und 10393/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Ich bitte um den Bericht, Herr Bun­desrat.


15.17.16

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Presseförderungsgesetz 2004 geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Michael Schilchegger. – Bitte.


15.18.04

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Kollegen! Werte Zuseher! Wenn wir Freiheitlichen heute diesem Beschluss nicht zustimmen werden, dann hat das nicht den Grund, dass wir irgendwie die Vielfalt der Medienlandschaft torpedieren wollen oder gegen die Arbeit der Journalisten wären oder das irgendwie geringschätzen würden, sondern das hat einfach den Grund, dass wir hiermit gegen diese grundsätzliche Vorgehensweise ein Zeichen setzen wollen.

Was meine ich damit? – Man muss ja immer den Kontext einer solchen Gesetzesände­rung betrachten. Das vorliegende Paket ist im Wesentlichen eine Sonderpresseför­derung, die auch verschiedenste Medien betreffen soll, auch Onlinemedien – durchaus wünschenswert –, und es geht um ein Volumen von 3 Millionen Euro. Da kann man jetzt sagen: Na, das ist nicht besonders viel!, oder: Es ist eigentlich sehr viel!, je nachdem.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 103

Zum Vergleich: Man hat als Ausgleich für die Einschränkungen, die Medienunternehmen insgesamt durch die Covid-19-Maßnahmen der Bundesregierung erlitten haben, bereits ein Paket aufgestellt. Das war im Rahmen dieses 4. COVID-19-Gesetzespaketes, das wir hier vor einigen Wochen beschlossen haben; da ist es um ein Volumen von, glaube ich, insgesamt – wenn man alles zusammenrechnet, auch Privat-TV, Privat-Radio und so weiter – 33 Millionen Euro gegangen. 33 Millionen wurden also schon einmal als Son­derförderung – natürlich gestaffelt, nicht nach inhaltlichen Qualitätskriterien, sondern nach Reichweiten – verteilt. Ich glaube, es haben sich die Medien auch ganz herzlich bei den Regierungsparteien, so wie sie sich das gewünscht haben, mit einer unkritischen Berichterstattung bedankt.

Nun geht es um weitere 3 Millionen Euro. Wenn man sich jetzt einmal überlegt, was man als Gesetzgeber erreichen möchte, dann muss man sich immer die Frage stellen: Was soll ein gutes Gesetz sein? Man muss sich die Frage stellen: Was will ich eigentlich mit dem Regelungsanliegen erreichen? Man könnte einmal auf die Idee kommen, ein Presseförderungsgesetz zu schaffen, das dann allgemein gilt, das die Fördervolumina einmal klarstellt und Inhalte fördert, die förderwürdig sind, mit dem Qualität, aber nicht unbedingt Auflagenstärke gefördert wird, und das dann so bleibt.

Der Weg, den Sie mit Ihren Covid-Hilfspaketen und -Förderpaketen beschritten haben, ist ein anderer. Da geht es einfach darum, dass Sie irgendwelche Anlässe finden wollen, um das dann medial schön zu verkaufen, um zu sagen: Wir helfen hier dieser Branche, den Gastronomen, der Veranstaltungsbranche ein bisschen! Dann, nachdem Sie gese­hen haben, gut, Kunst und Kultur gibt es auch noch – da wurde ja mit Ihrer Staatsse­kretärin Lunacek lange geschlafen –, haben Sie gesagt: Da müssen wir auch ein biss­chen etwas tun, dann stellen wir da auch noch einmal ein Paket auf!, und so geht das jetzt wieder weiter.

Da das Ganze so gut funktioniert hat, geht es jetzt in die zweite Runde, und nach diesem ersten Medienrettungspaket folgt nun ein zweites. Irgendwann kommen Sie vielleicht am Ende des Jahres drauf: Eigentlich wünschen wir uns, dass die Berichterstattung wieder ein bisschen besser wird!, und sagen: Na ja, gut, dann überlegen wir uns eben ein drittes Medienpaket!, und so weiter. Das kann nicht im Sinne einer freiheitlichen Marktwirtschaft sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie schaffen nämlich mit einer derartigen Anlassgesetzgebung ein System von Abhän­gigkeiten – oder besser gesagt, Sie verstärken ein bereits bestehendes System von Ab­hängigkeiten –, das auch dem Journalismus und der hohen Bedeutung der Medienland­schaft nicht gerecht wird. Schauen Sie sich Qualitätsmedien an! Neben dem ORF, der sicher auch gute Inhalte produziert, gibt es, ich weiß nicht, zum Beispiel ServusTV; das entsteht alles nicht durch Ihr Fördersystem für bereits bestehende Medien, sondern das entsteht frei auf dem Markt. (Bundesrat Steiner: ... Hofberichterstatter!) Solche qualita­tiven Inhalte gehören auch gefördert! Das, was Sie tun, ist, wieder eine Gießkannenför­derung zu gewähren, in der Hoffnung, dass dann diese Medien wiederum entsprechend gut berichten.

Dazu sagen wir Freiheitlichen ganz klar Nein, und, wie gesagt, das ist wirklich als Zei­chen zu verstehen, dass wir diese paternalistische Gießkannen- und Förderpolitik von ÖVP und Grünen ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.22


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Herrn Außenminister Dr. Alexander Schallenberg herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. – Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Als nächste Rednerin darf ich Frau Bundesrätin Klara Neurauter ans RednerInnenpult bitten. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 104

15.22.43

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher und Zuhörer via Livestream zu Hause! Durch die von der Regierung vorgelegte Novelle des Presseförderungsgesetzes erhalten nun auch Wochen-, Regional- und Onlinezeitungen sowie Zeitschriften für das Jahr 2020 eine außerordentliche Förderung zur Abfederung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch die Covid-19-Krise.

In Ergänzung der bereits veranlassten besonderen Unterstützungsmaßnahmen für aus­gewählte Erscheinungsformen von Medien sollten auch die bisher nicht ausreichend be­rücksichtigten Medienprodukte eine einmalige Förderung erhalten. Deswegen freut es mich, dass wir nach den beiden ersten Medienhilfspaketen heute das dritte Paket be­schließen werden. Es werden 3 Millionen Euro sein, vor allem für die Regionalzeitungen, für Fachzeitungen oder Wochenzeitungen, wobei auch die Gratiszeitungen in dieser Ge­setzesnovelle zu den dort beschriebenen Konditionen eingeschlossen sind. Dadurch wird massiv geholfen.

Wir sind uns sicher einig, wie wichtig es ist, dass wir diese Medienbetriebe jetzt unter­stützen, sonst wird es sie nach der Krise nicht mehr geben. Das ist, glaube ich, etwas, was niemand haben will. Das Ziel der Sicherung der Anbietervielfalt in der österreichi­schen Medienlandschaft soll dadurch erreicht werden. Medien haben unter schwierigen Bedingungen die Berichterstattung während des ganzen Lockdowns aufrechterhalten. Wir haben es erlebt, wie wichtig es ist, dass eine sachliche Information darüber, welche Maßnahmen gerade in dem Moment in Österreich Gültigkeit haben und wie die Situation in Österreich und im Ausland ist, äußerst wichtig ist. Das haben die Medien in Österreich gemacht. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in unserem Land eine so viel­fältige, freie und unabhängige Medienlandschaft haben. Ich sage das nach den Ausfüh­rungen meines Vorredners mit besonderer Betonung.

Viele Zeitungsformate haben mit tüchtigen Journalisten Klarheit für die Menschen ge­schaffen, korrekte Informationen geliefert und auch den Fakenews die Stirn geboten. Für diesen Einsatz möchte ich hier auch den Journalistinnen und Journalisten und den Me­dienunternehmen einmal herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Steiner: Für die Hofberichterstattung!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Dankenswerterweise hat die Bundesregierung bereits zwei große Maßnahmenpakete zur Hilfe geschnürt gehabt, um möglichst alle Medien­unternehmen in der Krise zu unterstützen, denn einige Wirtschaftsunternehmen haben im Showdown (Ruf bei der FPÖ: Showdown?) als Erstes ihre Budgets für die Zeitungen reduziert und ihre Inseratenaufträge eingestellt. Ich bin froh, dass nun versucht wird, auch eine Digitalförderung von 18 Millionen Euro auf den Weg zu bringen, damit den digitalen Prozess bestmöglich zu unterstützen und so die Vielfältigkeit der Medienland­schaft weiter zu garantieren.

Wie gesagt, wir haben eine vielfältige, aber sehr unterschiedlich konstruierte Medien­landschaft in unserem Land. Heute geht es darum, die Regionalmedien zu unterstützen, die lokal und regional eine ganz zentrale Funktion haben und den Leuten Informationen über Kunst, Kultur, über tägliche Angelegenheiten des Bezirks, politische, kirchliche An­gelegenheiten und Neuigkeiten im Sport, im Nachbarschaftsbereich bringen. Auch die Onlinemedien sollen nun in dieser Förderung mitgenommen werden, das ist für mich eine gute Nachricht.

Ich bitte Sie, diesem Gesetzesvorhaben zuzustimmen. Wir kennen nämlich andere Län­der, die diese sachlichen Informationen, die diesen Qualitätsjournalismus nicht haben, weil die Medien nicht unabhängig sind. Deswegen wissen wir, dass es bei uns in Ös­terreich gut ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.27



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 105

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. – Bitte, Frau Kollegin.


15.27.46

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Mit dem gegenständlichen Gesetzentwurf wird das Presse­förderungsgesetz 2004 geändert, um eine einmalige außerordentliche Förderung von Wochen-, Regional- und Onlinezeitungen sowie Zeitschriften zu erzielen.

Die wirtschaftliche Lage und die Einnahmensituation der österreichischen Medienland­schaft wurde durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie schwer beeinträchtigt. Das Gesetz legt die Förderkriterien und den Verteilungsschlüssel für die Gewährung der einmaligen Förderung im Jahr 2020 zur Verminderung der Einnahmeneinbußen durch Covid-19 fest. Für die Höhe der Förderung sind die für die Aufrechterhaltung der in­haltlichen Gestaltung sowie für die Herstellung und den Vertrieb oder die Verbreitung der betreffenden Medien von März bis Juni 2020 entstandenen direkten und indirekten Personalkosten maßgeblich.

Als direkte Personalkosten sind das Bruttogehalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Form von Löhnen und Gehältern sowie Sachwertbezüge und Nebenbezüge zu verste­hen. Indirekte Personalkosten sind die sogenannten Lohnnebenkosten, das sind die Ar­beitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, durch Weiterbildung oder Ausbildung entste­hende Kosten, Kosten für Berufsbekleidung und die Steuern, die auf die Summe des Bruttolohns entfallen. Doppelförderungen derselben Kosten werden mit Ausnahme der Kurzarbeitshilfe ausgeschlossen. Abgezogen werden eine bereits gewährte erhöhte Ver­triebsförderung und ein aufgrund der Medienförderung in normalen Jahren bezogener Druckkostenbeitrag.

Diese Förderungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie bestehen erstens aus einem einmaligen Druckkostenzuschuss für Tageszeitungen, zweitens einer Vertriebsförde­rung für Tages- und Wochenzeitungen und drittens einer Förderung für Wochen-, Re­gional- und Onlinezeitungen sowie Zeitschriften.

Zusammenfassend möchte ich daher sagen: Die Fördermaßnahmen für Wochen-, Re­gional- und Onlinezeitungen sowie Zeitschriften sind im Sinne einer lebendigen medialen Vielfalt in Österreich zu begrüßen. Dies gilt umso mehr, als damit auch ein Beitrag der Anerkennung und Unterstützung für alle Beschäftigten in der betroffenen Medienwelt geleistet wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Wirken der Redakteure und Redakteurinnen, Journalisten und Journalistinnen, der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Verwaltung, Druckerei, Auslieferung und Zustellung war und ist auch in der Krisenzeit effektiv und eine verlässliche Informationsquelle. Die Garantie der Pressefreiheit als demokratisches Prinzip aufrechtzuerhalten rechtfertigt die gegenständlichen zeitlich abgestimmten Maßnahmen.

Der oft im Sinne der demokratischen Gewaltenteilung verwendete Ausdruck vierte Ge­walt als informeller Ausdruck für die öffentlichen Medien wie Presse und Rundfunk be­deutet, dass es in einem System der Gewaltenteilung eine vierte virtuelle Säule gibt.

Die Aufrechterhaltung einer fairen Berichterstattung, ausgeglichen zwischen Regierung und Opposition, ist besonders in einer schwierigen Situation ganz wichtig. Meine Frak­tion unterstützt dieses Vorhaben und fordert eine rasche Umsetzung. Sie wird daher dem Gesetz ihre Zustimmung erteilen. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.32


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 106

15.32.41

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrter Herr Minister! Wir reden jetzt über das Presseförderungsge­setz, das, wie schon meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben, ein weiterer Schritt ist, um der vielfältigen Medienlandschaft in Österreich etwas zugutekommen zu lassen, weil sie gerade in der Covid-19-Krise sehr stark betroffen ist.

Wenn wir jetzt einmal einen Blick über den Tellerrand werfen, um zu sehen, was aktuell zum Beispiel im Vereinigten Königreich in der Medienlandschaft passiert, dann muss man auch sehen, wie wichtig solche Schritte sind. Wir haben es, glaube ich, gestern alle gelesen, beim „Guardian“ sind es 600 Menschen, die gekündigt werden, bei der BBC sind es auch enorme Ausmaße an Kündigungen, die da gerade ausgesprochen worden sind. Ich habe mich zu wenig mit der Medienpolitik Großbritanniens beschäftigt, um zu wissen, ob es dort Hilfsmaßnahmen gab, aber ich finde, wir sollten alles tun, um in un­serem Land die Medienvielfalt und damit auch die Demokratie zu schützen, und dem­entsprechend in Krisenzeiten dafür sorgen, dass es weiterhin Medienfreiheit und Me­dienvielfalt gibt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich war sehr lange für die Grünen im Publizistikförderungsbeirat – ich glaube, so heißt das, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, das ist schon eine Zeit her –, und dort haben wir – ich weiß nicht, wie viele; ich glaube, jedes Jahr mehrere – Anträge an die Bundespolitik gestellt – ich glaube, das war 2006 oder 2007 oder so, keine Ahnung –, mit dem Hinweis, dass es nicht mehr so ganz zeitgemäß ist, dass man ausschließlich Printprodukte fördert. Das ist irgendwie verhallt. Mittlerweile leben wir in einer Zeit, in der wir deutlich mehr digitale als gedruckte Medien konsumieren. Das kann man bedauern, das kann man bejubeln, das muss man nicht werten, das ist einfach so. Sogar die Print­produkte konsumiere ich persönlich schon am Bildschirm. Dafür gibt es die tollen Biblio­theken, übrigens auch die Landesbibliotheken oder die Büchereien Wien, wo man dann einen wunderbaren Zugang dazu hat. Ich möchte hier eine kleine Werbung für die vielen tollen Büchereien in diesem Land machen, die auch den Zugang zu dieser Medienvielfalt und zu den vielen Meinungen ermöglichen.

Dass jetzt die Onlinemedien bei diesem Hilfspaket berücksichtigt werden, das ist mir wirklich eine Freude, denn das war bis jetzt in Österreich tatsächlich noch gar nicht so üblich, und das sollten wir auch einmal betonen. Es sind allerdings nicht nur die Online­medien, die berücksichtigt werden, sondern auch die Wochenzeitschriften. Für alle, die via Livestream zuschauen, zur Erklärung: Alle Wochenzeitschriften, die eine Mindestauf­lage von 5 000 Stück haben und mindestens 41 Mal im Jahr 2019 erschienen sind, ha­ben da einen Anspruch auf Gelder.

In diesem Paket sind auch Zeitschriften miteinbezogen. Hat man zum Beispiel eine Min­destauflage von 5 000 Stück und die Zeitschrift ist im Jahr 2019 mindestens viermal er­schienen, kann man eine Förderung abholen. Ich denke da zum Beispiel an eine meiner Lieblingszeitschriften, das ist der „Ballesterer“, ein tolles Fußballmagazin, das könnte sich da Geld abholen. Das ist für die auch wichtig, denn viele Werbungen gerade in Zeitschriften, in Wochenzeitschriften betreffen Events, Kulturveranstaltungen, Festi­vals – die jetzt nicht stattfinden. Das ist ein Riesenentfall, und umso wichtiger ist es für diese Medien, dass sie Hilfe bekommen.

Weiters – und das ist vielleicht für den Bundesrat sogar am wichtigsten – geht es darum, dass die regionalen Medien die Möglichkeit haben, Förderungen zu bekommen. Ich zi­tiere aus dem Text: Es geht hier um „vorwiegend redaktionell aufbereitete Information und Berichterstattung über Wirtschaft, Sport, kulturelle Veranstaltungen und Lokalpoli­tik“. Die Bezirksblätter, die Bezirkszeitungen, meine Bezirkszeitung in Rudolfsheim-Fünf­haus oder die „Ischler Woche“, wir alle kennen die regionalen Zeitungen – viele von euch


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sind in der Regionalpolitik und in der Kommunalpolitik tätig – und wissen auch, wie wich­tig es ist, diese regionalen Themen zu erzählen.

Wenn ihr das nächste Mal in euren Regionalzeitungen über die Arbeit im Bundesrat er­zählt, kann man ja vielleicht auch sagen, dass die FPÖ das abgelehnt hat. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Steiner-Wieser: No! – Bundesrat Steiner: Wenn das die Journalisten nicht wissen, dann sind sie keine guten!)

15.37


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Mag.a Andrea Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.38.04

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundes­rätinnen und Bundesräte! Das vorliegende Gesetz, dem Sie heute hoffentlich breite Zu­stimmung zuteilwerden lassen – nach den Vorrednern und -rednerinnen bin ich diesbe­züglich sehr optimistisch –, ist ein wichtiges Bekenntnis der Bundesregierung zur Me­dienvielfalt in diesem Land.

Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung ja schon mehrere Unterstützungsmaßnahmen für die Medienbranche gesetzt, die, und das darf man nicht vergessen, auch zu den in der Coronakrise besonders betroffenen Branchen gehört. Ein Lockdown, wie wir ihn doch über mehrere Wochen erlebt haben, führt zum Komplettstillstand vieler Wirtschafts­zweige. Obwohl die Medien vielleicht in dieser Zeit mehr als sonst gebraucht wurden und gefordert waren, haben sie durch den Einbruch des Werbemarkts massiv gelitten. Gerade in dieser krisenhaften Phase erfüllen die Medien eine noch wichtigere Funktion als sonst, weil sie uns informieren und die Information in einen Kontext stellen und weil sie uns Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen kritisch hinterfragen.

Mit dieser zusätzlichen Maßnahme in der Höhe von 3 Millionen Euro sollen jetzt jene Medien unterstützt werden, die von den bisherigen Erhöhungen der Medienförderung nicht oder noch nicht in ausreichendem Maße profitieren konnten.

Es wurde schon erwähnt: Wochenzeitungen wie „Trend“ und „Profil“, Monatsmagazine wie „Datum“, Special-Interest-Medien wie der „Ballesterer“ oder auch eine Vielzahl von regionalen Medienangeboten in Österreich, allein diese kurze und bei Weitem nicht voll­ständige Auflistung zeigt, wie groß die Bandbreite und Vielfalt der Medienlandschaft in Österreich ist, und sie gilt es zu erhalten. Diese Medienlandschaft gehört zu unserem geistigen Leben und zu unserer Kultur.

Ich möchte auch noch betonen, wie wichtig es ist, dass erstmals auch Onlinemedien dezidiert bei diesen Hilfsmaßnahmen berücksichtigt werden. Gerade dem qualitativ sehr hochwertigen Onlinejournalismus wollen wir mit dieser zusätzlichen Aufstockung helfen.

Ich ersuche Sie, sehr geehrte Damen und Herren, um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

15.40


15.40.54

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Mehrheit fest. Der Antrag ist somit angenommen.


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15.41.2514. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Erzie­hung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) über die Errichtung des Internationalen Zentrums für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene unter der Schirmherrschaft der UNESCO (Kategorie 2) in Graz (Österreich) (181 d.B. und 298 d.B. sowie 10389/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend eine Satzung der Interna­tionalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) samt Erklärung der Kon­ferenz (225 d.B. und 300 d.B. sowie 10390/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 14 und 15, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Ich bitte um die Berichte.


15.42.44

Berichterstatterin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA: Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angele­genheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) über die Errichtung des Internationalen Zentrums für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene un­ter der Schirmherrschaft der UNESCO (Kategorie 2) in Graz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend eine Satzung der Interna­tionalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) samt Erklärung der Konferenz.

Auch hiezu liegt der Bericht in schriftlicher Form vor, ich komme gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Kollegin.


15.44.08

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Obwohl die freiheitliche Fraktion in Graz der Errichtung dieses internationalen Zentrums zugestimmt hat, werden wir gemeinsam auf Bundesebene dagegen stimmen.

Das geschieht aber jetzt nicht deshalb – Herr Kollege Schreuder, damit Sie das nachher nicht erwähnen müssen –, weil wir generell gegen Menschenrechte oder nicht der Mei­nung sind, dass man diesbezüglich etwas tun soll, sondern in der jetzigen, finanziell


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angespannten Situation sehen wir das nicht als prioritär und denken, dass diese 1,5 Mil­lionen Euro, die dafür aufgewendet werden, in der jetzigen Zeit einfach besser einzuset­zen wären. (Beifall bei der FPÖ.)

15.44


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke sehr.

Ich darf nun als nächsten Redner Herrn Ing. Eduard Köck zum Rednerpult bitten. – Bitte.


15.45.13

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen und Zuseher! Das war jetzt wieder eine freiheitliche Grundeinstellung (Bundesrat Schennach: Kurzrede!): In Graz sind wir dafür, denn sonst wären wir ja Nestbeschmutzer, und im Bund sind wir dann dagegen, denn da finden wir dann andere Gründe. (Bundesrat Steiner: Kurz und bündig, alles gesagt!) – Ja, ja, ich rede kurz und bündig! (Bundesrat Rösch: Es gibt ja auch keine Waldarbeiter ...!)

Bei diesen zwei Punkten geht es um Menschenrechte und um erneuerbare Energie. Das sind zwei Punkte, die, wenn man sie richtig angeht, das Leben der Menschen verbessern können, und ich glaube, mit einer Zustimmung können wir das richtig angehen.

Die Errichtung des Unesco-Zentrums zur Förderung der Menschenrechte in Gemeinden und Regionen in Graz ist eine große Auszeichnung für Graz. Dafür gab es in den letzten Jahrzehnten beachtenswerte Vorleistungen.

Das Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demo­kratie, ETC, in Graz, gegründet 1999, hat am internationalen Tag der Menschenrechte im Jahr 2000 im Mozarthof den Betrieb aufgenommen. Es ist nun in der Karl-Franzens-Universität implementiert und befasst sich – ich zitiere – „theoretisch und praktisch mit Fragen der Durchsetzung von Menschenrechten und Demokratie, mit den Schwerpunk­ten Menschenrechte und Menschenrechtsbildung, Menschenrechte auf lokaler Ebene, Antirassismus und Nichtdiskriminierung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Good Governance, Südosteuropa und Menschliche Sicherheit. Seine Arbeit umfasst For­schung, Bildung, Consulting und Publikationen. Der interdisziplinäre Zugang des ETC sorgt für eine Vernetzung aller Aspekte von Demokratie und Menschenrechten auf den Ebenen von Forschung und Vermittlung.“ – Das alles passiert jetzt unter der Schirmherr­schaft und Vernetzung der Unesco.

Das ist eine starke internationale Aufwertung für Graz und ein hervorragender Erfolg für die Menschenrechtsstadt Graz, worauf alle Österreicher stolz sein können. In diesem Zusammenhang ist all jenen, die in den letzten 20 Jahren auf diesem Sektor in Graz aktiv waren, großer Dank auszusprechen. Dazu kann man gratulieren – und zustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

Zum Beitritt zur Internationalen Organisation für erneuerbare Energien ist zu sagen: Es ist gut, dass wir beitreten. Das ist sozusagen die Gegenorganisation zur OPEC, sie ist möglicherweise nicht mit den gleichen Mitteln ausgestattet, aber deshalb ist es umso wichtiger, diese Organisation zu stärken.

Das große Ziel ist: mehr erneuerbare Energie und weniger CO2-Ausstoß. Dieses Ziel hat sich auch unsere Regierung gesetzt. Gerade erst in den letzten Wochen hat sie artiku­liert, dass bis 2030 100 Prozent des in Österreich konsumierten Stroms als Ökostrom in Österreich produziert werden sollen. Dazu müssen zusätzlich 1 Terawattstunde aus Bio­masse, 5 Terawattstunden aus Wasserkraft, 10 Terawattstunden aus Wind und 12 Tera­wattstunden aus Fotovoltaik kommen. – Das sind sehr große Ziele.

Es gibt schon sehr viele, die in der Warteschlange stehen und Projekte angehen wollen. Genauso viele Bürger gibt es, die dagegen protestieren wollen. Ich denke, wir haben diesbezüglich noch sehr viel an Meinungs- und Bewusstseinsbildung vor uns.


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Wenn wir den Lebensstandard, den wir haben, erhalten wollen, müssen wir alle Möglich­keiten nutzen, die sich ergeben, um erneuerbare Energie zu produzieren, und da ist es nicht gut, wenn man immer wieder gleich Zäune dagegen aufstellt.

Ich glaube, man sollte sich auch ansehen, wo der Sitz dieser Internationalen Organisa­tion für erneuerbare Energien ist, nämlich in einer künstlichen Stadt, in Masdar City in Abu Dhabi. Sie wird für 50 000 Einwohner künstlich in den Sand konstruiert und kostet 22 Milliarden Dollar. Sie sind ein bisschen im Zeitverzug. Man will eine Universität ins­tallieren, viele Firmen und Organisationen anlocken. Das passiert gerade in einer Erdöl­region, wo man weiterdenken muss. Sie rüsten schon für die Zeit danach auf, und gerade deshalb müssen wir hier in Österreich bei der Umsetzung unserer ökologischen Ziele auf das Gas drücken, damit wir in diesem Bereich nicht wieder ins Hintertreffen geraten und letzten Endes wieder von anderen abhängig werden.

Deshalb ist es gut, wenn wir dieses Abkommen heute ratifizieren. Dafür sind wir und werben wir. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.50


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf Herrn Bundesrat Stefan Schen­nach zum Rednerpult bitten. – Bitte.


15.50.28

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Außenminister! Wenn Sie schon hier sind, erlauben Sie auch ein paar außenpolitische Worte.

Ich weiß nicht, ob das Treffen der mitteleuropäischen Außenminister vor dem Ratsgipfel eine gute Idee von Ihnen war, denn das vermittelt falsche Signale. Das, was wir jetzt brauchen, ist ein Zusammenhalt in Europa, wir brauchen einen großen Ruck und einen großen Wurf. Bundeskanzlerin Merkel zeigt das in einer Weise vor, die mich sagen lässt: Es ist eine Schande, wo wir in diesem wichtigen Moment stehen.

Zu den Bildern, die ich gesehen habe, Herr Außenminister, muss ich sagen: Mit einem Außenminister wie dem ungarischen spaßhalber zu feixen, in einer Zeit, in der wir größte Sorgen um die Demokratie in Ungarn haben – gerade angesichts dessen, was im Schat­ten von Covid passiert ist –, finde ich kein gutes Signal. Aber Sie müssen selbst dafür geradestehen; vielleicht wollen Sie uns dazu etwas sagen.

Zweitens – das ist meine nächste Frage –: Was hat die Bundesregierung bisher gegen­über der türkischen Regierung bezüglich der fatalen Entscheidung, ein Unesco-Kulturob­jekt, die Hagia Sophia, aus dem Museumsbereich herauszunehmen, der Religionsbe­hörde zu übergeben und es künftig als Moschee zu führen, geäußert? Haben Sie den türkischen Botschafter ins Außenministerium gebeten? Gibt es diesbezüglich ein klares Wording seitens der Bundesregierung? – Ich finde, das, was dort passiert, ist eigentlich unfassbar. Je mehr Menschen und Staaten eine klare Position beziehen, umso deutli­cher wird die Botschaft. Der Außenbeauftragte der Europäischen Union hat dazu ein klares Wording, die Unesco ebenso. Ich hoffe, die österreichische Bundesregierung tut dies in derselben Weise.

Drittens: Ich ersuche Sie um weitere österreichische Unterstützung, was die OSZE be­trifft. Sie sind sicher perfekt informiert, dass Harlem Désir, der seit 2017 Sonderbeauf­tragter der OSZE für die Freiheit der Medien ist, durch zwei Staaten, nämlich Tadschi­kistan und Aserbaidschan – zu Tadschikistan hatten wir gestern eine Abstimmung –, die sich durch alles andere als durch Freiheit der Medien auszeichnen, in der Erneuerung seines Mandats blockiert wird.

Ich möchte nur erinnern: Seine Vorgängerin Dunja Mijatović – eine Bosnierin, die in Wien lebt – ist jetzt Kommissarin des Europarates für Menschenrechte. Ich denke, dass auch


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Österreich als ein Stammsitzland der OSZE Druck machen muss, wenn zwei Länder, die die Medienfreiheit und die Freiheit der Journalisten und Journalistinnen mit Füßen treten, eine so bedeutende und eigentlich – ich sage es so, wie ich es meine – inferiore Blockierung vornehmen können.

Kommen wir aber jetzt zu den beiden Tagesordnungspunkten: Es ist sehr, sehr schön, dass wir ein weiteres internationales Zentrum nach Österreich, nach Graz, bekommen. Graz hat diesbezüglich eine Geschichte, denn das Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie in Graz, Kurzform: ETC, wurde bereits unter dem früheren Bürgermeister Stingl ins Leben gerufen. Nun soll es der zweite Standort der Unesco werden, um vor allem auf der lokalen und regionalen Ebene Menschenrechte durchzusetzen.

Kürzlich gab es zum Beispiel Wahlen in Nordmazedonien. Nordmazedonien hat viele, viele, viele Ethnien; Minderheiten darf man in Mazedonien nicht sagen. Dort ist jetzt in der Verfassung festgehalten, ab welchem Prozentsatz von Ethnien in einer Ortschaft die Mehrsprachigkeit herbeizuführen ist. Das ist eine Frage der Demokratie und der Demo­kratiebeteiligung.

Ich hoffe, dass dieses unter der Schirmherrschaft der Unesco zustande gekommene internationale Zentrum in Graz die Möglichkeit nützt, mit dem Kongress der Gemeinden und Regionen in enge Zusammenarbeit zu kommen.

Eine solche Ansiedelung ist eine große Ehre und zeichnet Österreich aus. Graz hat damit eine zweites internationales Institut, denn in Graz hat bereits das Sprachenzentrum des Europarates für Minderheiten und Kleinstsprachen in der Welt seinen Sitz. Es ist übri­gens sehr erfolgreich, und auch darauf sind wir stolz, denn eine solche Einrichtung gibt es nur ein Mal, und diese einzigartige Einrichtung ist in Graz, wo jetzt das neue Zentrum hinzukommt. Ich gratuliere dazu allen Steirerinnen und Steirern.

Es gibt meines Erachtens Dinge, über die man eigentlich nicht diskutieren sollte. Ich bedauere sehr und verstehe euch nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der FPÖ, dass man nicht einmal ein bisschen über den Schatten springt, aber offensichtlich ist die Gra­zer FPÖ ohnedies hochzufrieden. Wollen wir das einmal so nehmen.

Nun kommen wir zu einer der wirklich tollen internationalen Organisationen, zu Irena, jener Organisation, die für erneuerbare Energien steht.

Kollege Köck, lieber Freund Köck, du hast ein bisschen – wie soll man sagen? – dein Erstaunen ausgedrückt, dass Irena in Abu Dhabi angesiedelt ist. Ich kann dir nur sagen: Es hätte auch Österreich sein können, wenn der damalige, aus Niederösterreich stam­mende Außenminister ein bisschen engagierter gewesen wäre. Ich für meinen Teil bin damals sofort nach der Wahl der ersten Generalsekretärin, einer der höchsten Beam­tInnen der französischen Verwaltung, nach Paris gefahren und habe mit ihr zwei Stunden lang geredet, doch von der österreichischen Regierung, insbesondere vom Außenminis­terium, ist nichts gekommen.

Ich habe sie zum Beispiel darüber informiert, wer Fronius in Oberösterreich, ein Welt­marktführer betreffend Gleichstrom, ist. Wenn ich Solarstrom erzeuge, muss ich ihn in die normale Leitung bringen. Damit beschäftigt sich eine Firma mit Sitz in Oberöster­reich, sie heißt Fronius und ist Weltmarktführer. Es gibt eine andere Firma namens Solid mit Sitz in Graz, sie ist Weltmarktführer für Kühlungen durch Sonnenenergie. Die Uni­versität in Sidney, das Krankenhaus von Singapur, all ihre Systeme sind von Solid Graz gemacht, die Firma ist damit einmalig. Wenn man weitergeht: HeiSolar ist eine Wiener Firma. Wenn Sie in Katar am Flughafen landen und in die Stadt fahren, sehen Sie Foto­voltaiklampen, die von der Sonne gespeist werden, ohne Kabel. Sie sind von HeiSolar aus Wien. Dann gibt es noch Beispiele aus Amstetten und so weiter und so fort. – Es


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wäre somit alles möglich gewesen, nur hätte Ihr Amtsvorgänger ein bisschen mehr En­gagement zeigen müssen. Die deutsche Konkurrenz, auf die man sich immer wieder ausredet, war nicht wirklich so groß; wir hätten das geschafft. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

183 Staaten haben unterzeichnet, 161 haben jetzt ratifiziert. Wir stoßen jetzt endlich zu Irena dazu – das ist eine Organisation, die interessant ist. Folgendes Beispiel sei ne­benbei erwähnt: Algerien hat alle Polizeistationen energy independent gemacht, damit Terroristen das Polizeiinformationssystem nicht durch Bomben lahmlegen können. Das heißt, jede Polizeistation ist durch renewable energy betrieben.

Ich durfte einmal einen Tag lang dem Gouverneur von Bagdad einen Bericht darüber erstatten, weil er beklagt hat, dass Terroristen Bagdad ständig durch Bomben finster machen. Da habe ich angeregt: Stellt das Beleuchtungssystem um, speist das Beleuch­tungssystem mit der Sonne – Fotovoltaik –, dann müsste jeder Terrorist jede Lampe ein­zeln ausreißen.

All das treibt Irena weiter. Wir brauchen das im weltweiten Kampf gegen den Klimawan­del. Und selbstverständlich stimmt meine Fraktion für beide Anträge. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

16.00


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unter­breche nunmehr die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 14 und 15.

16.00.44Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundes­ministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend „Missstände im Bereich der Erntearbeit“ (3794/J-BR/2020)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kolle­gen an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend, die ich erneut im Bun­desrat begrüße. (Allgemeiner Beifall.)

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Korinna Schumann als erster Anfragestellerin zur Begrün­dung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.01.34

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wenn man Missstände aufzeigt, braucht man Mut; man braucht besonders viel Mut, wenn die eigene Existenz durch eine Arbeit gesichert ist, in der Missstände offensichtlich an der Tagesordnung zu sein scheinen. Mut braucht man insbesondere dann, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass man etwas an der Situation ändern kann, gering ist. Mut erfordert es dann, wenn du das Geld, das du in diesen wenigen Wochen unter schwersten Bedingungen verdienst, dringendst für dich und dei­ne Familie brauchst.

Diesen Mut hat es in den letzten Wochen mehrfach gebraucht, als ErntearbeiterInnen erstmals seit Langem die unfassbaren Bedingungen, die im Bereich ihrer Arbeitszeit, ihrer Unterbringung, ihrer Bezahlung und ihrer Behandlung herrschen, öffentlich ge­macht haben. Für schwere körperliche Arbeit wurden 4 Euro die Stunde bezahlt, und


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das für 14 Stunden am Tag, bis zu sieben Tage die Woche, bei jeder Witterung – bei Hitze, Kälte, Nässe.

Am Ende eines solchen Tages, den du beim Spargelstechen, beim Erdbeerpflücken oder am Gurkerlflieger verbracht hast, hast du 56 Euro verdient. Davon ziehst du noch einmal täglich 4 Euro für dein Quartier und 6 Euro fürs Essen ab. Du hast an diesem Tag letztlich 46 Euro im Geldbörsel, verdient nach 14 Stunden harter körperlicher Arbeit, kniend, ge­bückt oder liegend. Am Ende des Tages kommst du dann hundemüde, ausgelaugt und erschöpft in dein Quartier zurück und findest folgende Bedingungen vor: Da teilen sich beispielsweise 21 Personen eine Toilette und ein Bad, elf Personen schlafen in einem Zimmer, dicht an dicht, teilweise in Stockbetten. Das sind keine Gerüchte, nein, die Bilder wurden im Quartier aufgenommen. Die Hygienebedingungen sind schlecht, Reinigung gibt es de facto keine – und all das in Coronazeit mit den großen Ansteckungsgefahren: kein ArbeitnehmerInnenschutz! Da kommt er nicht vorbei, der süße kleine Babyelefant. Das machst du während der Erntesaison. – Und dann? – Dann hast du deine Schuldig­keit getan und kannst gehen.

Frau Ministerin, wir reden hier über arbeitende Menschen! Wir erwarten uns, dass Sie dafür sorgen, dass diese Bedingungen umgehend unterbunden werden! Sie sind wirklich unwürdig! (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht uns – und das will ich ganz klar sagen – nicht um ein Bashing des Bauernstan­des, es geht darum, solche Missstände zu unterbinden. Es geht uns um die Arbeitneh­merInnenrechte, um Menschenrechte, und diese sehen wir bei solchen Behandlungen ganz massiv gefährdet.

Dabei sind die Ereignisse nicht neu. Jeder und jede, der/die ein bisschen mit Interesse die Medien verfolgt, erinnert sich an die Fälle, die im Bereich der Erntearbeit ans Tages­licht gekommen sind: eingesperrte MitarbeiterInnen im Eferdinger Becken, Bilder von verdreckten Quartieren, Menschen, die von der harten Arbeit, die sie tagtäglich leisten, schwer gebeugt sind – und das in einem Bereich, der systemrelevant ist, was Sie selbst mehrfach in Pressekonferenzen betont haben.

Zugleich lassen wir in Österreich, in einem Land mit den höchsten Standards weltweit, auf die wir so stolz sind, solche unwürdigen Zustände zu. Das ist eine Schande und nicht hinzunehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb danke ich an dieser Stelle auch den Kolleginnen und Kollegen von der Pro­duktionsgewerkschaft PRO-GE, die in den letzten Tagen und Wochen einen erneuten Vorstoß gemacht haben und die Vertretung schlecht behandelter Erntearbeiterinnen
und -arbeiter übernommen haben. Sie kämpfen an der Seite dieser hart arbeitenden Menschen, die letztendlich dafür sorgen, dass wir Obst und Gemüse in den Supermarkt und schlussendlich auf den Tisch bekommen, für eine echte Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen.

Sie, Frau Bundesministerin, haben mit Ihrer Kollegin Köstinger am 20. März 2020 eine Pressekonferenz gegeben. Vielleicht wissen Sie noch, was Sie und Ihre Kollegin dort präsentiert haben. Sie haben eine Homepage präsentiert: www.dielebensmittelhelfer.at, und Sie haben damit die Missstände im Bereich der Erntearbeiter und -arbeiterinnen selbst noch einmal sichtbar gemacht. Es muss Ihnen ja damals schon klar gewesen sein, was Sie damit aufmachen. Fünf Tage später, am 25. März – und damit nur knappe zwei Wochen nach dem Shutdown –, hieß es, es gäbe bereits Zehntausende InteressentIn­nen, und selbst Leasingfirmen hätten sich schon gemeldet und ihr Interesse bekundet, Personal zu verleihen.

Wenig später hat man aber von diesem Projekt nichts mehr gehört. Wenn Sie das Re­sümee der befragten Bauern beispielsweise im „Report“ am 30. Juni gesehen haben, haben Sie erfahren, dass kaum Leute bei den Landwirten ankamen, die bei der Erntear­beit geholfen hätten. Haben Sie sich in dieser Zeit nicht ein einziges Mal gefragt, warum


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das so ist? – Ich sage es Ihnen, und das ist auch das, was ich gemeint habe, als ich sagte, Sie selbst hätten schon zu Beginn auf die Missstände aufmerksam gemacht. Es war auf der Homepage nie, kein einziges Mal, ersichtlich, wie die Menschen, die Erntear­beit machen, bezahlt werden.

Deshalb fragen wir Sie heute auch zum Beispiel: „Haben Sie, bzw. Ihr Ministerium bei der Vermittlung von Personen über die Homepage www.dielebensmittelhelfer.at darauf Bedacht genommen, dass die Bezahlungs-, Arbeits- und Unterbringungssituation der vermittelten Personen einen entsprechenden, angemessenen Standard hat?“

Oder um in die Zukunft zu blicken: „Welche Maßnahmen planen Sie in Zukunft, um die Arbeitsbedingungen für ErntearbeiterInnen zu verbessern?“

Darauf erwarten wir uns wirklich Antworten, Frau Ministerin, es liegt nämlich in Ihrer Ver­antwortung.

Gehen wir noch einen Schritt weiter zu den Konsequenzen: Wie gedenken Sie, gegen jene schwarzen Schafe, die Menschen ausbeuten und gegen jeden Anstand, jede Mensch­lichkeit und jede gesetzliche Vorgabe verstoßen, vorzugehen? – Ich gehe davon aus, dass Sie diese Behandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht ignorieren wollen und können. Wir fragen Sie daher: Was sind hierzu Ihre Antworten?

Letztendlich geht es um einen Berufsstand. Reden Sie mit Ihrer Kollegin Bundesminis­terin Köstinger, und sagen Sie ihr, dass unter jenen, die mit solchen Methoden arbeiten lassen, der Ruf einer ganzen Berufssparte, jener der Bäuerinnen und Bauern, leidet. Das haben sich die vielen Anständigen – die anständig arbeiten, anständig bezahlen – schlicht­weg nicht verdient.

Reden wir noch einmal kurz von der gesellschaftlichen Verantwortung, die dahintersteht: Jahrzehntelang haben Gewerkschaften und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemo­kraten für menschenwürdige Arbeit, gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne gekämpft. Es ist ein Thema, das wiederkommen wird, angetrieben durch die hohe Arbeitslosigkeit, die Verwerfungen der Krise im Herbst und die Digitalisierung, die uns langfristig vor He­rausforderungen stellen wird. Gleichzeitig erleben wir die Klimakrise, die wir vor Augen haben müssen. Wir wissen, der Transport von Waren ist einer der größten Klimakiller überhaupt. Die Produktion von Fleisch verschlingt unglaubliche Ressourcen. Insofern müssen wir dankbar und froh sein, dass wir in Österreich so viel gesundes Obst, Gemüse und Getreide herstellen. Es hilft uns, gesund zu bleiben, und es hilft der Umwelt.

Ich sage Ihnen aber eines: Die Menschen wollen umweltfreundliches Essen – na frei­lich! –, sie wollen aber auch menschenfreundlich produziertes Essen. Es muss beides geben: ArbeitnehmerInnenschutz und Klimaschutz. – Das ist der große Auftrag, den die­se Regierung hat, das wäre das Beste aus zwei Welten.

Betrachten wir das nicht nur isoliert für Österreich! In Deutschland erleben wir einen der größten Coronacluster überhaupt: in der Fleischfabrik der Firma Tönnies. Dass so etwas passiert und sich Tausende Menschen in der Arbeit mit Corona anstecken, ist epidemio­logisch einfach Wahnsinn. Das darf nicht passieren! Was aber dadurch zutage gekom­men ist, ist noch viel erschütternder: Dort passiert Ausbeutung, und zwar auf einem ähn­lichen Level, wie es aktuell bei Teilen der Erntearbeiter und Erntearbeiterinnen passiert. Diese Menschen schleppen sich, weil sie keine gescheiten Arbeitsverträge haben – die arbeiten dort alle mit Werkverträgen –, in die Arbeit, auch wenn sie krank sind. Sie ver­dienen einen Bettel, und es herrschen Arbeitsbedingungen, die sich viele, die da herin­nen sitzen, nicht einmal vorstellen können. Das ist kein auf Deutschland beschränktes Problem, es ist ein europäisches Problem. Die Herstellung von Lebensmitteln, egal aus welchem Bereich, stützt sich oft auf Ausbeutung. Das ist der Preis für billig!

Wie aktuell unsere Dringliche Anfrage heute ist, zeigt eine Aussendung der EU-Kommis­sion, die heute am Nachmittag erschienen ist: Die EU-Kommission will Saisonarbeiter


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besser schützen. Brüssel ruft die Mitgliedsländer auf, angemessene Unterbringungs- und Gesundheitsstandards zu gewährleisten und deren Einhaltung intensiver zu kontrol­lieren. Das Thema ist ein wichtiges, das Thema ist ein dringliches, und es ist gut, dass es heute angesprochen wird. Wir freuen uns auf Ihre Antworten, Frau Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

Diesen Umstand der billigen, menschenunwürdigen Produktion können wir nicht hinneh­men. Wir reden hier über einen der relevantesten Bereiche überhaupt. Wir dürfen nicht dulden, dass für jene Menschen, die tagtäglich für unsere Lebensmittel sorgen, eine Le­bensgrundlage nur mit Mühsal und erlittener Ausbeutung zu schaffen ist. Das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten, und Sie, Frau Bundesministerin, müssen nicht nur in Österreich, sondern genauso auch auf europäischer Ebene aktiv werden. Der Aufruf der Kommission ist eindeutig. Sprechen Sie mit Ihren KollegInnen, machen Sie Konzep­te, erstellen Sie einen Plan und setzen Sie diesen um! Kümmern Sie sich darum, dass die Lebensmittelerzeugung europaweit endlich zu einem fairen Arbeitsfeld wird, und ge­hen wir da als reiches Land mit hohen Standards beispielhaft voran!

Die Forderungen sind klar. Sie finden sich auch auf der Homepage von www.sezo­nieri.at, die von der Produktionsgewerkschaft PRO-GE bereitgestellt wird.

Es braucht erstens normale Arbeitszeiten, bei denen Überstunden bezahlt und Ruhe­zeiten eingehalten werden, und eine höhere Entlohnung von Wochenend- und Feier­tagsarbeit.

Es braucht zweitens eine Bezahlung, die sich zumindest am in den Bundesländern üb­lichen Mindestlohn inklusive der Auszahlung von Sonderzahlungen, also der anteiligen Auszahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, orientiert.

Es braucht drittens die sozialrechtliche Absicherung für Erntearbeiterinnen und -arbeiter, also den Anspruch auf Urlaub und Krankenstand, die Zurverfügungstellung eines sau­beren und zumutbaren Quartiers, den Schutz durch richtige Ausrüstung und auch Schutz im Falle einer Schwangerschaft.

All das sind Dinge, die im Bereich der Erntearbeit anscheinend nicht selbstverständlich sind, und das sollte es nicht geben. Das geht gar nicht! Wir wollen solche Dinge, wie wir sie in jüngster Vergangenheit hatten, nicht mehr in den Zeitungen lesen, nicht im Radio hören und nicht in den Nachrichten sehen, aber nicht, weil sie nicht mehr gezeigt wer­den – es ist wichtig, dass man das zeigt –, sondern weil es einfach nicht mehr stattfindet.

Deshalb wollen wir heute detaillierte Auskünfte über die Pläne der Frau Ministerin und der Bundesregierung in diesem Kontext, und lassen Sie mich betonen: Wir wünschen uns diesmal wirklich klare Antworten und nicht einen Auftritt, wie ihn der Herr Finanz­minister vor zwei Wochen geliefert hat. Es geht um eine Zukunftsfrage. Werden wir im Idealfall auch hier in Österreich Menschen finden, die Erntearbeit machen, oder nicht? Es geht um nicht weniger als um unsere Lebensmittel. Schaffen wir jenen, die uns damit versorgen, eine gute Lebensgrundlage! Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

16.14


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zur Beantwortung hat sich die Frau Bun­desministerin für Arbeit, Familie und Jugend zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


16.14.42

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich darf zu dieser Dringlichen Anfrage bezüg­lich der Erntehelferinnen und -helfer heute eine Stellungnahme abgeben, möchte aber zuerst in einem kurzen Statement das gesamte Thema von unserer Seite umreißen und gehe dann auf die Fragen, die Sie gestellt haben, ein.


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Die Coronakrise hat uns in unserer alltäglichen Lebenswelt komplett durcheinanderge­würfelt, aber auch in der gesamten Arbeitswelt, nicht nur beispielsweise im Büro oder im Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch in unseren landwirtschaftlichen Betrieben. Un­sere Bäuerinnen und Bauern haben in dieser Zeit, aber auch über die Jahrzehnte und in Wahrheit über all die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg Großartiges geleistet, großartige Arbeit, und zwar tagtäglich, egal zu welcher Uhrzeit, egal wie das Wetter ist, egal ob am Wochenende oder unter der Woche.

Ich kenne das auch selbst aus meiner Heimat, wenn sich alles danach richtet, wie die Ernte gut nach Hause gebracht werden kann. Wie ist das Wetter? Regnet es wohl ge­nug? Viele Leute ärgern sich, wenn es draußen regnet, die Bauern und Bäuerinnen freu­en sich, damit alles gut wächst. An dieser Stelle möchte ich die höchste Anerkennung allen Bäuerinnen und Bauern und allen helfenden Händen, auch den Erntehelferinnen und Erntehelfern aussprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich nun ein Stück weit auf die Situation unserer heimischen Landwirtschaft eingehen. Ja, wie Sie schon gesagt haben, ist es ein systemrelevanter Bereich. Zum Glück können wir unseren Kindern frisches Obst und Gemüse von unseren Bäuerinnen und Bauern bieten und es im besten Fall dort auch direkt vor Ort kaufen. Auch im über­regionalen Lebensmitteleinzelhandel können wir verschiedene Produkte von unseren Bäuerinnen und Bauern bekommen.

Das ist wichtig, denn für uns als Familien beziehungsweise für alle Gruppen unserer Bevölkerung ist das frische Obst und Gemüse oder das Getreide, mit dem das Brot pro­duziert wird, das Beste überhaupt. Wir haben besonders jetzt in der Krise gemerkt, wie wichtig und zentral die regionale Versorgung ist und dass es ohne sie nicht geht. In Österreich ist es zu keinem Zeitpunkt zu Versorgungsengpässen gekommen. Das gilt es hervorzuheben und auch weiterhin zu garantieren. Das ist, wie wir in anderen Staaten beobachten konnten, keine Selbstverständlichkeit.

Zur Sicherstellung der Selbstversorgung war es wichtig, dass wir die saisonalen Obst- und Gemüsekulturen anpflanzen, aber auch ernten. Ich kann mich noch gut daran erin­nern, als wir in der Krisenzeit gesagt haben: Wir brauchen jede helfende Hand! Wir als Bundesregierung und auch ich persönlich haben ganz oft Jugendliche, die nicht in Risi­kogruppen waren, die vielleicht das Semester auf der Uni nicht weiterstudieren konnten oder auch in Kurzarbeit waren, die also mehr Zeit zu Hause hatten, gebeten und an sie appelliert, sich zu melden.

Dann kam oft die Frage: Ja, wo melden wir uns? Deshalb haben wir, meine Kollegin Landwirtschaftsministerin Elli Köstinger und ich, gemeinsam diese Plattform ins Leben gerufen, damit sich Menschen melden können, die normalerweise nicht als Erntehelfe­rinnen oder Erntehelfer zur Verfügung stehen, weil sie eben in ihrem normalen Alltag einer Ausbildung oder einem Beruf weiter nachgehen.

Dieses Jahr war und ist kein Jahr wie die Jahre davor, auch nicht in der Landwirtschaft. Ich denke beispielsweise an eine Bauernfamilie, an eine sehr engagierte Bäuerin in mei­nem Heimatdorf. Sie hat gefragt: Na ja, was mache ich jetzt, wenn ich mit meinem be­währten Team nicht arbeiten kann, weil es wegen des Lockdowns kaum möglich ist, dass jemand über die Grenzen zu uns kommt? Sie hat dann gesagt: Ich suche mir jetzt mein eigenes Team zusammen! Es hilft nichts, ich muss mich selbst auf die Beine stel­len, denn sonst können wir den Spargel im April nicht ernten! Wir müssen ja auch die Kartoffeln anpflanzen, die in diesen Wochen geerntet werden!

Sie hat dann bei Leuten, von denen sie weiß, dass sie womöglich auf Kurzarbeit sind, herumtelefoniert. Teilweise haben auch Leute ausgeholfen, die plötzlich arbeitssuchend waren, auch Studenten oder auch Menschen in Pension. Die konnten zwar nicht 14 Stun­den am Tag durcharbeiten, aber für ein paar Stunden am Acker, am Feld zu helfen, das ist möglich gewesen.


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Diese Eigeninitiative von so vielen Bäuerinnen und Bauern ist hervorzuheben und hat gezeigt, was vor Ort oft möglich ist. Es haben sich auch Betriebe, die in Kurzarbeit ge­gangen sind, in meinem Ressort informiert: Darf ich meine Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter in den Regionen zum Landwirt um die Ecke schicken oder ihnen empfehlen, dass sie es machen? Dürfen sie ein bisschen dazuverdienen? – Ja, das ist möglich! Bitte helfen wir alle zusammen, damit wir weiterhin saisonales Obst und Gemüse in Österreich zur Verfügung stellen können. (Bundesrat Schennach: Kommen Sie irgendwann einmal auch zum Thema?)

Sie haben nach den genauen Zahlen gefragt: Mehr als 20 000 Menschen konnten über diese Plattform engagiert werden. Viel an regionaler Vermittlung ist aber auch vor Ort passiert, und das ist gut und richtig so, weil man ja oft Personen kennt, die möglicher­weise kurzfristig zur Verfügung stehen. Es ist wichtig, dass wir zusätzlich zur Kurzarbeit temporär Arbeit ermöglicht haben.

Ziel dieser Plattform war es, zusätzlich und in Kooperation mit dem Arbeitsmarktservice Arbeitskräftepotenzial und Bedarf zusammenzubringen, wenn beispielsweise Menschen aus dem Tourismus arbeitssuchend geworden sind. Das war dieses Jahr besonders in­tensiv, weil die Saison ein Monat früher, von einem Tag auf den anderen, beendet wer­den musste. Deswegen hat auch das AMS empfohlen, sich wenn möglich für diese Zeit vorübergehend zu engagieren und auf der Seite www.lebensmittelhelfer.at anzumelden.

Wir konnten rund 4 000 Arbeitskräfte an Betriebe weitervermitteln und wissen, dass es besonders für viele kleine Obst- und Gemüsebauern sehr, sehr wichtig war, dadurch Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben. Diese Vermittlungsplattform ist auch nicht von irgendwem geleitet und geführt worden, sondern vom Maschinenring – da kennen sich die Menschen in der Landwirtschaft aus –, und so konnten auch besonders die Landwirte vor Ort unterstützt werden.

An dieser Stelle ist es mir als Arbeitsministerin wichtig zu sagen, dass der Arbeitneh­merinnen- und Arbeitnehmerschutz selbstverständlich zum höchsten Wohle der Ge­sundheit immer im Vordergrund steht und zu jeder Zeit gewahrt werden muss. Entspre­chend gelten für Erntearbeiterinnen und -arbeiter, aber auch für Saisonalarbeitskräfte in den landwirtschaftlichen Betrieben die kollektivvertraglich vorgesehenen Entlohnungen, die selbstverständlich zu jeder Zeit einzuhalten sind. Eine Selbstverständlichkeit ist auch, dass die Hygiene- und Schutzbestimmungen eingehalten werden, aber auch, dass Kontrollen durchgeführt werden. In der Krise war es manchmal schwierig, vor Ort nach­zuschauen, aber die Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren konnten nichtsdesto­trotz telefonisch und auch online unterstützen. Ich komme da später noch zu den Details.

Damit die Hygiene- und Gesundheitsmaßnahmen auch im landwirtschaftlichen Bereich eingehalten werden konnten, wurde vom Gesundheitsministerium und vom Landwirt­schaftsministerium gemeinsam mit den Landwirten, die ja tagtäglich in der Ausübung ihrer Tätigkeit betroffen sind, ein Leitfaden erstellt, der laufend gemäß dem Stand der Verordnungen aktualisiert und weiterentwickelt wird. In allen Bereichen ist eine enge Abstimmung mit der Arbeitsinspektion gegeben, die in dieser herausfordernden Zeit ei­nen besonders großartigen Job für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zu­gleich aber auch für so viele Unternehmen geleistet hat.

Lassen Sie mich festhalten, dass die Gesundheit zu jeder Zeit an oberster Stelle steht. Das merken wir besonders angesichts dieser besonderen Herausforderungen. Alle ar­beitsmarktpolitischen oder wirtschaftlichen Maßnahmen orientieren sich auch am höchs­ten Wohl der Gesundheit. Das bedeutet, wir führen nicht nur einen Dialog, sondern einen Trialog, um als oberste Priorität Menschenleben zu retten.

Ich möchte kurz auf die konkreten Vorwürfe eingehen. Für den ArbeitnehmerInnen­schutz in der gewerblichen Wirtschaft ist die Arbeitsinspektion meines Ministeriums ver­antwortlich und zuständig, auch für die Kontrollen vor Ort. (Bundesrat Schennach: Da


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müssen Sie ja massenhaft Anzeigen erstattet haben!) Nichtsdestotrotz konnten die Ar­beitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren in meiner Zuständigkeit besonders in der Krise gemeinsam mit den Unternehmen viele ArbeitnehmerInnenschutzpakete erarbeiten, sodass die Hygiene- und Gesundheitsmaßnahmen eingehalten werden konnten und weiter­gearbeitet werden konnte. (Bundesrat Rösch: Nur Plattitüden!) Daher einen herzlichen Dank von meiner Seite an alle Arbeitsinspektorinnen und Arbeitsinspektoren, die gerade in dieser Zeit mehr mit Beraten beschäftigt waren als mit Bestrafen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Da waren sie dann wohl in den falschen Ortschaften unterwegs!)

Für die Kontrolle der Einhaltung der Schutzstandards in der Landwirtschaft gibt es aber eigene Land- und Forstwirtschaftsinspektionen. Da liegt die Zuständigkeit bei den Bun­desländern. Die Arbeitsinspektion ist nach Bekanntwerden der Fälle – jedem einzelnen gemeldeten Verdachtsfall wird nachgegangen! – sofort mit den Land- und Forstwirt­schaftsinspektionen in den Bundesländern, die dafür zuständig sind, in Kontakt getreten, und es wurden folgende notwendige Schritte in die Wege geleitet: Einzelfälle, wie sie zum Beispiel in Mannsdorf leider festgestellt wurden, konnten nicht geduldet werden und wurden von der zuständigen Landesbehörde inspiziert. Auch die Österreichische Ge­sundheitskasse beobachtet diese Fälle und kontrolliert nach, nämlich punkto Sozialversi­cherung und auch Unterentlohnung – wofür sie zuständig ist.

Zudem sind wir laufend in Abstimmungen mit den anderen Ressorts, die sich um die ressortübergreifende Materie kümmern, sich der Dringlichkeit sehr wohl bewusst sind und auch handeln. Aus dem Blickwinkel der Covid-Bestimmungen gab es selbstver­ständlich immer wieder Abstimmungsrunden zwischen unseren drei Ressorts, nämlich dem Gesundheits- und Sozialministerium, dem Landwirtschafts- und Tourismusminis­terium und natürlich auch meinem Arbeitsministerium.

Ich möchte jetzt kurz schildern, welche Maßnahmen wir zum Wohl der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer im landwirtschaftlichen Bereich setzen. Um die Rahmenbedin­gungen für alle Beteiligten zu vereinfachen und so auch eine bessere Orientierung geben zu können, gestalten wir aufgrund der Änderungen in der Bundesverfassung die neun verschiedenen Rechtsordnungen der Bundesländer zu einem einheitlichen Landarbeits­gesetz. Die Begutachtung hat bereits begonnen und wird noch bis Ende August durchge­führt. Wir sind da für Anregungen und Ideen selbstverständlich offen, deshalb gibt es ja einen Begutachtungszeitraum. Ziel dieser Änderungen ist die Entbürokratisierung, aber auch klare und übersichtliche Regelungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer österreichweit. Die Regelungen zum ArbeitnehmerInnenschutz werden vereinheitlicht und bringen so mehr Klarheit und Sicherheit für rund 30 000 Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer in rund 162 000 Betrieben im Bereich der Land- und Forstwirtschaft.

Aus aktuellem Anlass möchte ich noch kurz auf die Maßnahmen eingehen, die wir als Bundesregierung im Bereich der Coronatestungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Wege geleitet haben, das betrifft insbesondere die Bereiche Tourismus und Landwirtschaft. Seit Anfang Juli werden in der Hotellerie und im Touris­mus, wo es ja Gäste unterschiedlicher Herkunft gibt, Coronatestungen durchgeführt, um Clusterbildungen hintanzuhalten. Das geschieht zum höchsten Schutz der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, um das Auftreten von Virusherden zu verhindern. Wir verzeichnen, so hat es die Frau Tourismusministerin erst unlängst – heute oder gestern – verkündet, bereits 13 000 Anmeldungen. Die Kos­ten werden vom Bund übernommen, aber die Testungen erfolgen natürlich freiwillig. Tritt ein Fall auf, werden die Gesundheitsbehörden sofort informiert und die betroffenen Per­sonen beziehungsweise auch die Kontaktpersonen ausgeforscht und identifiziert, um dann vor Ort mittels einer Containment Strategy Virusherde einzudämmen.

Die Gesundheit der Menschen steht für uns an oberster Stelle und dementsprechend ist der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von zentraler Bedeutung, damit die Eindämmung des Virus gewährleistet werden kann.


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Im landwirtschaftlichen Bereich haben wir gemeinsam mit dem Landwirtschaftsminis­terium mehrere Maßnahmen getroffen, um die Menschen zu schützen, damit sie ihren wichtigen Job im versorgungskritischen Bereich tagtäglich ausführen können. Jeder und jede Einzelne leistet einen Beitrag für die gesamte Gesellschaft, sodass wir unsere Kinder vor Ort gut mit regionalen Lebensmitteln versorgen können. Wir sind stolz auf unsere heimischen Bäuerinnen und Bauern und auf die gesamte Landwirtschaft und ihre Arbeitskräfte. Daher tun wir auch unser Bestes, damit wir die besten Rahmenbedingun­gen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereitstellen.

Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen, die Sie im Zuge der Dringlichen Anfrage eingebracht haben.

Zur Frage 1:

Da dem Bund für das Landarbeitsrecht nur die Kompetenz zur Gesetzgebung zukommt, für die Vollziehung jedoch die Länder zuständig sind, sind auch die Kontrolle und die Ahndung von Verletzungen von ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften in der Land- und Forstwirtschaft ausschließlich Angelegenheit der Landesverwaltung. Zuständig sind daher die Land- und Forstwirtschaftsinspektionen, die bei den Ämtern der Landesregie­rungen angesiedelt sind, und nicht die Arbeitsinspektorate, die zu meinem Ressort ge­hören. Im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings ist die Österreichische Gesundheits­kasse zuständig, die auch die Kontrollen durchführt.

Zur Frage 2:

Das Übereinkommen (Nr. 184) über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft gilt für selbstständige und unselbstständige Landwirte und liegt daher nicht in meinem alleini­gen Zuständigkeitsbereich.

Zu den Fragen 3, 8 bis 13, 15 sowie 19:

Die Land- und Forstwirtschaftsinspektionen sind Landesbehörden, die in Angelegenhei­ten der Landesverwaltung tätig sind. Es gibt daher keinerlei Berichtspflichten, und ich kann diese Berichte auch nicht einfordern. Meine Arbeitsinspektion ist jedoch bemüht, dass mit den Land- und Forstwirtschaftsinspektionen ein Austausch zum höchsten Wohl des Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzes stattfindet. Daher fallen auch die Zahl der Bediensteten der Land- und Forstwirtschaftsinspektionen, die Zahl der Kontrol­len sowie die Zahl der festgestellten Verfehlungen und beantragten Strafen nicht in mei­ne Zuständigkeit. (Bundesrat Schennach: ... da überhaupt, wenn Sie nicht zuständig sind!)

Zur Frage 4:

Rund 4 000 Personen, also potenzielle Arbeitskräfte, wurden zuerst jeweils betreffend eine konkrete Stelle vorgefiltert und dann direkt kontaktiert. Diese sind beziehungsweise waren im Vermittlungsprozess oder sind beziehungsweise waren als Lebensmittelhel­ferinnen und -helfer im Einsatz. Die überwiegende Mehrheit der vermittelten Personen entfällt auf den Bereich Landwirtschaft. Informationen zum Beschäftigungsstatus und zu Gegenleistungen im universitären Kontext der Arbeitskräfte liegen mir nicht vor.

Zur Frage 5:

Insgesamt haben sich 595 Betriebe auf der Plattform angemeldet. Folgende Tätigkeits­bereiche wurden angeboten: im Landwirtschaftsbereich Ackerbau und Grünland, Alm- und Forstwirtschaft, Garten- und Gemüsebau, Milchwirtschaft, Nutztierhaltung, aber auch Weidewirtschaft, Obstbau, Weinbau und sonstiger Betriebszweig, weiters Lebens­mittelverarbeitung, Agrarhandel, Bäckereien, Fleischverarbeiter und Fleischer, Futter­mittel, Molkereien, Mühlen, Schlachthöfe, Zerleger und Sonstiges. Informationen über die Dauer der Beschäftigung von einzelnen Personen liegen mir nicht vor.


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Zu den Fragen 6 und 7:

Den entgeltrechtlichen Rahmen bildet der Kollektivvertrag des Landarbeitsgesetzes. Zu­ständig für die Kontrolle der ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften sind die Land- und Forstwirtschaftsinspektionen bei den Ämtern der zuständigen Landesregierungen.

Zur Frage 14:

Laut Dachverband der Sozialversicherungsträger sind aktuell insgesamt 30 357 Men­schen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft tätig. Eine Abfrage nach konkreter Tä­tigkeit, welche davon beispielsweise Erntehelfer sind oder sonstige landwirtschaftliche Tätigkeiten durchführen, beziehungsweise auch nach der geplanten Dauer dieser Tätig­keit ist nicht möglich.

Zur Verteilung nach Bundesländern mit Stand Ende Juni: Im Burgenland sind es 3 058, in Kärnten 2 002, in Niederösterreich 9 529, in Oberösterreich 3 991, in Salzburg 1 226, in der Steiermark 6 588, in Tirol 1 912, in Vorarlberg 895 und in Wien 1 156. Das sind insgesamt – nochmals – 30 357.

Zur Nationalität der Arbeitskräfte: Österreicher sind 12 567. Aus Rumänien kommen 5 639, aus Ungarn 3 037, aus Polen 1 480, aus der Ukraine 1 333, aus der Slowa­kei 1 146, aus Bosnien-Herzegowina 968, aus Slowenien 902, aus der Tschechischen Republik 727, aus Deutschland 420, aus Kroatien 281, aus Serbien 280, aus dem ehe­maligen Jugoslawien 256, aus Bulgarien 218, aus dem Kosovo 205, aus Mazedo­nien 168, aus Afghanistan 99, Staatsbürgerschaft unbekannt 70, aus der Türkei 62, Staatenlos 59, Italien 58, Serbien und Montenegro 37, Syrien 27, Russland 17, Irak 16, Moldau 16, aus der Schweiz 15, aus Großbritannien und Nordirland gemeinsam 14, aus der ehemaligen Tschechoslowakei 13, aus Litauen 12, aus den Niederlanden 11, Alba­nien 11, Portugal 10, Ägypten 10, Thailand 10 und sonstige Nationen 163.

Zur Frage 16:

Ich werde wie schon bisher natürlich auch in Zukunft mit allen zuständigen Ministerien und Behörden weiterhin gut zusammenarbeiten. Aufgrund der Einführung eines einheitli­chen bundesweiten Landarbeitsgesetzes, das sich derzeit in Begutachtung befindet, wird auch eine einheitliche Arbeitsstättenverordnung für die Land- und Forstwirtschaft erlassen werden.

Sie haben gefragt, wann das möglich sein wird. – Wir werden das nach dem Begut­achtungszeitraum machen. Die Gespräche dazu starten im September.

Zur Frage 17:

Die Gewährung von EU-Fördermitteln im Bereich der Landwirtschaft fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.

Zur Frage 18:

Auf europäischer Ebene wurden mit der Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen neue Rechte für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit dem Ziel festgelegt, den Schutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. Die Richtlinie ist bis zum 1. August 2022 umzusetzen.

Der deutsche Ratsvorsitz plant weiters die Vorlage von Ratsschlussfolgerungen zur Fra­ge der Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitnehmerinnen und Saisonarbeitnehmern mit Schwerpunktlegung auf die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping beziehungs­weise die Verhinderung von Ausbeutung dieser Beschäftigten.

Zu den Fragen 20, 21 und 23:

Derzeit befindet sich ein neues bundeseinheitliches Landarbeitsgesetz in Begutachtung, bis Ende August, bis zum 26. August ganz genau. Auf Grundlage dieses Entwurfs soll


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ab September eine einheitliche Arbeitsstättenverordnung für die Land- und Forstwirt­schaft beraten werden, die maßgebliche Verbesserungen beinhalten wird.

Zur Frage 22:

Die Zuständigkeit für die Gesetzgebung beim Landarbeitsrecht wurde erst kürzlich an den Bund übertragen, sodass nunmehr der Bund für die Gesetzgebung verantwortlich ist und nicht mehr nur für die Grundsatzgesetzgebung wie davor. Diese Kompetenzver­lagerung war das Ergebnis eines parlamentarischen Prozesses, einer parlamentari­schen Beratung und wurde im Nationalrat beschlossen. Die Zuständigkeit für Vollzie­hung und Kontrollen ist ausschließlich bei den Bundesländern geblieben.

Zur Frage 24:

Die Covid‑19-Testungen fallen nicht in meine Zuständigkeit. Das gebe ich an den zustän­digen Minister weiter.

Vielen Dank. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP.)

16.38


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke der Frau Bundesminister für die Beantwortung der Anfrage.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Rudolf Kaske. – Bitte, Herr Kollege Kaske.


16.38.47

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates und Damen und Herren, die Sie noch via Livestream dabei sind! Schönen guten Abend! Ich denke, wir sind mit unserer Dringlichen Anfrage am Puls der Zeit. Kollegin Schumann hat bereits erwähnt, dass die EU-Kommission heute zu einem besseren Schutz der SaisonarbeiterInnen auf­gerufen hat. – Kleine Werbeeinschaltung: Wenn Sie auf Teletext Seite 124 schauen, dann werden Sie das finden.

Ich zitiere eine Textpassage, die wie folgt lautet: „Hunderttausende Saisonarbeiter unter­stützen [...] wichtige Bereiche der europäischen Wirtschaft [...]. Aufgabe der EU-Mitglie­der sei es, sich um diese unerlässlichen, aber schutzlosen Arbeiter zu kümmern.“ – Zitat­ende.

Geschätzte Frau Bundesministerin! Wenn ich Ihnen so bei der Anfragebeantwortung zu­gehört habe, dann kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass so im Großen und Ganzen alle paletti ist, vielleicht mit einzelnen Ausnahmen (Bundesrat Rösch: Habe ich auch so gehört, alles super!), aber, verzeihen Sie, wir sind nicht in der Sendung „Gute Nacht Österreich“, sondern es geht hier um einen Wirtschaftszweig (Heiterkeit und Bei­fall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch) und um ArbeitnehmerInnen, die auch da oder dort – und ich sage das sehr bewusst – ausgebeutet werden.

Ich möchte aber eine grundsätzliche Anmerkung machen, weil mir das auch wichtig ist, in Richtung der Kollegen Bauernvertreter: Niemand, absolut niemand stellt die wertvolle Arbeit der Bauern in Österreich infrage, aber Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht nicht, weder in Österreich noch in Europa noch sonst irgendwo auf der Welt. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Lackner und Steiner-Wieser.)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie haben davon gesprochen, dass es zu einer zeitgemäßen Neufassung des Landarbeitsgesetzes kommen soll. – Das hoffe ich doch,


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und ich denke, die Interessenvertretungen werden das entsprechend verlangen. Das muss natürlich auch für die Erntearbeiter gelten, und ich gehe davon aus, dass dieses Landarbeitsgesetz auch für Erntearbeiter gilt.

Nun komme ich aber zu Österreich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Seit Jahren wird von der Landwirtschaft moniert, dass es einen Mangel an ErntearbeiterInnen gibt, daher gibt es jedes Jahr den Ruf nach ausländischen ArbeitnehmerInnen, und der ist jedes Jahr unüberhörbar, würde ich sagen. Die Ursachen des Arbeitskräftemangels in der Landwirtschaft werden aber seit Jahrzehnten nicht beleuchtet, auch das möchte ich sehr klar und deutlich sagen: Arbeitsbedingungen, Bezahlung und Arbeitszeit bleiben oft im Dunkeln. Liebe Frau Bundesministerin, es wird Zeit, dass Licht ins Dunkel kommt, das sage ich Ihnen ganz offen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, was wohl die wenigsten wissen, ist, dass die ILO, das ist die Internationale Arbeitsorganisation, bereits im September 2003 – also vor 17 Jahren, lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen! – ein Übereinkommen über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft abgeschlossen hat. Viele, die den Sektor und seine Bedingungen kennen, wird es wohl nicht überraschen, dass Österreich bis heute das Übereinkommen Nummer 184 nicht ratifiziert hat. Man kann daraus nur den Schluss ziehen: Da fehlt es wohl in Österreich an der Ernsthaftigkeit, wenn es darum geht, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Erntearbeiter zu verbessern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Meine Damen und Herren, ich will es auch beim Namen nennen: Die ILO-Verweigerer seit 2003 gehören zu einer gemeinsamen politischen Familie. Ihre Namen: Josef Pröll, Nikolaus Berlakovich, Andrä Rupprechter, Elisabeth Köstinger. Ich finde, es ist eine Schande, dass im 21. Jahrhundert mit ArbeitnehmerInnen, die für die Grundversorgung hervorragende Arbeit leisten, so umgegangen wird. (Bundesrat Kovacs: Genau!) Daher, Frau Bundesministerin, werden Sie tätig! Leiten Sie die Ratifizierung des Übereinkom­mens Nummer 184 der ILO ein! (Bundesrat Rösch: Darf sie ja nicht! Das mag der Kurz nicht!)

Es ist daher auch ein Gebot der Zeit, dass Erntearbeiter ausnahmslos richtig ange­meldet werden – Kollegin Schumann hat es schon erwähnt. In diesem Zusammenhang gibt es bei der zuständigen Gewerkschaft PRO-GE immer wieder Beschwerden, dass ErntearbeiterInnen den Kollektivvertragslohn nicht ganz korrekt ausbezahlt bekommen, insbesondere was Überstundenzuschläge und Sonderzahlungen betrifft.

Ein weiteres Problem sind auch die Arbeitszeitaufzeichnungen. Die Arbeitszeitaufzeich­nungen – ich sage das so offen, wie ich es mir denke – sind oft das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Ich habe große Zweifel daran, ob das mangels Sprach­kenntnissen mancher Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter überhaupt richtig gelesen werden kann, sodass viele gar nicht wissen, was sie denn da unterschreiben. Das muss man ganz offen sagen. Dann kommt noch dazu – und das ist ja in dieser ORF-Ge­schichte sehr klar und deutlich herausgekommen –, dass aus Angst um den Arbeitsplatz, den man nicht verlieren möchte, da oder dort falsche Dokumente unterschrieben wer­den.

Meine Damen und Herren, es ist hoch an der Zeit, dass diese Praktiken, wie gesagt, aufhören. Aus meiner Sicht – und Sie haben das angesprochen, Frau Bundesminis­terin – braucht es mehr Kontrollen bezüglich der Arbeitszeiten, und der Arbeitsmarkt im Bereich der Landwirtschaft ist zu attraktivieren. Nur so wird dieser Bereich auch für hei­mische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer interessanter werden. Die Covid-Krise hat gezeigt, dass die Aufrufe nach ErntearbeiterInnen im Inland gefruchtet haben, doch eigentlich – und das unterstelle ich jetzt, sage ich sehr offen – will man sie ja gar nicht. (Bundesrätin Schumann: Richtig!)


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Wie schon erwähnt, ist es höchst an der Zeit, arbeits- und sozialrechtliche Missstände einzudämmen. Die Kontrollmechanismen und Institutionen, die das überprüfen, müssen daher gestärkt werden. Neben den arbeitsrechtlichen Bedingungen – Sie haben es an­gesprochen – sind dem Gesundheitsschutz und den Hygienestandards großes Augen­merk zu schenken. Ich denke, Sie sind dafür der richtige politische Ansprechpartner, aber – auch das sage ich ganz offen – nicht nur für die Arbeitgeber, sondern vor allem auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Rösch.)

Frau Bundesministerin, Sie sind mitverantwortlich dafür, wie die Zukunft der Erntearbei­terInnen gestaltet wird. Zu einer gerechten, nicht ausbeuterischen, nachhaltigen Lebens­mittelproduktion trägt auch die Förderung kleinbäuerlicher statt agrarindustrieller Struk­turen bei. Wir fordern daher ernährungspolitische Rahmenbedingungen, die Erntearbei­terInnen und Bauern und Bäuerinnen nicht gegeneinander ausspielen. Das halte ich für ganz, ganz wichtig. Es ist wichtig, nicht wegzuschauen, sondern hinzuschauen, denn nur damit verändert man die Situation.

Zum Schluss möchte ich bemerken: Stellen Sie, Frau Bundesministerin, die arbeitenden Menschen in diesem lebenswichtigen Wirtschaftszweig in den Vordergrund, denn ohne diese Menschen findet die Ernte nicht statt! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Verzeihen Sie, Herr Präsident, ich muss noch ein Postskriptum anbringen, das habe ich überlesen. – Es gab die Frage 17, Frau Bundesministerin: Da möchte ich Sie noch ei­nmal um eine konkrete Antwort bitten. Da ging es nicht nur um die europäischen Förde­rungen, sondern es ging auch um die nationalen Förderungen. Vielleicht habe ich das überhört. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

16.49


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.49.13

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Wer­te Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Missstände gehören selbst­verständlich aufgezeigt und auch behandelt, gar keine Frage.

In den drei angeführten Fällen, die Sie in Ihrer Dringlichen Anfrage beschreiben, handelt es sich um einen Promillebereich (Bundesrat Schennach: Missstände ...!), weil es Hun­derte Vorzeigebetriebe in unserem Land gibt, die wunderbar, aber so was von wun­derbar – nur die kennen Sie nicht oder wollen Sie nicht kennen (Bundesrat Rösch: Alle können wir nicht kennen!) – arbeiten und die entsprechenden Erntehelfer wie ihre Fami­lienmitglieder behandeln. (Beifall bei der ÖVP.)

Es bedarf, geschätzte Damen und Herren, keiner Dringlichen Anfrage für eine Selbst­verständlichkeit, noch dazu an eine nicht für alle Fragen zuständige Bundesministerin. Pädagogen – die sind jetzt schon in den Ferien – würden sagen: Totale Themenverfeh­lung, setzen!, aber Sie sitzen ja bereits. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: ... Beantwortung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) – Sie waren bereits am Wort –, die Covid-19-Krise hat kaum einen Bereich ausgelassen (Bundesrätin Grimling: Und deshalb darf er die Arbeitnehmer so behandeln?) und wird auch in wei­terer Folge keinen auslassen, wenn wir nicht mit der entsprechenden Eigenverantwor­tung reagieren. Das, was hier von den beiden sozialdemokratischen Vertretern – be­ziehungsweise von einer Vertreterin und einem Vertreter – angesprochen wurde, ist eigentlich eine unglaublich abschätzige Behandlung jener Betriebe, die ich am Anfang


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angeführt habe, die das überhaupt nicht verdienen; und man kann nur froh sein, dass das Fernsehen diese Beiträge von Ihnen beiden nicht bringen konnte oder bringen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Also bitte! – Bundesrat Rösch: Das ist Demokratie, die Ausschaltung von Medien!)

Das sind die entsprechenden Punkte. Es gehört einfach zu Seriosität dieses Hauses, die Kirche dort zu lassen, wo sie eben steht und auch weiterhin stehen wird. (Weitere Zwi­schenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

In einer österreichischen Tageszeitung war am 21. März dieses Jahres unter anderem folgender Bericht zu lesen – ich zitiere nur einen Absatz –: „Bald sprießt der Spargel, nur die Arbeitskräfte könnten fehlen, um ihn in zwei Wochen zu stechen. Im niederöster­reichischen Marchfeld, im Eferdinger Becken in Oberösterreich, mancherorts auch in der Steiermark“ – meinem Heimatbundesland – „brennt der Hut. Die steirischen Krenbauern etwa werden die Nächsten sein, die ihre Feldfrüchte“ nicht aus der Scholle bringen.

In weiterer Folge steht hier, natürlich in genauer Abfolge, das wird ohne Erntehelfer schwer bis gar nicht möglich sein; und daher ist vor allem mit jenen Erntehelfern, die bereit sind, diese wirklich nicht angenehme – und Sie haben es angeführt, das ist der einzig positive Teil Ihres Beitrags gewesen, der auch sinnvoll war (Zwischenrufe bei der SPÖ – Bundesrätin Schumann: Da haben wir einen Nerv getroffen, nicht nervös wer­den!) –, körperlich schwere Arbeit zu verrichten, die auszuführen nicht alle in der Lage sind - - (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie sprechen eigentlich immer nur von mechanischen Begriffen, wir von der Volkspartei sprechen über den Menschen (Bundesrätin Hahn: 4 Euro die Stunde! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach), über das Wesentliche und Wichtigste, und über diese Erntehelferinnen und -helfer werde ich nun auch etwas kurz zum Ausdruck bringen:

Wir haben 12 567 aus Österreich kommende Personen, Frauen wie auch Männer, die zu diesem schweren körperlichen Einsatz für diese wichtige Tätigkeit bereit sind, aus Rumänien sind es 5 639, wie wir von der Frau Minister schon gehört haben. Die anderen Herkunftsländer lasse ich weg, Sie haben sich die Zahlen gemerkt oder mitgeschrieben. (Bundesrätin Hahn: 4 Euro die Stunde!) Auf alle Fälle werden diese Personen, die bereit sind, diese Leistung in der entsprechenden Zeit zu erbringen, selbstverständlich – wie denn sonst? – kollektivvertragsmäßig entlohnt. (Bundesrätin Schumann: Mit 4 Euro pro Stunde! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das sind alles Unterstellungen, die nicht beweisbar sind, aber das ist halt die Politik, die eigentlich eh immer wieder abge­straft wird.

Auf alle Fälle möchte ich schon zur Person einer Erntehelferin oder eines Erntehelfers Stellung nehmen: Es wird in der Öffentlichkeit das Bild dargestellt, als ob das irgend­welche Leute sind, die halt ein bisschen herumzupfen oder sonst ganz einfache Tätig­keiten machen. In Wirklichkeit sind das aber Personen, die klarerweise auch eine Qualifi­kation brauchen. Es ist ja nicht so, dass man beim Spargelstechen einfach jemanden hernehmen, dem ein Messer in die Hand drücken kann und der das dann irgendwie herauszupft!

Geschweige denn ist das im Weingarten so: Eine Schere halten zu können ist zu wenig. Ich muss wissen, welchen Rebenschnitt ich ansetze, damit die Qualität unseres guten steirischen (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), niederösterreichischen oder burgenländischen Weines auch gegeben ist. Das muss ich ja können, das muss ich ler­nen und auch wissen! Daher sollten diese Erntehelfer von Ihnen nicht so abqualifiziert werden, als wären sie eigentlich nichts anderes als irgendwelche billigen Arbeitskräfte. Das ist unrichtig, nicht korrekt! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Hahn: 4 Euro die Stunde! – Bundesrätin Schumann: Das habe ich nicht gesagt!)

Das, was angesprochen wurde, geschätzte Damen und Herren, all diese Dinge, all diese Lügen werden ja sowieso bestraft, das ist ja gar keine Frage. Ich kann nur eines sagen:


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Diese Art, wie man vor allem mit dieser Gruppe von eben einfachen (Bundesrätin Schu­mann: Jetzt verreden wir uns nicht, ...! Peinlich!), aber im positiven Sinn, denn das sind ja Leute, die natürlich auch eine gute Qualifikation haben - - (Bundesrätin Grimling: Jetzt wird’s noch gefährlicher! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie bringen mich gerade auf eine gute Idee. Hans Kloepfer, steirischer Arzt und Mund­artdichter, der von 1867 bis 1944 lebte, hat in einem seiner vielen Mundartgedichte ge­nau den Punkt getroffen, indem er beschreibt: „Hat keinen Beruf und auch sonst nichts gelernt.“ Da geht es darum, dass ein Landarbeiter, eben ein ganz einfacher, vor einen Richter zitiert wird, weil er eine Ehrenbeleidigung (Bundesrätin Schumann: Oje, oje!) oder sonst irgendetwas ganz Simples, aber trotzdem Strafbares gemacht hat – er wurde dann auch freigesprochen. Dieser einfache Landarbeiter ärgert sich natürlich dann auf dem Nachhauseweg, dreieinhalb Stunden zu Fuß von der Landeshauptstadt in seine weststeirische Heimat, und denkt sich: Was ist dem überhaupt eingefallen: „Hat keinen Beruf und auch sonst nichts gelernt“?! Der hat ja keine Ahnung, was so ein Landarbeiter eigentlich alles zu tun hat, um eine achtköpfige Familie zu erhalten, und natürlich dann auch noch das Ganze, was rundherum an wichtiger und großer Arbeit auf dem Felde und im Wald zu tun ist.

Das ist nämlich ganz wesentlich und wichtig: Der Mensch gehört in den Mittelpunkt ge­stellt, aber davon haben wir in unseren Bereichen halt doch ein bisschen mehr Ahnung. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Im Landarbeitsgesetz müssen klarerweise, wie überall, Modifikationen und zeitgemäße Anpassungen erfolgen. Wie schon ausgeführt wurde, ist es wichtig und notwendig, auch dieses Gesetz wieder zu erneuern und zu ergänzen, nämlich mit den Ansprüchen, die all die entsprechenden Bereiche betreffen. (Bundesrat Schennach: Sie glauben, Sie sind großartig, aber Sie sind peinlich!)

Ich komme nicht aus der Landwirtschaft, ich komme aus der größten Stadt Österreichs, aus Graz – Wien ist ja ein Bundesland, wie wir wissen (Bundesrat Schennach: Schon okay, jetzt können Sie sich setzen!) –, habe als Sozialpolitiker aber trotzdem schon eini­ges gehört und war immer wieder am Puls des Geschehens, diesem Land und dessen Bürgerinnen und Bürgern dienend.

Bleiben Sie gesund! Glück auf! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Das war peinlich! – Bundesrat Schennach: Das war extrem peinlich!)

16.58


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster ist Ing. Bernhard Rösch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege Rösch.


16.58.06

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Also, Kollege Schwindsackl, irgendet­was dürftest du irgendwann am Beginn der Krise, als man Erntehelfer gesucht hat, als Kollege nicht mitbekommen haben. Ich meine, ich verstehe ja, dass man die Politik, die man selber macht, bejubelt und schönredet, aber es ist unglaublich, dass man so dane­benliegen kann!

Wir wissen – das haben ja einige gesehen, und das ist nicht nur ein österreichisches Phänomen, sondern ein europäisches Problem –, dass in Spanien, in Italien und so wei­ter die ganzen Zuwanderer, die illegal da sind, dort irgendwo in – Unterkünfte kann man gar nicht sagen – Lagerstätten übernachten, ausgebeutet werden, keine Sozialversiche­rung, gar nichts haben, wir aber dafür in den großen Handelsketten die günstigen Toma­ten, Gurken und das alles kriegen (Bundesrätin Schumann: Spar!), wir wissen das.

Es ist ja nicht so, dass die Europäische Kommission, die in der Vergangenheit bei den schwierigsten Sachen nicht wirklich geglänzt hat, da nichts tun möchte; nur wenn die


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Staaten, auch Österreich, nicht mitmachen, dann muss man genauer hinschauen und fragen: Warum tun sie denn das nicht?

Wenn wir hören – und wir werden dem Glauben schenken –, dass dort Menschen um 4 Euro pro Stunde 14 Stunden lang arbeiten, denen wahrscheinlich hinten auch noch etwas abgeschnitten wird, dann kann das nicht in Ordnung sein, da brauche ich nicht viel zu erzählen und herumzureden. Dass über 90 Prozent, die Mehrheit der Betriebe – Gott sei Dank – wahrscheinlich ordentlich arbeiten, das glaube ich auch. Die sind aber in Wirklichkeit auch die Geprellten, denn die müssen ja mit denen, die mit unlauteren Mitteln arbeiten, konkurrieren! Auch wenn es nur 3 Prozent sind, es geht nicht, dass man da einfach wegschaut, das Ganze schönredet und verteidigt. (Bundesrat Bader: Schön­geredet wird nichts, Herr Kollege!)

Sonst, muss ich ganz ehrlich sagen, wird die ÖVP in den Verdacht kommen, hier Vor­schub zu leisten, den schwarzen Schafen praktisch doch eine Pardonierung zuteilwer­den zu lassen. Das geht nicht! (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Bundesrat Bader: Nein, das ist eine Unterstellung und eine eigenwillige Interpretation!) – Ich habe gesagt, dass die ÖVP dann in den Verdacht kommt, wenn man alles so schönredet, ja?

Der Wettbewerbsdruck auf jene, die nämlich ordentlich zahlen und die Leute ordentlich behandeln, ist dann enorm, nämlich aus dem Ausland, wo es noch viel schlimmer ist; aber nur weil es irgendwo viel schlimmer ist, heißt das nicht, dass man das bei uns dort, wo es nicht in Ordnung ist, nicht abdreht. Das muss hier einmal ganz klar gesagt werden, ist hier aber nirgendwo vorgekommen! (Bundesrat Bader: Das war gleich das Eingangs­statement des Herrn Kollegen!) Man macht sich ja dann so seine Gedanken. – Danke, dass ihr das gebracht habt; das ist ja in der letzten Zeit kaum aufs Tapet gebracht worden.

Dann ist mir wieder die Landarbeiterkammerwahl eingefallen. Ich habe dem Rudi Kaske, als er noch Präsident der Arbeiterkammer war, immer gesagt: An und für sich kann man die Landarbeiter auch in die Arbeiterkammer überführen, denn dort haben wir viele Leute, die sich im Arbeitsrecht und so weiter auskennen. In diesen kleinen Einheiten gibt es aber mehr Häuptlinge als diejenigen, die arbeiten. (Bundesrat Schennach: India­ner!) – Das will ich nicht sagen, sonst regt sich wieder jemand auf. (Bundesrat Steiner – erheitert –: Das ist diskriminierend!)

Damals hat die Sozialdemokratie immer gesagt, nein, das wollen wir eigentlich nicht, so sind einfach die Strukturen. Ich habe das so hinnehmen müssen, denn es war nicht mehrheitsfähig. Dann hat es heuer wieder eine Landarbeiterkammerwahl gegeben. Die findet ja immer im Frühjahr statt. Warum im Frühjahr? Dann sind die meisten Landar­beiter, die aus dem Osten kommen, nicht da, können also nicht mitwählen. So bleibt nur mehr die Klientel von ÖAAB und FCG. Manche FSGler gibt es auch, soll man nicht ver­gessen, den einen oder anderen gibt es dort. (Bundesrat Seeber: Jetzt kenne ich mich nicht mehr aus bei euch!) – Du wirst es gleich wissen, du kannst es auch nachlesen.

Bei der Wahl zur Niederösterreichischen Landarbeiterkammer am 18. März hat man dann gesagt: An und für sich brauchen wir die Wahl so nicht stattfinden zu lassen, wir setzen uns auf eine Liste, wir einigen uns, und wenn es nur eine Liste gibt, dann brau­chen wir auch keine Wahl mehr. So hat das auch funktioniert.

Ich habe früher auch ein bisschen Beziehungen zur DDR gehabt (Bundesrat Steiner: Uh!), habe mir das politische System dort angeschaut, und ich sage Ihnen: Selbst Ho­necker hat zumindest ein, zwei Parteien zugelassen (Heiterkeit bei FPÖ und SPÖ), auch wenn sie nicht wirklich etwas machen durften und systemtreu waren, damit es eben ein bisschen demokratisch ausschaut. Hier wurde nicht einmal eine Wahl veranstaltet. (Bun­desrat Schennach: ... Honecker!)

Als Journalisten gesagt haben: Das geht ja nicht!, lautete die Ausrede: Sonst hätten wir ein Gesetz ändern müssen! – Da haben wir Hunderte Gesetze geändert, und dieses eine


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Gesetz hat man nicht ändern können, damit wir richtige Wahlen haben? Bei den Be­triebsratskörperschaften haben wir gesagt: Bis zum Oktober oder, wenn nötig, auch da­rüber hinaus werden die Betriebsratswahlen ausgesetzt; deren Amtsperiode wird einfach entsprechend verlängert, wenn sie die über 100 Leute nicht in eine Versammlung brin­gen können. Da ist es überall gegangen, aber bei der Landarbeiterkammerwahl komi­scherweise nicht. Die fünf Leute, die dort wahrscheinlich herumgesessen sind und sich selber gewählt hätten, haben gesagt, das ziehen wir jetzt durch, weil es eben so ist.

Ich muss ganz ehrlich sagen, das macht einfach kein gutes Bild, das kann mir auch keiner schönreden. Also wenn das jemand schafft, dann gebe ich ein Bier aus, aber ich bin mir sicher, das erspare ich mir. Da würde ich der ÖVP den Rat mit auf den Weg geben, vielleicht ein bisschen kritischer zu werden. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Lackner. – Bundesrat Bader: Zahl das Bier, dann erklärt er’s dir!)

17.04


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.


17.04.55

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gleich zu Beginn möchte ich ganz klar festhalten, dass ich die Ausbeutung von Erntearbeiterinnen und Erntearbeitern, sowohl was die Entlohnung als auch die Arbeitsbedingungen betrifft, entschieden ablehne. Ich bin hier für mehr Kontrollen, strengere Strafen, für einen einheitlichen Kollektivvertrag für ganz Österreich und für eine klare Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Unter­bringung und der Entlohnung. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Na, zufrieden mit der heißen Luft der Ministerin?)

Ich möchte nun aber etwas näher auf die ganze Problematik eingehen. Zunächst einmal zum Mythos Eigenversorgung: Gerade die Covid-Krise hat die Themen Ernährungssi­cherheit, Ernährungssouveränität, gesunde und wertvolle Lebensmittel, Eigenversor­gung und Herkunft der Lebensmittel stark ins Zentrum gerückt, diese Themen haben stark an Bedeutung gewonnen.

Nun, wie sieht es mit der Eigenversorgung im Bereich Obst und Gemüse tatsächlich aus? Beim Gemüse hat unser Land einen Selbstversorgungsgrad von 58 Prozent, und beim Obst – und da sind Sorten wie Bananen, Orangen, also alles Früchte, die klimabe­dingt nicht unbedingt in Österreich wachsen, schon herausgerechnet – liegen wir bei einer Eigenversorgungsquote von 71 Prozent. In beiden Bereichen sind wir also weit weg vom Mythos der Eigenversorgung. Warum ist das so?

Das ist vor allem deshalb so, weil es sich bei Obst und Gemüse um Bereiche handelt, die sehr arbeitsintensiv sind. Es werden insbesondere bei der Ernte viele Arbeitskräfte benötigt, nämlich Arbeitskräfte, die in Österreich nur sehr schwer zu bekommen sind, weil die Arbeit sehr hart ist und sehr schlecht bezahlt wird.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal Spargel gestochen, Gurken gepflückt oder Salat geschnitten hat, und ich meine damit nicht fürs Mittagessen im eigenen Hochbeet, sondern viele Stunden lang bei jeder Witterung am freien Feld oder in heißen Folientun­neln, und das Tag für Tag.

Warum ist diese Arbeit so schlecht bezahlt? – Sie ist deshalb so schlecht bezahlt, weil die Erzeugerpreise so gering sind, weil es kaum noch eine Marge für die Bäuerinnen und Bauern gibt. Ich habe es vor zwei Jahren aufgegeben, Tomaten anzubauen, nach­dem ich 2018 für meine Arbeit – und das ist immerhin eine kontinuierliche, mehrmals die Woche zu leistende Arbeit über mehr als ein halbes Jahr hinweg – nicht nur nichts ver­dient habe, sondern nicht einmal meine Ausgaben gedeckt waren und ich für ein halbes Jahr Arbeit noch selbst etwas bezahlen durfte.


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Der Grund war simpel: Es wurden einfach ungehemmt Tomaten aus dem Ausland impor­tiert, und zwar deswegen, weil sie dort billiger produziert werden. Die Eigenversorgungs­quote liegt bei Tomaten übrigens bei lächerlichen 20 Prozent. (Zwischenruf des Bundes­rates Spanring. – Bundesrat Steiner: Jetzt könnt ihr aber was ändern!)

Tomaten werden im Ausland deshalb billiger produziert, weil in diesen Ländern, und hier allen voran Spanien und Italien, die Löhne für die ErntearbeiterInnen noch einmal we­sentlich geringer sind als in Österreich. Wir haben insgesamt ein System billiger Le­bensmittel. Bäuerinnen und Bauern wollen billige Arbeitskräfte, weil Konsumentinnen und Konsumenten billige Lebensmittel kaufen (Beifall bei Grünen und ÖVP) und daher der Handel die Preise drückt. Insgesamt ist das eine Spirale nach unten, und es gibt in diesem System fast nur Verlierer.

Ein österreichisches Spezifikum ist auch die enorme Konzentration im Handel. Die drei Handelskonzerne Rewe, Spar und Hofer haben einen Marktanteil weit über 80 Prozent und beherrschen und dominieren den Einzelhandel in Österreich wie in kaum einem an­deren Land. (Bundesrat Pisec: Das ist es, das ist das Problem!)

Gerade aber der Handel hätte es in der Hand. Es wird immer mit den Begriffen Österreich und regional geworben. Dabei wird oft auch ein Image gezeichnet, das nichts mit der Realität zu tun hat. Geworben wird mit Österreich und importiert wird hemmungslos; oder es werden die – unter Anführungszeichen – „günstigeren“ Preise der ausländischen Wa­re beinhart dazu benutzt, um die Preise für heimisches Obst oder Gemüse derart zu drücken, dass am Ende Preise übrigbleiben, von denen weder die Bäuerinnen und Bau­ern leben können noch faire, angemessene Löhne an die ErntearbeiterInnen bezahlt werden können.

Dabei würde es nicht um viel gehen. Wenn der Handel den Bäuerinnen und Bauern um 10 Prozent mehr bezahlen würde, ginge sich beides aus: Es könnten faire beziehungs­weise bessere Löhne gezahlt werden und die landwirtschaftlichen Betriebe könnten gut überleben. 10 Prozent höhere Erzeugerpreise, das wären etwa bei Tomaten circa 5 Cent pro Kilo, bei Salatgurken 2 Cent pro Stück. (Bundesrat Pisec: Zuerst das Kartell zer­schlagen, das Handelskartell zerschlagen, noch besser!)

Ich bin dafür, dass im Bereich Obst und Gemüse klar erhoben wird, bei welchem Erzeu­gerpreis den ErntearbeiterInnen faire Löhne bezahlt werden können und den Betrieben ein Überleben gesichert ist. (Ruf bei der SPÖ: Ja, ja!) Das ist ein klarer Auftrag an das Landwirtschaftsministerium und an die Landwirtschaftskammern. (Ruf bei der SPÖ: Das kommt nicht!) Im Anschluss daran ist dann der Handel gefordert, diese Preise auch zu bezahlen, auch Verantwortung zu übernehmen, nicht nur mit österreichischer Ware zu werben, sondern eben auch faire österreichische Produktion zu ermöglichen. (Zwischen­ruf des Bundesrates Pisec.)

Nochmals zum Kern der Dringlichen Anfrage, den Missständen im Bereich der Erntear­beit: Die schwarzen Schafe sind großteils bekannt. Da ist auch die Landwirtschaftskam­mer gefordert, diese Praktiken ein für alle Mal abzustellen. Es braucht mehr Kontrollen, es braucht einen einheitlichen Kollektivvertrag für ganz Österreich. (Bundesrat Schen­nach: Und Klagen!) Unsere Agrarsprecherin Olga Voglauer, mit der ich heute telefoniert habe, hat übrigens gemeinsam mit Klubobfrau Sigrid Maurer am Vormittag VertreterIn­nen der Landarbeiterkammer getroffen und hat mir auch berichtet, dass es bereits Ver­handlungen für einen in ganz Österreich gültigen Kollektivvertrag gibt, dass Mindest­standards, was die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung von ErntearbeiterInnen betrifft, ausgearbeitet werden und dass die Kontrollen deutlich verstärkt und verschärft werden sollen. Dazu bekenne ich mich vollinhaltlich.

Wichtig bleibt, dass Lösungen gefunden werden (Bundesrat Pisec: Das ist der fal­sche ...! Der Fisch stinkt immer vom Kopf!), die fair für alle Beschäftigten sind und die


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eine heimische Produktion von Obst und Gemüse sicherstellen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.12


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundes­rätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. Ich erteile ihr dieses.


17.12.48

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was mir gleich zu Beginn aufgefallen ist: Herr Kollege Lackner fordert Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ein – die Grünen klatschen. Als meine Fraktion das einforderte, kam gar nichts – also das mutet etwas seltsam an. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Rösch.)

Wir haben es gehört und wir wissen es, es ist uns bewusst, dass durch die Covid-19-Krise die ErntearbeiterInnenthematik, eigentlich ist es eine -problematik, verstärkt aufge­poppt ist. Die Landwirtschaft und die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, pro­duzieren wertvolle Güter, nämlich unsere Lebensmittel. Deshalb möchte ich hier beileibe nicht – es wird uns ständig vorgeworfen, und das weise ich von uns – ein Bauernbashing betreiben, absolut nicht, vielmehr fordere ich die türkis-grüne Bundesregierung auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und endlich auch entsprechende Arbeitsbedingungen und eine leistungsgerechte Entlohnung – und das gebe ich Ihnen in Großbuchstaben mit – für die Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, dass gerade diese Arbeitsverhältnisse prekäre Arbeitsverhältnisse sind. Auf­grund der Coronakrise konnten die Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter nicht wie ge­wohnt aus dem benachbarten Ausland anreisen, um in der Landwirtschaft dafür zu sor­gen, dass in den Geschäften das frische Gemüse und Obst zur Verfügung steht.

Wir haben auch vielfach gehört, dass es bei uns zwar viele Leute gab, die sich für diese Arbeit interessiert haben, aber es hat sich dann auch gezeigt, dass diese Leute für diese Arbeit nicht geeignet waren. Ich habe auch selber mit Landwirtinnen und Landwirten gesprochen, auch mit unserem Referenten in der Burgenländischen Landesregierung, und ich habe erfahren, dass man es aufgrund der prekären Bedingungen einfach ver­absäumt hat, dafür zu sorgen, dass auch die inländischen Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer, die diese Arbeit gerne verrichten würden, das tun können, und für die Attrak­tivierung dieser Arbeit hat man auch nicht gesorgt.

Nur ganz wenige waren auch beruflich vorbelastet; viele kamen aus der Gastronomie oder aus dem Handel. Und wenn es Leute aus dem Baugewerbe waren, dann, hat mir ein Landwirt gesagt, wäre es gar nicht möglich gewesen, diesen den Betrag zu bezahlen, den zu bekommen sie gewohnt sind. Wenn man sich die Kollektivverträge anschaut, sieht man: Die Entlohnung liegt bei unter 1 500 Euro. Mit dem Lebensmitteleinzelhandel sind fixe Preise ausgehandelt, und es gibt die starke Konkurrenz aus dem Ausland, das haben wir auch schon gehört. Dort wird einfach billiger produziert, aber da muss man sich auch anschauen, warum das wohl so ist. Die Qualität, die Herstellung, der Pestizid­einsatz, die geringeren Gehälter – all das muss bedacht werden.

Natürlich kann man ins Treffen führen, dass das eine oder andere verabsäumt wurde – wie ich bereits gesagt habe, hat man es verabsäumt, das geeignete Personal für die Erntearbeiten quasi auszubilden. Die geringe Entlohnung und die sehr schwere körper­liche Arbeit, die auch nicht an einem 8-Stunden-Tag machbar ist und auch nicht zu Freitagmittag endet, ist einfach etwas, was sehr herausfordernd ist, denn wenn Spargel oder Erdbeeren reif sind, dann müssen die einfach vom Feld in die Geschäfte gebracht werden, damit man sie auch zur Verfügung hat.


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Der Tenor aus meinen Gesprächen mit Leuten aus der Landwirtschaft – und auch aus sozialdemokratischer, also aus zutiefst menschlicher Sicht – ist immer wieder, es braucht da endlich einen gerechten Mindestlohn. Sie haben gerade angesprochen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten günstig einkaufen wollen; wenn ein gerechter Mindestlohn bezahlt wird, dann werden auch die Konsumentinnen und Konsumenten andere Preise bezahlen können und wollen.

Im Endeffekt geht es darum – lassen Sie mich das noch einmal sagen –, dass jede Erntearbeiterin, jeder Erntearbeiter einen gerechten Lohn erhält. Und noch einmal – das rufe ich Ihnen nochmals in Großbuchstaben zu –: Es geht darum, dass diese gute Arbeit, und in diesem Fall ist es eine sehr schwere körperliche Arbeit, gerecht entlohnt wird – egal, woher jemand kommt, und egal, wo jemand lebt. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Steiner-Wieser und Lackner.)

Die Verantwortung, dass die gerechte Entlohnung jetzt ausschließlich auf die Landwirtin­nen und Landwirte abgewälzt wird, ist einfach zu kurz gedacht. Natürlich greift auch das Argument, dass die Preisgestaltung des Handels schon auch ein Faktor ist, der dazu beiträgt. Ich habe mir erzählen lassen, dass die Landwirtinnen und Landwirte für einen Bund Radieschen 30 Cent bekommen; im Handel wird er um 1,29 Euro, 1,39 Euro wei­terverkauft, also die Marge für den Handel ist da schon groß. Aber weil die Grünen auf den Handel so losgegangen sind: Reden Sie mit Ihren türkisen Kollegen, die haben gute Kontakte zu den Unternehmen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Sehr gute Kontakte!)

Jetzt haben wir von der Sozialdemokratie uns überlegt: Wie können wir da Lösungen anbieten? Wie wäre es, wenn man sich Förderungen bedient und diese Förderungen für die Entwicklung des ländlichen Raumes unter sozialen Aspekten gewährt? So unterstüt­zen Sie die Landwirtinnen und Landwirte, so stützen Sie die Produkte und so wird es auch möglich, den Erntearbeiterinnen und Erntearbeitern einen gerechten Lohn zu be­zahlen. Nicht nur die Umwelt spielt eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft, sondern bitte auch der Faktor Mensch. (Beifall bei der SPÖ.) Dem muss ganz einfach Rechnung getragen werden, indem es für unsere Landwirtinnen und Landwirte, die dabei helfen, den Erntearbeiterinnen und Erntearbeitern auch einen gerechten Lohn zu bezahlen, fi­nanzielle Hilfe gibt.

Da können wir auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU setzen. Der mit Abstand größte Teil der finanziellen Fördermittel wird immer noch für Flächenprämien bezahlt. Daran sind aber keine Maßnahmen geknüpft, um zum Beispiel Soziales zu fördern. Diese Flä­chenförderung führt zu ungerechter Verteilung, so vergibt man Chancen für wirkliche Lösungen. Halten wir nicht an der Flächenförderung fest, sondern fördern wir die Betrie­be, die die ökologischen und vor allem auch sozialen Kriterien einhalten und umsetzen! Das schafft gute Arbeitsplätze und gerechte Einkommen, belebt die Branche und sichert die Landwirtschaft für die Zukunft. Wir brauchen nämlich nicht nur landwirtschaftliche Nachhaltigkeit, sondern auch soziale Nachhaltigkeit.

Mir ist schon klar, dass das jetzt nicht Ihr Ressort ist, aber bitte reden Sie mit Ihrer Amts­kollegin! (Bundesrat Bader: ... Sie, die die Anfrage ...!) Sie hat es in der Hand, wie sie diese Fördergelder verteilt. Die EU-Fördergelder - - (Bundesrat Bader: Außerdem ist es eh schon - -!) – Wir können dann gerne nachher noch reden. (Bundesrat Bader: Es steht eh schon in der APA, was du sagst!) – Na ja, gerechter Lohn für alle Branchen, ob das jetzt Landwirte sind, Leute im Handel sind, das ist komplett wurscht, das fordern wir überall. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Es steht schon in der APA!)

Die EU-Fördergelder, die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU zur Verfü­gung stehen, stehen auf zwei Säulen. Die erste Säule sind die sogenannten Direktzah­lungen, und der Erhalt dieser Fördermittel hängt vom Flächenbesitz ab.


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In der zweiten Säule sind dann die Gelder, die innerhalb des Programms für die ländliche Entwicklung, also des kofinanzierten Eler-Fonds, zur Verfügung stehen. Das sind jährlich insgesamt circa 2 Milliarden Euro durch die Förderung der EU und die nationale Kofi­nanzierung.

In Österreich gibt es auf nationaler Ebene für die 1,1 Milliarden Euro der zweiten Säule keine gesetzliche Beschlussfassung, die Landwirtschaftsministerin entscheidet über die Gewichtung der Maßnahmen allein. 2013 ist es der SPÖ gelungen, der ÖVP als dama­ligem Regierungspartner abzuringen, erstmals die im Rechtsrahmen der GAP enthalte­ne Möglichkeit zu nutzen, diese EU-Fördergelder auch für Investitionen in soziale Dienst­leistungen zu verwenden. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Bis dato wurden aber nur 3 Prozent der Mittel des Programms für die ländliche Entwicklung für diese Maßnahmen gewidmet, möglich wären aber 25 Prozent, die man in diese sozialen Dienste investieren könnte.

Leider hat die ÖVP im Mai 2019 im Nationalrat die Forderung, dass für Investitionen in soziale Dienste oder Mobilitätsinfrastruktur deutlich mehr EU-Mittel des Eler gewidmet werden, abgelehnt. Auch hier im Bundesrat fand diese wichtige Aufforderung leider keine Mehrheit.

Ich fasse zusammen: Die Landwirtschaft leistet einen großen gesamtgesellschaftlichen Beitrag. Hauptaugenmerk legen wir dabei auf die Produktion hochwertiger, nachhaltig hergestellter Produkte. Das Tierwohl wird Gott sei Dank großgeschrieben. Wir haben eine Trendwende in Richtung umwelt- und klimafreundliche Landwirtschaft. Eine nach­haltige Landwirtschaft verzichtet auf Pestizide und bedient sich organischer Dünger. Das ist ein extrem großer Beitrag, den diese Branche für ein gutes Leben leistet. Das rechnen wir hoch an und das möchten wir immer wieder betonen. (Beifall bei der SPÖ.)

Uns geht es darum, die Landwirtschaft und die dort tätigen Menschen zu stärken und zu unterstützen, und das sind eben nicht nur die Landwirtinnen und Landwirte, sondern auch die landwirtschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Heute haben wir auch schon gelesen, dass die AK und der ÖGB fordern, dass, wenn keine fairen Bedingungen herrschen, auch keine Agrarförderungen mehr ausbezahlt werden sollen. – Das finde ich gut.

Und während sich jetzt die beteiligten Player wie die Gewerkschaften und die NGOs, Aktivistinnen und Aktivisten, die gesetzlichen Interessenvertretungen der in der Land­wirtschaft Beschäftigten und natürlich auch die landwirtschaftlichen Betriebe, die sich genau an die gesetzlichen Bestimmungen halten oder sie mitunter sogar übererfüllen, selbst faire Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft wünschen und sich dafür einset­zen, scheint das ausgerechnet der österreichischen Bundesregierung – mit grüner Betei­ligung – kein großes Anliegen zu sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich, aus dem Blaufränkischland kommend, kenne vor allem sehr viele Winzerinnen und Winzer, bei denen diese Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter auch Familienanschluss haben, also wie Familienmitglieder behandelt werden. Schwarze Schafe gibt es überall; mir persönlich ist in dem Fall bei uns diesbezüglich nichts bekannt. (Bundesrat Steiner: Schwarze Schafe, das ist diskriminierend gegenüber den weißen! – Heiterkeit bei der FPÖ.) – Wie bitte? (Bundesrat Steiner: Schwarze Schafe!)

Besinnen Sie sich bitte endlich wieder auf Ihre christlich-sozialen Werte! Und nur so als Denkanstoß – vielleicht können Ihre grünen Partnerinnen und Partner da positiv auf Sie einwirken –: Ich fordere Sie auf: Setzen Sie jene politischen Initiativen und Maßnahmen, derer es bedarf, dass auch im Bereich der Erntearbeiterinnen und Erntearbeiter men­schenwürdige Bedingungen herrschen und es gerechte Entlohnung gibt! Gute Arbeit soll auch gut, also gerecht, entlohnt werden. Schwerste körperliche Arbeit, die konzentriert gemacht werden muss, muss etwas wert sein.

Daher stelle ich folgenden Entschließungsantrag:


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 132

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbes­serungen im Bereich der Erntearbeit“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend wird aufgefordert, umgehend die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen zu erarbeiten, um wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Wohnsituation der in der Erntearbeit Beschäftigten vorzunehmen und die Kontrolltätigkeiten in diesem Bereich stark zu intensivieren.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.24


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ver­besserungen im Bereich der Erntearbeit“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Bundesrat Martin Preineder zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.


17.24.45

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wer­te Damen und Herren! Als ich heute den Titel der Dringlichen Anfrage gehört habe, war ich etwas verwundert und dachte mir: Ist das das richtige Thema an die richtige Ministerin oder geht es um Bauernbashing? (Bundesrätin Schumann: Geh, hör auf! – Ruf bei der SPÖ: Gar nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Langsam, langsam, langsam!

Frau Kollegin Schumann, Herr Kollege Kaske und auch Frau Kollegin Gerdenitsch, sie alle drei haben betont, dass es hier nicht um Bauernbashing geht. (Bundesrätin Schu­mann: Genau!) Ich glaube das auch und ich möchte auf dieser Ebene die Diskussion entsprechend führen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Schumann. – Bundes­rätin Schumann: Bravo!)

Sie finden in mir und in uns allen einen Verbündeten, wenn es darum geht, Missstände abzustellen, weil schwarze Schafe bestraft gehören (Bundesrätin Grimling – in Richtung Bundesrat Steiner weisend –: Ich habe geglaubt, das darf man nicht sagen! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), weil das den Wettbewerb verzerrt, vor allem für jene, die sich ordentlich verhalten. Ich kann Sie beruhigen: Die meisten der landwirtschaftlichen Betriebe entlohnen ihre Mitarbeiter nach dem Kollektivvertrag, sie bringen sie auch gut unter und behandeln sie anständig, manchmal auch mit Familienanschluss.

Jährlich kommen 13 800 Saisonarbeiter nach Österreich, und die meisten kommen je­des Jahr wieder, weil sie mit den Bedingungen anscheinend zufrieden sind. Wir treten damit auch klar gegen Missstände auf, aber – und ich möchte hier gerne eine ehrliche Diskussion führen – es gibt auch Wettbewerbsnachteile der österreichischen Landwirt­schaft: Nachteile wie zum Beispiel, dass in der Bundesrepublik Deutschland während der ersten 70 Tage geringere Lohnnebenkosten zu bezahlen sind als in Österreich.

Ich kenne die Beschäftigung von Saisonarbeitern – um nicht zu sagen: Erntehelfern – aus eigener Erfahrung. Die meisten wissen, ich bin Biobauer, ich pflanze Biozuckerrüben an, und der Anbau von Biozuckerrüben ist sehr arbeitsintensiv, weil das Unkraut mecha­nisch, händisch entfernt werden muss. Dazu brauche ich jedes Jahr drei, vier Saisonar­beitskräfte für vier Wochen.


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Es war heuer extrem schwierig, weil nicht klar war, ob diese Saisonarbeitskräfte einrei­sen dürfen, ob sie per Flugzeug kommen müssen, ob sie am Landweg kommen können, wie das mit der Arbeitsquarantäne auszusehen hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Dann frag den Christoph! – Bundesrat Steiner: Ich helfe dir!) Es war sehr schwierig. Im Endeffekt hat die Natur mein Problem insofern gelöst, als dass der Erdfloh meine Zuckerrüben gefressen hat. Dadurch war der Zuckerrübenanbau in diesem Jahr für mich nicht mehr möglich – und möglicherweise auch im nächsten Jahr nicht mehr, weil sich der Zuckerrü­benpreis um 15 Prozent reduziert hat. Das heißt – womit wir auch bei einem wesentli­chen Thema sind, Kollege Lackner hat das angesprochen –, dass arbeitsintensive Pro­duktionsweisen in der Landwirtschaft in Österreich dann eben nicht mehr möglich sind. Damit droht die Schließung einer von zwei Zuckerfabriken in Österreich, und damit gehen auch Arbeitsplätze, Wertschöpfung, heimische Produkte verloren, was wiederum den Eigenversorgungsgrad mindert. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf mich auch recht herzlich für die Initiative www.dielebensmittelhelfer.at bedanken. (Bundesrat Steiner: Danke!) Das war eine Notlösung, eine Übergangslösung, weil eben diese Saisonarbeitskräfte gefehlt haben und nicht klar war, ob sie einreisen können. Für viele der Beteiligten war das eine sehr interessante Erfahrung. Ich habe Berichte von Betriebsführern gehört, die gesagt haben, es sind viele gekommen, die sich Landarbeit halt einfach romantisch vorgestellt hatten – weit gefehlt! (Bundesrätin Mühlwerth: Das glaube ich! – Bundesrat Steiner: Das glaube ich auch!) Es gab jene, die ihre Fähigkeiten dort einbringen wollten. Es gab auch jene, die wertvolle Erfahrungen gesammelt haben – Studenten, die gesehen haben, dass Arbeit in der Landwirtschaft mit Fleiß, mit Mühe und mit abends Müdesein verbunden ist, wenn man, Wind und Wetter ausgesetzt, 10, 12 Stunden Arbeit leistet und die Entlohnung, und das stimmt, eine durchaus geringe im Bereich des geltenden Kollektivvertrags ist.

Diesbezüglich gilt aber Folgendes – Frau Kollegin Schumann hat meiner Meinung nach etwas ganz Wichtiges gesagt –, nämlich: Ein Preis darf nicht auf Ausbeutung beruhen, und es darf auch nicht sein, dass Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ausgebeutet wer­den. (Bundesrat Steiner: Aber der Landwirt auch nicht!) Jetzt stelle ich die Frage: Was ist mit den 124 000 Bäuerinnen und Bauern (Bundesrat Steiner: Richtig!), die im Durch­schnitt gerade den Mindestlohn, nämlich 1 500 Euro, verdienen, was aus dem Grünen Bericht ersichtlich ist? (Ruf: Richtig!) Das ist der Durchschnitt.

Es gibt welche, die vielleicht ein bisschen mehr verdienen. Für jene, die unter dem Durchschnitt liegen, gilt: die sind in prekären Arbeitsverhältnissen, da geht es um Aus­beutung, die sind unterentlohnt. Viele – Kollege Lackner hat das auch erwähnt – gehen einem Nebenerwerb nach, um nach 40 Stunden Arbeit mit Einkommen einen Betrieb zu führen und Lebensmittel zu Preisen zu produzieren – ich sage das jetzt sehr bewusst –, die teilweise auf Ausbeutung beruhen.

Darum müssen wir uns überlegen, ob dieses System in der Form das beste ist. Dazu lade ich Sie alle ein. Wenn wir Äpfel aus Polen importieren, Erdbeeren aus Spanien, dort wegen niedrigerer Lohnkosten andere Produktionspreise bestehen (Bundesrat Pisec: Knoblauch aus China beim Spar!), dann muss uns klar sein, dass wir die Produktion von Österreich in diese Länder verlagern, weil es eben so nicht möglich ist.

Heimische Lebensmittel brauchen ökologische Standards, sie brauchen auch soziale Standards – und die sozialen Standards fordere ich auch für die Bäuerinnen und Bauern und nicht nur für die in der Landwirtschaft Beschäftigten ein –, sie brauchen soziale Stan­dards, brauchen Herkunft und eine Mindestqualität. Und alles, was einen Wert hat, muss auch einen Preis haben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätIn­nen der FPÖ.)

17.31



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 134

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße wieder Herrn Bundesminister Alexander Schallenberg in unserer Runde. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


17.31.47

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Werte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mir ist es noch wichtig, zwei Bemerkungen zu machen.

Zuerst zum Herrn Bundesrat Schwindsackl: Die Rede war absolut kein Meilenstein. Um es ganz ehrlich zu sagen: Wenn ihr sagt, dass man es gar nicht im Fernsehen übertragen darf, zieht es einem demokratiepolitisch die Schuhe aus! Also das kann es doch wirklich nicht sein, das ist ja unglaublich! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Außer­dem war es sehr peinlich!)

Ich danke aber Herrn Bundesrat Schwindsackl, denn sein Spruch: „Hat keinen Beruf und auch sonst nichts gelernt“, hat mich wieder sicher gemacht, warum ich Sozialdemokratin bin. Diese Einstellung habe ich nicht in 100 Jahren, die ist uns grundlegend fremd! (Bun­desrat Buchmann: Das war ja auch ein Zitat!) Jeder Mensch ist gleich viel wert, und Bildung zeigt sich oft nicht daran, welchen akademischen Grad man erworben hat. Auch das ist Tatsache! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Sache noch Folgendes: Ich glaube, wir sind uns alle einig, solche Arbeitsbedingun­gen, wie es sie bei den ErntehelferInnen zum Teil gibt, darf es zukünftig nicht mehr ge­ben, und es müssen Maßnahmen gesetzt werden!

Die Frau Bundesministerin hat unsere Anfrage wirklich nicht umfassend beantwortet, hat sich der Verantwortung entschlagen, die sie aber als Arbeitsministerin sehr wohl hat. Wegschauen hilft hier nicht, und ich darf nur eines zur Frage 1 sagen, zu der Sie gesagt haben, Sie sind nicht zuständig. Dies ist nämlich die Frage, ob Sie davon gewusst haben, dass es diese Missstände gibt. Ich kann nur festhalten, es gibt einen Botschaftsbrief von der Botschaft von Rumänien vom 9.6.2020, der an das Bundesministerium gerichtet wurde, der all jene Missstände, die wir heute zum Thema der Dringlichen Anfrage ge­macht haben, aufzeigt. Frau Bundesministerin, gewusst haben Sie es also! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.33


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.33.58

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minis­ter! Es ist halt schwierig, es werden jetzt hier oft Äpfel mit Birnen vermischt. Herr Kollege Preineder, ich muss Ihnen ja zu 100 Prozent recht geben, was die Arbeitsverhältnisse der Landwirte betrifft. Ich muss aber schon die Frage stellen – ich weiß es jetzt nicht ganz genau –: Seit wie vielen Jahrzehnten stellt die ÖVP schon den Landwirtschaftsmi­nister? (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Und dann stellen Sie sich heraus und beklagen die Arbeitsverhältnisse der Bauern, mo­bilisieren die Bauern vor der Landwirtschaftskammerwahl dazu, dass sie mit ihren Trak­toren vor die Lebensmittelkonzerne fahren, um zu demonstrieren. Na ja, so ist es oft bei euch, und es funktioniert auch immer, denn ihr werdet dann auch von denjenigen ge­wählt, die ihr ja behauptet zu vertreten. Ihr vergießt dann immer Krokodilstränen über Sachen, für die ihr ja selber verantwortlich seid, wo man ja selber über Jahrzehnte den


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zuständigen Minister stellt. Das ist immer so eine Sache, da denke ich mir, das ist – ich weiß nicht, darf man das sagen? – einfach falsch. Das ist falsch, und das wollte ich ein­fach einmal mitteilen.

Sie haben zu 100 Prozent recht, und wir stimmen Ihnen da auch zu 100 Prozent zu, nur die Falschheit, hier dann immer Krokodilstränen zu vergießen, wenn man selber jahr­zehntelang das Ding vergeigt hat, ist nicht richtig. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Logischerweise hat auch der grüne Kollege vorhin recht gehabt, wenn er zu Recht kri­tisiert, dass natürlich die Preise der Produkte durch die Konzerne runtergedrückt werden. Logisch hat er recht, aber dann muss man einmal etwas ändern. Das wissen wir ja nicht erst seit heute, dass das so passiert. Das passiert ja nicht nur bei Gemüse und Obst, das passiert ja bei der Milch genauso. Dann muss man aber einmal etwas machen, anstatt vor der Landwirtschaftskammerwahl dann wieder herzugehen und zu sagen: Lie­be Bauern, wir wissen es eh, aber es ist halt so schwierig!; dann muss ich nach 70 Jah­ren ÖVP-Landwirtschaftsminister in dieser Republik etwas unternehmen! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Hört endlich einmal mit eurem geheuchelten Selbstmitleid auf! Fangt an zu arbeiten! Geht zu eurer Landwirtschaftsministerin, und dann schaut die Sache anders aus, aber hört mit dieser Heuchelei auf! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.36


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.37.09

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möch­te ich mich an Frau Kollegin Schumann wenden: Was Sie hier in Richtung des Herrn Kollegen Schwindsackl behauptet haben, weise ich zurück. Er hat ein Zitat gebracht und nicht von sich aus die Meinung vertreten, dass das so ist, wie Sie hier gemeint haben. Das ist das Erste. (Bundesrätin Schumann: Wie kann man die Menschen so beurteilen? Er hat es gesagt!)

Das Zweite ist eine klare Anmerkung zu Kollegen Steiner: Bei Wahlen gewählt zu werden ist keine Schande. Das hat mit Vertrauen zu tun, und dieses Vertrauen hat die Volks­partei auch im bäuerlichen Bereich bekommen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Stei­ner: Das habe ich nicht gesagt! Aber arbeiten müsst ihr was! Helft den Bauern!)

Zum Dritten möchte ich natürlich auch klar und deutlich anmerken und abschließend hier noch deponieren: Wenn es heißt, es muss gehandelt werden, dann sage ich auch klar und deutlich – die Frau Bundesministerin hat es hier auch dokumentiert und gesagt –, dass das Landarbeitsgesetz geändert wird, sich derzeit in Begutachtung befindet. (Bun­desrätin Schumann: Das gilt aber nicht für die Saisonniers!) Wir werden damit natürlich auch im Bundesrat befasst werden und es auch zu diskutieren haben.

Es sind drei Fälle, die in der Dringlichen Anfrage zitiert wurden. Es sind klar und deutlich drei Fälle zu viel, das ist ungeheuerlich. Ich kenne die Situation im Detail nicht, ich kenne sie, wie viele von uns, nur aus den Medien, aber was hier beschrieben wurde, ist nicht zu dulden, ist nicht schönzureden, ist nicht zu akzeptieren, ist ganz einfach zu bestrafen. Es gibt auch viele andere Bereiche, wo es Verwaltungsübertretungen gibt, wo es Über­tretungen von Gesetzen gibt. Dazu haben wir einen Rechtsstaat, in dem diese Übertre­tungen geahndet und auch bestraft werden und bestraft werden müssen.

Es wird auch beklagt, dass die Frau Bundesministerin darauf hingewiesen hat, dass das nicht in ihre Kompetenz fällt. – Ja, die Anfrage ist schon eine dringliche, aber offensicht­lich war sie teilweise so dringlich, dass man vergessen hat zu prüfen, ob die Fragen


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wirklich in die Kompetenz der Frau Bundesministerin Aschbacher fallen. (Bundesrat Schennach: Aber geh! – Bundesrätin Schumann: Ja, ja!) Das sei zum Schluss noch angemerkt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.39


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.39.41

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Steiner! Es ist schön, zu sagen: Tut etwas, tut etwas! (Bundesrat Steiner: 70 Jahre habt ihr geschlafen!) Der Bauernbund, die Landwirtschaftsvertretung in Österreich, ist eine gute, und wir können das beweisen: Wir haben die jüngsten Land­wirte in Europa, wir haben die kleinststrukturierte Landwirtschaft in Europa, wir haben die ökologischste Landwirtschaft in Europa. (Bundesrat Steiner: Aber die Bauern haben kein Geld! – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nur, Herr Kollege, einen Trend, einen Zeiten­wandel zu verändern, das kann kein Minister, das kann kein Bundeskanzler, so einfach ist das nicht! (Bundesrat Steiner: Ihr habt ihn nicht erkannt! Verschlafen!)

Es gibt einen Strukturwandel, und das bedeutet, dass die Beschäftigten in der Landwirt­schaft weniger und in der Industrie mehr werden. Das ist weltweit so, das ist in den ent­wickelten Ländern ein Trend. (Bundesrat Steiner: Du hast recht, aber ihr habt es ver­schlafen!) Wir haben den in Österreich gut begleitet, aber wir werden ihn nicht aufhalten. Sie können Corona nicht abschaffen, auch wenn Sie es leugnen. (Bundesrat Schen­nach: Corona ist jetzt an allem schuld? – Bundesrat Steiner: Von Corona habe ich nicht geredet!) Es gibt gewisse Ereignisse, die gegeben sind. Und der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist eine Entwicklung, den kann man begleiten, aber den kann man nicht abschaffen. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Landwirtschaftspolitik des Bauernbun­des keine heuchlerische ist, sondern eine ehrliche, eine aufrechte und den Bauern ver­bundene! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Mehr als heuchlerisch!)

17.41

17.41.03


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesrätinnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Verbesserungen im Bereich der Erntear­beit“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständ­lichen Entschließung ist daher angenommen. (322/E-BR/2020)

17.41.46Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich nehme nunmehr die Verhandlung über die Tagesordnung wieder auf. Wir setzen die Verhandlung über die Tagesordnungs­punkte 14 und 15 fort.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Ich erteile es Ihnen.


17.42.12

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Jetzt muss man wieder den Faden einer fast vergessenen Diskussion aufnehmen. Wir tun


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unser Bestes. Frau Schartel hat uns ja schon gesagt, dass das Unesco-Zentrum in Graz keine Priorität hat. – Ich finde, Menschenrechte können immer Priorität haben, ganz egal ob Krisenzeiten oder keine Krisenzeiten sind. Bürgerrechte und Menschenrechte haben immer Priorität. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Es geht um das Internationale Zentrum für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene unter der Schirmherrschaft der Unesco in Graz. Es ist nach Buenos Aires das zweite Zentrum seiner Art.

Ich finde es eigentlich sehr bedauerlich, dass wir das im Nationalrat und heute im Bun­desrat nicht einstimmig beschließen, denn die Unesco hat es einstimmig beschlossen, als Österreich den Antrag gestellt hat, dass wir dieses Zentrum in Graz eröffnen. Als Wiener Abgeordneter möchte ich den Grazern auch ganz herzlich gratulieren. Wien de­klariert sich ja auch als Menschenrechtsstadt, aber dass sich die Grazer da so enga­gieren, finde ich wunderbar. Gratulation an Graz!

Was man bei so einem Projekt nicht vergessen darf und was auch ganz wichtig ist: Es geht nicht um ein österreichisches Projekt. Es ist tatsächlich ein Projekt, das interna­tionale Vernetzung bedeutet, wodurch Vertreter von Städten aus der ganzen Welt nach Graz kommen können und es dort sehr universelle Auseinandersetzungen, Workshops, Themensetzungen zum Thema Menschenrechte, vor allem auch im urbanen Raum, gibt. Gerade im urbanen Raum – das kann ich auch als Wiener sagen – ist das extrem wich­tig, denn es geht ja, wenn man in einer Stadt tätig ist, nicht nur darum, wie ich Menschen integriere, sondern auch darum, wie ich Heimat schaffe. Wie schaffe ich einen Raum, in dem sich Menschen zu Hause fühlen?

Wenn diese theoretische und praktische Menschenrechtsarbeit interdisziplinär in diesem Zentrum geleistet wird, finde ich das wunderbar. Das ETC Graz ist ein langjährig beste­hender und hervorragender Ort, ein Menschenrechtsinstitut mit Unianbindung. Es wird jetzt ein Unesco-Zentrum. Wir finden das großartig, wir begrüßen das. (Bundesrat Schen­nach: Großartig ist, dass die Stadt Graz das Geld zur Verfügung stellt!) Wir stimmen dem natürlich zu. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

17.45


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.45.29

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Minister! Eine der sicher ganz großen internationalen Herausforderungen ist der Umstieg auf erneuerbare Energieträger, denn das betrifft ja nicht nur Österreich, sondern ist eine globale Aufgabe. Eine der führenden Organisationen, die sich intensiv um die Verbreitung erneuerbarer Energieträger kümmert, ist die Irena, die Internationale Organisation für erneuerbare Energien beziehungsweise – da kommt die Abkürzung her – International Renewable Energy Agency.

Das ist ein Technologiefeld, in dem Österreich eine lange Tradition hat. Beispielsweise ist Österreich im ganzen Thema energetische Nutzung von Biomasse eigentlich über­haupt das technologische Mekka, oder bei der Solarthermie ist Österreich respektive die Steiermark eigentlich die Wiege der ganzen solarthermischen Entwicklung.

Wir haben herausragende Unternehmen im Bereich Wärmepumpen, selbstverständlich bei der Wasserkraft, bei vielen, vielen Zulieferern, Wechselrichtertechnologien. Ich finde es irgendwie besonders spannend, wo es dann einer Firma gelingt, Fuß zu fassen. Wir haben in Vorarlberg die Firma Bachmann electronic. Vorarlberg hat kein einziges Wind­rad, vielleicht kriegen wir noch ein paar, aber es gibt auch relativ wenig Wind. Trotzdem


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ist die Firma Bachmann Weltmarktführer in der Automatisierung und Regelung von Windparks. Das halte ich auch für eine sehr spannende Geschichte.

Österreich war vor vielen Jahren, damals in Person des Kanzlers Vranitzky, bei der Ent­stehung intensiv beteiligt. Er hat 1990 der UN-Vollversammlung die Gründung so einer Agentur vorgeschlagen. Die tatsächliche Gründung erfolgte dann auf Initiative Deutsch­lands im Jahre 2009, das haben wir gehört. 75 Staaten haben die Gründungsurkunde unterschrieben, darunter auch Österreich. Allerdings hat es jetzt elf Jahre gedauert, bis wir das ratifizieren.

Die Irena hat ein breites Betätigungsfeld, ist in der internationalen Energielandschaft längst unverzichtbar. Ich würde sie mit der IEA vergleichen, also der Internationalen Energieagentur, einer wichtigen, mächtigen Einrichtung der OECD. Es ist übrigens auch bei ihr spannend, dass sie einmal gegründet worden ist, um Erdölreserven zu managen. Sie hat sich eigentlich längst zum Mahner entwickelt, auch was die Einhaltung von Klima­schutzzielen betrifft. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Die Irena legt umfassende Analysen vor, zum Beispiel über internationale Kostenent­wicklung von Technologien, zu Potenzialen, zu technologischen Entwicklungen, zu rechtlichen Rahmenbedingungen. Es sind also eigentlich alles Aufgaben, die eine natio­nale Agentur nicht zu leisten vermag, zumindest nicht so einfach. Da kann sich gerade Österreich mit seinem Know-how zur Produktion erneuerbarer Energien umgekehrt auch sehr gut in die Irena einbringen. Gerade das ist eine technologische Stärke, die Öster­reich hat. Es gilt aber, diese auszubauen und zu erhalten, denn die anderen Länder und Unternehmen schlafen natürlich nicht.

Klar ist, dass die erneuerbaren Energien eine große Zukunft haben, dass ihnen die Zu­kunft gehört – so muss man es ja eigentlich formulieren. Wir werden in den nächsten wenigen Jahrzehnten einen Systemwechsel erleben, der sicher überhaupt einmalig in der bisherigen Geschichte der Energietechnologien ist. Hoffentlich wird es in 20, längs­tenfalls 30 Jahren keine anderen Energieträger mehr geben. Geben wird es sie natürlich schon noch, aber es werden keine mehr angewendet werden. Sie werden dann, vor allem Erdöl, als Rohstoff in die chemische Industrie wandern, wo es auch tatsächlich zurzeit ein noch weitgehend unersetzbarer wichtiger Rohstoff ist.

Um diesen Wechsel in Österreich herbeizuführen, sind wir intensiv an den Paketen, die es dazu braucht, dran, eines ist heute schon einmal zitiert worden, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz mit einem sehr, sehr ambitionierten Ziel: 27 Terawattstunden Zubau in zehn Jahren. So, das sagt jetzt nicht viel. Um ein Bild zu geben: Das sind ungefähr 43 Prozent des gesamten österreichischen Stromverbrauchs, und das soll in zehn Jah­ren noch einmal auf Basis erneuerbarer Energieträger zugebaut werden. Das ist schon eine Herausforderung, da geht es um Dimensionen von Dutzenden Milliarden Euro, die da in den nächsten wenigen Jahren investiert werden.

Das zweite große Paket, an dem gearbeitet wird, ist ein modernes Wärmegesetz. Das ist eigentlich eine noch größere Action, weil es da wirklich darum geht, die Energiewirt­schaft, so wie wir sie heute kennen, umzubauen. Da werden wir mit Ambition und Mut hineingehen.

Im Regierungsprogramm ist der Beitritt zu Irena explizit festgehalten, explizit auch als Teil einer aktiven grünen Diplomatie Österreichs, das ist auch im Sinne einer wirtschaft­lichen Entwicklung und einer globalen Vernetzung ganz wichtig. Gleichzeitig soll Öster­reich auch seine Rolle als internationaler Energyhub ausbauen. Ich denke, dass wir da wirklich gute Voraussetzungen haben.

Eine internationale grüne Diplomatie braucht es, weil Klimaschutz nur gemeinsam ge­lingen kann, innerhalb Europas nur gemeinsam in einer internationalen Kooperation ge­hen kann, weil es eigentlich kein Thema gibt, das per se so global ist wie das ganze


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Thema Klimaschutz. Damit bedingt doch wohl kein anderes Thema so ein enges und gutes globales Miteinander wie eben die Bewältigung der Klimakrise.

Darum ist das heute ein sehr erfreulicher Beschluss, es wird auf dem Weg in eine grüne Zukunft wieder etwas umgesetzt, was man aus unserer Sicht durchaus in doppeltem Sinne verstehen darf. Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Ruf bei der SPÖ: Schau­en wir mal!)

17.52


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


17.52.17

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallen­berg, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundes­räte! Wir alle wissen – und können uns jeden Tag in der Zeitung davon überzeugen , dass wir noch mitten in der Pandemiekrise, in der Covid-19-Krise stecken. Wir können uns aber auch jeden Tag in den Zeitungen davon überzeugen, dass die Außenpolitik nicht stehen bleibt.

Ich bin daher glücklich, dass heute hier im Bundesrat auch einige außenpolitische The­men auf der Tagesordnung stehen. Wir sehen, die Themen reichen ja von Libyen und der Türkei über Hongkong, ganz aktuell zunehmenden Spannungen: China, USA, WHO-Rückzug als Stichwort – das haben wir auch schon im Außenpolitischen Ausschuss be­sprochen  und der Wirtschaftskrise bis zu den Brexitverhandlungen. Also man sieht, es gibt sozusagen eine Panoplie an Themen. Ich glaube, es ist daher ganz wichtig, dass gerade ein Land wie Österreich engagiert bleibt und Kontinuität zeigt.

Es gibt einige Punkte, die ja auch vorhin angesprochen worden sind, bei denen, glaube ich, diese Kontinuität notwendig ist: Das ist zum Beispiel im Menschenrechtsbereich, das ist zum Beispiel im Engagement für Multilateralismus, das ist im Engagement für unseren Amtssitz und auch im Engagement für zwei der großen Themen der Zukunft, nämlich Klima und erneuerbare Energien, so. Ich glaube, das trifft sich eigentlich sehr gut, weil beide Themen heute genau da reinpassen.

Mit dem Irena-Abkommen geht es natürlich um erneuerbare Energien, aber es ist indirekt auch eine Stärkung des Amtssitzes, nämlich des Energyhubs, den wir haben, weil eine sehr enge Kooperation von Irena mit den hier ansässigen Organisationen wie SEforALL, Unido, Ofid und so weiter besteht. Ich glaube, das ist auch ein schönes Zeichen des Bekenntnisses zum Multilateralismus im Klimabereich.

Auf der anderen Seite haben wir, das wurde schon oft erwähnt, das Grazer Unesco-Zentrum. Abgesehen vom Engagement und Signal im Menschenrechtsbereich steht es, glaube ich, gerade hier im Bundesrat gut an, zu sagen, es ist einmal gut, dass etwas – was den Amtssitz betrifft – nicht nur in Wien, sondern auf Bundesländerebene stattfindet, in diesem Fall in der Steiermark. Ich glaube, das kann man durchaus begrüßen und unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Erlauben Sie mir, dass ich, um nicht zu lang zu sein, vielleicht einige Punkte gleich auf­greife, die Herr Bundesrat Schennach angesprochen hat! Mit Verlaub, ich glaube, unsere Position zum Wiederaufbaufonds und zum Mehrjährigen Finanzrahmen ist eine wohl­durchdachte. Ich lehne das Narrativ und Unterscheidungen in gute Europäer und schlech­te Europäer, das bei jeder zweiten Debatte vorkommt, absolut ab. Dass wir beim größten einzelnen Finanzpaket, das je in der Geschichte der Europäischen Integration geschnürt wurde, unsere Interessen einbringen, aber gleichzeitig sagen, natürlich wollen wir einen Kompromiss – das hat der Bundeskanzler auch sehr klargemacht –, ist wohl völlig natür­lich, alles andere müsste man uns wirklich zum Vorwurf machen. Das ist ein ganz norma­ler Verhandlungsprozess. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)


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Als ich im Rahmen der C5, der Central Five – das ist eine Runde, die sich sozusagen fast automatisch, könnte man sagen, durch die zahlreichen Videokonferenzen und Kon­takte, die wir in der ganzen Covid-Krise hatten, entwickelt hat –, in Budapest war, hat sich gezeigt: Die Krise hat bewiesen: Neighborhood matters, Nachbarschaft ist wichtig. Ich vergleiche es manchmal mit folgender Situation: Bei einem Zimmerbrand oder was immer denkt man an den Nachbarn in der nächsten Wohnung – und nicht an den, der auf der anderen Straßenseite oder im anderen Bezirk wohnt. So ähnlich war es da, und das ist auch die Anerkenntnis davon.

Das heißt überhaupt nicht, dass wir in allen Positionen mit allen Nachbarn einverstanden sind, denn sie sind es auch untereinander nicht, und das heißt auch nicht, dass wir zum Beispiel bei Artikel-7-Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit total konform gehen, ganz im Gegenteil. Ich halte aber nichts davon, dass man sich wechselseitig anschweigt oder dass man sich mit dem Megafon anschreit und seine Positionen sozusagen über die Grenzen ruft. Ich glaube, beides ist nicht unser Stil, daher ist es gut, wenn man sich in der Nachbarschaft auch zusammensetzt.

Betreffend Hagia Sophia ist der Vorwurf ein bisschen ins Leere gegangen, denn ich war sogar schneller als die EU und die OSZE. Wir haben am Freitag sehr deutlich, sehr klar reagiert. Das ist ein weiteres Glied in einer Kette von Provokationen, die sich einfach fortsetzen. Es ist auch kein Zufall – also ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist –, dass dieser Schritt genau 48 Stunden bevor die EU-Außenminister in Brüssel zusammenka­men, um über die Türkei zu diskutieren, gesetzt wurde.

Es hat ja dann die Europäische Union sehr klar dazu Stellung genommen. Es ist ein Schritt, der, glaube ich, uns hier in diesem Hohen Haus beweist, dass unsere Linie betreffend Türkei richtig ist. Das ist einfach ein Land, das kein verlässlicher Partner mehr ist, das ist ein Land, das sich von Europa abgewandt hat, das sich in die genau andere Richtung bewegt und das, glaube ich, sich selber nichts Gutes tut.

Die Hagia Sophia ist doch genau das Symbol dieser Symbiose aus Orient und Okzident. (Zwischenruf des Bundesrates Pisec.) Jedem, der das Gebäude kennt und weiß, wie wunderschön es ist und wie beeindruckend es seit Tausenden Jahren ist – es war für Jahrhunderte der größte Sakralbau, den es überhaupt gab –, ist klar, dass da ein politi­sches Signal aus der Türkei geschickt wird, das zeigt, dass das nicht mehr die Türkei ist, von der vielleicht 2005 noch einige Staaten gedacht haben, dass man Beitrittsverhand­lungen aufnehmen muss.

Zur OSZE: Ja, da haben Sie vollkommen recht, wir bedauern das sehr. Ich hatte gestern und auch heute wieder Kontakt mit dem albanischen Außenminister – Albanien hat mo­mentan den Vorsitz in der OSZE , um unsere Hilfe anzubieten. Wir fühlen uns schon irgendwie mitbetroffen, denn letztlich ist das Personalpaket eines, das in Mauerbach während des österreichischen OSZE-Vorsitzes sehr mühsam in letzter Minute zustande gekommen ist, daher fühlen wir uns auch irgendwie verantwortlich dafür. Ich habe aber auch mit Generalsekretär Greminger von der OSZE laufend Kontakt.

Das Letzte, was wir jetzt in der OSZE brauchen, ist eine Führungskrise oder ein Vakuum. Wir haben da eine Organisation, die auf Konsens beruht, alle 57 Mitgliedstaaten müssen zustimmen, das ist wahnsinnig aufwendig, und das ist auch beim Budget so. Ich würde aber trotzdem sagen, die Organisation ist immer noch eine sehr sinnvolle und wertvolle und sie wird vielleicht in Zukunft sogar noch wertvoller sein, daher werden wir sehr stark dafür plädieren, dass man das Personalpaket möglichst schnell wieder auf die Beine bringt. Wir werden natürlich auch das Paket und die Personen – von Harlem Désir bis Thomas Greminger unterstützen, das war ja sozusagen unser Paket.

Das ist aus unserer Warte also ganz klar, und da wird die österreichische Haltung auch in Zukunft sehr darauf bedacht sein, dass diese Organisation eine funktionsfähige bleibt,


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denn ich glaube, wenn man sich die Weltkarte und den Europäischen Kontinent an­schaut, sieht man, dass wir diese Organisation – die von Vancouver bis Wladiwostok alle zusammenbringt und für mehr Sicherheit sorgt brauchen. Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Pisec und Schennach.)

17.59

17.59.12


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die getrennt erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) über die Errich­tung des Internationalen Zentrums für die Förderung von Menschenrechten auf lokaler und regionaler Ebene unter der Schirmherrschaft der UNESCO (Kategorie 2) in Graz (Österreich).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend eine Satzung der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) samt Erklärung der Konferenz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18.00.2916. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds (AÖF-G) geändert wird (222 d.B. und 299 d.B. sowie 10391/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Herr Bundesrat, ich bitte um den Bericht.


18.00.50

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für aus­wärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Auslandsösterreicher-Fonds geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Frau Bundes­rätin, ich erteile Ihnen das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 142

18.01.43

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wussten Sie, dass es rund 600 000 im Ausland lebende Österreicher gibt? Dabei geht es um ein sozusagen zehntes Bundes­land, das in der Größenordnung der Einwohner zwischen Kärnten und Tirol liegt.

Diese sogenannten Auslandsösterreicher haben Anspruch auf staatliche Unterstützung, wenn sie in ihrer zweiten Heimat in eine Notsituation geraten. Dieser Auslandsöster­reicher-Fonds, der 1967 ins Leben gerufen wurde, wird durch ein überparteiliches Kuratorium geführt. Ganz unbürokratisch wird durch ein vereinfachtes Verfahren genau jenen treffsicher geholfen, die es auch wirklich brauchen.

Derzeit hat ein Auslandsösterreicher, eine Auslandsösterreicherin Anspruch auf maximal 1 000 Euro Geldleistung pro Jahr. Da in den letzten 14 Jahren keine indexierte Anpas­sung geschehen ist, soll diese Zuwendungsgrenze mit der Gesetzesänderung heute auf 1 500 Euro erhöht werden.

Ein paar Zahlen dazu: Jährlich stehen in diesem Topf 600 000 Euro zur Verfügung. 2019 sind circa 1 000 Bedürftige damit unterstützt worden. Dabei ist in den letzten Jahren die durchschnittliche Zuwendungshöhe auf über 900 Euro gestiegen. Für alle schnellen Rechnerinnen und Rechner hier im Saal: Der Topf hat Rücklagen gebildet und wurde in der Vergangenheit immer wieder durch nicht ausgeschöpfte Mittel gespeist.

Dass Österreich seine im Ausland lebenden Staatsbürger nicht vergisst, hat sich in der Vergangenheit in dieser Zweiten Republik und auch in den letzten Monaten, insbeson­dere zu Beginn der in Österreich ausgebrochenen Coronakrise, gezeigt. Bei dieser Gele­genheit möchte ich dem Außenministerium und auch Ihnen, Herr Bundesminister, für die Kraftanstrengung und für die Möglichkeit, dass die Österreicher während der Corona­krise in ihr sicheres Heimatland zurückkehren konnten, danken.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir auch nicht vergessen dürfen, dass Auslands­österreicher und Auslandsösterreicherinnen auch unsere BotschafterInnen in einem fremden Land sind. Daher ist diese Aufwertung des Fonds zwar ein kleines, aber ein wichtiges Zeichen an sie, und daher ist es uns ein Anliegen, dies zu unterstützen und dadurch ihre emotionale Bindung zu unserem Land zu stärken. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

18.04


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.04.45

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Außenminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, Frau Kollegin Miesenberger hat ja schon fast alles vorweggenommen. Wie gesagt, 1 000 Euro war die Grundlage bis jetzt, es werden nun 1 500 Euro sein, auf diesen Betrag wird das angehoben. Die Genehmigung dafür kann weiter in einem vereinfachten Verfahren durch zwei Kuratoriumsmitglieder erfolgen. Darüber hinausgehende Beträge erfordern Beschlüsse des gesamten Kurato­riums, das jedoch nur zweimal pro Jahr zusammentritt. Nach Angabe des BMEIA wurden im Jahr 2019 eben diese fast 1 000 bedürftigen Personen unterstützt.

Ich mache es kurz und bündig: Der Auslandsösterreicher-Fonds zur Unterstützung in Not geratener Auslandsösterreicher ist eine wichtige Einrichtung. Die Hilfe soll rasch und effizient erfolgen, daher werden wir diese Novelle natürlich unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)


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18.05


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Bernd Saurer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.05.52

Bundesrat Mag. Bernd Saurer (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren, die via Livestream dabei sind! Wir Freiheitliche begrüßen mit Nachdruck die Erhöhung der Mittel zur ra­schen Hilfe für Auslandsösterreicher, denn – das möchte ich schon betonen – für uns Freiheitliche stehen nämlich Österreicherinnen und Österreicher immer an erster Stelle, wenn es um Hilfe in Not geht, egal ob sie im Inland oder im Ausland leben. (Beifall bei der FPÖ.)

Besonders die Coronakrise der letzten Monate hat verdeutlicht, dass eine weltumspan­nende Solidargemeinschaft unter uns Österreichern wichtiger denn je ist. In diesem Zu­sammenhang möchte ich Ihnen, Herr Bundesminister, auch im Namen der Freiheitlichen für Ihr Management und Ihr Engagement bei der Rückholaktion der im Ausland lebenden Österreicher danken.

Jetzt zum Gesetz: Es wurde schon angedeutet, die Gesetzesnovelle regelt, dass die Anspruchshöhe um 50 Prozent, nämlich von 1 000 auf 1 500 Euro erhöht wird. Da sich allerdings die Mittel für den Fördertopf nicht erhöhen, ist es in Bezug auf die Finanzier­barkeit etwas fraglich, ob die Erhöhung bei den schuldlos in Not geratenen Auslandsös­terreichern dann tatsächlich in voller Höhe ankommt, wie es sein sollte, da – ich möchte da Frau Kollegin Miesenberger widersprechen – eben kein Rechtsanspruch besteht, während – das möchte ich auch noch betonen – Nichtösterreicher in Österreich Rechts­anspruch auf nahezu alles haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt zu den Zahlen: Wie gesagt, im Jahr 2019 wurden rund 1 000 Personen im Ausland durch den Fonds unterstützt. Wie eine effektive Aufstockung der Hilfe, wie sie jetzt ange­dacht ist, umgesetzt werden kann, ist mir etwas schleierhaft, vielleicht kann der Herr Minister dazu ein paar Worte verlieren: Herrscht der Grundsatz: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst? Was passiert vor allem, wenn mitten im Jahr der Fonds ausgeschöpft ist?

Ich möchte dazu ergänzen, ich habe diese Frage schon im Ausschuss gestellt und zur Antwort bekommen – das hat Frau Miesenberger auch schon angeführt –, dass der Fonds noch nie zur Gänze ausgeschöpft wurde, dass Rücklagen gebildet wurden. Wir haben jetzt erstens eine 50-prozentige Aufstockung und zweitens eine schnellere Hilfe, die sich daraus ergibt, dass das Kollegium öfters im Jahr tagt. Es ist daher damit zu rechnen, dass es zu einem höheren finanziellen Aufkommen kommen wird, und daher stellt sich diese Frage, die immer noch ungeklärt ist.

Das Zweite, was im Ausschuss erwähnt wurde, ist ein Kuriosum, das ich jetzt hier auch noch zum Besten geben möchte, es ist mir persönlich noch nie untergekommen, viel­leicht Ihnen: Es ist die Frage aufgetaucht: Gibt es – da es gesetzlich möglich ist – neben der staatlichen Zuwendung auch private Zuwendungen? – Die Antwort hat mich über­rascht, erstaunt: Es gibt, obwohl es gesetzlich geregelt und möglich ist und obwohl es steuerlich begünstigt ist, von privater Seite null Zuwendungen an diesen Fonds; also keine Charityveranstaltung, kein wohltätiger Weihnachtspunsch, kein Sommerfest hat sich dieses Auslandsösterreicher-Fonds jemals angenommen. Vielleicht könnte man da also ein bisschen Eigenmarketing machen, für die eigene Außenwirksamkeit etwas wer­ben, damit auch da private Zuwendungen zum Einsatz kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu guter Letzt verstört der Umstand – das ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber immer­hin ist es gesetzlich so geregelt –, dass die entscheidungsbefugten Kuratoriumsmitglie­der ehrenamtlich tätig sind, die Geschäftsführer und die Stellvertreter allerdings nicht, sie haben einen Vergütungsanspruch. In welcher Höhe dieser besteht, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es ist daher fraglich, inwiefern sich so ein Konstrukt überhaupt als effektiv erweist, wenn ein nicht unwesentlicher Prozentsatz, wie so oft in Österreich, in der Verwaltung versickert. Ebenso ist hinterfragenswert, weshalb anstehende Reisekos­ten von Kuratoriumsmitgliedern oder der Geschäftsleitung ebenfalls vom Fonds zu er­statten sind, wodurch die Mittel schwinden.


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Sehr geehrter Herr Minister, wir Freiheitliche begrüßen Ihr Engagement zur Hilfeleistung für unsere österreichischen Mitbürger und Mitbürgerinnen im Ausland und bieten dazu auch in Zukunft jegliche erdenkliche Unterstützung an. (Beifall bei der FPÖ.)

18.10


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.10.39

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich kenne ja das Gefühl, ein Ausländer in einem fremden Land zu sein. Bevor wir sozusagen über die monetäre Hilfe sprechen, ist es vielleicht einmal notwendig, auch zu sagen, was es bedeutet, wenn man eine Vertretung seines Landes in einem Land, in dem man arbeitet und lebt, sei es vorübergehend oder sei es, weil man dort eine Familie gefunden hat oder weil man studiert, hat. Es gibt ja die unterschiedlichsten Biographien, die unter­schiedlichsten Gründe, warum Menschen irgendwohin kommen und sie selber oft gar nicht wissen, ob sie dort bleiben oder nicht. Biographien sind in the flow sozusagen.

So eine Vertretung fühlt sich an wie eine Polizze; es fühlt sich an wie: Da gibt es eine Institution, da gibt es Menschen, die dort arbeiten, da gibt es einen Repräsentanten des Landes, aus dem ich komme, der für mich da ist, wenn ich einmal nicht mehr weiter weiß. Ich glaube, gerade in dieser Covid-Zeit hat man gelernt, wie wichtig es ist, dass es das gibt.

Ich war ja schon früher Mitglied im Bundesrat und davor im Landtag, und immer, wenn wir internationale Delegationen hatten, wenn wir zum Beispiel nach Brasilien gefahren sind und dort in der Botschaft waren, lernte man Österreicherinnen und Österreicher kennen, die dort leben, die dort arbeiten – weil sie dort eine Firma gegründet haben oder was auch immer. Ganz besonders berührend ist es natürlich auch, wenn man in Israel auf Österreicherinnen und Österreicher trifft, die mittlerweile keine ÖsterreicherInnen mehr sind, sondern israelische Staatsangehörige, die dieses Land verlassen mussten, aber immer noch den Bezug zu dem Ort finden, wo sie eigentlich herkommen.

Unsere Vertretungen, die von manchen Menschen ein bisschen als Geldverschwendung wahrgenommen werden – das möchte ich hier auch einmal festhalten –, sind sehr wich­tig, nicht nur für eine Hilfestellung, wie wir sie heute beschließen, sondern für die Men­schen, für die sie da sind, und für den kulturellen Austausch, der enorm wichtig ist, was ich an dieser Stelle auch ganz stark betonen möchte.

Was machen wir heute, und wie funktioniert das? – Ich möchte dies ansprechen, denn es mag ja stimmen und mein Vorredner sogar recht haben, dass so mancher Auslands­österreicher oder manche Auslandsösterreicherin gar nicht weiß, dass es in einer Notsi­tuation, wenn man Probleme hat, einen Fonds gibt, aus dem man sich Hilfe erwarten kann. Derzeit funktioniert das so: Bis zu einer Betragshöhe von 1 000 Euro kann ein Ansuchen auf Gewährung einer Zuwendung aus diesem Auslandsösterreicher-Fonds gestellt werden; danach erfolgt ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren. Was bedeu­tet ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren? – Es bedeutet, dass die Zustimmung von zwei Kuratoriumsmitgliedern reicht, mit der man diese Hilfe bekommt. Benötigt man da­rüber hinausgehende Beträge, muss man warten, bis sich das gesamte Kuratorium trifft, das zweimal im Jahr tagt.

Wie meine Vorredner und Vorrednerinnen schon gesagt haben, sind die 1 000 Euro ein Betrag, der einmal festgelegt wurde und nun sozusagen schon 14 Jahre alt ist. Man muss daher sagen: Wir sprechen wirklich nicht von einer Erhöhung – dieses Wort wäre, so glaube ich, völlig falsch, es ist keine Erhöhung – von 1 000 auf 1 500 Euro, sondern das ist eine Indexanpassung. So muss man es bezeichnen. Das ist auch eine ganz wich­tige Botschaft für die Menschen, dass es jetzt sozusagen nicht mehr Geld gibt, sondern dass der Betrag angepasst wird.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 145

Wir haben im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 festgehalten, wie bedeutend die pro­fessionelle konsularische Serviceleistung für alle Österreicherinnen und Österreicher im Ausland ist, und diese hervorgehoben. Es sind viele Serviceleistungen, die Sie, Herr Minister, wahrscheinlich noch viel besser erläutern können als ich. Wir sollten allen unse­ren Vertreterinnen und Vertretern, die im Ausland für uns arbeiten – ich meine jetzt nicht nur die Botschafter und Botschafterinnen, sondern wirklich alle, die in den Konsulaten arbeiten –, einen herzlichen Dank aussprechen. Sie leisten wirklich hervorragende Ar­beit für die Österreicherinnen und Österreicher, aber auch für den kulturellen Austausch mit anderen Staaten. Das ist ein außenpolitischer Akt, der nicht zu unterschätzen ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.16


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bun­desminister Mag. Alexander Schallenberg zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesmi­nister.


18.16.24

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallen­berg, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Vielen Dank für die freundlichen Worte für die MitarbeiterInnen; ich werde das allen gerne wei­tergeben!

Ich muss selber sagen, diese Coronakrise hat im Grunde genommen eines bewiesen: Gerade für ein kleines Land wie Österreich ist dieses Vertretungsnetz, wenn es hart auf hart geht, unsere Lebensversicherung, das ist kein Luxus. Es waren unsere Leute, die im Ausland, in Lima, in Peking, in Canberra, die Österreicher trotz Sperren zum Flug­hafen gebracht haben. Sie haben die Exportlizenzen besorgt, als wir damals Schutzmas­ken und anderes gebraucht haben. Sie haben die Landegenehmigungen besorgt. All das wird nie eine EU-Delegation für uns übernehmen, geschweige denn irgendeine Bot­schaft oder Vertretung eines anderen Mitgliedstaates. Dazu brauchen wir ein starkes, funktionierendes Vertretungsnetz.

Ich bin sehr dankbar, wenn dies anerkannt wird und es lobende Worte für die Arbeit im Ausland, die oft nicht genug berücksichtigt oder beachtet wird, auch hier im Bundesrat gibt. (Allgemeiner Beifall.)

Man denkt ja bei diesen konsularischen Arbeiten oft an Österreicher als Touristen, die im Ausland Probleme bekommen, beraubt werden oder den Pass verlieren oder etwas anderes, aber die Betreuung der Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher ist auch eine ganz wesentliche Kernaufgabe unseres Vertretungsnetzes.

Man muss es sich vergegenwärtigen: Das sind an die 600 000 Menschen – das ist ein Bundesland in der Größe irgendwo zwischen Kärnten und Tirol. Die meisten davon sind im deutschsprachigen Raum, in der Schweiz und in Deutschland, aber auch im angel­sächsischen Raum, und wir haben doch Interesse daran, sie weiterhin ans Land zu binden. Ja, ich gebe zu, sie beteiligen sich wenig am politischen Leben; ich glaube, es sind nur 8 oder 9 Prozent der Auslandsösterreicher, die tatsächlich an Wahlen teilneh­men. Ich denke, wir haben ein gemeinsames Interesse daran, einen stärkeren Outreach zu bewerkstelligen, sie noch stärker an Österreich zu binden, und dieser Fonds ist na­türlich auch ein Mittel, das dazu beitragen kann.

Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, dass dies keine Erhöhung, sondern nach 14 Jahren in Wirklichkeit eine rückwirkende Indexierung ist; das stimmt auch.

Die berechtigte Frage, ob es, wenn man jetzt auf 1 500 Euro geht, dazu kommen könnte, dass der Fonds plötzlich nicht mehr genug Mittel hat, kann ich weiterhin wie folgt be­antworten: Der Fonds wurde noch nie zur Gänze ausgeschöpft. Bis Mitte Juni 2020


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 146

wurden heuer insgesamt Zuwendungen in Höhe von 19 300 Euro an 41 Personen in elf Ländern ausgeschüttet. Manchmal geht es nur um Kleinstbeträge für einzelne Personen, die in Not geraten sind. Die Gefahr, dass wir jetzt mit den 580 000 Euro nicht zurande kommen, sehe ich derzeit nicht. Wenn man nicht auskommt, müsste man sich im Ku­ratorium die nächsten Schritte, vielleicht eine Erhöhung des gesamten Fonds, über­legen.

Es ist so, dass die Zuwendungen im Durchschnitt in den letzten Jahren von 760 auf 927 Euro angestiegen sind, wir müssen aber nicht befürchten, dass irgendwelche An­tragsteller mit leeren Händen nach Hause gehen müssen, nur weil wir die Inflationsrate der letzten 14 Jahre rückwirkend ausgeglichen haben; also diese Gefahr sehe ich nicht.

Ich hoffe sehr, dass dieser Fonds Ihre Zustimmung findet, weil ich glaube, dass das, wie ich gesagt habe, eines jener Elemente ist, mit denen wir die Auslandsösterreicher, die­ses zehnte Bundesland, wieder stärker an uns binden und ihnen vermitteln können – aus welchen Gründen auch immer sie beschlossen haben, ins Ausland zu gehen; man­che sind vielleicht auch mit einem gewissen Groll aus Österreich weggegangen –, dass Österreich sie nicht vergisst. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.20

18.20.22


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich unterbreche jetzt kurz die Sitzung – weil Herr Minister Anschober noch im Stau steht (Ruf bei der FPÖ: Auf einem Pop-up-Radweg wahrscheinlich!) –, bis der Herr Minister eintrifft, und werde dann den Tagesordnungspunkt 17 aufrufen.

*****

(Die Sitzung wird um 18.21 Uhr unterbrochen und um 18.23 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich neh­me die unterbrochene Sitzung wieder auf. Herr Bundesminister Rudi Anschober ist soeben eingetroffen. – Ein herzliches Grüß Gott, Herr Bundesminister! (Allgemeiner Bei­fall.)

18.23.2017. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (284 d.B. und 326 d.B. sowie 10386/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Herr Bundesrat, ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 147

Bericht.


18.24.03

Berichterstatter Andreas Lackner: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.25.05

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herzlich willkommen, Herr Minister! Ich komme zu Tagesordnungspunkt 17, dem Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungsgesetz und das der Bauern geändert werden, und ich darf gleich vorweg sagen: Wir werden dieses Gesetz heute ablehnen.

Das hat nichts damit zu tun, dass wir Bauernbashing betreiben, wie es vorhin erwähnt worden ist – von Herrn Preineder aber auch wieder zurückgenommen, das muss ich ihm zugutehalten –, sondern dass wir als Partei, als Sozialdemokraten, eines in der DNA haben, und das ist ganz klar Gerechtigkeit, Gerechtigkeit für alle Menschen in diesem Land – und diese Gerechtigkeit möchte ich Ihnen heute darlegen.

Vor wenigen Monaten, als die Coronakrise begonnen hat, hat Bundeskanzler Kurz ganz allgemein gesagt: Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit! – ich habe mir das angehört –, und er hat verschiedene Punkte angeführt, was wir machen sollten, was wir machen müssen. Wir haben daraufhin viele Anträge eingebracht und ich möchte diese Anträge oder diese Kurzformeln jetzt kurz vorlesen.

Da war einmal, Punkt eins, die Erhöhung des Arbeitslosengeldes. – Diesen Antrag hat die ÖVP mit den Grünen abgelehnt.

Wir haben einen Antrag auf das Recht auf Coronafreistellung für Schwangere einge­bracht. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Ja, Frau Zwazl, ich weiß, das tut jetzt vielleicht ein bissl weh, aber dieser Antrag wurde abgelehnt! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Es gab weiters die Anträge: Recht auf Coronafreistellung für Angehörige von Risikogrup­pen – abgelehnt von Grünen und ÖVP; höherer Familienzuschlag beim Arbeitslosen­geld – abgelehnt von ÖVP und Grünen; ein Sozialfonds über 100 Millionen Euro für die ärmsten 20 Prozent der Republik Österreich – abgelehnt von ÖVP und Grünen; Schutz der Gemeinden vor Pleiten – abgelehnt von ÖVP und Grünen (Zwischenruf des Bundes­rates Raggl); Hilfe aus dem Familienhärtefonds für Sozialhilfeempfänger – abgelehnt von Grünen und ÖVP.

Man kann heute nicht von uns erwarten, dass wir diese Schieflage einreißen lassen, dass Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Irgendjemand – ich glaube, es war Kollege Bader – hat von Klassenkampf gesprochen. (Bundesrat Bader: Ja, ich war das


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 148

nicht!) Wir wollen keinen Klassenkampf! Für uns als Sozialdemokratie gibt es nur ein Thema: Wir wollen einfach Gerechtigkeit für alle Menschen in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist eigentlich der Inhalt dieser Maßnahmen? – Die Pensionsmaßnahmen werden mit 1.1.2020 rückwirkend beschlossen. Es war in der ganzen Zeit der Republik Öster­reich noch nie da, dass ein Gesetz rückwirkend für eine Gruppe beschlossen worden ist. Da können wir einfach nicht mittun.

Damals gab es dann auch diese Nichteinigkeit zu diesem Pensionsgesetz. Der erste Vorschlag war, dass man 50 Millionen Euro dafür verwenden wird. Jetzt sind es 30 Mil­lionen Euro. Diese Kürzung ist binnen weniger Tage mit der Feststellung, dass wir 30 Millionen Euro für diese rund 166 000 Menschen brauchen werden, erfolgt.

Diese Pensionsmaßnahmen werden, wie gesagt, für einen Teil der Gesellschaft heute umgesetzt und für einen anderen Teil nicht. Dieser andere Teil sind zum Beispiel Frauen, von denen der Großteil in Österreich Mindestpensionen bezieht. Diese werden nicht erhöht, aber die Bauernpensionen sollen heute erhöht werden.

Die Kostenberechnung wird mit alten Zahlen aus dem Jahr 2019 und nicht mit den Werten von 2020 ausgewiesen. In den ersten Aussendungen bezifferte die Regierung das Paket mit 50 Millionen Euro, und das ist unrichtig. Nach den offiziellen Zahlen werden die SteuerzahlerInnen die Gruppe der BSVG-Versicherten mit zusätzlich min­destens 20 Millionen Euro jährlich sponsern, die anderen Gruppen nicht.

Die Mindestbeitragsgrundlage wird bei den Optionsbetrieben auf fast ein Drittel des bis­herigen Wertes gesenkt, bei den Einheitswertbetrieben auf fast die Hälfte. Die Absen­kung des Anrechnungsprozentsatzes beim fiktiven Ausgedinge von 13 auf 10 Prozent bringt im Schnitt auf Dauer 450 Euro jährlich mehr Pension.

Wir erinnern uns an heute Vormittag: Na no na – bei den Arbeitslosen zahlt man die vergangenen Monate zum Beispiel nicht, die bekommen lediglich drei Monate bezahlt. Da waren die Grünen auch dabei – sehr enttäuschend! Ein Betroffener ist dann vielleicht weiterhin arbeitslos, war davor arbeitslos und kriegt diesen Zuschuss nicht. Wie Herr Silvester Gfrerer eben gemeint hat, no na, für die anderen gilt das dann halt ein Leben lang.

Die Maßnahmen treffen in erster Linie die Pensionisten, also nicht jene Gruppen, die derzeit von den Coronamaßnahmen betroffen wären. Für mitarbeitende Kinder – und das ist auch interessant, dass man da einfach drübergeschaut hat – wird die Beitrags­grundlage zur PV erhöht, damit das Pensionskonto aufgebessert wird. Die Kosten dafür trägt der Bund. Für StudentInnen zum Beispiel, die aufgrund von Corona ihre geringfü­gige Beschäftigung verloren haben, Zeiten verloren haben, gibt es nicht einmal eine Zahlung aus dem Härtefallfonds, geschweige denn eine Zahlung ins Pensionskonto. Interessant – für eine Gruppe macht man es also, für eine andere Gruppe macht man es nicht.

Im Vergleich zu diesem Bauernpaket erhalten Arbeitslose im September eine Einmal­zahlung von 450 Euro im Nachhinein. Die Verluste dieser rund 500 000 Menschen – das halbe Einkommen, geringerer Familienbonus, geringere Pensionen und so weiter – sind dieser Regierung völlig egal.

Ich habe mich mit einigen Bauern unterhalten, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Die Bau­ern sind Ehrenleute, das sind wirklich Ehrenleute, und sie wollen das nicht. Sie wollen Gerechtigkeit haben, sie wollen, dass es überall gerecht ist, nicht nur bei ihnen alleine. Sie wollen, dass es überall gerecht ist, sie wollen das bei allen Schichten in Österreich haben.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 149

Es wundert mich aber nicht, wenn man bedenkt, dass vor einigen Tagen aufgekommen ist, dass schon Millionäre eine Millionärssteuer verlangen und die ÖVP und die Grünen immer noch auf der Bremse stehen. Unpackbar, oder? Unglaublich, was da vorgeht! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne: Wir werden dieses Gesetz heute im Sinne der Gerechtigkeit für die Österreicherinnen und Österreich ablehnen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.32


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Karl Bader zu Wort gemeldet. – Herr Bundesrat, ich verweise auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung und erteile Ihnen das Wort.


18.32.11

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Selbstverständlich, Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesrat Kovacs hat von dieser Stelle aus behauptet, ich hätte das Wort Klassenkampf gesagt. – Ich weise das zurück. Das ist die Unwahrheit und ich berichtige tatsächlich, dass das von mir nicht gekommen ist. (Bundesrat Schennach: Sondern von Bundesrat Seeber vom 20er-Haus, der schaut mir so verdächtig aus!)

18.32


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.32.37

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier über eine Berufsgruppe, näm­lich die Bäuerinnen und Bauern, in der mehr als 80 Prozent Niedrig- und Niedrigstpen­sionen beziehen. Das möchte ich einmal festhalten. (Bundesrat Schennach: Beim ASVG gibt es das auch!)

Ich möchte zunächst einmal vorausschicken, dass wir Grünen grundsätzlich für ein einheitliches Pensionssystem sind. In diesem Sinne möchte ich auf drei Punkte einge­hen: zunächst auf die Streichung des Solidarbeitrags nach dem BSVG in der Höhe von 0,5 Prozent der Leistung. Wenn wir wirklich für ein einheitliches Pensionssystem für alle stehen, so ist der Solidaritätsbeitrag insbesondere für Menschen mit niedrigen Pensio­nen – und mehr als 80 Prozent der BäuerInnen sind das – ein Unding und genau genom­men nicht zu rechtfertigen.

Die Absenkung der Mindestbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung nach dem BSVG auf den Wert im ASVG und im GSVG ist hinsichtlich eines einheitlichen Systems ebenso ein logischer, richtiger Schritt.

Nun zur Absenkung des fiktiven Ausgedinges: Wer für ein einheitliches Pensionssystem und für Würde im Alter eintritt, kann wohl kaum rechtfertigen, dass die Ausgleichszulage von BäuerInnen deutlich niedriger ist als jene aller anderen Menschen. Die ASVG-Aus­gleichszulage beträgt derzeit 966,65 Euro, Bäuerinnen und Bauern erhalten aufgrund des fiktiven Ausgedinges nur 841 Euro. Dieser Betrag wird jetzt auf 870 Euro erhöht. Das Konzept des Ausgedinges ist historisch längst überholt, und wenn man in Würde altern können soll, dann kann man es doch niemandem neidig sein, wenn die Pension von 841 auf 870 Euro erhöht wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schu­mann: Keiner ist wem was neidig! – Bundesrat Kovacs: Es geht um Gerechtigkeit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es geht also zusammengefasst um Anpassungen, die in Richtung einheitliches System gehen, und ganz konkret geht es darum, die Pensionen von Bäuerinnen und Bauern im


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Niedrigstpensionsbereich zu erhöhen. Konkret wird diese Novellierung eine Verbesse­rung für 20 000 Menschen in Österreich bringen, die eine sehr geringe Pension erhalten. Ich hoffe daher im Sinne der Betroffenen auf eine breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.35


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.35.28

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich darf jetzt ein bisschen Bezug auf die Reden der Vorredner nehmen. Am Anfang ist die Frage der sozialen Gerechtigkeit für alle gestanden und ir­gendwann am Ende der Rede von Kollegen Kovacs ist im Zusammenhang mit der Bau­ernsozialversicherung sogar noch die Millionärsabgabe ins Spiel gebracht worden. Das habe ich nicht ganz verstanden. (Bundesrätin Schumann: Ein Beispiel für Gerechtig­keit!)

Ich möchte jetzt noch einmal sagen, um welche Beträge es da geht. Die Streichung des Solidarbeitrages, den Pensionisten keiner anderen Berufsgruppe bezahlen müssen, macht 4 Euro pro Monat aus. Da kann man schon sehr neidisch darauf schauen, dass Pensionisten mit den niedrigsten Pensionen von diesem 4-Euro-Beitrag befreit werden. (Bundesrätin Schumann: Kennen Sie die Frauenpensionen, Herr Kollege?)

Die Absenkung des fiktiven Ausgedinges von 13 auf 10 Prozent hat Kollege Lackner schon angesprochen. Das sind 32 Euro mehr Pension pro Monat, die durchschnittliche Bauernpension liegt dann also ungefähr bei 850 Euro. Die Mindestpension, das sei an­gemerkt, liegt bei 966 Euro. Es wird also immer noch ein Betrag von 94 Euro für das fiktive Ausgedinge abgezogen.

Ein kleiner Vergleich: Ein durchschnittlicher Arbeiter, und da haben wir wirklich keine Neidkomplexe, bekommt in der Pension immerhin 1 223 Euro, ein Angestellter 1 753 Euro und ein Beamter 3 100 Euro.

Ich darf vielleicht noch eine Gruppe herausnehmen – auch da ist kein Neid vorhanden, ich darf es aber erwähnen –: Die Mindestsicherung in Wien beträgt für jeden, der die Voraussetzung erfüllt, unabhängig davon, ob jemals ein Euro in das System einbezahlt wurde, 917 Euro. Also noch einmal: 850 Euro zu 917 Euro. Wenn man da von Klientel­politik spricht, wenn man den Beziehern von niedrigsten Pensionen die Kürzung einer Kürzung kürzt, also die Kürzung von einer Mindestpension verringert, so verstehe ich das nicht.

Es wurde vorhin gesagt, es sei eine Sensation, dass das bis zum 1.1.2020 rückwirkend gelten soll. Da darf ich schon an einen Entschließungsantrag der SPÖ-Fraktion im Bun­desrat erinnern, in dem gefordert wurde, dass die Hacklerregelung rückwirkend auf fünf Jahre eingeführt werden soll (Bundesrätin Schumann: Ist es gekommen? Nein!) – 300 Euro pro Monat. Wir reden jetzt bei uns von 32 Euro pro Monat, und das rückwirkend ab 1.1.2020.

Es wurde angesprochen, dass es nicht vertretbar sei, dass die Mindestbeitragsgrund­lage abgesenkt wurde. Dazu darf ich ausführen, dass die Mindestbeitragsgrundlage le­diglich auf das ASVG-Niveau abgesenkt wurde.

Es wird auch immer wieder ausgeführt, dass die Bauernpensionisten von der Corona­pandemie eigentlich nicht betroffen seien. – Selbstverständlich sind sie in den Betrieben sehr wohl von der Coronapandemie betroffen! Man muss aber auch beachten, dass die­se vorgezogene Maßnahme der geplanten Steuerreform in jedem Fall auch der Konjunk­turbelebung dient.


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Es wurde auch angesprochen, dass es nicht vertretbar sei, dass die Unfallversiche­rungsbeiträge für die betreffende Gruppe von der öffentlichen Hand übernommen wer­den. Dazu darf ich ausführen, dass das auch bei den Lehrlingen so geschehen ist.

Insgesamt glaube ich schon, dass das Verhalten und auch die Argumentation der SPÖ ein bisschen mit der Berufsgruppe der Bauern zu tun hat. (Bundesrätin Schumann: Nein!) Ich kann es nämlich nicht verstehen, wie man angesichts eines sozialpolitischen Gewissens, das man sonst immer vertritt, in dieser Weise argumentiert, wenn es um eine Berufsgruppe geht, die eine durchschnittliche Pension bezieht, die unter der Min­destpension liegt. (Bundesrätin Schumann: Das haben wir schon gehört!)

Zu den Aussagen von Kollegen Steiner – damit er nicht sagt, wir werden da wieder Krokodilstränen fallen lassen – darf ich auch argumentieren: Wir brauchen in Österreich eine funktionierende Landwirtschaft. (Bundesrat Steiner: So ist es!) Wir brauchen auch Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft, unter denen junge Leute wirklich die Moti­vation haben, in diesem Beruf zu bleiben, in dieser Sparte zu arbeiten. (Bundesrat Stei­ner: Die schafft ihr gerade nicht!) Wenn uns das nicht gelingt, werden wir alle miteinan­der große Probleme bekommen. (Bundesrat Steiner: Ihr seid dafür zuständig!)

Wir arbeiten daran und wir wissen, dass wir in einem internationalen Markt tätig sind. Wir können leider nicht sagen, die Tomaten von Kollegen Lackner machen wir plötzlich 30 Cent teurer. (Bundesrat Steiner: Auf unsere Unterstützung könnt ihr zählen!) Er wird sie dann nämlich nicht mehr verkaufen können. Wir brauchen deshalb die Ausgleichszu­lagen. (Bundesrat Steiner: Wer hat denn da seit Jahren die Minister gestellt?) Von SPÖ-Seite höre ich dann wieder: Wir müssen den Bauern vom Budget für die ländliche Ent­wicklung noch 25 Prozent wegnehmen, weil sie die ja nicht brauchen. Wenn wir solche Argumente verwenden, werden wir zukünftig keine Bauern mehr in unserem Land ha­ben. Wir werden Probleme im Tourismus bekommen. Wir werden uns noch viel mehr von internationalen Lebensmittelkonzernen abhängig machen.

Wir haben in diesen Krisenzeiten gesehen, wie schnell wir einen Mangel an Schutzklei­dung, an Medikamenten hatten. Ich hoffe nicht, dass wir das auch einmal bei Nahrungs­mitteln erleben werden. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesra­tes Steiner.)

Schauen wir daher alle gemeinsam auf unsere Bauern – dazu hat es ja heute sogar schon Bekenntnisse gegeben – und legen wir diese vollkommen unbegründeten Neidre­flexe ab! Wenn es so erstrebenswert wäre, Bauer zu sein, dann wundere ich mich, dass da (in Richtung SPÖ) auf dieser Seite nicht viel mehr Bauern sitzen, denn die Möglich­keit, da einzusteigen, wäre durchaus gegeben. (Bundesrat Steiner: Wir stimmen zu! – Der Redner weist noch deutlicher in Richtung SPÖ.) – Nein, ich habe dorthin gezeigt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Gross.)

18.42


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.43.03

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Werter Herr Minister! Ja, machen wir es kurz: Die Bauernschaft, sage ich jetzt einmal, macht geschätzt 3 Prozent, 5 Prozent – es kommt drauf an, ob nur Vollerwerbsbauern oder inklusive Nebenerwerbsbauern – der Bevölkerung aus. Das Ausgedinge in der Form gibt es eigentlich nicht mehr, weil sich die Familienstrukturen auch auf den Bauernhöfen geändert haben, sehr viele Kinder wegziehen und etwas anderes machen oder vielleicht noch dort wohnen, aber etwas anderes arbeiten. Deswegen gehen wir sogar einen Schritt weiter, gehen damit nicht auf die ÖVP zu, sondern auf die Bauern, und sagen: Wir hätten das gerne ganz gestrichen. Deswegen haben wir folgenden Entschließungsantrag vorbereitet:


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Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ersatz­lose Streichung des fiktiven Ausgedinges“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat eine Novelle zum Sozialversiche­rungsrecht zuzuleiten, mit der das fiktive Ausgedinge ersatzlos gestrichen wird.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

18.44


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Er­satzlose Streichung des fiktiven Ausgedinges“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


18.44.33

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Werte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir heute die Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, des Ge­werblichen Sozialversicherungsgesetzes und des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes beschließen, dann ist das ein guter Tag für eine sehr kleine Gruppe von Bäuerinnen und Bauern, die eine der geringsten Pension beziehen und zu dieser eine kleine Ausgleichs­zulage dazubekommen, eine Pension, die eigentlich die niedrigste von allen in ganz Österreich ist. Von dieser Ausgleichszulage werden für das fiktive Ausgedinge 13 Pro­zent in Abzug gebracht. Das soll auf 10 Prozent abgesenkt werden.

Die Vorredner haben die Zahlen schon alle genannt, das möchte ich daher überspringen. Ich kenne keine Berufsgruppe, die so viel arbeitet und eine so niedrige Rente bekommt, in den meisten Fällen auch noch in der Pension am Hof mitarbeitet, verantwortungsvolle Aufgaben übernimmt, in unserer Region oft die Almwirtschaft führt und die meist noch zufriedener als viele andere Menschen ist. (Bundesrätin Schumann: Die Frauen!) Man kann und muss diesen Menschen große Wertschätzung entgegenbringen und aufrichtig Danke sagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Zusammenleben der Generationen auf den Bauernhöfen hat sich natürlich immer der Zeit angepasst und verändert. Dieses fiktive Ausgedinge ist immer aufgrund der freien Wohnung, der freien Kost und des freien Brennholzes/der freien Heizung und so weiter errechnet worden. Das wurde, als die Pensionsversicherung beziehungsweise die Sozialversicherung der Bauern eingeführt wurde, mit 35 Prozent veranschlagt und schrittweise immer mehr abgesenkt. Wenn dieser Beschluss durchgeht, dann liegen wir bei 10 Prozent. Ich glaube, das entspricht der Realität. Es ist unbürokratisch und verwal­tungstechnisch sehr, sehr einfach. Ich bedanke mich ausdrücklich bei unserer Bundesre­gierung für diese positive Maßnahme zugunsten der Bezieher von Kleinstpensionen, un­serer Bäuerinnen und Bauern.

Meine große Wertschätzung gilt den Bäuerinnen und Bauern, die mit der Bewirtschaf­tung ihrer Höfe ihre Existenz sichern und damit auch für die Allgemeinheit große Leis­tungen erbringen, die sonst nicht finanzierbar wären.


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Machen wir einen kurzen Blick zurück: Ich kann mich sehr, sehr gut an die Diskussion über den Grünen Bericht 2018 erinnern. Ich habe heute auf der ORF-Seite gesehen, dass das Einkommen in der Landwirtschaft im Schnitt stagniert oder auf jenes des Jahres 2016 zurückfällt. Der Bericht ist eine sehr gute, transparente Unterlage, in der die wirtschaftliche Entwicklung, aber auch die Einkommenssituation in der Landwirtschaft in ganz Österreich in allen verschiedenen Produktionssparten gut dargestellt wird. Das ein­hellige Ergebnis dieser Diskussion im Bundesrat war: eine schwierige Situation aufgrund äußerer Einflüsse – Klimaveränderung, Trockenheit, Unwetter, Preisdruck, Markt – und die Einkommenssituation sehr angespannt, im Besonderen in der kleinstrukturierten Landwirtschaft. Ich kann mich auch noch sehr, sehr gut an die Argumente der SPÖ er­innern, dass wir Kleinbetriebe, Familienbetriebe, die Kleinstruktur, die Berglandwirtschaft stärken müssen – denen müssen wir etwas zugutekommen lassen, weil die einfach sehr stark von schlechten Einkommen betroffen sind.

Ich denke an das Waldfondsgesetz, das wir gestern diskutiert haben, an den riesigen Schaden für die Forstwirtschaft, den eigentlich jeder Waldbesitzer schon hat erleiden müssen. Es wurde uns berichtet, wie viel Holz in den letzten drei Jahren angefallen ist und wie hoch der Schadholzanteil ist. In vielen Bereichen, wo Waldbestände 80, 100 Jahre alt sind, steht kein Baum mehr. Die Holzernte ist teurer als der Wert des Hol­zes. Leider hat sich die SPÖ-Fraktion nicht durchringen können, diesem Waldfondsge­setz zuzustimmen, obwohl ich denke und überzeugt bin, dass ein klimafitter Wald nicht nur für den Forstwirt, für den Waldbauern, für die -bäuerin, sondern wirklich auch für das Allgemeinwohl sehr, sehr wichtig ist, weil ein gesunder Wald für den Klimaschutz wichtig ist. Da bin ich schon sehr, sehr enttäuscht, dass da keine Zustimmung kommen konnte. (Bundesrätin Schumann: Dass das Arbeitslosengeld nicht erhöht werden konnte, da sind wir schon sehr enttäuscht!)

Wir als bäuerliche Familien erfahren – und das freut mich wirklich – von vielen Menschen große Wertschätzung aufgrund der nachhaltigen und ökologischen Bewirtschaftung un­serer Betriebe, und das stimmt mich trotz allem positiv. Dies zeigt sich darin, wie stark in der Coronazeit der Zusammenhalt zwischen Lebensmittelproduzenten, sprich Bäue­rinnen und Bauern, einerseits und den Konsumenten und Konsumentinnen andererseits war. Da gilt es, dranzubleiben und täglich daran zu arbeiten, diese Partnerschaft weiter auszubauen.

Zur Frage: Warum rückwirkend? – Genau diese Gruppe der Bauern hat keine Möglich­keit, in Coronazeiten etwas aus einem Härtefallfonds zu bekommen. Ihnen hilft kein Hilfs­paket und kein Fixkostenzuschuss. Diese Maßnahmen, dieses Landwirtschaftspaket, das die Regierung in ihrer Klausur ausverhandelt und beschlossen hat, ist in diesem Rahmen zu sehen, nämlich als Hilfe und Unterstützung angesichts der Coronaschäden, die auch die Landwirtschaft ertragen musste – Preisverfall bei Milch, Fleisch, Holz und allen anderen Dingen. Deshalb soll das rückwirkend gültig sein. Die Summe ist aber doch so riesengroß – diese 30 Euro pro Person und Monat in die Hand zu nehmen kann man, so scheint es mir, vonseiten der SPÖ nicht riskieren. (Bundesrätin Grimling: Ge­nau, ja! – Bundesrätin Schumann: 70 Prozent!)

Ich möchte noch eine Frage stellen, und zwar: Was erwartet sich die Allgemeinheit von uns Bauern, die wir die Betriebe ökologisch, nachhaltig bewirtschaften? Da gäbe es sehr viele Punkte. Ich denke zum Beispiel an die saubere Luft, ich denke an das gesunde Wasser, ich denke an den gesunden, fitten Wald, den wir wieder aufzubauen versuchen. Ich denke an die Erholungsräume, ich denke an die Kulturlandschaft, ich denke an den Erholungswert unserer Kulturlandschaft. Das sind alles Dinge, die wir mit Selbstver­ständlichkeit, mit Leidenschaft und Motivation der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.

Was können wir uns von den Konsumenten erwarten, oder was sollten wir uns erwarten können? Es wird heute über Einkommen gesprochen, und ich glaube – ich habe die


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Coronakrise beziehungsweise die Coronazeit angeschnitten –, der beste Schutz der Bauern, das, was am meisten dazu beiträgt, dass es ihnen besser geht, ist die Regio­nalität. Das haben die Konsumenten in der Coronazeit bewiesen, und das, glaube ich, müssen wir auch in Zukunft stärken. Die Konsumenten und die Konsumentinnen, ihr erwartet von uns, dass alles frei zu haben ist, auch der Wald. Alles soll frei zur Verfügung stehen – und wir können nicht einmal Zustimmung zu einer Pensionserhöhung von 30 Euro bekommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich komme zum Schluss. Heute hätten wir die Möglichkeit, hier im Hohen Haus die Per­sonengruppe mit den niedrigsten Pensionen zu unterstützen. (Bundesrätin Schumann: Das sind die Frauen!) Das sind in diesem Fall 20 000 Bäuerinnen und Bauern, die alle ihr Lebtag viel gearbeitet, aber auch für die Gesellschaft sehr viel geleistet haben. Ich bitte euch um eure Zustimmung! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Rösch: ... streichen wir’s gleich! – Bundesrat Steiner: Stimmt unserem Antrag zu! – Bundesrat Rösch: Jetzt kommen wir entgegen, dann wollen sie es auch wieder nicht!)

18.53


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.


18.53.59

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eingangs mein Bedauern darüber aussprechen, dass ich ein bisschen zu spät gekommen bin. Das tut mir leid. Es ist kein Signal der Respektlosigkeit, ganz im Gegen­teil, ich möchte mich dafür entschuldigen. Das passt einfach nicht, ist nicht in Ordnung gewesen. (Bundesrätin Mühlwerth: ... Radfahren ...! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Dass man in Wien und in vielen anderen Bereichen mit dem Fahrrad schneller ist als mit dem Auto, ist durchaus nachvollziehbar, da kann ich nicht widerspre­chen. (Ruf: Man muss es auch nutzen!) – Man muss es auch nutzen, ja, deswegen bin ich gerade noch mit der U-Bahn gefahren, lieber Kollege. (Allgemeine Heiterkeit.) Ich weiß nicht, wann das bei dir das letzte Mal der Fall gewesen ist.

Gut, aber kommen wir zum Ernst, denn das, was wir hier diskutieren und beschließen, ist ein sehr ernstes Thema. Ich bin selbst vor längerer Zeit auf dem Land aufgewachsen. Meine Eltern haben in einem kleinen Sacherl gelebt – so hat man bei uns in Oberöster­reich gesagt. Wir haben einen Eber gehabt. Das war mein erster Freund, bei ihm habe ich gehen gelernt, an seinen Ohrwascheln quasi. Die Stube bei uns war vis-à-vis vom Stall, dazwischen hat es den Vorhauseingang gegeben. Dazu hat es ein paar Schweine gegeben, ein paar Hendln, und das war’s in Wirklichkeit.

Die Lebenssituation meiner Eltern, und ich will mich überhaupt nicht beschweren, war Folgende: Mein Vater hat dann das Glück gehabt, dass er Lehrer werden konnte. Er ist mit dem Fahrrad (erheitert) in die nächste Stadt in die Schule gefahren, hat dort unter­richtet, und dann waren meine Leute halt irgendwie halbwegs heraußen.

Die Anfangssituation für sie aber war Armut, und diese Armutssituation – ich glaube, da sind wir uns ja einig – gibt es auch heute noch, in unterschiedlichen Lebensbereichen, in unterschiedlichen Berufsgruppen, bei unterschiedlichen Geschlechtern, bei manchen mehr, bei Frauen nämlich, in manchen Bereichen weniger. Mir als Sozialminister muss es völlig gleichgültig sein, wo Armut zu Hause ist, wer von Armut betroffen ist. Wir müs­sen dagegenhalten, das ist unsere Aufgabe. Wir müssen schauen, dass wir diese Si­tuationen einfach Schritt für Schritt korrigieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Liebe KollegInnen, über das Faktum, dass derartige Pensionshöhen, von denen wir jetzt gehört haben, einfach nicht okay sind und in unserer Gesellschaft eigentlich nichts ver­loren haben, dass wir sie verbessern müssen, dass ein Ausgedinge mit den Realitäten


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der Istzeit, der Gegenwart nichts mehr zu tun hat (Bundesrat Steiner: Abschaffen, das Ausgedinge!), sind wir uns ja grundsätzlich einig, und ich höre auch von der Sozialdemo­kratie keinen Widerspruch.

Ich denke, wir haben da zwei Denkschulen in der Herangehensweise. Die eine Denk­schule heißt: Wir haben ähnliche Situationen auch in anderen Bereichen, also gehen wir es gemeinsam an und versuchen, es gemeinsam zu lösen! Ihr habt gesagt, das ist Ge­rechtigkeit.

Nun kann man auch absolut – und ich stehe zu dem, was da heute beschlossen wird – die andere Denkschule vertreten und sagen: Beginnen wir einmal irgendwo, und Schritt für Schritt versuchen wir ja in der Bundesregierung – das ist ja keine Einmalbeschluss­lage –, das auch für andere Bürgerinnen und Bürger zu realisieren. (Bundesrat Schen­nach: Dann bleibt man beim Einzelschritt stehen!) – Nein, Kollege Schennach, da müs­sen wir uns aber schon die Realitäten ansehen.

Ja, wir befinden uns in einer extrem schwierigen Situation. Du weißt genauso gut wie ich – der IWF hat es vor Kurzem formuliert –: Das ist nicht nur die schwerste Pandemie seit 100 Jahren, sondern es wird weltweit auch die schwerste Rezession seit 90 Jahren sein. Man muss sich vorstellen, was das bedeutet! Das heißt, wir sind wirklich in einer riskanten Situation, in eine schwere soziale Krise hineinzukommen.

Ich glaube, da muss man einfach zusammenarbeiten und kooperieren, und das ist ein­fach mein Appell! Ich weiß, es ist legitim, dass man unterschiedliche Positionen hat und dass man mit Herz und Emotion vertritt und herausarbeitet, was die eigenen Anliegen sind; in Wirklichkeit aber werden wir im sozialpolitischen Bereich viel, viel, viel tun müs­sen, um zu verhindern, was da jetzt droht, nämlich dass Menschen, die überhaupt nichts dafür können, überhaupt nichts, in eine schwere soziale Krise, in eine Lebenskrise ge­raten. Das zu unterbinden muss unser gemeinsames Tun sein.

Nun kann man darüber diskutieren: Ist eine Einmalzahlung etwas, das jemanden weiter­bringt? – Ich sage: Ja, 450 Euro sind für mich persönlich besser als null Euro. Nun kann man aber umgekehrt auch das Argument vorbringen – und das respektiere ich –, dass man die Aufstockung des Arbeitslosengeldes haben will. Wir haben als Bundesregierung so begonnen, dass wir gesagt haben: Jenen, die in der schwierigsten Situation sind, wollen wir als Ersten helfen. Das ist die nicht kleine Gruppe der BezieherInnen von Notstandshilfe – diese haben wir jetzt einmal auf das Niveau des Arbeitslosengeldes aufgestockt. Ich halte das im Übrigen für extrem wichtig und ich gönne es jedem, der aus diesem Grund jetzt ein bisschen mehr Luft zum Atmen hat.

Wir haben geschaut, dass wir den Familienlastenausgleichsfonds nützen, und, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, ich stehe dazu: Ich bin froh darüber, dass jetzt auch Bezieherinnen und -bezieher der Mindestsicherung den Zugang zu diesen 450 Euro haben, denn mir ist es gleich, wie Elend entsteht, wo die Herkunft von Elend ist, wo jemand geboren ist, welches Geschlecht das Elend hat. Handeln müssen wir, und da haben wir noch einen großen, breiten Weg vor uns! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das, was wir heute tun, soll ein Schritt in diese Richtung sein. Ihr könnt mir glauben, ich bin wirklich dabei, dass wir kämpfen, dass wir weitermachen und dass das nicht der letzte Schritt bleiben wird. Da bin ich mir ganz, ganz sicher. Das, was aus meiner Sicht das Nächstwichtige ist – und das ist eine Riesenherausforderung –, werden große Kon­junkturpakete sein müssen, denn wir müssen mit Investitionen schauen, dass wir aus dieser Situation der Arbeitslosigkeit schnellstmöglich wieder herauskommen.

Wir haben ein paar große Dinge beschlossen, gerade wenn es um die Investitionen in die Energieeffizienz, in die Energiewende, also in diesen großen Green New Deal geht. Das schafft Beschäftigung, das kommt uns allen in dieser Situation zugute. Es sind aber


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nur erste Schritte. Da muss noch viel kommen, und da werden wir noch viel an Gehirn­schmalz und auch an Solidarität brauchen – miteinander, füreinander und zueinander.

Ich bin froh darüber, dass die Zeiten, als manche Politiker und Politikerinnen der Bevöl­kerung gesagt haben, es gehe ihr dann besser, wenn es dem anderen schlechter geht, in Österreich vorbei sind. In diesem Sinne sollten wir auch gemeinsam arbeiten. Darum ist es besser, jetzt einen Schritt zu setzen, der einer Gruppe, die wirklich akut betroffen ist, hilft und nützt.

Aus meiner persönlichen Sicht werden wir da im Übrigen über viele Dinge reden müssen. Ich halte zum Beispiel die Form der jetzigen Agrarförderung seitens der Europäischen Union für zutiefst unökologisch und unsozial. Auch da müssen wir etwas tun! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wir werden aus meiner persönlichen Sicht auch in anderen Bereichen handeln müssen, nämlich im Zusammenhang mit Preissituationen. Es kann ja nicht sein, dass ein Land­wirt, eine Landwirtin, die ehrliche Arbeit leisten, für das Produkt, das dann verkauft wird, de facto weniger kriegen als vor 15, 20 oder 25 Jahren. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.) Einen gerechten Preis brauchen wir, und vieles mehr, und das ist ja nicht das Ende von dem, was wir tun.

Wir müssen mit der Bekämpfung der Armut in Österreich Ernst machen! Das, was heute passiert, ist ein Schritt für eine Gruppe, aber mit Sicherheit nicht der letzte Schritt. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Schachner.)

19.01

19.01.51


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Rösch, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Ersatzlose Streichung des fiktiven Ausgedinges“ vor. Ich las­se über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. (Bundesrat Steiner: Was ist mit den ÖVP-Bauernvertretern? Da duckt ihr euch wieder weg! – Bundesrat Rösch: Ist aber lustig! Zuerst jammern sie und dann ...!) Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

19.02.5018. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (708/A und 265 d.B. sowie 10387/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (709/A und 266 d.B. sowie 10388/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 157

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 18 und 19, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich bitte um die Berichte.


19.03.23

Berichterstatter Andreas Lackner: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.05.04

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Corona hat in diesem Jahr der Regierung, aber auch dem Parlament schon viel Veränderungsmanagement abverlangt. Die Phasen von Veränderungsprozessen sind vielfältig. Ich möchte eine Phase darstel­len, um den vorliegenden Antrag auf Änderung des Alterssicherungskommissions-Ge­setzes transparenter und verständlicher zu machen.

Unter Veränderungsmanagement lassen sich alle Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkei­ten zusammenfassen, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weit­reichende Veränderung zur Umsetzung aktueller und realitätsbezogener Ergebnisse zur Folge haben.

Die Kommission zur langfristigen Pensionssicherung wurde in ein deutlich verkleinertes Gremium von Experten und Expertinnen mit erweitertem Aufgabenbereich umgewan­delt. Die Kommission arbeitet unter dem Namen Kommission zur langfristigen Finanzie­rung der Alterssicherungssysteme, kurz eben als Alterssicherungskommission bekannt.

Mit dem vorliegenden Antrag soll die Frist zur Erstattung eines Gutachtens über die vo­raussichtliche Gebarung der gesetzlichen Pensionsversicherung sowie über die Kosten­entwicklung der Pensionen der Beamtinnen und Beamten des Bundes, der Länder und der Gemeinden, das bis November dieses Jahres vorzulegen wäre, auf Ende März 2021 verschoben werden.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 158

Die Alterssicherungskommission macht wieder Langzeitprognosen. Auf Basis dieser Prognosen wird der Finanzierungsbedarf für das Pensionssystem in Zukunft festgestellt, und daraus kann die Politik unter Umständen Schlüsse ziehen, wo denn dringender Handlungsbedarf bestünde.

Von der Kommission würden die Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts von Februar und März dieses Jahres für ihre Prognosen und Projektionen herangezogen werden, weil ja keine anderen Daten des Wifo vorhanden sind. Das heißt, in Wirklichkeit wären die Coronaeffekte gar nicht eingepreist.

Die Alterssicherungskommission besteht aus Experten und Expertinnen der Bundesar­beitskammer, der Wirtschaftskammer, des Gewerkschaftsbundes, der Industriellenver­einigung, der Präsidialkonferenz der Landwirtschaftskammern, des Seniorenrates und der Bundesjugendvertretung sowie aus Vertretern der Ministerien für öffentlichen Dienst und Sport, Finanzen, Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz. Sie sehen, es ist eine sehr breit gefächerte und auch vom Inhalt her sehr gut zusammengesetzte Kommission. Diese möchte nun eben die Vorlage des Berichtes um vier Monate verschieben, nämlich von November dieses Jahres auf März 2021.

Die zweite Gesetzesänderung betrifft die Verlängerung des Anspruchs auf die Waisen­pension. Einen Elternteil zu verlieren ist für jedes Kind wahrscheinlich unfassbar schmerz­haft, und zwar völlig unabhängig davon, welchen Beruf der oder die Verstorbene ausge­übt hat. Durch diese Gesetzesänderung wird sichergestellt, dass ein verlängerter An­spruch auf Waisenpension über das 27. Lebensjahr hinaus auch für Kinder von Beam­tinnen und Beamten bestehen soll. Das betrifft eben Kinder von Beamten und Beam­tinnen des Bundes, der Post und Telekom, der ÖBB und von Landeslehrern beziehungs­weise Landeslehrerinnen.

Diese Covid-19-bedingte Verlängerung des Bezugs von Waisenpensionen wurde näm­lich für Versicherte nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz bereits im 9. COVID-19-Gesetz im Mai dieses Jahres beschlossen. Durch die Novellierung soll eine Ungleichbehandlung von Waisenkindern ganz klar beseitigt werden. Alle, die diese ge­setzlichen Voraussetzungen erfüllen, sollen bis längstens 31.12. Anspruch auf Unterstüt­zung haben.

Zusammenfassend: Es sollen alle Jugendlichen über 18 Jahre, die sich in Ausbildung befinden, bis zum 27. Lebensjahr weitere sechs Monate Anspruch auf Waisenpension haben. Kein Jugendlicher soll neben diesem persönlichen und auch menschlichen Ver­lust auch noch einen finanziellen Verlust erleiden. Ich ersuche um Zustimmung zu diesen Anträgen, weil wir immer für Gerechtigkeit eintreten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.10


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Zaggl. Ich erteile es ihm.


19.10.51

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Seit mehr als 60 Jahren zeigt sich, dass unser System des Generationen­vertrages großartig funktioniert. Die Pensionen sind sicher, auch wenn es seit vielen Jahren Schwarzmaler gibt, die dieses System kritisieren beziehungsweise Angst ma­chen wollen und meinen, dass uns irgendwann das Geld ausgehen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Berechnungen zeigen jedoch, dass es anders ist. Selbst mit der steigenden Le­benserwartung braucht man sich um die Absicherung keine Sorgen zu machen. Ebenso


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 159

heißt es immer wieder, dass die staatlichen Zuschüsse immer höher werden. Auch da irren sich die Kritiker; in den letzten drei Jahren gingen sie sogar zurück.

Ebenso sollte man nicht vergessen, den Fokus und somit den Investitionsbereich auch auf den Arbeitsmarkt zu legen und immer mehr darauf zu achten, dass viele in Be­schäftigung sind, denn das macht unseren Generationenvertrag aus. Wir zeigen dadurch Solidarität, die es in vielen anderen europäischen Ländern nicht so stark gibt. Unser Pensionssystem erhält internationale Anerkennung, und wir sollten dies hochhalten. Viele internationale Modelle setzen ihren weitläufigen Fokus auf Privatversicherungen. Diese können für jeden, der es will, einen kleinen Unterstützungsfaktor darstellen, sollen und dürfen aber niemals die Hauptaltersversorgung darstellen.

Jene Reformen, die zur Stabilität immer wieder durchgeführt werden und notwendig sind, stärken uns und zeigen, dass wir für unsere ältere Generation da sind, wie sie es für uns war. Mit den Pensionen sichern wir einem Viertel der Bevölkerung das Einkommen, das ist somit ein Stabilisator für Konjunktur und Kaufkraft.

Eine Sache, an der noch gearbeitet und die verbessert werden muss, ist, dass Frauen wesentlich weniger Pension erhalten als Männer. Dies hat aber eine tiefer gehende Problematik, da es diesbezüglich sehr viele Jahre vor Pensionsantritt endlich zu Verbes­serungen kommen muss: gleicher Lohn für gleiche Arbeit, bessere Anrechnung und die Verbesserung der Berechnung der Teilzeitarbeit bei Frauen. Dabei haben wir aber noch einen langen Weg vor uns. Wie heute schon gesagt, finden zurzeit mehr Männer zurück an die Arbeitsplätze, Frauen bleiben vermehrt arbeitslos, was sich auf deren Pension auswirkt.

Jugendarbeitslosigkeit beziehungsweise mangelnde Ausbildungschancen bedeuten weniger Lebenseinkommen und danach auch weniger Pension. Junge Frauen, die jetzt keine Ausbildung bekommen, erhalten gewissermaßen lebenslang weniger Einkommen.

Die Verlängerung der Waisenpension über das 27. Lebensjahr hinaus und die Verlänge­rung der Anspruchsdauer für den Bezug von Familienbeihilfe sind überaus sinnvolle Maßnahmen, da es sich auch dabei um eine Unterstützung und um eine Sicherung für die betroffenen Personen handelt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.14


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Kollegin.


19.14.38

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir haben jetzt zwei Geset­zesvorlagen zu beschließen. Bei der ersten – wir haben es schon gehört – wird die Wai­senpension von Beamtenkindern angeglichen, sodass eben die Verlängerung der Wai­senpension auch für Kinder von Beamten gilt. Wenn sie die Ausbildung coronabedingt nicht bis zum 27. Lebensjahr beenden können, wird sie über das 27. Lebensjahr hinaus verlängert. Wir Freiheitliche werden diesem Antrag selbstverständlich zustimmen.

Bei der zweiten Gesetzesvorlage, die wir heute beschließen, geht es ebenfalls um eine Verlängerung, nämlich um die Fristverlängerung um vier Monate, weil die Alterssiche­rungskommission um diese Verlängerung von vier Monaten ersucht hat, damit sie noch genaue Daten einarbeiten und dieses Gutachten erst Ende März, Anfang April vorlegen kann. Wir Freiheitliche stimmen selbstverständlich auch dieser Fristverlängerung zu.

Ich möchte mich aber gerne noch kurz zur Alterssicherungskommission äußern. Herr Minister, ich nehme Sie da ins Gebet oder stelle Ihnen die Aufgabe: Schauen Sie bitte und sorgen Sie dafür, dass die Alterssicherungskommission nicht auf die wahnwitzige Idee kommt, uns jetzt unter dem Deckmäntelchen Coronakrise ein Gutachten vorzulegen,


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 160

mit dem sie vielleicht unser Pensionssystem, das in den letzten Jahren ohnehin schon geschwächt worden ist, noch mehr schwächt!

Ich nehme Sie beim Wort, denn Sie haben vorhin gesagt: Mir ist es egal, wo Armut ist, ich muss als Sozialminister dagegenhalten! – In diesem Fall, wenn die Pensionen ange­rührt werden, wird es wieder die Pensionisten treffen, wird es wieder Menschen treffen, die ohnehin schon wenig Geld haben, obwohl sie ihr ganzes Leben lang gearbeitet ha­ben. Wenn man sein ganzes Leben lang arbeitet, kann es nicht sein, dass man dann im Alter zum Bittsteller degradiert wird!

Damit bin ich beim nächsten Punkt: Bitte kommen Sie nicht auf die Idee, dass Sie auch die Hacklerregelung, die Hacklerpension anrühren! 40, 45 Jahre arbeiten und dann ohne Abschläge in Pension gehen ist gerecht! 40, 45 Jahre arbeiten ist genug und muss den Menschen zugestanden werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Die schlimmste Rezession seit 90 Jahren wird auf uns zukommen. Sie haben gesagt, für Sie sind alle gleich, Ihnen ist es egal, woher die Menschen kommen und was sie machen. Für mich als Freiheitliche macht es sehr wohl einen Unterschied, wenn Menschen, die hier in diesem Land jahrzehntelang Steuern gezahlt haben, am Ende des Tages gleich viel bekommen wie Menschen, die in diesem Land vielleicht noch nie Steuern gezahlt haben. Auch da soll man bitte Gerechtigkeit walten lassen, damit zuerst jene bedient werden, die ihre Leistungen in diesem Staat erbracht und jahrzehntelang gearbeitet ha­ben. – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

19.18

19.18.06


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch da stelle ich die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

19.19.2520. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (Ärztegesetz-Novelle 2020) (706/A und 293 d.B. sowie 10394/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin.


19.19.59


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 161

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 8. Juli 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. Juli 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen damit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist – bleiben Sie gleich am RednerInnenpult! – Frau Bundesrätin Hau­schildt-Buschberger. – Bitte.


19.20.42

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Noch einmal ein herzliches Grüß Gott an die verbliebenen Zuseherinnen und Zuseher! Für diese möchte ich auch gleich ein paar Worte zur Erklärung in Bezug auf die Ärzteliste voranstellen. In Österreich ist es nämlich so, dass jemand nur dann als Arzt oder Ärztin ordinieren darf, wenn er oder sie auf dieser besagten Ärzteliste steht. Diese Ärzteliste wird seit vielen Jahren von der Ärztekammer geführt, die das dann wei­ter an die verschiedenen Landesärztekammern übergeben hat.

Jetzt war es so, dass der VfGH in einem sehr umfassenden Erkenntnis am 13. März 2019 festgestellt hat, dass diese Vorgehensweise so, wie sie derzeit praktiziert wird, nicht in allen Teilen verfassungskonform ist und daher korrigiert werden muss. Gleich­zeitig sagte der VfGH aber auch, dass er sie mit 31.8.2020 außer Kraft setzt.

Die Änderung, die heute beschlossen wird, führt die Aufgabe der Führung der Ärzteliste dem Bundesminister zu. Diese kann dann durchaus an die Bundesärztekammer weiter­gegeben werden, die aber nicht mehr die Kompetenz haben wird, die Liste zu erstellen. Für uns Grüne ist es dabei sehr wichtig, zu betonen, dass dadurch Transparenz entsteht. Das heißt, die Ärzteliste wird in Zukunft transparent gestaltet und kommt auf eine Home­page. Damit kann jedermann und jedefrau zukünftig einsehen, wer in Österreich als Ärz­tin oder Arzt zugelassen ist.

Die vorliegende Novelle wurde im Vorfeld umfassend und auf sehr breiter Basis vom Verfassungsdienst, den Vertreterinnen und Vertretern der Ämter der Landesregierung und der Österreichischen Ärztekammer diskutiert.

Zwei Worte noch zu einem Thema, das im Ausschuss auch kurz von der Kollegin – die ist jetzt gerade nicht da – angesprochen wurde, nämlich dass wir uns für die Zukunft darüber Gedanken machen, was die Niederlassung von Ärzten gerade im ländlichen Raum angeht: Da kann die Transparenz überhaupt nicht schädlich sein, sondern sehr gut als Mittel dienen. Das hat jetzt zwar nicht direkt etwas mit der Gesetzesänderung zu tun, aber ich halte an dieser Stelle noch einmal fest, dass es wichtig ist, dass wir uns damit beschäftigen.

Das war es eigentlich schon von meiner Seite. Ich möchte aber das Rednerpult beim letzten Tagesordnungspunkt jetzt nicht verlassen, ohne Ihnen allen einen schönen Som­mer mit Abstand zu wünschen, auf dass wir uns im Herbst alle gesund wiedersehen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 162

19.23


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Kollege.


19.23.52

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ärztegesetz-Novelle 2020: Was steckt dahinter? Was ist gemeint? – Meine Vorrednerin hat die wesentlichen Punkte bereits genannt. Es geht um die Ärzteliste. Ich gehe davon aus, dass eigentlich die wenigsten wissen, was die Ärzteliste ist, geschweige denn, dass es eine Ärzteliste gibt. Das ist ja auch etwas, was sich jetzt mit dieser Gesetzesnovelle ändern soll. Was ist die Ärzteliste? – Sie ist – das sagt der Name – eine Liste, in die sich jeder promovierte Mediziner, der in Österreich arbeiten will, eintragen lassen muss. Andernfalls hat er keine Arbeitsberechtigung.

Wenn ich daran zurückdenke, fühle ich mich jetzt fast elf, zwölf Jahre zurückversetzt: Frisch von der Uni kommend ist man zu seiner Landesärztekammer gegangen und hat sich voller Stolz in diese Ärzteliste eintragen lassen – dann hat man sich gleich noch ein bisschen erwachsener gefühlt. Das war bisher die gelebte Praxis. Die Österreichische Ärztekammer hat diese Liste geführt und hat die Aufgabe an ihre Landesärztekammern delegiert, bis ein Kollege gekommen ist, der das beanstandet hat, beeinsprucht hat, und der VfGH zu dem Entscheid gekommen ist, dass das nicht rechtens ist.

Verehrte Damen und Herren, Sie können sich jetzt vorstellen, wie das ist. Da gibt es Aufruhr bei der Standesvertretung, bei sämtlichen Stakeholdern. Letzten Endes aber tun wir heute nichts anderes mit diesem Beschluss, der – davon gehe ich aus, das hoffe ich – einstimmig gefällt wird, als dass wir die Eins-zu-eins-Umsetzung dieses VfGH-Er­kenntnisses beschließen.

Was bedeutet das jetzt konkret? – In Zukunft ist das Bundesministerium für die Führung der Ärzteliste verantwortlich. Es könnte es der Österreichischen Ärztekammer übertra­gen, hat aber entschieden – und das ist rechtens und in Ordnung –, die Verordnung selbst durchzuführen. In dieser Novelle gibt es aber noch einen Termin, das ist der 30.6.2021. Bis dahin, so hat man sich committet – das war ein Kompromiss der Bundes­länder, der Stakeholder mit dem Ministerium –, wird die bisher gelebte Praxis über die Landesärztekammer weitergeführt werden, außer es würde heute der Bundesrat anders entscheiden oder es würden sich die Bundesländer nach dem heutigen Entscheid in den nächsten Wochen anders entscheiden. Dann würde es nämlich so ausschauen, dass unsere Medizinerinnen und Mediziner bereits mit 1. September 2020 zu ihren Bezirks­hauptmannschaften oder zum Magistrat gehen müssten.

Das war das Technokratische; kommen wir vielleicht noch kurz dazu – denn das ist auch wichtig für uns als Länderkammer –, was die Vorteile sind!

Vorteil eins – die Kollegin vor mir hat es bereits erwähnt –: Wir schaffen damit Transpa­renz. Jede Österreicherin, jeder Österreicher kann in Zukunft einsehen, wo welcher Arzt tätig ist, welche Qualifikationen er hat. Das ist etwas, was absolut richtig und unterstüt­zenswert ist.

Vorteil Nummer zwei: Man schafft damit eine gewisse Möglichkeit der Gesundheitspla­nung, vor allem im Regionalbereich, indem ich als Bundesland, als Landesgesundheits­fonds Einsicht habe und sehe, in welcher Region ich möglicherweise einen Mangel an Hausärzten, an diversen Fachärzten et cetera habe. Deshalb ist es wichtig, dass wir heute dieses Gesetz verabschieden.

Auch ich möchte, bevor ich jetzt zum Ende komme, etwas erwähnen, weil es am Diens­tag im Ausschuss thematisiert wurde – ich schaue bewusst in die Reihen der Opposi­tion –: Ja, wir haben diese Sorge natürlich gehört, und nein, da trennt uns gar nichts bei dieser Sorge um die zukünftige hausärztliche Versorgung, um die wohnortnahe fachärzt­liche Versorgung. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir da ganz vehement dranbleiben, dass wir hier in Zukunft verschiedene Wege der Versorgung beschreiten werden. Ich sage immer, die Versorgung der Zukunft liegt in der Vielfalt. Ich denke, dass wir mit


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ganzer Kraft in den nächsten Monaten und Jahren ans Werk gehen müssen, um für unsere Österreicherinnen und Österreicher auch in den nächsten Jahren und Jahrzehn­ten die beste Versorgung zu gewährleisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich wünsche Ihnen einen erholsamen Sommer nach diesem Halbjahr in dieser Form, das sicherlich in die Geschichte eingehen wird – ich glaube, das kann man mit Fug und Recht behaupten. Bleiben Sie gesund! Ein steiri­sches Glückauf! (Allgemeiner Beifall.)

19.29


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Herrn Bundesrat Ingo Appé das Wort erteilen. – Bitte.


19.29.38

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Erkenntnis des Verfassungsgerichts­hofes vom 13. März ist die Grundlage für den heute vorliegenden Antrag. In diesem Er­kenntnis erachtet der Verfassungsgerichtshof die Regelung, dass in der Vergangenheit die Ärztekammern in den Bundesländern mit der Führung der Ärzteliste betraut wurden, als nicht gesetzeskonform.

Aus zeitökonomischen Gründen möchte ich jetzt keine Wiederholung dessen bringen, was meine Vorrednerin und mein Vorredner bereits ausführlich referiert haben. Ich möchte zu den aus unserer Sicht essenziellen Punkten kommen.

Die bisher weitreichenden Kompetenzen der Österreichischen Ärztekammer werden mit dieser Novelle erheblich eingeschränkt. Unsere Fraktion stimmt dieser Novelle grund­sätzlich zu, da diese Regelung den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes Rech­nung trägt, aber als Länderkammer stellen wir schon die Kritik in den Raum, dass sich nunmehr die Möglichkeit, auf die Daten zuzugreifen, für die Länder sehr verzögert.

Von meiner Vorrednerin wurde dargestellt, dass mit der Standesvertretung umfassend diskutiert und eine Einigung erzielt wurde. Das kann ich eigentlich nicht feststellen, da die Reaktion der Standesvertretung doch etwas stärker war, denn sie sieht da einen Angriff auf die ärztliche Selbstverwaltung. Dass die Novelle des ärztlichen Berufsrechtes ohne ernsthafte Gespräche mit der Österreichischen Ärztekammer beschlossen wurde, stößt daher in dieser Vertretung auf große Empörung. Ich zitiere die Standesvertretung:

„Der Beschluss ist ein Angriff auf den freien Beruf des Arztes“, so der Vizepräsident der Ärztekammer. Oder: „Der politische Stil, der bei der Umsetzung dieser Novelle an den Tag gelegt wurde, wird von uns klar abgelehnt. [...] Ganz offensichtlich ging es hier aus­schließlich um eine Schwächung der Standesvertretung“, so der Vizepräsident Dr. Jo­hannes Steinhart, der sicher nicht der SPÖ zuzurechnen ist.

Das kennen wir ja: Wenn nicht Wirtschaftskammer oder Landwirtschaftskammer drauf­steht, ist die Dialogbereitschaft dieser Bundesregierung enden wollend. Vielleicht wäre es aber doch ratsam gewesen, den Dialog mit der Standesvertretung zu pflegen, denn mit dieser Novelle hätte man die Chance ergreifen können, gemeinsam an der Verbes­serung, an der Erhöhung der Attraktivität der offenen Landarztstellen zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Schieben Sie dieses Problem der Planstellen bitte nicht auf die lange Bank, auch nicht jenes der derzeitigen Situation der Medizinstu­denten, unserer Ärzte von morgen! Es ist bereits später als fünf vor zwölf. Es gibt noch viele Baustellen, die dringend einer Reparatur bedürfen. Die jetzige Gesundheitskrise sollte eigentlich ein Turbo für eine Offensive und Verbesserung der derzeitigen Situation sein, denn eines ist klar: Die Gesundheit ist unser höchstes Gut, und wir haben nur eine.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 164

Gerade in dieser Pandemie haben uns alle um unser ausgezeichnetes Gesundheitssys­tem beneidet. Setzen wir alles daran, dieses auch so zu erhalten! Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.33


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Herrn Bundesrat Christoph Steiner um seinen Redebeitrag ersuchen. – Bitte, Herr Kollege.


19.33.39

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Kollegen Bundesräte! Von wem und wie wird eine Ärzteliste, Datenbasis für Planung, Durchführung, Steuerung und Finanzierung, geführt? – Vom Landesgesund­heitsfonds. So gesehen ist dies ein kleiner Reformschritt, der auch durchaus unsere Zu­stimmung finden wird. Allerdings, und das ist bei diesem Minister wirklich etwas Beson­deres, braucht man immer ein paar Anläufe mehr, bis man dann etwas ordnungsge­mäß, und das ist das interessante Wort, auf den Weg bringt. Wie heißt es aber so schön, Herr Minister: Besser spät als nie!

Eigentlich wundere ich mich schon ein wenig darüber, ich habe es im Ausschuss schon gesagt, warum man das – natürlich nicht in diesem Gesetz, aber im Zuge dieser Debat­te – nicht zum Anlass genommen hat, auch den niedergelassenen Bereich zu reformie­ren. Wahrscheinlich wären Sie, so wie ich Sie mittlerweile kenne, damit abermals über­fordert gewesen. Gott sei Dank haben wir in unserer Regierungszeit schon die ersten Schritte und zumindest ein kleines Fundament gesetzt, sodass es nun möglich ist, dass Ärzte in ihren Praxen Ärzte einstellen können.

Durchaus löblich, Herr Minister, ist es, dass Sie nun einen Österreichischen Strukturplan Gesundheit auf den Weg bringen möchten. Was nützt uns aber der beste Strukturplan, wenn wir die Stellen nicht besetzen können, weil sie nicht attraktiv genug sind?

Aus diesem Grund darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesund­heitspolitische Initiativen für die Stärkung des niedergelassenen Bereichs“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert dafür Sorge zu tragen, dass dem Nationalrat ein gesetzliches Maßnahmenpa­ket zugeleitet wird, das folgende Punkte umfasst:

- Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin

- Mehr Medizin-Studienplätze für Österreicher

- Lebensunterhaltsstipendium für Mediziner in Ausbildung

- Ausreichende Ausbildungsplätze für Mediziner

- Förderung für Lehrpraxen für Allgemeinmediziner und Fachärzte

- Liberaler Zugang zu Kassenverträgen“

*****

Unbedingt angehen müssen Sie auch, sehr geehrter Herr Minister, die Überregulierung im Gesundheitssystem. In den nicht urbanen Gebieten haben wir nämlich einen Schwund an Kassenarztpraxen, der wahrscheinlich auch Sie nicht kaltlässt. Mehrere


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 165

Sprengel in Österreich sind bereits ohne Sprengelarzt. Wir alle hier wissen, dass in den nächsten Jahren viele Sprengelärzte, die derzeit einen oder mehrere Sprengel bedie­nen, in Pension gehen werden.

Wir müssen spätestens jetzt eine massive Attraktivierung dieser Kassenstellen in Umset­zung bringen. Ansonsten, Herr Minister, werden wir irgendwann nicht daran vorbeikom­men, eventuell auch die Numerus-clausus-Flüchtlinge aus Deutschland, die wir bei uns in Österreich nahezu kostenlos ausbilden, zu verpflichten – nämlich dazu zu verpflichten, dass sie nach ihrem Studium eine gewisse Zeit eine Kassenstelle am Land zu besetzen haben (Beifall bei der FPÖ), um so wieder einen Teil an jene Bürger, die ihnen mit ihren Steuern das Studium ermöglicht haben, zurückgeben zu können.

Herr Minister, bitte fangen Sie an zu arbeiten, denn irgendwann kommt der Tag, an dem es nicht mehr ausreicht (Heiterkeit bei der SPÖ), zu Ihrem Marxistenkollegen nach Frankreich zu reisen, ein nettes Pressefoto zu machen oder eine weitere Pressekonfe­renz abzuhalten! Irgendwann kommt der Tag, an dem Sie dann an Daten und Ergebnis­sen gemessen werden.

Zum Schluss noch eines, Herr Minister, weil ich gerade jetzt, um 19.19 Uhr, bevor ich hier ans Rednerpult gekommen bin, eine E-Mail erhalten habe, die mir ein Bürger ge­schickt hat: Es soll um einen Artikel der „NÖN“ über eine Person in Niederösterreich mit spinaler Muskelatrophie gehen. Ich weiß nicht, ist es Ihnen schon zu Ohren gekommen? Ansonsten schicke ich Ihnen gerne den Link. Bitte nehmen Sie zu diesem Herrn Kontakt auf, der hat jetzt eine Petition eingeleitet, da er das für ihn so wichtige Medikament nicht bekommt, weil es in Österreich anscheinend nur bis zum Alter von 18 Jahren bezahlt wird. Also, lieber Herr Minister, ich schicke Ihnen diesen Link sehr gerne. Diese Petition läuft noch bis 31.7. auf www.openpetition.eu. Vielleicht auch ein Aufruf an alle Kollegen hier im Saal: Unterschreiben Sie diese Petition, damit man diesem jungen Menschen helfen kann! (Beifall bei der FPÖ.)

Eines sei mir noch gestattet: Uns wurde heute dieses Heft hingelegt. (Der Redner hält eine Broschüre mit der Aufschrift: „Masterplan Ländlicher Raum Tätigkeitsbericht des Bundesrats 2019/2020 Niederösterreich/Oberösterreich“ in die Höhe.) Ich muss schon sagen, ich war ein wenig schockiert. Herausgeber ist ja die Parlamentsdirektion – ich weiß nicht, was das da in Hochglanz kostet, ich weiß auch nicht, wer das lesen soll –, aber das ist ein Propagandaheft der ÖVP in Höchstform. Es ist wirklich ein Wahnsinn, dass sich die Parlamentsdirektion für so etwas hergibt! Da sind Fotos drin, auf denen sich die ÖVPler abselfieren, davon wird ein Foto gemacht und das wird dann in Hoch­glanz abgedruckt. Das geht über 114 Seiten so dahin. – Wir sind der Bundesrat der Re­publik Österreich und nicht der Bundesrat der ÖVP, das sei euch noch einmal gesagt! (Beifall bei der FPÖ.) Ich werde dieses Ding auch nicht mitnehmen, ich werde es hier (den Bericht neben das Rednerpult legend) liegen lassen, denn ich brauche es nicht.

Zum Abschluss sei euch allen noch ein schöner Sommer gewünscht, erholt euch gut! Ich wünsche aber auch, das wurde bisher vergessen, allen Mitarbeitern des Hohen Hau­ses, des Parlaments, wirklich schöne Sommerferien. Wir wissen, ihr hattet aufgrund der wirklich schwierigen Situation eine wirklich intensive Zeit, ihr habt nächtelang durchgear­beitet. Der Sommer sei euch recht herzlich vergönnt. (Beifall bei der FPÖ.)

19.40


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ge­sundheitspolitische Initiativen für die Stärkung des niedergelassenen Bereichs“ ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Bader, bitte sehr.



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 166

19.41.02

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Lieber Kollege Steiner, ich werde dieses Heft (den neben dem Redner­pult liegenden Bericht an sich nehmend) sehr gerne mitnehmen (Bundesrat Rösch: Fa­milienalbum!), möchte aber klar anmerken, dass diese Broschüre über den Tätigkeitsbe­richt des Bundesrates jährlich von der Parlamentsdirektion herausgegeben wird. (Bun­desrätin Mühlwerth: So war er noch nie!) Das ist das eine.

Das Zweite: Dieser Tätigkeitsbericht umfasst natürlich in diesem Fall die Präsidenten aus Niederösterreich und Oberösterreich, die gehören halt einmal der ÖVP an. (Bundes­rat Steiner: Das war aber noch nie so schlimm!)

Das Dritte: Diese Broschüre beinhaltet am Beginn Vorworte aller Fraktionsvorsitzenden. Wenn du ein Bild herausnimmst, dann schau dir das bitte an! (Bundesrat Steiner: Schlag einmal auf!) – Ja, ja, ich kann dir schon etwas aufschlagen, ich (den aufgeschlagenen Bericht in die Höhe haltend, ein Bild zeigend, auf dem Menschen zu sehen sind) kann dir eine Seite aufschlagen (Bundesrat Steiner: Schlag auf, irgendwo, ist egal wo!), das ist eine Schülergruppe. (Bundesrat Steiner: Das ist die ÖVP-Parteijugend!) Ich verstehe deine Aufregung überhaupt nicht, das ist eine Schülergruppe, die hier war. Ich kann dir eine weitere Seite aufschlagen. (Bundesrat Steiner: Na, na, jetzt brauchst nicht su­chen! Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Die Parteijugend ist nirgends drinnen, aber es hat eine Jugendenquete gegeben. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Also ich kann dir die Seiten zeigen. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Ich verstehe die Polemik nicht wirklich.

Ich wünsche trotzdem allen einen schönen Sommer. (Beifall bei der ÖVP.)

19.42


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Frau Bundesrätin Schumann, bitte.


19.42.46

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Weil es mir ein Bedürfnis ist und Kol­lege Steiner da einmal wirklich recht gehabt hat (Beifall bei der FPÖ): An alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion: Vielen Dank von der sozialdemokrati­schen Fraktion für Ihre tolle Arbeit, für die tolle Unterstützung, ohne die wir gar nichts schaffen würden!

Einen schönen Sommer, gute Erholung und einen guten Start in den Herbst! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

19.43


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke schön.

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ja, Bundesrat Appé, bitte. (Bundesrat Schreuder: Monika und ich wünschen auch einen schönen Sommer!)


19.43.32

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Ich glaube, jetzt muss ich die Rolle der Grünen übernehmen, da Kollege Steiner gesagt hat, der Herr Bundesminister für Gesundheit soll endlich zum Arbeiten anfangen. Ich glaube, er hat in der Zeit der Pandemie eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. (Beifall bei der SPÖ.) Ich hoffe, dass es im Sommer ohne Corona ein bisschen weniger wird und dass er auch Zeit hat, sich etwas zu erho­len. Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. Bundesrätin Mühlwerth: Ist das aber nett!)

19.43



BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 167

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Noch eine Wortmeldung kommt von Herrn Bundesrat Steiner. – Bitte.


19.44.00

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ich darf Herrn Kollegen Appé tatsächlich berichtigen: der Herr Bundesminister mit seiner ausgezeichneten Arbeit – ich erinnere nur an seine tollen Verordnungen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.44


19.44.13

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: So, jetzt schaue ich aber ganz genau, ob es nicht doch noch eine Wortmeldung gibt. Nein? Fühlt sich niemand berufen? – Dann ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Gesundheitspolitische Initiativen für die Stärkung des niedergelassenen Bereichs“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag ab­stimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Dan­ke, Herr Bader! Jetzt stimmt Herr Bader meinem Antrag zu! Heiterkeit bei der FPÖ.  Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Trotz gelungener Überzeugungsarbeit ist dieser Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.45.56Einlauf und Zuweisung

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, nämlich 3792/J-BR/2020 bis 3795/J-BR/2020, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 277/A(E)-BR/2020 der Bundesräte Korinna Schumann, Karl Bader, Monika Mühlwerth, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „bestmögliche Umsetzung der Kinderrechte“, der dem Kinderrechteausschuss zugewiesen wird.

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 8. Oktober 2020, 9 Uhr in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 6. Oktober 2020, 14 Uhr vorge­sehen.


BundesratStenographisches Protokoll911. Sitzung, 911. Sitzung des Bundesrates am 16. Juli 2020 / Seite 168

Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Sommer, erholen Sie sich gut und bleiben Sie gesund!

Die Sitzung ist damit geschlossen.

19.47.42Schluss der Sitzung: 19:47 Uhr

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